21.08.2015 | www.magazin-forum.de | Beilage zu FORUM-Ausgabe 35 Gesundheit Von Linse bis Laser Gutes Sehen •Neue, schonende Behandlungen bei Augenerkrankungen •Hightech gegen Sehfehler •Augenklinik Sulzbach im Porträt Mehr als Kopfkino Harte Aufgabe Warum Träume wichtig für Ihr Wohlbefinden sind – Erkenntnisse aus dem Schlaflabor Wie der Kinderhospizdienst Saar kleine Patienten auf ihrem letzten Weg begleitet Kleinkunst-Nachmittag „Auf den Busch geklopft …“ mit Margret Gampper und Bernd Möhl Freitag, 4. September 2015, 16 bis 18 Uhr Wortwitz – spritzig, witzig, frech, prickelnd wie Champagner Margret Gampper rezitiert Originaltexte von Wilhelm Busch. Begleitet am Klavier von Bernd Möhl. Regie führt Ela Otto. Freuen Sie sich auf spritzige Dialoge zu alltäglichen Kleinkatastrophen und komödiantische Beiträge zu allerlei menschlichen Schwächen. Lernen Sie Witwe Bolte und die fromme Helene hautnah kennen. Schmunzeln und lachen Sie mit. Bitte melden Sie sich bis 31. August unter Telefon 06841 692-0 an. Der Eintritt ist frei. Pro Seniore Residenz Hohenburg Gerberstraße 18 · 66424 Homburg Telefon 06841 692-0 · Fax 06841 692-101 [email protected] · www.pro-seniore.de Editorial Susanne Kleehaas Liebe Leserinnen, liebe Leser, Wer Bescheid weiß, sieht besser Foto: Jennifer Weyland Dr. Eva Hevesi (Augenklinik Sulzbach) untersucht einen Patienten mit der Spaltlampe. Damit kann sie Veränderungen im Auge erkennen. das Titelthema dieser Ausgabe betrifft jeden von uns: gutes Sehen. Auch wenn Sie jetzt noch keine Sehhilfe brauchen, irgendwann wird es soweit sein. Denn meist sind es ganz natürliche Alterungsprozesse, die unsere Sehkraft mit zunehmenden Lebensjahren beeinträchtigen. Manchmal bedrohen aber auch Krankheiten unser Augenlicht. Viele davon machen sich erst in einem fortgeschrittenen Stadium durch Sehstörungen bemerkbar. Hier ist Aufklärung wichtig. Der Berufsverband der Augenärzte zum Beispiel hat in einer Umfrage festgestellt, dass 73 Prozent der über 55-Jährigen die Krankheit der Altersbedingten Makuladegeneration gar nicht kennen – obwohl sie zur Risikogruppe gehören. Unser Tipp: Informieren Sie sich, lesen Sie FORUM Gesundheit, und gehen Sie ruhig einmal zur Augenuntersuchung. Sie tut nicht weh und erlaubt, bei Auffälligkeiten rechtzeitig gegenzusteuern. Beim Grünen Star etwa genügen meist Augentropfen – wenn er rechtzeitig diagnostiziert wird. Die Augenheilkunde hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Vieles, was früher noch groß operiert wurde, wird heute ambulant erledigt. Auch hier sollten Sie sich gut informieren, um die beste und schonendste Therapie für sich zu finden. Rasante Fortschritte haben wir auch bei der Refraktiven Chirurgie festgestellt, der operativen Sehfehlerkorrektur. Hier kommen mittlerweile hochentwickelte Laser zum Einsatz sowie Linsenimplantate, die selbst „Glasbausteine“ ersetzen können. Und von den Operationsrisiken lassen sich immer weniger Menschen abschrecken: Die Anzahl der LasikOPs (die beliebteste Augenlaserbehandlung) schoss von 7.000 im Jahr 1996 auf fast 140.000 in 2014. Daneben finden Sie in FORUM Gesundheit wieder viele weitere spannende Artikel, vom gesunden Grillen über die Tiertherapie bis hin zur unterschätzten Gefahr der Herzmuskelentzündung. Wir wünschen Ihnen eine ebenso unterhaltsame wie erkenntnisreiche Lektüre – und bleiben Sie gesund! Herzlichst, Ihre FORUM GESUNDHEIT 3 Inhalt Titelthema Faszination Innovation Interview mit Prof. Dr. Peter Szurman über neue Meilensteine der Augenheilkunde. 8 Leuchtturm mit Laser Die Augenklinik Sulzbach und die Augen­laserklinik Saar können sich vor Patienten kaum noch retten. 12 34 Die wichtigsten Tipps für sicheres und gesundes Grillen und Schwenken Infos zu Augenproblemen Krankheiten, Alterserscheinungen, Sehfehler – und was man heute dagegen tun kann. Machen Sie den Selbsttest! 16 Makuladegeneration Von der Alterskrankheit sind zwei Millionen Deutsche betroffen. 20 Gesundheit im Blick FORUM Gesundheit stellt einen Optometristen vor, einen Optiker mit medizinischen Ambitionen. 22 Aktuelles 40 Experten fordern rechtzeitige Hilfe für Transgender Das neue Präventionsgesetz Interview mit Präventionsexperte Franz Gigout über die zu erwartenden Folgen der neuen Regierungsinitiative. 26 Rat & Hilfe 38 Apotheker KarlHeinz Potempa weiß alles über Heilkräuter 4 FORUM GESUNDHEIT Wer träumt, ist kreativ Was die aktuelle Traumforschung über unseren Schlaf herausgefunden hat – ­ ein Blick ins Schlaflabor von Prof. Michael Schredl. 32 Beim schwenken zu bedenken Von Verbrennungen bis Krebsgefahr – so vermeiden Sie unnötige Risiken. Mit drei leckeren Rezepten. 34 Titelfoto: fotolia / blackday Gefährliche Erkältung Herzmuskelentzündungen sind eine unterschätzte Gefahr und treffen nicht nur Leistungssportler. 30 Inhalt 54 Von wegen Faulenzerfahrrad: E-Bikes etablieren sich als gesunde Sportgeräte Naturheilwissen Gesundheit aus dem Beet FORUM Gesundheit hat Dr. Potempas Gift- und Heilkräutergarten besucht. 38 Familie Fotos: iStock / iulianvalentin — Bonenberger — dpa — fotolia / Patrizia Tilly Geboren im falschen Körper Transsexualität ist keine Krankheit, kann einen aber krank machen und ist ein irreführender Begriff. FORUM Gesundheit gibt Einblicke. 40 Kinderhospizdienst Saar Wie Profis und Ehrenamtliche unheilbar kranke Kinder und deren Familien unterstützen. 44 Medizin & Forschung Es geht um Ihre Sicherheit Selten, aber tödlich Das Toxische Schocksyndrom ist eine seltene Krankheit, die zurzeit junge Frauen in Angst und Schrecken versetzt. 58 Buchtipps 47 Senioren Wellness Vorsicht Stufe! Im Alter nimmt die Sturzgefahr zu. FORUM Gesundheit verrät Ihnen wichtige Tipps zur Vorbeugung – mit Selbsttest. 52 Dienstag, 22.09.2015, 18 Uhr Gesundheitssport mit Spass Pedelecs oder E-Bikes werden gerade von der Wissenschaft für den Gesundheitssport entdeckt. 54 Weiterleben – trotz krebs Die Saarländische Krebsliga unterstützt Patienten und ihre Familien – und kämpft für alternative Zusatztherapien. 60 Lebensfreude auf vier pfoten Senioreneinrichtungen setzen auf Tiertherapie mit Besuchshunden. 48 FACHVORTRÄGE FÜR SENIOREN 2015 – Trickbetrug – Gerhard Stuhlsatz und Günter Engelbrecht, Seniorensicherheitsbeauftragte aus Saarwellingen und Saarlouis sowie ein Polizist aus Saarlouis Enkeltrick und dubiose Haustürgeschäfte – Wie können Sie sich vor diesen oder ähnlichen Tricks und Betrügereien schützen? Gerhard Stuhlsatz und Günter Engelbrecht klären über Gefahren auf und geben zusammen mit einem Polizisten wichtige Verhaltenshinweise Gesichtsgymnastik gegen Falten Keine Lust auf Falten, aber auch nicht auf teure Cremes, Botox & Co.? Machen Sie Gesichtsgymnastik! 62 Geheimtipp für glatte haut Rasieröle sind hierzulande noch weitgehend unbekannt, bringen aber Vorteile bei empfindlicher Haut. 64 Der Eintritt ist frei. Bitte rechtzeitig anmelden. Impressum FORUM GESUNDHEIT erscheint 21.08.2015 in FORUM – Das Wochenmagazin. Verlag: FORUM Agentur für Verlagswesen, Werbung, Marketing und PR GmbH, Deutschmühlental, Am Deutsch-Französischen Garten, 66117 Saarbrücken, Telefon 0681-93613-2. Geschäftsführung: Susanne Kleehaas (V.i.S.d.P.). Verlagsleitung: Dr. Bernd Coen. Redaktionielle Umsetzung: Peter Böhnel Layout: Maximilian Jung FORUM GESUNDHEIT 5 Bahnhofsallee 5–7 · 66740 Saarlouis Telefon 06831 8903-0 · www.victors-residenz.com Titelthema 6 FORUM GESUNDHEIT Titelthema Die Innovation im Auge Foto: iStock / RyanKing999 Kaum eine medizinische Fachrichtung glänzt derzeit mit so spannenden Entwicklungen wie die Ophthalmologie, die Augenheilkunde. Krankheiten, die noch vor wenigen Jahren eine große Operation und mehrere Tage Krankenhausaufenthalt nötig machten, werden heute quasi im Vorbeigehen behandelt – mit besseren Ergebnissen. Das betrifft auch die Korrektur von Sehfehlern. Nur die Sicht der Krankenkassen bleibt davon unberührt. In deren Augen ist vieles, was heute möglich ist, nach wie vor Privatvergnügen. Davon lassen sich aber immer weniger Patienten abhalten. Statt ihr Geld in Designerbrillen oder Gleitsichtgläser zu stecken, leisten sich heute immer mehr Menschen die Lifestyle-Behandlung unterm Augenlaser. FORUM Gesundheit hat sich für Sie in einer führenden Augenklinik umgesehen, Vieraugengespräche mit Medizinern geführt und bei einem gesundheits­ orientierten Optiker ein Auge riskiert. FORUM GESUNDHEIT 7 Titelthema FORUM Interview „Meilensteine der Medizin faszinieren mich“ Prof. Dr. Peter Szurman, Chefarzt der Augenklinik Sulzbach, erforscht an der Uni Tübingen neue Operationsmethoden. In FORUM Gesundheit redet er über Innovationen in der Augenheilkunde und wie seine Klinik damit Patienten gewinnt. Interview: Peter Böhnel Ich bin ja von Haus aus Retinologe, Netzhautspezialist. Deshalb bin ich auch hierher nach Sulzbach gekommen. Die Augenklinik ist traditionell ein Netzhautzentrum. Ich habe aber eine sehr breite Ausbildung. Welche Behandlungsmethoden mögen Sie besonders? Minimal-invasive, schonende Techniken. Je schonender, desto besser. Wir operieren beispielsweise mit sogenannten Trokaren, endoskopischen Instrumenten, die durch kleine Öffnungen in das Auge gelangen. Wo können solche Verfahren klassische Behandlungsmethoden ersetzen? Zum Beispiel bei der Hornhauttransplantation. Früher musste die gesamte Hornhaut ausgetauscht werden, was eine große, belastende Operation ist. Mit einer neuen Technik, der DMEK, die wir 2010 nach Sulzbach mitgebracht haben, wird nur das kranke Endothel ausgetauscht, die hauchdünne Pumpzellenschicht. Das ist für die Patienten wesentlich schonender und verkürzt die Heilphase deutlich. Wird eine trübe Hornhaut (der Grund für die Transplantation) mit neuen Pumpzellen wieder klar? 8 FORUM GESUNDHEIT Ja, sie regeneriert sich. Zur Weiterentwicklung der DMEK-Technik haben wir 2007 das weltweit erste Injektor-System entwickelt und patentiert. Mithilfe einer Luftblase wird das Endothel besonders schonend aus dem Spenderauge abgelöst, zusammengerollt, in eine dünne Pipette gesaugt und so ins Auge des Empfängers eingebracht, wo es das zuvor entnommene Endothel ersetzt. Auch hier kommt wieder eine Luftblase zum Einsatz, die das Spendergewebe schonend an die Hornhaut drückt, wo es anwächst. Mit dieser Technik kommen die empfindlichen Pumpzellen nicht zu Schaden. Sie können sich das Verfahren übrigens auf dem YoutubeKanal der Augenklinik Sulzbach ansehen. Offenbar legen Sie besonders großen Wert auf die neueste Technik. „Mit der DMEKTechnik verkürzt sich die Heilungs­ phase von einem Jahr auf ein bis zwei Wochen“ Innovationen sind in der Medizin wichtig. Aber sie sind natürlich kein Selbstzweck; vielmehr müssen die Neuerungen für die Patienten einen wirklichen Mehrwert bringen. Wir wollen anwendungsorientierte Forschung. Und was hat der Patient von den neuen Methoden? Wir haben gerade die DMEK-Technik angesprochen. Der Eingriff dauert fünf bis zehn Minuten, die anschließende Heilungsphase nur ein bis zwei Wochen – und nicht ein bis anderthalb Jahre wie bei der klassischen Volltransplantation. Es kann auch eine höhere Sehkraft erreicht werden, weil die ursprüngliche Hornhaut erhalten bleibt. Wenn man sich nun vorstellt, dass diese klassische Methode praktisch seit hundert Jahren fast unverändert angewendet wird, bis es zu so einem großen Schritt kommt. Solche Meilensteine der Medizin faszinieren mich. Woher kommt diese Innovationskraft in der Augenheilkunde? Pharmafirmen und die Hersteller chirurgischer Instrumente investieren derzeit viel in die Augenheilkunde, weil es solch ein aufstrebender Markt ist. Denn Probleme wie die Alterssichtigkeit oder der Graue Star betreffen praktisch jeden Menschen – Sie müssen nur alt genug werden. Sie sagten eben, Innovation sei für Sie kein Selbstzweck. Gibt es auch Foto: Jennifer Weyland H err Professor Szurman, was ist Ihr medizinisches Spezialgebiet? Titelthema Prof. Dr. med. Peter Szurman erforscht als Sektionsleiter für Experimentelle Ophthalmochirurgie an der Uni Tübingen neue Augenoperationsmethoden. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Biotechnologie, Neuroprothesen und minimal-invasive Operationstechniken. Er gilt als einer der führenden Netzhautspezialisten Deutschlands. 2006 sorgte Szurman für Schlagzeilen mit der ersten erfolgreichen Implantation eines Langzeit-Netzhaut-Chips, der Blinden ein (schemenhaftes) Sehen ermöglicht. Für seine Arbeiten zur Behandlung der Makuladegeneration wurde er 2007 mit dem großen Forschungspreis der Deutschen Ophthalmochirurgen ausgezeichnet. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind die Behandlung des grauen und grünen Stars, Hornhauttransplantation, Laserchirurgie und die Rekonstruktion des Auges nach schweren Verletzungen. Er besitzt mehrere Patente für von ihm entwickelte Operationstechniken. Seit 2010 ist Szurman zusätzlich Chefarzt der Augenklinik Sulzbach, wo er aktuelle Forschungsergebnisse in die ärztliche Praxis einfließen lässt. FORUM GESUNDHEIT 9 Titelthema Erfindungen, bei denen kein Nutzen mehr erkennbar ist? Die vielleicht sogar mehr Nachteile als Vorteile bringen? Innovationen können auch übers Ziel hinausschießen, wenn sie sich vorwiegend an kommerziellen Interessen orientieren. Während sich in bestimmten Bereichen der Augenheilkunde viele innovative Produkte häufen, wie zum Beispiel zur Behandlung der Makuladegeneration, gibt es für weniger lukrative Bereiche wie in der KinderOphthalmologie deutlich weniger innovative Anstrengungen der Industrie. Am Ende führt das Konzentrieren von Forschungsgeldern auf attraktive Volkskrankheiten zu keiner besseren Medizin für die Menschen. Ein gutes Beispiel ist das Glaukom, auch Grüner Star genannt. Eine Schädigung des Sehnervs, die zur Erblindung führen kann. Meist entsteht das Glaukom durch zu hohen Augeninnendruck, weil der natürliche Abfluss des Augenwassers gestört ist. Die Und welche Methode ziehen Sie beim Glaukom vor? Sinnvoller ist es, den Therapieansatz radikal neu zu gestalten. Bei der Behandlung des Glaukoms haben wir uns auf die neuen minimal-invasiven Techniken mit Mikrokatheter spezialisiert. Anstatt einen künstlichen Abfluss anzulegen, stellen wir die natürlichen Abflusswege im Auge wieder her. Dieser Ansatz ist deutlich schonender für unsere Patienten und hat viel weniger Nebenwirkungen. Ein Kathetereingriff am Auge? So wie der Kollege aus der Kardiologie die verkalkten Herzkranzgefäße weitet? Im Prinzip ja, aber unser Mikrokatheter ist nur ein Viertel Millimeter dünn. Damit ermöglichen wir dem Auge wieder einen natürlichen Abfluss. Nichts ist besser, als die natürlichen Körperfunktionen zu erhalten. Der Eingriff geht häufig ambulant und der Patient erholt sich schnell. Das ist wieder so ein revolutionärer Meilenstein. Da haben Sie vermutlich wieder als einer der Ersten „hier“ gerufen, oder? Zumindest haben wir als eines der ersten Zentren weltweit mit diesen sogenannten Kanaloplastik-Operationen begonnen. Auch heute noch werden die meisten Glaukomoperationen in Sulzbach mit Mikrokatheter gemacht. In der Augenchirurgie gibt es aber viele Beispiele für solche Meilensteine. Zum Beispiel bei der Makuladegeneration. Eine Krankheit, bei der der Punkt des schärfsten Sehens langsam erblindet. Wie sieht hier der medizinische Fortschritt aus? Beim grauen Star wird eine Kunstlinse ins Auge eingesetzt (oben). Multifokallinsen ersparen zusätzlich die Lesebrille. 10 FORUM GESUNDHEIT Vor sechs Jahren noch haben wir zwei Stunden operiert, heute brauchen wir zehn Sekunden für eine Medikamentenspritze. Da wurden neue Medikamente entwickelt. Aber Sie brauchen ein Leben lang alle paar Monate Spritzen. Das klingt aber jetzt nach einer standardisierten Behandlung, die auch andere Kliniken und niedergelassene Ärzte beherrschen sollten. Wie wollen Sie sich denn hier von den Mitbewerbern abheben? Das sollte eigentlich Ihre Paradedisziplin als Netzhaut-Spezialist sein. Sie haben Recht. Das Besondere ist nicht, etwas in das Auge zu spritzen. Auch hier liegt die Kunst darin, immer up-to-date zu sein, dem Patienten die für ihn beste Behandlung anzubieten. Wir wissen, dass die neuesten Behandlungsprotokolle zu deutlich besseren Ergebnissen führen als die Standard-Behandlung Wissen die Patienten beziehungsweise die überweisenden Ärzte dieses Know-how zu würdigen? Ja, das zeigen die Zahlen: Obwohl die Spritzen-Behandlung der Makuladegeneration von vielen Ärzten durchgeführt wird, ist Sulzbach mit über 8.000 Behandlungen im Jahr deutschlandweit eines der führenden Zentren. Ein weiterer Pluspunkt: Die meisten Krankenkassen erkennen diese besondere Qualität inzwischen an und übernehmen im Rahmen unseres Qualitäts-Netzwerks die volle Erstattung des jeweils besten Behandlungsprotokolls. Das ist anderswo nicht selbstverständlich? Leider nein. Da entwickelt sich gerade eine Zweiklassenmedizin. Auch beim Augenlaser gibt es so eine Art Zweiklassenmedizin, denn Laserbehandlungen muss man selbst zahlen. Dazu sind aber offenbar immer mehr Menschen bereit. Denn auch hier gab es in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte. Doch heute arbeitet praktisch jede bedeutende Augenklinik mit dem Laser. Wie wollen Sie sich da mit Ihrer Maxime von möglichst innovativen und schonenden Verfahren abheben? Indem wir die neueste Laser-Generation einsetzen, den revolutionären Niedrigenergie-Femtolaser. Wir waren die Ersten in Deutschland und sind europäisches Referenzzentrum für diese neue Technik. Dieser Schweizer Präzisionslaser stand schon ein halbes Jahr vor seiner offiziellen Markteinführung in Sulzbach. Fotos: Privat — Augenklinik Sulzbach — Jennifer Weyland Szurman favorisiert bei Glaukom die Ka­nalo­­plastik: „Nichts ist besser, als die natürlichen Kör­per ­funktionen zu erhalten“ alte OP geht so: Man macht ein Loch ins Auge, um den Druck abzubauen. Aber das künstliche Loch vernarbt schnell. Die Erfolgsrate liegt unter 50 Prozent, das Komplikationsrisiko ist hoch. Viele sehen sogar nach der OP schlechter als vorher. Anstatt den ganzen Ansatz zu überdenken, werden stattdessen immer neue Medizinprodukte eingeführt, die nur eine Variante der alten Technik sind. Titelthema Peter Szurman bei der Arbeit. Wenn er in Sulzbach ist, steht er etwa 15 Mal am Tag im Operationssaal. Und wie ermöglicht das Gerät schonendere Eingriffe? Im Vergleich mit unserem neuen Niedrigenergielaser schießen die Laser der ersten Generation deutlich gröbere Pulse ab. Der Energieeintrag der neuesten Gerätegeneration ist viel geringer. Wir schneiden damit präziser und gewebeschonender. Sie operieren auch den Grauen Star mit dem Laser. Bei der OP wird die trübe Linse durch eine Kunstlinse ersetzt. Ja, als erste Klinik im Südwesten bieten wir die Laser-Katarakt-Operation an. Sie ist sicherer und präziser als die manuelle Operation. Die Laserbehandlung des Grauen Stars funktioniert jedoch nur mit diesem speziellen Niedrigenergie-Femtolaser. Nur mit ihm erreichen wir die Linse im Inneren des Auges. Wir sind die einzige Klinik im Saarland und in RheinlandPfalz mit diesem Verfahren. Beim Thema Laser klinkt sich aber die Krankenkasse schnell aus. Wer zum Beispiel mit einer Laserbehandlung seine Brille loswerden möchte, muss das komplett selbst zahlen. Wie sieht das beim Grauen Star aus – dessen Operation ist ja medizinisch notwendig? Die Kasse übernimmt nur den Linsenaustausch mit dem Skalpell. Dieses klassische Verfahren, das auch andere Kliniken und viele niedergelassene Ärzte anbieten, machen wir natürlich auch. Wenn Sie sich für die moderne Laser-OP entscheiden, dann zahlt die Krankenkasse den Betrag für einen normalen Eingriff, und Sie zahlen nur den Aufpreis. Derzeit 950 Euro pro Auge. Es ist das Gleiche wie mit besonderen Linsen: Die Kasse zahlt die einfache Monofokallinse, und wenn Sie eine Premiumlinse möchten, tragen Sie die Differenz selbst. Viele Patienten entscheiden sich zum Beispiel für Multifokallinsen, die einem die Lesebrille ersparen. Eine Art eingebaute Gleitsichtbrille. Hat man mit so einer Linse die gleiche Sehstärke wie mit einer Monofokallinse? Da die Linse gleichzeitig zwei Bilder auf die Netzhaut projiziert, ist jedes einzelne etwas dunkler, und man muss sich erst an die Linse gewöhnen. „Wir können komplett blinden Menschen durch den Netzhautchip ein orientierendes Sehen zurück­ geben“ Kommen wir zum Schluss zu Patienten, denen weder Training noch Kunstlinse oder Laser hilft: zu Blinden. Man liest, Sie erforschen neue Möglichkeiten, Mikrochips in die Netzhaut einzusetzen. Was kann so ein Chip denn heute schon? Wir können komplett blinden Menschen durch einen Netzhautchip ein orientierendes Sehen zurückgeben. Sie sehen den Ausgang eines Raumes, Tag und Nacht, Hindernisse auf dem Bürgersteig. Keine Farben, aber Konturen. Eine Patientin beispielsweise kann eine Wasserflasche auf dem Tisch erkennen. Dieses Sehen muss aber gelernt werden, und der Chip muss dazu eingeschaltet sein. Wie funktioniert der Netzhautchip? Der Patient trägt eine Brille mit einer Kamera. Das Licht wird in Stromimpulse umgewandelt. Ein Taschencomputer sendet das Signal drahtlos an den Netzhautchip. Und der stimuliert die Nervenzellen, die nicht mehr auf Licht reagieren, mit Strom. Wieviel Forschung und Entwicklungsarbeit steckt da drin? Es war ein langer Weg bisher. Fast 20 Jahre Forschung und Entwicklung. 1996 fing es mit einer Machbarkeitsstudie des Bundesministeriums an. Ich war als junger Assistenzarzt der Uniklinik Köln von Anfang an dabei. Seit drei Jahren haben wir ein fertiges Produkt. Heute sind wir hier in Sulzbach das Netzhautimplantationszentrum für Südwestdeutschland. • FORUM GESUNDHEIT 11 Titelthema Leuchtturm mit Laser Die Augenklinik Sulzbach ist die traditionsreichste und größte ihrer Art im Saarland. Und sie wird immer größer: Innerhalb von vier Jahren hat sich die Zahl der Operationen verdoppelt. Mehr und mehr Patienten kommen nach Sulzbach. So viele, dass jetzt erweitert werden muss. FORUM Gesundheit war dem Erfolgsgeheimnis der Klinik auf der Spur. Von Peter Böhnel 12 FORUM GESUNDHEIT Titelthema N och ist der Erweiterungsbau nicht ganz fertig. Am Fußboden in schicker Holzdielenoptik sind die neuen Räumlichkeiten bereits zu erkennen. Grün statt rot peppt das Weiß der Wände auf. Es soll hochwertig und freundlich aussehen, nicht so nach Krankenhaus. „Schließlich konkurriert unsere Augenklinik auch mit vielen Arztpraxen“, sagt Chefarzt Prof. Dr. Peter Szurman. „Doch in einen Marmor- und Glaspalast verwandeln wir uns jetzt natürlich nicht.“ Das Gros der Augenbehandlungen wird heutzutage ambulant durchgeführt, deshalb können auch niedergelassene Ärzten ohne eigene Klinikbetten mitbieten – und um zahlungskräftige Privatpatienten buhlen. Wie die Augenklinik Sulzbach in diesem Wettbewerb die Oberhand behält? Immerhin ist sie eine Klinik der Maximalversorgung mit der Knappschaft als Träger, das heißt, sie muss einen Versorgungsauftrag erfüllen und rund um die Uhr besetzt sein. Dazu später mehr. Hochbetrieb in den OP-Sälen Fotos: Peter Böhnel (2) In sechs Operationssälen und dem Laserbehandlungsraum herrscht Hochbetrieb. „Wir haben hier 80 Augenoperationen am Tag“, sagt Chefarzt Prof. Dr. Peter Szurman. Etwa 15 schafft er selbst. Die meisten OPs lassen sich planen, das erleichtert die Organisation. Doch immer wieder kommen Notfälle dazwischen. „Hauptsächlich Netzhautablösungen – da muss man sehr schnell operieren“, erklärt Szurman. „Und natürlich Verletzungen. Dem letzten Patienten, einem jungen Mann aus Luxemburg, ist die Flexscheibe abgesprungen und mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen.“ Solche Fälle sind hier an der richtigen Adresse. Mit Netzhautund Glaskörperchirurgie hat sich die Augenklinik schon seit den 80er-Jahren einen Namen gemacht. Als der damalige Leiter Ulrich Mester 2010 in den Ruhestand ging, passte Peter Szurman optimal ins Profil der Klinik: Als Netzhautspezialist und Leiter der Forschungssektion für Experimentelle Ophthalmochirurgie an der Uni Tübingen brachte Szurman die nötige Portion Innovationskraft mit nach Sulzbach, und damit eine Reihe von neuen Operationstechniken. Von 22.000 auf 54.000 pro Jahr Die Augenklinik wurde ursprünglich für 20.000 ambulante und 2.000 stationäre Patienten ausgelegt, als augenärztliche Abteilung des Knappschaftskrankenhauses Sulzbach. Heute kommen 50.000 zur Dr. Karl Boden, Leitender Oberarzt der Augenklinik, setzt bei Augen­ operationen gerne den Laser ein. Beispielsweise beim grauen Star. ambulanten Behandlung und 4.000 zur stationären. Tendenz steigend. „Wir sind pro Jahr um 20 Prozent gewachsen“, sagt Dr. Karl Boden, leitender Oberarzt der Augenklinik. Aktuell liege man im Jahr bei 14.000 Operationen, darunter 4.000 am grauen Star. Und natürlich das Spezialgebiet Netzhaut. „Mit 1.500 Netz­ hautoperationen sind wir in Deutschland eines der drei größten Spezialzentren“, sagt Karl Boden. Hinzu kommen bis zu 8.000 sogenannte intravitreale Injektionen, eine medikamentöse Behandlung der Netzhaut per Augenspritze, die heute viele große OPs ersetzt. Doch die Klinik will noch mehr. Ziel sei es, ein jährliches Aufkommen von bis zu 70.000 ambulanten und 5.000 stationären Patienten ohne Engpässe versorgen zu können, so der Oberarzt. Und wenn böse Zungen da von Fließbandproduktion reden? Hält Boden dagegen: „In einer Arztpraxis haben Sie nicht weniger Fließband. Wir nehmen uns dennoch genug Zeit für die Patienten. Ich kenne meine noch mit Namen“, versichert er. Um das hohe Patientenaufkommen zu bewältigen, arbeiten insgesamt 30 Ärzte und 70 nichtärztliche Mitarbeiter in der Augenklinik. Doch das Aufstocken des Personals genügt jetzt nicht mehr. Ausbau für mehr Komfort Boden: „Wir erweitern unsere Ambulanzräume für unsere 15 Spezialsprechstunden und drei Stationen. Vor allem wird der OP-Trakt auf sieben Augenoperationssäle erweitert und so modernisiert, dass wir in Zukunft noch höhere Hygienestandards erfüllen können.“ Dabei gehe es auch um die Optimierung der internen Wege. Die Kurzlieger-Station und das Ambulante Augenoperationszentrum werden ebenfalls ausgebaut. Letzteres werde von den Patienten besonders gut angenommen, so Boden. Zur Erweiterung dient der bereits vorhandene Anbau. Dabei geht es nicht nur um mehr Platz, sondern auch um mehr Komfort. Boden: „Wir wollen schicker und zeitgemäßer werden, noch mehr Service bieten.“ Dazu gehört auch die geplante Bar mit Getränken und Snacks für die wartenden Angehörigen. Minimal-invasives Erfolgsrezept Die Klinik boomt dank ambulanter Angebote und neuester minimalinvasiver OPMethoden Doch die hohe Nachfrage besteht ja bereits, auch ohne Erweiterung und Snackbar. Warum? „Wir sind gewachsen, weil wir uns auf moderne, minimal-invasive OP-Techniken spezialisiert haben. Das hat sich in Deutschland herumgesprochen“, sagt Peter Szurman. Die Augenklinik erreiche überregionale Bedeutung, weil sie in wichtigen Schlüsseldisziplinen ganz vorne mitspiele. „Ich glaube fest an das Prinzip Leuchtturm“, erklärt Szurman. „Wir leben davon, dass die Patienten aus 200 Kilometern Entfernung kommen. Die Leute aus Stuttgart beispielsweise fahren auf dem Weg zu uns an FORUM GESUNDHEIT 13 Titelthema 80 Augen-OPs am Tag, Tendenz steigend – da müssen alle Abläufe gut organisiert sein. Augenlaser haben die refraktive Chirurgie (Sehfehlerkorrektur) in den letzten Jahren revolutioniert. Die Sulzbacher besitzen einen Excimer- und zwei Femtosekundenlaser. Karin Boden: „Am Wichtigsten bei der Auswahl war uns dabei, wie gewebeschonend die Laser arbeiten.“ Der Excimerlaser ist der Klassiker der refraktiven Chirurgie. Er verdampft kleinste Gewebepartikel an der Oberfläche, Punkt für Punkt. Damit kann der Arzt zum Beispiel die Brechkraft der Hornhaut so verändern, dass sie eine vorhandene Fehlsichtigkeit ausgleicht. 14 FORUM GESUNDHEIT Ein Femto(sekunden)laser kann Schnitte unterhalb der Oberfläche ausführen, ohne die Oberfläche selbst zu verletzen. Dazu fokussiert er auf einzelne Punkte im Gewebe. Extrem kurze Impulse lassen soganannte Kavitationsbläschen im Mikrometerbereich entstehen. Der Schnitt besteht aus einer flächigen Aneinanderreihung solcher Bläschen, die das Gewebe teilen. So kann der Arzt ein individuell geformtes Hornhautdeckelchen (Flap) bei der Femto-Lasik erzeugen. Die neuste Generation des Niedrig­ energie-Femtolasers (Foto links) kommt durch ein aufwendigeres optisches System wesentlich tiefer ins Auge: bis zu einem Zentimeter tief. Das ermöglicht auch ein dreidimensionales Schneiden der Linse. Durch kleinere, einander überlappende Bläschen sind die Schnitte noch feiner und glatter, wobei weniger Energie das Auge belastet. Und der Laser dringt nicht nur tiefer ins Gewebe ein, er dringt in immer mehr Bereiche der Augenheilkunde vor. Kaum eine OP, die man nicht auch mit irgendeinem Laser zumindest ergänzen könnte. Der neue Niedrigenergie-Femtolaser wird zum Beispiel auch bei grauem Star eingesetzt. Und weil er kompakt und mobil ist, kann er in jeden OP gerollt werden, wo man ihn gerade braucht. Augenklinik Sulzbach ohne Augenlaser? Undenkbar. fünf anderen Augenkliniken vorbei. Das tun sie nur, wenn wir ein operatives Alleinstellungsmerkmal anbieten, das eine wirkliche Verbesserung zum Standard bietet.“ Zu den zugkräftigen Innovationen in Sulzbach zählen beispielsweise die minimal-invasive Behandlung des Glaukoms, die Laser-gestützte OP des grauen Stars, die schonende Teiltransplantation bei Hornhauttrübung und auch die moderne Injektionstherapie der Makuladegeneration. Hinzu kommt ein großes Qualitätsversprechen. „Sulzbach war das erste KTQ-zertifizierte Krankenhaus im Saarland, und wir sind gerade frisch rezertifiziert worden“, betont Szurman. (KTQ: Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen). Zu den Qualitätskriterien gehöre zum Beispiel eine vierfache Kontrollkette, damit niemand am falschen Auge operiert wird. Separater Auftritt fürs Marketing Damit nun der Sulzbacher Leuchtturm möglichst hell und weit leuchtet, legt man Wert aufs Marketing. „Tue Gutes und rede darüber“, sagt Szurman augenzwinkernd. Die gezielte Ansprache des ambulanten Patienten, der eigentlich nicht ins Krankenhaus will, hat auch zu einer Art Emanzipation der Augenklinik geführt. Verwaltungstechnisch immer noch zum Knappschaftsklinikum gehörend, treten sowohl die Augenklinik als auch die zugehörige Augenlaserklinik mittlerweile mit einem eigenen Anbau und mit eigener Außendarstellung auf. Und doch sind die Ärzte froh, zum Knappschaftsklinikum zu gehören. Karl Boden: „Wir sind nicht an wirtschaftliche Zwänge gebunden. Fotos: Privat — Ziemer Wie arbeiten Moderne Augenlaser? Titelthema Unser Hauptgeschäft ist die medizinische Versorgung.“ Gegenüber kleineren OP-Zentren habe die Klinik außerdem den „Riesenvorteil des besseren Komplikationsmanagements.“ Dabei betont Boden, dass die Komplikationsrate hier deutlich unter dem Durchschnitt liege. Auch Chefarzt Peter Szurman sieht die Klinikstruktur als Vorteil: Die Kombination aus ambulantem, serviceorientiertem OP-Zentrum und stationärem Bereich für die überregionale Maximalversorgung ist für ihn ein großer Pluspunkt. Augenlaserklinik Saar Neben der Therapie von Krankheiten bietet die Klinik auch refraktive Chirurgie, die operative Korrektur von Sehfehlern. Dazu gibt’s eine eigene Abteilung, die Augenlaserklinik Saar. Erkennbar an der schickeren Einrichtung. „Die Augenlaserklinik Saar als Teilbereich der Augenklinik Sulzbach beschäftigt sich mit den Behandlungsmöglichkeiten, die ein Brillen- und kontaktlinsenfreies Leben ermöglichen“, erklärt ihre Leiterin Katrin Boden. Die Augenärztin hat sich auf refraktive Chirurgie spezialisiert. Auch diese Sparte boomt. „Gerade bei den laserchirurgischen Eingriffen merken wir eine deutliche Zunahme der Nachfrage.“ Sich die Brille weglasern zu lassen, gehört heute zum Lifestyle. Es klingt ja auch verlockend: Ein paar Augentropfen zum Betäuben, ein paar Minuten in den Behandlungsraum. Der Femto-Laser löst ein dünnes Hornhautdeckelchen („Flap“), der Excimer-Laser formt die Hornhaut, das Deckelchen wird wieder zurückgeklappt – fertig ist die Femto-Lasik. Lasik steht für Laser in situ keratomilieusis, Laser-Horn- Die integrierte Augen­­laser­­ klinik lockt Menschen nach Sulzbach, die ihre Brille loswerden wollen Katrin Boden, Leiterin der Augenlaserklinik, korrigiert Sehfehler mithilfe modernster Operations­technik. hautkorrektur. Zwar birgt die Lasik auch Risiken und Nebenwirkungen: Viele haben anfangs trockene Augen. Die Hornhaut wird dünner. Vor allem bei starker Fehlsichtigkeit kann das Endergebnis vom Ideal abweichen. Doch die Risiken sind überschaubar. Die Komplikation erhöhter Blendempfindlichkeit ist durch neue Verfahren selten geworden. Auch Entzündungen, die zu Narben führen können, kommen selten vor. Von den möglichen Risiken einer AugenOP lassen sich deshalb nur noch wenige Menschen abschrecken. Immer mehr wollen unter den Laser, ob aus beruflichen oder aus modischen Gründen. Obwohl sie alles aus eigener Tasche zahlen müssen. Mehrere Tausend Euro kommen schnell zusammen. Doch deutschlandweit ist die Anzahl der Lasik-OPs von 87.000 im Jahr 2004 auf 139.000 in 2014 gestiegen. Dabei kommen in Sulzbach nicht nur Laserverfahren wie die beliebte Lasik zum Einsatz. Katrin Boden: „Als Augenklinik der Maximalversorgung bieten wir auch Lösungen an, wenn die Standard-Lasik nicht mehr möglich ist“. Drei Altersgruppen im Visier Die Augenlaserklinik staffelt ihr Angebot nach Altersgruppen, für Menschen ab 20, ab 40 und ab 60 Jahren. Katrin Boden: „Bei den jüngeren Patienten sind die laserchirurgischen Eingriffe die häufigste Methode.“ Allen voran die Femto-Lasik, dicht gefolgt von den Oberflächenverfahren (ohne Flap). Bei starker Fehlsichtigkeit gibt es andere Behandlungsmethoden, zum Beispiel implantierbare Kontaktlinsen. Die über 40-jährigen kommen meist, um ihre Alterssichtigkeit behandeln zu lassen. „Für viele hat die Lesebrille so ein onkelhaftes Image“, erklärt Chefarzt Szurman. Auch hier hat die refraktive Chirurgie mehrere Lösungen parat, von Lasik bis zu Implantaten. Das Angebot beginnt bei etwa 1.000 Euro pro Auge. Und die Gruppe ab 60? Katrin Boden: „Bei den etwas älteren Patienten, vor allem wenn sich bereits Veränderungen der Augenlinse zeigen, fällt die Wahl am Häufigsten auf einen Austausch der Linse mit dem Einsatz einer Multifokallinse. Diese Linsen ermöglichen eine sehr hohe Brillenunabhängigkeit im Alltag.“ Auch am Laser zählt der Könner Moderne Augenlaser arbeiten genauer und gewebeschonender als mechanische Instrumente. Gut für den Patienten. Ob der Laser auch dem Operateur Vorteile bringt? Katrin Boden: „Die Femto-Laser assistieren dem Operateur. Sie sind sehr exakt und präzise. Der Ablauf ist standardisiert und computergestützt. Und dennoch: Auch hierbei ist die Erfahrung des Chirurgen wichtig.“ Womit wir wieder beim hohen Patientenaufkommen in Sulzbach wären. Dies sehen die Ärzte nämlich als Pluspunkt für den Patienten. Chefarzt Szurman: „Nur was man häufig macht, macht man auch gut.“ Bleibt zu guter Letzt noch eine Frage: Warum trägt Oberarzt Karl Boden eigentlich eine Brille? Zumal er mit einer führenden Spezialistin für refraktive Chirurgie verheiratet ist? Weil sich die neue Technik zwar für viele, aber nicht für jeden eignet. Katrin Boden bedauert: „Es hat mich schon immer in den Fingern gejuckt, meinen Mann zu behandeln, doch leider sprechen medizinische Gründe bei ihm dagegen.“ Das nennt man dann wohl Ironie des Schicksals. • FORUM GESUNDHEIT 15 Titelthema Die Wichtigsten Augenprobleme und was dagegen hilft Hornhaut (Cornea) Das Fenster zum Auge. Teil des optischen Systems im Zusammenspiel mit der Linse. Hornhauttrübung Problem: Durchsichtigkeit der Hornhaut schwindet. Symptom: Eintrübung der Sicht bis zur Erblindung (nur noch hell-dunkel-Wahrnehmung). Ursachen: Narben (etwa nach Entzündungen oder Verletzungen), Erkrankung der inneren Hornhautmembran (Endothel), zum Beispiel Fuchs´sche Endotheldystrophie, geschädigtes Endothel als Komplikation nach Linsenaustausch (bei Grauem Star). Klassische Behandlung: Hornhauttransplantation. Bei krankem Endothel auch minimal-invasive Teiltransplantation (DMEK). Keratokonus Problem: Hornhaut wird dünner und wölbt sich nach vorn. Symptome: fortschreitende Verschlechterung der Sehstärke, verschwommenes oder verzerrtes Sehen, verschlechterte Nachtsicht. Ursache: unbekannt, Kollagenfasern in der Hornhaut weisen eine andere Schichtung auf, familiär gehäuft, tritt oft zusammen mit verschiedenen Erbkrankheiten wie Trisomie oder Marfansyndrom auf, meist beidseitig. Behandlung: leichte Fälle mit Kontaktlinse oder Brille, Crosslinking solange Sehschärfe noch gut ist und keine Vernarbung aufgetreten, schwere Fälle mit Operation, Hornhautverpflanzung (komplett oder vordere Schicht). Linse (Phakos/Lens) Sehnerv (Nervus opticus) Sie projiziert ein Bild auf die Netzhaut. In Zusammenarbeit mit dem Ziliarmuskel kann die elastische Linse auf verschiedene Entfernungen scharfstellen (akkomodieren). Für kurze Entfernungen wie beim Lesen zieht sich die Linse zusammen und wölbt sich stärker. Er leitet die Reize der Sehzellen zum Gehirn weiter, das daraus ein Bild erzeugt. Grauer Star (Katarakt) Problem: Linse wird trübe. Symptome: immer flaueres Bild, Bild unschärfer, Farbwahrnehmung anders, vermehrte Blendung, langsam schwindende Sehkraft bis hin zur Erblindung Ursache: Natürlicher Alterungsprozess, seltener durch Medikamente, Verletzungen, Strahlung oder Stoffwechselerkrankungen. Behandlung: Austausch gegen Kunstlinse. Vorbeugung: Alterungsprozess kann durch gesunde Lebensweise verlangsamt werden. 16 FORUM GESUNDHEIT Grüner Star (Glaukom) Problem: Fortschreitende Schädigung des Sehnervs. In Deutschland sind 600.000 Menschen betroffen. Der zweithäufigste Grund für schwere Sehbehinderung. Symptome: Anfangs symptomlos. Erst im fortgeschrittenen Stadium Gesichtsfeldausfälle. Früherkennung nur durch regelmäßige Untersuchung beim Augenarzt. Ursache: Missverhältnis von Augeninnendruck und Durchblutung der Sehnerven. Meistens zu hoher Innendruck, weil natürlicher Abfluss des Augenwassers nicht mehr funktioniert. Behandlung: Augentropfen, in fortgeschrittenem Stadium Operation. Neue Methode: minimal-invasive Erweiterung des Abflusskanals (Kanaloplastik). Bereits entstandener Gesichtsfeldschaden kann nur aufgehalten, nicht rückgängig gemacht werden. Titelthema Gelber Fleck (Makula) Der Punkt des schärfsten Sehens auf der Netzhaut. Hier sitzen die Sehzellen besonders dicht. Altersabhängige Makuladege­ neration (AMD) Problem: Schwindende Sehschärfe, verzerrtes Sehen, bei weiterem Voranschreiten im Zentrum nur grauer Fleck sichtbar. In Deutschland zwei Millionen Betroffene. Ursache: Stoffwechselabbauprodukte, die sich zwischen Rezeptorzellen und Pigmentepithelschicht ablagern. Risikofaktoren: Rauchen, erbliche Vorbelastung, Sonne, schlechte Ernährung, Inaktivität, unzureichender Sonnenschutz der Augen. Auch bestimmte Netzhautveränderungen lassen ein Risiko erkennen. Symptome: Lesen fällt zunehmend schwerer, Fernsicht wird auch schlechter, Gesichter werden nicht mehr gut erkannt, Sehen wird verzerrt. Behandlung: Medikamentös durch regelmäßige ambulante Eingriffe mit Spritze. Makuladegeneration kann nur aufgehalten, nicht rückgängig gemacht werden. Vorbeugung: Risikofaktoren meiden, Nichtraucher werden. In bestimmten Fällen können „Augenvitamine“ wie Lutein helfen. Vitaminpräparate nur nach ärztlichem Rat. GLASKÖRPER Bitte machen Sie unseren Test auf Seite 19! Netzhaut (Retina) Die Sehzellen in der Netzhaut wandeln Licht in Nervenimpulse um. Diabetische Retinopathie Problem: Schleichende Schädigung der Netzhaut. In Europa die häufigste Erblindungsursache bei Menschen zwischen 20 und 65 Jahren. Symptome: Verläuft anfangs oft unbemerkt. Ursache: Zunehmende Schädigung kleiner Blutgefäße aufgrund von Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus). Typ-1-Diabetiker sind doppelt so häufig betroffen wie Typ 2. Therapie: Heilung noch nicht möglich, nur Aufhalten des Krankheitsfortschritts durch Netzhaut-Laser, Medikamenteneingaben ins Auge oder OP. Vorbeugung: Möglichst optimale DiabetesTherapie. Foto: fotolia / reineg Netzhautablösung Problem: Gefahr des Absterbens von Sehzellen, die von der darunterliegenden Pigmentschicht sowie der Aderhaut nicht mehr versorgt werden können, weil sich die Netzhaut abhebt. Folge: fortschreitende Erblindung. Symptome: Blitze, rote oder schwarzen Flecken („Rußregen“) oder „Vorhang“ im Gesichtsfeld von oben, unten oder der Seite – Achtung: Bei diesen Warnzeichen sofort den Augenarzt aufsuchen! Ursachen: zum Beispiel Netzhautlöcher, Netzhautriss, Trauma, kurzsichtige Menschen höhere Gefahr für Entwicklung von Netzhautlöchern. Behandlung: Möglichst rasche Operation. FORUM GESUNDHEIT 17 Titelthema Kurz- oder Weitsichtigkeit Symptome: Kurzsichtige sehen ferne Gegenstände unscharf und nahe scharf. Weitsichtige umgekehrt. Eine leichte Weitsichtigkeit kann aber in jungen Jahren noch von der elastischen Linse ausgeglichen werden und macht sich erst mit zunehmendem Alter bemerkbar. Dabei sollte man Weitsichtigkeit nicht mit Alters­ weitsichtigkeit verwechseln (siehe mittlere Spalte). Ursache: Bei Kurzsichtigkeit zu langer Augapfel und/oder zu hohe Brechkraft von Hornhaut+Linse, bei Weitsichtigkeit umgekehrt. Behandlung: Brille oder Kontaktlinsen. Alternative: vor allem bei jüngeren Kurzsichtigen Laserbehandlung (Lasik oder PRK, eine Oberflächenbehandlung), bei schwerer Weitsichtigkeit Linsenimplantate Vorbeugung: Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht möglich – außer bei Kindern, in der Entwicklungsphase der Augen (siehe Infokasten). Die Wichtigsten Sehfehler und was man tun kann Alterssichtigkeit Problem: Die Linse wird härter, kann sich immer weniger wölben, nicht mehr auf nah fokussieren. Symptome: Buch muss beim Lesen immer weiter weg gehalten werden. Kurzsichtige spüren es etwas später. Der Begriff Altersweitsichtigkeit führt aber in die Irre. Denn die Fernsicht wird durch Alterssichtigkeit (Presbyopie) nicht verändert. Ursache: Natürlicher Alterungsprozess Behandlung: Lesebrille oder Kontaktlinsen. Alternativen: Laserbehandlung (Lasik), HornhautImplantat oder Austausch der natürlichen Linse gegen Multifokal-Kunstlinse (mit zwei Schärfepunkten für nah und fern) Hornhautverkrümmung Symptom: Kleine Punkte werden stäbchenförmig gesehen. Ursache: Ungleichmäßige Krümmung der Hornhaut Behandlung: Brille, Kontaktlinsen. Alternativ: Laser-Korrektur (Arcoide Inzisionen bei leichten Fällen oder Lasik) Schon gewusst? DrauSSen spielen ist gut für Kinderaugen Mehrere internationale Studien zeigen: Kinder, die viel an der frischen Luft spielen, werden seltener fehlsichtig als Kinder, die überwiegend drin hocken. Das betrifft hauptsächlich die Kurzsichtigkeit. Offenbar wirkt sich die Tageslicht-Exposition positiv auf das gesunde Wachstum des Augapfels aus. Nachwuchs, der sich mehr als 14 Stunden pro Woche im Freien aufhält, wird laut amerikanischen Forschern sogar zwei bis drei Mal seltener kurzsichtig als gleichaltrige Stubenhocker. Und was ist mit Augentraining? Brille weg durch Augentraining – für viele Menschen eine verlockende Alternative. Und ein Dorn im Auge von Optikern und Laser-Befürwortern. Augenarzt Prof. Dr. Peter Szurman: „Was man trainiert, ist nicht das Auge, sondern das Gehirn. Zum Beispiel bei Alterssichtigkeit. Das funktioniert tatsächlich ein bisschen. Aber die Linse wird dadurch nicht elastischer.“ Als Beispiel dient der folgende Test: Afugrnud enier Stidue an der elingshcen Cmabrdige Unvirestiät ist es eagl, in wleh- 18 FORUM GESUNDHEIT cer Rienhnelfoge die Bcuhtsbaen in eniem Wrot sethen. Das enizg Wcihitge dbaei ist, dsas der estre und Izete Bcuhtsbae am rcihgiten Paltz snid. Das ghet dseahlb, wiel das mneschilche Geihrn nciht jdeen Bchustbaen liset, sodnern das Wrot als Gnaezs. Szurman findet, dass der hier gezeigte Effekt auch bei Sehschwäche zum Tragen kommt. Das unscharfe Schriftbild werde von einem geübten Leser besser erkannt. Titelthema Machen Sie den Amsler-Test! D ie Altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist eine Augenkrankheit, die zu schwerer Sehbehinderung führen kann. Und AMD ist auf dem Vormarsch, denn unsere Gesellschaft wird immer älter. Die Makula, der gelbe Fleck, ist die Stelle des schärfsten Sehens auf der Netzhaut. Hier herrscht eine besonders hohe Stoffwechselaktivität. Werden die Stoffwechselabbauprodukte nicht mehr aus- reichend abtransportiert, führt das zum Zerfall der Sehzellen. Statistisch gesehen entwickeln im achten Lebensjahrzehnt (71-80 Jahre) 20 Prozent eine zumindest beginnende Form der Makuladegeneration. Zwischen 80 und 90 verdoppelt sich die Häufigkeit sogar auf 40 Prozent. Ob Sie jemals eine AMD bekommen und wie ausgeprägt sie sein wird, lässt sich nicht vorhersagen. Bekannte Risikofaktoren sind Vererbung (Fälle von AMD in der eigenen Familie), Rauchen, erhöhte Blutfette, Bluthochdruck, Diabetes und Arteriosklerose. Ärzte können die Krankheit nicht heilen, jedoch schwere Verlaufsformen aufhalten. Deshalb ist Früherkennung so wichtig. Also: Machen Sie den AmslerTest auf dieser Seite! • Lesen Sie auf der nächsten Seite: Was Sie über die AMD wissen müssen. Foto: dpa Grafik: Heidelberg Engineering Amsler-Test Dieser genial einfache Selbst­test stammt von Marc Amsler (1891 1968), einem Augenarzt aus der Schweiz. Betrachten Sie das Gitter im normalem Leseabstand. Wer eine Lesebrille braucht, setzt sie auf. Nun bedecken Sie mit der Hand ein Auge. Schauen Sie direkt auf den schwarzen Punkt. Sind alle Linien gerade? Oder sehen Sie einen Bereich unscharf, verzerrt oder verschwommen? Dann sollten die Alarmglocken läuten. Jetzt machen Sie das Gleiche mit dem anderen Auge. Wiederholen Sie diesen Test regelmäßig. Im hohen Alter am besten täglich. Sobald Sie eine krumme Linie sehen oder ein verbogenes Quadrat – sofort zum Augenarzt. Er kann feststellen, ob Sie eine beginnende AMD haben. FORUM GESUNDHEIT 19 Titelthema Altersbedingte Makuladegeneration (AMD): Das müssen Sie wissen Welche Formen der AMD gibt es? Mediziner unterscheiden zwischen trockener und feuchter AMD. Von einer trockenen AMD spricht man, wenn die Veränderungen in der Makula nicht mit einem Ausschwitzen von Gewebsflüssigkeit in die umgebende Netzhaut einhergehen. Die trockene AMD ist mit etwa 80 Prozent die häufigste Form. Zum Glück auch die mildeste: Trockene AMD schreitet am langsamsten voran und verursacht die geringsten Sehkrafteinbußen. Eine feuchte AMD 20 FORUM GESUNDHEIT entsteht dadurch, dass der Organismus neue Blutgefäße unter der Makula bildet. Eigentlich ein sinnvolles biologisches Prinzip, weil die neuen Blutgefäße den Abtransport der liegen gebliebenen Stoffwechsel-Abbauprodukte beschleunigen – aber gerade an dieser winzigen Stelle richten sie mehr Schaden an als sie nützen. Bei den jungen Blutgefäßen tritt noch Gewebsflüssigkeit aus (daher feuchte AMD), und die Flüssigkeit lässt die Netzhaut anschwellen. Das führt zu großflächigen Vernarbungen mit weiterer Zerstörung der Makula. Die feuchte AMD führt meist zu einer schnellen und drastischen Sehminderung. Deshalb sollten Sie den Amsler-Test (Seite 19) zur Routine machen. Was kann man gegen die AMD tun? Die degenerative Grunderkrankung der AMD lässt sich nicht heilen. Die richtige Behandlung kann aber die verbliebene Sehkraft erhalten oder zumindest die weitere Verschlechterung bremsen. Und schließlich das Leben mit der Beeinträchtigung erleichtern. Titelthema Wie kann man vorbeugen? 1. Vermeiden Sie Risikofaktoren. Also: Rauchen aufgeben und Fettstoffwechsel, Bluthochdruck und Diabetes optimal einstellen. 2. Bei Stoffwechselstörungen spielt immer die Ernährung mit. Speziell bei AMD wird insbesondere der Zufuhr von Lutein und Zeaxanthin eine wichtige Rolle zugesprochen. Diese Substanzen dienen als Lichtschutzstoffe in der Makula. Von ihrer Farbe stammt auch der Name Gelber Fleck. Im Alter nimmt die Dichte dieser Stoffe ab. Natürlich reich an Lutein und Zeaxanthin sind gelbes und grünes Obst und Gemüse wie Paprika, Karotten, Tomaten, Melonen, Mais, Orangen, Brokkoli, Spinat und Erbsen. Die darin enthaltenen Vitamine und Antioxidantien sind ebenfalls hilfreich zur Vorbeugung. 3. Achten Sie auf Lichtschutz. Brillengläser mit UV-Filter sind an sonnigen Tagen empfehlenswert. Was ist die beste Therapie gegen AMD? Fotos: iStock / tbradford — iStock / GlobalStock Bei trockener AMD gibt es noch keine Behandlungsmöglichkeiten. Da die trockene AMD in der Regel sehr langsam fortschreitet, muss man sich keine Sorge um einen raschen Sehverlust machen. Immer wieder werden alternative Behandlungsmethoden diskutiert (Akupunktur, Biofeedback, Augengymnastik). Hier fehlen noch Wirkungsnachweise. Bei der feuchten AMD haben alle Behandlungsverfahren ein einziges Ziel: die Verödung und Beseitigung der neu gebildeten Blutgefäße, um den Flüssigkeitsaustritt unter die Netzhaut zu verhindern. Durch die Einführung von Medikamenten, welche in das Augeninnere (Glaskörper) eingespritzt werden, ist in den letzten Jahren ein Meilenstein in der Behandlung der feuchten AMD gesetzt AMD-Betroffene sollten offen über ihre Sehschwäche reden. So kann sich ihr Umfeld darauf einstellen. worden. Diese Behandlung heißt intravitreale operative Medikamenteneingabe (IVOM). Doch es gibt verschiedene Medikamente und immer wieder Neuentwicklungen. Und die Therapie muss auf jeden Patienten individuell abgestimmt werden. Deshalb ist es wichtig, sich an einen erfahrenen Spezialisten zu wenden. Was kann ich tun, wenn ich bereits AMD habe? Immer daran denken: AMD macht nicht blind. Betroffen ist immer nur das Netzhautzentrum. Es ist zwar schlimm, wenn zum Beispiel das Lesen massiv erschwert wird. Aber das äußere Gesichtsfeld, das für die Orientierung in der Umgebung wichtig ist, bleibt erhalten. Fälle, in denen die Orientierungsfähigkeit Altersgerechtes iPad tatsächlich bedroht ist, sind Makuladegeneration? Dafür gibt’s jetzt eine selten. App. Nutzern von Apples iPad ermöglicht die Lupen- und Fernglas-Anwendung Yris das Vergrößern von Texten und Objekten auf dem Tablet. Yris ist im App-Store kostenlos erhältlich. Entwickelt wurde die Anwendung von Studierenden der Universität Würzburg. Die Behinderung akzeptieren. Zwar kann man die AMD nicht heilen, aber man kann lernen, damit so gut wie möglich zurechtzukommen. Alle technischen und sonstigen Hilfen nutzen. Vergrößernde Sehhilfen sind beim Lesen eine große Erleichterung. Für die Ferne kommen kleine Fernrohrsysteme in Frage. Zum Lesen und für Handarbeiten oder zum Basteln gibt es zahllose Sehhilfen: Überkorrigierte Lesebrillen, handgehaltene Lupen, auch mit eingebauter Beleuchtung. Lesestäbe, Lesesteine und Standlupen haben einen festen Abstand zum Schriftstück. Mit Lupen, die man auf die eigene Brille aufstecken kann, mit einem Halsband vor sich tragen oder mit einem Gestell am Tisch befestigen kann, habe Sie die Hände frei zum Arbeiten. Schließlich gibt es für hohen Vergrößerungsbedarf elektronische Sehhilfen in Form von Fernsehlesegeräten in unterschiedlichen Ausführungen. Auch Blendung und mangelndes Kontrastsehen können durch spezielle Brillengläser (Kantenfiltergläser) verbessert werden. • Peter Böhnel Aktuelle Informationen zur AMD erhalten Sie über den Pro-Retina-Verein www.proretina.de oder den Blindenbund, www. bbsb.org, der sich ja auch um Sehbehinderte kümmert. Die Augenklinik Sulzbach bietet eine Spezialsprechstunde an. Telefon 06897-574-1121 FORUM GESUNDHEIT 21 Titelthema Gesundheit aus dem Blickwinkel des Optikers Der Zentralverband der Augenoptiker (ZVA) zertifiziert sogenannte Optometristen, Augenoptiker mit medizinischer Zusatzausbildung. So wie Andreas Müller aus Spiesen-Elversberg. Er will damit aber nicht den Augenärzten Patienten wegnehmen, sondern sich von Fielmann & Co. und Onlinehändlern abheben. A ndreas Müller liebt seinen Beruf. „Man macht nie die gleiche Arbeit, jeder Fall ist anders“, sagt der 57-jährige Augenoptikermeister. Zudem sei sein Job „technisch sehr anspruchsvoll“. Dass er dieses Handwerk erlernt hat, war ihm quasi schon in die Wiege gelegt. Er ist Spross einer regelgerechten Optiker-Dynastie und führt den Familienbetrieb in Spiesen-Elversberg seit 1984 bereits in der vierten Generation. Doch auch wenn Müller mit seiner Tätigkeit eine jahrzehntelange Familientradition fortführt – er versäumt es nicht, mit der Zeit zu gehen. Bereits vor einigen Jahren hat er sich einer in Deutschland noch sehr jungen Disziplin im Bereich der Augenoptik verschrieben – der Optometrie, die vor allem aus dem angelsächsischen Raum nach Deutschland kam. Darin hat er 2011 eine Zusatzausbildung erworben. Doch der Reihe nach: Andreas Müller hat so etwas wie einen Grundablauf, nach dem er verfährt, wenn Menschen über Sehschwäche klagen und zu ihm in den Laden kommen. Alles beginnt mit dem Verstehen der gesundheitlichen Vorgeschichte: Nimmt die Person irgendwelche Medikamente ein? Hat sie öfter Kopfschmerzen? Hat sie Bluthochdruck oder 22 FORUM GESUNDHEIT Diabetes? Diese sogenannte Anamnese gehört bereits zur Vorgehensweise von Optometristen, die sich nicht allein auf das Handwerkliche konzentrieren, sondern auch medizinisch ausgebildet sind und interdisziplinär arbeiten. Das heißt: Sie untersuchen bestehende Sehstörungen Andreas Müller betrachtet eine Seh­ stör­ung­ auch unter medizinischen Aspekten aus mehreren Blickwinkeln. Sie testen die visuellen Fähigkeiten des Patienten. Sie beantworten Fragen nach dem Sehvermögen und suchen Gründe für Sehstörungen und andere Beschwerden wie zum Beispiel Kopfschmerzen. Doch sie sind keine Ärzte, wie Müller immer wieder betont: „Ich stelle keine feste Diagnose. Das macht der Augenarzt. Ich stelle nur Auffälligkeiten fest und verweise an einen Mediziner.“ So spricht Müller auch niemals von „Patienten“, sondern immer nur von „Klienten“. Denn abgesehen von seiner Zusatzausbildung ist Müller ein ganz klassischer Optikermeister. Und als solcher macht er natürlich auch das, was Optiker eben so tun: Er stellt Brillen her und verkauft sie. Dazu muss er zunächst einmal eine Augenglasbestimmung vornehmen, eine Feststellung der Fehlsichtigkeit. Das geschieht erst einmal per Computer, mit dem sogenannten Autorefraktometer. Der vermisst optisch-geometrisch die Augen und spuckt Werte aus, die den späteren Stärken der Brillengläser nahekommen. Doch diese Werte müssen anschließend subjektiv abgestimmt werden. Für diese Feinjustierung verwendet Müller eine Messbrille, einen Phoropter, und die allseits bekannten Zahlenreihen, die der Foto: Becker & Bredel Von Gerrit Dauelsberg Titelthema Ein reichhaltiges Instrumentarium zum Messen und Untersuchen gehört zum Inventar des Optometristen. FORUM GESUNDHEIT 23 Titelthema Mit moderner CNC-Technik werden optische Brillengläser an die gewünschte Fassung angepasst 24 FORUM GESUNDHEIT Klient vorlesen muss. Dabei erfolgt zunächst eine Einzelkorrektur des linken und des rechten Auges, anschließend ein binocularer (beidäugiger) Abgleich mit Ermittlung des räumlichen Sehens. Anschließend kontrolliert Müller noch das zentrale Gesichtsfeld mithilfe des sogenannten Amsler-Tests (siehe auch Seite 19). Dabei schaut der Klient auf eine Karte mit einem Gitter darauf – genauer gesagt auf einen Punkt in der Mitte. Sieht er nun zum Beispiel „Löcher“ im Raster oder „dunkle Stellen“ in dem Gittermuster, gegebenenfalls auch Wellen oder Verkrümmungen der Rasterlinien, liegen womöglich Gesichtsfelddefekte vor. Dann muss der Klient zum Augenarzt. Sofern es keine Auffälligkeiten gibt, und sofern der Kunde keine zusätzliche optometrische Untersuchung wünscht, kann er nun das Brillenmodell und die Gläser aussuchen. Bei Bedarf natürlich auch Kontaktlinsen. Die Brillenfassung bekommt Müller als Halbfertigprodukt geliefert – ebenso die Brillengläser, die als Rohlinge kommen und bereits die bestellten dioptrischen Werte enthalten. Der Optiker zentriert die Gläser nun auf die messtechnisch ermittelten Erfordernisse des Klienten. Anschließend werden die Gläser mittels CNC-Randbearbeitungsautomat für die jeweils ausgesuchte Brille passend geschliffen. Ist diese fertig, wird der Kunde benachrichtigt. Bei der Abholung wird sie noch an die Kopfform angepasst und eine kurze Funktionskontrolle vorgenommen. 14 Tage später erfolgt noch einmal eine Nachkontrolle. Aber auch danach können seine Kunden jederzeit zu ihm kommen und sich die Brille anpassen lassen, betont Müller. Das gehört zum Service. Fotos: Becker & Bredel (4) Andreas Müller (links, mit FORUM-Autor Gerrit Dauelsberg) in seinem Laden. Neben der Messung von Sehfehlern und der modischen Beratung beim Brillenkauf untersucht er auch die Augengesundheit. Bei Auffälligkeiten schickt er seine Kunden zum Augenarzt. Titelthema Und Service wird immer wichtiger. Denn die Konkurrenz schläft nicht. Vieles hat sich verändert, seit Müller sich 1984 selbstständig gemacht hat. Das weiß er auch aus der Sicht eines ehrenamtlichen Funktionärs, der etwa für den Zentralverband der Augenoptiker (ZVA) tätig ist und von 1993 bis zum Zusammenschluss mit Rheinland-Pfalz im Jahre 2008 saarländischer Landesinnungsmeister war. Seit 2011 ist er nun stellvertretender Landesinnungsmeister RheinlandPfalz/Saarland. „Es hat eine Zunahme der Großfilialisten gegeben“, sagt er. Deren Stückmarktanteil liegt inzwischen bei 50 Prozent. Die Folge: „Die Branche ist aggressiver geworden.“ Das macht sich in einem harten Preiskampf im Billigstsektor bemerkbar. Und da ist Müller ganz ehrlich: „In diesem Bereich kann ich mit den Großfilialisten nicht mithalten. Das funktioniert nur über große Stückzahlen.“ Doch bei individuell angefertigten Brillen scheut der Familienunternehmer den Vergleich mit Fielmann, Apollo Optik und Co. nicht: „Da traue ich mir zu, auch preislich mithalten zu können.“ Sein großes Plus liege zudem im Bereich Service: „Ich nehme mir viel Zeit“, sagt Müller. Und: „Ich setzte auf Gesundheitsdienstleistungen.“ Genau da kommt seine Zusatzausbildung als Optometrist ins Spiel, die ein Jahr dauerte und die er bei der Fachakademie für Augenoptik in Dormagen absolvierte. Wer sich von Müller optometrisch untersuchen lässt, dessen Augen werden zunächst mit einem Spaltlampenmikroskop betrachtet. Zunächst nimmt sich der Optometrist den vorderen Augenabschnitt vor und sucht nach etwaigen Verletzungen der Hornhaut oder Durchblutungsstörungen. In der vorderen Augenkammer begutachtet er die augeneigene Linse und kann so Erkrankungen, wie zum Beispiel einen grauen Star, feststellen. Der nächste Schritt ist eine direkte oder indirekte Ophthalmoskopie. Dabei beurteilt der Optometrist den Augenhintergrund, etwa die Netzhaut. Zu einer optometrischen Untersuchung gehören auch die sogenannten Funktionsprüfungen: Sind die Augenbewegungen normal, erfolgen sie synchron? Wie verhalten sich die Pupillen? Wie ist die Haltung des Klienten? All das dient zur Auffindung von Auffälligkeiten. Falls solche vorhanden sind, wird der Klient damit zu einem Arzt geschickt. Und wer braucht alles einen Optometristen? Müller: „Eigentlich jeder. Hat doch jeder Einzelne spezielle Fragen und ein elementares Interesse, mehr über seine Augen zu erfahren. Ohne Zeitdruck kann der Optometrist Auffälligkeiten feststellen und Erklärungen liefern, warum eine vorhandene Brille nur bedingt weiterhilft, um mit einer neuen, exakten Brille oder Kontaktlinse die allgemeine Leistungsfähigkeit zu verbessern.“ Auch wenn der Begriff Optometrist als solcher nicht geschützt ist, muss nach Auskunft der ZVA doch jeder, der im Geschäftsverkehr mit dieser Bezeichnung auftritt, besondere Qualifikationen in der Optometrie haben. Auf dieser Grundlage dürfen derzeit deutschlandweit etwa 1.600 Optiker den Titel geschäftlich verwenden. Gerade für kleinere Betriebe sieht der ZVA im Bereich der Optometrie eine große Chance. In einem Strategiepapier konstatiert der Verband, „dass der Bedarf Die Ausbildung von Opto­ metrist­en ist auch eine Antwort auf den zunehmenden Ärztemangel an augenärztlichen Gesundheitsdienstleistungen bereits bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent (!) ansteigen wird. Gleichzeitig verringert sich die Anzahl der niedergelassenen Augenärzte“. Weiter heißt es: „Die Zuwendung zu mehr optometrischen Dienstleistungen kann den Preisvorteilen der Filialisten Verkaufsargumente entgegensetzen. Darüber hinaus kann mit dem Angebot von optometrischen Dienstleistungen eine Abgrenzung gegenüber dem Onlinehandel erfolgen.“ Letzterer spiele laut ZVA umsatzmäßig bislang noch keine so große Rolle, werde aber mittelfristig an Bedeutung gewinnen. Eine weitere Herausforderung für die Optikerbranche sieht Müller in der Gewinnung von Nachwuchs: „Der Fachkräftemangel bahnt sich langsam an“, meint er. „Es ist manchmal schwierig, Ausbildungsplätze zu besetzen.“ Deutschlandweit bilden die nach Auskunft des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) 11.920 Optikerbetriebe insgesamt 6.025 Lehrlinge aus (Stand: Ende 2014). Im Saarland gibt es 170 Betriebsstätten, die nach Angaben von Müller etwa 70 bis 80 Auszubildende beschäftigen. Und die Perspektiven sind eigentlich sehr gut: Nur 673 arbeitslose Optiker gab es im April 2015. Dem stehen deutschlandweit laut ZDH 48.700 Beschäftigte gegenüber. Und was muss man mitbringen, wenn man Optiker werden möchte? Müller: „Spaß an Technik, handwerkliches Geschick und vor allem Freude am Umgang mit Menschen.“ Denn mit denen arbeitet man Tag für Tag. Und jeder Fall ist anders. • FORUM GESUNDHEIT 25 Aktuelles Das neue Präventionsgesetz fördert neben vorbeugenden Maßnahmen auch zusätzliche Check-ups für Jugendliche. 26 FORUM GESUNDHEIT Aktuelles „Jetzt sind die Unternehmen gefordert“ Ohne großes Aufsehen zu erregen, hat der Bundesrat im Juli das neue Präventionsgesetz durchgewunken. Doch was bedeutet das für den Bürger? FORUM Gesundheit sprach mit Franz Gigout von der Landesarbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung Saarland (LAGS). Interview: Peter Böhnel H err Gigout, Sie kommen gerade von einem wichtigen Treffen bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln. Ja, mit der Leiterin Heidrun Thaiss. Worum ging es? Um zukünftige Finanzmittel, wie sie für Gesundheitsförderung ausgegeben werden und wie die BZgA künftig mit den Landesvereinigungen für Gesundheit zusammenarbeiten kann. Nach dem neuen Präventionsgesetz kriegt die BZgA von den Krankenkassen in Zukunft 45 Cent pro Versichertem. Foto: iStock / knape Das betrifft nur die BZgA. Welche Finanzmittel sieht das Gesetz sonst noch vor? Die Kassen müssen jetzt sieben Euro pro Versichertem und Jahr ausgeben für Prävention und Gesundheitsförderung. Pro Versichertem, nicht nur pro Beitragszahler. Also auch für mitversicherte Kinder. Sieben Euro statt bisher drei. Was passiert mit dem Geld? Von den sieben Euro sind drei Euro für die Individualprävention der Kassen vorgesehen, also zum Beispiel Kurse. Zwei Euro für Betriebliches Gesundheitsmanagement. Die restlichen zwei Euro für nichtbetriebliche Settings, Lebenswelten wie Schulen, Kitas, Gemeinden und Wohnquartiere. Davon gehen 45 Cent an die BZgA und der Rest, 1,55 Euro, ist sozusagen verhandelbare Masse. Insgesamt also mehr Ausgaben für die Prävention. Lohnt sich das denn? Ja. Man weiß, dass sich die Investition in Prävention lohnt. Geld in Prävention stecken spart auch viele Sozialleistungen. Nehmen Sie als Beispiel die Stadt Dormagen. Sie investiert in Präventionsketten zur frühkindlichen Entwicklung, ist jetzt in der Gewinnzone. Oder das Perry Pre School Project in Michigan, USA. Es gibt viele Beispiele für lohnende Projekte. Übrigens ist es wichtig, in die Kindergärten und Schulen zu gehen, um damit soziale Stigmatisierung zu vermeiden. Oder nehmen wir die Schule in Bad Homburg, die eine tägliche Sportstunde eingeführt hat. Diese Zeit musste bei den Hauptfächern abgeknapst werden. Trotzdem gibt es bessere Schulleistungen, weniger Ge- Worum geht’s? Das Präventionsgesetz enthält Regeln, die zu mehr Gesundheitsvorsorge führen sollen. Dazu wird aus Versichertenbeiträgen ein größerer Anteil abgezweigt. Die jährlichen Mehrkosten zulasten der Kranken- und Pflegekassen werden auf mehr als 300 Millionen Euro veranschlagt. Hier die wichtigsten Punkte: • Die Gesundheitsförderung soll direkt im Lebensumfeld der Versicherten gestärkt werden, etwa in der Kita, der Schule, am Arbeitsplatz und in Pflegeeinrichtungen. • Insgesamt sollen die gesetzlichen Krankenkassen vom kommenden Jahr an sieben Euro statt bislang 3,09 Euro pro Versichertem und Jahr für Gesundheitsförderung ausgeben. • Es wird keine Impfpflicht eingeführt, aber das Impfen soll gefördert werden. Beispielsweise dürfen bald alle Ärzte impfen, beim KitaEintritt ist der Nachweis einer Impfberatung Pflicht. Bis zum 18. Lebensjahr erhalten Jugendliche eine zusätzliche Gesundheitsuntersuchung. Behörden können Ungeimpfte künftig beim Auftreten von Masern vom Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen ausschließen. • Die Soziale Pflegeversicherung soll auch gesundheitsfördernde Maßnahmen in Pflegeeinrichtungen fördern. • Gesundheits-Checks und Früherkennung sollen weiterentwickelt und stärker individualisiert werden, je nach persönlichen Risikofaktoren. FORUM GESUNDHEIT 27 Aktuelles walt, weniger Unfälle. Mit der Prävention in der Gesellschaft verhält es sich ähnlich wie mit den Fehlerverhütungskosten in der Industrie. Es ist billiger, Fehler zu vermeiden, als sie später zu beheben. Es gibt also bereits bewährte Konzepte, die man aufgreifen, die man verbreiten könnte? Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zum neuen Gesetz: „Ziel ist, Krankheiten zu vermeiden, bevor sie überhaupt entstehen.“ Ja, man weiß eigentlich, wie es geht, nimmt aber kein Geld dafür in die Hand. Ein Beispiel aus Griechenland: Im Rahmen der Sparprogramme wurde die AidsPrävention gekürzt. Jetzt hört man, dass dort die Infektionen hochgehen. Die Gelder für das Betriebliche Gesundheitsmanagement müssen alle Beitragszahler berappen, aber sie kommen nur den Beschäftigten zugute, deren Arbeitgeber so ein Gesundheitsmanagement anbieten. Das sind derzeit nur die Großunternehmen. Ziemlich ungerecht, oder? Das neue Präventionsgesetz tritt am 1. Januar 2016 in Kraft. Welche Folgen wird es für den Bürger haben? Das Kursangebot der Krankenkassen wird sich vergrößern. Die Kassen werden mehr auf Betriebe zugehen – oder umgekehrt. Und es wird mehr solcher Aller guten Dinge sind vier Dies ist das erste Mal, dass es eine deutsche Regierung schafft, Gesundheitsförderung gesetzlich zu verankern. Es gab schon drei erfolglose Versuche. Bereits vor zehn Jahren war die damalige rot-grüne Bundesregierung ganz nah dran und verabschiedete ein Präventionsgesetz — gegen die Stimmen der Opposition, worauf der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrief, das Ganze vertagte und das Gesetz nicht mehr vor Ablauf der Legislaturperiode in Kraft treten konnte. Die folgende Große Koalition startete 2007 einen neuen Anlauf, doch dieser verlief wegen Reibereien zwischen SPD und CDU/ CSU im Sande. 2010, während der CDU-FDP-Koalition, scheiterte ein 28 FORUM GESUNDHEIT dritter Versuch. Die Initiative ging von der SPD-Opposition aus. Auf ihre kleine Anfrage antwortete die damalige Regierung Merkel, dass „der vom Bundesminister für Gesundheit in der vergangenen Legislaturperiode erarbeitete Entwurf eines Präventionsgesetzes nicht weiterverfolgt wird“. Doch nun, beim vierten Anlauf, ist endlich die Ziellinie in Sicht. Am 17. Dezember 2014 ging’s los. Da beschloss die aktuelle Bundesregierung den Entwurf eines neuen Präventionsgesetzes. Aus dem Entwurf wurde eine Vorlage. Am 10. Juli hat nun der Deutsche Bundesrat das Gesetz genehmigt. Seinem Inkrafttreten am 1. Januar 2016 steht jetzt nichts mehr im Weg. Setting-Projekte geben. Ich kann mir auch vorstellen, dass etwa das Programm der Frühen Hilfen jetzt ausgebaut werden kann, in Richtung Aufbau von Präventionsketten. Was werden die Konsequenzen für die Akteure des Gesundheitssystems, auch für Ihre LAGS, sein? Es müssen nun aufeinander aufbauende, abgestimmte Konzepte entwickelt werden. Ich sehe die Chance, dass Prävention einen höheren Stellenwert kriegt. Aber wir müssen auch einschränkend sehen: Die Finanzmittel, die hier für ein Jahr frei werden, entsprechen den Krankheitskosten, die in unserem Versorgungssystem an einem einzigen Tag anfallen. Wie bewerten Sie persönlich das neue Gesetz? Für mich ist das neue Präventionsgesetz ein erster wichtiger Schritt. Man hat einen Pflock eingeschlagen. Aber wir müssen gemeinsam weitergehen. Was finden Sie denn noch ausbaufähig? Ein Kritikpunkt wäre: Der Gesetzgeber hat es nicht geschafft, die privaten Krankenversicherer (PKV) mit ins Boot zu nehmen. Die PKV zahlen ihren Versicherten ja auch keine Präventivmaßnahmen, wie zum Beispiel Entspannungstraining. Fotos: dpa (2) — Peter Böhnel Jetzt liegt es an den Unternehmen. Sie sind gefordert. Und es muss vom Kopf des Unternehmens gewollt sein. Betriebliches Gesundheitsmanagement ist Chefsache. Wichtig ist aber auch, dass nun in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten gerade für kleine und mittlere Unternehmen passende Angebote entwickelt werden. Aktuelles Es wird keine Impfpflicht eingeführt, aber das Impfen soll in Zukunft gefördert werden. Auf Bundesebene fehlt derzeit noch die breite politische Basis für das Gesetz. Dazu müssten weitere Ministerien wie das für Ernährung und Landwirtschaft, das für Arbeit und Soziales oder das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit beteiligt werden. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Wichtig ist jetzt, dass es dieses Gesetz erst mal gibt. Es ist eine andere Arbeitsbasis als bisher. Apropos Arbeitsbasis. Die LAGS wird vermutlich viele der neuen Maßnahmen und Projekte begleiten. Erhoffen Sie sich eine stärkere Position der LAGS? Zurzeit sind wir für das Gesundheitsministerium eine freiwillige Leistung. Jetzt sehe ich die Möglichkeit, dass wir als Netzwerker, als Kooperationsplattform, als Wegbereiter aus dieser prekären Situation herauskommen. Prekäre Situation? Unsere Mitarbeiter haben nur Zeitverträge. Hoffen Sie nun auf eine Institutionalisierung der LAGS? Ja, wir brauchen eine gesicherte Position, damit wir vernünftig und verlässlich arbeiten können. Als was? Als Vermittler, Berater, Netzwerker und als Partner in der Qualitätssicherung. Mitglieder wie Coca Cola und den Bundesverband der deutschen Süßwarenindustrie. Zurzeit begleitet die LAGS bereits mehrere Projekte der Gesundheitsförderung. Nennen Sie ein aktuelles Beispiel, das Ihnen am Herzen liegt. Was ist Ihr persönliches Credo, was ist für eine gute Präventionspolitik wichtig? Unser Projekt Schatzsuche. Ein Programm in Kitas. Es geht darum, gemeinsam mit Erzieherinnen und Eltern die positiven Eigenschaften der Kinder zu finden und die Kinder starkzumachen. Welche Schwerpunkte möchte die LAGS in Zukunft setzen? Unser Ziel ist, dass viel auf kommunaler Ebene ankommt. Dort, wo die Menschen lernen, leben, lieben und arbeiten, wie es in der Ottawa Charta von 1986 heißt. Uns geht es um Struktur- und Organisationsentwicklung. Nicht um Einzelmaßnahmen, sondern um das System. Und die Rolle der LAGS hierbei? Die LAGS kann solche Prozesse begleiten und unterstützen. Und auch Politikberatung leisten. Gerade, weil auch andere Interessengruppen Politiker im Bereich Prävention „beraten“, Einfluss nehmen wollen. So ein Beispiel ist die Plattform für Ernährung und Bewegung PEB. Das sieht auf den ersten Blick ganz schön aus, gegen die Angebote lässt sich auch inhaltlich nichts sagen, aber beim näheren Hinsehen entdecken Sie Menschen befähigen, ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen, das ist wichtig. Und alle Politikbereiche sollten sich für Prävention und Gesundheitsförderung verantwortlich fühlen. • Franz J. Gigout ist seit 1991 Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung Saarland e. V. (LAGS). Er studierte Germanistik, Geschichte und Sozialkunde an der Uni Saarbrücken, bildete sich in Remscheid zum Spielpädagogen weiter und studierte Total Quality Management (Fernuni Kaiserslautern). Gigout arbeitete als Pädagoge in der Psychosozialen Beratungsstelle für junge Menschen in Saarbrücken und machte ehrenamtlich Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten. FORUM GESUNDHEIT 29 R at & Hilfe Kann eine Erkältung wirklich lebensbedrohlich werden? Bald stehen schon wieder Herbst und Winter vor der Tür – und mit ihnen ein paar fiese Erkältungs­ wellen. Wer dann seinem Körper keine Pause gönnt, riskiert eine Herzmuskel­e ntzündung. In FORUM Gesundheit erfahren Sie, warum es so wichtig ist, sich auch bei harmlosem Husten und Schnupfen sorgfältig auszukurieren. 30 FORUM GESUNDHEIT K urier’ dich gut aus, sonst kann die Erkältung aufs Herz gehen!“ Viele Menschen haben diesen gutgemeinten Ratschlag schon mal gehört – und nicht beherzigt. Warum auch? Wie soll eine läppische Erkältung denn bitteschön auf Herz übergreifen? Das ist doch bestimmt nur Panikmache! Herzmuskelentzündungen: harmlose Viren, tödlicher Verlauf Ist es nicht. Die Herzmuskelentzündung ist eine ernste Erkrankung, die tatsächlich häufig durch Viren und Bakterien ausgelöst wird, die bei Betroffenen vorher einen grippalen Infekt oder auch eine Magen-Darm-Grippe verursacht haben. Besonders werden Enteroviren (zum Beispiel Cocksackie-B-Virus) als Auslöser festgestellt. Auch Grippe- und Adenoviren können die Erkrankung hervorrufen. Die Krankheitserreger greifen den Herzmuskel an, wodurch dieser an Leistungsfähigkeit verliert. Die Symptome einer Myokarditis, so lautet der Fachbegriff für R at & Hilfe Herzmuskelentzündung, sind vielfältig und oft nicht auf den ersten Blick als ernste Erkrankung zu erkennen. Unbehandelt kann die Krankheit jedoch zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen und sogar zum plötzlichen Herztod führen. Häufigste Ursache für plötzlichen Herztod Werden scheinbar harmlose Infekte wie Erkältungen oder Brechdurchfall nicht vollständig auskuriert, ist das Risiko, an einer Herzmuskelentzündung zu erkranken, besonders groß. Häufig sind Menschen betroffen, die sich nach oder während eines Infekts nicht genug Schonung gönnen. Bei jungen, sonst herzgesunden Menschen und Leistungssportlern ist eine Herzmuskelentzündung sogar die häufigste Ursache für den plötzlichen Herztod! Fotos: fotolia / Viacheslav Iakobchuk — dpa Die Symptome sind oft diffus Die Symptome einer Herzmuskelentzündung sind selten eindeutig. Betroffene ordnen den ersten Anzeichen oft erst mal keinen Krankheitswert zu. Häufige Anfangssymptome der Erkrankung sind: Vor allem nach einem vermeintlich banalen Infekt können häufige Schlappheit oder rasche Ermüdungserscheinungen auf eine Herzmuskelentzündung hinweisen. Werden beispielsweise leichte Hausarbeiten, kleine Fußwege oder kurzes Treppensteigen als ungewöhnlich anstrengend empfunden, steckt möglicherweise ein angegriffener Herzmuskel hinter der Leistungsschwäche. In einigen Fällen macht sich die Herzmuskelentzündung durch Herzstolpern, Herzrasen oder (auch leichte) Schmerzen im Brustkorb bemerkbar. Wichtig: Viele Menschen leiden gelegentlich unter harmlosem Herzstolpern ohne Krankheitswert. Wenn Sie kürzlich einen Infekt durchgemacht haben, sollten Sie solche Symptome aber ernst nehmen und umgehend beim Arzt abklären lassen. Auch Wasseransammlungen in den Beinen, Fieber und unerklärlicher Gewichtsverlust können zu den Symptomen der Myokarditis gehören. Beim ersten Anzeichen sofort zum Arzt Um einen ernsten Verlauf der Erkrankung abzuwenden, ist es wichtig, beim ersten Verdacht auf Herzmuskelentzündung einen Arzt aufzusuchen. Rechtzeitig erkannt und behandelt (wichtigste Maßnahme: strikte körperliche Schonung!) Fußballprofi Daniel Engelbrecht (Stuttgarter Kickers) trägt nach einer Herzmuskelentzündung einen Defibrillator im Körper. heilt die Erkrankung regelmäßig ohne bleibende Schäden aus. Beim Verdacht auf Herzmuskelentzündung ist ein Internist oder Kardiologe der richtige Ansprechpartner. Auch der Hausarzt kann Anzeichen einer Myokarditis erkennen und gegebenenfalls weitere Schritte veranlassen. Um die Diagnose zu stellen, sind verschiedene Maßnahmen nötig. Ruhe ist oberstes Gebot Bei der viralen (und häufigsten) Form der Herzmuskelentzündung gibt es keine medikamentöse Behandlung, welche die Ursache der Erkrankung bekämpft. Behandelt wird die Krankheit in diesem Fall mit konsequenter Bettruhe und Medikamenten, die die Symptome der Myokarditis lindern (zum Beispiel entwässernde Medikamente). Der erkrankte Herzmuskel muss entlastet und vollständig auskuriert werden. Im Vordergrund der Therapie steht deshalb die strikte körperliche Schonung des Patienten bis alle Symptome vollständig und nachhaltig verschwunden sind. Gelegentlich können auch Bakterien Auslöser einer Herzmuskelentzündung sein. In diesem Fall werden in den meisten Fällen parallel zur körperlichen Schonung Antibiotika gegen die ursächlichen Erreger eingesetzt. Der Verlauf der Erkrankung ist schwer vorhersehbar Wie schwerwiegend eine Herzmuskelentzündung verläuft, ist sehr unterschiedlich. Manchmal bleibt die Erkrankung unbemerkt oder ruft nur schwache, grippeartige Symptome hervor. Es gibt aber eben auch schwere Fälle mit langwierigen Verläufen, die im schlimmsten Fall tödlich enden. Bei unkomplizierten Herzmuskelentzündungen zeigt sich die Erkrankung meist „nur“ durch allgemeine Leistungsschwäche des Patienten, geringfügige Veränderungen im EKG oder leichte Herzrhythmusstörungen. Bei früher Diagnose und Behandlung heilt die Myokarditis in diesen Fällen meist innerhalb weniger Wochen folgenlos ab. Manchmal kommt es zu Wasser in den Beinen Ist die Funktion des Herzens durch die Infektion bereits stärker eingeschränkt, bilden sich häufig Wasseransammlungen in den Beinen (Ödeme) oder auch in der Lunge. Durch strikte körperliche Schonung und medikamentöse Therapie kann die Myokarditis auch in diesen Fällen ausheilen – in einigen Fällen bleibt nach der Genesung aber eine reduzierte Funktion des Organs bestehen (verringerte Pumpleistung). Wirksamste Vorbeugung: Erkält­ ungen vollständig auskurieren Die beste und wirksamste Vorbeugung gegen Herzmuskelentzündungen ist, Erkältungskrankheiten, grippale Infekte oder Magen-Darm-Erkrankungen vollständig auszukurieren und dem Körper genügend Zeit zur Regeneration zu gönnen. Konkret bedeutet das: Während eines akuten Infekts und einige Zeit danach keinen Sport treiben und körperliche Anstrengungen meiden. • Simone Schamann FORUM GESUNDHEIT 31 R at & Hilfe „Wer träumt, ist kreativ!“ Z um Thema Traumdeutung gibt es jede Menge Ratgeber-Literatur. Meist werden darin klassische Traumszenarien beschrieben, die viele Menschen bereits im nächtlichen Kopfkino erlebt haben: Fliegen können, aus großer Höhe abstürzen, plötzliches Nacktsein in der Öffentlichkeit oder auch Träume mit symbolträchtigen Tieren (zum Beispiel Mäusen, Löwen, Pferden). Solche Bücher können interessante Anre- 32 FORUM GESUNDHEIT gungen zur Aufschlüsselung der eigenen Traumwelten geben – mehr aber auch nicht. Die Wechselwirkungen zwischen Gehirn und Psyche, die während eines Nachttraums stattfinden, sind viel zu komplex, um sie in ein allgemeingültiges Schema zu pressen. Das Unterbewusstsein in bewegten Bildern: „Träumen ist ein höchst kre- ativer Prozess, der uns in stark überzeichneten Bildern mitteilt, was uns emotional beschäftigt“, erklärt Michael Schredl. „Der Traum greift auch auf zurückliegende Erfahrungen zurück, er verbindet aktuelle und vergangene Erlebnisse. Die detaillierte Deutung eines Traums ist deshalb nur individuell wirklich sinnvoll.“ Schredl ist Psychologie-Professor und Leiter des Zentralinstituts für seelische Gesundheit an der Universität Mannheim. Seit gut 20 Jahren untersucht er im Auftrag der Wissenschaft das The- Fotos: dpa — Privat Bizarre Situationen, herrliche Landschaften, grausame Unfälle: Die Fantasien, die unser Gehirn während wir schlafen produziert, sind manchmal schön und manchmal verstörend. Nach dem Aufwachen fragt man sich dann oft, was das wohl wieder zu bedeuten hatte. Traumforscher Prof. Michael Schredl leitet das Schlaflabor an der Universität Mannheim – und arbeitet daran, dem Phänomen auf die Spur zu kommen. R at & Hilfe mit wiederkehrenden Alptäumen haben, wenden sich an Prof. Schredl und sein Team. „Rund fünf Prozent der Menschen, die Alpträume haben, leiden auch unter ihnen“, erklärt der Traum-Experte. „Die Nachwirkungen eines intensiven Alptraums können das körperliche Wohlbefinden und die allgemeine Lebensqualität stark beeinträchtigen.“ Wenn Alpträume zum Problem werden: Beängstigende Träume, die nach dem Aufwachen noch ein paar Stunden nachwirken, kennt zwar fast jeder – sie sollten aber eher die Ausnahme bleiben. Wer häufiger als einmal pro Woche von unangenehmen Alpträumen heimgesucht wird, leidet häufig auch noch im Wachzustand unter den verstörenden Szenen, die sich in der Nacht im Kopf abgespielt haben. Folgen können die Angst vor dem Einschlafen und andere Schlafstörungen sein. Im Allgemeinen erleben dünnhäutige, sensible Menschen häufiger wiederkehrende Albträume als robuste, nervenstarke Naturen. „Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass diese Menschen schwerwiegende psychische Probleme haben“, stellt Prof. Schredl klar. „Menschen, die regelmäßig Alpträume haben, neigen einfach dazu, innere Konflikte und Spannungen auf diese Weise zu verarbeiten. Wenn diese Träume den Alltag oder die Schlafqualität belasten, sollte man aber etwas dagegen tun.“ ma Träume. Aber wie funktioniert das eigentlich? Stehen die Traumforscher gleich nach dem Aufwachen am Bett und fragen, was nachts im Kopf so los war? „So ähnlich!“, sagt Schredl. „Wir haben Probanden, die in unserem Schlaflabor übernachten. Sie werden vor dem Einschlafen ‚verkabelt‘, dann wird ihre Gehirnaktivität während der verschiedenen Schlaf- und Traumphasen aufgezeichnet. Natürlich werden sie auch im wachen Zustand zu ihren Träumen befragt. Wir haben aber auch Studienteilnehmer, die zu Hause Traumtagebuch führen und uns zur Auswertung zur Verfügung stellen.“ Traumanalyse als Teil der Psychotherapie: Der Schwerpunkt von Schredls Forschung ist der psychologische Nutzen, den Menschen aus ihren Träumen ziehen können. Traumanalysen sind nicht umsonst ein wichtiger Bestandteil der klassischen Psychotherapie, sie können helfen, innere Konflikte, wichtige Lebensthemen und unbewusste Prozesse besser zu verstehen. Aber auch Menschen, die Probleme Die schlimmen Szenen zu Ende denken: Medikamente oder eine Stan- dard-Therapie gegen Alpträume gibt es noch nicht. In Schredls Institut wird allerdings gerade eine Sprechstunde aufgebaut, in der Betroffenen geholfen wird, besser mit ihren Alpträumen klarzukommen. „Alpträume werden an der unangenehmsten Stelle häufig durch Aufwachen unterbrochen“, erklärt der Experte. „Wir machen gute Erfahrungen mit der Methode, die belastenden Trauminhalte mit den Betroffenen im Wachzustand ausführlich zu besprechen – und vor allem zu Ende zu denken. Wir erarbeiten zusammen eine Bewältigungsstrategie. Auf diese Weise erlangen die Betroffenen die Kontrolle über den Traum zurück. In vielen Fällen hat dieser Ansatz gegen Einschlaf- und Aufwachstörungen schon geholfen.“ Was träumt eigentlich ein Traumforscher? Prof. Schredl selbst hatte als erwachsener Mann übrigens noch keine bösen Träume, das weiß er ganz genau. Seit fast 30 Jahren schreibt der Wissen- schaftler nämlich auch auf, was er selbst geträumt hat. Unglaubliche 11.800 Träume hat er bereits dokumentiert. „Ich mache das wirklich fast jeden Tag und auch recht ausführlich“, erzählt er. „Es lohnt sich absolut, sich irgendwann am Tag ein paar Minuten Zeit dafür nehmen.“ Irgendwann tagsüber? Aber es ist doch immer so schwierig, sich längere Zeit an einen Traum zu erinnern! „Das kann man trainieren“, erklärt Schredl. „Wenn ich etwas geträumt habe, gehe ich die einzelnen Szenen nach dem Aufwachen noch ein paar Mal im Kopf durch – so, als würde ich ein Gedicht auswendig lernen. Auf diese Weise bleibt der Traum hängen – und man kann ihn später aufschreiben.“ Mehr als verrücktes Kopfkino: Könnte man abschließend sagen, dass Träume viel mehr sind als verrücktes Kopfkino? „Das auf jeden Fall“, meint Schredl. „Träume sind bedeutsam, weil sie zeigen, was uns emotional wichtig ist. Wir können viel über uns selbst lernen, wenn wir uns regelmäßig mit ihnen auseinandersetzen. Ob der Körper aber aus genau diesem Grund träumt – ob die Botschaften aus dem Unterbewusstsein also die konkrete, physiologische Aufgabe des Träumens sind – ist wissenschaftlich noch nicht geklärt.“ • Simone Schamann Prof. Dr. Michael Schredl ist Somnologe, stammt aus Österreich, studier te erst Elektrotechnik in Karlsruhe und später Psychologie in Mannheim. Seit 1994 arbeitet er im Schlaflabor an der Uni Mannheim. Heute ist er wissenschaftlicher Leiter des Labors. Schredl ist Mitglied in folgenden Organisationen: Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (als Sprecher der AG Traum), International Association for the Study of Dreams, European Sleep Research Society (ESRS) und Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs). FORUM GESUNDHEIT 33 R at & Hilfe Beim Schwenken zu bedenken Zu den schönsten Seiten des Sommers gehört das gemeinsame Grillen mit guten Freunden. Doch wie geht eigentlich gesundes Grillen? Und welche Besonderheiten gelten für das traditionelle Schwenken über offenem Holzfeuer, wie es im Saarland gerne praktiziert wird? FORUM Gesundheit hat Antworten für Sie. Von Peter Böhnel 34 FORUM GESUNDHEIT R at & Hilfe Da passt was drauf: Der Schwenkgrill wird im Südwesten der Republik traditionell auch auf größeren Volksfesten eingesetzt. Fotos: fotolia / photocrew — dpa V iele Menschen denken beim Thema gesundes Grillen zuerst an krebserregende Stoffe. Doch bereits vor und während des Grillens droht eine unmittelbare Gefahr, die oft unterschätzt wird: Verbrennungen und Rauchvergiftungen. Hier die wichtigsten Vorsichtsmaßnahmen: • Niemals und unter gar keinen Umständen Spiritus oder Benzin als Brandbeschleuniger verwenden. Erst recht nicht ins Feuer spritzen. Das gibt die schönsten Verpuffungen, bis hin zu meterlangen Feuerstrahlen aus der Spiritusflasche, nachdem die Flamme blitzartig von der Glut in die Flasche zurückgewandert ist. Feste Anzündhilfen sind erlaubt. Aber bitte erst auflegen, wenn diese restlos verbrannt sind. Besser: trockenes Brennmaterial, richtig schichten – und pusten oder föhnen. • Auf Standfestigkeit achten. Bedenken Sie spielende Kinder und natürlich auch alkoholisierte Gäste. Nie darf Glut durch einen Stoß verschüttet werden. Wie heiß glühende Kohle werden kann? Das wollen Sie gar nicht wissen. • Immer unter freiem Himmel grillen. „Schlechtes Wetter? Dann rollen wir das Ding halt in die Garage…“ – bloß nicht! Jedes Feuer, ob Kohle, Holz oder Gas, muss gut belüftet sein. Es geht weniger um den beißenden Qualm, der Sie ins Freie treibt. Es geht um das Kohlen- monoxid, das Sie ruhig sitzen lässt. Sie atmen es ein, aber riechen es nicht. Hat es erst einmal Ihre roten Blutkörperchen blockiert, nützt auch der Gang an die frische Luft nichts mehr, dann kommt jede Hilfe zu spät. Einzige erlaubte Ausnahme fürs überdachte Grillen sind Elektrogrills. Tipp bei Regenwetter: lieber in der Küche im Backofen grillen. Grillen und Krebsgefahr So. Steht Ihr Grill sicher am gut belüfteten Platz? Dann kommen wir zur indirekten, schleichenden Gefahr, dem Krebs. „Die Gesundheit wird beim Grillen hauptsächlich durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), heterozyklische aromatische Amine (HAA) und je nach Grillgut durch Nitrosamine bedroht“, weiß der Ernährungswissenschaftler Christoph Bier vom Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz des Saarlandes. Alle diese Stoffe gelten als kanzerogen, also krebserregend. PAK entstehen, wenn Hitze auf organisches Material einwirkt. Zum Beispiel, wenn Fett aus dem Grillgut oder Öl aus der Marinade in die Glut tropft. Oder beim Elektrogrill auf die Heizschlange, beim Gasgrill aufs heiße Blech. „Über den Rauch gelangen diese Stoffe zum Teil auf das Grillgut und werden dann mitgegessen“, so Bier. Gegen HAA helfen kaum Gegenmaßnahmen, denn sie entstehen grundsätzlich immer beim Braten, Rösten oder Grillen. Das sollen sie in diesem Fall auch, denn sie tragen zum Grillgeschmack bei. Doch diese Röststoffe lassen sich dosieren. Ernährungsexperte Christoph Bier erklärt: „Je größer die Hitze und je länger Schwenken – typisch saarländisch Die Tradition des Schwenkens hängt direkt mit der Bergbaugeschichte des Saarlandes zusammen. Statt teure Grills und Holzkohle zu kaufen, schweißten sich die Kumpel (darunter viele gelernte Schlosser) lieber ihre Grillgeräte selbst zusammen. Und Gratis-Brennmaterial lieferten die großen Buchenwälder im Saarland. Das Grillen über Holzfeuer erfordert einen beweglichen Rost, damit das Grillgut nicht verbrennt. Und es erzeugt tatsächlich ein anderes Aroma. Das liegt am Holzrauch. Gesundheitlich unbedenklich ist das leider nicht. Aber auf die Dosis kommt es an – und wer schwenkt schon jeden Tag? FORUM GESUNDHEIT 35 R at & Hilfe Koch-Profi empfiehlt indirektes Grillen Wasserschale unter dem Grillgut vermeidet viele krebserregende Giftstoffe das Lebensmittel der Hitze ausgesetzt ist, umso mehr HAA entstehen.“ Nitrosamine wiederum entstehen beim Grillen gepökelter, also mit Nitritpökelsalz behandelter Fleisch- und Wurstwaren. Deshalb: Fragen Sie beim Metzger ausdrücklich nach Produkten zum Grillen. Kassler und Lyoner sind zum Beispiel gepökelt und daher nicht für den Rost zu empfehlen. Also was tun? „Der Bildung und Ablagerung von PAK kann man entgegenwir- 36 ken, indem man das Grillgut auf Alufolie oder spezielle Grillschalen legt“, empfiehlt Bier. „Diese verhindern das Abtropfen von Fett und Öl und schützen das Grillgut vor dem Rauch. Gepökelte Fleischund Wurstwaren sollte man grundsätzlich nicht grillen oder braten. Sehr dunkle oder gar verbrannte Stellen am Grillgut – dazu zählen auch die häufig deutlich verbrannten Zwiebeln eines Schwenkers – sollten nicht verzehrt werden. Clever: indirektes Grillen Profikoch Raphael Konstroffer legt im Hochsommer bei Grillabenden in Saarbrücken im Best Western Victor’s Residenz-Hotel Rodenhof auf. Er hat für Sie einen weiteren Tipp parat, wie Sie ganz ohne Alufolie auskommen: indirekt grillen! Es funktioniert insbesondere mit Kohle ganz einfach. „Stellen Sie eine Schale mit Wasser unter das Grillgut und verteilen Sie die glühende Kohle drumherum“, empfiehlt Konstroffer. So kann das herabtropfende Fett nicht verbrennen, giftiger Qualm gar nicht erst entstehen. Diese indirekte Methode klappt am besten mit Kugelgrills, denn der geschlossene Deckel hält die Hitze am Grillgut. Und wie sieht es mit Gasgrills aus? Modelle mit mehreren Brennern erlauben ebenfalls die indirekte Garmethode. Einfach den Brenner unter dem Grillgut abschalten, die anderen aufdrehen. Zum direkten Grillen wiederum Das Feuer sollte vor dem Auflegen des Grillguts heruntergebrannt sein. So haben Sie mehr Hitze bei weniger Flammen und Rauch. FORUM GESUNDHEIT gibt es Modelle, die den direkten Kontakt des herabtropfenden Fettes mit der Flamme vermeiden. Manche Grills aber decken die Flammen mit Blechen ab. Auf den glühend heißen Blechen verbrennt das Fett ebenfalls. Besonderheit Schwenker Gesundes Schwenken ist nicht ganz so einfach. Ernährungsexperte Christoph Bier: „Beim Schwenken über offenem Feuer entsteht mehr Rauch als beim Grillen über Glut. Das Grillgut kommt beim Schwenken auf einem Schwenkrost also mit mehr Rauch und somit auch mehr krebserregenden Verbindungen in Kontakt.“ Wer den rauchigen Geschmack liebt und in guter alter Bergmannstradition das Holzfeuer zum Grillen verwenden möchte, sollte folgende Punkte beachten: • Über Holzfeuer niemals feste Roste verwenden, sondern nur bewegliche, die Schwenkgrills, damit das Grillgut nicht so leicht verbrennt. Allerdings das mit dem Schwenken müssen Sie nicht wörtlich nehmen. Besser ist die einfache Rotation des Rostes. So bleibt das Grillgut über der Hitze, gart gleichmäßiger und schneller. Tipp: Der Rost sollte immer über ein Drehlager mit der Aufhängung verbunden sein. So dreht sich der Rost lange und wird nicht durch ein Verdrillen der Kette gebremst. R at & Hilfe • Christoph Bier ist Ernährungswissenschaftler und arbeitet beim Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz des Saarlandes. Sein Grillgut Nummer eins? Schwenkbraten. Dazu gibt’s Salat und Baguette oder Pommes frites. Abwechslung ist gesund Raphael Konstroffer (Best Western Victor’s Residenz-Hotel Rodenhof) verrät uns drei leckere Alternativen zum üblichen Grill-Einerlei. Thunfischsteaks mit Zitronenmelisse •4 Thunfischsteaks ca. 200g (Sushi-Qualität) •1 Bund Zitronenmelisse •30 ml Olivenöl •1/2 Zitrone •Salz •Pfeffer Die Zitronenmelisse in feine Streifen schneiden. Den Saft der Zitrone mit dem Olivenöl, Salz und Pfeffer verrühren. Die Zitronenmelisse dazugeben und 1-2 Stunden im Kühlschrank ziehen lassen. Die Thunfischsteaks trockentupfen und schön gleichmäßig mit der Marinade bestreichen. Den Thunfisch dann auf jeder Seite ca. 2-3 Minuten grillen und sofort servieren. Das Steak sollte in der Mitte beim Anschneiden noch schön rot sein! Achtung: Wenn man den Thunfisch ein paar Minuten zu lang auf dem Grill lässt, wird er sehr schnell trocken und bietet dann bei Weitem nicht mehr das volle Geschmacks­ erlebnis! Champignonköpfe mit Ricotta-Tomatencreme •8 große Champignons •50 g getrocknete Tomaten •1 Knoblauchzehe •1 Bund Basilikum •1 Schalotte •200 g Ricotta •50g geriebener Parmesankäse •Olivenöl •Salz •Pfeffer Die Champignons waschen und den Stiel entfernen. Getrocknete Tomaten, Knoblauchzehe und die Schalotte in Würfel schneiden und mit etwas Olivenöl glasig dünsten, anschließend ca. 20 Minuten abkühlen lassen. Das Basilikum in feine Streifen schneiden und mit dem Ricotta und dem Parmesan vermengen. Die abgekühlte Tomatenmischung unter die Ricotta-Masse heben und die Champignonköpfe damit füllen. Das Ganze kommt dann für ca. zehn Minuten in einer Aluminiumschale auf den Grill oder Schwenker. Gegrillte Wassermelone mit altem Balsamico Warum nicht auch mal ein Dessert vom Grill? Dieses Rezept eignet sich besonders bei heißen Temperaturen, weil es sehr erfrischend ist und zugleich noch den Körper mit Flüssigkeit versorgt. Das Rezept reicht für fünf Personen. •1/2 Wassermelone (am besten kernlos) •1 Limette •gereifter Balsamico, alternativ Balsamicocrema •Salz •Zucker Die Wassermelone in ca. drei Zentimeter dicke Scheiben schneiden. Die Limette auspressen und die Melonenstücke damit beträufeln. Kurz bevor man die Melone auf den Grill legt, mit ein wenig Salz und Zucker würzen. Nicht zu viel nehmen. Salz und Zucker dienen lediglich dazu, den Eigengeschmack der Melone zu verstärken. Die Stücke jetzt anderthalb bis zwei Minuten von jeder Seite kurz grillen. Also kurz. Sie sollen innen noch kalt sein! Zum Schluss noch mit etwas altem Balsamicoessig beträufeln und genießen. FORUM GESUNDHEIT Fotos: dpa (2) — Privat — Andreas Schlichter • Anständiges Holz verwenden. Buchenholz eignet sich hervorragend, aber trocken muss es sein. Verwenden Sie kammergetrocknetes oder mehrere Jahre abgelagertes Brennholz für mehr Hitze und weniger Qualm. Verwenden Sie kein Nadelholz, denn damit verhält es sich genau umgekehrt: wenig Brennwert, aber viel Qualm vom Harz. Trockenes Brennholz und die richtige Technik ersparen Ihnen außerdem die üblichen Grillanzünder. • Gutes Timing ist das halbe Grillen! Zünden Sie das Feuer spätestens eine halbe Stunde vor dem Auflegen an und lassen Sie die Flammen herunterbrennen, bis eine schöne, intensive Glut entsteht. Dann wird das Grillgut nicht durch direkten Flammenkontakt verbrannt, sondern durch Strahlungshitze schön kross gegrillt. • Speziell bei Schwenkbraten gilt: die Zwiebeln aus der Marinade immer vor dem Auflegen entfernen. Sie verbrennen sonst. • Bier über das Grillgut gießen? Keine Tradition, sondern Quatsch. Es führt nur zu unnötigem Qualm, reduziert die Hitze der Glut – und bringt keinen Geschmack. Dazu hätte das Bier vorher schon mehrere Stunden einwirken müssen. • Wer zu starken Rauchkontakt meiden möchte: Hier kann Alufolie Abhilfe schaffen. Christoph Bier: „Es gibt aber auch Schwenkerpfannen oder Grillplatten für Schwenker, bei denen nichts abtropfen kann und das Grillgut vor dem Rauch geschützt wird.“ Abschließend sollten Sie sich von den Gesundheitsgefahren beim Grillen (und Schwenken) aber bloß nicht den Spaß verderben lassen. Wenn Sie die genannten Tipps berücksichtigen, ist alles in Ordnung. Denn gerade beim Thema Krebs gilt: Die Menge macht’s. „Wer nur wenige Male im Jahr grillt oder schwenkt und auch sonst eher selten scharf Angebratenes isst, braucht sich keine Gedanken über negative gesundheitliche Folgen des Grillens beziehungsweise Schwenkens zu machen“, beruhigt Christoph Bier alle Grillfreunde. 37 Naturheilwissen Immer mehr Menschen vertrauen auf die Kraft der Pflanzen. Auch im Saarland gibt es eine beeindruckende Apotheke Gottes: Dr. Potempas Gift- und Heilkräutergarten in Türkismühle. Dort baut der Pharmazeut Dr. Karl-Heinz Potempa (79) über 400 Arzneipflanzen an, seit mehr als 40 Jahren. L ässige beige Hose, kurzärmeliges Hemd, auf dem Kopf ein Sonnenhut: Karl-Heinz Potempa sitzt auf der alten Holzveranda am Eingang seines „Gift- und Heilkräutergartens“ und sieht ein bisschen aus, als würde er gleich auf Safari gehen. So ist es ja auch fast: Wir sind vorbeigekommen, um uns Potempas Lebenswerk zeigen zu lassen. Der Apotheker kultiviert hier im Nordsaarland auf einem 4.000 Quadratmeter großen Südhang mehr als 400 Pflanzen, Bäume und Sträucher, die in Medizin und 38 FORUM GESUNDHEIT Pharmazie Bedeutung erlangt haben, und stellt daraus auch seine eigenen Arzneimittel her. Phytotherapie, Homöopathie, die berühmten Bachblüten, Traditionelle Chinesische Medizin, Anthroposophische Arznei nach Rudolf Steiner (dem Begründer der Waldorf-Schulen) – Potempa hat sich im Laufe der Jahre mit allen wichtigen Fachgebieten der Naturheilkunde befasst und entsprechende Pflanzen in seinem Garten angebaut. „Ich kenne meine Heilkräuter und weiß genau, wie sie wirken“, sagt der gebürtige Berliner und nippt an einem winzigen Gläschen, über dessen Inhalt wir später noch sprechen werden. „Vielen Menschen, die mit ihren Beschwerden zu mir gekommen sind, konnte die Natur bereits helfen.“ Wer Karl-Heinz Potempa gegenüber sitzt, spürt sofort: Dieser Mann ist kein verschrobenen Kräuter-Freak. Er weiß genau, welchen Schatz er da in seinem Garten hütet. Ein hochgebildeter Apotheker, der mit Lebenserfahrung und Fingerspitzengefühl über den beruflichen Tellerrand hinausschaut – und Menschen mit seinem großen Wissen helfen kann. Junge Frauen mit Menstruationsbeschwerden, Karrieristen mit Burn-outSyndrom, Männer und Frauen im mittleren Lebensalter mit Bluthochdruck und erhöhten Cholesterinwerten, Ältere mit Rheuma und Arthrose – das sind die gängigsten Fälle, für die Potempa in seiner Hubertus-Apotheke in TürkismühleNohfelden individuelle Naturmedizin zusammenstellt. „Es kommen aber auch Fotos: Bonenberger (2) Gesundheit aus dem Beet Naturheilwissen Leute mit seltenen oder komplizierten Krankheitsbildern“, sagt er. „Manchmal brauchen die Patienten dann viel Geduld. Es kann Wochen oder Monate dauern, bis eine natürliche Therapie anschlägt.“ Während Karl-Heinz Potempa über seinen Alltag als ganz normaler Apotheker und die kostbaren Pflanzen in seinem Gift- und Kräutergarten spricht, klingt eines immer wieder ganz deutlich durch: Er mag die Menschen, die da jede Woche mit ihren Sorgen, Schmerzen und Wehwehchen in seine Apotheken-Sprechstunde kommen. „Viele sind verzweifelt, weil sie schon bei zig Ärzten waren“, erzählt er. „Sie haben Spritzen, Salben, Tabletten ausprobiert und jede Menge Nebenwirkungen durchgemacht. Dann ist erst mal Zuhören meine wichtigste Aufgabe. Wie hat alles angefangen? Was haben die Ärzte schon alles probiert und verschrieben? Und vor allem: Wie geht es dem Patienten, der da vor mir sitzt, eigentlich?“ Der Pharmazeut nippt noch mal an seinem Gläschen, dann geht‘s los in den Garten. Viele Pflanzen stehen jetzt im Hochsommer in voller Blüte, ein wunderschöner Anblick. Ein kleiner Trampelpfad führt an den dicht bewachsenen Beeten entlang. „Als ich den Garten 1972 angelegt habe, war hier kein Baum und kein Strauch“, erzählt Potempa. „Nur saurer, steiniger Boden.“ Im Laufe der Jahrzehnte ist eine Oase aus dem Stückchen Land geworden. Gauklerblume, Walderdbeere, Gingkobaum, Schlammschachtelhalm, Felberich – schon die Namen der Pflanzen klingen gesund. „Da irren Sie sich“, bremst der Kräuterexperte. Er führt uns zum gefleckten Schierling, einem absolut harmlos aussehenden Gewächs mit kleinen, weißen Blüten. Potempa rammt seinen Spazierstock in den Boden und schaut uns ernst an. Fast schon ein bisschen streng! Oh je, was kommt jetzt? „Der Schierling enthält sehr wirksame Substanzen, die gegen Schwindel und Drüsenschwellung helfen“, erklärt der Doktor der Pharmazie. „Aber: Nur eine einzige Tasse Tee von dieser Pflanze wäre tödlich. Im Mittelalter wurde der Schierling sogar als Hinrichtungsmittel verwendet. Was ich Ihnen damit sagen will: In der Kräuterheilkunde gilt immer das Prinzip ‚Die Dosis macht da Gift‘. Vieles, was stark verdünnt heilen kann, richtet in anderer Dosierung schweren Schaden an – und kann manchmal sogar tödlich sein.“ Klingt gefährlich. Wie können Sie denn dann garantieren, dass bei der Anwen- Karl-Heinz Potempa kennt seine Arzneipflanzen bis ins Detail. dung giftiger Heilkräuter nicht mal etwas schiefgeht? „Na, weil ich weiß, wie man’s macht!“ sagt Potempa und sieht zum Glück wieder freundlich aus. „Als Apotheker hat man gelernt, wie man Wirkstoffe isoliert und in welchem Verhältnis man sie verdünnen muss. Außerdem muss man sich auf diesem Gebiet ständig weiterbilden. Fachliteratur gehört zu meinem Alltag – und das seit mehr als 50 Jahren!“ Okay, sehr beruhigend. Und wie geht das ganz genau? Aus einer Pflanze, zum Beispiel dem gefleckten Schierling, ein Arzneimittel machen? Dr. Potempa winkt ab: „Ach, das wollen Sie gar nicht wissen! Das ist für Laien wirklich schwer zu verstehen.“ Er zeigt uns lieber noch ein paar seiner Pflanzen: Rotklee gegen Östrogenmangel und Wechseljahrsbeschwerden, Mariendistel zur Leberstärkung, Baldrian für schwache Nerven. Dr. Potempas Gift- und HeilKräutergarten Karl-Heinz Potempa bietet regelmäßig Führungen für Gruppen an. Kosten: 8,50 Euro pro Person, Getränke sind im Preis enthalten. Kinder, Studenten und Azubis haben freien Eintritt. Termine im Internet: www.dr-potempa.de oder in der HubertusApotheke Türkismühle, Telefon 06852-6365. Alles sehr interessant. Aber wir sind trotzdem noch neugierig auf die Herstellung. Wie kommen denn nun die guten pflanzlichen Wirkstoffe in Tees, Tropfen und Salben? Tiefer Seufzer. „Im Grunde genommen stellt man Naturarznei genauso her, wie chemische Medizin“, setzt Potempa an. Es fallen ein paar harmlose Fachbegriffe wie Substanz und Extrakt. Doch dann bricht der Wissenschaftler in ihm durch! Er spricht von chromatografischen Trennungsverfahren, C-Atomen, Hydrogenium, Spektrophotometrie… Große Fragezeichen über unseren Köpfen. Hilfe, wir verstehen kein Wort! „Tja, ich habe Sie gewarnt!“, lacht er und stellt seinen Spazierstock zurück auf die Holzveranda. Unsere Führung ist schon zu Ende – schade! Verraten Sie uns zum Abschluss noch Ihren ultimativen Tipp für ein langes, gesundes Leben? Hat es womöglich etwas mit dem Inhalt des winzigen Gläschens zu tun, an dem Sie gerade wieder nippen? Ganz kurz vorweg: Wer jetzt mit einem Geheimrezept für Kräutertee rechnet, liegt daneben. „Meine persönliche Formel für Gesundheit und ein langes Leben ist viel Bewegung, viel Schlaf vor Mitternacht – und jeden Tag ein bisschen Alkohol!“, erklärt Dr. Potempa mit seinem sehr charmanten und irgendwie wahnsinnig weisen Schmunzelblick. In Ihrem Gläschen befindet sich also kein wundersames Kräuterelixier, sondern schnöder Schnaps? „Nur ein bisschen Weißwein“, beschwichtigt Dr. Potempa. „Denn auch beim Alkohol gilt: Die Dosis macht das Gift.“ • Simone Schamann FORUM GESUNDHEIT 39 Familie Geboren im falschen Körper Transsexualität ist keine Krankheit. Aber stellen Sie sich mal vor, als Mann wachsen Ihnen Brüste. Oder als Frau ein Bart. Oft durchlaufen Transgender ein jahrzehntelanges Martyrium, bis sie den Weg zu ihrer Geschlechtsidentität finden. Experten befürworten daher eine Hormon-behandlung schon im Teenageralter. Von Daniela Noack 40 FORUM GESUNDHEIT es einfach nicht mehr ausgehalten. Heute fühlt sie sich wohl in ihrer Haut. In Saarbrücken leitet sie einen Stammtisch für Betroffene. Nur eine Frage der Identität Einfach ist der Weg nicht. Auch wenn sich mittlerweile viel getan hat, ist der Druck, unter dem die Betroffenen stehen, nach wie vor groß. Psychotherapeut Senf kennt das „Martyrium, das sie durchleiden“ zu gut. Im Übrigen ist der Begriff Transsexualität irreführend. Denn es geht nicht um die sexuelle Orientierung (wie bei Homosexualität) sondern um die eigene Identität, die Geschlechtsidentität. Diese immer wieder beweisen und erklären zu müssen ist zerstörerisch und macht einsam. Im Alltag lauern jede Menge Hürden. Lena ist ein sogenanntes Transmädchen. Das heißt, sie lehnt das männliche Geschlecht ab, mit dem sie geboren wurde. Die Eltern lassen ihr den Willen und ernten damit wenig Verständnis von anderen. In der Schule darf Lena nicht auf die Mädchentoilette, obwohl sie inzwischen als Mädchen lebt. Die Lehrer haben ihr eine Strafarbeit angedroht, sollte sie auf die „falsche“ Toilette gehen. Angeboren oder anerzogen? Trans­ sexualität kann einem Kind nicht an-, aber auch nicht aberzogen werden Paul, der mit den Geschlechtsmerkmalen eines Mädchens geboren wurde, wusste schon immer, dass er ein Junge ist. Im Schwimmverein trägt er „wie alle anderen Jungen“ auch eine Badehose. Als seine Brust zu wachsen beginnt, versuchen die Eltern, ihn zu einem Badeanzug zu überreden. Vergeblich. Den Grund für die Entstehung von Transsexualität vermutet man unter anderem in genetischen Abweichungen oder Besonderheiten in der embryonalen Entwicklung. Die Behauptung, dass Transsexualität durch Erziehung produziert werden kann, hat sich bisher nicht belegen lassen. Transsexualität kann nicht an- aber auch nicht aberzogen werden. Foto: iStock / iulianvalentin M arilyn kleidet sich dezent. Dunkle Naturstoffe, flache Schuhe. Keine Schminke, kleine Ohrringe, die Haare glattgekämmt. Und doch passiert es, dass Menschen mit dem Finger auf sie zeigen. Die promovierte Literaturwissenschaftlerin, die einst an der renommierten HarvardUniversität arbeitete, ist keine gewöhnliche Frau. Und das liegt nicht nur an ihrer Größe von knapp 1,90 Meter. Früher war das anders. Da drehte sich niemand nach ihr um. Damals führte Marilyn das Leben eines scheinbar normalen Mannes, der zu Hause am liebsten in Frauenkleider schlüpfte. Erst als vor zwölf Jahren ihr Vater starb, fand die inzwischen 68-Jährige den Mut, als Frau zu leben. „So lange müssen Transsexuelle heute glücklicherweise nicht mehr warten. Die Betroffenen oder deren Eltern sind besser informiert und kommen viel früher“, berichtet der Saarbrücker Psychotherapeut Gerhard Senf. Seit knapp 20 Jahren arbeitet er mit Transsexuellen. Eine davon ist Raphaela. Die 23-Jährige merkte mit 16, dass sie anders war. Mit 17 bekam sie die ersten Hormone. Später folgten geschlechtsangleichende Operationen, welche von den Krankenkassen übernommen werden. „Die absolut richtige Entscheidung“, sagt sie rückwirkend. In dem Körper eines Mannes hätte sie Familie Transmänner und Transfrauen fühlen, dass ihre Persönlichkeit nicht ihrem biologischen Geschlecht angehört. FORUM GESUNDHEIT 41 Kinder wie Lena und Paul haben nur einen Wunsch: Ganz normal sein und dazugehören, wie alle anderen auch. Etwa hundert Eltern von transsexuellen Kindern und Jugendlichen sind in dem Verein „Trakine“ (Trans-Kinder-Netz) organisiert. Bei regelmäßigen Treffen haben die Kinder die Möglichkeit, mit anderen transsexuellen Jungen und Mädchen in Kontakt zu kommen, und erfahren so, dass sie nicht allein sind. Aber auch die Eltern brauchen Unterstützung, um mit der Situation besser umgehen zu können. „Eine Phase, die irgendwann vorübergeht“, denken die meisten zunächst. Doch bei transsexuellen Kindern bleibt der Wunsch nach einer gegengeschlechtlichen Veränderung kontinuierlich. Viele lehnen ihre Geschlechtsorgane ab, fordern ganz dezidiert immer wieder gegengeschlechtliche Kleidung oder Spielzeug und wiederholen ständig „Ich bin kein Junge“ oder „Ich bin kein Mädchen“. Transsexualität ist keine Krankheit, birgt aber einen großen Leidensdruck. Oft werden die Kinder von anderen ausgelacht oder bloßgestellt. Erlebnisse, die zu Schulverweigerung, Selbstverletzung, Essstörungen oder sogar Selbstmordwünschen führen können. Trotzdem halten es viele Kinder- und Jugendpsychiater für verfrüht, bei Kindern überhaupt die Diagnose Transsexualismus zu stellen. Sie warnen insbesondere vor einer frühen Gabe von Hormonen. Kinder mit ausgeprägter Geschlechtsidentitätsstörung werden später homosexuell. Auch hat Korte immer wieder Fälle erlebt, wo sich der Wunsch nach einem Leben im anderen Geschlecht unter dem Einfluss der natürlichen Hormone in der Pubertät wieder aufgelöst hat. Doch die ist für Transkinder, die keine Unterstützung erfahren, eine Zeit schwerer innerer Kämpfe. Viele entwickeln psychische Probleme, Depressionen oder nehmen Drogen. Argumente für eine frühe Behandlung „Nichts zu tun“ ist für den Hormonspezialisten für Kinder und Jugendliche Achim Wüsthof deshalb keine Option, sondern „menschenverachtend“. Im Hamburger Endokrinologikum betreut er Die Pubertät ist für Transkinder ohne Unter­stütz­ ung eine Zeit schwerer innerer Kämpfe Pubertätsblocker in der Kritik Alexander Korte von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der LudwigMaximilians-Universität München sieht die Hormongabe vor dem 16. Lebensjahr sowie die vermeintlich harmlosen Pubertätsblocker kritisch. Studien an Hunderten jugendlicher Patienten weltweit hätten ergeben, dass die Behandelten sich anschließend zu 100 Prozent auch für die Einnahme von gegengeschlechtlichen Hormonen entschieden. Wohingegen sonst nur zehn bis 20 Prozent der Kinder mit Geschlechtsidentitätsstörung diesen Weg wählten. Für Korte bedeutet das: Mit der Entscheidung für die Pubertätsblocker werden bereits die Weichen gestellt für die weiterreichenden Maßnahmen zum Geschlechtsrollenwechsel. Im Übrigen könnten sich hinter dem Wunsch, das Geschlecht zu wechseln, auch andere Gründe verbergen, etwa eine abgelehnte Homosexualität. 75 bis 80 Prozent aller 42 FORUM GESUNDHEIT mehr als hundert Kinder. Ist bereits eine Transsexualität diagnostiziert, kann Zeit gewonnen werden – bis zu mehrere Jahren, indem die beginnende Pubertät von Pubertätsblockern unterdrückt wird. „So wird den Jugendlichen die Qual erspart, dass sich die unerwünschten Geschlechtsmerkmale ausbilden – eine Entwicklung, die dann später mit großem Aufwand und oft fragwürdigem Erfolg wieder rückgängig gemacht werden muss“, sagt Wüsthof. Das jüngste Kind, das er bisher behandelt hat, war ein Transjunge von knapp zehn Jahren, bei dem die Brustentwicklung bereits eingesetzt hatte. Marilyn glaubt, dass ihr Leben ganz anders hätte verlaufen können, wenn sie die Möglichkeit einer frühen Behandlung gehabt hätte. Schon als Kind trug die heute 68-Jährige am liebsten Mädchenkleider und konnte damit auch in der Pubertät nicht aufhören. Sie quälte sich „mit unglaublichen Schuldgefühlen“. Liebesbeziehungen mit Frauen zerbrachen, sobald sie die Wahrheit über ihren „Freund“ erfuhren. Nach außen hin funktionierte Marilyn über Jahrzehnte als Mann. „Das Paradies auf Erden“ ist Marilyns Leben nicht. Trotzdem fühlt sie sich heute wohler in ihrer Haut und „unendlich erleichtert“, sich nicht mehr verstecken zu müssen. Bernd Meyenburg vom Universitätsklinikum Frankfurt schätzt, dass deutschlandweit etwa 400 bis 500 Kinder und Jugendliche mit pubertätshemmenden, antiandrogenen, menstruationshemmenden oder gegengeschlechtlichen Hormonen behandelt werden. Tendenz sicher steigend, da es heute deutlich mehr Betroffene zutrauen, sich zu outen. Dass sehr wenige mit Pubertätshemmern behandelte Patienten den Wunsch nach Geschlechtswechsel aufgeben, weiß Meyenburg. Daran seien aber nicht nur die Medikamente schuld, sondern dass diese vor allem Patienten bekommen, bei denen große Sicherheit hinsichtlich der Diagnose bestehe und die dann auch auf diesem Weg weitergehen. Nach den kürzlich überarbeiteten Leitlinien der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaften wird ein Behandlungsbeginn mit Pubertätshemmern kurz vor der ersten Menstruation bei biologisch weiblichen Patienten und kurz vor Eintreten des Stimmbruchs bei biologisch männlichen Patienten empfohlen. Das kann schon mit zehn oder elf Jahren der Fall sein. Für eine gegengeschlechtliche Hormonbehandlung wird ein Mindestalter von 16 Jahren empfohlen, für geschlechtsangleichende chirurgische Eingriffe gilt ein Mindestalter von 18 Jahren. Meyenburg hält die empfohlenen Altersgrenzen nach wie vor sinnvoll, um falsche Entscheidungen zu vermeiden. Diese sind zwar selten, kommen aber vor. Von mittlerweile 540 Patienten haben vier die Behandlung mit gegengeschlechtlichen Hormonen beendet und leben wieder im biologischen Geschlecht. Zwei davon hatten sich nicht in der Lage gesehen, die empfohlene „Alltagserprobung“ zu beginnen, und hatten sich stattdessen Hormone entgegen ärztlicher Empfehlung besorgt. Hohe Treffsicherheit bei der Diagnose Der Saarbrücker Psychotherapeut Gerhard Senf traut sich mittlerweile zu, Fotos: Peter Böhnel — dpa Familie Familie Die US-ComedySerie „Transparent“ versucht, sich dem Thema Trans­sex­ ualität mit Humor zu nähern. Jeffrey Tambor spielt einen Familienvater, der sich als Transfrau outet. nach der ersten Stunde mit hoher Treffsicherheit sagen zu können, ob es sich bei dem Hilfesuchenden wirklich um einen Transsexuellen handelt. „Aus therapeutischen Gründen schicke ich die Leute gerne erst in die homogene Transmänner- oder Transfrauengruppe, um die ersten Reaktionen dieser Menschen beobachten zu können“, erklärt Senf. Meist ist der Ratsuchende zu Anfang extrem verschüchtert und taut erst nach und nach auf, wenn er sieht, dass andere den eigenen Weg schon weitergegangen sind. Für Senf ist es das Wichtigste, diese Menschen ernst zu nehmen. Manche kommen mit schwerwiegenden Diagnosen wie Borderline-Syndrom in die Praxis. Wird das Leid dieser scheinbar „Hochgestörten“ verstanden und bekommen sie Hilfe, verschwinden die Symptome häufig ganz von allein. Von mehreren Hundert Betroffenen, die Senf betreut hat, gab es nur eine Fehldiagnose. Diesem Fall lag ein schwerer Missbrauch in der Kindheit zugrunde. Glücklicherweise konnte der Umwandlungsprozess noch rückgängig gemacht werden. Für Senf ist die Arbeit mit Transsexuellen eine sehr dankbare Aufgabe. Besonders wenn es gelingt, sie aus einer verzweifelten Lage in ein ganz normales Leben zu begleiten. Aber im Saarland ist er der einzige auf Transsexualität spezialisierte Psychotherapeut. Gerhard Senf hofft, dass ein engagierter Nachfolger gefunden wird, bevor er in einigen Jahren in Rente geht. Gerhard Senf (65) ist DiplomPsychologe und arbeitete 30 Jahre lang für die Pro-FamiliaBeratungsstelle in Saarbrücken. Parallel baute er in der Landeshauptstadt seine Psychotherapiepraxis auf. Er ist auf alle Themen der menschlichen Sexualität spezialisiert. • Weitere Infos: www.trans-kinder-netz.de www.dgti.org Infos für Betroffene im Saarland beim LSVD-Checkpoint, Telefon 0681 398833 FORUM GESUNDHEIT 43 Familie „Die Umkehrung von allem Normalen“ Kinder und deren Familien auf ihrem letzten gemeinsamen Weg begleiten? Das hört sich nach einem harten Job an. Der Kinder-Hospizdienst Saar leistet dies und so viel mehr, steht den Betroffenen in allen Bereichen zur Seite, wo Hilfe benötigt wird. 44 FORUM GESUNDHEIT Familie Von Katharina Ellrich E Fotos: dpa (2) — Nadja Simon ine große Fotowand schmückt einen Begegnungsraum in der Niederlassung des Kinder-Hospizdienstes Saar. Daran angebracht sind Bilder von Müttern, Vätern, Kindern und ihren Geschwistern. Die Fotos zeigen nicht von Trauer erfüllte Gesichter, sondern Gesichter, die wieder Hoffnung schöpfen, eine Zeit lang den harten Alltag oder das traurige Schicksal vergessen lassen. Es gibt viele Menschen, die ein schweres Los ertragen müssen, sich nicht bester Gesundheit erfreuen. Und traurigerweise gibt es auch viele, die schon im Kindesalter, unmittelbar nach der Geburt oder gar schon im Mutterleib ein gesundheitliches Defizit erleiden. Und leider ist der viel zu frühe Tod manchmal unausweichlich, sogar „vorherbestimmt“. So hart diese Realität auch klingen mag – betroffene Familien sollen, ja, dürfen nicht aufgeben, denn Einrichtungen wie der KinderHospizdienst Saar spenden weit mehr als Trost, sondern begleiten Hilfesuchende über einen unbestimmten Zeitraum und stimmen die Arbeit individuell auf alle Bedürfnisse ab. „Wenn uns eine Familie kontaktiert hat, gibt es zuallererst einen Hausbesuch zur Bedarfsanalyse“, sagt Teamleiterin Beate Leonhard-Kaul und erklärt: „Das heißt, wir Mitarbeiter vom Hauptamt schauen, welche Hilfe benötigt wird. Welches Krankheitsbild hat das Kind? Und welche Leistung wird benötigt? Die Unterstützung unserer zwei Teams mit mittlerweile 81 ehrenamtlichen Helfern neben uns Hauptamtlichen ist breit gefächert.“ Da wäre zum Beispiel die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SPAV), Beate Leonhard-Kaul nennt sie „die Feuerwehr mit Bereitschaftstelefon“. Die SPAV wird von Fachschwestern und –ärzten übernommen. Daneben stehen aber auch simplere, jedoch nicht minder wichtige Aufgaben an, wie das Erledigen Beate LeonhardKaul leitet das große Team des Kinderhospizdienstes Saar in Neunkirchen. Auch 81 ehrenamtliche Helfer kümmern sich um die Kinder. von Einkäufen, ein Gang zum Arzt, in die Klinik oder in die Apotheke, das Spielen mit Geschwistern. Einfach als Unterstützung im Alltag der Familie, der meist komplett auf die Bedürfnisse des kranken Kindes ausgelegt ist. Eltern und vor allem auch Geschwister dürfen dabei nicht zu kurz kommen. Leonhard-Kaul: „Unseren ambulanten Dienst macht aus, dass wir zu den Familien nach Hause fahren und da anpacken, wo Not am Mann ist. Wir möchten die Lebenssituation zu Hause etwas verbessern. Unser Lohn ist die Dankbarkeit der Familien.“ Während es beim Erwachsenen-Hospiz vorrangig um die Sterbebegleitung in den letzten Wochen und Monaten geht und die Sterbenden oft in stationären Pflegeeinrichtungen versorgt werden, treten beim Kinder-Hospizdienst die eben genannten Aspekte der Lebensbegleitung in den Vordergrund. „Wir haben auch viele Kinder und Jugendliche, die mit einer genetisch bedingten Beeinträchtigung geboren werden, wo es also schon von vornherein klar ist, dass die Lebenserwartung zwar verkürzt ist, der Tod aber nicht in naher Zukunft besiegelt ist. Dennoch ist die Vorstellung unserer Arbeit in den Köpfen derer, die sich für unsere Arbeit interessieren, schwerwiegender. Denn, wenn ein Kind erkrankt und keine Chance auf Heilung besteht, ist das die Umkehrung von allem Normalen. Wir wissen ja, dass wir als ältere Menschen irgendwann sterben werden. Das ist der Lauf des Lebens. Wenn Kinder von uns gehen, eher nicht“, weiß Beate Leonhard-Kaul. Wenn Eltern die Diagnose bekommen, dass ein Kind sterbenskrank und seine Lebenserwartung verkürzt ist, trifft es die Betroffenen wie ein Schlag ins Gesicht. Die Familie ist vor große Probleme gestellt, man fühlt sich schnell überfordert und weiß nicht, wie es weitergehen wird. In dieser Situation weiterzuhelfen, liegt im Bereich des Hospizdienstes. Zum einen durch die langjährige Erfahrung, das medizinische Wissen und zum anderen durch Kompetenz in sämtlichen weiteren Bereichen. „Die Kinder und Jugendlichen, deren Familien sich an den Hospizdienst wenden, haben eine eingeschränkte Lebenserwartung. Die Begleitung hängt natürlich von der Diagnose ab. Manche begleiten wir über viele Jahre“, sagt Beate Leonhard-Kaul. Aber auch Es wird erst einmal geschaut, in welchen Belangen bei den Familien Bedarf besteht FORUM GESUNDHEIT 45 Ärzte, Pfleger und Sozialarbeiter als hauptamtliche Mitarbeiter. diese Schicksale können von heiteren Momenten und positiven Überraschungen begleitet sein. „In einem Fall ist es sogar so, dass ich mit dem Jungen als Kind bekannt gemacht wurde, da war ich noch als Kinderkrankenschwester tätig. Damals hieß es, die Lebenserwartung liege bei Das Wissen, nicht alleine zu sein, hilft den Familien schon ein Stück weiter 46 FORUM GESUNDHEIT zehn Jahren. Mit zwölf, 13 wurde gesagt, dass das nächste Jahr wahrscheinlich das letzte wäre. Vor nicht allzu langer Zeit hat er seinen 26. Geburtstag gefeiert. Solche schönen Fälle gibt es natürlich auch.“ Unter den hauptamtlichen Mitarbeitern sind Kinderkrankenschwestern, Ärzte oder Sozialarbeiter. Beate Leonhard-Kaul war vor ihrer Arbeit beim Kinder-Hospizdienst, diesem „Weg, der sie gefunden hat“, Krankenschwester. Die Fachleute kümmern sich um die Linderung gewisser Krankheitssymptome und um die Schmerztherapie. Doch auch das Ehrenamt trägt einen entscheidenden Teil bei. Ehrenamtlich kann jeder mitarbeiten. Es besteht auch kein Grund, vor einem Ehrenamt zurückzuschrecken oder zu glauben, es sei nur etwas für Rentner oder Nicht-Berufstätige. Denn wer in der Woche nur zwei, drei Stunden Zeit hat, wird eben flexibel für diese Zeitspanne eingeplant und mit einer geeigneten Familie vertraut gemacht. Die Kurse zur Schulung in den unterschiedlichen Gebieten werden im Haus angeboten, immer wieder aufgefrischt und erweitert. „Wir sind aber auch da, wenn ein Kind verstirbt und machen dann die Trauerbegleitung. Denn gerade Kinder beziehungsweise junge Geschwister trauern anders als Erwachsene. Eltern müssen darüber aufgeklärt werden und das gegenseitige Verständnis aufgebaut werden. Man darf Kinder auch nicht wie rohe Eier behandeln und kann ihnen sagen, wenn es einem als Elternteil schlecht geht. Ich rate davon ab, zu sagen ‚er oder sie schläft nur‘. Das kann in Kindern ein ungutes Gefühl auslösen, sodass sie beispielsweise Angst vorm Schlafen bekommen. Sie wollen in solchen Situationen miteinbezogen werden. Trauer bei Kindern nennt man ‚Pfützenmodell‘. Das bedeutet, dass sie im einen Moment sehr traurig sind und weinen und im nächsten schon wieder spielen und lachen wollen. Auch das müssen Eltern wiederum akzeptieren und verstehen lernen“, erklärt die Expertin. Bei vielen sich bietenden und angebotenen Gelegenheiten wird allerhand mit den Familien unternommen. „Wir waren schon im Gondwana, Kegeln, im Kino, Zoo, veranstalten Sommerfeste, Weihnachtsfeiern, gehen wandern und und und. Außerdem gibt es tiergestützte Therapien oder Musiktherapie. Das Wissen, nicht allein zu sein, trägt schon viel Gutes bei. Unser Hospizwald in Eppelborn ist auch eine schöne Sache: Dort pflanzen wir Erinnerungsbäume, die uns alle überleben und weiterbestehen. Sie setzten ein lebendiges Denkmal.“ Denn solch ein schweres Schicksal führt leider oft dazu, dass sich viele zurückziehen, ja sogar sozial isolieren. „Unsere Angebote sollen raushelfen aus dieser Situation. Die Betroffenen können für einen gewissen Zeitraum abschalten, wieder Freude am Leben haben und lachen. Dazu passt unser Motto ‚Es gibt noch viel zu leben‘. Daran möchten wir mit unseren Aktivitäten erinnern“, erklärt die Teamleiterin. Die Erfahrung hat sie gelehrt: „Genügend Unterstützung macht das Leben erträglicher.“ Ein starkes Team im Hintergrund stärkt in jeder Lebenslage den Rücken und macht Mut. • Weitere Infos bezüglich Kinder-Hospizarbeit, Ehrenamt, Trauerbegleitung oder Spendemöglichkeiten: www.kinderhospizdienst-saar.de Telefon 06821-999890-0 Am Blücherflöz 6 66538 Neunkirchen Fotos: dpa — ullstein — Trias-Verlag — Rimbaud-Verlag — Fotolia / mallinka1 Familie Buchtipps Empfehlungen Buchtipp Poetische Auseinandersetzung Was geht im Kopf eines demenzkranken Menschen vor? Lioba Happels wagt einen ganz eigenen Erklärungsversuch. Ihr Buch nähert sich der Krankheit mit künstlerischen Mitteln. Denn Happel ist Dichterin und Sonderpädagogin, hat als Demenzbetreuerin gearbeitet. „Demenz ist für mich eine Art von hart aufscheinender Poesie geworden: Orts- und Wort-Verrückung; verschiedenste, nicht von der gleichen Ebene stammende Bewusstseinsterrains aneinander geschoben; scheinbar Zusammengehörendes zerbrochen. Schweigen. Weißer Raum.“ Lioba Happel: dement Verlag: Rimbaud ISBN: 978-3890863962 Preis: 18 Euro Buchtipp „Ein kalter Guss am Morgen … … schützt vor Krankheit und Sorgen“, erkannte vor über 100 Jahren der Pfarrer Sebastian Kneipp. Er zählt zu den Pionieren der Naturheilkunde und ist heute aktueller denn je. Die Autoren des vorliegenden Kneipp-Ratgebers wissen, worüber sie schrei­ ben. Dr. med. Dr. rer. nat. Bernhard Uehleke leitet Kneipp-Studien in der Abteilung Naturheilkunde der Charité Berlin. Prof. Dr. H. D. Hentschel gilt als Altmeister der klassischen Naturheilverfahren. Ihr gemeinsam herausgegebener Band erklärt Die fünf Säulen der Kneipp-Therapie und gibt praktische Ratschläge bei einer Vielzahl von Beschwerden von Kopfschmerzen bis Rheuma. Bernhard Uehleke, Hans-Dieter Hentschel: Das große Kneipp-Gesundheitsbuch – Mehr als nur Wassertreten - mit den 5 Behandlungsmethoden Verlag: TRIAS, ISBN: 978-3830481133 BuchTipp Leicht verdaulicher Bestseller Kaum zu glauben: ein Buch über den Darm und die menschliche Verdauung, eigentlich ein eher unangenehmes Thema, hält sich seit Monaten auf der Bestsellerliste. In ihrem Buch erklärt die junge Wissenschaftlerin Giulia Enders vergnüglich, welch ein hochkomplexes und wunderbares Organ der Darm ist. Sie beschreibt, wie Übergewicht, Depressionen und Allergien auch mit einer gestörten Balance der Darmflora zusammenhängen, und wie wir dieses Organ pflegen. Kurz: Der Darm ist der Schlüssel zu einem gesunden Körper und einem gesunden Geist. Giulia Enders: Darm mit Charme – Alles über ein unterschätztes Organ Verlag: Ullstein ISBN-13: 978-3550080418 Preis: 16,99 Preis: 17,99 Euro FORUM GESUNDHEIT 47 Senioren Lebensfreude auf vier Pfoten Tiere tun den Menschen gut. Das zeigen Erfahrungen und wissenschaftliche Studien. Immer mehr Senioreneinrichtungen hierzulande machen sich das zunutze, integrieren Tiertherapie in ihren Alltag und laden zum Beispiel regelmäßig Besuchshunde ein. Die Vierbeiner sind bei den älteren Menschen gern gesehene Gäste und wecken bei vielen auch schöne Erinnerungen. M ickey ist augenscheinlich gut gelaunt. Wie eigentlich immer, wenn sie zu Besuch ist. Schwanzwedelnd springt sie auf die Hinterbeine, schnappt den gelben Plastik-Donut, ihr Lieblingsspielzeug, läuft stolz damit im Kreis herum, die Nase hoch. Sie bewegt sich wie ein Zirkuspferd in der Manege, nur, dass 48 FORUM GESUNDHEIT sie keine besonderen Kunststücke zeigen muss. Mickeys Zuschauer freuen sich schon, wenn sie einfach nur da ist. Mickey ist ein Hund, genauer gesagt eine braun-weiße Jack-Russel-Terrier-Dame, fünf Jahre alt. Mickey kennt sich hier aus, in dem Gruppenraum der Victor’s Residenz in Saarlouis. Seit sie ein halbes Jahr alt ist, kommt sie regelmäßig mit ihrem Frauchen Stephanie Hilt hierher. Residenzberaterin Beate Heinz war es, die vor fünf Jahren die Idee hatte, mit einem Besuchshund den Alltag der älteren Bewohner zu verschönern. Sie fragte bei der Hundeschule „Schnauzentreff“ in der Nähe von Saarlouis an und die sprachen Stephanie Hilt auf Mickey an. „Sie war der einzige kleine Hund, der hell ist“, er- Fotos: Jennifer Weyland (2) Von Heike Sutor Senioren zählt Mickeys Besitzerin Stephanie Hilt. „Wir dachten, große und dunkle Hunde erschrecken gerade ältere Menschen.“ Erschrecken will Mickey niemanden. Sie lässt sich viel lieber streicheln, und das ausgiebig. Diese Berührungen tun aber nicht nur Mickey gut. Vor allem bei dementen Patienten kann dieser Kontakt positive Wirkungen haben. „Durch das Tasten kommen Reaktionen wie Freude und Lachen“, hat Pflegerin Gudrun Stein schon beobachtet. Sie ist bei den Terminen mit Mickey meistens dabei. „Sie verbreitet Wohlbehagen“, meint auch Marlies Gruschge. Sie ist heute zu Besuch bei ihrem Mann Dieter, der seit zwei Jahren in der Senioreneinrichtung gepflegt wird. „Lustig“ findet sie den Hund und glaubt, dass Mickey die Patienten anregt. „Der Hund tut gut“, bestätigt auch Dieter Gruschge. Plötzlich wird Mickey ganz aufgeregt. Sie hat etwas Interessantes entdeckt: eine weiße Schüssel, gut gefüllt mit kleingeschnittenem Käse und Schinken. Die steht jetzt auf dem Schoß einer älteren Dame. Jetzt gibt’s kein Halten mehr, Mickey ist zur Stelle, genießt es, mit den Leckerbissen verwöhnt zu werden. „Manche Bewohner würden sie am liebsten behalten“, lacht Stephanie Hilt. „Die Leute haben unwahrscheinlich viel Freude. Einfach nur, weil sie da ist.“ Und weil Mickey da ist, kommen bei manchen ihrer älteren Zuschauer auch alte Erinnerungen zurück. „Ich hatte einen Hund, Tasso hieß er, ein Boxer“, fängt Ada Berg an zu erzählen. 99 Jahre alt ist die zierliche Frau. Sehr gelehrig sei ihr Hund gewesen, sagt sie und Stolz schwingt in ihrer Stimme mit. Sie lächelt, wenn sie an Tasso denkt. Er hätte einfach viel gewusst, ihr Tasso, sagt sie. Auch Karl Ruppert denkt an seine Hunde zurück, die er mal hatte. „Rehpinscher“, sagt der 90-Jährige nach kurzem Überlegen, „und Pudel hatte ich auch.“ Er möge Hunde und sei immer dabei, wenn Mickey kommt. „Man hat ein bisschen Unterhaltung.“ Dass Tiere den Menschen guttun, haben verschiedene Studien schon längst bewiesen. Menschen, die in Alten- und Pflegeheimen leben, in denen Tiere gehalten werden, nehmen weniger Medikamente ein, wie eine Untersuchung der AOK gezeigt hat. Tierbesitzer weisen zudem geringere gesundheitliche Risikofaktoren wie erhöhte Blutfettwerte und Bluthochdruck auf und erkranken seltener an Herz-Kreislauf-Leiden. Das belegte eine australische Studie schon im Jahr 1992. Eine Studie der Universität St. Louis in den USA ergab, dass sich Pflegeheimbewohner, die regelmäßig Kontakt mit einem Hund hatten, weniger einsam fühlten. Und Mediziner der Universität von Kalifornien fanden heraus, dass Tiere auch ein heilsame Wirkung auf depressive und demente alte Menschen haben. In der Studie fiel auf, dass Alzheimerpatienten, die regelmäßigen Kontakt mit Tieren hatten, deutlich weniger aggressiv und unruhig waren als eine Kontrollgruppe ohne Tiere. Das Streicheln und Beobachten der tierischen Gefährten wirkte beruhigend und baute bei den Patienten Stresshormone ab. In der Pro Seniore Residenz in Friedberg in Bayern ist man auch tierisch gut aufgestellt. Residenzleiterin Jeannette Kleespies und Pflegedienstleiterin Diana Hörenz bringen beide ihre Hunde, zwei Möpse, täglich mit zur Arbeit. Außerdem wohnen in der Residenz noch eine Hauskatze, sechs Wellensittiche, ein Kanarienvogel und vier handzahme Hasen, die ab und zu die Bewohner in ihren Zimmern für ausgiebige Streicheleinheiten besuchen. Und dann gibt es noch Bruno. Der Labrador gehört Ergotherapeut Niko Mickey muss einfach nur da sein, und bei manchem Zuschauer kommt die Erinnerung an eigene Tiere zurück Popp, der den Rüden schon seit drei Jahren täglich zur Therapiearbeit mitnimmt. „Bei 90 Prozent kommt das sehr gut an“, sagt Popp. Bruno ist zwar kein ausgebildeter Therapiehund, trainiert aber mit seinem Herrchen regelmäßig in der Hun- Braaaver Hund! Die Saarlouiser Senioren belohnen Mickey mit Käse. Den mag sie lieber als Hundekuchen. FORUM GESUNDHEIT 49 Senioren Tierisch beliebt: Labrador Bruno kommt gerne auch mal zu Kranken ins Bett kuscheln Stephanie Hilt mit ihrer freundlichen und verspielten Hundedame Mickey den. Hier werden Vierbeiner zum Beispiel zum Behindertenbegleithund, EpilepsieAssistenzhund, Autismus-Assistenzhund oder eben zum Besuchshund für beispielsweise Senioreneinrichtungen geschult. Bevor die Hunde zu den Ausbildungen zugelassen werden, müssen sie einen Eignungstest bestehen. „Wir prüfen, ob der Hund in sämtlichen Situationen aggressionsfrei und wirklich menschenaffin ist“, erklärt die Hundespezialistin. „Viele Besitzer meinen, ihr Hund würde so gern gestreichelt und ist so freundlich, das bezieht sich aber in manchen Fällen dann nur auf bekannte Personen. Plötzlich von Wildfremden in den Schwitzkasten genommen und ordentlich durchgeknuddelt zu werden, finden viele Hunde nach einer gewissen Zeit nicht mehr so angenehm.“ Die Stresstoleranz sollte sehr hoch sein, dann steht einer Laufbahn als Besuchshund nichts mehr im Wege. Nach bestandenem Eignungstest kann Herrchen oder Frauchen dann guten Gewissens den eigenen Hund Mein Partner Hund einsetzen oder noch die drei Monate dauernde Ausbildung Sabine L. Schäfer-Diesterhöft absolvieren. „Es sollte gewährHundeschule und Therapiehunde-Zentrum leistet sein, dass keinem etwas Gräfinthaler Straße 9 passiert, weder einem Patien66399 Mandelbachtal ten, noch einem Besucher oder Telefon 0172-5888544 auch vielleicht einem anderen [email protected] Hund, der gerade auch dort www.meinpartnerhunde.de ist“, sagt Schäfer-Diesterhöft. 50 FORUM GESUNDHEIT Deshalb: sicherheitshalber vor der gut gemeinten Aktion erst mal den Vierbeiner bei der nächsten Hundeschule vorstellen. Jack-Russel-Terrier Mickey hatte da als junger Hund einen guten Start, wurde sie doch von den Trainern der Hundeschule „Schnauzentreff“ empfohlen. „Sie war von Anfang an freundlich zu allen Menschen“, erzählt Frauchen Stephanie Hilt. Die 42-Jährige ist Schulleiterin der Grundschule in Hemmersdorf und hatte Mickey von klein auf auch immer wieder mal mit in der Schule. „Ich habe gemerkt, dass es Mickey gar nichts ausmacht, wenn so viele Kinder um sie rumstehen.“ So unbeschwert verhält sich Mickey auch mit ihrem älteren Publikum. Entspannt läuft sie zwischen den Bewohnern umher, stört sich nicht an den Rollstühlen oder Gehhilfen, bleibt oft stehen, wenn eine Hand nach ihr greift und sie berühren will. Tiere stört es nicht, wenn jemand alt oder gebrechlich, behindert oder krank ist. Sie nehmen den Menschen einfach so, wie er ist. „Ich sehe ihn heute das erste Mal“, sagt Melitta Weimar, während sie Mickey dabei zusieht, wie sie hinter einem Spielzeug herspringt. Melitta Weimar ist erst seit einer Woche in der Residenz. „Ein hübscher Hund“, findet die 57-Jährige. Sie greift nach einer Quietsch-Ente und versucht, Mickey anzulocken. Die ist aber mittlerweile mit etwas Interessanterem beschäftigt. Es gibt Schinken. • Foto: Jennifer Weyland deschule. Die gute Erziehung von Bruno ist besonders wichtig, wenn der Hund mit in den Speisesaal geht, um die Bewohner mit verschiedenen Kunststückchen zu unterhalten. „Denn so ein Labrador ist eigentlich ziemlich verfressen“, schmunzelt Popp. Bruno besucht auch Bewohner, die bettlägerig sind. Wer will, zu dem kommt der Hund auch gerne mal ins Bett. „Körperliche Nähe ist sehr wichtig“, sagt Popp. Wegen der Hygiene legt der Ergotherapeut noch ein Handtuch dazwischen – und dann darf nach Herzenslust geschmust werden. Der Begriff Therapiehund ist in Deutschland nicht geschützt. Theoretisch kann also jeder Hundebesitzer mit seinem Vierbeiner losziehen und Pflegeeinrichtungen besuchen. Der gute Wille allein reicht aber nicht aus. Ratsam ist es, das Tier von einem Fachmann vorher auf Tauglichkeit überprüfen zu lassen, empfiehlt Sabine Schäfer-Diesterhöft. Die Hundefachfrau betreibt in ihrer Hundeschule im Mandelbachtal auch ein Zentrum für die Ausbildung von Therapiehun- wanderbar Einfach 3fac h Durchwandern Sie den Pfälzer Wald mit seinen zahlreichen attraktiven Wanderwegen. Davor und danach lassen Sie sich in unserem Hotel verwöhnen. Arrangement „Einfach wanderbar“ · 2 Übernachtungen im Komfort Zimmer inklusive reichhaltigem Frühstück vom Buffet · eine umfangreiche Wanderkarte der Region · eine Flasche Pfälzer Wein auf dem Zimmer wund erbar · Nutzung des Wellness-Bereichs mit Sauna, Dampfbad, Whirlpool und Infrarot-Kabine € 107 pro Person im Doppelzimmer € 137 im Einzelzimmer 2015 ganzjährig gültig,von Donnerstag bis Sonntag Mina-Karcher-Platz 9 · D-67227 Frankenthal Telefon +49 6233 343-0 · Fax +49 6233 343-434 [email protected] · www.victors.de Ein Unternehmen der Victor’s Residenz-Hotels Süd GmbH Carl-von-Linde-Straße 42 · D-85716 Unterschleißheim Senioren Mit zunehmendem Alter steigt die Gefahr, sich bei Stürzen schwer zu verletzen. Die richtige Sturzprophylaxe ist aber nicht nur für Kranke und Pflegebedürftige wichtig. Mit der Vorbeugung sollte man früh beginnen. FORUM Gesundheit verrät, wie Sie unnötige Stolperfallen vermeiden. K aum zu glauben, aber wahr: Schätzungen von Fachleuten zufolge stürzt etwa ein Drittel der über 65-jährigen mindestens einmal pro Jahr. Unter den Hochbetagten und in Risikogruppen, wie den Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen, steigt der Anteil sogar auf über 50 Prozent. Obwohl die meisten Stürze gottseidank glimpflich verlaufen und die älteren Menschen in der Regel mit ein paar blauen Flecken oder mit dem Schrecken davonkommen, führt jeder zehnte Sturz statistisch gesehen zu behandlungsbedürftigen Verletzungen. Knochenbrüche an Unter- oder Oberarm sind dabei noch die harmloseren Fälle. Fatal sieht es aus, wenn es zu Hüftverletzungen wie dem Oberschenkelhalsbruch kommt. 100.000 Hüftfrakturen zählen deutsche Krankenhäuser pro Jahr, und viele der älteren 52 FORUM GESUNDHEIT Menschen kommen nicht mehr so richtig auf die Beine. Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes könnten die Folgekosten allein für Hüftfrakturen bis 2050 auf über sieben Milliarden Euro pro Jahr steigen. Ein Fass ohne Boden, bedenkt man, dass die Bevölkerung immer älter und mit zunehmendem Alter immer sturzgefährdeter wird. 1. Körperliche Einschränkungen Dabei kann Stürzen bereits mit einfachen Mitteln vorgebeugt werden. Laut einer Vielzahl von Studien sind es in den meisten Fällen individuelle Faktoren, die Stürze bei älteren Menschen begünstigen. Dazu zählen beispielsweise die zunehmende Sehschwäche im Alter, mangelnde körperliche Fitness, Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit, fehlende Körperbalance oder Inkonti- 2. Haushaltsfallen Doch es gibt auch jede Menge andere Faktoren, die zu Stürzen führen können. Beispiel Haushalt: Dort passieren statistisch gesehen die meisten Unfälle und betreffen junge und alte Menschen gleichermaßen. Es muss ja nicht immer der Fall von der Leiter sein. Stolperfallen wie Kabel, umgeschlagene Teppiche, abstehende Kanten oder Gegenstände auf dem Boden stellen für Jung und Alt eine echte Sturzgefahr dar. Feuchte Räume wie Badezimmer oder Küchen sind oftmals eine echte Rutschgefahr. Schlecht beleuchtete Fotos: dpa (3) Vorsicht Stufe! nenz. Erschwerend kommt hinzu, dass Menschen, die einmal schwer gefallen sind, Angst vor weiteren Stürzen haben und sich immer weniger zutrauen. Die Folge ist, dass sich diese Menschen zunehmend mehr zurückziehen und sich sozial isolieren. Das zieht im Endeffekt weitere Probleme nach sich. Ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt. Ziel ist es, durch gesunde und ausgewogene Ernährung und ein für das Alter angemessenes sportliches Trainingsprogramm körperlich möglichst fit zu bleiben. Wer sein Leben lang Sport getrieben hat, dürfte auf diesem Gebiet weit weniger Probleme haben als Bewegungsmuffel. Dabei können ein täglicher halbstündiger Spaziergang oder leichtes Ausdauertraining durch Laufen oder Gymnastik bereits viel bewirken. Senioren Räume tun ihr übriges. Mit ein wenig Umsicht können die Sturzgefahren im Haushalt deutlich reduziert werden. 3. Mechanische Hilfsmittel Wer bereits auf mechanische Hilfen angewiesen ist, sollte diese von Zeit zu Zeit auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüfen lassen. Reichen die Gehhilfen noch aus? Sind die Sehhilfen noch ausreichend? Sind Dusche oder Badewanne altersgerecht ausgerüstet? Werden rutschfeste Matten eingesetzt? Existiert vielleicht bereits ein Alarmsystem für den Fall der Fälle, um Verwandte, Bekannte oder den Arzt benachrichtigen zu können? Es gibt bereits für kleines Geld jede Menge nützliche Hilfsmittel, um Stürzen im Haushalt vorzubeugen. Tipp: unbedingt auf TÜV-geprüfte Artikel achten. Und wer sich im Alter darauf verlassen kann, der fühlt sich nicht nur sicherer, sondern auch wohler in seinen eigenen vier Wänden. Tipps gegen Hinfallen Im Folgenden ein paar Tipps, die es zu beherzigen gilt und zwar nicht für die Älteren unter uns, denn die Gefahren eines Sturzes lauern überall. Also Hand aufs Herz und einfach mal überprüfen: • Regelmäßig und angepasst Sport treiben erhöht die Fitness im Alter. Übrigens Gezielte, regelmäßige Übungen trainieren Kraft, Balance und Körper­ beherrschung. So sinkt das Sturzrisiko. macht Sport unter Gleichgesinnten mehr Spaß als alleine. Fragen Sie doch einmal beim Sportverein in der Nähe nach. Für Fitnessübungen, die der Bewegungsfähigkeit, dem stabilen Gleichgewicht oder einer Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit dienen, ist es nie zu spät. • Besonders empfehlenswert sind Sportarten, die neben Kraft und Ausdauer auch die Körperbeherrschung trainieren. Zum Beispiel Kampfsportarten wie Tai-Chi Selbsttest für Senioren: Wie hoch ist mein Sturzrisiko? Bin ich noch fit? Wer das im höheren Alter herausfinden möchte, bekommt durch einen Selbsttest erste Antworten. Dafür markiert man eine ebene Strecke von genau zehn Metern. Diese geht man zweimal in seinem normalem Tempo ab. Dabei startet man ein paar Schritte vor dem Startpunkt und stoppt erst ein paar Schritte nach dem Ziel – so ist man für die entscheidende Strecke im Schwung. Von der Start- bis zur Zielmarkierung stoppt man die Zeit. Wer länger als zehn Sekunden für die zehn Meter braucht, sollte etwas für seine Fitness tun, empfiehlt die Aktion das sichere Haus in der Broschüre „Sicher leben auch im Alter – Sturz­ unfälle sind vermeidbar“. Eine zweite Selbsttest-Variante, die man nur durchführen sollte, wenn man ohne die Arme zu benutzen aufstehen kann: Fünfmal hintereinander so schnell wie möglich von einem Stuhl aufstehen und sich wieder hinsetzen. Dabei nicht die Arme zu Hilfe nehmen, sondern vor dem Körper verschränken. Im Stand sollten die Beine gestreckt sein, im Sitzen der Rücken leicht die Stuhllehne berühren. Wer dafür länger als 15 Sekunden braucht oder gar nicht ohne die Hilfe der Arme aufstehen kann, sollte an sich arbeiten. Auch wer die Übungen recht locker schafft, sollte vorbeugend mit dem Fitnesstraining beginnen, denn im Alter lässt die Kraft sonst schnell nach. (chinesisches Schattenboxen) oder Karate. Hier gibt es mehr Seniorensportgruppen als Sie denken. • Wer auf Brille oder Hörgerät angewiesen ist, sollte diese auch nachts immer griff bereit haben. • Immer für ausreichende Beleuchtung sorgen und wissen, wo sich die Lichtschalter befinden. Das gilt vor allem, wenn man nicht zu Hause übernachtet. • Ein (altersgerechtes) Mobiltelefon sollte gegebenenfalls immer griff bereit sein. • Nasse oder frisch gewischte Räume wegen der Rutschgefahr meiden. • Keine gefährlichen Haushaltsarbeiten durchführen, wie Fensterputzen oder Gardinenaufhängen von der Leiter aus. Lieber Hilfe in Anspruch nehmen. • Handläufe an Treppen, im Dunkeln reflektierende Lichtschalter, rutschfeste Schuhe oder Sohlen nutzen. • Augen und Gehör und somit Brille und Hörgerät regelmäßig überprüfen lassen. Faustregel: ein Mal im Jahr zur Routineuntersuchung, bei Beschwerden oder Beeinträchtigungen natürlich sofort. • Stolperfallen und Sturzfallen in der Wohnung beziehungsweise im Haus checken und abstellen. • Bei Einnahme von Medikamenten sich über Nebenwirkungen, wie Schwindelgefühle, informieren. Gerade ältere Menschen unterschätzen dieses Risiko. • Regelmäßige Routineuntersuchungen beim Arzt geben nicht nur Sicherheit, sondern helfen mit, Krankheiten rechtzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. • Armin Neidhardt FORUM GESUNDHEIT 53 Medizin & Forschung 54 FORUM GESUNDHEIT Medizin & Forschung Gesundheitssport mit Spaßfaktor Die Wissenschaft beginnt sich für das E-Bike als Sportgerät zu interessieren. Lange als Faulenzerfahrrad und Seniorenvehikel belächelt, zeigen die Räder jetzt ihr Potenzial in Prävention und Rehasport. Besonders in hügeligen Regionen wie dem Saarland. Foto: fotolia / Patrizia Tilly E Von Peter Böhnel lektroräder sind noch eine relativ neue Zweiradgattung. Und sie sind auf dem Vormarsch. Wurden in Deutschland im Jahr 2009 noch 150.000 E-Bikes verkauft, waren es 2014 schon 480.000. Besonders beliebt sind sogenannte Pedelecs. Das sind Fahrräder mit ganz normalem Pedalantrieb, die bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h elektrisch unterstützt werden. Pedelecs kommen mit einem relativ kleinen 250-Watt-Motor aus. Durch diese Beschränkung werden Pedelecs vom Gesetzgeber wie normale Fahrräder behandelt. Sie benötigen also keine Zulassung und dürfen auf allen Radwegen fahren. Im Gegensatz zu anderen, stärkeren E-BikeTypen wie etwa den S-Pedelecs (die bis 40 km/h Dampf machen). Diese vernünftige Beschränkung des Elektroantriebs ist es, was Pedelecs auch als Sportgeräte interes- sant macht. Denn die elektronische Regelung des Antriebs ist so ausgelegt, dass die Trittkraft des Fahrers zwar verstärkt, aber nicht vollständig ersetzt wird. Ohne Treten läuft also nix. Pedelecs besitzen außerdem eine mehrstufige Regelung, mit der man den Anteil der Elektrounterstützung wählen kann. Je niedriger, desto anstrengender wird die Fahrt. Moderates Training ohne Belastungsspitzen Die Eigenschaft von Pedelecs, ihre Fahrer nur bis 25 km/h zu unterstützen, führt zu einer gleichmäßigen körperlichen Belastung. Während schnelle, abschüssige Fahrten überhaupt keinen Elektro-Schub erhalten, bringt der Motor an steilen Anstiegen die deutlichste Entlastung des Fahrers. Dieser ausgleichende Effekt FORUM GESUNDHEIT 55 Medizin & Forschung macht sich in hügeliger Landschaft besonders intensiv bemerkbar. Man empfindet die Strecke als wesentlich flacher, tritt gleichmäßiger in die Pedale. „Steile Berge verlieren ihren Schrecken“, bringt es der Sportwissenschaftler Markus Schwarz von der Uni Saarbrücken auf den Punkt. Als aktiver Radsportler erforscht Schwarz schon länger den Einsatz von E-Bikes im Bereich des Gesundheitssports. Und seine Erfahrungen sind positiv. „Ein Mitglied meiner Präventionssportgruppe zeigte schlechte Leistungswerte, musste etwas 56 FORUM GESUNDHEIT tun“, erzählt Schwarz. „Der Mann, ein Anwalt, wollte daraufhin das Auto gegen ein Fahrrad tauschen, um seine vielen Dienstfahrten mit dem Rad zu erledigen.“ Eigentlich eine super Idee. Doch in Anzug und Schlips verschwitzt ankommen, das ging nicht. Die Lösung: ein Pedelec. So klappte der Tausch Auto gegen Rad. Schwarz: „In Verbindung mit einer gesünderen Ernährung verlor der Mann 15 Kilo Übergewicht innerhalb von drei Monaten, und seine Leistungswerte stiegen signifikant.“ Dieses Beispiel zeigt, dass es beim Gesundheitssport nicht auf hohe Belastung ankommt. Sondern auf möglichst viel Bewegung. Die Menge macht’s Studien zeigen: Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem wöchentlichen Energieumsatz und der Lebenserwartung. „Wer etwa 2.000 Kilokalorien pro Woche durch körperliche Aktivitäten verbraucht, lebt nach einer Studie aus dem Jahr 2012 im Schnitt vier Jahre länger“, sagt Schwarz. Für E-Biker, die mit niedriger Unterstützungsstufe etwa 500 Kilokalorien pro Stunde verbrauchen, würde sich also eine optimale Fahrzeit von vier Stunden pro Woche ergeben. Doch selbst die Hälfte davon würde der besagten Studie zufolge noch eine Lebensverlängerung von über drei Jahren ergeben. Also: Jeweils zwei Stunden biken über die Woche verteilt Fotos: Peter Bohnel — Dirk Guldner — dpa Kardiologe Prof. Dr. Günter Henners­dorf radelt mit Herz­patienten für die Forschung. Sport­wissen­ schaft­ler Dr. Markus Schwarz (links) setzt E-Bikes erfolg­r eich im Gesundheits­ sport ein. Medizin & Forschung bringt eine Menge. Vor allem steigert es die Lebensqualität, denn wer sich regelmäßig bewegt, bleibt einfach viel länger fit und vital. Die Leistungsfähigkeit eines sportlich aktiven 70-Jährigen kann mit drei Watt pro Kilo Körpergewicht durchaus noch auf dem Niveau einer inaktiven 30-Jährigen liegen, rechnet Schwarz vor. Pedelecs sind auch als gelenkschonendes Sportgerät bei Übergewicht einsetzbar. Jedoch wiegt alleine die Technik mit Motor und schwerem Akku schon weit über 20 Kilo, sodass die mögliche Zuladung meist eher gering ausfällt. Doch die ersten Hersteller sorgen hier für Abhilfe. Zum Beispiel Kettler. Im saarländischen Kleinblittersdorf entstehen neben den normalen Pedelecs auch solche in HeavyDuty-Ausführung. Für große und schwere Menschen bis 130 Kilo Körpergewicht. Übrigens ohne Aufpreis gedenüber den regulären Modellen. Forschungsprojekt Herz-Bike Saar Pedelecs eigenen sich nicht nur zur Prävention und zum Erhalt der Fitness. Geradezu ideal sind sie im Rehasport. Der Kardiologe Günter Hennersdorf, emeritierter Professor der Uni Saarbrücken, leitet schon seit vielen Jahren Herzsportgruppen. „Normales Radfahren ist für Herzpatienten grenzwertig, denn die Gefahr der Überlastung ist zu groß“, erklärt er. Doch mit E-Bikes sieht das anders aus. Begleitet vom Sportmedizinischen Institut der Saar-Uni startete Hennersdorf im Mai dieses Jahres mit der Aktion HerzBike Saar. Eine Gruppe von 20 Herzpatienten, aus verschiedenen Herzsportgruppen rekrutiert, trifft sich seitdem jeden Dienstag am Bootsanleger Undine. Dort ist auch ein E-Bike-Verleih. 20 Kilometer in einer Stunde und immer die gleiche Strecke, so fährt die Gruppe in ärztlicher Begleitung die nächsten zwei Jahre. In diesem Zeitraum werden die Gesundheitswerte der Teilnehmer erfasst und ausgewertet. Albert Brausch aus Losheim: „Wir mögen den Spaßfaktor in der Gruppe, und wir spüren einen Konditionszuwachs.“ Auch Markus Schwarz weiß, dass das Training mit E-Bikes viele Menschen motiviert. „Ein über 60-jähriger Herzpatient schickte mir neulich stolz ein Foto vom Schaumberg“, erzählt Schwarz. „Er hätte sich nie erträumt, nach dem Infarkt diesen Berg nochmal hochzuradeln.“ Wieviel so ein scheinbar kleiner 250-Watt-Motor zu leisten vermag, rechnet Schwarz vor: Ein durchschnittlicher Mann bringt etwa drei Watt Leistung pro Kilogramm Körpergewicht, eine Frau etwa 2,5 Watt auf die Pedale. Macht also beim 75-Kilo-Mann 235 Watt. In Verbindung mit den 250 Watt des Motors sei man in der Region eines Leistungssportlers, so Schwarz. „Schon mit insgesamt 400 Watt fahre ich alles hoch!“ Dies motiviert natürlich die EBiker, macht Lust auf größere Ausflüge. Der elektrisch erweiterte Aktionsradius hat allerdings auch so seine Schattenseiten: „E-Biker haben eine höhere Unfallrate“, sagt Schwarz. Höhere Kurvengeschwindigkeiten und eine höhere bewegte (und zu bremsende) Masse führen zu Stürzen. Und Schwarz ergänzt: „Mit E-Bikes können auch ungeübte Fahrer in schwierigen Geländepositionen landen, zum Beispiel auf Berggipfeln – und da muss man auch wieder herunter.“ • tipps für E-Bike-Einsteiger Sicherheit geht vor • Unbedingt auf Sicherheitsausrüstung achten: Helm, Brille, Handschuhe. • Neben der Kondition auch Geschicklichkeit trainieren (enge Kurven, Balance), um das Rad besser zu beherrschen. Richtig trainieren • Nur die Unterstützungsstufe wählen, die einen ausreichenden Herz-Kreislauf-Trainingseffekt ermöglicht. Richtwert: 180 minus Lebensalter = angestrebte Herzfrequenz beim Fahren. • Um Muskelermüdung (durch Übersäuerung) vorzubeugen, auf ausreichend hohe Trittfrequenz achten. Minimum: 60 Umdrehungen pro Minute, besser 70 bis 80. • An steilen Anstiegen ruhig mal aus dem Sattel gehen und mit dem ganzen Körper in die Pedale steigen (bei langsamerer Trittfrequenz). • Für eine besonders gleichmäßige Muskelbelastung sind Klick-Pedale empfehlenswert. Sie erlauben auch das Hochziehen des Pedals mit dem Fuß. Mit dem Elektro- kommt der Motivationsschub Das Pedelec im Dienste der Wissenschaft kommt bei den Rehasportlern hervorragend an. Sie haben eine Menge Spaß. Günther Dann aus Saarlouis zum Beispiel. Schon seit drei Jahren hat er ein E-Bike, macht damit etwa 100 Kilometer pro Woche. „Seitdem haben sich meine HerzKreislaufwerte stabilisiert.“ Elisabeth und FORUM GESUNDHEIT 57 Medizin & Forschung „Eine seltene, aber typische Erkrankung“ E rst kürzlich ging der Fall von Lauren Wasser aus Kalifornien durch alle Medien. Die junge Frau aus Los Angeles verklagt den Tampon-Hersteller Kotex. Im Oktober 2012 fand ein Freund das damals 24-jährige Model bewusstlos mit 42 Grad Fieber in ihrer Wohnung. Im Krankenhaus stellte man einen schweren Herzinfarkt fest. Ihre Organe waren kurz vor dem Versagen. Die Ärzte gehen davon aus, dass zehn Minuten später jegliche Hilfe zu spät gekommen wäre. Bei der angehenden Schauspielerin wurde das Toxische Schocksyndrom (TSS) diagnostiziert. Ihr Körper war mit Wundbränden übersät, der halbe linke Fuß stark beschädigt, das rechte Bein musste ihr sogar unterhalb des Knies amputiert werden. „Ich wollte mich umbringen“, erzählt die junge Frau in einem Interview. „Ich war Model und dann plötzlich in einem Rollstuhl. Ich 58 FORUM GESUNDHEIT fühlte mich in meinen eigenen vier Wänden gefangen.“ TSS ist durch ihren Fall und den der 27 Jahre alten Joanna Cartwright aus In bis zu 70 Prozent der Fälle führt das Toxische Schock­ syndrom zum Tod des Patienten South Yorkshire (England) zurzeit in aller Munde. Auch die dreifache Mutter wurde Opfer der heimtückischen Krankheit. Kurz vor ihrem 25. Geburtstag bekommt sie ihre Periode. Wenige Tage später fallen ihr die Haare und Nägel aus, mehrere Hautschichten beginnen sich zu lösen und Cartwright verliert immer wieder das Bewusstsein. Im Krankenhaus diagnostizieren die Ärzte TSS. Ihre Organe sind bereits im Begriff zu versagen, die Ärzte versetzen sie in ein künstliches Koma. Als sie wieder erwacht, hat Cartwright ihr Gedächtnis verloren, an ihre drei Töchter kann sie sich nicht mehr erinnern. Das Laufen muss sie neu erlernen, ihr Gedächtnis ist heute bis auf wenige Lücken wieder vollständig hergestellt. Doch was genau ist TSS? „Das Toxische Schocksyndrom ist eine Infektion mit Staphylococcus aureus oder betahämolysierenden Streptokokken“, erklärt Fotos: fotolia / kellyreekolibry — Peter Böhnel Verschiedene Fälle einer seltenen Krankheit, die zurzeit vor allem junge Frauen in Angst und Schrecken versetzt, gingen vor Kurzem durch die Presse: das Toxische Schocksyndrom – häufig ausgelöst durch die Benutzung von Tampons. Der Saarbrücker Gynäkologieprofessor Klaus Joachim Neis erklärt, was es damit auf sich hat und ob diese Angst begründet ist. Medizin & Forschung Gynäkologe Klaus Joachim Neis aus Saarbrücken. Erstmals wurde die Krankheit 1978 erwähnt. Seitdem wurden viele Fälle beschrieben, die mit der Benutzung eines Tampons während der Menstruation in Zusammenhang gebracht werden konnten. Symptome von TSS sind Fieber, Blutdruckabfall, ein sonnenbrandähnlicher Ausschlag, Muskelschmerzen, Übelkeit, Durchfall, Nieren- und Leberschäden, Bewusstseinstrübungen und Multiorganversagen. „Im Regelfall bekommen die Patienten einen Ausschlag, dann Fieber, der Blutdruck sinkt ab, schließlich müssen sie beatmet werden und brauchen eine Betreuung auf der Intensivstation. Innerhalb kürzester Zeit kann es zum multiplen Organversagen kommen“, erklärt Neis. Die Diagnose ist für die Ärzte alles andere als einfach, da die Symptome unspezifisch sind und auf viele Krankheiten hindeu- ten können. In bis zu 70 Prozent der Fälle führt TSS zum Tod. Die Bakterien, die diesen Schock verursachen, können sich zu jeder Zeit auf dem ganzen Körper, zum Beispiel auf der Haut, befinden, ohne eine Gefahr darzu- stellen. Dringen die Keime aber in den Körper ein, wird es gefährlich. „Es tritt nicht nur bei Frauen auf. Auch Männer können betroffen sein. Denn TSS kann beispielsweise auch im Zusammenhang mit einer Operation auftreten“, erklärt Neis. Bei einem geschwächten Immunsystem kann jede offene Wunde den Erregern Zutritt zum Körper geben. Bei Frauen tritt die Erkrankung aber dennoch häufiger auf – ausgelöst meist durch die Benutzung von Tampons. „Das Menstruationsblut, insbesondere wenn es am Abfluss gehindert wird, ist ein idealer Nährboden für diese Keime.“ Sind die Keime erst einmal in der Gebärmutter, können sie über die bei der Periodenblutung geöffneten Gefäße in den ganzen Körper gelangen. „Prinzipiell ist der Tampon aber eine sichere Angelegenheit“, versichert Neis. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch an TSS erkrankt, liegt bei 1:200.000 bis 1:250.000 pro Jahr. Da Frauen die Hälfte der Bevölkerung darstellen, liegt sie sogar bei lediglich 1:400.000. Pro Jahr ist somit rein statistisch gesehen ein Fall von TSS im Zusammenhang mit der Benutzung eines Tampons im Saarland zu erwarten.“ Um sich vor einer solchen Krankheit zu schützen, raten Experten dazu, den Tampon alle vier bis fünf, manche sogar alle drei bis vier Stunden zu wechseln, so Neis. Ob dies aber wirklich vor einem TSS schützt, ist nicht bewiesen. Das Händewaschen vor dem Wechseln des Tampons sollte nicht vergessen werden. Dass die Gefahr des Toxischen Schocksyndroms auch den Herstellern der Hygieneartikel wohl bekannt ist, sieht man mit einem Blick in den Beipackzettel. Neis: „Es ist zwar eine sehr seltene, aber typische Erkrankung bei der Benutzung eines Tampons.“ Prof. Dr. med. Klaus Joachim Neis war von 1990 bis 2003 Chefarzt der Frauenklinik an der Caritasklinik St. Theresia in Saarbrücken. Nach einer Zwischenstation als Chefarzt am Klinikum Saarbrücken machte er sich zusammen mit einigen Kollegen selbstständig und eröffnete seine eigene Praxis „Frauenärzte am Staden“. • Rebecca Maaß Neis lehrt als Professor an der Universität des Saarlandes, an deren Frauenklinik er auch Operationen ausführt. Er ist federführendes Mitglied der Leitlinienkommission Hysterektomie (eine schonende OP-Technik) der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. FORUM GESUNDHEIT 59 Medizin & Forschung Diagnose Krebs – wie soll es jetzt weitergehen, gibt es überhaupt eine Zukunft, ist die Familie im Fall des Falles abgesichert? Hinzu kommt meist die Belastung durch die notwendige Strahlen- oder Chemotherapie. Hier kommt die Saarländische Krebsliga ins Spiel, die seit 1978 Kranken und deren Familien mit fachkundigem Rat und tatkräftiger Unterstützung zur Seite steht. D er gemeinnützige Verein mit Sitz in Saarbrücken ist dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband angegliedert und hat sich auf die Fahnen geschrieben, Betroffenen und deren Familie in allen Lebenslagen zur Seite zu stehen. Sein Credo: weiterleben trotz Krebs. Das Angebot reicht von Aufklärung und Information zu Krebsvorsorge und -nachsorge über Beratung (etwa zu Renten- und Schwerbehindertenrecht, Nachsorgeuntersuchungen), telefonische Beratung für Krebspatienten und deren Angehörige, Haus- und Krankenbesuche 60 FORUM GESUNDHEIT und Organisation von Zusammenkünften bis hin zur Sterbebegleitung. Herz und Seele der Krebsliga mit ihren rund 800 Mitgliedern ist unumstritten die Vorsitzende Reinhilde Detemple. Sie ist es, an die sich die Erkrankten und deren Angehörige wenden. Die sie um Rat bitten, wenn sie nicht weiter wissen. Die nachts am Telefon Trost spendet, wenn Ängste und Zweifel überhand zu nehmen drohen. Und sie ist es auch, die „ihre“ Patienten bis zum Ende begleitet, sich auch ans Sterbebett setzt, um ein letztes Mal Stütze für Familie und Kranke zu sein, wenn der Krebs doch die Oberhand ge- winnt. An Reinhilde Detemple wenden sich die Patienten, wenn es um die Behandlung geht. Sie kümmert sich. Sie setzt sich für die Belange der Patienten bei Politik, Ärzten und Krankenkassen ein. Sie scheut die Konfrontation nicht, wenn sie der Meinung ist, dass etwas besser laufen könnte. Kleines Beispiel gefällig? Während des Gesprächs kommt eine Patientin herein, bei der nun die Nachsorge ansteht. Beginn: Anfang Oktober. „Nee, das ist zu spät, das muss früher passieren“, sagt Detemple resolut. „Mach dir mal keine Sorgen: Ich rufe da gleich an und regle das“, sagt sie und hängt schon an der Strippe. Ohne sie, sagen Mitarbeiter, Helfer und Patienten unisono, wäre die Krebsliga heute nicht das, was sie ist: eine der ersten Anlaufstellen für Krebspatienten und deren Familien. Ohne sie gäbe es die Krebsliga wahrscheinlich gar nicht. Detemple war die treibende Kraft hinter der Gründung am 13. Dezember 1978. Mit dem Thema Krebs befasst sich Reinhilde Detemple seit 1963. Seit ihr Bruder Udo erkrankte. Die Ärzte hatten ihn schon aufgegeben, nicht aber die Foto: Peter Böhnel Weiterleben – trotz Krebs Engagiert für Krebs-Betroffene: Rein­hilde De­temple (links) und Kollegin Emanu­ela Uhrig in ihrem Sekretariat der Krebsliga. Medizin & Forschung „Doch zu einer erfolgreichen Behandlung gehört mehr: Man muss die Patienten auch psychologisch betreuen, sie dazu bringen, sich mit der Krankheit zu beschäftigen, die körpereigenen Abwehrkräfte zu aktivieren.“ Ein Feld, mit dem sich die heute auch von Medizinern weitestgehend anerkannte Psychoneuroimmunologie (PN) beschäftigt. Davon konnte 1988, als die Krebsliga die PN erstmals in einem Vortrag als wichtigen Bestandteil der Krebsbehandlung thematisierte, noch nicht die Rede sein. „Aber das ist für mich nichts Neues“, sagt Detemple sarkastisch. Heute ist es Allgemeingut, dass gesundes Essen, Verzicht auf Alkohol, Sport, Nichtrauchen und Sonnenschutz zur Krebsvorsorge gehören. Als die Krebsliga in ihrer Anfangszeit mit genau diesen Forderungen Aufklärungsarbeit in Schulen und Kindergärten betrieb, wurde sie milde belächelt. Bei der PN sah es bis vor Kurzem nicht anders aus. „Den Patienten hilft es aber einfach, über ihre Krankheit und die damit einhergehenden Ängste zu reden“, so Detemple. „Sie müssen sich vorstellen, dass deren erster Gedanke nach dem Aufwachen oftmals die Frage ist: Wie lange lebe ich noch?“, erzählt sie. „Das kann niederschmetternd sein. Deswegen brauchen Sie jemanden, der ihnen hilft, in der Gegenwart zu leben, die Hoffnung nicht zu verlieren. Nur so können die Menschen die Kraft aufbringen weiterzukämpfen“, sagt sie. Und ebenso wichtig ist es, sich um die Familie zu kümmern. Auch die wird von Ängsten geplagt, muss lernen mit der Situation umzugehen und sie nicht zu verdrängen, aber auf der anderen Seite den Patienten mit ihrer Zuneigung auch nicht zu erdrücken. All das bietet die Saarländische Krebsliga in ihren Räumlichkeiten oder am Telefon an. Seien es Treffen von Betroffenen und deren Familie in den Konferenz- und Gruppenräumen, Beratungsgespräche im Büro oder nur das einfache Zuhören am Telefon, eine Reflexzonenmassage oder eine Wärmebehandlung in den Behandlungsräumen: Immer geht es darum, das Wohl und die Lebensqualität des Patienten zu steigern. Natürlich gilt das auch für die Weihnachtszeit, wenn die Krebsliga, unterstützt von saarländischen Firmen, 40 Geschenkpakete mit Lebensmitteln vollpackt und an sozial schwache Familien von Krebspatienten verteilt. „Die Leute freuen sich einfach wahnsinnig“, freut sich Reinhilde Detemple mit. Die Saarländische Krebsliga kämpft seit Langem für die Etablierung der Komplementärmedizin als vierte Säule der Krebsbehandlung – neben Operation, Chemotherapie und Strahlentherapie. Ihr besonderes Augenmerk gilt dabei der Hyperthermie. Darunter versteht man die gezielte Überwärmung von Teilbereichen oder des ganzen Körpers, mit dem Ziel, die Krebszellen abzutöten oder für Chemo und Bestrahlung empfänglicher zu machen. Viele Mediziner sehen das Verfahren eher kritisch, verweisen auf fehlende Studien, die die Wirksamkeit der Methode nachweisen. Für Detemple Schwester. Sie informierte sich, welche ist das zweitrangig. „Ich kenne einfach alternativen Möglichkeiten der Behandzu viele Menschen, denen die Hypertherlung es noch gibt. Dabei stieß sie auf die mie geholfen hat, als dass ich mich davon Klinik von Professor Issels am Tegernsee abbringen lasse“, argumentiert sie. „Der und kämpfte dafür, dass der geliebte BruPatient und sein Wohlergehen sollten im der dorthin verlegt wurde. Mit Erfolg. Mittelpunkt stehen. Und meiner MeiDer Krebs ging zurück, und Udo konnte nung nach ist die Hyperthermie ein wichsogar wieder seiner Arbeit beim Katastiger Faktor bei einer teramt nachgehen. Es erfolgreichen Krebsbeblieben ihm noch 18 handlung. Deswegen weitere Jahre, bevor er werde ich auch weiteram 26. März 1981 an hin dafür kämpfen.“ Krebs starb. 18 Jahre, Telefon 0681-65910 Kontakt Wer sie einmal kenin denen sich ReinhilTelefax 0681-67008 Saarländische Krebsliga e. V. nen gelernt hat, weiß, de Detemple intensiv [email protected] Mainzer Straße 106 dass das kein leeres mit dem Thema befasswww.saarl-krebsliga.de 66121 Saarbrücken Versprechen ist. Reinte und zu der Erkennthilde Detemple und nis kam, dass zu einer Spendenkonten ihre Mitstreiter von erfolgreichen KrebsbeSparkasse Saarbrücken: der Saarländischen handlung mehr gehört, IBAN: DE 47 5905 0101 0030 0001 11 BIC: SAKSDE55XXX Krebsliga haben einen als die gängige ChemoVereinigte Volksbank eG: äußerst langen Atem oder Strahlentherapie. IBAN: DE87 5909 2000 7405 0400 04 BIC: GENODE51SB2 und lassen nicht locker, „Chemo und BePostbank Saarbrücken: wenn es darum geht, strahlung sind unIBAN: DE15 5901 0066 0032 4486 63 BIC: PBNKDEFF sich für die Belange verzichtbar bei einer Sonderkonto „Krebskranke Kinder”, Vereinigte Volksbank eG: von Krebspatienten erfolgreichen KrebsbeIBAN: DE65 5909 2000 7405 0400 12 BIC: GENODE51SB2 einzusetzen. handlung, ohne geht es nicht“, sagt Detemple. Jakob Schmidt • FORUM GESUNDHEIT 61 Wellness Gesichtsgymnastik gegen Falten E Gesicht entstehen zunächst kleine flache Fältchen, meist zuerst sternförmig im Augenbereich. Auch Lachfältchen und Krähenfüße können sich bilden. Auf Wangen und der Stirn zeigen sich horizontale Linien, die im Laufe der Zeit tiefer werden. Schließlich kommen auch noch Falten zwischen den Augenbrauen, die durch häufiges Stirnrunzeln verstärkt werden, sowie Nasolabialfalten (Nasenlippenfurchen) zwischen Nasenflügel und Mundwinkel hinzu. Von Doppelkinn und hängender Mundpartie ganz zu schweigen. Um diesen unschönen Begleiterscheinungen des Lebens rechtzeitig entgegenzuwirken oder zumindest die Ausformungen zu kaschieren, greifen Frauen gerne zu den verschiedensten Anti-Aging-Methoden. Von Feuchtigkeit spendenden Lotionen oder Cremes über Hyaluron-Produkte bis hin zu drastischen Maßnahmen wie Botoxspritzen, Laserbehandlungen oder gar chirurgischen Eingriffen. Dass sich die Haut an Gesicht und Hals auch durch eine natürliche und vergleichsweise wenig aufwendige Gymnastik straffen lässt, Fältchen nach kontinuierlichen Übungen wie von Zauberhand verschwinden, hat sich erst in jüngster Zeit herumgesprochen. Natürlich alles in gewissen Grenzen: Tief eingegrabene Augenringe, starke Schlupflider und Lesetipp: Lachfalten oder entspreHeike Höfler: Fitnesstraining chende Nasolabialfalten fürs Gesicht (mit über 100 können selbst mit intenÜbungsanleitungen) sivstem Face Gym nicht Trias-Verlag, 5. Auflage 2011 restlos beseitigt werden. ISBN: 978-3830439752 Gesichtsgymnastik sieht 128 Seiten € 12,99 zuweilen etwas komisch aus, erinnert häufig an in regelmäßiger Besuch im Fitness-Studio ist für viele Menschen, die ihren Körper in Form bringen wollen, längst zu einer Standard-Freizeitbeschäftigung geworden. Dabei werden die verschiedensten Muskelpartien belastet und gestählt. Gesicht und Hals bleiben bei den Übungen größtenteils außen vor. Daher ist es ratsam, auch diese Körperpartien einem gezielten Zirkeltraining zu unterziehen, um den gleichen Effekt wie beim Sport zu erzielen, wo trainierte Muskeln nicht nur für eine schönere Silhouette sorgen, sondern durch ihre Kräftigung auch die darüber liegende Haut straffen können. Im Laufe des Lebens verliert unsere Haut zunehmend an Elastizität, Volumen, Feuchtigkeit und Dichte. Denn etwa ab dem 25. Lebensjahr nimmt die Bildung von Hyaluronsäure, Elastin und Kollagen ab, die die Haut straff und jugendlich erhalten. Auch äußere Einflüsse wie Sonneneinstrahlung, Luftverschmutzung oder Nikotingenuss können die Hautalterung beschleunigen. Innere Faktoren wie genetische Vorbelastung, ungesunde Ernährung oder vernachlässigte Fitness sind dabei nicht zu vergessen. Im 62 FORUM GESUNDHEIT Grimassenschneiden. Von daher sollten Sie manche Übungen besser unbeobachtet und zur Kontrolle am besten vor dem Spiegel machen. Fünf bis zehn Minuten täglich reichen völlig aus. Der Effekt in Gestalt von deutlich strafferer Haut wird sich spätestens ein paar Wochen später zeigen. Bei dieser ungewöhnlichen Art von Hautpflege werden das kollagene Bindegewebe sowie die Muskeln besser durchblutet und gestärkt sowie die Zellerneuerung angekurbelt. Die Hautzellen werden durch die Muskelbewegungen zur vermehrten Produktion von Kollagen und Elastin stimuliert. Auch der Lymphfluss wird beschleunigt, wodurch Schlacken und Giftstoffe aus dem Gewebe abtransportiert werden, was einen strahlenderen Teint zur Folge hat. Zudem kann man beim Face Gym auch Muskeln ganz gezielt trainieren, die im Alltag nur selten genutzt werden. Denn aus Gewohnheit kommen manche Gesichtsmuskeln ständig, andere hingegen nur selten zum Einsatz. Letztere neigen daher zum Verkümmern, was in diesem Bereich dann zu einer Erschlaffung der Haut führen kann. Bei ständig unter Spannung stehenden Gesichtsmuskeln helfen die Übungen, die Elastizität der Haut so hochzuhalten, dass sie immer wieder von selbst in ihre ursprüngliche Position zurückgleitet und nicht beispielsweise als dauerhafte Sorgenfalte an der Stirn sichtbar bleibt. Ein Grundproblem ist auch, dass fast alle Menschen ihre Gesichtsmuskeln nur in eine Richtung, der Schwerkraft folgend, einsetzen. Beim Face Gym sollte daher das Hauptaugenmerk eher auf oben-hinten als nach vorne-unten gerichtet sein. • Peter Lempert Fotos: Lothar Bertrams, Trias-Verlag (7) Sie suchen eine wirksame Alternative zu Botoxspritzen, Laserbehandlungen, Chirurgenmesser oder teuren Cremes? Gezielte Gesichtsgymnastik ist ein natürliches Anti-Aging-Allheilmittel gegen Falten und vorzeitige Hautalterung sowie für einen frischen jugendlichen Teint. Wellness Warm-up: Die Augenbrauen so hoch wie möglich anheben und fünf Sekunden lang halten, mehrmals wiederholen. Kinn: Eine Faust unter das Kinn Stirn: Die Finger beider Hän- legen und durch Öffnen des Unterkiefers möglichst kräftigen Druck gegen die Faust erzeugen, dabei die Spannung bis maximal zehn Sekunden halten. Gegen die Ausbildung eines Doppelkinns mit beiden Daumen und Zeigefingern die Kinnpartie von innen nach außen behutsam zupfen. de flach auf die Stirn legen, mittig sich fast berührend. Dann die Stirnmuskeln anspannen, indem die Stirnhaut ganz bewusst nach oben gezogen wird, die Spannung maximal zehn Sekunden anhalten. Der Druck der Finger verhindert Faltenbildung auf der Stirn. Hals: Aufrechte Kopfhaltung einnehmen, dann den Unterkiefer nach vorne schieben und die Halsmuskulatur bis drei Sekunden angespannt halten. Alternativ: Massageübung mit einem kleinen Noppenball, der mit einer Hand am Kinnboden entlang hin und her gerollt wird. Wangen: Fischmund bilden, indem beide Wangen nach innen gesaugt und zehn Sekunden in dieser Position gehalten werden. Alternativ: Wangen aufblasen und dabei die Luft im Mund hin und her bewegen, zusätzlich können die aufgeblasenen Wangen noch mit den flachen Fingern beklopft werden. Oder: die Zeigefinger bei leicht geöffnetem Mund von innen in die Mundwinkel schieben und diese dann gegen den Widerstand der Finger nach innen ziehen. Mund: Lippen zum Kussmund formen, einige Sekunden anhalten, danach ein Lächeln simulieren, wieder einige Sekunden anhalten. Alternativ: Zwei Finger zwischen die Lippen legen und dann den Mund fest zupressen. Zur Straffung der Oberlippe Lippen fest aufeinanderpressen und die Spannung zusätzlich durch Auflegen der beiden Zeigefinger verstärken. Gegen Knitterfältchen zur Kräftigung der Mundpartie einen Teelöffel zwischen die Lippen stecken und mit Kraft von Lippen und Unterkiefer mehrmals langsam auf und ab bewegen, wobei sich der Unterkiefer vor- und zurückschiebt. Zur Glättung von Lachfältchen die Lippen zu einem extremen Lachen formen und mit den Fingern die Fältchen sanft nach außen streichen. Augen: Entspannen der Augenpartie durch ständiges Zupfen und wieder Loslassen mittels Daumen und Zeigefinger, beginnend am inneren Augenbrauenrand, danach Stück für Stück bis zum äußeren Augenbrauenrand weiterführen. Alternativ zur Stärkung des ringförmigen Augenmuskels mit Daumen und Zeigefinger eine „Brille“ um die Augen formen. Zeigefinger unterhalb der Augenbrauen, Daumen auf Jochbein auflegen. Die „Brille“ abwechselnd dehnen und entspannen, zusätzlich gegen den Widerstand der Finger mehrmals blinzeln. FORUM GESUNDHEIT 63 Wellness Geheimtipp für glatte Haut oder Gel mit der Hand auftragen. Nun wie gewohnt rasieren. Freunde dieser Methode schwören auf eine etwas sanftere Rasur mit weniger Hautirritationen. Kombinieren Sie doch die Vorteile von Seifenschaum und Öl einmal in dieser Reihenfolge: Zuerst einschäumen und den ersten Gang mit dem Strich rasieren. Dann Seifenreste kurz mit heißem Wasser abwaschen, einige Tropfen Rasieröl in die nasse Haut einmassieren. Gut nachfeuchten und nass fertig rasieren. Das hat mehrere Vorteile: Die Rasur gegen den Strich klappt sehr sanft und hautschonend. Auch mit dem Rasiermesser sind Schnitte viel seltener. Bartkonturen und Koteletten können sehr präzise getrimmt werden, weil kein Schaum die Sicht versperrt. Mit kaltem Wasser abwaschen, fertig. Auch hier ist eigentlich kein After Shave nötig. Aber erlaubt. Weil Sonntag ist. Solo Körper Gute Rasieröle funktionieren auch als alleiniges Rasiermittel. Es gibt sogar Produkte für besonders kräftige Stoppeln (mit mehr Menthol). Die Anwendung funktioniert wie beim Pre Shave, nur eben ohne Schaum. Sehr wichtig ist, dass während der Rasur die Haut mit warmem Wasser immer gut nass gehalten wird. Von besonders dünnen Ölen brauchen Sie nach einer Weile vielleicht nochmal ein paar Tropfen. Den Rasierer müssen Sie öfters abspülen, er setzt sich leicht zu. Relativ gut funktioniert das Spülen beim klassischen Rasierhobel oder beim Gillette Mach 3. Nach der Rasur mit kaltem Wasser abwaschen – fertig! After Shave nicht nötig. Diese Variante ist ideal bei empfindlicher Haut, auf Reisen und wenn es schnell gehen soll. Der Nachteil: Die Klingen nutzen sich etwas schneller ab. Rasieröl ist nicht nur fürs Gesicht und nicht nur für Männer. Einfach nach dem Duschen ein paar Tropfen auf die nasse Haut geben – so sanft glätten Sie Ihre Beine mit keinem Duschgel. Aber immer schön nass halten, sonst ziept’s. Und öfter die Klingen spülen. Die Öl-Nassrasur ist perfekt geeignet für empfindliche Hautpartien wie Achseln oder Bikinizone. Danach kurz abduschen – fertig. Einziger Nachteil: Rutschgefahr in der Brausewanne. In Großbritannien und den USA ein gängiges Pflegeprodukt, hier in Deutschland weitgehend unbekannt: Rasieröl. Gerade bei empfindlicher Haut bringt es viele Vorteile. Nicht nur für den Mann. R asieröle sind Pflanzenöl-Mischungen mit ätherischen Ölen für die Nassrasur. Sie machen das Barthaar weich und die Haut elastisch, lassen die Klinge sanft gleiten und schützen so die Haut vor Irritationen, Austrocknung und Mikroverletzungen. Gängige Marken sind zum Beispiel Sommersets (England), American Crew (USA) und Total Shaving Solution (Irland). Jeder Hersteller hat sein eigenes Rezept. Stark haftende Öle sind besonders sparsam in der Anwendung (Sommersets), leichtere Mischungen (American Crew) verbessern dagegen die Gleiteigenschaften. Die meisten Sorten enthalten ziemlich viel Menthol – offenbar weicht es das Barthaar besonders gut auf. Eine Ausnahme: das Bio-Rasieröl von L’Occitane aus Frankreich. Es kommt ohne künstliches Menthol aus und ist so ziemlich das einzige seiner Art, das Sie hierzulande einfach im Laden kaufen können. Dafür gehört es zu den teuersten: 19 Euro für 30 Milliliter. Zum Glück sind Rasieröle extrem sparsam in der Anwendung. Die Drogeriemarke Balea hat vor Kurzem auch die Frauen als Zielgruppe entdeckt und bietet ein Rasieröl mit femininem Duft an. Zwar kein Bioprodukt mit handgepflückten Kräutern aus dem Klostergarten, dafür sehr preiswert: 75 Milliliter für 2,95 Euro. Rasieröle erlauben verschiedene Anwendungen: Sanfte Sonntagsrasur Notrasur (trocken, für unterwegs) Vorstellungsgespräch auf dem Nanga Parbat und die Wasservorräte werden knapp? Verreiben Sie das Öl sparsam auf der Haut. Eine Minute einwirken lassen, dann rasieren. Viel Erfolg. • Peter Böhnel Die verschiedenen Rasieröle unterscheiden sich stark in ihrer Rezeptur. Dieses Produkt zum Beispiel enthält Wiesen­schaum­k raut-Öl. Die klassische Anwendung für den Mann. Traditionell in Kombination mit Rasierseife oder -creme. Bartzone mit warmem Wasser waschen, Rasieröl sparsam in den Handflächen verreiben (nur wenige Tropfen), in die warme, nasse Haut einmassieren. Eventuell mit warmem Wasser nachfeuchten. Rasierschaum mit dem Pinsel 64 FORUM GESUNDHEIT Foto: Peter Böhnel Pre-Shave Berlin on Bike Erkunden Sie Deutschlands Hauptstadt bequem mit dem Fahrrad! Zwei Übernachtungen inkl. Frühstücksbuffet, Fahrrad für 2 Tage, Stadtplan, Lunchpaket an zwei Tagen, Überraschung auf dem Zimmer € 112,– pro Person in einer Juniorsuite € 198,– pro Person in einer Juniorsuite zur Einzelnutzung (Auf Anfrage und nach Verfügbarkeit, ausgenommen Event- und Messezeiten) Am Friedrichshain 17 · D-10407 Berlin · Telefon +49 30 21914-0 · Fax +49 30 21914-199 · [email protected] · www.victors.de Ein Unternehmen der Victor’s Residenz-Hotels GmbH · Kurfürstendamm 100 · 10709 Berlin 25 Jahre im Herzen von Homburg Wir feiern mit Ihnen unser Jubiläum am Sonntag, 20. September 2015, 14 bis 17 Uhr Freuen Sie sich auf: • Unterhaltung durch die Band „New Orleans Garden“ • ein Stück köstliche Geburtstagstorte • spritzige Cocktails Bitte melden Sie sich bis 11. September unter Telefon 06841 692-0 an. Feiern Sie mit – wir freuen uns auf Sie! Pro Seniore Residenz Hohenburg Gerberstraße 18 · 66424 Homburg Telefon 06841 692-0 · Fax 06841 692-101 [email protected] · www.pro-seniore.de