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Zentrum für Medizinische Ethik
Anna-Karina Jakovljević, M.A., Jg.1974, studierte Philosophie in Göttingen. Seit 2002
promoviert sie zu einem Thema der Bioethik und studiert Humanmedizin. Sie ist Lehrbeauftragte
der Abt. für Ethik und Geschichte der Medizin der Univerität Göttingen und Mitarbeiterin der
Jungen Akademie an der Berlin-Brandenburgischen-Akademie der Wissenschaften (BbaW).
Dr. phil. Christian Lenk, Jg. 1971, studierte Philosophie in Hamburg und Münster. Seit 2002
ist er wiss. Mitarbeiter, seit 2004 wiss. Assistent an der Abt. für Ethik und Geschichte der
Medizin Göttingen. Er ist stellv. Mitglied der Ethikkommission der Universität Göttingen und
Mitglied im Review Board des Bundesgesundheitsblattes.
Inhalt
MEDIZINETHISCHE MATERIALIEN
Heft 159
ETHIK UND OPTIMIERENDE EINGRIFFE AM MENSCHEN
Ethische Aspekte von Enhancement in der Medizin
Seite
Einleitung….………………………………………………………...……….………………...1
I Einführung……………………………………………………………………………………2
Zum Begriff der Optimierung…………………………………………….……………...2
Natur und Kultur…………………………………………………………………………3
Medizin: Von den Humanwissenschaften zu den "Life Sciences"?..................................5
Optimierende Eingriffe in der aktuellen Praxis………………………………………….7
II Ethische Probleme…………………………………………………………………………...9
Der Mensch als Subjekt und Objekt von Optimierung…………………………………..9
Intrinsische Probleme…………………………………………………………………...11
III Anwendungsfelder und Falldiskussionen…………………………………………………20
Ästhetische Chirurgie…………………………………………………………………...22
Hormon- und Hormonersatztherapie…………………………………………………...23
Psychopharmakologie…………………………………………………………………..25
Nanotechnologie………………………………………………………………………..27
Vorbereitender Exkurs: Gehörlosigkeit und Cochlea-Implantate………………………28
Fallbeispiel: Gehörlosigkeit als Optimierungsziel……………………………………...29
Anwendungen der Gendiagnostik………………………………………………………33
Fallbeispiel: 'Designerbaby'als Gewebespender für ein Geschwisterkind……………...34
IV Biotechnologie und Utopie………………………………………………………………..37
Literaur………………………………………………………………………………………..42
Herausgeber:
Prof. Dr. med. Burkard May, Prof. Dr. phil. Hans-Martin Sass, Prof. Dr. med. Michael Zenz
Zentrum für Medizinische Ethik Bochum, Ruhr-Universität, Gebäude GA 3/53, 44780 Bochum
TEL (0234) 32-22749/50, FAX +49 234 3214-598
Email: [email protected], Internet: http://www.medizinethik-bochum.de
Anna-Karina Jakovljević
Christian Lenk
Der Inhalt der veröffentlichten Beiträge deckt sich nicht immer mit der Auffassung des
ZENTRUMS FÜR MEDIZINISCHE ETHIK BOCHUM. Er wird allein von den Autoren
verantwortet. Das Copyright liegt beim Autor.
© Anna-Karina Jakovljević, Christian Lenk 1. Auflag Januar 2005; 2. Auflage Februar 2005
Januar 2005
2. Auflage Februar 2005
Schutzgebühr: € 6,00
Bankverbindung: Sparkasse Bochum Kto.-Nr. 133 189 035 BLZ: 430 500 00
ISBN: 3-931993-41-8
ETHIK UND OPTIMIERENDE EINGRIFFE AM MENSCHEN
auf die technisch-kulturelle Sphäre, die, wie oben angedeutet, eine Reihe von
Ethische Aspekte von Enhancement in der Medizin
Optimierungsmaßnahmen beinhaltet und hilft damit, den wichtigen Zusammenhang von
außermedizinischen Optimierungsanstrengungen zur Optimierung des Menschen herzustellen.
Christian Lenk und Anna-Karina Jakovljević
I EINFÜHRUNG
EINLEITUNG
Zum Begriff der Optimierung
Optimierung oder zumindest der Versuch der Optimierung ist ein ständig
Der Begriff der Optimierung stammt aus mathematisch-technischen Zusammenhängen
wiederkehrender Teil unseres Lebens geworden: die Industrie optimiert ihre Produkte und
und ist weitgehend positiv konnotiert. Ein Blick in das Wörterbuch zeigt verwandte Wörter
Produktionsabläufe,
ihr
wie „Optimum“ und „Optimismus“, die jeweils positiv besetzte Dinge bezeichnen. Ein
Aktienportfolio,
Sportler
gestresste
optimieren
Mitmenschen
ihre
Leistungen,
optimieren
ihren
Anleger
optimieren
ihre
bekanntes deutsches Wörterbuch definiert Optimierung in seiner Grundbedeutung als
Lebensführung („Simplify your life” u.ä.) Dorothy Porter hat deshalb geradezu von einer
Tagesablauf
und
„Aufsuchen des kleinsten (Minimierung) oder größten (Maximierung) Wertes einer Funktion
„Ideologie der Amelioration” gesprochen (Porter 1999: 76). Was ist die letzte Konsequenz der
(Zielfunktion, Objektfunktion) in einem bestimmten […] Bereich“ (Der Große Brockhaus
allgegenwärtigen Optimierungsprozesse? Der Mensch verbessert nicht nur seine Artefakte
1984). Besondere Bedeutung hat die Optimierung auch in den Wirtschaftswissenschaften,
und seine Lebensführung, zu guter Letzt optimiert er sich auch noch selbst. Das mag nur
nämlich „für die Maximierung des Gewinns bei beschränkten Produktionsfaktoren (Kapital,
demjenigen nicht als merkwürdig erscheinen, der bereits jede Erinnerung daran hat fahren
Maschinen, Arbeitskraft) oder für die Minimierung der Kosten (→ ökonomisches Prinzip)“
lassen, dass die anthropologischen Entwürfe der Antike und der Renaissance den Menschen
(ebd.)
bereits in seiner gegenwärtigen Erscheinungsform als „Maß der Dinge” definiert hatten. Der
eine große Rolle, und zwar nicht nur im ökonomischen, sondern auch in den meisten anderen
vorliegende Beitrag zur Reihe der Medizinethischen Materialien bietet eine - ausdrücklich an
Bereichen des täglichen Lebens. Wir sind nicht nur daran gewöhnt, dass technische Artefakte
bestehende Anwendungsfelder und Fallbeispielen orientierte - Momentaufnahme dieses
und Konsumgüter immer „optimaler“ werden, sondern gehen auch bei sportlichen,
Prozesses, der, soviel lässt sich wohl sagen, mit den gegenwärtigen, konventionellen
wissenschaftlichen und anderen menschlichen Leistungen grundsätzlich davon aus, dass diese
optimierenden Eingriffen sicherlich noch nicht zum Abschluss gekommen ist.
immer weiter verbesserungsfähig sind.
. Die Verfolgung von Optimierungsstrategien spielt in der industrialisierten Gesellschaft
Für denselben Sachverhalt, den wir hier mit „Optimierung” bezeichnen, hat sich in der
Aber was ist jeweils das der Optimierung vorgegebene „Optimum“, also die
englischsprachigen, medizinethischen Fachdiskussion der Begriff des „Enhancement”
Zielvorgabe für Optimierungsprozesse? In diversen Bereichen werden ganz unterschiedliche
eingebürgert. Dafür, dass wir im vorliegenden Rahmen den alternativen Begriff der
Optimierungsstrategien verfolgt. Und selbst in Einzelbereichen kann Optimierung wieder auf
Optimierung verwenden, gibt es verschiedene Gründe: (1.) Der Begriff des Enhancement ist
ganz verschiedene Ziele gerichtet sein, die zu unterschiedlichen Produktlinien führen. Je nach
aus der u.s.-amerikanischen Debatte der 1980er Jahre entnommen und besitzt kein
Intention und Marktanalyse führt das im Bereich der Automobilindustrie z.B. zu besonders
spezifisches deutsches Pendant. Eine Übersetzung von „Enhancement“ mit „Verbesserung”
schnellen, besonders komfortablen, aber auch besonders wenig umweltschädlichen oder
kann im Prinzip alles Mögliche bedeuten. „Optimierung” ist demgegenüber spezifischer, da
besonders sparsamen Produkten. Die gewählte Zielsetzung ist jedenfalls per se nicht
nicht nur ein beliebiger Zustand verbessert werden, sondern auch ein zufriedenstellender oder
selbstverständlich und hängt von einer ganzen Reihe kontextueller Faktoren ab. Es ist nicht
guter Zustand noch optimiert werden soll. (2.) Christopher Boorse spricht in einem wichtigen
aus sich heraus selbstverständlich, worin das Optimum besteht. In gewisser Weise (auch wenn
Text zum Gesundheitsbegriff von „Maximierung” (Boorse 1977: 568), wenn er verbessernde
administrative Verfahren und Prozesse das in der Praxis verdecken mögen) muss das
Maßnahmen meint, die über das Normalmaß der Gesundheit hinausgehen. Optimierung ist
Optimum erst gesetzt werden, um es dann mit einer geeigneten Optimierungsstrategie
aber auch hier genauer, weil es sich dabei z.B. auch um eine Minimierung ungewollter
verfolgen zu können.
Begleiterscheinungen handeln kann. (3.) Der Begriff der Optimierung verweist zugleich auch
1
2
Die fortgesetzte Anwendung von Optimierungsstrategien führt zu dem, was man
Diese Sphäre der Artefakte wird gemeinhin auch unter dem Begriff der „Kultur“ subsumiert.
„Fortschritt“ nennt. Bemerkenswerter Weise wird Fortschritt im nicht-wissenschaftlichen
Damit steht der Natur (grch. physis, „das Gewachsene“) die Kultur (lat. cultura), die
Bereich meist als ein weitgehend homogener Prozess verstanden, was angesichts der
„Bearbeitung“, gegenüber. Technik nimmt dabei eine wichtige Funktion als Bindeglied
Heterogenität der mit einzelnen technischen Vorgängen verfolgten Ziele und der großen
zwischen Mensch und Natur ein: einerseits kann sie als Ergänzung und Verbesserung der
Ambivalenz seiner Folgen alles andere als selbstverständlich ist. Immerhin scheint es einen
natürlichen menschlichen Organe aufgefasst werden, indem z.B. Handwerkszeug wie
gemeinsamen Kern moderner Technologie zu geben, der sozusagen den materialen Teil des
Hammer, Meißel, Messer usw. die Funktion der Hände multipliziert, andererseits richten sie
Fortschrittsgeschehens ausmacht, und der z.B. von Lenk (2001, 95-101) sehr detailliert
sich auf die Zurichtung und Aneignung der Natur, die ohne sie nur unvollständig erfolgen
beschrieben wird. Im selben Band beschreibt Quintanilla (2001, 113 f.) zwei zu
kann.
unterscheidende Dimensionen technologischen Fortschrittes, nämlich erstens die Steigerung
Charakteristisch ist dabei, dass die Technik niemals nur die Aneignung der Natur
der Effizienz technischer Systeme „as an increase in the human capacity to ensure that the
verändert,
reality to which the system is applied behaves in agreement with human goals“, und zweitens
charakteristischer Produkte immer auch das menschliche Verhalten selbst beeinflusst. So
die Vergrößerung und Ausbreitung technischer Systeme, die für Quintanilla den eigentlichen
gesehen, verändert die Erfindung des Rades nicht nur die Möglichkeit des Reisens und des
Eindruck der „radikalen Innovation“ ausmacht (ebd.) Wie der Autor ausführt, haben beide
Transportes, sondern zugleich auch das Verhalten des Reisenden und zu Transportierenden.
Dimensionen technologischen Fortschritts auch eine ethische Bedeutung, und zwar einmal
Ebenso
hinsichtlich der zugrunde gelegten moralischen, ökonomischen, sozialen usw. Ziele und
Kommunikationsmöglichkeiten, sondern zugleich auch das Verhalten des sich Informierenden
Werte, zum zweiten aber auch aufgrund des damit ausgelösten und perpetuierten
und des Kommunizierenden. Mit anderen Worten wirken technische Hilfsmittel oder
gesellschaftlichen
neue
„Medien“, die gleichsam neutral als reine Mittel zur Erlangung gesetzter Werte und Ziele
Rahmenverhältnisse ihres täglichen Lebens einzulassen. Im individuellen Bewusstsein können
erscheinen, massiv auf den Benutzer zurück (vgl. zu diesen kurzen Ausführungen auch
beide Sachverhalte korreliert sein, sie müssen aber nicht korreliert sein. Beispielhaft können
Heidegger 1991, Dreyfus 1997, Rosales-Rodríguez 1994). Diese Zusammenhänge sind
wir an die soziale Zielvorgabe der „Mobilität“ denken, die im ökonomischen Bereich als
besonders interessant hinsichtlich der Begleitumstände der Selbstkultivierung des Menschen,
wünschenswert angesehen wird und auch auf bestimmten Mobilitätstechnologien beruht. Im
also der Frage, welche Ziele und Grenzen sich Menschen bei der Kultivierung ihresgleichen
sozial-familiären Bereich ist „Mobilität“ als Abnahme sozialer Bindungskräfte, soziale
setzen und gesetzt haben.
Wandels,
der
die
Individuen
ständig
zwingt,
sich
auf
sondern
über
revolutioniert
das
das
Erlernen
Internet
von
nicht
nur
Kulturtechniken
das
und
das
Informationsangebot
Erzeugen
und
die
Vereinzelung, Vernachlässigung von Familienmitgliedern, etc. allerdings nicht positiv
Wie Bayertz anschaulich beschreibt, wird der menschliche Körper dabei durch die
konnotiert – ein Zusammenhang, der, wie gesagt, im individuellen Bewusstsein hergestellt
Weiterentwicklung von Wissenschaft und Technik sukzessive in die anzueignende Natur
werden kann, aber nicht zwangsläufig hergestellt wird.
eingegliedert, nämlich mit entsprechenden Fortschrittserfolgen, technischen Instrumenten und
Hilfsmitteln:
Natur und Kultur
Zumindest in der abendländischen Tradition wird der Einsatz von Technik
gewissermaßen als Artmerkmal des Menschen verstanden, das diesem seit frühesten Zeiten
zur Verfügung steht. Als paradigmatisch kann dabei der im platonischen Protagorasdialog
formulierte Prometheusmythos interpretiert werden: um den bei der Verteilung der
Artcharakteristika „nackt“ und voller Mängel verbliebenen Menschen überlebensfähig zu
machen, stiehlt Prometheus den Göttern Athena und Hephaistos das Feuer und die
Handwerkskunst (techne), die fortan sozusagen zur „zweiten Natur“ des Menschen gehören.
3
„Die abendländische Anthropologie ist, wie wir gesehen haben, von einem Dualismus
geprägt. Einerseits gilt ihr der Mensch als ein Naturwesen; die neuere Philosophie hat
den Menschen mitten in die Natur gestellt, ihn zu ihrem Produkt und zu ihrem Teil
gemacht. Die empirischen Wissenschaften haben diese These eindrucksvoll
untermauert und ihr etwas Wichtiges hinzugefügt: Die Naturalisierung des Menschen
reduziert sich nicht auf seine theoretische Eingliederung in den Gesamthaushalt der
Natur, sie macht ihn auch zugänglich für technische Manipulationen. Die technische
Verfügbarkeit der menschlichen Natur, die wir heute erschrocken konstatieren, erweist
sich als eine folgerichtige Konsequenz des Unternehmens Wissenschaft; sie ist die
zweite Stufe der Naturalisierung des Menschen. Nachdem die Wissenschaft den
Menschen zunächst theoretisch seiner übernatürlichen Attribute entkleidet und in eine
Reihe mit den übrigen organischen Naturwesen gestellt hat, beginnt sie nun, ihn auch
4
praktisch zu einem ‚Stück Natur’ zu machen, in dem sie ihn unter die technisch
manipulierbaren Objekte einreiht.“
Bayertz 1987: 118 f.
Die Optimierung der Technik führt also nicht nur dazu, dass der Mensch seine biologischen
und physiologischen Existenzbedingungen besser verstehen lernt, sondern auch dazu, dass er
reparativen Medizinkonzept ersetzt. (…) Die Behandlung und Erforschung von
Krankheiten wurde zur legitimatorischen Kategorie der Medizin, die Pathologie zu
einem ihrer Ecksteine. Je mehr aber die Krankheiten in das Interesse der Medizin
rückten, desto weiter entfernt (…) sie sich von der individuellen (Er-)Lebenswelt der
Kranken.“
Labisch & Paul 1998: 633
die Optimierungsstrategien, die er bisher auf technische Artefakte zur Naturaneignung
Daraus ergibt sich zugleich eine neue Zustandsbeschreibung der heutigen Medizin, die ihr
anwandte, nunmehr prinzipiell auch auf sich und seinesgleichen anwenden kann. Ohne
innovatives Potenzial in zunehmendem Maß aus den Disziplinen der so genannten „Life-
bestreiten zu wollen, dass Menschen – geschichtlich durch den Zivilisationsprozess,
Sciences“ bezieht. „Leben“, darauf hat z.B. Mieth wiederholt hingewiesen (vgl. etwa Mieth
individuell
gewissen
2001, 54 ff.), steht hier allerdings nicht mehr im Kontext menschlicher Entwicklung und
Kultivierungsdruck ausgesetzt sind, erreicht damit zumindest die Möglichkeit optimierender
menschlichen „Er-Lebens“ (wie das griechische bios und der Lebensbegriff der Aufklärung),
Eingriffe eine neue Qualität, die sich eben aus dem Potenzial neuer Biotechnologien ergibt.
sondern als Endpunkt einer 200-jährigen wissenschaftlichen Entwicklung der Biologie für die
durch
Erziehung
und
Ausbildung
–
immer
schon
einem
Grundlagenforschung am organischen Leben auf molekularer Ebene. Was in dieses
Medizin: von der Humanwissenschaft zu den „Life Sciences“?
Traditionell wird die Medizin unter die Humanwissenschaften gerechnet. Damit ist
natürlich in erster Linie gemeint, dass es sich um eine Wissenschaft vom Menschen handelt.
Forschungsparadigma nicht hineinpasst, wie z.B. das menschliche Bewusstsein, wird bis auf
weiteres in den Bereich der Metaphysik, jedenfalls außerhalb der „hard sciences“ (d.h. der
Naturwissenschaften), dirigiert.
Darüber hinaus könnte man mit gutem Grund sagen, dass sich hinter dieser Bestimmung ein
Damit einher geht ein (nach der Evolutionstheorie des 19. Jhdts.) reanimierter
humanistischer Gedanke verbirgt, der den Menschen in seiner anthropologischen Ganzheit als
Anspruch der Biologie, als eine so genannte „Leitwissenschaft“ aufzutreten, d.h. für
Objekt medizinischen Handelns sieht. So wurde die historische Entwicklung der Medizin
wissenschaftliches Denken und technologischen Output im 21. Jh. eine Leitfunktion zu
nicht nur durch Aufsehen erregende naturwissenschaftliche Entdeckungen geprägt, sondern
übernehmen. In diesem Sinn interpretiert z.B. Hubert Markl die moderne Medizin als
ebenso durch die Arbeit der Aufklärung verpflichteter Ärzte wie z.B. Christoph Wilhelm
Spezialgebiet der Naturwissenschaft Biologie, wenn er sagt, dass „die Pathogenese und
Hufeland (1762-1836), der seine Reformprojekte u.a. durch seine Tätigkeiten für die Planung
Pathologie aller Strukturen und Leistungen des menschlichen Körpers von den
der Berliner Universität, als Hochschullehrer und Gesundheitspolitiker beförderte. Spezifisch
Kompartimenten jeder Zelle bis zu den komplexesten Organen und deren therapeutische
besetzte Begriffe der Aufklärungsphilosophie wie „Natur“, „Leben“, „Entwicklung“ gingen in
Behandlung immer mehr nichts anderes als ein hoch spezialisierter Zweig der Biologie [ist]“
den theoretischen Ansatz Hufelands ein und ermöglichten eine Anbindung der Medizin an die
(Markl 1994: 6). Dass es Ärzte und Patienten, individuelle Leidensgeschichten und eine
zeitgenössische Anthropologie (vgl. z.B. Neumann 1991, 349-354). Bedeutsam ist aus
subjektive Krankheitswahrnehmung gibt, spielt aus dieser Perspektive keine Rolle mehr.
heutiger Sicht vor allem die zu diesem Zeitpunkt noch bestehende lebensweltliche Offenheit
Auch die Frage, ob sich das Krankheitskonzept der Biologie ohne weiteres auf die Medizin
der neuzeitlichen Medizin, die sich natürlich auch als Mangel an theoretischer Abstraktheit
übertragen lässt bzw. was die Spezifität eines biologischen Krankheitskonzeptes ausmacht,
und technischer Effizienz auffassen lässt. Die weitere Entwicklung der Medizin beseitigt
wird von biologischer Seite heute kaum noch erörtert. So weist z.B. der niederländische
diesen Mangel, allerdings unter starker Veränderung der Rolle des zu heilenden Patienten:
Ethiker Frans Brom in einem Interview darauf hin, dass man im agrarischen Bereich von der
„Krankheit ist nicht mehr als persönliches Schicksal mit einem Patienten und seinem
Lebensweg untrennbar verbunden, nicht mehr ihm als Person quasi vorbehalten.
Vielmehr verlor Krankheit durch die Trennung von wissenschaftlicher
Krankheitsbeschreibung und individuellem Krankheitswert die Bedeutung einer Sinn
stiftenden oder zumindest sinnhaften Einheit für die Erklärung der mit der Krankheit
verbundenen Lebenskrise des Patienten. Die Sorge um den Lebenszusammenhang des
Patienten und das Bemühen um Sinnstiftung wurde in der modernen wissenschaftlichtechnologischen Medizin durch die Sorge um die Erhaltung und Wiederherstellung
von Körperfunktionen und die Bewältigung ihrer Störungen in einem technisch5
„Gesundheit“ einer Pflanze oder eines Tieres spricht, wenn es die geforderten Erträge bringt,
d.h. die Anforderungen des Züchters erfüllt. Das kann jedoch kaum das geeignete
Gesundheitskriterium für die Humanmedizin sein (Brom 2002).
Welche Veränderungen in der Rolle des Arztes, aber auch des Patienten werden daraus
resultieren? Wird der Arzt in Zukunft zum Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen, die er
an Gesunde wie Kranke verkauft? Entwickelt sich der Patient zum Health-Care-Consumer,
6
der auf dem freien Markt der Gesundheitsdienstleistungen nach Bedarf und Geldbeutel unter
medizinischen oder biotechnischen Möglichkeiten verbunden sind, aber nichts mit Eingriffen
den verschiedenen Angeboten auswählt? Solche Entwicklungen, die von diversen Analysten
in das menschliche Erbgut im engeren Sinn zu tun haben. Dabei ist auf die stark
unseres Gesundheitssystems bereits heute diagnostiziert werden (z.B. Wehkamp & Gallmeier
ausgeweiteten Anwendungsfelder im Bereich der ästhetischen Chirurgie zu verweisen, die
2000), würden das herkömmliche Arzt-Patient-Verhältnis jedenfalls stark verändern und
z.B. eine helle Haut, eine schlanke Figur oder andere dem vorherrschenden Schönheitsideal
haben von daher auch ethische Bedeutung.
entsprechende körperliche Eigenschaften verwirklichen sollen. Synthetisch hergestellte
Um nur auf zwei der dabei ins Auge fallenden Aspekte hinzuweisen: erstens war
Hormone werden zur Verbesserung des Wachstums bei Kindern (auch ohne Mangel an
bisher die Diagnose einer Krankheit notwendige Bedingung für medizinische Eingriffe am
körpereigenen Wachstumshormonen) gegeben, Sportler und Bodybuilder verwenden
Patienten. Diese könnte nun durch die individuellen Vorstellungen und Wünsche des
Hormone und Steroide zum verstärkten Muskelaufbau. Im Bereich psychischer Probleme ist
Patienten nach biotechnischen Manipulationen ergänzt werden. Zweitens war die bisherige
auf die Behandlung mit Psychopharmaka wie Fluktin bei dysthymischen Verstimmungen oder
Gesundheitsversorgung – in Deutschland im 20. Jh. sichergestellt durch ein System von
Ritalin bei unklaren Krankheitskonstrukten wie dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom
Krankenversicherungen – bedarfsorientiert, d.h. bezogen auf den Bedarf des Kranken, der ein
(ADS) zu verweisen. Ähnliche Phänomene zeigen sich im Bereich der Reproduktionsmedizin,
Recht auf medizinische Versorgung geltend machen konnte. Die Reorganisation der Medizin
wenn Eltern im Zuge einer Präimplantationsdiagnostik (oder durch selektive Abtreibung) ein
nach Marktprinzipien hingegen folgt nicht mehr dem Paradigma eines „Menschenrechtes auf
Kind mit einem bestimmten Geschlecht auswählen, oder, wie im Fall eines homosexuellen
Gesundheit“, sondern dem ökonomischen Prinzip von Angebot und Nachfrage. Dieser
Pärchens aus den Vereinigten Staaten, die Geburt eines gehörlosen Kindes wünschen. Allen
Vorgang bezieht sich allerdings nicht auf den individuellen Kranken, sondern auf das
diesen Phänomenen ist jeweils gemeinsam, dass mit biomedizinischen Eingriffen der Körper,
Kollektiv der Patienten. Ob die individuelle Chancengleichheit beim Zugang zu
die Psyche oder das Verhalten eines Menschen nach ganz unterschiedlichen Maßstäben
medizinischen Ressourcen auch unter den neuen Rahmenbedingungen zu verwirklichen ist,
gestaltet und „optimiert“ werden sollen. Diese Beobachtung zeigt bereits, dass das Phänomen
wird sich erst zeigen müssen.
der „optimierenden Eingriffe“ nicht genuin auf die Genetik beschränkt ist, auch wenn viele
Wissenschaftler hier die brisantesten ethischen Probleme sehen. Es scheint allerdings sehr
Optimierende Eingriffe in der aktuellen Praxis
wohl etwas mit verbesserten biomedizinischen Eingriffsmöglichkeiten zu tun zu haben, und
Experten wie Laien denken bei der Thematik optimierender medizinischer Eingriffe
hier dürfte dann auch eine allgemeine Analogie zur Technikphilosophie angelegt sein,
(oder des „Enhancements“) in erster Linie an genetische Eingriffe. Das stimmt auch insofern
nämlich dass die ethischen Probleme mit erweiterten technischen Eingriffsmöglichkeiten
mit der wissenschaftlichen Debatte überein, als sich insbesondere der Gentherapie-Pionier W.
wachsen. Gleichsam eine Momentaufnahme dieser Entwicklung werden wir in der folgenden
French Anderson mit dieser Problematik bereits in den 80er Jahren beschäftigt hat (Anderson
Analyse ethischer Probleme (Abschnitt II), Anwendungsfelder und Fallbeispiele (Abschnitt
& Fletcher 1980, Anderson 1984, 1985, 1986, 1989). Auf der anderen Seite hatte die
III) bieten.
gentherapeutische Forschung Ende der 1990er Jahre mit einer Reihe von Rückschlägen zu
kämpfen, die Zweifel an dem Potenzial des bisherigen Forschungsansatzes aufkommen
lassen. Das bedeutet zugleich, dass wirksame genetische Manipulationsmöglichkeiten – auch
wenn an der prinzipiellen Machbarkeit heute wohl keine Zweifel mehr bestehen –
möglicherweise erst mittelfristig realisiert werden können. Und ethische Betrachtungen über
in der Zukunft drohende Gefahren setzen sich für gewöhnlich dem Vorwurf der
Schwarzseherei und des Fortschrittspessimismus aus. Dabei ist der Ethiker auf dem
Forschungsfeld der optimierenden medizinischen Eingriffe in der komfortablen Lage, auf eine
ganze Reihe anderer, optimierender Techniken verweisen zu können, die oft mit neuen
7
8
II ETHISCHE PROBLEME
ist, dass Eltern ohnehin eine Reihe gravierender Weichenstellungen für ihre Kinder
Der Mensch als Subjekt und Objekt von Optimierung
vornehmen und durch Bildungs- und Erziehungsmaßnahmen eine gesellschaftlich akzeptierte
Aus ethischer Perspektive lässt sich die Gesamtheit der Optimierungsmaßnahmen in
Form der Optimierung vornehmen, die von anderen Optimierungs-Maßnahmen gar nicht zu
zwei Gruppen aufgliedern, nämlich erstens die Gruppe der Maßnahmen, bei denen sich
unterscheiden sei. Es lässt sich nicht bestreiten, dass diesem Argument eine gewisse
jemand für sich selbst entschließt, eine optimierende chirurgische, pharmakologische,
Überzeugungskraft zukommt. Dennoch ist es unserer Meinung nach weniger stichhaltig, als
hormonelle, etc. Intervention durchführen zu lassen, und zweitens die Gruppe der
seine Proponenten glauben.
Maßnahmen, bei denen sich jemand für einen anderen entschließt, an diesem eine
Zunächst ist es stark auf den Bereich der persönlichen Beziehung von Eltern und
optimierende Maßnahme durchführen zu lassen. Hintergrund für die ethische Relevanz dieser
Kindern und damit auf eine Situation zugeschnitten, in der noch am ehesten zu erwarten ist,
Unterscheidung ist das Autonomieprinzip, nach dem jeder Mensch das Recht hat, in
dass andere Personen für die oder den Betreffenden eine gelingende advokatorische
persönlichen Dingen eigene Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen hinsichtlich
Entscheidung treffen können. Es trifft jedoch nicht auf andere Betreuungssituationen zu.
psychischer und physischer Integrität sind in hohem Maße persönliche Entscheidungen und
deshalb prototypische Beispiele für die Anwendung des Autonomieprinzips.
Weiterhin ist es ein Irrglaube anzunehmen, dass die advokatorischen Entscheidungen
von Eltern für ihre Kinder vor allem deshalb akzeptiert werden, weil es die Entscheidungen
Ein Beispiel für die erste Gruppe ist z.B. der ältere Herr, der sich durch einen
der Eltern sind, den Eltern also ein Recht zukäme, beliebige Entscheidungen zu treffen.
schönheitschirurgischen Eingriff die „Tränensäcke“ entfernen lässt, ein Beispiel für die zweite
Advokatorische Entscheidungen sind nur akzeptabel, wenn tatsächlich glaubhaft gemacht
Gruppe die Eltern, die bei ihrem dreijährigen Kind die abstehenden Ohren „anlegen“ lassen.
werden kann, dass sie im Interesse des Betroffenen sind. Treffen Eltern Entscheidungen, die
Der grundlegende ethische Unterschied dürfte auf der Hand liegen: im einen Fall trifft jemand
für ihr Kind schädlich sind, würden wir sie unabhängig vom Bestehen der Eltern-Kind-
eine Entscheidung darüber, was mit seinem eigenen Körper, seiner eigenen Psyche geschehen
Beziehung im Interesse des Kindes ablehnen.
soll, im anderen Fall wird eine Entscheidung darüber getroffen, was mit dem Körper, der
Psyche eines anderen Menschen passieren soll.
Dabei handelt es sich in der zweiten Gruppe ausschließlich um Personen, die aus
Drittens ist natürlich auf die gravierenden Unterschiede zwischen Bildungs- und
Erziehungsmaßnahmen und optimierenden medizinischen Eingriffen hinzuweisen: Erstere
stellen keine Eingriffe in die körperliche Integrität dar und haben im Falle eines Misslingens
irgendeinem Grund keine volle Zustimmungsfähigkeit besitzen, da es ansonsten ohnehin
keine negativen gesundheitlichen Auswirkungen. Weiterhin bleibt es selbstverständlich dem
inakzeptabel wäre, dass ein anderer derartige Entscheidungen für sie trifft. Es handelt sich
Betroffenen selbst überlassen, ob er die erlernten Fähigkeiten (seien es Fremdsprachen,
dabei also um eine Art advokatorischer Entscheidungen, die nötig werden, weil die oder der
Tischmanieren oder sonstige Früchte einer ausgefeilten Erziehung) anwenden oder auf ihre
Betreffende nicht in der Lage ist, eine valide Zustimmung zu geben. Ähnlich liegt der Fall
Anwendung verzichten möchte, während die einmal durchgeführten Optimierungs-
auch bei entsprechenden Eingriffen an Ungeborenen, falls z.B. in Zukunft optimierende
Maßnahmen im Großteil der Fälle irreversibel sind.
genetische Interventionen möglich werden. Daraus resultiert für die zweite Gruppe der
Es zeigt sich also, dass die Gleichsetzung von Erziehungsmaßnahmen mit
advokatorischen Entscheidungen die Forderung, dass solche Maßnahmen bestimmten
optimierenden medizinischen Eingriffen zweifelhaft ist und ein Analogieschluss höchstens in
Kriterien genügen müssen: (1.) sollte das aus dem Eingriff resultierende Behandlungsrisiko
einer kleineren Zahl von Fällen (mit geringem Eingriffsrisiko, aus gravierenden Gründen,
möglichst niedrig sein, da niemand das Recht hat, auf Kosten eines anderen hohe Risiken
möglichst mit gegebener Reversibilität) statthaft ist. Keinesfalls werden durch das
einzugehen. (2.) sollten gute Gründe für die Annahme bestehen, dass die nicht-
Erziehungs-Argument die ethischen Bedenken an medizinischen Optimierungs-Maßnahmen
einwilligungsfähige Person, wenn sie die Fähigkeit zur Einwilligung besäße, auch im eigenen
insgesamt
Interesse einem solchen Eingriff zustimmen würde.
Erziehungsmaßnahmen, die das Risiko einer irreversiblen Schädigung eines Kindes in sich
Das häufigste Gegenargument, das gegen die Stichhaltigkeit der ethischen
außer
Kraft
gesetzt. Im Gegenteil
es
sicherlich
so, dass
auch
tragen (z.B. Eltern, die ihre Kinder zu gefährlichen Mutproben zwingen), aus ethischen
Unterscheidung von „Optimierung bei sich selbst“ vs. „Optimierung anderer“ angeführt wird,
9
ist
10
Gründen abgelehnt werden bzw. von der übergroßen Mehrzahl der Betrachter nicht als
eine Hakennase zu haben, sondern widerspricht nur mehr oder weniger stark einem
Erziehungsmaßnahmen akzeptiert werden.
individuellen oder kollektiven Schönheitsideal. Während bei einer Krankheit ein
Intrinsische Probleme
einen invasiven Eingriff rechtfertigt, besteht im Fall eines optimierenden Eingriffes ein
objektivierbares Gesundheitsrisiko vorliegt, das auch, z.B. bei einer Blinddarmoperation,
Die Gesamtheit ethischer Probleme optimierender Eingriffe am Menschen soll hier zu
solches Risiko nicht. Der Betroffene verspricht sich zwar einen Nutzen von diesem Eingriff,
Gliederungszwecken in zwei Gruppen unterteilt werden, nämlich die intrinsischen und die
dieser Nutzen besteht allerdings zumeist aus individuellen Wertzuschreibungen, die andere
extrinsischen Probleme. Diese in der Ethik durchaus gebräuchliche Differenzierung
nicht zwangsläufig teilen müssen. Das ist auch der Grund dafür, warum an advokatorische
unterscheidet die dem Vorgang der Optimierung gewissermaßen „innewohnenden“ ethischen
Entscheidungen bei optimierenden Eingriffen an Nicht-Zustimmungsfähigen sehr viel
Probleme von möglichen problematischen „äußeren“ Folgen und Konsequenzen. Anders
strengere Maßstäbe angelegt werden müssen als bei therapeutischen Eingriffen: ich habe zwar
gewendet, könnte man von „unmittelbaren“ und „mittelbaren“ ethischen Problemen
das Recht, für mich selbst aus subjektiven Gründen heraus ein bestimmtes Risiko einzugehen,
optimierender Eingriffe sprechen. An dieser Stelle sollen die folgenden optimierenden
kann aber nicht voraussetzen, dass dieses Risiko auch für andere dem postulierten Nutzen
Eingriffen intrinsischen ethischen Probleme diskutiert werden:
angemessen wäre.
(1.) die Risikoproblematik (dem Risiko des Eingriffs steht generell kein gesundheitlicher
Nutzen gegenüber),
Eine weitere interessante Frage besteht darin, ob man es zustimmungsfähigen
Personen erlauben sollte, ein sehr hohes Risiko aufgrund eines optimierenden Eingriffes für
(2.) die dem Ziel der Optimierung inhärenten Wertkonflikte,
sich
selbst
einzugehen.
Es
ist
zwar
ein
wichtiger
Bestandteil
des
liberalen
(3.) die Frage nach dem möglichen Endpunkt einer Optimierung.
Gesellschaftsmodells, auch die eigene Schädigung – wenn sie denn dem eigenen Willen
(1.) Die Risikoproblematik bei optimierenden Eingriffen wird insbesondere im
entspricht – zuzulassen, jedoch ist natürlich im Einzelfall nachzufragen, inwieweit die
Vergleich zu gewöhnlichen therapeutischen Interventionen deutlich. Schlägt der Arzt seinem
Betreffenden auch das tatsächliche Risiko ihres Handelns überblicken. Hier ist z.B. an die
Patienten einen therapeutischen Eingriff vor, so hat er dazu gewöhnlich gute Gründe, die in
Einnahme anaboler Steroide im Sport bzw. Bodybuilding zu denken, die nach Meinung von
den unangenehmen oder gefährlichen Begleiterscheinungen der zu behandelnden Krankheit
Experten im Extremfall zum plötzlichen Herztod führen kann. Weiterhin ist zu fragen, wer die
liegen. Mit anderen Worten steht hier dem Risiko einer Gefährdung des Patienten durch einen
Folgekosten eines solchen Risikoverhaltens, also z.B. die Kompensation missglückter
misslingenden therapeutischen Eingriff der mögliche Nutzen einer gelingenden Heilung
Schönheitsoperationen, zu tragen hat. Es ist jedenfalls schwer zu begründen, dass die Masse
gegenüber. In diesem Sinn ist es „rational“, einen solchen Eingriff durchzuführen, da das
der Beitragszahler einer Krankenkasse die Kompensation für ein risikoreiches Verhalten
einzugehende Risiko dem zu erwartenden Nutzen entspricht. Auch bei eigentlich
leisten soll, das ein Einzelner aufgrund seines persönlichen Schönheitsideals an den Tag legt.
therapeutischen Eingriffen kann das Nutzen-Risiko-Verhältnis dergestalt sein, dass man auf
Beide Einwände sprechen dafür, dass es auch in einer liberalen Gesellschaft Begrenzungen
einen Eingriff besser verzichten sollte, denn wenn das Risiko des Eingriffs groß, der
für Risiken geben sollte, die ein Einzelner auf eigenen Entschluss eingeht.
erwartbare Nutzen (z.B. bei einer Bagatellerkrankung) aber sehr gering ist, ist eine
(2.) Mit dem Entschluss, eine bestimmte psychische oder physische Eigenschaft zu
Intervention „irrational“ – und auch unter ethischen Gesichtspunkten, z.B. des Nicht-
optimieren, entscheidet man sich mitunter gegen die Möglichkeit, andere, konfligierende
Schädigungsgebotes, ist von einem Arzt zu fordern, dass er an seinen Patienten keine
Eigenschaften zu verwirklichen. Deshalb lassen sich dem Ziel der Optimierung inhärente
sinnlosen Behandlungen durchführt.
Wertkonflikte nachweisen. Diesen Sachverhalt hat Christopher Boorse sehr anschaulich in
Bei optimierenden Eingriffen stellt sich diese Abwägung anders dar, denn per
einem Aufsatz aus dem Jahr 1977 mit dem Titel Health as a Theoretical Concept geschildert.
definitionem richten sich solche Maßnahmen nicht auf die Behandlung von Krankheiten,
Auch hier steht die optimierende Intervention im Gegensatz zum therapeutischen Eingriff:
sondern auf die Vermeidung oder Verwirklichung von aus anderen Gründen erwünschten
während die Therapie darauf abzielt, einen Krankheitszustand zu eliminieren oder eine
psychischen oder körperlichen Eigenschaften. Es ist keine Krankheit, abstehende Ohren oder
Organfunktion wiederherzustellen – ein im weiteren Sinn objektivierbarer Vorgang –, richtet
11
12
sich die Optimierung auf bestimmte Eigenschaften, die auf subjektiven Wertschätzungen
Fernsehserie aus den 1970er Jahren, die nach einem Fallschirmabsturz mit einem künstlichen
beruhen. Wesentlich ist dabei die Einsicht, dass es niemals gelingen wird, den vollkommen
Arm, künstlichen Beinen und einem hochsensiblen Gehörimplantat ausgestattet wird und
optimierten Menschen zu fabrizieren: niemand besitzt gleichzeitig die Eigenschaften, um ein
anschließend in verdeckter Mission für das (fiktive!) O.S.I. (Office of Scientific Intelligence)
perfekter Klavierspieler und ein Weltklasseboxer zu sein, niemand ist gleichzeitig ein
tätig ist. Ähnliche Phantasien spielen nebenbei bemerkt auch in der heutigen Debatte noch
hervorragender Hammerwerfer und ein ausdauernder Marathonläufer, etc. Während dem
eine Rolle (z.B. Haraway 1991). Auch aus unserer Sicht spricht vieles dafür, Gesundheit nicht
therapeutischen Ziel der Heilung also ein gewisses Maß an Universalität innewohnt, folgen
zu exklusiv zu definieren, sondern sie ganz grundlegend innerhalb eines gewissen Spektrums
optimierende Eingriffe persönlichen Präferenzen, die einen Lebensweg (z.B. als Bodybuilder)
als den Besitz basaler Fähigkeiten und des Empfindens von Normalität zu begreifen. Bereits
favorisieren, dabei aber andere Lebenswege (z.B. als Ballett-Tänzer) ausschließen. Dieser
die berühmte Bestimmung von Gesundheit durch die WHO („Gesundheit ist der Zustand des
Sachverhalt scheint bei zustimmungsfähigen Personen, die sich über ihre Wertpräferenzen im
vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins
Klaren sind, kein großes Problem darzustellen (obwohl diese Präferenzen anderen
von Krankheit und Gebrechen.“, WHO 1946: 2) würde weit über eine derartige Bestimmung
möglicherweise kurios oder lächerlich erscheinen).
hinausgehen. Damit soll nicht bestritten werden, dass ein Zustand ungetrübten Wohlbefindens
Anders präsentiert sich die Lage allerdings im Fall von nicht-zustimmungsfähigen
Personen, die nach den Präferenzen anderer optimiert werden. Hier ist z.B. an wohlmeinende
Eltern zu denken, die für ihre Kinder „nur das Beste“ wollen und sie deshalb in ihrem Sinne
durchaus erstrebenswert ist – nur ist der Gesundheitsbegriff unserer Meinung nach in vielerlei
Hinsicht zu wichtig, um ihn mit maximalistischen Forderungen zu überfrachten.
Ein fundamentaler Unterschied zwischen einem derartigen, an grundlegenden
optimieren möchten. Wie jeder Mutter und jedem Vater bewusst sein sollte, gehen die
physiologischen,
psychischen
und
psychosozialen
Basisdaten
ausgerichtetem
Einschätzungen darüber, was für Kinder „das Beste“ ist, zwischen den einzelnen
Gesundheitsbegriff und einem Zustand optimierter Körperlichkeit liegt jedenfalls darin, dass
Generationen weit auseinander. Besonders deutlich wird das in Fällen, wo die gewünschten
der Zielpunkt sich im ersten Fall definitorisch festlegen lässt, während im zweiten Fall die
Eigenschaften den Präferenzen einer gesellschaftlichen Minorität entsprechen, wie z.B.
Grenzüberschreitung sozusagen schon in den Begriff eingeschrieben ist. Das bedeutet nichts
gehörlosen Eltern, die sich gehörlose Kinder wünschen (s. a. die Darstellung des
anderes, als dass unter dem Gesichtspunkt der Optimierung betrachtet, auch der optimierte
entsprechenden Fallbeispieles unter Abschnitt III vorliegender Studie). Von Seite der
Mensch immer noch defizitär ist, da sich nicht ausschließen lässt, dass mit anderen Methoden
Gehörlosenbewegung (Deaf Pride u.a.) wird argumentiert, dass Gehörlosigkeit eine Form
immer noch eine weitere Optimierung physischer, psychischer und psychosozialer
kultureller Zugehörigkeit darstellt, und dass hörende Kinder eine weniger intensive Beziehung
Eigenschaften möglich wäre. Paradoxer Weise erscheint der Mensch also um so defizitärer, je
zu ihren gehörlosen Eltern hätten. Die Entscheidung, ein gehörloses Kind haben zu wollen,
stärker er unter dem Gesichtspunkt der Optimierbarkeit betrachtet wird. Das verweist letztlich
konfligiert aber zugleich mit der Möglichkeit, ein hörendes und nicht-behindertes Kind zu
auch auf eine grundlegende Störung menschlicher Identität, die sich kulturell (vgl. z.B.
bekommen. Der „optimierende“ Eingriff (der in den Augen der Majorität als Schädigung
Berlinger 2003), aber auch individuell interpretieren lässt.
wahrgenommen wird), schließt den Lebensweg eines hörenden Menschen aus. Damit ist zwar
Hier ist auf den faktischen Zusammenhang von Identitätsstörung und dem Wunsch
nicht gesagt, dass ein solcher Lebensweg nicht auch attraktiv sein könnte – ein derartiger
nach ästhetischer Chirurgie bei potenziellen Patienten zu verweisen: z.B. zeigen empirische
Eingriff unterliegt aber aufgrund der Festlegung des Lebensweges eines anderen einer
Untersuchungen zur Motivation von Brustaufbau- und Brustreduktionspatientinnen
besonderen ethischen Begründungspflicht.
(Borkenhagen 2001, 2003; Davis 1995), dass diese vor der Operation eine gestörte Identität
(3.) Ebenso auf Boorse (1977) geht der Hinweis zurück, dass Gesundheit gewöhnlich
als
erreichbarer
und
weithin
normaler
Zustand
verstanden
wird,
mit Entfremdungstendenzen aufweisen, bei der die zu „verbessernden“ Körperteile als
während
störende „äußere“ Dinge, etwa mit Metaphern aus dem Tierreich, beschrieben werden. Der
Optimierungsvorgänge über diesen Zustand hinausgehen, ohne jedoch einen vergleichbaren
dem Prozess der Optimierung inhärenten Logik gemäß erscheint es jedoch aussichtslos,
Endpunkt zu bieten. Boorse verbindet damit eine Kritik an „utopischen“ Gesundheitsidealen,
Identitätsprobleme mit Schönheitsoperationen behandeln zu wollen, da das Optimum, wie
auf die er ironisch unter Verweis auf die Bionic Woman referiert, Protagonistin einer US-
oben ausgeführt, prinzipiell unerreichbar ist. Der Glaube an die unbegrenzte technische
13
14
Perfektibilität des menschlichen Körpers führt hier in eine Sackgasse, die sich subjektiv
Stereotypen scheint das allerdings nicht zu schaden. Ähnlich verhält es sich letztlich mit den
allerdings auch wieder als mangelnde technische Ausgereiftheit interpretieren lässt. Das
Idealen des schönen, schlanken, sportlichen, etc. Körpers, welche die hässlichen, dicken,
Verführerische an Optimierungsstrategien scheint dabei vor allem, dass jedes Scheitern als
unsportlichen Personen nicht erreichen – was sich in einem Mangel an Akzeptanz und damit
Vorstufe zu einem weiteren Optimierungsversuch interpretiert werden kann. Als extrinsische
in der gesellschaftlichen Marginalisierung solcher Personen ausdrückt. In den Worten der
ethische Probleme sollen hier die folgenden Themen angesprochen werden:
Besucherin eines Internetforums, in dem über kosmetische Chirurgie diskutiert wurde:
(1.) die Marginalisierung von „Optimierungsverweigerern“,
(2.) die Diskriminierung von Menschen mit optimierbaren „Fehlern“,
(3.) das Recht auf eine eigene Identität und die Authentizität des eigenen Erlebens.
(1.) Mit erweiterten medizinischen Eingriffsmöglichkeiten an Körper und Psyche ist
ein neues soziales, ethisch bedeutsames Phänomen verbunden, nämlich die Marginalisierung
von „Optimierungsverweigerern“. Die Möglichkeit, durch einen biomedizinischen Eingriff
eine unerwünschte physische oder psychische Eigenschaft zu verändern oder zu beseitigen,
stellt diese Eigenschaft zur Disposition. Müssen ohne solche Behandlungsmöglichkeiten auch
unliebsame Eigenschaften als gegeben akzeptiert werden, ergibt sich nun die Möglichkeit,
solche Eigenschaften zu verändern. Solche Prozesse gibt es auch bei der Einführung
diagnostischer und therapeutischer Anwendungen, etwa bei der Pränataldiagnostik, wo
allgemeiner Wahrnehmung nach die Akzeptanz behinderter Kinder mit dem Maß der
Perfektionierung pränataldiagnostischer Methoden im Zurückgehen begriffen ist. Der Grund
dafür ist banal: vor Bereitstellung einer durchgehenden Diagnostik wusste man nichts über die
zu erwartende Behinderung, nach Einführung solcher Methoden wird in der gesellschaftlichen
Diskussion gefordert, dass „es ja nicht mehr sein müsse“, ein behindertes Kind zur Welt zu
bringen.
„(...) there has been a real case of documented racism to against people who's skin is
not quite white enough for their taste. And Sexism, not being male enough for the job
force. So what is to be done to appease those that will not accept what is in front of
them. Get bleached skin and sex changes? Come on ladies lets not play to the beat of
the croud. Set your standard and stay put.“
Quelle: Internetrecherche der Autoren
Dieser Beitrag verweist auf zwei Sachverhalte, nämlich einmal den diskriminierenden
Charakter solcher Zuschreibungen, zum zweiten aber auch darauf, dass derartige
Optimierungsanstrengungen im Prinzip die zugrunde liegende Diskrimierung bejahen und in
ihrer Wirksamkeit bestätigen. In gewisser Weise besteht auch die Frage, inwiefern Personen
selbst die Interpretationshoheit über ihr eigenes Aussehen, ihre eigene Erscheinung haben:
Bin ich die Person, für die mich halte, mit den und den Eigenschaften, oder besitzen andere
den sozialen Einfluss, meine Erscheinung gewissermaßen umzuinterpretieren – nach
ethnischen, sexuellen, sozialen oder politischen Stereotypen?
Was löst über die „modischen Präferenzen“ für ein bestimmtes Erscheinungsbild
hinaus das Unbehagen an optimierenden Eingriffen bei Menschen aus, die nicht bestimmten
Leitbildern entsprechen? Margaret Olivia Little (1998) nennt in ihrer Untersuchung zu
Cosmetic Surgery, Suspect Norms, and the Ethics of Complicity vor allem den Bezug zu
eigentlich überkommen geglaubten Ideologien vom „idealen Menschen“, die wir normaler
Akzeptanz ist unserer Ansicht nach auch die zentrale Kategorie, wenn es etwa um die
kosmetische oder chirurgische Behandlung typischer ethnischer Merkmale, also z.B.
Hautfarbe, Nasenform, Stellung des Augenlides, Breite der Lippen, krause oder glatte Haare,
etc. geht (für einen theoretischen Ansatz zum Thema Akzeptanz vgl. Walzer 1998). Akzeptanz
wäre in diesem Zusammenhang zu charakterisieren als die Bereitschaft einer Person, eine
andere als grundsätzlich gleichwertig anzuerkennen. Das Streben, durch Abschwächung
ethnischer Merkmale ein Mehr an Akzeptanz zu erreichen, folgt der Logik, dass kakaofarben
„nicht so schlimm“ wie ganz schwarz, die schmalere Nase „nicht so schlimm“ wie die breite
Nase usw. ist. Es handelt sich also um ein Kontinuum, das von zwei ethnischen Stereotypen
begrenzt wird, nämlich einmal dem europäisch-anglo-amerikanischen Aussehen, zum anderen
dem jeweiligen asiatischen, afrikanischen, etc. Aussehen. Diese Ideale folgen zwar selbst
Modetrends und sind Veränderungen unterworfen, der grundsätzlichen Stabilität solcher
Weise im politischen und gesellschaftlichen Kontext nicht tolerieren würden, die aber im
Bereich der „Optimierung“ nach wie vor weiter bestehen bleiben: weiß ist besser als schwarz,
ein „normales“ Aussehen besser als ein abweichendes Aussehen, Frauen müssen schlank und
attraktiv sein, etc.:
„The cases of cosmetic surgery that raise special moral concern, then, are cases in
which the dissatisfaction or distress that people ask medicine to alleviate results, not
from morally innocuous preferences, but from practices or ideologies that are morally
troubling – for instance, suffering that stems from cruel teasing, or distress that arises
from trying to meet the pressures of a norm whose content is steeped in injustice.“
Little 1998: 168
Little spricht in diesem Zusammenhang auch von „suspect norms of appearance“, die
eben nicht nur eine zufällig geartete modische Präferenz darstellen, sondern Ausdruck einer
dahinter stehenden revanchistischen Ideologie sind. Und es ist gerade Ausdruck der realen
Machtverhältnisse und der Verteilung ökonomischen und gesellschaftlichen Einflusses, dass
15
16
die Mitglieder marginalisierter Gruppen nicht als solche akzeptiert werden, sondern ihnen
Gesichtspunkt verlieren die Optimierungsmaßnahmen und chirurgischen Eingriffe jedenfalls
implizit zu verstehen gegeben wird, dass sie sich „ändern“ müssten, um akzeptiert zu werden.
ihre angebliche Unschuld und erweisen sich als mehr oder weniger direkter Ausfluss
(2.) Diskriminieren wir tatsächlich Menschen mit optimierbaren „Fehlern“, oder
gesellschaftlicher Diskriminierung.
gehören solche Vorwürfe nicht in die Mottenkiste der Geschichte? In Deutschland haben z.B.
(3.) Das Recht auf eine eigene Identität und die Authentizität des eigenen Erlebens
die Ergebnisse der PISA-Studie gezeigt, wie undurchlässig gesellschaftliche Stratifikationen
wurde z.B. in einem Aufsatz von Carl Elliott dargelegt (vgl. zum Recht auf Authentizität auch
sein können. Ein Ergebnis der Studie war bekanntlich, dass der Ausbildungsgrad der Eltern in
Taylor 2000). Elliott’s Argumentation geht von dem Wert eigener Bewusstseinszustände aus,
unserem Bildungssystem in hohem Maß den Schulerfolg ihrer Kinder bestimmt. Und dies ist
auch wenn diese Zustände in der allgemeinen Wahrnehmung negativ konnotiert sind. Elliott
immerhin ein Bereich, der egalitären Vorgaben von staatlicher Seite unterworfen werden
bemüht
könnte. Das Geschehen z.B. auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt lässt sich demgegenüber
Lebensumstände und Orientierungslosigkeit nicht ausnahmslos von der psychologisch-
natürlich weit weniger beeinflussen. Bekannt ist für Deutschland etwa die immer noch
pathologischen Seite zu betrachten, als Zustände, die „wegbehandelt“ werden müssten,
weitgehende Abwesenheit von Frauen in Führungspositionen. Auch die Diskriminierung des
sondern fragt nach der Sinn- und Bedeutungskomponente, nach den individuell-
„Fremden“, des „Anderen“ scheint auf unterschwellige Ängste und Befürchtungen
lebensweltlichen Korrelaten solcher Zustände und findet, dass solche Zustände oft auch
zurückzugehen: Kann ich der türkischen Familie meine Wohnung vermieten? Verhält sich der
objektiv „sinnvoll“ sind:
afrikanische Kollege adäquat am Arbeitsplatz? Ist die junge Bewerberin qualifiziert und
leistungsfähig genug für die ausgeschriebene Aufgabe? Solche Befürchtungen, die von
kulturellen und gesellschaftlichen Stereotypen motiviert werden, spielen in der alltäglichen
Diskriminierung eine große Rolle. Die alltägliche Diskriminierung nimmt sozusagen als
business as usual ihren Gang, und gerade dieser Zusammenhang scheint mit zu ihrer
erstaunlichen Stabilität beizutragen. Diskriminierung kann allerdings auch aggressivere
Formen annehmen, wie das folgende, ebenfalls einer Internetdiskussion entnommene Beispiel
zeigt:
sich,
Frustrationen,
Wahrnehmungen
von
Sinnentleertheit
der
eigenen
„So my question is this: suppose you are a psychiatrist and you have a patient who has
precisely this sense of alienation; say, an accountant living in Downers Grove, Illinois
who comes to himself one day and says, Jesus Christ, is this it? A Snapper lawn mover
and a house in the suburbs? Should you, his psychiatrist, try to rid him of his
alienation by prescribing Prozac? Or do you secretly think that maybe, as bad off as he
is, he is better off than his neighbors? Because, as Percy puts it, even though he’s in a
predicament, at least he’s aware of it, which is a lot better than being in a predicament
and thinking you’re not.“
Elliott 1998: 180
Es kann also nicht darum gehen, einen Zustand der Schmerzlosigkeit und des problemlosen
psychischen Funktionierens herzustellen, wenn das zugleich für die Person des Patienten
„Ugly people is disgusting too, cos they ain’t got no excuse for being ugly they should
go and get plastic surgery and stop looking at me with their ugly faces making me
want to smash their ugly heads in ...“
Anna, Teilnehmerin an einem
Chat über Diskriminierung
Die Anonymität des Internet gibt hier die nötige Freizügigkeit, um sich der eigenen Gedanken
zu entledigen. Die Diskussionsteilnehmerin sieht sich gewissermaßen selbst als Opfer des
hässlichen Aussehens anderer, die, nicht genug damit, dass sie keine ästhetische Konformität
besitzen, sich anscheinend auch einer Korrektur durch plastische Chirurgie widersetzen. Über
Aggressionen gegenüber Menschen mit abweichendem Äußerem erfährt man z.B. auch auf
der offiziellen Homepage der im Jahr 2000 gegründeten Organization for AppearanceImpaired People (OAIP). Von daher ist es auch plausibel, dass die Durchführung von
Optimierungsmaßnahmen am eigenen Körper oft als eine Art von Autoaggression der
Betroffenen erscheint – wie im Fall des jungen Mannes, der sich mehrfach die Beine brechen
ließ, um seine natürliche Größe von 1,76 Metern zu erhöhen (ZDF 2004). Unter diesem
17
bedeutet, wichtige eigene Interessen zu verleugnen oder zu verdrängen. In diesem Sinn
handelt es sich allerdings um eine inhaltliche, keine formale Begründung eines Rechtes auf
die eigene Identität und Authentizität: die Identität des Patienten sollte bewahrt werden, weil
sie wichtig und bedeutungsvoll für das allgemeiner verstandene Wohl des Patienten ist.
Von einem medizinethischen Standpunkt aus lässt sich aber sicherlich auch
begründen, dass es ein formales Recht auf die eigene Identität und die Authentizität des
eigenen Erlebens gibt, die sich aus dem breiter angelegten Recht auf die Wahrung der eigenen
physischen und psychischen Integrität ergibt – einem Grundrecht im liberalen Staat. Fraglich
ist allerdings, ob die Wahrung dieser Rechte im Einzelnen gelingen kann, wenn die
Betroffenen von verschiedenen Seiten psychischem Druck ausgesetzt werden. Ein
aufschlussreiches Beispiel liefert im Bereich der plastischen Chirurgie ein Bericht der British
Broadcasting Company / BBC vom August 2003, bei dem eine an Cherubismus erkrankte
junge Frau von den Reaktionen ihrer Umwelt berichtet. Der Cherubismus ist eine genetisch
18
bedingte Erkrankung, die zu einer starken Betonung der unteren Gesichtshälfte (einem starken
III ANWENDUNGSFELDER UND FALLDIKUSSIONEN
Kinn und pausbäckigem „Cherubs-“, d.h. „engelhaften“ Gesicht) führt. Reaktionen von
Während die ethische Debatte zur Optimierung des Menschen in den 60er Jahren des
Passanten auf der Straße reichen vom offenen Anstarren bis hin zu Beschimpfungen und
20.
Anfeindungen. Die Betroffene selbst stellt auch einen Zusammenhang mit der Darstellung
(Menschenproduktion, totale Machbarkeit des Menschen, totale Macht des Menschen über
von hässlichen und entstellten Gesichtern in den Medien und Spielfilmen und den
den Menschen) und sich Mitte der 1980er und in den 1990er Jahren auch tatsächlich noch
öffentlichen Reaktionen auf ihr durch die Krankheit verändertes Gesicht her, dass nämlich in
einmal an der Gentechnologie – allerdings im Zuge der Verwirklichung therapeutischer
Filmen wie Nightmare on Elm Street oder Batman (die Beispiele sind Legion) das Hässliche
Ansätze – entzündete, lässt sich realiter beobachten, dass sich durch biomedizinische
und Andersartige mit dem Bösen und Aggressiven liiert ist. Was offensichtlich bei vielen
Fortschritte gleich eine ganze Reihe von Optimierungsverfahren in konventionellen Bereichen
Betrachtern ihres Gesichtes Bosheit und Aggression auslöst. Dennoch lehnt die junge Frau
entwickelt haben. Zwar soll an dieser Stelle nicht ausgeschlossen werden, dass wir im Bereich
eine plastisch-chirurgische Korrektur ihres Gesichtes ab:
der Optimierungen durch biomedizinische Innovationen auch noch revolutionäre Damm- und
„I’m not against plastic surgery. It’s just that my personal choice is to not have it. (...)
But my face is integral to who I am. The way people treat me and the way I’ve had to
learn to live my life has created the person I am today.“
BBC 2003
Jahrhunderts
Durchbrüche
sehr
erleben
stark
werden,
an
möglichen
aber
das
utopischen
bisherige
Entwicklungen
Muster
der
ansetzte
Einführung
von
Innovationstechniken ist jedenfalls ein anderes. Dazu möchten wir thesenartig drei
Kennzeichen der Implementation solcher Techniken in die Praxis der Medizin diskutieren:
Interessanterweise erntet die Betroffene für diese Haltung im beigestellten Internetforum nicht
(1.) die Verminderung des Behandlungsrisikos, (2.) Aufweichungserscheinungen bei
nur Zustimmung. Neben bekräftigenden Bemerkungen anderer Betroffener, die aufgrund ihres
bisherigen medizinischen und ethischen Grenzziehungen und (3.) ein Wandel von der
Aussehens ebenfalls öffentlich diskriminiert werden, gibt es dort auch Meinungsäußerungen,
traditionell-paternalistischen Medizin hin zur Dienstleistungsmedizin.
die Ablehnung und Unverständnis ausdrücken:
(1.)
Bereits
im
vorigen
Abschnitt
wurde
die
ethische
Bedeutung
des
„V.L. is a brave woman and the people who made nasty comments at her are low. But
I think Ms. L. is not mellow enough because she could show her defiance in a more
subtle way: get surgery and keep photos of her old face.“
BBC 2003
Behandlungsrisikos als ein Optimierungsmaßnahmen intrinsisches Problem beschrieben.
Bei offenen oder unterschwelligen Diskriminierungen, die die Rechte Betroffener in Frage
sich aus therapeutischen Eingriffen ableiten lässt, nicht sprengen. Wichtig ist aber auch das
stellen und unterminieren, stellt sich die Frage der Durchsetzbarkeit moralischer Rechte. Ein
absolute Risiko, und hier wäre unsere These, dass dieses Risiko durch die Erhöhung der
Wichtig ist dabei einmal das relative Risiko im Vergleich zu therapeutischen Maßnahmen –
das bei Optimierungsmaßnahmen einzugehende Risiko sollte einen gewissen Rahmen, der
Anfang dürfte allerdings damit gemacht werden, auf dieses Problem hinzuweisen, um ein
Fallzahlen in der Behandlung und die Verfeinerung z.B. chirurgischer Methoden in der Tat
stärkeres Bewusstsein für die Diskriminierung im Alltag zu erzeugen. Problematisch und
sinkt. Mit dieser Argumentation wird möglicherweise bei Befürwortern der ästhetisch-
paradox zugleich sind selbstverständlich gesellschaftliche Ideale des Körpers, die nur von
plastischen Chirurgie die Basis für eine Banalisierung des statistischen Risikos schwerer
einer verschwindenden Minderheit erfüllt werden können. Es ist zwar nicht so, dass diese
Nebenwirkungen – die nichtsdestotrotz immer wieder vorkommen – gelegt. Auch unter
Ideale in allen gesellschaftlichen Gruppen Gültigkeit haben, aber leider gerade in solchen
Medizinern werden damit solche Eingriffe natürlich an Akzeptanz gewinnen. Beispielhaft sei
Gruppen, die vom ethische Standpunkt aus ohnehin als „verletzlich“ angesehen werden
hier die Geschichte der Liposuction (Fettabsaugung) genannt, die sich aus der 1972 von dem
müssen – z.B. junge Frauen in der Pubertät, die überzogenen Schlankheitsvorgaben der
deutschen Chirurgen Josef Schrudde entwickelten Lipexhairese entwickelte, die auf dem
Modeindustrie folgen.
Herausreißen von Fettgewebe basierte (Bucher 2003). Führten solche Anwendungen bis
Anfang der 1980er Jahre noch zu ernsten Nebenwirkungen, wie z.B. einer Reihe von tödlich
verlaufenden
Lungenembolien,
kam
es
sukzessive
zu
einer
Verfeinerung
der
Behandlungsmethoden (Haiken 1997: 290-291). Heute dagegen „stehen”, wie eine
19
20
Privatklinik ihre Dienste im Internet anpreist, „unsere Patienten zwei Tage nach der
Behandlung schon wieder im Berufsleben”!
Die Akzeptanz solcher optimierender Eingriffe am Körper ist also nicht einfach
vorhanden, sondern wird durch die Medien mit erzeugt bzw. entscheidend verstärkt. Die
(2.) Wie Sander Gilman in Making the Body Beautiful dargelegt hat, haben ästhetisch-
Medien, die aus wirtschaftlichem Kalkül – um ihre Massenprodukte an die minderjährigen
plastische Eingriffe eine lange Tradition, die teilweise, wie im Fall der Rhinoplastik, bis ins
Leser und Zuschauer zu bringen – immer wieder neue Formen kurioser Trends und Moden
16. Jahrhundert zurückreicht. Dabei handelte es sich zunächst um rekonstruktive Eingriffe im
erzeugen müssen, werden dadurch im radikalen Sinn interaktiv: es reicht ihnen nicht mehr,
Gefolge der entstellenden Symptome der Syphilis. Genuin modern scheint demgegenüber der
ihre Ästhetik den Zuschauern in Form neuer Konsumdogmen aufzuzwingen, jetzt werden die
Gedanke zu sein, Abweichungen von einem ästhetischen Ideal selbst als eine zu behandelnde
Zuschauer selbst operativ an die Erfordernisse der Medien angepasst.
Krankheit oder Krankheitsursache zu begreifen. Elizabeth Haiken nennt etwa den Begriff der
Dieses Beispiel zeigt Formen einer neuartigen Beliebigkeit und Verfügbarkeit des
erblichen Lipodystrophie (hereditary lipodystrophie, also eine erbliche Verunstaltung durch
Körpers, wobei die Grenzen zur Dienstleistungsmedizin immer weiter in Richtung des
Fettansammlungen, Haiken 1997: 299) als Beispiel. Eine weitere Medikalisierungsstrategie
technisch Machbaren und der entsprechenden Nachfrage verschoben werden. Aber nicht nur
besteht darin, ästhetisch-plastische Chirurgie als Therapeutikum für psychische Störungen
in Deutschland nimmt die Kritik an den neuen Wirkungsfeldern der Medizin zu – von
darzustellen, also etwa, um die pathologischen Minderwertigkeitskomplexe eines Patienten zu
Vertretern der Ärzteschaft und des Jugendschutzes wird gefordert, die Ausstrahlung solcher
behandeln. Solche Darstellungen haben natürlich oft den Sinn, den eigentlich nicht-
„Reality-Shows” in Deutschland nicht oder zumindest nicht im Tagesprogramm zuzulassen
therapeutischen Charakter solcher Interventionen gezielt zu verschleiern. Auch wenn es nach
(Spiegel-Online 2001).
wie vor ein kritisches öffentliches Bewusstsein gegenüber solchen Praktiken gibt, ist doch
eine gewisse Gewöhnung und steigende öffentliche Akzeptanz zu beobachten.
Ästhetische Chirurgie
(3.) Damit im Zusammenhang steht jedenfalls ein neues Organisationsschema der
Eingriffe im Bereich der ästhetisch-plastischen Chirurgie sind möglicher Weise die in
Medizin, das sich nicht mehr allein an der ärztlichen Indikation orientiert, sondern stärker von
der Öffentlichkeit am stärksten diskutierten optimierenden Interventionen. Dabei scheint auch
Marktmechanismen, aber auch von außermedizinischen Vorgaben geprägt ist: der Kunde, der
ein allgemeiner Wertewandel in den letzten 25 Jahren dazu geführt zu haben, dass negativ
gesund ist, konsultiert einen Mediziner, der es nicht mehr als seine Aufgabe ansieht,
besetzte Äußerlichkeiten häufiger operativ behandelt werden und dass das Risiko solcher
Krankheiten zu behandeln, sondern den Körper – oder die Psyche – seiner Kunden zu
Operationen von weiteren Teilen der Bevölkerung zunehmend als akzeptabel eingestuft wird.
modulieren. Ein Beispiel ist die zunehmende Nachfrage nach Schönheitsoperationen von
Auch die Eingriffe selbst und die Motivationen der Patienten oder „Kunden” werden
jungen, teils noch minderjährigen Frauen. Der Altersdurchschnitt bei potenziellen
zunehmend entstigmatisiert und mehr in den positiv besetzten Bereich von „Wellness” oder
Kanditatinnen – und auch Kandidaten – sinkt zunehmend. Das Thema „Schönheit” ist in den
„Konsum” verortet. Über konkrete negative Auswirkungen von Eingriffen im Bereich der
letzten Jahren zunehmend zum Thema Medienbranche geworden. Jugendzeitschriften, die
ästhetischen Chirurgie in Deutschland ist leider wenig bekannt. Dies scheint ein echtes
über die Operationen der Stars und Sternchen berichten, und Eltern, die ihren Kindern
Desiderat der Optimierungsforschung zu sein. Im Gegensatz dazu weisen z.B. McLaughlin
Gutscheine für eine Verschönerung der Nase oder der Ohren schenken, sind keine Seltenheit
u.a. 2003 in ihrer Übersichtsstudie bei Frauen mit Brustimplantaten ein zwei- bis dreifach
mehr. In den USA sind Schönheitsoperationen weitaus akzeptierter als in vielen anderen
erhöhtes Suizidrisiko der behandelten Patientinnen im Gegensatz zur durchschnittlichen
Ländern. Dort sind es TV-Shows wie I want a famous face des Fernsehsenders MTV oder The
Suizidrate nach. Ein plausibler Zusammenhang dürfte zur negativen Selbstwahrnehmung von
Swan, in denen schönheitschirurgische Eingriffe bis hin zur Live-OP die öffentliche
Brustaufbaupatientinnen bestehen, die in der psychologischen Studie von Borkenhagen 2002:
Diskussion und Bewertung der ästhetischen Chirurgie beeinflussen. Die Shows werben damit,
6 als „Dissoziation des Körperselbsterlebens“, als grundlegende Störung der eigenen
junge Erwachsene im Verlauf der Sendung in ihr Idol zu verwandeln – die Gesichtszüge von
Körperwahrnehmung, beschrieben wird. Der tatsächliche motivationelle Hintergrund für
Brad Pitt oder die Nasenform von Britney Spears werden vor laufender Kamera von einem
ästhetisch-chirurgische Eingriffe könnte also weit weniger harmlos sein, als von den
Ärzteteam nachgeformt.
Betroffenen und ihren Operateuren immer wieder dargelegt, dass es sich nämlich nur um
21
22
marginale und risikoarme Korrekturen handele, die den Patienten und Patientinnen aber einen
zwingend (vgl. Lenk 2002: 252-254). Wenn der Grad der Behinderung durch geringes
großen Nutzen brächten. In diesem Fall durchaus beachtenswert daher auch die Kritik
Längenwachstum der entscheidende Aspekt ist, lässt sich dieses Problem jedenfalls durch
feministischer Theoretikerinnen wie z.B. Bartky 1990:
eine Untersuchung der tatsächlichen Einschränkung der Betroffenen einer Lösung zuführen.
„Women are no longer required to be chaste or modest, to restrict their sphere of
activity to the home, or even to realize their properly feminine destiny in maternity.
Normative femininity (that is, the rules for being a good woman) is coming more and
more to be centered on woman’s body – not its duties and obligations or even its
capacity to bear children, but its sexuality, more precisely, its presumed
heterosexuality and its appearance ...“
Bartky 1990: 81; zit. nach Kirkland & Tong 1996: 153
Mit der ästhetischen Chirurgie werden damit kulturelle Ideale und Vorstellungen direkt in den
Körper der behandelten Frauen eingeschrieben, sozusagen als Signum der Wirksamkeit
solcher sozialen und kulturellen Normen. Die Beteuerung der Betroffenen, sie nähmen nur für
sich in Anspruch, über ihr eigenes Aussehen zu bestimmen, ist vielleicht etwas zu harmlos.
Nicht von ungefähr sind es die traditionell marginalisierten Gruppen, Frauen, Mitglieder
ethnischer Minoritäten, für die ästhetische Chirurgie besonders attraktiv zu sein scheint. Das
verweist auf dahinter liegende Machtstrukturen: wer sich ohnehin in einer gesicherten
Ein interessanter Aspekt ist auch die Frage der Selbsteinschätzung und der möglichen
sozialen Stigmatisierung von kleinwüchsigen Menschen. Intuitiv würden wohl die meisten
Personen davon ausgehen, dass kleinwüchsige Personen gerne größer wären – und diese
Annahme scheint auch zuzutreffen: aber heißt das deshalb auch schon, dass sie größere
psychosoziale Probleme haben als normalwüchsige Menschen? Dazu referieren Haverkamp &
Rünger den folgenden Zusammenhang:
„Bislang konnte nicht nachgewiesen werden, dass eine Korrelation zwischen dem
Ausmaß des Kleinwuchses auf der einen und dem psychosozialen Leiden auf der
anderen Seite besteht. Die meisten kleinwüchsigen Kinder und Jugendlichen geben
zwar an, dass sie gerne größer wären. Gleiche Ergebnisse findet man aber auch in
Befragungen ‘normalgroßer’ Stichproben. Vor die Wahl gestellt würde der Großteil
kleinwüchsiger als auch ‘normalgroßer’ Kinder und Jugendlicher gerne sein Äußeres
verändern. Dies impliziert aber nicht, dass die Kinder und Jugendlichen in einem
pathologischen Sinn unzufrieden mit ihrem Erscheinungsbild sind. (Voss 2001: 705).”
Position befindet, der braucht sich auch nicht chirurgisch verschönern zu lassen. Verbessernde
Haverkamp & Rünger 2002: 306
Eingriffe sind vor allem dann nötig, wenn man aufgrund seiner sonstigen Fähigkeiten nicht in
Kleinwüchsige Personen in der Wachstumsphase würden also wohl gern größer sein, ihr
der Lage ist, oder es für zweifelhaft hält, von Anderen Anerkennung zu erhalten.
Wunsch nach einem veränderten Äußeren ist allerdings genauso schwach oder stark
vorhanden wie in der nicht-kleinwüchsigen Vergleichsgruppe. Das bedeutet auch, dass man
die Bedeutung der Kleinwüchsigkeit für die Betroffenen nicht überbewerten und sicher besser
Hormon- und Hormonersatztherapie
Das klassische Beispiel im Bereich der Hormontherapie besteht in der Behandlung
von Kleinwüchsigkeit mit Wachstumshormonen (vgl. Parens 1998b: 5 f.) Während eine
die konkrete Frage stellen sollte, wo tatsächliche Einschränkungen im täglichen Leben
bestehen, die einen hormonellen Eingriff rechtfertigen würden.
Funktionsstörung im Bereich der Sekretion von Wachstumshormonen allgemein als Krankheit
Zu (2), im Falle einer genuinen Optimierung, d.h. einer artifiziellen Erzeugung
diagnostiziert wird, sind für die Optimierungsproblematik andere Fälle von Bedeutung,
überdurchschnittlichen Wachstums bei einem Menschen von zu erwartender normaler Größe,
nämlich
von
ist insbesondere zu beachten, ob es sich bei der zu behandelnden Person um ein Kind oder
Wachstumshormonen und (2) die Gabe von Wachstumshormonen zur Erzeugung
einen Jugendlichen handelt. Dadurch kommen zwangsläufig Dritte ins Spiel, d.h. die Eltern,
überdurchschnittlichen Längenwachstums.
die einem solchen Eingriff zustimmen müssten. Möglich ist natürlich auch, dass Eltern aktiv
(1)
die
Kleinwüchsigkeit
bei
normaler
körpereigener
Produktion
Zu (1) stellt sich in erster Linie ein theoretisches Problem, nämlich ob Kleinwuchs
die „Verlängerung” ihres Kindes betreiben, etwa weil sie erwarten, dass groß gewachsene
auch ohne endokrinologische Störung, allein aufgrund einer geringen Körpergröße, als
Personen mehr Erfolg im Beruf haben etc. Ein solcher Eingriff nach Plan und Willen anderer
Krankheit gelten kann. Hier wäre daran zu denken, dass wir unsere Umwelt weitgehend für
Personen lässt sich relativ leicht unter Verweis auf die Autonomie und besondere
normalwüchsige Menschen gestalten (Treppen, Tische, Stühle, Fahrkartenautomaten, etc.)
Schutzbedürftigkeit der zu behandelnden Person zurückweisen. Eltern können zwar
und Menschen mit gravierendem Kleinwuchs deshalb bei der Teilnahme am öffentlichen
therapeutische Eingriffe auch gegen den Willen ihrer Kinder durchsetzen lassen, aber keine
Leben behindert sind. Aus diesem Grund wäre eine Interpretation unterdurchschnittlichen
beliebigen anderen, z.B. optimierenden Eingriffe, da diese nicht durch einen genuinen
Längenwachstums als eine Art von Behinderung möglich – wenn vielleicht auch nicht
Gesundheitsgewinn zu rechtfertigen sind. Schwieriger wäre der Fall, wenn ein Jugendlicher
23
24
selbst im Einverständnis mit seinen Eltern die Behandlung mit Wachstumshormonen wünscht,
sein. Das bedeutet nichts anderes, als dass gesellschaftliche Wertvorstellungen mitunter
da dann die Autonomie der Person gewahrt bliebe. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn der
weitgehend unreflektiert Eingang in die Behandlung von Patienten finden.
Jugendliche als passionierter Basketballspieler berufliche Chancen im Profibasketball
Relativ neu in der ethischen Debatte ist das Phänomen des Memory Enhancement, also
wahrnehmen möchte. Fraglich ist allerdings, ob die Gesellschaft solche Eingriffe tolerieren
der psychopharmakologischen Verbesserung der Erinnerungsfähigkeit. Whitehouse u.a.
sollte, oder ob sie die Anwendung solcher Substanzen zu nicht-therapeutischen Zwecken (wie
behandeln die ethische Seite des Problems zwar bereits 1997, doch zeigen jüngste
im Fall des Doping) verbieten sollte, um die Betroffenen vor sich selbst zu schützen.
Forschungsergebnisse möglicherweise einen Durchbruch auf der naturwissenschaftlichen
Seite an, was den Blickpunkt des Interesses von prinzipiellen Problemen mehr auf die
konkrete Anwendung richtet (Kennedy 2004; Marshall 2004). Bemerkenswerter Weise
Psychopharmakologie
Das Thema der psychischen Optimierung ist in der ethischen Debatte in den 90er
scheinen allerdings auch aktuell bereits Studenten in den Vereinigten Staaten mit Ritalin,
Jahren des vorigen Jahrhunderts zunehmend ins Bewusstsein gerückt. Zwanzig Jahre zuvor, in
einem umstrittenen Medikament, das normaler Weise zur Behandlung von so genannten
den drogenfaszinierten 1970ern, hatte man z.B. mit LSD experimentiert, um neue
„hyperaktiven Kindern” verwandt wird, zu versuchen, ihre Konzentration zu verbessern – was
Erfahrungen zu sammeln und Wahrnehmungsgrenzen zu überschreiten. Demgegenüber stehen
angesichts des begrenzten Wissens über mögliche Nebenwirkungen problematisch sein
die psychopharmazeutischen Anwendungen der 1990er unter dem Zeichen besserer sozialer
könnte.
Anpassung und höherer Kompetenz und Leistungsfähigkeit in privaten und in beruflichen
Whitehouse u.a. sehen den Einsatz solcher Stoffe vor allem unter dem
Zusammenhängen. Eine sorgfältige Untersuchung der Problematik hat Kramer 1994 mit
Gerechtigkeitsaspekt und ziehen den Vergleich zum Sport: Fairness im Sport bedeutet für uns
seinem Listening to Prozac gegeben. Kramer, einem u.s.-amerikanischer Psychiater, war
nicht nur, den Gegner nicht durch unerlaubte Eingriffe, z.B. Fouls, zu schädigen, sondern
aufgefallen, dass das Medikament Prozac (deutscher Handelsname Fluctin) zunehmend seine
auch, uns selbst nicht mit unerlaubten Mitteln Vorteile zu verschaffen. Kurz gesagt: wir halten
eigene Wahrnehmung von Patienten veränderte, nämlich dass er Patienten, die er zuvor
es für fair, dass im Sport der Bessere gewinnt, der aus eigener Kraft eine Leistung erbringt,
vielleicht für etwas eigenartig und introvertiert gehalten hätte, nach seiner Kenntnis der
und dass hinsichtlich der Ausrüstung möglichst Chancengleichheit herrschen sollte. Daraus
Wirkung von Prozac zunehmend als behandlungsbedürftig einstufte. Seine Erfahrungen mit
folgt, dass Doping verboten ist und die Ausrüstung besonderen Regularien unterliegt. Fraglich
dem Medikament hatten also zu einer faktischen Indikationsausweitung geführt, die allerdings
ist allerdings, inwiefern hier eine Analogie zu gesellschaftlichen Verhältnissen außerhalb des
auch mit kulturellen und zeitgeistigen Prägungen zu tun hat:
Sport gezogen werden kann. Die Vorgabe der Chancengleichheit spielt zwar auch in diesem
„Wenn Ernsthaftigkeit von chemikalischen Mitteln beeinflusst werden kann, können
wir uns eine lange Liste von Gegensätzen vorstellen, die auch davon beeinflusst
werden: nachdenklich / tatkräftig, unbeweglich / flexibel, vorsichtig / impulsiv,
sicherheitsorientiert / risikobereit, masochistisch / durchsetzungsfähig, intellektuell /
praktisch, nachgiebig / fordernd und viele andere. Den ersten Begriff von jeder dieser
paarweise auftretenden Eigenschaften kann man auch als depressive oder zwanghafte
Neigung einstufen und für eine mögliche Therapie mit Medikamenten ins Auge
fassen.”
zit. in der deutschen Fassung nach Kramer 1995: 58
Der Subtext zu einer solchen Liste ist selbstverständlich ebenfalls eine Idealvorstellung der
Psyche des Menschen, der möglicherweise in der Tat ohne Probleme durchs Leben kommt
wenn er tatkräftig, flexibel, impulsiv, risikobereit, etc. ist. Allerdings ist er auch nicht
zwangsläufig krank, wenn er sich nachdenklich, unbeweglich, vorsichtig oder auch
sicherheitsorientiert verhält. Gerade bei psychologischen Problemen scheint dieser Übergang
vom gesellschaftlich Unerwünschten zum Pathologischen allerdings besonders fließend zu
25
Bereich eine wichtige Rolle, sie scheint allerdings auch durch vielerlei Umstände, wie z.B.
persönliche Kontakte, akkumulierte Besitztümer, gezielte Förderung durch Eltern und
Verwandte z.B. bei der Ausbildung faktisch nur in geringem Maße zu bestehen. Es wäre
deshalb plausibel anzunehmen, dass im gesamtgesellschaftlichen Bereich die Anforderungen
der meisten Menschen weniger streng sind als im sportlichen Bereich.
Ungerecht wäre es höchstens, wenn wir einer bestimmten Gruppe von Menschen
bestimmte Optimierungsmittel vorenthalten würden. Es könnte dann allerdings die
Konsequenz auftreten, dass auf Menschen mit „natürlicher” Gedächtnisfähigkeit ebenfalls
Druck ausgeübt wird, sich entsprechend optimieren zu lassen. Das wäre sicherlich
problematisch, wenn auch nicht aus Gründen der Chancengleichheit, sondern aus Gründen der
eingeschränkten Autonomie der Betroffenen. Ebenso dürfte es Schwierigkeiten im Bereich
der Risikoeinschätzung geben, die sicherlich auch für klinische Studien mit entsprechenden
26
Substanzen gelten. Eine solche Risikoanalyse dürfte nicht nur die Toxizität und Wirksamkeit
der Gültigkeit einer Zustimmung (im Sinne eines informed consent) bei solcherart
solcher Wirkstoffe untersuchen, sondern sollte sich ebenso mit dem Einfluss gedächtnis-
„optimierten” Soldaten nach sich ziehen. Solche Pläne erinnern jedenfalls stärker an den
verbessernder Stoffe auf psychische Mechanismen beschäftigen. Unser Bewusstsein und
traditionell-modernen Optimierungsansatz des Staates gegenüber seinen Bürgern, der
unsere Psyche scheinen einen Gutteil ihrer Stabilität aus einem gewissen Gleichgewicht von
mittlerweile überwunden zu sein schien. Es wäre jedenfalls ein kulturgeschichtliches Novum,
Erinnerung und Vergessen zu beziehen. In dieses Gleichgewicht einzugreifen könnte sich als
nicht durch Ausbildung und Erziehung, sondern durch optimierende Eingriffe Angestellte auf
problematisch erweisen, wenn Probanden mit erhöhter Gedächtnisfunktion die Fähigkeit
ihre Einsätze vorzubereiten.
verlieren würden, wichtige und unwichtige Dinge zu vergessen und sie zwanghaft immer
wieder erinnern müssten. Wir neigen zwar dazu, nur das Erinnern als genuine mentale
Funktion wahrzunehmen, sollten aber möglicherweise das Vergessen als ebensolche Funktion
ansehen.
Vorbereitender Exkurs: Gehörlosigkeit und Cochlea-Implantate
Cochleaimplantate werden mittlerweile erfolgreich bei angeborener oder erworbener
Gehörlosigkeit zur Verbesserung des Sprachverständnisses eingesetzt. Ein Cochleaimplantat
ist eine elektronische Innenohr-Prothese, durch die die Funktion der Hörzellen und die
Weiterleitung der akustischen Information ersetzt werden. Die Elektroden im Implantat leiten
Nanotechnologie
Auch im Zusammenhang mit nanotechnologischen Anwendungen in der Medizin ist
den Schall weiter und bewirken so eine Erregung der Hörnerven. Dabei werden elektrische
von verschiedenen Optimierungsmöglichkeiten die Rede. In Anbetracht des futuristischen
Signale durch einen Sprachprozessor im Implantat in Kodierungsprozessen verarbeitet und
Image der Nanotechnologie sind solche optimierenden Anwendungen teilweise sicher eher
die Sprachinformationen in elektrischen Pulsen an den Hörnerv übertragen. Die Ursachen für
utopischer Natur. Dennoch scheinen sich bereits einige dieser Projekte in den Bereich der
Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit sind unterschiedlich – neben genetischen Faktoren für
konkreten Anwendung zu bewegen. Doch zunächst einmal: welche optimierenden Eingriffe
angeborene Gehörlosigkeit können Entzündungen, ein Hörsturz sowie Unfälle, bei denen die
werden überhaupt im Zusammenhang mit Nanotechnologie erwähnt? Im Gespräch sind z.B.
Haarzellen
„Unsterblichkeit“ (Coenen 2003), veränderte Wahrnehmungsmöglichkeiten durch die
verursachen.
des
Innenohrs
geschädigt
wurde,
Schwerhörigkeit
und
Gehörlosigkeit
Implantation von Nano-Chips in die Netzhaut des Auges (ESRC 2003: 22, „focus on
In der Literatur über Cochleaimplantate werden zahlreiche Fallbeispiele von Kindern
improving the human-machine interface“) oder ein nanotechnologisch verändertes
und Erwachsenen erwähnt, in denen eine Behandlung der Gehörlosigkeit – gemessen an den
Immunsystem (Akademie für Technikfolgenabschätzung 2002). Der Bericht des britischen
technischen Möglichkeiten eines Cochleaimplantates – erfolgreich verlaufen ist. Von Seite
Economic & Social Research Council (ESRC) rekurriert ebenso wie Drösser 2004 auf eine
der Medizin wird Eltern, die eine Cochlea-Implantation bei ihrem Kind in Erwägung ziehen,
mögliche militärische Nutzung der Nanotechnologie. In diesem Zusammenhang kommen
häufig die Empfehlung gegeben, gehörlose Kinder möglichst zu einem frühen Zeitpunkt zu
auch mögliche Optimierungsprojekte zur Sprache:
behandeln. Kinder und Erwachsene, die später ihr Gehör verloren haben, können ebenfalls
„The Massachusetts Institute of Technology hosts the US Army Institute of Soldier
Nanotechnologies, a research unit devoted to developing military applications for
nanotechnology, its aim being to improve ‘the survival of the soldier of the future’.
The institute’s ultimate goal is to ‘create a 21st century battlesuit’. (...) There are also
attempts to incorporate wound detection and treatment systems within uniforms. For
example, responsive systems, such as the material hardening to provide an instant
splint for a broken bone, are in development. (...) In addition there is a focus on
improving the human-machine interface, perhaps including sensory enhancement such
as direct retinal displays or communication to the ear, (...)”
ESRC 2003: 21 f.
behandelt werde, jedoch ist eine Behandlung von gehörlosen Erwachsenen und Kindern,
einer Cochlea-Implantation bessere Resultate im Sprachverstehen zeigen als bei Patienten, die
Der „Kampfanzug des 21. Jas.” könnte demnach also auch gut zusätzliche operative Eingriffe
bei Behandlungsbeginn bereits vollständig ertaubt waren. Sie hebt hervor, dass eine
an seinem Träger erfordern. Das würde selbstverständlich Fragen nach der Freiwilligkeit und
Indikation für eine Cochlea-Implantation immer individuell getroffen werden muss. Neben
27
28
deren Sprachentwicklung bereits abgeschlossen ist, schwieriger oder im Einzelfall auch
erfolglos (vgl. dazu die Studie von Reimer 2002). Reimer untersucht darin die
Anwendungsmöglichkeiten von Cochlea-Implantaten bei Kindern und Erwachsenen sowie
das Sprachverstehen und Hörvermögen beider Patientengruppen nach einer Implantation.
Generell lässt sich sagen, dass sich bei Patienten, die ein Resthörvermögen aufweisen, nach
dem Grad der Schwerhörigkeit oder Taubheit des Patienten müssen immer auch das soziale
Umfeld und die psychosoziale Situation des Patienten sowie seine Bewertung der
Therapieform berücksichtigt werden. Gleichzeitig sei es wichtig, dass bei Kindern, bei denen
„an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit”diagnostiziert worden ist, zunächst eine Behandlung
mit Hörgeräten durchgeführt wird und die Sprachentwicklung abgewartet wird (Reimer 2002:
132).
Ein sehr positiver Bericht über die gelungene Behandlung durch ein Cochleaimplantat
in der Wochenzeitung Die Zeit im August 2004 (Rückert 2004) stieß auf Seite des Deutschen
Gehörlosen-Bundes e.V. auf harsche Kritik, die sich in einem offenen Brief der Präsidentin
des Gehörlosen-Bundes, Gerlinde Gerkens, an den Chefredakteur der Zeit artikulierte
(Gerkens 2004). Auf Ablehnung stieß dabei nicht nur das von Rückert postulierte Ziel, mit
Cochleaimplantaten „die Taubheit aus unserer Gesellschaft verschwinden” zu lassen, sondern
auch die Behauptung, dass die Sprachentwicklung mit Implantat im Wesentlichen so verlaufe
wie unter natürlichen Bedingungen. Vergleichende Studien zeigen demgegenüber, dass die
Sprachentwicklung
bei
Kindern
mit
Implantaten
anders
verläuft
als
bei
einer
Vergleichsgruppe mit normalem Gehör (z.B. Szagun 2004).
Demgegenüber wird von Gehörlosen oft bestritten, dass das Nicht-Hören-Können eine
genuine Behinderung sei, da Gehörlose mit Hilfe der Zeichen- und Schriftsprache
unproblematisch mit ihresgleichen, aber auch mit hörenden Personen kommunizieren
könnten. Diese Besonderheiten seien nicht als defizitär anzusehen, sondern vielmehr als Teil
der besonderen Kultur der Gehörlosigkeit, die wiederum Ausdruck der Persönlichkeit und
Identität gehörloser Menschen sei. Eine in diesem Zusammenhang wichtige – und soweit wir
sehen, noch unbeantwortete – Frage wäre, ob es Personen gibt, die als Kind ein CochleaImplantat erhalten haben und aus späterer Perspektive den Eingriff gerne rückgängig machen
würden. Falls es solche Personen gibt, könnte das ein Hinweis darauf sein, dass es in der Tat
gewichtige Gründe gibt, die Teilnahme an der Kultur der Gehörlosigkeit gegenüber der
Fähigkeit des Hörens zu präferieren.
Fallbeispiel: Gehörlosigkeit als Optimierungsziel
Das Vorhaben eines homosexuellen Paares in den USA, ein Kind zu bekommen, das
ebenso wie sie selbst gehörlos geboren wird, hat im Jahr 2002 weltweit großes Aufsehen erregt
und kontroverse Diskussionen ausgelöst. Sharon Duchesneau und ihre Partnerin Candance
McCullough aus dem US-Bundesstaat Maryland haben bereits vor einigen Jahren mit Hilfe der
Samenspende eines gehörlosen Freundes ihre ebenfalls gehörlose Tochter Jehanne bekommen.
Nun löste die Geburt ihres zweiten Kindes Gauvin Anfang des Jahres erneut eine Kontroverse
über die moralische Zulässigkeit ihrer Entscheidung aus. Hervorzuheben ist dabei, dass es sich in
beiden Fällen nicht um die genetische Manipulation oder (vergleichbar einer
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Präimplantationsdiagnostik) gezielte Selektion eines Embryo handelt, sondern dass dieser eine
genetische Veranlagung für angeborene Gehörlosigkeit von seinen Eltern vererbt bekommen hat.
Die Mütter wählten einen Samenspender aus, der selbst gehörlos war und somit die genetische
Veranlagung für Gehörlosigkeit an das Kind weitergab. Die Erzeugung eines Kindes mit einer
seltenen, gewünschten Eigenschaft stellte dabei eine Optimierung (im Sinne der Mütter) dar –
wobei sie durch die gezielte Auswahl des genetischen Vaters die Wahrscheinlichkeit erhöhten,
ein gehörloses Kind zu bekommen. Das Ziel, die Eigenschaften des gewünschten Kindes zu
verbessern, steht im Fall der beiden Mütter den Wünschen, die die meisten anderen Eltern in
Bezug auf ihr Kind haben, diametral gegenüber. Die gewöhnliche Zielsetzung, ein Kind ohne
Behinderungen zu bekommen, wird zum Wunsch, ein gesundes Kind mit einer bestimmten
fehlenden Eigenschaft zu erhalten – der fehlenden Fähigkeit des Hörens.
Im Alter von vier Monaten wurde bei einer ärztlichen Untersuchung die
Gehörlosigkeit des Kindes bestätigt. Die beiden Frauen wurden jedoch vom behandelnden
Arzt darauf hingewiesen, dass Gauvins rechtes Ohr ein geringes Hörvermögen aufweise und
dass durch frühzeitige Behandlung eine Verbesserung eintreten könnte. Diesen medizinischen
Eingriff lehnten die Mütter jedoch entschieden ab, da sie die Aussicht auf Behandlung der
Gehörlosigkeit nicht als eine Verbesserung ansehen, sondern als eine Einschränkung der
Fähigkeit, an der Kultur und Sprache der Gehörlosen teilzuhaben (Mundy 2002). Die
Zugehörigkeit zu der „Deaf Culture“, zu der Kultur und Gemeinschaft von gehörlosen
Menschen, stellt für beide Frauen einen Wert dar, den sie mit ihren Kindern teilen wollen. Die
Zugehörigkeit zu der „Welt der Gehörlosen“ wird ihrem Selbstverständnis nach durch das
Teilen einer gemeinsamen Sprache und eines ähnlich geprägten sozialen Umfeldes und
Erfahrungshorizontes vollzogen.
Als primäres Optimierungsziel kann hierbei die Festlegung einer genetisch bedingten
Gehörlosigkeit beim Nachwuchs durch die Eltern angesehen werden. Demgegenüber kann die
Frage aufgeworfen werden, ob diese Form der Optimierung mit einer „Schädigung“
gleichgesetzt werden kann und worin genau die Schädigung besteht. Weiterhin ist zu
untersuchen, welche ethischen Argumente dafür und dagegen angegeben werden können.
Wenn man „Gehörlosigkeit“ vom medizinisch-funktionalen Standpunkt aus als eine
Behinderung definiert, stellt das Vorhaben der beiden Frauen den Gegensatz einer optimierenden
Handlung dar, die auf die Verbesserung genetischer Anlagen abzielen würde. Demgegenüber
versichern beide Frauen, dass die Eigenschaft, nicht hören zu können, ihre Zugehörigkeit zu der
Gemeinschaft der Gehörlosen entscheidend mitbestimmt und ihre kulturelle Identität prägt. Sie
teilen mit den Mitgliedern dieser Gemeinschaft die Gebärdensprache, auf die ihrem Verständnis
nach die Kultur der Gehörlosen aufgebaut ist – und die sie als Basis für ihren
Gruppenzusammenhalt und ihre Identität ansehen. Diese Sprache, die American Sign Language
(ASL) ermöglicht es ihnen, miteinander zu kommunizieren und Diskussionen zu führen, Witze
zu erzählen und Theaterstücke umzusetzen. Die Gebärdensprache stellt für beide Frauen einen
bedeutenden Teil ihrer Kultur und zugleich ein Medium dar, an dieser Kultur zu partizipieren –
der Ausschluss aus der Welt der Hörenden bedeutet für sie eine Integration in die Welt der
Gehörlosen. Die beiden Kinder, Gauvin and Jehanne, sollen diese Lebenswelt mit ihnen teilen.
Dabei ist fraglich, ob diese selbst zugeschriebene „Kulturzugehörigkeit“ abhängig von
der Eigenschaft der Gehörlosigkeit sein muss. Vielmehr gibt es zahlreiche Beispiele von
Kindern, deren Eltern gehörlos sind, die selbst hören können und die mit ihren Eltern beide
„Kulturen“ teilen bzw. auch als Vermittler beider Kulturen auftreten. Unserer Ansicht nach ist
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die Zugehörigkeit zu der „Deaf Culture“ nicht unbedingt abhängig von der Eigenschaft der
Gehörlosigkeit, sondern von der Fähigkeit und dem Interesse, sich mit der Kultur der Gehörlosen
auseinanderzusetzen. Das Erlernen der Zeichensprache kann ein Weg für Hörende sein, am
kulturellen und sozialen Leben der Gehörlosen zu partizipieren. Sicher ist es für Kinder in ihrer
individuellen Entwicklung besser, nicht auf die Fähigkeit, zu hören, verzichten zu müssen,
sondern vielmehr die Zeichensprache als zusätzliche Form der Kommunikation zu erlernen, was
ihnen den Zugang zu den beiden unterschiedlichen Lebenswelten ermöglicht.
Dem Einwand, dass die Kinder gezielt benachteiligt oder geschädigt worden sind,
entgegnen Befürworter, dass die Gehörlosigkeit der Kinder keine genuine „Schädigung“
darstellt. Vielmehr werden die Kinder erst aufgrund ihrer „Behinderung“ zu Teilhabenden an der
Gemeinschaft der Gehörlosen, was kein Nachteil, sondern eine besondere Eigenschaft ist, die
erst das Verständnis und die Teilhabe an ihren Wertvorstellungen und Kultur ermöglicht. Ein
weiteres Argument, dass die Position der Eltern stärken könnte, ist der Verweis auf die
„reproductive autonomy“ der Eltern, welches postuliert, dass diese das Recht haben, über den
Zeitpunkt, die Anzahl und die Entstehensweise ihres Nachwuchses selbständig zu entscheiden.
Dieses Recht könnte auch die Entscheidung beinhalten, mit Hilfe eines gehörlosen
Samenspenders ein Kind zu bekommen, das eine entsprechende genetische Veranlagung für
Gehörlosigkeit besitzt – zumal ja im Falle eines heterosexuellen gehörlosen Pärchens ebenfalls
mit großer Wahrscheinlichkeit ein gehörloses Kind geboren worden wäre.
Ob damit auch die moralische Zulässigkeit der elterlichen Entscheidung gerechtfertigt ist,
gezielt ein gehörloses Kind entstehen zu lassen, ist fraglich. Ebenso ist fraglich, ob der Verweis
auf die „reproduktive Autonomie“ der Eltern hinreichend ist, um deren Entscheidung zu
begründen, da die Eltern bewusst eine Einschränkung der Fähigkeiten des Kindes in Kauf
nehmen (vgl. das Argument der „reproductive autonomy“ im Kontext des reproduktiven
Klonens bei Roberts 1998 und bei Robertson 1998).
Das Prinzip der „reproductive autonomy“ kann so definiert werden, dass eine autonome
Entscheidung der Eltern gegeben sein und gleichzeitig der Grundsatz des „Nicht-Schädigens“
des Kindes gewährleistet sein muss. Letzteres ist hier nicht der Fall. Auch wenn man
argumentiert, dass Gehörlosigkeit an sich keine „Behinderung“ oder „Schädigung“ des Kindes
darstellt, kann dennoch nicht bestritten werden, dass das Kind in seinen individuellen
Fähigkeiten eingeschränkt wird. Eine gezielte Einschränkung der Entwicklungsmöglichkeiten
des Kindes bedeutet in diesem Fall eine Begrenzung seiner zukünftigen Handlungsmöglichkeiten
und somit seines autonomen Handelns. Die „reproductive autonomy“ der Eltern konfligiert mit
den zukünftigen Handlungsmöglichkeiten und der Autonomie der Kinder; das
Selbstbestimmungsrecht der Eltern ist dem Recht der Kinder auf psychophysische Integrität und
Selbstbestimmung unterzuordnen.
Ein weiterer Einwand, der gegen das Vorgehen beider Frauen gerichtet ist, ist
Ob dieses Recht im Fall der beiden Kinder verletzt worden ist, hängt auch vom
jeweiligen Verständnis von „Gesundheit“ und „Behinderung“ ab. Wenn man „Behinderung“
als funktionale Einschränkung der (statistisch) normalen körperlichen oder geistigen
Fähigkeiten definiert, ist Gehörlosigkeit eine Behinderung – ob die jeweiligen Kinder ihr
Leben und ihre Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt sehen, ist zwar zu vermuten,
allerdings auch eine andere Fragestellung (vgl. zum Problem der Subjektivität und
Objektivität der Krankheitszuschreibung Lenk 2002).
In beiden Fällen wurde der Samenspender so ausgewählt, dass die Wahrscheinlichkeit
erhöht wird, dass das Kind einer gehörlosen Frau ebenfalls gehörlos geboren wird. Die
jeweiligen Embryonen wurden aber weder selektiert noch genetisch manipuliert, wodurch
sich dieser Fall von anderen Verfahren der direkten Manipulation unterscheidet. Auch wenn
die Kinder gezielt nach dem Kriterium „Gehörlosigkeit“ gezeugt wurden, sodass ihre
normalerweise vorhandenen Fähigkeiten eingeschränkt sind, bleibt festzuhalten, dass ohne
diese Auswahl Jehanne und Gavin nicht existieren würden. Und dass generell die NichtExistenz der beiden Kinder ihrer Existenz vorzuziehen sein sollte, ist kontraintuitiv und
unserer Ansicht nach moralisch nicht zu begründen. Zwar ist es moralisch nicht zu begrüßen,
dass den Kindern die Möglichkeit genommen wird, auch am Leben der Hörenden
teilzunehmen – aber auch als gehörlose Menschen sollten sie natürlich voll und ganz in der
Gesellschaft der Nicht-Hörenden wie der Hörenden akzeptiert und integriert sein.
Anwendungen der Gendiagnostik
Der Bereich der Gendiagnostik umfasst ein breites Spektrum von neuen
Entwicklungen und Anwendungsfeldern, die in diesem Rahmen nicht umfassend diskutiert
werden können. Der umstrittene Begriff des „Designerbabys” wird in der öffentlichen
Diskussion umfassend für viele Anwendungsverfahren der Medizintechnik verwandt, mit
dementsprechend der Vorwurf, dass das „Recht auf körperliche Unversehrtheit“ der
denen vorgeburtlich die Eigenschaften eines Kindes beeinflusst oder ausgewählt werden
gehörlosen Kinder verletzt worden ist. Graw zufolge ist ein solches Recht der Kinder durch
können. Einem Embryo ein bestimmtes genetisches „Design” zu geben, ist negativ konnotiert
die gezielte Kombination des Erbgutes negiert worden. Da ihnen ein „Verzicht auf die
und impliziert einen direkten Eingriff am Erbgut des Kindes. Wenn man den Begriff weiter
Hörfähigkeit“ aufgezwungen worden ist, [können] sie „lebenslang nur bedingte Autonomie
fasst, lässt sich auch die Anwendung von Gentests bei Embryonen im Reagenzglas oder die
genießen [...]“ (Graw 2002). Hier wäre allerdings noch zu entscheiden, ob es sich wirklich um
Auswahl bestimmter Eigenschaften, wie beispielsweise mit der sex selection die
ein Recht im juristischen Sinn handeln kann (worauf Graw mit seiner Formulierung anspielt),
Geschlechtsbestimmung des Kindes, darunter fassen. In unserem Fallbeispiel soll gezeigt
oder ob es sich hierbei nicht vielmehr um ein zu postulierendes moralisches Anrecht handelt,
werden, wie sich aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bewertungen und verschiedenen
was sicher plausibler wäre.
rechtliche Regelungen Konsequenzen für die Anwendung reproduktionsmedizinischer
Verfahren ergeben. Gleichzeitig wird das Dilemma deutlich, in dem sich Eltern, Ärzte und
31
32
Politiker befinden, die über die rechtliche und moralische Zulässigkeit solcher Eingriffe
entscheiden müssen.
Fallbeispiel: „Designerbaby” als Gewebespender für ein Geschwisterkind
Ein Ehepaar aus Großbritannien, Michelle und Jayson Whitaker, haben einen
dreijährigen Sohn Charlie, der an einer sehr selten auftretenden Krankheit, der Diamond
Blackfan Anämie, leidet. Der Körper des Kindes produziert zu wenig rote Blutzellen, sodass
es in regelmäßigen Abständen Bluttransfusionen erhalten und täglich Medikamente
einnehmen muss, damit seine Körperfunktionen aufrecht erhalten werden können. Ärzte
haben den Eltern in Aussicht gestellt, dass für das Kind durch eine Übertragung von
Stammzellen aus Nabelschnurblut eine mindestens 90%-ige Heilungschance besteht –
vorausgesetzt, dass der Eingriff innerhalb der nächsten 18 Monate vorgenommen wird.
Weiterhin ist es für den Erfolg eines derartigen Eingriffes Voraussetzung, dass bei dem
Gewebe des Spenders und des Empfängers eine möglichst hohe Übereinstimmung besteht.
Demgegenüber liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Eltern auf natürlichem Weg ein Kind
bekommen, bei dem diese Übereinstimmung vorhanden ist, bei eins zu vier. Die Tochter des
Ehepaares, die nach Charlie im letzten Jahr geboren ist, ist als Spenderin ungeeignet, da bei
ihr nur eine Übereinstimmung von 50% besteht. Daraufhin entschieden sich die Eltern,
mehrere Embryonen exkorporal befruchten zu lassen und durch das Verfahren der
Präimplantationsdiagnostik den Embryo auszuwählen, bei dem zuvor eine nahezu
vollständige Übereinstimmung festgestellt worden ist.
Das Vorhaben, auf diese Weise ein weiteres Kind zu bekommen, wurde in
Großbritannien durch die Aufsichtsbehörde für Befruchtung und Embryologie (HFEA –
Human Fertilisation and Embryology Authority) mit der Begründung abgelehnt, dass die
Intention der Eltern ethisch nicht vertretbar sei. Durch Präimplantationsdiagnostik (PID) ein
Kind zu bekommen, das gegen diese Erkrankung getestet worden ist, sei grundsätzlich
zulässig. Da jedoch das Auftreten der Diamond Blackfan Anämie durch Gentests nicht
nachgewiesen werden kann, ist die PID-Auswahl nur damit zu begründen, einen Embryo mit
bestimmten Gewebsmerkmalen zu erhalten, die mit denen des erkrankten Kindes
übereinstimmen. Ob das Kind ebenfalls an dieser Krankheit erkranken wird, kann erst im
Verlauf des ersten Lebensjahres festgestellt werden. Da die Auswahl eines Embryos mit der
Zielsetzung, das entstehende Kind als Gewebespender zu nutzen, nicht mit dem Kindeswohl
des Neugeborenen selbst begründet werden kann, wurde es den Eltern untersagt, eine PID im
Rahmen einer künstlichen Befruchtung durchzuführen. In den USA wurde einige Zeit später
die Behandlung durchgeführt. Zunächst wurden vier Embryonen in vitro gezeugt, wovon zwei
Embryonen, bei denen genetische Übereinstimmung diagnostiziert werden konnte, implantiert
wurden. James wurde Mitte 2003 geboren und es wird sich innerhalb eines Jahres nach seiner
33
34
Geburt zeigen, ob er ebenfalls von der Krankheit betroffen oder ob er gesund und damit als
kann. Wie im Fallbeispiel dargestellt, wurde die Behandlung zunächst in den USA
potentieller Spender geeignet sein wird. Die Gewebsmerkmale stimmen zu 98% mit denen
durchgeführt, woraufhin einige Zeit später die Regelungen in Großbritannien wie erwähnt
seines Bruders Charlie überein, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Charlie’s
modifiziert wurden. In Australien ist ebenfalls seit mehreren Jahren die Auswahl von
Überlebens- und Heilungschancen nach einer erfolgreich verlaufenen Stammzelltherapie
Embryonen durch Präimplantationsdiagnostik in Verbindung mit IVF in bestimmten Fällen
steigen (Bhattacharya 2003).
erlaubt. Zulässig ist es in dem Fall, wenn (a) eine ärztliche Diagnose der Unfruchtbarkeit
James war bereits das zweite Kind, das in Großbritannien trotz des Verbotes der
vorliegt, (b) eine schwere Erbkrankheit in der Familie festgestellt worden ist oder (c) ein
Anwendung einer PID zur Erzeugung eines Embryos als Gewebespender geboren wurde. In
Embryo mit einem bestimmten Gewebstyp als Stammzellspender ausgewählt werden soll
beiden Fällen war die Behandlung in den USA durchgeführt worden, was weltweit eine
(Spriggs & Savulescu 2002). In allen diesen Fällen muss nachgewiesen werden, dass das
kontroverse Diskussion über die ethische und rechtliche Regulierung der im engeren Sinne
entstehende Kind nicht geschädigt oder in seiner individuellen Entwicklung eingeschränkt
nicht-therapeutischen Anwendung der PID auslöste. Im Juli 2004 zeichnete sich nunmehr eine
wird. Wenn diese ethischen und juristischen Grenzen eingehalten werden können, und nicht
Wende in der politischen Diskussion in Großbritannien ab – die HFEA hatte an diesem Tag
durch einen „PID-Tourismus” über Ländergrenzen und Gesetzgebungen hinweg umgangen
die Entscheidung gefällt, die Richtlinien zu verändern und in Zukunft derartige Eingriffe unter
werden, können möglicherweise ethische Grenzverschiebungen verhindert werden.
bestimmten Bedingungen zuzulassen (HFEA 2004). Als Begründung gaben Sprecher der
Anhand dieses Beispieles wird deutlich, wie schwierig die Grenzziehung zwischen
Behörde an, dass sich in diesem Einzelfall im Nachhinein gezeigt habe, dass die gezielte
einem optimierenden Eingriff einerseits und einem therapeutischen Eingriff andererseits sein
Auswahl des Kindes keine negativen Auswirkungen auf das Kind oder die Familie gehabt
kann. Der Embryo war aufgrund seiner bereits vorhandenen Eigenschaften ausgesucht
hätte. Jedoch bedarf dieses Verfahren auch in Zukunft in Großbritannien einer
worden: andere Embryonen, die mit den erwünschten Gewebefaktoren nicht übereinstimmten,
Ausnahmeregelung sowie der Zustimmung durch eine staatliche Behörde (Ganster 2004).
wurden nicht implantiert. Der ausgewählte Embryo wurde jedoch nicht gentechnisch
Dieses Fallbeispiel dürfte unserer Ansicht nach noch am ehesten eine Situation zeigen,
verändert, es wurden keine Eingriffe vorgenommen, die seine Entwicklung hätten
in der es gerechtfertigt ist, zugunsten der Erhöhung der Heilungschancen des erkrankten
beeinflussen können. „Optimiert” wurden vielmehr die Überlebens- und Heilungschancen des
Kindes die Gesetzeslage zu verändern und das Verfahren der IVF in Kombination mit der
Geschwisterkindes. Anders würde es sich verhalten, wenn gezielt bestimmte Eigenschaften
Auswahl von Embryonen nach bestimmten Kriterien zuzulassen. Die Stammzellen, die für die
des Embryos verändert oder Embryonen mit bestimmten genetischen Anlagen erzeugt
Therapie verwendet werden, werden aus Nabelschnurblut gewonnen, wodurch kein direkter
würden. Die Vorstellung, in der Zukunft das nahezu „perfekte” Kind zu designen, bei dem
medizinischer Eingriff bei dem Kind notwendig ist. Weiterhin werden in den Einzelfällen, die
bestimmte
aus Großbritannien bekannt sind, die individuelle familiäre Situation, in der das Kind
Intelligenzquotient gezielt ausgewählt werden, bleibt dennoch eine – problematische –
erwünschte
Erbanlagen,
möglicherweise
aufwachsen wird, beurteilt und bei der Entscheidung berücksichtigt. Es bleibt jedoch das
Zukunftsvision.
generelle Manko der Präimplantationsdiagnostik einer genetisch motivierten Selektion und
des Verwerfens einzelner Embryonen, was dieses Verfahren im ethischen Zwielicht
erscheinen lässt. Immerhin wird im vorliegenden Fall nicht nach Krankheitsveranlagung
selektiert, es liegt also keine Begründung nach dem Muster „ein gesundes Kind ist besser als
ein krankes Kind” zugrunde, was eine solche Vorgehensweise insgesamt als akzeptabler
erscheinen lässt.
Welche weiteren Argumente könnten gegen diese Anwendungsmöglichkeiten
vorgebracht werden? Beispielsweise der Einwand, dass es als Konsequenz mehrere solcher
Einzelfallentscheidungen längerfristig zu einer Aufweichung bestehender Gesetze kommen
35
36
Augenfarbe,
Größe
und
Die
IV BIOTECHNOLOGIE UND UTOPIE
Utopie – in der Renaissance gebildet aus dem griechischen Partikel zur Verneinung où
Interpretation
eines
solchen
spekulativen
und
jedenfalls
nicht-analytischen
philosophischen Textes hat mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Konkret dürfte sich hier
und dem griechischen Wort tópos, der Ort, bezeichnet wörtlich den „Nicht-Ort” oder den
die Frage stellen, ob die „künftige Anthropotechnologie”, trotz ihrer Eigenschaft des
„Un-Ort”, also einen Ort, den es (in der bekannten Welt, in der Gegenwart) nicht gibt. Aber
technischen,
natürlich funktionieren Utopien immer so, dass sie dem Leser plausibel zu machen versuchen,
„Enthemmungswelle” sein kann. Das hätte die etwas paradoxe Konsequenz, dass Sloterdijk
dass es den utopischen Ort geben könnte. Utopien zeichnen meist in positiver oder negativer
gerade die angebliche zeitgenössische Enthemmung als entscheidende Voraussetzung für die
Hinsicht ein Gegenbild zur Realität: die negative Utopie soll den Leser davon überzeugen,
Verwirklichung der postulierten platonischen Züchtungsgedanken sehen würde. Dieses
dass bestimmte Entwicklungen fatal wären, die positive Utopie soll ihn dahingehend
Ergebnis verwundert etwas, denn in gewisser Weise sind die aktuellen Anstrengungen zur
beeinflussen, sozialen Reformen aufgeschlossen gegenüber zu stehen. Die beste Utopie ist
Regulierung der menschlichen Reproduktionsfähigkeit keineswegs typische Kennzeichen der
natürlich diejenige, über die so diskutiert wird, als ob sie schon Realität wäre oder leicht
Enthemmung, sondern gerade ein Beispiel der typisch modernen Vorstellung einer
werden könnte! Auch die Optimierung des Menschen hat ihre Utopien, und ein aktuelles
Rationalität der Machbarkeit. „Enthemmt” ist hier allenfalls der Umgang mit überkommenen
Beispiel dafür war die so genannte Sloterdijk-Debatte im Jahr 1999.
ethischen und metaphysischen Normen, die angesichts konkreter zu erreichender Ziele zur
Sloterdijks Vortrag, der die Debatte initiierte, handelt vom Humanismus und seinen
kulturalen,
ein
Mittel
einer
weiteren
Eskalation
der
beschriebenen
Seite gewischt werden.
möglicherweise obsoleten Methoden der Menschen-“zähmung”: „Was zähmt noch den
Möglicherweise war die Euphorie der späten 1990er Jahre mit ihrer Begeisterung für
Menschen, wenn der Humanismus als Schule der Menschenzähmung scheitert?” (Sloterdijk
das technisch Machbare nur ein schwacher Vorgeschmack auf eine Welle tatsächlicher
1999: 31 f.) Neben einer historisch verbrämten Kritik unserer heutigen Medienzivilisation, die
Innovationen, die eines Tages die Welt, wie sie bisher war, und den Menschen als einen Teil
einen Vergleich zwischen Aufführungen in römischen Amphitheatern und heutigen
von ihr radikal ändern und in Frage stellen könnte. Was könnte dann einer „Optimierung” des
Medienprodukten nicht scheut (ibid.: 18), sieht Sloterdijk eine Wiederkehr von
Menschen entgegengehalten werden? Diese Frage rief anscheinend auch Jürgen Habermas
Züchtungsutopien der griechischen Antike nach dem Scheitern des humanistischen Projektes
mit einer Replik zu Sloterdijk im Jahr 2001 auf den Plan. Zum Ausgangspunkt seiner
der „Zähmung” und „Kleinzüchtung” des Menschen (ibid: 40). Dabei nennt er Platon mit
Untersuchungen nimmt Habermas einen Gedanken des Soziologen Wolfgang van den Daele,
seinem Dialog Politikos als Gewährsmann für eine „politische Anthropotechnik”, in der es
nämlich dass „[w]as durch Wissenschaft technisch disponibel geworden ist, [...] durch
„nicht nur um die zähmende Lenkung der von sich aus schon zahmen Herden, sondern um
moralische Kontrolle normativ wieder unverfügbar gemacht werden [soll]” (van den Daele
eine systematische Neu-Züchtung von urbildnäheren Menschenbildexemplaren” ginge (ibid:
2000, zit. nach Habermas 2001: 46). Einen solchen Blickwinkel halten wir insbesondere
50). Eine zentrale Stelle des Textes spricht allerdings nicht von einer zukünftigen
aufgrund seiner Gegenläufigkeit zu dem Argument von Kurt Bayertz in Abschnitt I zu einer
züchterischen Anstrengung als einer Form der Kultivierung und der Technik, sondern benutzt
Naturalisierung und daher „Entnormativierung” des Menschen für ausgesprochen interessant.
die Metapher einer auf die Menschheit in Form der Biotechnologie zurollenden,
Wir denken allerdings, dass wir es hier mit zwei gegenläufigen, aber nicht unvereinbaren
unbeherrschbaren Welle:
Tendenzen zu tun haben, die zusammen genommen in der Tat einen wichtigen Teil des
„Auch in der Gegenwartskultur vollzieht sich der Titanenkampf zwischen den
zähmenden und den bestialisierenden Impulsen und ihren jeweiligen Medien. Schon
größere
Zähmungserfolge
wären
Überraschungen
angesichts
eines
Zivilisationsprozesses, in dem eine beispiellose Enthemmungswelle anscheinend
unaufhaltsam rollt. Ob aber die langfristige Entwicklung auch zu einer genetischen
Reform der Gattungseigenschaften führen wird – ob eine künftige
Anthropotechnologie bis zu einer expliziten Merkmalsplanung vordringt; ob die
Menschheit gattungsweit eine Umstellung vom Geburtenfatalismus zur optionalen
Geburt und zur pränatalen Selektion wird vollziehen können – dies sind Fragen, in
denen sich, wie auch immer verschwommen und nicht geheuer, der evolutionäre
Horizont vor uns zu lichten beginnt.”
(ibid.: 46 f.)
37
historisch-dialektischen Umgangs mit technischem Fortschritt in der Moderne beschreiben.
Habermas steht natürlich in einer ähnlichen emanzipatorischen Tradition wie van den
Daele, so dass man prima facie annehmen könnte, dass er Sympathie für ein solches
„Resakralisierungs-“ Argument (Habermas 2001: 48) aufbringen könnte. Zugleich scheint er
jedoch daran zu zweifeln, dass uns der stetige technische Fortschritt der Moderne tatsächlich
ohne Verluste und auf direktem Wege in die „Schöne neue Welt” der totalen menschlichen
Selbstbestimmung bringt:
38
„Die Enttraditionalisierung von Lebenswelten ist ein wichtiger Aspekt der
gesellschaftlichen Modernisierung, sie lässt sich als eine kognitive Anpassung an
objektive Lebensbedingungen verstehen, die im Gefolge der Nutzung
wissenschaftlich-technischer Fortschritte immer wieder revolutioniert worden sind.
Nachdem aber die Traditionspolster im Zuge dieser Zivilisationsprozesse fast
aufgebraucht sind, müssen moderne Gesellschaften auch ihre moralischen
Bindungsenergien aus den eigenen säkularen Beständen, d.h. aus den kommunikativen
Ressourcen von Lebenswelten regenerieren, die sich der Immanenz ihrer
Selbstkonstruktion bewusst geworden sind. [...]
Die Genmanipulation könnte unser Selbstverständnis als Gattungswesen so verändern,
dass mit dem Angriff auf moderne Rechts- und Moralvorstellungen zugleich nicht
hintergehbare normative Grundlagen der gesellschaftlichen Integration getroffen
würden. Mit einem solchen Gestaltwechsel in der Wahrnehmung der
Modernisierungsprozesse fällt ein anderes Licht auf den ‘moralisierenden’ Versuch,
die biotechnischen Fortschritte nun ihrerseits an die transparent hervorgetretenen
kommunikativen Strukturen der Lebenswelt anzupassen. Diese Absicht spricht nicht
für eine Wiederverzauberung, sondern für das Reflexivwerden einer Moderne, die sich
über ihre eigenen Grenzen aufklärt.”
(ibid.: 50 f.)
Kann nun die menschliche Natur, so wie sie ist, überhaupt einen bestimmten
normativen Wert haben, oder ist sie prinzipiell disponibel, dürfen also, solange zumindest das
Schadensprinzip davon nicht tangiert wird, Optimierungsmaßnahmen am menschlichen
Körper durchgeführt werden? Wie wir gesehen haben, stellen die ethischen Anforderungen,
die bei Optimierungsmaßnahmen an Anderen erforderlich sind – inwiefern kann von einer
Zustimmung von Personen ausgegangen werden, die z.B. genetisch optimiert werden sollen –
bereits eine starke Einschränkung möglicher Optimierungsmaßnahmen dar. Das stellt jedoch
die Frage, auf welchem ethischen Prinzip eine solche Abwehrregel beruhen sollte: es ist
unplausibel, bei noch nicht existierenden Personen vom Schutz der körperlichen Integrität zu
sprechen, denn solche Personen haben noch keinen Körper und würden eben eine andere
körperliche Identität erst enthalten und entwickeln, wenn sie genetisch optimiert würden.
Auch die spezifische Verfasstheit des individuellen menschlichen Genoms kann nicht als
Surrogat für den Schutz der körperlichen Identität dienen, denn dafür gilt im Prinzip das
Der bisherige moderne Interpretationsansatz von Wissenschaft und Forschung als
gleiche Argument: auch mit einem optimierten Genom kann sich eine spezifische Person
Emanzipation durch Aufklärung scheint hier an seine Grenzen zu stoßen: Emanzipation, ja
herausbilden und es ist nicht per se zu erkennen – jedenfalls wenn diese Person nicht
gut – aber wovon emanzipieren sich die Subjekte nach der völligen Säkularisierung der
geschädigt wird – warum ein Eingriff am Genom nicht statthaft sein soll.
Lebenswelten? Zugleich kommen normativ-säkulare, genuin moderne Vorstellungen in das
Unserer Ansicht nach ist das entscheidende Argument das der prinzipiellen „Offenheit
Blickfeld wie die präjudizierte Gleichheit der Subjekte, die in der Tat einer weitgehenden
des Lebensweges”, das sich folgendermaßen formulieren lässt: die natürliche Ausstattung des
Gleichförmigkeit
Menschen
der
Menschen
entspricht,
aber
ebenfalls
den
Bedingungen
unterliegt
einer
Zufallsverteilung
der
Anlagen,
die
eine
weitgehende
biotechnologischen Fortschritts unterworfen werden könnte. Ludwig Siep hat darauf
Entscheidungsoffenheit des Individuums ermöglichen. Seine genetische Ausstattung
hingewiesen, dass die vormodernen Gesellschaften teilweise von essentiellen und realen
verpflichtet es zu nichts, und es kann frei entscheiden, welche seiner vielfältigen Fähigkeiten
psychophysischen Ungleichheiten zwischen verschiedenen sozialen Gruppen ausgegangen
und Anlagen es im Verlauf seines Lebens ausbilden möchte. Diese prinzipielle Offenheit und
sind – wie Aristoteles die Gruppe der Sklaven als eine Art von Untermenschen beschrieb,
Indeterminiertheit impliziert die Freiheit, selbst über die Nutzung seiner angeborenen
denen Teile der Seele fehlen oder der Glaube an die Blaublütigkeit des Adels im Mittelalter
Fähigkeiten zu entscheiden. In diesem Sinne müssen wir bei Optimierungsmaßnahmen
(Siep 2003: 176). Unsere Vorstellung von der Gleichheit des Menschen, nicht insofern wir die
fragen: Was sind die Verluste, die bei der Optimierung einer Eigenschaft entstehen? Hierbei
moralische und juristische Gleichheit meinen, sondern insofern wir die psychophysische
lässt sich auf zwei verschiedene Tatbestände verweisen, nämlich einmal auf das von
Gleichförmigkeit des Menschen meinen, musste erst in einem längerwährenden
Christopher
wissenschaftlich-gesellschaftlichen Prozess konstituiert werden. Eine reale Ungleichheit
Optimierungsmaßnahmen (wir entscheiden uns für ein Merkmal und schließen damit zugleich
durch Optimierungsstrategien könnte auch die Gleichheit auf der normative Ebene bedrohen
andere Merkmale aus), des weiteren aber auch auf die vorhandenen Intentionen desjenigen,
und die Vorstellung von der moralischen und juristischen Gleichheit der Menschen als
der die Optimierung plant und durchführt und damit zugleich eine Vorentscheidung für den
Anachronismus erscheinen lassen. Zumal nicht nur das Faktum der Gleichförmigkeit als
zukünftigen Lebensweg eines Menschen trifft bzw. treffen will.
Boorse
formulierte
Argument
eines
inhärenten
Wertkonfliktes
von
solches, sondern auch die Tatsache, dass bisher niemand für die intellektuelle, emotionale,
Die von Boorse angeführten Beispiele, dass etwa der Hammerwerfer nicht gleichzeitig
psychische oder physische Ausstattung des Menschen verantwortlich war, damit einer
Klavierspieler sein kann (vgl. Abschnitt 2.2) lassen sich nicht nur auf physische
Revision unterzogen würde.
Eigenschaften beziehen, sondern auch auf Versuche, kognitive oder mentale Optimierungen
39
40
vorzunehmen: wir wissen z.B. nicht, welche Folgen es nach sich ziehen würde, den
LITERATUR
Intelligenzquotienten zu erhöhen, ob dann etwa auch Eigenschaften, die traditionell mit
Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg 2002: Quo vadis homine?
Der neue Realismus in den Zukunftstechnologien – Tagungsbericht „Die Zukunft des
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www.z-punkt.de/download/z-tagungsbericht0102.pdf
intelligenten Menschen assoziiert werden (Melancholie, Hang zu Alkoholika, Depressionen,
Gefühlsarmut, etc.) in Erscheinung treten würden. Zugleich könnte die Erhöhung des
Intelligenzquotienten andere Lebenswege ausschließen: jemand ist intelligent, er wäre aber
lieber emotional und kommunikativ; oder er besitzt alle Fähigkeiten, ein großer Mathematiker
zu werden, wäre aber lieber ein großer Künstler geworden etc. Die Optimierung auch von
Eigenschaften, die man im allgemeinen für durchweg positiv hält, zeigt beim zweiten Blick
mögliche Defizite und Verluste, die die solchermaßen Optimierten zwangsläufig in Kauf
nehmen müssen. Sie besitzen nicht mehr die prinzipielle Offenheit des Lebensweges, die sie
bei einer natürlichen Verteilung von Fähigkeiten erhalten würden, sondern ein Lebensweg
erscheint bei ihnen plausibler als bei anderen, und sie müssen es evtl. rechtfertigen, diesen
Lebensweg nicht zu beschreiten.
Das führt zum zweiten Aspekt, dass nämlich die Normalverteilung von Eigenschaften
und Fähigkeiten zufällig ist, eine Optimierungsmaßnahme aber auf die Intentionen eines
Optimierers zurückgeht, der für andere Entscheidungen trifft, welche Eigenschaften für die
Betroffenen besonders vorteilhaft wären. Auf eine mögliche Analogie zur Erziehung, und die
entsprechenden Argumente gegen diese Analogie, sind wir bereits früher eingegangen (vgl.
Abschnitt 2). Enthaltsamkeit bei vorgeburtlichen Optimierungen Anderer umgeht jedenfalls
das Problem, dass sich die Betroffenen zu den wohlgemeinten Intentionen z.B. ihrer Eltern
verhalten müssen und lässt die prinzipielle Offenheit ihres Lebensweges bestehen.
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Zentrum für Medizinische Ethik
Medizinethische Materialien
Die unterstrichenen Hefte sind derzeit leider vergriffen, können im Sonderfall aber als Kopie
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Heft 104: Bernat, Erwin: Antizipierte Erklärungen und das Recht auf einen selbstbestimmten
Tod. Januar 1996.
Heft 105: Richter, Gerd; Schmid, Roland M.: Ethische Perspektiven der Gentherapie 1995.
Januar 1996.
Heft 106: Bauer, Axel: Braucht die Medizin Werte? Gedanken über die methodologischen
Probleme einer „Bioethik“. März 1996.
Heft 107: Tausch, Reinhard: Empirische Untersuchungen zu Sinn-Erfahrungen und
Wertauffassungen. Juli 1996.
Heft 108: Sass, Hans-Martin: Ethik-Unterricht im Medizinstudium; Methoden, Modelle und
Ziele der Integration von Medizinethik in die medizinische Aus- und Fortbildung.
August 1996.
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Sicht eines Mitgliedes einer Ethikkommission - Schwerpunkt Onkologie.
August 1996.
Heft 110: Sass, Hans-Martin: Reform von Gesundheitswesen und Krankenhäusern in
verantwortungsethischer Perspektive. August 1996.
Heft 111: Sass, Hans-Martin, Kielstein, Rita: Die medizinische Betreuungsverfügung in der
Praxis. Vorbereitungsmaterial, Modell einer Betreuungsverfügung, Hinweise für
Ärzte, Bevollmächtigte, Geistliche und Anwälte. 7. Auflage Dezember 2000.
Heft 112: Spittler, Johann F.: Sterbeprozess und Todeszeitpunkt - Die biologischen
Phänomene und ihre Beurteilung aus medizinischer Sicht. August 1996.
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wertanamnestischen Betreuungsverfügungen. 2. Auflage Juli 1997.
Heft 114: Biller, Nikola: Der Personbegriff in der Reproduktionsmedizin. September 1997.
Heft 115: Kaminsky, Carmen: Gesagt, gemeint, verstanden? Zur Problematik der Validität
vorsorglicher Patientenverfügungen. Oktober 1997.
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1997.
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1998.
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September 1998.
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Heft 120: Grossmann, Wilfried; Maio, Giovanni, Weiberg, Anja: Ethik im Krankenhausalltag
- Theorie und Praxis. Oktober 1998.
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Baitsch, Helmut: Das Ulmer Modell medizinethischer Lehre. Sequenzierte
Falldiskussion für die praxisnahe Vermittlung von medizinethischer Kompetenz
(Ethikfähigkeit); Uhl, Andreas; Lensing; Claudia: Perspektiven und Gedanken zur
medizinethischen Ausbildung. August 1999.
Heft 122: Schmitz, Dagmar; Bauer, Axel W.: Evolutionäre Ethik und ihre Rolle bei der
Begründung einer zukünftigen Medizin- und Bioethik. März 2000.
Heft 123: Hartmann, Fritz: Chronisch Kranksein als Grenzlage für Kranke und ihre Ärzte.
März 2000.
Heft 124: Baberg, Henning T.; Kielstein, Rita; Sass, Hans-Martin (Hg.): Der
Behandlungsverzicht im Blick des Bochumer Inventars zur medizinischen Ethik
(BIME). April 2000.
Heft 125: Spittler, Johann F.: Locked-in-Syndrom und Bewusstsein – in dubio pro vita.
August 2000.
Heft 126: Ilkiliç, Ilhan: Das muslimische Glaubensverständnis von Tod, Gericht,
Gottesgnaden und deren Bedeutung für die Medizinethik. September 2000.
Heft 127: Maio, Giovanni: Ethik und die Theorie des "minimalen Risikos" in der
medizinischen Forschung. September 2000.
Heft 128: Zenz, Michael; Illhardt, Franz Josef: Ethik in der Schmerztherapie. November
2000.
Heft 129: Godel-Ehrhardt, Petra; May, Arnd T.: Kommunikation und Qualitätssicherung im
Betreuungsrecht – Ergebnisse einer Befragung zur Mailingliste
[email protected]. März 2001.
Heft 130: Dabrock, Peter; Klinnert, Lars: Würde für verwaiste Embryonen? Ein Beitrag zur
ethischen Debatte um embryonale Stammzellen. Juli 2001.
Heft 131: Meyer, Frank P.: Ethik der Verantwortung. Verkommt »Evidence Based Medicine«
zu »Money Based Medicine«? März 2002.
Heft 132: Sass, Hans-Martin: Menschliche Ethik im Streit der Kulturen. 2. Auflage Januar
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Heft 133: Knoepffler, Nikolaus: Menschenwürde als Konsensprinzip für bioethische
Konfliktfälle in einer pluralistischen Gesellschaft. März 2002.
Heft 134: Quante, Michael: Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung und
Menschenwürde. März 2002.
Heft 135: Köchy, Kristian: Philosophische Grundlagenreflexion in der Bioethik. März 2002.
Heft 136: Hengelbrock, Jürgen: Ideengeschichtliche Anmerkungen zu einer Ethik des
Sterbens. Juli 2002.
Heft 137: Schröder, Peter: Vom Sprechzimmer ins Internetcafé: Medizinische Informationen
und ärztliche Beratung im 21. Jahrhundert. Juli 2002.
Heft 138: Zühlsdorf, Michael T.; Kuhlmann, Jochen: Klinische und ethische Aspekte der
Pharmakogenetik. August 2002.
Heft 139: Frey, Christofer; Dabrock, Peter: Tun und Unterlassen beim klinischen
Entscheidungskonfliktfall. Perspektiven einer (nicht nur) theologischen
Identitätsethik. August 2002.
Heft 140: Meyer, Frank P.: Placeboanwendung – die ethischen Perspektiven. März 2003.
Heft 141: Putz, Wolfgang; Geißendörfer, Sylke; May, Arnd: Therapieentscheidung am
Lebensende- Ein "Fall" für das Vormundschaftsgericht? 2. Auflage August 2003.
Heft 142: Neumann, Herbert A.; Hellwig, Andreas: Ethische und praktische Überlegungen
zur Einführung der Diagnosis Related Groups für die Finanzierung der
Krankenhäuser. Januar 2003.
Heft 143: Hartmann, Fritz: Der Beitrag erfahrungsgesicherter Therapie (EBM) zu einer
ärztlichen Indikationen-Lehre. August 2003.
Heft 144: Strätling, Meinolfus; Sedemund-Adib, Beate; Bax, Sönke; Scharf, Volker Edwin;
Fieber, Ulrich; Schmucker, Peter: Entscheidungen am Lebensende in Deutschland.
Zivilrechtliche Rahmenbedingungen, disziplinübergreifende Operationalisierung
und transparente Umsetzung. August 2003.
Heft 145: Hartmann, Fritz: Kranke als Gehilfen ihrer Ärzte. 2. Auflage Dezember 2003.
Heft 146: Sass, Hans-Martin: Angewandte Ethik in der Pharmaforschung. Januar 2004.
Heft 147: Joung, Phillan: Ethische Probleme der selektiven Abtreibung: Die Diskussion in
Südkorea. Januar 2004.
Heft 148: May, Arnd T; Brandenburg, Birgitta: Einstellungen medizinischer Laien zu
Behandlungsverfügungen. Januar 2004.
Heft 149: Hartmann, Fritz: Sterbens-Kunde als ärztliche Menschen-Kunde. Was heißt: In
Würde sterben und Sterben-Lassen? Januar 2004.
Heft 150: Reiter-Theil, Stella: Ethische Probleme der Beihilfe zum Suizid. Die Situation in
der Schweiz im Lichte internationaler Perspektiven. Februar 2004.
Heft 151: Sass, Hans-Martin: Ambiguities in Biopolitics of Stem Cell Resarch for Therapy.
März 2004.
Heft 152: Ilkilic, Ilhan: Gesundheitsverständnis und Gesundheitsmündigkeit in der
islamischen Tradition. April 2004.
Heft 153: Omonzejele, Peter F.: African Concepts of Health, Disease and Treatment [A
Future for Traditional Medicines and Spiritual Healings? A Postscript on Peter F
Omonzeleje by Hans-Martin Sass]. April 2004.
Heft 154: Lohmann, Ulrich: Die neuere standesethische und medizinrechtliche Entwicklung
in Deutschland – Wandel des Menschenbildes? Mai 2004.
Heft 155: Friebel, Henning; Krause, Dieter; Lohmann, Georg; Meyer, Frank P.:
Verantwortungsethik. Interessenkonflikte um das Medikament – Wo steht der
Patient? Juni 2004.
Heft 156: Hartmut Kreß: Sterbehilfe – Geltung und Reichweite des Selbstbestimmungsrechts
in ethischer und rechtspolitischer Sicht. September 2004.
Heft 157: Fröhlich, Günter; Rogler, Gerhard: Das Regensburger Modell zur Ausbildung in
Klinischer Ethik. Dezember 2004.
Heft 158: Ilkilic, Ilhan; Ince, Irfan; Pourgholam-Ernst, Azra: E-Health in muslimischen
Kulturen. Dezember 2004.
Heft 159: Jakovljević, Anna-Karina; Lenk, Christian: Ethik und optimierende Eingriffe am
Menschen. Anwendungsfelder und Falldiskussionen in der Medizin. Januar 2005
Heft 160: Ilkilic, Ilhan: Begegnung und Umgang mit muslimischen Patienten. Eine
Handreichung für die Gesundheitsberufe. 1. Auflage Juli 2003 (Tübingen), 5.
Auflage April 2005.
Heft 161: Hartmann, Fritz: Vom Diktat der Menschenverachtung 1946 zur "Medizin ohne
Menschlichkeit" 1960; Zur frühen Wirkungsgeschichte des Nürnberger
Ärzteprozesses. 1. Auflage Februar 2005, 2. Auflage März 2005.
Heft 162: Strätling, Meinolfus u.a.: Die gesetzliche Regelung der Patientenverfügung in
Deutschland. Juni 2005.
Heft 163: Sass, Hans- Martin: Abwägungsprinzipien zum Cloning menschlicher Zellen.
Januar 2006.
Heft 164: Vollmann, Jochen: Klinische Ethikkomitees und klinische Ethikberatung im
Krankenhaus. Ein Praxisleitfaden über Strukturen, Aufgaben, Modellen und
Implementierungsschritte. 1. Auflage Januar 2006, 3. Auflage März 2006.
Heft 165: Sass, Hans- Martin: Medizinische Ethik bei Notstand, Krieg und Terror.
Verantwortungskulturen bei Triage, Endemien und Terror. 1. Auflage Februar
2006, 3. Auflage März 2006.
Heft 166: Sass, Hans-Martin: Gesundheitskulturen im Internet. E-Health-Möglichkeiten,
Leistungen und Risiken. 1. Auflage Februar 2006, 2. Auflage März 2006.
ZUSAMMENFASSUNG
Bestellschein
Neue biomedizinische Verfahren, aber auch die Perfektionierung bisheriger Eingriffe, führen
nihct nur zu Fortschritten im therapeutischen Bereich, sondern auch zur Ausweitung
An das
Zentrum für Medizinische Ethik
Ruhr-Universität Bochum
Gebäude GA 3/53
44780 Bochum
optimierender Eingriffe (oder des "Enhancement") beim Menschen. Damit sind medizinische
Eingriffe gemeint, die keine Heilung einer Krankheit bezwecken, sondern auf Schönheit,
Leistungsfähigkeit oder andere als erstrebenswert angesehene physische oder mentale
Eigenschaften abzielen. Soll man andere Menschen davon abhalten, sich selbst und ihre
Nachkommenschaft im eigenen Sinne zu optimieren? Die vorliegende Studie untersucht diese
Frage vor dem Hintergrund bereits praktizierter optimierender Eingriffe am Menschen.
Tel: (0234) 32 22749/50
FAX: (0234) 3214 598
Email: [email protected]
Homepage: http://www.medizinethik-bochum.de
Bankverbindung: Konto Nr. 133 189 035, BLZ 430 500 01 Sparkasse Bochum
Name oder Institut:
ABSTRACT
New biomedical procedures, but also the improvement of traditional interventions, do not
only improve therapy but also enlarge the options for enhancement. Enhancement intends
more than the treatment of disease, but the improvement of beauty, professional capacity, and
other physical or mental capacities. Should we protect other people and their off springs from
self-enhancement? Already existing enhancement interventions will all be included in our
reflection.
Adresse:
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mit ein.
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mehr Exemplaren € 4,00 pro Stück).
Hefte Nummer: _____________________________________________
ISBN: 3-931993-41-8
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