Ist ein globales CO2 - Engineering notwendig und denkbar? Gunter Kaiser und Verena Kaiser-Stoll Reflexionen einer wissenschaftlichen Exkursion der FH Köln nach Brasilien Der Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre wird seit vielen Jahren beobachtet und erregt zunehmend Besorgnis. Siehe Club of Rome, Rio-Konferenz und Echo in den Medien. Die Enquète-Kommission des Deutschen Bundestages veröffentlichte Meßwerte für Kohlendioxid CO2 und Methan CH4 in Zusammenhang mit der Weltbevölkerung, siehe Abb. 1, zitiert aus E.D. Schulze: Wieviel zusätzlichen Kohlenstoff kann die Vegetation der Erde binden? Abb. 1: Veränderung von Kohlendioxid CO2, Methan CH4 und Weltbevölkerung seit 1880 Der fast völlige Gleichklang der drei Kurven entsteht teilweise aus der Wahl der Maßstäbe und insbesondere aus der Nullpunktsunterdrückung für CO2 und CH4. Die “Nullpunkt”- Werte von 250 ppm für CO2 und 0,7 ppm für CH4 entsprechen der Durchschnittskonzentrationen beider Stoffe in der Luft vor Beginn der Industrialisierung. Der antropogene Einfluß war bis dahin vernachlässigbar. Die Anteile beider Stoffe in der Luft wurden an eingeschlossenen Blasen in den tieferen Schichten des Grönlandeises bestimmt. Der Anstieg gegenüber dem historischen Mittelwert beträgt bei CO2 etwa 40%, während sich der Methananteil verdoppelt hat. Die Weltbevölkerung vermehrte sich in der gleichen Zeit um das Zehnfache. Solange Gegenmaßnahmen nicht ergriffen werden ("business as usual"), ist mit einem erheblichen weiteren Anstieg der Konzentration beider Stoffe in der Luft zu rechnen. Der Anstieg des CO2-Gehaltes in der Luft wird von uns Menschen verursacht und steht in engem Zusammenhang mit dem Beginn der Industrialisierung vor rund 150 Jahren. Die Beurteilung der Folgen dieses Konzentrationsanstieges spaltet Wissenschaft, Politik und Gesellschaft in zwei Lager. Die einen glauben an eine mit Sicherheit heraufziehende Katastrophe durch eine globale Erwärmung und deren Folgen, die anderen hoffen, es werde schon nicht so schlimm. Die öffentliche Diskussion enthält deutlich weltanschauliche Elemente. Die Mengenanteile von gebundenem (immobilisiertem) und freiem Kohlenstoff sind kaum bekannt. Katastrophenszenarien erzeugen Angst und verstellen den Blick auf unkonventionelle Lösungsansätze. Einige gründen ihre Hoffnungen auf die Pflanzen, die das von Mensch und Tier erzeugte CO2 aus der Luft assimilieren, d.h. in Biomasse umsetzen und dabei Kohlenstoff in fester Form binden und nützlichen Sauerstoff sowie Wasser freisetzen. Unter Einsatz von Sonnenenergie läuft in der Schreibweise der Chemie folgender Typus von Vorgängen ab: 6CO2 + 12H2O (+Licht) = C6H12O6 + 6O2 + 6H2O Gleichung 1 (Siehe Hermann Remmert: Ökologie, Springer 5.Aufl., 1992) In funktionierenden Ökosystemen mit völligem Recycling muß nach Remmert die Formel auch rückwärts geschrieben werden, die Pflanzen werfen Laub ab, gehen ein und verwesen, der Formeltypus lautet dann: C6H12O6 + 6O2 + 6H2O = 6CO2 + 12H2O Gleichung 2 (Quelle: Saedler) Abb. 2: CO2 - Kreislaufmengen für Photosynthese, Atmung und Verbrennung Die Zersetzung der gebildeten Biomasse verbraucht Sauerstoff und Wasser und mobilisiert den Kohlenstoff als Kohlendioxyd. Die bei der Assimilation chemisch gebundene Wärme wird wieder frei. Die Gesamtbilanz ist stofflich und energetisch ausgeglichen. Wird Brennholz entnommen, wird ebenfalls CO2 und Wasserdampf frei. Biomasse als Futter für Nutztiere oder menschliche Nahrung führt zum gleichen Ergebnis. Wird Bauholz entnommen, bleibt der im Holz gebundene Kohlenstoff immobil bis das Haus abbrennt oder vermodert. Bei der Suche nach CO2 - Senken, also unvollständigem Recycling nach den Gleichungen 1 und 2, muß Biomasse in fester oder flüssiger Form dauerhaft deponiert werden. KohlenstoffBindung (Immobilisierung) und O2 -Freisetzung finden nur statt wenn sich anwachsende Lagerstätten bilden. Soweit sich solche wachsenden Lagerstätten nicht finden lassen, bleibt es bei der ausgeglichenen Bilanz des Stoffkreislaufes vollständiges Recycling. Auch ohne zunehmenden Verbrauch fossiler Brennstoffe vergrößert sich durch die Vermehrung der Weltbevölkerung die Menge des ausgeatmeten CO2. Die Konzentration in der Luft muß steigen, solange die Transportgeschwindigkeit im Kreislauf gleichbleibt. Für Heinz Saedler geben Gentechnologie und Landwirtschaft einen Eindruck der Größenordnungen, siehe Abb. 2. Danach werden 35 Milliarden Tonnen Kohlendioxid durch Atmung freigesetzt und durch Photosynthese wieder gebunden. 6 Milliarden t CO2 werden durch Verbrennung von Gas, Öl und Kohle zusätzlich freigesetzt und etwa zur Hälfte gebunden. Der Bedarf an Nährstoffen muß im Gleichklang mit dem Anstieg der Weltbevölkerung durch intensive Landwirtschaft und Veredelung gedeckt werden. Ohne Produktionsanstieg müßten immer mehr Menschen hungern. Die Grundbedürfnisse Nahrung, Kleidung, Wohnung und Transport sind ohne Energie nicht zu decken. Die im Kreislauf transportierte CO2-Menge muß zunehmen, solange die Energie aus Verbrennung gewonnen wird. Der Kohlenstoff ist auf der Erde in riesigen Depots von mehr als 66 x 106 Mrd. t gebunden. Nach Abb. 3 ist die immobilisierte Menge 500 000 mal größer als die Kreislaufmenge von 222 Mrd. ta-1. Die Verbrennung aus Lagerstätten führt dem Kreislauf zusätzlich 6 Mrd. ta-1 zu und verursacht eine jährliche Zunahme des Kohlenstoffs in der Luft um 3 Mrd. ta-1. Die Hälfte der C-Freisetzung durch Verbrennung, 3 Mrd. ta-1, fehlt in der Kreislaufbilanz. Sie wird in bisher kaum bekannter Form auf der Erde oder im Meer gebunden. Die Gesamtmenge bleibt gleich, weil das Raumschiff Erde keine nennenswerten Kohlenstoffmengen an seine Umgebung abgibt. Lithosphäre 66 1015 t Ozeane 38 1012 t Biosphäre 1.7 1012 t Atmosphäre 0.7 1012 t - Netto-Photosynthese - 120 109 ta-1 - Lösung in Wasser - 102 109 ta-1 + Ausgasung aus Wasser + 102 109 ta-1 + Atmung der Pflanzen + 60 109 ta-1 + Mikrobielle Atmung + 60 109 ta-1 + Verbrennung aus Lagerstätten + 6 109 ta-1 Jährliche CO2-Änderung 3 109 ta-1 (Quelle: E.D. Schulze) Abb. 3: Kohlenstoffreservoire und Kohlenstofflüsse der Erde Der Überschuß aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen trägt demnach nur zur Hälfte zum Konzentrationsanstieg in der Luft bei. Wo bleiben 3 Mrd. ta-1 C, die als CO2 in die Luft eingetragen werden? Wie und wo werden diese Mengen immobilisiert? Die Pflanzen nehmen das höhere CO2-Angebot bis zu einer gewissen Grenze an, und erzeugen schneller Biomasse, siehe Abb. 4. (Quelle: E.D. Schulze) Abb. 4: Abhängigkeit der Photosynthese (C-Immobilisierung) von der CO2-Konzentration der Luft Brutto - Primärproduktivität (Gross Primary Productivity, GGP) 100 % = Photosynthese CO2 – Assimilation Autotrophe Atmung Netto - Primärproduktivität (Net Primary Productivity, NPP) 50 % Heterotrophe Atmung = Wachstum Netto – Ökosystemproduktivität (Net Ecosystem Productivity, NEP) 5% = Streu, rasch umsetzbarer Humus Feuer, Störungen Netto – Biosphärenproduktivität (Net Biosphere Productivity, NBP) 0,5 % = Holzkohle, langsam umsetzbarer Humus (Quelle: E.D. Schulze) Abb. 5: Verbleib des Kohlenstoffs nach der Assimilation im Ökosystem Die Landwirtschaft muß durch Bewässerung, Düngung, Bodenbearbeitung bis hin zur Züchtung und Genmanipulation die Ernährung sicherstellen. Die Brutto-Primärproduktivität durch Photosynthese nach Abb. 5 bindet CO2. Die nachfolgenden Prozesse setzen CO2 wieder frei bis auf die Netto-Biosphärenproduktivität von 0,5% der Ausgangsmenge. Die NettoBiosphärenproduktivität immobilisert CO2 in Form von Humus und Holzkohle. Beide Stoffe binden zusätzliches C nur dann dauerhaft, wenn ihre Menge zunimmt. Die Biomasse-Produktion pro Hektar ist nach Schulze in der Landwirtschaft der Nordhalbkugel 5 mal höher als in den Wäldern Osteuropas Sibiriens und Kanadas (boreale Wälder). Die globale Kohlenstoffsenke liegt nach seinen Feststellungen nicht in den natürlichen Wäldern, sondern in den landwirtschaftlichen Regionen der Nordhalbkugel. Der größte Teil dieser Senke speist eine ebenso große Quelle im Rhythmus der Jahreszeiten. Was der Sommer bindet, setzt der Winter wieder frei, siehe Abb. 6. (Quelle: National Oceanic and Atmospheric Administration, http://www.cmdl.noaa.gov/) Abb. 6: Jahreszeitliche Schwankungen der CO2-Konzentration in der Luft Im Winter ist die CO2- Konzentration auf der Nordhalbkugel höher und im Sommer niedriger als in den Tropen. Die Konzentration auf der Nordhalbkugel sinkt von etwa 347 ppm im Winter auf 332 ppm im Sommer, wie am linken Rand des Bildes für 1981 ablesbar ist. Die Konzentration im Tropengürtel entspricht etwa dem Mittelwert. Die Südhalbkugel nimmt an den periodischen Konzentrationsschwankungen nur unwesentlich teil. Im Tropengürtel müßte ein ausgeprägtes, dauerhaftes Minimum zu sehen sein, wenn dort der Überschuß aus der Verbrennung immobilisiert würde. Die flachen Konzentrationsgefälle in diesem Gebiet lassen nicht auf eine CO2-Senke schließen. Nach der Definition von Remmert sind die Regenwälder Amazoniens funktionierende Ökosysteme mit völligem Recycling. Diese wohlklingende Bezeichnung darf nicht zum Mißverständnis führen, der Regenwald des Tropengürtels sei die “grüne Lunge des Planeten”, die uns im Norden mit Sauerstoff versorgt und Kohlendioxid entsorgt, siehe Abb. 5 und Gleichungen 1 und 2. In den tropischen Regenwäldern Amazoniens ist eine Netto-Biospärenproduktivität nicht vorhanden. Die Böden sind unfruchtbar, ein humushaltiger Waldboden existiert nicht. Die Dicke der Humusschicht (tote Biomasse) beträgt wenige Zentimeter und nimmt nicht zu. Der Gewichtsanteil liegt bei 10% der Pflanzendecke. Die Wurzeln wachsen in die dünne Humusschicht und ziehen die Nährstoffe heraus. Der ungenutzte Rest verwest unter Freisetzung von CO2, siehe Gleichung 2. Organisches Abfallmaterial kann sich über längere Zeit nicht halten. Holzkohle bleibt allenfalls nach Brandrodungen in unwesentlichen Mengen zurück. Der Regenwald brennt auch nicht periodisch wie einige andere Biosysteme. Immobilisierter Kohlenstoff findet sich nur in der lebenden und toten Pflanzenmasse, die etwa 600 t pro Hektar ausmacht.1 Weiter schreibt Reichholf: “Der unersetzbare Dschungel gibt 1000 t pro Hektar an. Die <grüne Lunge der Erde> atmet heftig, aber was sie ausstößt, verbraucht sie gleich wieder. Der Regenwald lebt aus sich selbst, und ist ein geschlossenes Ökosystem, dessen Kreisläufe durch die Sonne in Bewegung gehalten werden. Die Böden sind unfruchtbar, die Nährstoffe werden vom Regen aus der Luft ausgewaschen."2 Der tropische Regenwald entnimmt praktisch alle Nährstoffe dem Regenwasser. Der tägliche Nachmittagsregen wäscht die Feststoffe und Mineralien aus der Luft aus. Die Pflanzen filtern die Nährstoffe aus dem Regenwasser und bauen daraus ihre Biomasse auf. Das Wasser fließt weitgehend entmineralisiert in die ableitenden Bäche. Der Boden enthält in der ersten Meterschicht 58 kg Kalium und 23 kg Magnesium je Hektar, während die Pflanzen 500 kg Kalium und 257 kg Magnesium je Hektar speichern und festhalten. Eine wachsende Biomassen-Deponie ist nicht zu finden. Eine nennenswerte C-Immobilisierung findet nicht statt. Diese Aussagen decken sich mit Abb. 6, das bei sorgfältigem Lesen keine Anzeichen einer überragenden globalen Kohlendioxidsenke im Tropengürtel erkennen läßt. Der Tropengürtel bleibt ohne besondere Wirkung und beeinflußt das Geschehen auf der Nordhalbkugel kaum. Im CO2-Szenario gibt es offensichtlich noch viele Unbekannte. Die Folgen des Temperaturanstieges sind schwierig zu bestimmen. Viele befürchten irreversible Änderungen durch Instabilitäten. Versteppung in Südeuropa, Verwüstung der Sahelzone, Versiegen des Golfstromes, Anstieg des Meeresspiegels werden als Folgen genannt. Grenzwerte für CO2 nach deren Überschreitung die befürchteten Folgen zwingend eintreten, werden nur äußerst zurückhaltend angegebene und sind wohl auch nicht bestimmbar. Nicht alle Befürchtungen erweisen sich als stichhaltig und naturwissenschaftlich begründet. Erst kürzlich wies Linde, in einem Aufsatz VDI-Nachrichten 97 darauf hin, daß nach kältetechnischen Berechnungen die Eiskappe des Südpoles nicht abschmilzt, wenn die globale Temperatur ansteigt. Ist die Prognose, Holland, Florida und andere Landstriche würden im Meer versinken, wirklich begründet? Wie steht es mit anderen Prognosen? Wieviel CO2 kann der Globus ohne tiefgreifende Folgen noch ertragen? Gerade weil niemand weiß, wo die Höchstgrenzen liegen, ist es vernünftig, den Anstieg zu bremsen um mögliche irreversible Folgen zu vermeiden. Die antropogen freigesetzten CO2-Mengen sind ziemlich genau bekannt. Auch die tierische und die mikrobiologische Produktion ist abschätzbar. In der öffentlichen Diskussion sind aber Mengenangaben wie in den Abbildungen 3, 4 und 6 kaum bekannt. Es ist nur wenigen bewußt, daß der Anteil des durch Verbrennung zusätzlich freiwerdende Kohlenstoff mit 6 Mrd. ta-1 nur etwa 15% der Menge ausmacht, die durch Atmung der Lebewesen und Assimilation der Pflanzen im Stoffkreislauf zirkuliert. Noch weniger ist bekannt, daß nur die Hälfte dieser Menge, 3 Mrd. ta-1 zur Konzentrationserhöhung in der Luft beiträgt. Noch viel weniger ist in die öffentliche Diskussion eingedrungen, daß die Forschung anscheinend noch 1 G. Kohlhepp: Ökologische Grenzen des Wachstums und Umweltprobleme in Briesemeister u.a. (Hrsg.): Brasilien heute: Politik, Wirtschaft, Kultur, Frankfurt 1994, S. 94. 2 H. J. Reichholf: Der unersetzbare Dschungel, BLV Verl., München 1990. wenige Erkenntnisse gewonnen hat, wo und wie die Hälfte Verbrennungsmenge, immerhin 3 Mrd. ta-1, immobilisiert wird. E.D. Schulze schreibt: “Im Vergleich zu den Tropen liegt in der Nordhemisphäre eine große CO2-Senke, unklar bleibt aber, wo diese Senke tatsächlich liegt”. Reihen wir auch den amazonischen Regenwald quantitativ ein. Nach G. Kohlhepp bindet er etwa 600 t Biomasse pro Hektar. Das sind nach seinen Berechnungen etwa 275 Mrd. t CO2, die etwa 10% der CO2 Menge in der Luft ausmachen. Übertragen auf Abbildungen 1 und 2 würde die völlige Zerstörung des Regenwaldes die CO2 Konzentration von 350 auf 385 ppm ansteigen lassen. Ein Wert, der auch ohne Zerstörung des Regenwaldes in wenigen Jahren zu erwarten ist. Nach Kohlhepp wurde in den zurückliegenden Jahrzehnten etwa 10% des Regenwaldes zerstört und damit 27,5 Mrd. t CO2 freigesetzt. Das entspricht einem Konzentrations- anstieg von insgesamt 1%. Der Beitrag pro Jahr liegt deutlich unter 0,1%. Im Lichte dieser quantitativen Abschätzung sinkt die Bedeutung des Regenwaldes im CO2Geschehen. Das kann und soll nicht jene diskreditieren, die für seine Erhaltung kämpfen. Es gibt neben der hier behandelten Sicht auf das CO2-Geschehen auf anderer Ebene wichtige, unabweisbare Argumente für seine Erhaltung. Bleiben wir beim CO2 so müssen wir erkennen, daß die Regenwaldfläche nicht nur erhalten, sondern pro Jahr verdoppelt werden müßte, um den Konzentrations-Anstieg in der Luft von jährlich 1 bis 2% zu kompensieren. Die Landmasse der ganzen Erde reicht dazu nicht aus. Die Erhaltung des Regenwaldes ist unverzichtbar, bietet aber nicht den Ansatz für die Lösung des globalen CO2-Problems. Der Rodung des Regenwaldes aus wirtschaftlichen Gründen ist an der Unfruchtbarkeit des Bodens bereits gescheitert. Die anhaltenden Rodungen werden nahrungssuchenden Menschen zugeschrieben, die aus purer Not diesen Ausweg beschreiten. Nach einer oder zwei Ernten ist der Boden erschöpft. Brasilien könnte die Rodungen verhindern, wenn seine Führung bereit wäre, die vorhandene Wirtschaftskraft zu einem Bruchteil für die Hungernden zu verwenden. Die Erhaltung des Regenwaldes ist ein unverzichtbares Element des globalen KlimaManagements, auch wenn die CO2-Konzentration nur unwesentlich beeinflußt wird. Die wichtigsten Argumente sieht Reichholf in der Erhaltung und Bewahrung des Artenreichtums. Was kann und muß geschehen, wenn das Wachstum der Menschheit anhält, wenn der Energiebedarf der neuen Industrieländer in Asien und Südamerika dramatisch ansteigt? Wir wissen, daß fundamentale religiöse und ideologische Einstellungen in vielen Ländern, vielleicht mit Ausnahme Chinas, den Anstieg der Weltbevölkerung weiter provozieren. Wir verweigern weder Brasilien, dem Ziel unserer Reise, noch anderen aufstrebenden Ländern in Südamerika, Asien oder Europa die Industrialisierung. Westliche, auch deutsche Politiker, Industrielle und Banker reisen über die ganze Welt um den Export von Industrieanlagen, Kapital und Konsumgütern anzukurbeln. Wird Brasilien wegen unserer CO2-Sorgen auf neue Fabriken von VW, Mercedes und viele andere Investitionen verzichten? Jede Art des industriellen und zivilisatorischen Fortschritts in den bevölkerungsreichen Ländern ist mit weiterer CO2-Freisetzung in großem Stil verbunden. Die Menschen werden sich nicht unseren Willen aufzwingen lassen und auf wachsenden Wohlstand verzichten. Es läßt sich überschauen, daß selbst ein Totalverzicht aufs Auto und sonstige Verkehrsmittel in Deutschland an der Gesamtsituation nur Unwesentliches ändert. Die Erhaltung der “grünen Lunge” Regenwald beruhigt vielleicht unser Gewissen, löst aber nicht das globale CO2-Problem. Steuern wir unweigerlich die Erde ins Chaos? Gibt es Ansätze für ein CO2-Engineering? Wir können nicht davon ausgehen, daß die Menschen weltweit auf Energie zum Heizen, Lesen, Fernsehen, Transport, Bau von Häusern verzichten werden. Die erneuerbaren Energien können bei quantitativer Betrachtung den Bedarf nicht decken. Fossile Brennstoffe werden, wenn nicht von uns, von anderen Völkern in weiter steigenden Mengen verbrannt. Die Kernspaltung und -fusion ist aus verschiedenen Gründen nicht durchsetzbar. Die bisherigen Vorschläge zur CO2-Reduktion der Luft durch Einsparungen in Europa können den Anstieg allenfalls verzögern aber nicht verhindern. Ist Einsparen die einzig denkbare und richtige Antwort? Können die bisher unbekannten, großen CO2-Senken nicht erforscht und effizienter gestaltet werden? Gibt es nicht schon erste Versuche, CO2 im Meerwasser anzureichern? Gibt es nicht noch weitere biologischtechnische Möglichkeiten? Weshalb ist uns der frühere Optimismus, Herausforderungen zu meistern scheinbar abhanden gekommen? Soll es auf dem abschüssigen Sparweg weitergehen in Verhältnisse wie in der energiearmen Nachkriegszeit? Sind globales Sparen, Bewirtschaften und Rationieren mit den altbekannten Methoden die einzigen Möglichkeiten? Können wir Ländern wie Brasilien und China das Energiesparen gewaltfrei verordnen? Weshalb kann nicht eine CO2-Technik, ein -Engineering und -Management mit zusätzlichen Methoden und Werkzeugen entstehen? Muß diese Technik nicht sogar entstehen, wenn wir dem ansteigenden Konsum anderer Völker ohnmächtig zusehen müssen? Muß nicht ein Engineering, eine gestalterische, auf Ergebnisse gerichtete Aktivität, die bisherigen Vorschläge zur Einschränkung unnötigen Verbrauchs ergänzen? Die Forschung könnte die Aufgabe erfüllen, Ort und Wirkungsweise der Stoffbilanzbeeinflussenden CO2-Senken zu erkunden. Die Landoberfläche scheint mit Blick auf die Pflanzen nur geringe Möglichkeiten zu bieten, Kohlenstoff dauerhaft zu immobilisieren und Lagerstätten zu bilden. Wir können uns für die Realisierung eines CO2-Engineering auf den Tropengürtel nicht stützen. Der Regenwald kann vielleicht durch vermehrte Düngung über die Luft zur weiteren Produktion von Biomasse angeregt werden. Die Vermehrung der lebenden Biomasse könnte einmalig den CO2-Anstieg einiger Jahre binden. Die urzeitliche Deponierung fand statt in Form der bekannten Brennstoffe, aber auch in Form von Kalkstein, CaCO3. Das Bewußtsein, daß Kalk aus immobilisiertem C besteht, läßt uns Landschaften wie die Schwäbische Alp, das Jugoslawische Küstengebirge, die Dolomiten, mit anderen Augen sehen. Die C-Bindung der Lithosphäre (Gesteine) in Abb. 3 übertrifft die Lagerstätten an Kohle Gas und Öl um den Faktor 109, ist also 1 Milliarde mal größer als die Menge der fossilen Brennstoffe. Entwicklungsgeschichtlich sind diese Reservoire durch biologische Vorgänge in urzeitlichen Meeren entstanden. Es ist zu fragen, ob die Immobilisierung von Kohlenstoff im Meer auch heute stattfindet. Hans Oeschger gibt dazu einen Hinweis: "Würden alle Nährstoffe in der Ozeanoberfläche genutzt, so würde der CO2 Partialdruck (an der Oberfläche) auf 150 ppmv absinken".3 Diese Aussage stellt ein erhebliches Konzentrationsgefälle aus der Luft in Richtung auf das Wasser in Aussicht, wenn es nur gelingt, die biologische Aktivität dauerhaft zu maximieren. Das Konzentrationsgefälle von 350 ppm in der Luft in Richtung Wasseroberfläche mit 150 ppm erzeugte einen Stofftransport, der den Konzentrationsanstieg in der Luft mehr als kompensieren könnte. Andreas Weber berichtet in "Die Klimapumpe", GEO Nr.12/1995, vom Wachstum der Kieselalgen im Meer: "Die Algenblüte ist kurz. Kleinorganismen und Tiere können die Algen 3 Hans Oeschger: Klimavergangenheit-Klimazukunft, in Markl, Hubert et al. (Hrsg.): Wissenschaft in der globalen Herausforderung, Wiss. Verl.-Ges., Stuttgart, 1995, S. 135. nicht vertilgen. Die abgestorbenen C-haltigen Reste sinken wie Schneeflocken (Marine Snow) auf den Meeresgrund und werden dort als Sediment deponiert. Die CO2-Konzentration der oberen Meeresschicht sinkt dabei um 30%." Wenn auch heute noch nicht bekannt und erforscht ist, wie das Wachstum gefördert werden kann, ist hier der Ansatzpunkt für ein CO2-Engineering erkennbar. Vergleichen wir das Funktionsprinzip der biologischen Kläranlagen, die nach Gleichung 2 arbeiten, und CO2 freisetzen, mit Systemen nach Gleichung 1. Die Kläranlagen wurden entwickelt, nachdem die Gewässer die Nährstoffe aus den Abwässern nicht mehr bewältigen konnten. Sind nicht Methoden denkbar, die Aktivität der Kleinlebewesen im Salzwasser zu steigern? Landwirtschaftsähnliche Verfahrensweisen, wie Züchtung produktiver Stämme, Pflege der Bestände, Nahrungsbeschaffung und Entwicklung von biologischverfahrenstechnischen Anlagen sind mit heutiger Technik realisierbar. A. Weber berichtet weiter von Forschungsergebnissen, die u.a. auf dem Forschungsschiff Polarstern gewonnen wurden. Sie zeigen, daß vor Grönland und in der Antarktis CO2 aus der Luft in das kalte Oberflächenwasser wandert (Sprudel). Das CO2-gesättigte Oberflächenwasser sinkt als “riesiger Wasserfall” in die Tiefe (15 mal mehr als alle Flüsse). Der Druckanstieg in der Tiefsee verhindert die Wiederfreisetzung des CO2. Der angereicherte Wasserkörper umkreist in der Tiefe langsam die Erde und kommt nach vielen Menschenaltern (Weber gibt an 1000 Jahre) im Pazifik wieder an die Oberfläche. Die Forscher glauben, hier etwa 1/4 der missing sink von 3 Mrd. ta-1 gefunden zu haben. Ist diese natürliche Senke nicht ebenfalls beeinflußbar? Könnte CO2 in hoher Konzentration dort eingespeist werden? Das Engineering der globalen Erwärmung ohne CO2-Beeinflussung bekommen wir von der Natur in brutaler Weise vorgeführt: Bei größeren Vulkanausbrüchen sinkt globale Temperatur durch den explosionsartigen Auswurf von Staub und SO2 in die Luft. Die Mengen werden nach Satellitenbeobachtungen der NASA für den Pinutabu mit 10 Kubikkilometern Gestein und 20 Millionen Schwefeldioxid angegeben.4 Die globale Temperaturabsenkung soll 0,50C betragen haben. Sind Mittel für diese “Notbremse” nicht verfügbar? Jedes Flugzeug könnte einige Tonnen Staub in der Stratosphäre verbreiten und so die Erwärmung steuern. Oeschger zeigt, wie die Sonneneinstrahlung, “forcing”, an der Erdoberfläche und die globale Temperatur nach großen Vulkanausbrüchen deutlich absinkt,5 siehe Abb. 7. Nach dem Ausbruch des Krakatau in Indonesien 1883 ging die Sonneneinstrahlung (obere Kurve) um 2 Wm-2 zurück, verglichen mit dem Durchschnittswert von ca.1kW/Quadratmeter sind das 2%. Die Abkühlung ist nach der unteren Kurve in der Simulation eindeutig mit etwa - 0,30C. Die beobachtete Temperatur (dicke Linie) zeigt eine weniger ausgeprägte Delle. Im weiteren Verlauf zeigt sich zwischen 1940 und 1970 überraschenderweise eine geringfügige Abkühlung, obwohl in dieser Zeit keine großen Vulkanausbrüche beobachtet wurden, und der CO2-Anstieg nach Abb. 1 ungebremst weiterging. Offensichtlich sind neben Staubgehalt und CO2-Konzentration noch weitere starke Einflüsse wirksam, deren Erforschung Ansatzpunkte für ein Engineering der vermuteten Folgeerscheinungen des CO2-Anstieges bieten. Bei der Suche nach den unbekannten Senken für CO2 ist vermutlich auch die unbelebte Landmasse von Bedeutung. B. Hölting macht auf die Bindung von Kohlensäure in kalkhaltigem Wasser aufmerksam: "Freies CO2 wird durch wassergelöstes CaCO3 im 4 5 In Global Effects of Explosive Volcanism, http://skye.gstc.nasa.gov Hans Oeschger: a.a,O. chemisch-physikalischen Gleichgewicht gebunden".6 Als mögliche Senke bietet sich die größere Löslichkeit von CO2 bei höheren Drücken an. Kann das Grundwasser, ähnlich wie das Tiefenwasser der Ozeane, CO2 aufnehmen und in der Tiefe dauerhaft binden? Die Möglichkeiten zur Beeinflussung der CO2-Deponie und C-Immobilisierung sind hier nur angerissen, nicht erschöpfend behandelt. Der vorliegende Aufsatz soll anregen, über andere als die bekannten konservativen Vorschläge zur Verbrauchseinschränkung nachzudenken, und das CO2-Engineering in die öffentliche Diskussion einzubringen. Wenn es gelingt, umfassende Erkenntnisse über die natürliche Kohlenstoff-Bindung zu gewinnen, können Ingenieure landwirtschaftsähnliche Lösungen entwickeln, die helfen, das globale CO2-Problem dauerhaft zu entschärfen. (Quelle: Oeschger: Klimavergangenheit – Klimazukunft) Abb. 7: Globaler Antrieb ("Forcing") des Klimas und globale Temperatur von 1850 bis heute Es darf nicht verkannt werden, daß viele religiöse und politische Denkrichtungen zusätzliche menschliche Eingriffe in die Natur ablehnen und die Einführung neuer Technik bedrückend empfinden. Die naheliegende Lösung, ohne Engineering die CO2-Konzentration auf die vorindustriellen Werte zurückzuführen bedeutet, die damaligen Verhältnisse mit allen Konsequenzen wiederherzustellen. Das CO2-Engineering ist, damit verglichen, das kleinere Übel. 6 Bernhard Hölting: Hydrogeologie, Einführung in die Allgemeine und Angewandte Hydrogeologie, Enke Verl. Stuttgart, 1989. Literatur Hölting, Bernhard: Hydrogeologie, Einführung in die Allgemeine und Angewandte Hydrogeologie, 3. Auflage, Enke, ISBN 3-432-90793-1, Stuttgart, 1989. Kohlhepp, Gerhard: Ökologische Grenzen des Wachstums und Umweltprobleme. In: Briesemeister, Dietrich (Hrsg.): Brasilien heute, Vervuert ISBN 3-89354-553-5 Frankfurt, 1994. Linde: VDI-Nachrichten, 1997. NASA: Global Effects of Explosive Volcanism, http://skye.gsfc.nasa.gov/hstr article/hsty article.html, 1997. NOAA/CMDL: National Oceanic and Atmospheric Administration, the Climate Monitoring & Diagnostics Laboratory, http://www.cmdl.noaa.gov/. Oeschger, Hans: Klimavergangenheit, Klimazukunft, S. 127. In: Markl, Hubert et al. (Hrsg.): Wissenschaft in der globalen Herausforderung, Wiss. Verl.-Ges., (Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte; 118), ISBN 3-8047-1417-X, Stuttgart, 1995. Reichholf, Josef H.: Der unersetzbare Dschungel, BLV Verlagsgesellschaft, ISBN 3-76323781 X, München, 1990. Remmert, Hermann: Ökologie, Springer, ISBN 3-540-54732-0, Berlin, 1992. Saedler, Heinz: Gentechnologie und Landwirtschaft, S. 235. In: Markl, Hubert et al. (Hrsg.): Wissenschaft in der globalen Herausforderung, Wiss. Verl.-Ges., (Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte; 118), ISBN 3-8047-1417-X, Stuttgart, 1995. Schulze, Ernst-Detlev: Wieviel zusätzlichen Kohlenstoff kann die Vegetation der Erde binden? S. 251. In: Markl, Hubert et al. (Hrsg.): Wissenschaft in der globalen Herausforderung, Wiss. Verl.-Ges., (Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte; 118), ISBN 3-8047-1417-X, Stuttgart, 1995.