Dokument zum Referat - Psychiatrie

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21.06.2013
St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd
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ADHS - Psychiatrietrend oder Krankheit?
Informationsabend
im Psychiatrie-Zentrum Werdenberg-Sarganserland in Trübbach
Dienstag 5.Juni 2013
Referentin: lic. phil. Lilo Kunz, Psychologin
ADHS-Ambulanz der Psychiatrischen Klinik St.Pirminsberg, Pfäfers
Ablauf
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Was ist ADHS?
Was sind die Ursachen?
Erklärungsmodell
Auswirkungen
Positive Aspekte - Ressourcen
ADHS kommt selten alleine
Diagnostik und Behandlung
Literatur und weitere Informationen
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ADHS – Bezeichung für ein Syndrom
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A ufmerksamkeitsD efizit und
H yperaktivitätsS yndrom
Charakteristische Kombination von
verschiedenen Symptomen,
-> keine Aussage zur Ursache!
Aufmerksamkeitsmangel
Impulsivität
Hyperaktivität/Rastlosigkeit (mit oder ohne!)
Affektive Labilität/Emotionale Instabilität
Andere Bezeichnungen: ADD, ADHD, HKS, POS,
MBD, ADS, ADHS
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Vor allem im Erwachsenenalter
bestehen zudem oft weit unterschätzte Grundprobleme:
Problem mit Überblick/Orientierung
� Daraus ergeben sich Unsicherheit/Angst/Entscheidungs-, Organisations- und
Planungsschwierigkeiten mit einem bunten Strauss an Folgeproblemen (erlebt
sich selbst und wird als Versager erlebt)
Negatives Hyperfokussieren
� Negativ verzerrte Selbstwahrnehmung/Situationsbeurteilung
� Kritikempfindlichkeit und Impulsivität
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ADHS/ADS
…ist keine „Modekrankheit“ oder „Krankheit der Zeit“. Es ist eine neurobiologische
Variante der Informations-Verarbeitung im Gehirn.
…ist in hohem Masse vererbbar (80% genetisch bedingt) und somit von Geburt an
vorhanden oder
…kann Folge von Umweltfaktoren sein, die das frühkindliche Gehirn vor oder
während der Geburt in seiner Entwicklung „stören“.
…gilt erst als „Störung“ wenn sich daraus anhaltend situationsübergreifende
Beeinträchtigungen ergeben (dimensionale Störung)
…ist kein Mangel an Fähigkeiten sondern ein Problem der zentralen Steuerung und
Koordination
…Menschen mit ADHS/ADS „funktionieren“ anders als ihre „neurotypischen“
Mitmenschen
…verursacht nicht nur eine Reihe von Problemen, bringt auch Vorteile für die
Betroffenen und ihr Umfeld.
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Häufigkeit
Betroffen sind – je nach Studie – 3 bis 5% der Kinder
mit einer Persistenz im Erwachsenenalter von ca. 60% (2-4% der Erwachsenen)
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„krank“ oder einfach anders?
?
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Der Jäger und Sammler braucht andere Fähigkeiten als……….
-Aufmerksamkeit/Hyperfokus
-Reaktionsbereitschaft
-Risikobereitschaft
-Improvisation/Kreaktivität/Intuition
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….der Bauer
-Organisation/Management
-Beständigkeit/Konstanz
-Routine
-Überblick
-Zeitmanagement
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Die „ADHS-Funktionsmechanik“
Filter- und Steuerungsproblematik
Ohne ADHS � automatische Filterfunktion
Input
Gedanken/Assoziationen
z.B. 6 Varianten
- schneller Überblick
- Gefühl der Sicherheit
- Entscheidung möglich
- wenig Energieverlust
automatischer Filter
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mit ADHS � kein bzw. reduzierter Filter
Input
Gedanken/Assoziationen
z.B. 10‘000 Varianten
- lange bis Überblick/Orientierung
- Unsicherheit bis Überblick gefunden
- Entscheidungsnot solange Überblick fehlt
- grosser Energieaufwand
reduzierter Filter
Konzept Dr. med. H. Lachenmeier
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Zentrale Steuerungsleistungen
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Interesse richten und halten
Aufmerksamkeit richten und halten
Konzentration richten und halten
Speichern von Informationen bzw. des „Dateipfades“
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Level Zulassung Wahrnehmung aller Sinnesqualitäten regulieren
Level Zulassung Wahrnehmung sozialer Situationen regulieren
Level Zulassung Wahrnehmung Affekte und Gefühle regulieren
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Level Zulassung Aktivitätsdrang regulieren (körperlich und geistig)
Level Zulassung Impulse (aggressive, Rededrang, sexuell, Einkaufen usw.)
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Planen, Organisieren, Durchführen
Initieren einer Aktivität
Priorisieren
Anderes
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Exekutives System (Planung, Steuerung, Kontrolle von Verhalten)
Aufmerksamkeitssystem
Sensorisches System
Emotionsregulationssystem
Gedächtnissystem
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Orientierung – Wo ist mein Leuchtturm??
oder
Die anderen werden den Weg schon kennen..
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Hyperfokus
„oh wie schön!“
aber auch
„Gefahr“!!
Kritik
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Selbstorganisation – Planung - Umsetzung
heute?
oder morgen?
Hätt ich doch schon gestern!
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ADHS/ADS ist dann belastend, wenn
– es nicht gelingt, bei einer Sache zu bleiben, auch wenn man das möchte
– Impulse immer wieder nicht kontrolliert werden können und die Handlung schneller ist
als das Überlegen
– es darum geht, sich im Alltag zu organisieren und zu strukturieren
– wenn immer wieder die Eigenwahrnehmung so anders ausfällt als diejenige von
Mitmenschen
– wenn soziale Kontakte scheitern
– wenn das Erreichte nicht den vorhandenen Fähigkeiten entspricht
… der Lebensweg von immer neuen Misserfolgen und Rückschlägen geprägt ist…..
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Positive Aspekt - Ressourcen
ADHS/ADS-Betroffenheit birgt auch Positives
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Energie
Neugier, Wissbegier
Risikobereitschaft
Kreativität
Phantasie
Gesteigerte Auffassungsfähigkeit
Intuition
Hyperfokussieren (Ziel verfolgen, das „fasziniert“…)
Leidenschaft
Hilfsbereitschaft
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ADHS birgt Gefahr für Folgeerkrankungen (sekundäre Störungen)
Schizophrenien
Affektive Störungen
Angststörungen
Persönlichkeitsstörungen
Substanz-missbrauch / -abhängigkeit
Tourette / Tics
Störungen des Sozialverhaltens
Lernstörungen
Entwicklungsstörungen
Auftreten von Störungen über die Lebensspanne
--- ADHD als Anlage
10j
---------------------------- 20j.------------------------
30j.-----------
Soziale Auswirkungen über die Lebensspanne
Soziale Anpassungsstörungen / Delinquenz
Schul- und Ausbildungsschwierigkeiten
Probleme bei der Organisation von Alltagspflichten
Probleme am Arbeitsplatz
Instabile Beziehungen
Erziehungsprobleme
Prof. Dr. med. D. Eich, 2006
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Screening ADHS im Erwachsenenalter
Kommt es oft vor, dass Sie:
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sich leicht von äusseren Reizen oder nebensächlichen Gedanken ablenken lassen?
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impulsiv Entscheidungen treffen?
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Schwierigkeiten haben, eine Aktivität oder Verhalten einzustellen, wenn Sie sollten?
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ein Projekt oder eine Aufgabe beginnen, ohne zuvor die Anweisungen sorgfältig gelesen
oder genau zugehört zu haben?
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Versprechen oder Zusagen, die Sie anderen gegeben haben, nicht einhalten?
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Probleme haben, Dinge in der richtigen Reihenfolge zu erledigen?
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viel schneller Auto fahren als andere oder Schwierigkeiten haben, ruhig einer Freizeitaktivität
nachzugehen?
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Probleme haben, bei Aufgaben oder Freizeitaktivitäten längere Zeit die Aufmerksamkeit
aufrechtzuerhalten?
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Probleme haben, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren?
Aus „Das grosse Handbuch für Erwachsene mit ADHS“ von Russell A. Barkley, S. 22
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Ist eine professionelle Abklärung angezeigt?
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Sind mindestens vier (1-7) oder sechs (1-9) der genannten neun Symptome vorhanden?
Treten diese Symptome in Ihrem jetzigen Leben häufig auf?
Bestehen diese Probleme seit mindestens sechs Monaten?
Haben sich diese Symptome in der Kindheit oder Jugend (vor dem Alter von 16 Jahren)
herausgebildet?
Haben Ihre jetzigen Symptome zu negativen Konsequenzen (Beeinträchtigungen) in einem oder
mehreren wichtigen Lebensbereichen geführt (Ausbildung, Beruf, soziale Beziehungen,
Liebesbeziehungen/Partenerschaft/Ehe, Umgang mit Geld, Autofahren etc.)?
Haben diese Symptome schon in der Kindheit zu negativen Konsequenzen geführt?
Werden alle Fragen mit „Ja“ beantwortet, kann eine ADHS-Betroffenheit vorliegen.
Aus „Das grosse Handbuch für Erwachsene mit ADHS“ von Russell A. Barkley, S. 25
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Diagnostischer Prozess
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Allgemeine psychiatrische Untersuchung/Befragung
Körperliche Untersuchung
Gezielte Befragung: man findet nur, wenn man sucht.
Detailanalyse von einzelnen charakteristischen, problematischen Vorfällen
(Funktionsmechanismen) � Symptome allein erklären noch nicht deren
Ursache.
Ausführliche Anamnese (inkl. Familienanamnese) � Nachweis in der Kindheit
Befragung von Angehörigen betreffend Kindheit und aktuellen Auffälligkeiten
Tests sowie Selbst- und Fremdbeurteilungsfragebogen können unterstützen,
aber kein ADHS „beweisen“ oder ausschliessen.
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Behandlung
Eine erfolgreiche Behandlung setzt neben einschlägigen Fachkenntnissen und
Erfahrungen der Behandlungsperson eine tragende therapeutische Beziehung und
gute Motivation beim Betroffenen voraus (Ritalin alleine macht keinen Sinn!)
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Aufklärung: Erkennen und Verstehen der intern ablaufenden Prozesse (ADHSMechanik) und des persönlichen Bewältigungsrepertoirs.
Erkennen und Verstehen von daraus resultierenden Schwierigkeiten
(Leistungsvermögen/soziale Konflikte/Selbstbild) - ADHSler kennen sich bisher
nicht anders!
Medikation mit Stimulantien (1. Wahl Medikation) oder Suche nach Alternativen
Coaching: Planungshilfen/Selbstorganisation/Ressourcen ausschöpfen
Psychotherapie: Problembewusstsein entwickeln – wie/womit handle ich mir
Schwierigkeiten ein in Beziehungen, bei der Arbeit etc?
Überprüfung/Veränderung von bisherigem Copingverhalten, Trauerarbeit
Bearbeitung der Selbstwertproblematik/Selbstbild – Vertrauen in die eigenen
Ressourcen und Fähigkeiten zurückerlangen
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Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Literaturempfehlungen und Internetadressen liegen zum Mitnehmen auf.
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