Artikel als PDF runterladen

Werbung
Rubrik
„Aktive Menschen
altern besser“
Die Zielgruppe der Senioren wird immer größer und interessanter für die Fitnessbranche. Und auch wissenschaftliche Erkenntnisse belegen die Vorteile einer sportlichen Lebensweise und einer proteinreichen Ernährung im Alter. F&G-Gastautor
Hendrik Stüwe erklärt, warum Ernährung sowie Kraft- und Ausdauertraining für
Senioren besonders wichtig sind und gibt Studiobetreibern damit gute Argumente
an die Hand.
R
iegel und Low-Carb-Diäten stehen hoch im Kurs, die Fitnessbranche boomt. Vor allem junge
Menschen zeigen Interesse am Muskelaufbau. Für ältere Menschen ist dagegen Muskelerhalt wichtiger. Für
beide Zielgruppen spielt daher neben
Bewegung auch die richtige Ernährung
eine wichtige Rolle.
Der Autor
Hendrik Stüwe ist gelernter
Industriekaufmann, Journalist und Fotograf. Seit 2016
beschäftigt sich der ehemalige Fitness-Coach als
Redakteur des OnlineMagazins „Die Pflegebibel“
mit Themen rund um Pflege
und Gesundheit.
1
F&G 2/2017
Muskelerhalt im Alter
Anästhesist Klaus van Ackern beschäftigte sich mehr als sieben Jahre mit der
Wirkung und der richtigen Zusammensetzung von Eiweiß, auch für Senioren.
„Ich weiß, wie wichtig Muskelerhalt
im Alter ist“, sagt Klaus van Ackern.
Der ehemalige Intensivmediziner am
Universitätsklinikum Mannheim, hat
zum Erhalt und Aufbau der Muskulatur
im Alter geforscht.
Für den 75-jährigen Mediziner ist es
eine Herzenssache, ältere Menschen zu
ermutigen, vitaler zu leben. Magerquark, Fleisch, Hülsenfrüchte oder
Gemüse sind Hauptbestandteile einer
Sportlermahlzeit. Davon am besten so
viel wie möglich. Der Körper will Ballaststoffe, Vitamine, Mineralien und
vor allem eins: Eiweiß.
Van Ackerns arbeitete mehr als
40 Jahre auf Intensivstationen. Nach
aufwändigen OPs ist eine längere
Beobachtung in den Kliniken Usus.
„Die Zeit nach einer Operation war für
meine Eiweißforschungen sehr wichtig“, erzählt van Ackern. Er beobachtete: Patienten verlieren im Kranken-
haus an Muskulatur. Langes Liegen
und Veränderungen des Stoffwechsels
unter dem Stress der Krankheit sind
hierfür die wesentlichen Gründe.
Sarkopenie
Der Glaube, dass die Kombination aus
Liegen und wenig Ernährung zuerst an
die Fettpolster geht, ist falsch: Fett ist
eine Reserve, Muskeln sind der Motor,
die unseren Körper bewegen.
Van Ackern verdeutlicht: „Wenn der
Muskel nicht mehr gebraucht wird,
baut er von alleine ab.“ Zuerst zieht der
Körper Energie aus den Muskeln,
anschließend aus dem Fett. Fachleute
sprechen hier von Sarkopenie. Warum
diese im Alter eintritt, ist noch nicht
vollständig erforscht. Ärzte nennen das
„Anabole Resistenz des Alters“. Das
bedeutet: Senioren verlieren Muskeln,
weil sie den gestiegenen Eiweißbedarf
nicht stillen und sich weniger bewegen.
Eiweißbedarf beachten
Sarkopenie kann aber jeden treffen,
nicht nur nach einer OP. Alle Menschen
ab dem 35. Lebensjahr leiden mehr
© jd-photodesign - Fotolia.com
Eiweiß und Sport gegen
Demenz und Muskelschwund
© Jenifoto - Fotolia.com
oder weniger unter Muskelschwund. Das sollte jedoch niemanden
entmutigen.
„Es ist ein Irrtum zu glauben, dass Senioren keine Muskeln mehr
aufbauen können“, erklärt van Ackern. Es ginge zwar langsamer aber
es ginge. Damit es funktioniere, sei es wichtig auf seinen Eiweißhaushalt zu achten.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt bei jungen
Menschen bis 35 Jahren eine tägliche Eiweißzufuhr von 0,8 Gramm
pro Kilogramm Körpergewicht. Danach liegt die Schwelle bei zirka
1,5 Gramm pro Kilo. Ein junger Mensch, der 80 Kilo wiegt, benötigt
also etwa 64 Gramm Eiweiß. So viel steckt in einem 500 Gramm
Becher Quark oder in zwei Steaks.
Mit 60 Jahren hat sich der Bedarf auf rund 120 Gramm Eiweiß fast
verdoppelt. In der Menge gesprochen sind das 1,5 Kilo Bohnen oder
ein Kilo Quark pro Tag. Das ist viel. Zu beachten sei, dass aktive
Sportler einen höheren Grundumsatz haben und einen höheren Protein-Bedarf haben.
Insbesondere ältere Menschen sollten ihren Eiweißbedarf beachten
Studienergebnisse
Van Ackern und Mitarbeiter des Universitätsklinikums Mannheim
führten weitere Untersuchungen an Probanden zwischen 60 - und 80
Jahren durch. Einen Monat haben Testpersonen in den Pfitzenmeier
Sportstudios in Mannheim Sport getrieben. Die Trainingspläne waren
in Form von Ausdauer- und Krafttraining standardisiert. Nach einer
Kontrollphase von vier Wochen Sport ohne Eiweißzufuhr, nahmen sie
bei gleicher sportlicher Betätigung zusätzlich ein Proteinkonzentrat.
Erstes Resümee: Senioren ohne Proteingabe bauten Fett ab, legten
jedoch kaum an Muskulatur zu. Entzog man das Eiweiß und ließ sie
weiterhin Sport treiben, so baute die Muskulatur wieder auf den Ausgangswert ab. Die Testpersonen mit stetiger Eiweißzufuhr verzeichneten letztendlich einen Muskelzuwachs von bis zu 2,7 Kilo.
Doch Eiweiß ist nicht gleich Eiweiß. Der leckerste Eiweißshake kann
vom Körper nicht für den Muskelaufbau verwendet werden, wenn dieser nicht das richtige Muster von Aminosäuren, Peptiden und Proteinen aufweist.
Sturzgefahr senken
Wer Sport treibt und Eiweiß zu sich nimmt, senkt zudem seine persönliche Sturzgefahr. Weil die Muskulatur geschwächt ist und die
Koordination nicht mehr funktioniert, stürzen Menschen im Alter.
Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass Muskelarbeit den Ausbruch
einer Demenz oder Alzheimer zeitlich nach hinten verschieben kann.
Wortwörtlich können aktive Menschen dem Alzheimer davonlaufen.
„In den vergangenen Jahren konzentrierte sich die Forschung auf Osteoporose. Jetzt beginnt das Jahrzehnt der Sarkopenie“, sagt auch
Cornel Sieber, Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und
Geriatrie in Regensburg.
Bestes Mittel gegen Sarkopenie sei laut einer Reihe wissenschaftlicher Studien Eiweiß sowie Kraft- und Ausdauertraining. „Aktive Menschen altern besser“, fasst Klaus van Ackern zusammen.
Hendrik Stüwe
Herunterladen