Neue, schonende Behandlungen bei Augenerkrankungen - FORUM

Werbung
21.08.2015 | www.magazin-forum.de | Beilage zu FORUM-Ausgabe 35
Gesundheit
Von Linse bis Laser
Gutes
Sehen
•Neue, schonende Behandlungen
bei Augenerkrankungen
•Hightech gegen Sehfehler
•Augenklinik Sulzbach im Porträt
Mehr als Kopfkino
Harte Aufgabe
Warum Träume wichtig für Ihr
Wohlbefinden sind – Erkenntnisse aus dem Schlaflabor
Wie der Kinderhospizdienst
Saar kleine Patienten auf
ihrem letzten Weg begleitet
Kleinkunst-Nachmittag
„Auf den Busch
geklopft …“
mit Margret Gampper und Bernd Möhl
Freitag, 4. September 2015, 16 bis 18 Uhr
Wortwitz – spritzig, witzig, frech,
prickelnd wie Champagner
Margret Gampper rezitiert Originaltexte von Wilhelm Busch.
Begleitet am Klavier von Bernd Möhl. Regie führt Ela Otto.
Freuen Sie sich auf spritzige Dialoge zu alltäglichen Kleinkatastrophen und komödiantische
Beiträge zu allerlei menschlichen Schwächen. Lernen Sie Witwe Bolte und die fromme Helene
hautnah kennen. Schmunzeln und lachen Sie mit.
Bitte melden Sie sich bis 31. August unter Telefon 06841 692-0 an. Der Eintritt ist frei.
Pro Seniore Residenz Hohenburg
Gerberstraße 18 · 66424 Homburg
Telefon 06841 692-0 · Fax 06841 692-101
[email protected] · www.pro-seniore.de
Editorial
Susanne Kleehaas
Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
Wer Bescheid
weiß, sieht
besser
Foto: Jennifer Weyland
Dr. Eva Hevesi (Augenklinik Sulzbach)
untersucht einen Patienten mit
der Spaltlampe. Damit kann sie
Veränderungen im Auge erkennen.
das Titelthema dieser Ausgabe betrifft jeden von uns: gutes
Sehen. Auch wenn Sie jetzt noch keine Sehhilfe brauchen, irgendwann wird es soweit sein. Denn meist sind es ganz natürliche Alterungsprozesse, die unsere Sehkraft mit zunehmenden
Lebensjahren beeinträchtigen.
Manchmal bedrohen aber auch Krankheiten unser Augenlicht. Viele davon machen sich erst in einem fortgeschrittenen
Stadium durch Sehstörungen bemerkbar. Hier ist Aufklärung
wichtig. Der Berufsverband der Augenärzte zum Beispiel hat
in einer Umfrage festgestellt, dass 73 Prozent der über 55-Jährigen die Krankheit der Altersbedingten Makuladegeneration
gar nicht kennen – obwohl sie zur Risikogruppe gehören. Unser Tipp: Informieren Sie sich, lesen Sie FORUM Gesundheit,
und gehen Sie ruhig einmal zur Augenuntersuchung. Sie tut
nicht weh und erlaubt, bei Auffälligkeiten rechtzeitig gegenzusteuern. Beim Grünen Star etwa genügen meist Augentropfen
– wenn er rechtzeitig diagnostiziert wird.
Die Augenheilkunde hat in den letzten Jahren enorme
Fortschritte gemacht. Vieles, was früher noch groß operiert
wurde, wird heute ambulant erledigt. Auch hier sollten Sie
sich gut informieren, um die beste und schonendste Therapie
für sich zu finden. Rasante Fortschritte haben wir auch bei der
Refraktiven Chirurgie festgestellt, der operativen Sehfehlerkorrektur. Hier kommen mittlerweile hochentwickelte Laser
zum Einsatz sowie Linsenimplantate, die selbst „Glasbausteine“
ersetzen können. Und von den Operationsrisiken lassen sich
immer weniger Menschen abschrecken: Die Anzahl der LasikOPs (die beliebteste Augenlaserbehandlung) schoss von 7.000
im Jahr 1996 auf fast 140.000 in 2014.
Daneben finden Sie in FORUM Gesundheit wieder viele weitere spannende Artikel, vom gesunden Grillen über die Tiertherapie bis hin zur unterschätzten Gefahr der Herzmuskelentzündung. Wir wünschen Ihnen eine ebenso unterhaltsame wie
erkenntnisreiche Lektüre – und bleiben Sie gesund!
Herzlichst, Ihre
FORUM GESUNDHEIT 3
Inhalt
Titelthema
Faszination Innovation
Interview mit Prof. Dr. Peter
Szurman über neue Meilensteine
der Augenheilkunde. 8
Leuchtturm mit Laser
Die Augenklinik Sulzbach und die
Augen­laserklinik Saar können sich
vor Patienten kaum noch retten. 12
34
Die wichtigsten Tipps
für sicheres und gesundes
Grillen und Schwenken
Infos zu Augenproblemen
Krankheiten, Alterserscheinungen,
Sehfehler – und was man heute
dagegen tun kann. Machen Sie den
Selbsttest! 16
Makuladegeneration
Von der Alterskrankheit sind zwei
Millionen Deutsche betroffen. 20
Gesundheit im Blick
FORUM Gesundheit stellt einen
Optometristen vor, einen Optiker
mit medizinischen Ambitionen. 22
Aktuelles
40
Experten fordern
rechtzeitige Hilfe für
Transgender
Das neue Präventionsgesetz
Interview mit Präventionsexperte Franz
Gigout über die zu erwartenden Folgen
der neuen Regierungsinitiative. 26
Rat & Hilfe
38
Apotheker KarlHeinz Potempa weiß
alles über Heilkräuter
4 FORUM GESUNDHEIT
Wer träumt, ist kreativ
Was die aktuelle Traumforschung über
unseren Schlaf herausgefunden hat – ­
ein Blick ins Schlaflabor von Prof.
Michael Schredl. 32
Beim schwenken zu bedenken
Von Verbrennungen bis Krebsgefahr –
so vermeiden Sie unnötige Risiken.
Mit drei leckeren Rezepten. 34
Titelfoto: fotolia / blackday
Gefährliche Erkältung
Herzmuskelentzündungen sind eine
unterschätzte Gefahr und treffen nicht
nur Leistungssportler. 30
Inhalt
54
Von wegen Faulenzerfahrrad: E-Bikes
etablieren sich als gesunde Sportgeräte
Naturheilwissen
Gesundheit aus dem Beet
FORUM Gesundheit hat Dr. Potempas
Gift- und Heilkräutergarten besucht. 38
Familie
Fotos: iStock / iulianvalentin — Bonenberger — dpa — fotolia / Patrizia Tilly
Geboren im falschen Körper
Transsexualität ist keine Krankheit,
kann einen aber krank machen und
ist ein irreführender Begriff. FORUM
Gesundheit gibt Einblicke. 40
Kinderhospizdienst Saar
Wie Profis und Ehrenamtliche unheilbar
kranke Kinder und deren Familien
unterstützen. 44
Medizin &
Forschung
Es geht um Ihre
Sicherheit
Selten, aber tödlich
Das Toxische Schocksyndrom ist
eine seltene Krankheit, die zurzeit
junge Frauen in Angst und
Schrecken versetzt. 58
Buchtipps 47
Senioren
Wellness
Vorsicht Stufe!
Im Alter nimmt die Sturzgefahr zu.
FORUM Gesundheit verrät Ihnen
wichtige Tipps zur Vorbeugung –
mit Selbsttest. 52
Dienstag, 22.09.2015, 18 Uhr
Gesundheitssport
mit Spass
Pedelecs oder E-Bikes werden
gerade von der Wissenschaft für
den Gesundheitssport entdeckt. 54
Weiterleben – trotz krebs
Die Saarländische Krebsliga
unterstützt Patienten und ihre
Familien – und kämpft für alternative
Zusatztherapien. 60
Lebensfreude auf vier pfoten
Senioreneinrichtungen setzen auf
Tiertherapie mit Besuchshunden. 48
FACHVORTRÄGE
FÜR SENIOREN 2015
– Trickbetrug –
Gerhard Stuhlsatz und Günter Engelbrecht, Seniorensicherheitsbeauftragte
aus Saarwellingen und Saarlouis
sowie ein Polizist aus Saarlouis
Enkeltrick und dubiose Haustürgeschäfte – Wie können Sie sich vor
diesen oder ähnlichen Tricks und
Betrügereien schützen?
Gerhard Stuhlsatz und Günter Engelbrecht klären über Gefahren auf und
geben zusammen mit einem Polizisten
wichtige Verhaltenshinweise
Gesichtsgymnastik gegen
Falten
Keine Lust auf Falten, aber auch
nicht auf teure Cremes, Botox & Co.?
Machen Sie Gesichtsgymnastik! 62
Geheimtipp für glatte haut
Rasieröle sind hierzulande noch
weitgehend unbekannt, bringen aber
Vorteile bei empfindlicher Haut. 64
Der Eintritt ist frei.
Bitte rechtzeitig anmelden.
Impressum FORUM GESUNDHEIT erscheint 21.08.2015 in FORUM – Das Wochenmagazin.
Verlag: FORUM Agentur für Verlagswesen, Werbung, Marketing und PR GmbH, Deutschmühlental,
Am Deutsch-Französischen Garten, 66117 Saarbrücken, Telefon 0681-93613-2.
Geschäftsführung: Susanne Kleehaas (V.i.S.d.P.). Verlagsleitung: Dr. Bernd Coen.
Redaktionielle Umsetzung: Peter Böhnel Layout: Maximilian Jung
FORUM GESUNDHEIT 5
Bahnhofsallee 5–7 · 66740 Saarlouis
Telefon 06831 8903-0 · www.victors-residenz.com
Titelthema
6 FORUM GESUNDHEIT
Titelthema
Die Innovation
im Auge
Foto: iStock / RyanKing999
Kaum eine medizinische Fachrichtung glänzt
derzeit mit so spannenden Entwicklungen wie die
Ophthalmologie, die Augenheilkunde. Krankheiten,
die noch vor wenigen Jahren eine große Operation
und mehrere Tage Krankenhausaufenthalt nötig
machten, werden heute quasi im Vorbeigehen
behandelt – mit besseren Ergebnissen. Das betrifft
auch die Korrektur von Sehfehlern. Nur die Sicht
der Krankenkassen bleibt davon unberührt. In
deren Augen ist vieles, was heute möglich ist, nach
wie vor Privatvergnügen. Davon lassen sich aber
immer weniger Patienten abhalten. Statt ihr Geld
in Designerbrillen oder Gleitsichtgläser zu stecken,
leisten sich heute immer mehr Menschen die
Lifestyle-Behandlung unterm Augenlaser. FORUM
Gesundheit hat sich für Sie in einer führenden
Augenklinik umgesehen, Vieraugengespräche mit
Medizinern geführt und bei einem gesundheits­
orientierten Optiker ein Auge riskiert.
FORUM GESUNDHEIT 7
Titelthema
FORUM Interview
„Meilensteine der Medizin
faszinieren mich“
Prof. Dr. Peter Szurman, Chefarzt der Augenklinik Sulzbach,
erforscht an der Uni Tübingen neue Operationsmethoden.
In FORUM Gesundheit redet er über Innovationen in der
Augenheilkunde und wie seine Klinik damit Patienten gewinnt.
Interview: Peter Böhnel
Ich bin ja von Haus aus Retinologe, Netzhautspezialist. Deshalb bin
ich auch hierher nach Sulzbach gekommen. Die Augenklinik ist traditionell ein
Netzhautzentrum. Ich habe aber eine sehr
breite Ausbildung.
Welche Behandlungsmethoden mögen Sie besonders?
Minimal-invasive, schonende Techniken.
Je schonender, desto besser. Wir operieren
beispielsweise mit sogenannten Trokaren,
endoskopischen Instrumenten, die durch
kleine Öffnungen in das Auge gelangen.
Wo können solche Verfahren klassische Behandlungsmethoden ersetzen?
Zum Beispiel bei der Hornhauttransplantation. Früher musste die gesamte Hornhaut ausgetauscht werden, was eine große,
belastende Operation ist. Mit einer neuen
Technik, der DMEK, die wir 2010 nach
Sulzbach mitgebracht haben, wird nur
das kranke Endothel ausgetauscht, die
hauchdünne Pumpzellenschicht. Das ist
für die Patienten wesentlich schonender
und verkürzt die Heilphase deutlich.
Wird eine trübe Hornhaut (der Grund
für die Transplantation) mit neuen
Pumpzellen wieder klar?
8 FORUM GESUNDHEIT
Ja, sie regeneriert sich. Zur Weiterentwicklung der DMEK-Technik haben wir
2007 das weltweit erste Injektor-System
entwickelt und patentiert. Mithilfe einer
Luftblase wird das Endothel besonders
schonend aus dem Spenderauge abgelöst,
zusammengerollt, in eine dünne Pipette
gesaugt und so ins Auge des Empfängers
eingebracht, wo es das zuvor entnommene
Endothel ersetzt. Auch hier kommt wieder eine Luftblase zum Einsatz, die das
Spendergewebe schonend an die Hornhaut
drückt, wo es anwächst. Mit dieser Technik kommen die empfindlichen Pumpzellen nicht zu Schaden. Sie können sich
das Verfahren übrigens auf dem YoutubeKanal der Augenklinik Sulzbach ansehen.
Offenbar legen Sie besonders großen Wert auf die neueste Technik.
„Mit der DMEKTechnik verkürzt
sich die Heilungs­
phase von einem
Jahr auf ein bis
zwei Wochen“
Innovationen sind in der Medizin wichtig. Aber sie sind natürlich kein Selbstzweck; vielmehr müssen die Neuerungen
für die Patienten einen wirklichen Mehrwert bringen. Wir wollen anwendungsorientierte Forschung.
Und was hat der Patient von den
neuen Methoden?
Wir haben gerade die DMEK-Technik
angesprochen. Der Eingriff dauert fünf
bis zehn Minuten, die anschließende
Heilungsphase nur ein bis zwei Wochen –
und nicht ein bis anderthalb Jahre wie bei
der klassischen Volltransplantation. Es
kann auch eine höhere Sehkraft erreicht
werden, weil die ursprüngliche Hornhaut
erhalten bleibt. Wenn man sich nun vorstellt, dass diese klassische Methode praktisch seit hundert Jahren fast unverändert
angewendet wird, bis es zu so einem großen Schritt kommt. Solche Meilensteine
der Medizin faszinieren mich.
Woher kommt diese Innovationskraft
in der Augenheilkunde?
Pharmafirmen und die Hersteller chirurgischer Instrumente investieren derzeit viel in die Augenheilkunde, weil es
solch ein aufstrebender Markt ist. Denn
Probleme wie die Alterssichtigkeit oder
der Graue Star betreffen praktisch jeden
Menschen – Sie müssen nur alt genug
werden.
Sie sagten eben, Innovation sei für
Sie kein Selbstzweck. Gibt es auch
Foto: Jennifer Weyland
H
err Professor Szurman, was
ist Ihr medizinisches Spezialgebiet?
Titelthema
Prof. Dr. med. Peter Szurman
erforscht als Sektionsleiter für
Experimentelle Ophthalmochirurgie an der Uni Tübingen
neue Augenoperationsmethoden. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Biotechnologie, Neuroprothesen
und minimal-invasive Operationstechniken. Er gilt als einer
der führenden Netzhautspezialisten Deutschlands. 2006
sorgte Szurman für Schlagzeilen mit der ersten erfolgreichen Implantation eines
Langzeit-Netzhaut-Chips, der
Blinden ein (schemenhaftes)
Sehen ermöglicht. Für seine
Arbeiten zur Behandlung der
Makuladegeneration
wurde
er 2007 mit dem großen Forschungspreis der Deutschen
Ophthalmochirurgen
ausgezeichnet. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind die
Behandlung des grauen und
grünen Stars, Hornhauttransplantation, Laserchirurgie und
die Rekonstruktion des Auges
nach schweren Verletzungen.
Er besitzt mehrere Patente
für von ihm entwickelte Operationstechniken. Seit 2010 ist
Szurman zusätzlich Chefarzt
der Augenklinik Sulzbach, wo
er aktuelle Forschungsergebnisse in die ärztliche Praxis
einfließen lässt.
FORUM GESUNDHEIT 9
Titelthema
Erfindungen, bei denen kein Nutzen
mehr erkennbar ist? Die vielleicht
sogar mehr Nachteile als Vorteile
bringen?
Innovationen können auch übers Ziel hinausschießen, wenn sie sich vorwiegend
an kommerziellen Interessen orientieren.
Während sich in bestimmten Bereichen der
Augenheilkunde viele innovative Produkte
häufen, wie zum Beispiel zur Behandlung
der Makuladegeneration, gibt es für weniger lukrative Bereiche wie in der KinderOphthalmologie deutlich weniger innovative Anstrengungen der Industrie. Am Ende
führt das Konzentrieren von Forschungsgeldern auf attraktive Volkskrankheiten zu
keiner besseren Medizin für die Menschen.
Ein gutes Beispiel ist das Glaukom, auch
Grüner Star genannt. Eine Schädigung des
Sehnervs, die zur Erblindung führen kann.
Meist entsteht das Glaukom durch zu hohen Augeninnendruck, weil der natürliche
Abfluss des Augenwassers gestört ist. Die
Und welche Methode ziehen Sie beim
Glaukom vor?
Sinnvoller ist es, den Therapieansatz radikal neu zu gestalten. Bei der Behandlung des Glaukoms haben wir uns auf die
neuen minimal-invasiven Techniken mit
Mikrokatheter spezialisiert. Anstatt einen
künstlichen Abfluss anzulegen, stellen wir
die natürlichen Abflusswege im Auge wieder her. Dieser Ansatz ist deutlich schonender für unsere Patienten und hat viel
weniger Nebenwirkungen.
Ein Kathetereingriff am Auge?
So wie der Kollege aus der
Kardiologie die verkalkten
Herzkranzgefäße weitet?
Im Prinzip ja, aber unser Mikrokatheter
ist nur ein Viertel Millimeter dünn. Damit ermöglichen wir dem Auge wieder einen natürlichen Abfluss. Nichts ist besser,
als die natürlichen Körperfunktionen zu
erhalten. Der Eingriff geht häufig ambulant und der Patient erholt sich schnell.
Das ist wieder so ein revolutionärer Meilenstein.
Da haben Sie vermutlich wieder
als einer der Ersten „hier“
gerufen, oder?
Zumindest haben wir als eines der ersten
Zentren weltweit mit diesen sogenannten
Kanaloplastik-Operationen
begonnen.
Auch heute noch werden die meisten
Glaukomoperationen in Sulzbach mit
Mikrokatheter gemacht. In der Augenchirurgie gibt es aber viele Beispiele für
solche Meilensteine. Zum Beispiel bei der
Makuladegeneration.
Eine Krankheit, bei der der Punkt
des schärfsten Sehens langsam
erblindet. Wie sieht hier der
medizinische Fortschritt aus?
Beim grauen Star wird eine
Kunstlinse ins Auge eingesetzt
(oben). Multifokallinsen ersparen
zusätzlich die Lesebrille.
10 FORUM GESUNDHEIT
Vor sechs Jahren noch haben wir zwei
Stunden operiert, heute brauchen wir
zehn Sekunden für eine Medikamentenspritze. Da wurden neue Medikamente
entwickelt. Aber Sie brauchen ein Leben
lang alle paar Monate Spritzen.
Das klingt aber jetzt nach einer standardisierten Behandlung, die auch
andere Kliniken und niedergelassene Ärzte beherrschen sollten. Wie
wollen Sie sich denn hier von den
Mitbewerbern abheben? Das sollte
eigentlich Ihre Paradedisziplin als
Netzhaut-Spezialist sein.
Sie haben Recht. Das Besondere ist nicht,
etwas in das Auge zu spritzen. Auch hier
liegt die Kunst darin, immer up-to-date
zu sein, dem Patienten die für ihn beste
Behandlung anzubieten. Wir wissen, dass
die neuesten Behandlungsprotokolle zu
deutlich besseren Ergebnissen führen als
die Standard-Behandlung
Wissen die Patienten beziehungsweise die überweisenden Ärzte
dieses Know-how zu würdigen?
Ja, das zeigen die Zahlen: Obwohl die
Spritzen-Behandlung der Makuladegeneration von vielen Ärzten durchgeführt
wird, ist Sulzbach mit über 8.000 Behandlungen im Jahr deutschlandweit eines der führenden Zentren. Ein weiterer
Pluspunkt: Die meisten Krankenkassen
erkennen diese besondere Qualität inzwischen an und übernehmen im Rahmen
unseres Qualitäts-Netzwerks die volle Erstattung des jeweils besten Behandlungsprotokolls.
Das ist anderswo nicht
selbstverständlich?
Leider nein. Da entwickelt sich gerade
eine Zweiklassenmedizin.
Auch beim Augenlaser gibt es so
eine Art Zweiklassenmedizin, denn
Laserbehandlungen muss man
selbst zahlen. Dazu sind aber offenbar immer mehr Menschen bereit.
Denn auch hier gab es in den vergangenen
Jahren enorme Fortschritte.
Doch heute arbeitet praktisch jede
bedeutende Augenklinik mit dem
Laser. Wie wollen Sie sich da mit
Ihrer Maxime von möglichst innovativen und schonenden Verfahren
abheben?
Indem wir die neueste Laser-Generation
einsetzen, den revolutionären Niedrigenergie-Femtolaser. Wir waren die Ersten
in Deutschland und sind europäisches
Referenzzentrum für diese neue Technik.
Dieser Schweizer Präzisionslaser stand
schon ein halbes Jahr vor seiner offiziellen
Markteinführung in Sulzbach.
Fotos: Privat — Augenklinik Sulzbach — Jennifer Weyland
Szurman
favorisiert bei
Glaukom die
Ka­nalo­­plastik:
„Nichts ist besser,
als die natürlichen
Kör­per ­funktionen
zu erhalten“
alte OP geht so: Man macht ein Loch ins
Auge, um den Druck abzubauen. Aber das
künstliche Loch vernarbt schnell. Die Erfolgsrate liegt unter 50 Prozent, das Komplikationsrisiko ist hoch. Viele sehen sogar
nach der OP schlechter als vorher. Anstatt
den ganzen Ansatz zu überdenken, werden
stattdessen immer neue Medizinprodukte
eingeführt, die nur eine Variante der alten
Technik sind.
Titelthema
Peter Szurman bei der Arbeit. Wenn er in Sulzbach ist, steht er etwa 15 Mal am Tag im Operationssaal.
Und wie ermöglicht das Gerät
schonendere Eingriffe?
Im Vergleich mit unserem neuen Niedrigenergielaser schießen die Laser der ersten
Generation deutlich gröbere Pulse ab. Der
Energieeintrag der neuesten Gerätegeneration ist viel geringer. Wir schneiden damit präziser und gewebeschonender.
Sie operieren auch den Grauen
Star mit dem Laser. Bei der OP
wird die trübe Linse durch eine
Kunstlinse ersetzt.
Ja, als erste Klinik im Südwesten bieten
wir die Laser-Katarakt-Operation an. Sie
ist sicherer und präziser als die manuelle Operation. Die Laserbehandlung des
Grauen Stars funktioniert jedoch nur mit
diesem speziellen Niedrigenergie-Femtolaser. Nur mit ihm erreichen wir die Linse
im Inneren des Auges. Wir sind die einzige Klinik im Saarland und in RheinlandPfalz mit diesem Verfahren.
Beim Thema Laser klinkt sich aber
die Krankenkasse schnell aus. Wer
zum Beispiel mit einer Laserbehandlung seine Brille loswerden möchte,
muss das komplett selbst zahlen.
Wie sieht das beim Grauen Star aus –
dessen Operation ist ja medizinisch
notwendig?
Die Kasse übernimmt nur den Linsenaustausch mit dem Skalpell. Dieses klassische
Verfahren, das auch andere Kliniken und
viele niedergelassene Ärzte anbieten, machen wir natürlich auch. Wenn Sie sich
für die moderne Laser-OP entscheiden,
dann zahlt die Krankenkasse den Betrag
für einen normalen Eingriff, und Sie zahlen nur den Aufpreis. Derzeit 950 Euro
pro Auge. Es ist das Gleiche wie mit besonderen Linsen: Die Kasse zahlt die einfache Monofokallinse, und wenn Sie eine
Premiumlinse möchten, tragen Sie die
Differenz selbst. Viele Patienten entscheiden sich zum Beispiel für Multifokallinsen, die einem die Lesebrille ersparen.
Eine Art eingebaute Gleitsichtbrille.
Hat man mit so einer Linse die
gleiche Sehstärke wie mit einer
Monofokallinse?
Da die Linse gleichzeitig zwei Bilder auf
die Netzhaut projiziert, ist jedes einzelne
etwas dunkler, und man muss sich erst an
die Linse gewöhnen.
„Wir können
komplett blinden
Menschen durch
den Netzhautchip
ein orientierendes
Sehen zurück­
geben“
Kommen wir zum Schluss zu Patienten, denen weder Training noch
Kunstlinse oder Laser hilft: zu Blinden. Man liest, Sie erforschen neue
Möglichkeiten, Mikrochips in die
Netzhaut einzusetzen. Was kann so
ein Chip denn heute schon?
Wir können komplett blinden Menschen
durch einen Netzhautchip ein orientierendes Sehen zurückgeben. Sie sehen den
Ausgang eines Raumes, Tag und Nacht,
Hindernisse auf dem Bürgersteig. Keine
Farben, aber Konturen. Eine Patientin
beispielsweise kann eine Wasserflasche
auf dem Tisch erkennen. Dieses Sehen
muss aber gelernt werden, und der Chip
muss dazu eingeschaltet sein.
Wie funktioniert der Netzhautchip?
Der Patient trägt eine Brille mit einer
Kamera. Das Licht wird in Stromimpulse umgewandelt. Ein Taschencomputer
sendet das Signal drahtlos an den Netzhautchip. Und der stimuliert die Nervenzellen, die nicht mehr auf Licht reagieren,
mit Strom.
Wieviel Forschung und Entwicklungsarbeit steckt da drin?
Es war ein langer Weg bisher. Fast 20
Jahre Forschung und Entwicklung. 1996
fing es mit einer Machbarkeitsstudie des
Bundesministeriums an. Ich war als junger Assistenzarzt der Uniklinik Köln von
Anfang an dabei. Seit drei Jahren haben
wir ein fertiges Produkt. Heute sind wir
hier in Sulzbach das Netzhautimplantationszentrum für Südwestdeutschland.
•
FORUM GESUNDHEIT 11
Titelthema
Leuchtturm
mit Laser
Die Augenklinik Sulzbach ist die traditionsreichste und größte ihrer
Art im Saarland. Und sie wird immer größer: Innerhalb von vier Jahren
hat sich die Zahl der Operationen verdoppelt. Mehr und mehr Patienten
kommen nach Sulzbach. So viele, dass jetzt erweitert werden muss.
FORUM Gesundheit war dem Erfolgsgeheimnis der Klinik auf der Spur.
Von Peter Böhnel
12 FORUM GESUNDHEIT
Titelthema
N
och ist der Erweiterungsbau nicht
ganz fertig. Am Fußboden in
schicker Holzdielenoptik sind die
neuen Räumlichkeiten bereits zu
erkennen. Grün statt rot peppt das Weiß
der Wände auf. Es soll hochwertig und
freundlich aussehen, nicht so nach Krankenhaus. „Schließlich konkurriert unsere
Augenklinik auch mit vielen Arztpraxen“,
sagt Chefarzt Prof. Dr. Peter Szurman.
„Doch in einen Marmor- und Glaspalast
verwandeln wir uns jetzt natürlich nicht.“
Das Gros der Augenbehandlungen wird
heutzutage ambulant durchgeführt, deshalb können auch niedergelassene Ärzten
ohne eigene Klinikbetten mitbieten –
und um zahlungskräftige Privatpatienten
buhlen. Wie die Augenklinik Sulzbach in
diesem Wettbewerb die Oberhand behält?
Immerhin ist sie eine Klinik der Maximalversorgung mit der Knappschaft als
Träger, das heißt, sie muss einen Versorgungsauftrag erfüllen und rund um die
Uhr besetzt sein. Dazu später mehr.
Hochbetrieb in den OP-Sälen
Fotos: Peter Böhnel (2)
In sechs Operationssälen und dem Laserbehandlungsraum herrscht Hochbetrieb.
„Wir haben hier 80 Augenoperationen am
Tag“, sagt Chefarzt Prof. Dr. Peter Szurman. Etwa 15 schafft er selbst. Die meisten OPs lassen sich planen, das erleichtert
die Organisation. Doch immer wieder
kommen Notfälle dazwischen. „Hauptsächlich Netzhautablösungen – da muss
man sehr schnell operieren“, erklärt Szurman. „Und natürlich Verletzungen. Dem
letzten Patienten, einem jungen Mann
aus Luxemburg, ist die Flexscheibe abgesprungen und mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen.“ Solche Fälle sind hier
an der richtigen Adresse. Mit Netzhautund Glaskörperchirurgie hat sich die
Augenklinik schon seit den 80er-Jahren
einen Namen gemacht. Als der damalige
Leiter Ulrich Mester 2010 in den Ruhestand ging, passte Peter Szurman optimal
ins Profil der Klinik: Als Netzhautspezialist und Leiter der Forschungssektion für
Experimentelle Ophthalmochirurgie an
der Uni Tübingen brachte Szurman die
nötige Portion Innovationskraft mit nach
Sulzbach, und damit eine Reihe von neuen Operationstechniken.
Von 22.000 auf 54.000 pro Jahr
Die Augenklinik wurde ursprünglich für
20.000 ambulante und 2.000 stationäre
Patienten ausgelegt, als augenärztliche
Abteilung des Knappschaftskrankenhauses Sulzbach. Heute kommen 50.000 zur
Dr. Karl Boden, Leitender Oberarzt der Augenklinik, setzt bei Augen­
operationen gerne den Laser ein. Beispielsweise beim grauen Star.
ambulanten Behandlung und 4.000 zur
stationären. Tendenz steigend. „Wir sind
pro Jahr um 20 Prozent gewachsen“, sagt
Dr. Karl Boden, leitender Oberarzt der
Augenklinik. Aktuell liege man im Jahr
bei 14.000 Operationen, darunter 4.000
am grauen Star. Und natürlich das Spezialgebiet Netzhaut. „Mit 1.500 Netz­
hautoperationen sind wir in Deutschland
eines der drei größten Spezialzentren“,
sagt Karl Boden. Hinzu kommen bis zu
8.000 sogenannte intravitreale Injektionen, eine medikamentöse Behandlung
der Netzhaut per Augenspritze, die heute
viele große OPs ersetzt. Doch die Klinik
will noch mehr. Ziel sei es, ein jährliches
Aufkommen von bis zu 70.000 ambulanten und 5.000 stationären Patienten
ohne Engpässe versorgen zu können,
so der Oberarzt. Und wenn böse Zungen da von Fließbandproduktion reden?
Hält Boden dagegen: „In einer Arztpraxis haben Sie nicht weniger Fließband.
Wir nehmen uns dennoch genug Zeit
für die Patienten. Ich kenne meine noch
mit Namen“, versichert er. Um das hohe
Patientenaufkommen zu bewältigen, arbeiten insgesamt 30 Ärzte und 70 nichtärztliche Mitarbeiter in der Augenklinik.
Doch das Aufstocken des Personals genügt jetzt nicht mehr.
Ausbau für mehr Komfort
Boden: „Wir erweitern unsere Ambulanzräume für unsere 15 Spezialsprechstunden
und drei Stationen. Vor allem wird der
OP-Trakt auf sieben Augenoperationssäle
erweitert und so modernisiert, dass wir in
Zukunft noch höhere Hygienestandards
erfüllen können.“ Dabei gehe es auch um
die Optimierung der internen Wege. Die
Kurzlieger-Station und das Ambulante
Augenoperationszentrum werden ebenfalls ausgebaut. Letzteres werde von den
Patienten besonders gut angenommen, so
Boden. Zur Erweiterung dient der bereits
vorhandene Anbau. Dabei geht es nicht
nur um mehr Platz, sondern auch um
mehr Komfort. Boden: „Wir wollen schicker und zeitgemäßer werden, noch mehr
Service bieten.“ Dazu gehört auch die geplante Bar mit Getränken und Snacks für
die wartenden Angehörigen.
Minimal-invasives Erfolgsrezept
Die Klinik
boomt
dank ambulanter
Angebote und
neuester minimalinvasiver OPMethoden
Doch die hohe Nachfrage besteht ja bereits, auch ohne Erweiterung und Snackbar. Warum? „Wir sind gewachsen, weil
wir uns auf moderne, minimal-invasive
OP-Techniken spezialisiert haben. Das
hat sich in Deutschland herumgesprochen“, sagt Peter Szurman. Die Augenklinik erreiche überregionale Bedeutung,
weil sie in wichtigen Schlüsseldisziplinen
ganz vorne mitspiele. „Ich glaube fest an
das Prinzip Leuchtturm“, erklärt Szurman. „Wir leben davon, dass die Patienten aus 200 Kilometern Entfernung
kommen. Die Leute aus Stuttgart beispielsweise fahren auf dem Weg zu uns an
FORUM GESUNDHEIT 13
Titelthema
80 Augen-OPs
am Tag, Tendenz
steigend – da
müssen alle
Abläufe gut
organisiert sein.
Augenlaser haben die refraktive
Chirurgie (Sehfehlerkorrektur) in
den letzten Jahren revolutioniert.
Die Sulzbacher besitzen einen Excimer- und zwei Femtosekundenlaser.
Karin Boden: „Am Wichtigsten bei
der Auswahl war uns dabei, wie gewebeschonend die Laser arbeiten.“
Der Excimerlaser ist der Klassiker
der refraktiven Chirurgie. Er verdampft kleinste Gewebepartikel an
der Oberfläche, Punkt für Punkt.
Damit kann der Arzt zum Beispiel
die Brechkraft der Hornhaut so verändern, dass sie eine vorhandene
Fehlsichtigkeit ausgleicht.
14 FORUM GESUNDHEIT
Ein Femto(sekunden)laser kann
Schnitte unterhalb der Oberfläche
ausführen, ohne die Oberfläche
selbst zu verletzen. Dazu fokussiert
er auf einzelne Punkte im Gewebe.
Extrem kurze Impulse lassen soganannte Kavitationsbläschen im
Mikrometerbereich entstehen. Der
Schnitt besteht aus einer flächigen
Aneinanderreihung solcher Bläschen, die das Gewebe teilen. So
kann der Arzt ein individuell geformtes Hornhautdeckelchen (Flap) bei
der Femto-Lasik erzeugen.
Die neuste Generation des Niedrig­
energie-Femtolasers (Foto links)
kommt durch ein aufwendigeres
optisches System wesentlich tiefer
ins Auge: bis zu einem Zentimeter
tief. Das ermöglicht auch ein dreidimensionales Schneiden der Linse.
Durch kleinere, einander überlappende Bläschen sind die Schnitte
noch feiner und glatter, wobei weniger Energie das Auge belastet.
Und der Laser dringt nicht nur tiefer
ins Gewebe ein, er dringt in immer
mehr Bereiche der Augenheilkunde
vor. Kaum eine OP, die man nicht
auch mit irgendeinem Laser zumindest ergänzen könnte. Der neue
Niedrigenergie-Femtolaser
wird
zum Beispiel auch bei grauem Star
eingesetzt. Und weil er kompakt
und mobil ist, kann er in jeden OP
gerollt werden, wo man ihn gerade
braucht. Augenklinik Sulzbach ohne
Augenlaser? Undenkbar.
fünf anderen Augenkliniken vorbei. Das
tun sie nur, wenn wir ein operatives Alleinstellungsmerkmal anbieten, das eine
wirkliche Verbesserung zum Standard
bietet.“ Zu den zugkräftigen Innovationen in Sulzbach zählen beispielsweise die
minimal-invasive Behandlung des Glaukoms, die Laser-gestützte OP des grauen
Stars, die schonende Teiltransplantation
bei Hornhauttrübung und auch die moderne Injektionstherapie der Makuladegeneration. Hinzu kommt ein großes Qualitätsversprechen. „Sulzbach war das erste
KTQ-zertifizierte Krankenhaus im Saarland, und wir sind gerade frisch rezertifiziert worden“, betont Szurman. (KTQ:
Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen). Zu den Qualitätskriterien gehöre zum Beispiel eine
vierfache Kontrollkette, damit niemand
am falschen Auge operiert wird.
Separater Auftritt fürs Marketing
Damit nun der Sulzbacher Leuchtturm
möglichst hell und weit leuchtet, legt man
Wert aufs Marketing. „Tue Gutes und
rede darüber“, sagt Szurman augenzwinkernd. Die gezielte Ansprache des ambulanten Patienten, der eigentlich nicht ins
Krankenhaus will, hat auch zu einer Art
Emanzipation der Augenklinik geführt.
Verwaltungstechnisch immer noch zum
Knappschaftsklinikum gehörend, treten
sowohl die Augenklinik als auch die zugehörige Augenlaserklinik mittlerweile
mit einem eigenen Anbau und mit eigener
Außendarstellung auf. Und doch sind die
Ärzte froh, zum Knappschaftsklinikum
zu gehören. Karl Boden: „Wir sind nicht
an wirtschaftliche Zwänge gebunden.
Fotos: Privat — Ziemer
Wie arbeiten Moderne Augenlaser?
Titelthema
Unser Hauptgeschäft ist die medizinische Versorgung.“ Gegenüber kleineren
OP-Zentren habe die Klinik außerdem
den „Riesenvorteil des besseren Komplikationsmanagements.“ Dabei betont
Boden, dass die Komplikationsrate hier
deutlich unter dem Durchschnitt liege.
Auch Chefarzt Peter Szurman sieht die
Klinikstruktur als Vorteil: Die Kombination aus ambulantem, serviceorientiertem
OP-Zentrum und stationärem Bereich für
die überregionale Maximalversorgung ist
für ihn ein großer Pluspunkt.
Augenlaserklinik Saar
Neben der Therapie von Krankheiten
bietet die Klinik auch refraktive Chirurgie, die operative Korrektur von Sehfehlern. Dazu gibt’s eine eigene Abteilung,
die Augenlaserklinik Saar. Erkennbar an
der schickeren Einrichtung. „Die Augenlaserklinik Saar als Teilbereich der Augenklinik Sulzbach beschäftigt sich mit
den Behandlungsmöglichkeiten, die ein
Brillen- und kontaktlinsenfreies Leben
ermöglichen“, erklärt ihre Leiterin Katrin Boden. Die Augenärztin hat sich auf
refraktive Chirurgie spezialisiert. Auch
diese Sparte boomt. „Gerade bei den laserchirurgischen Eingriffen merken wir
eine deutliche Zunahme der Nachfrage.“
Sich die Brille weglasern zu lassen, gehört
heute zum Lifestyle. Es klingt ja auch
verlockend: Ein paar Augentropfen zum
Betäuben, ein paar Minuten in den Behandlungsraum. Der Femto-Laser löst ein
dünnes Hornhautdeckelchen („Flap“), der
Excimer-Laser formt die Hornhaut, das
Deckelchen wird wieder zurückgeklappt –
fertig ist die Femto-Lasik. Lasik steht für
Laser in situ keratomilieusis, Laser-Horn-
Die
integrierte
Augen­­laser­­
klinik
lockt Menschen
nach Sulzbach,
die ihre Brille
loswerden wollen
Katrin Boden,
Leiterin der
Augenlaserklinik,
korrigiert Sehfehler
mithilfe modernster
Operations­technik.
hautkorrektur. Zwar birgt die Lasik auch
Risiken und Nebenwirkungen: Viele haben anfangs trockene Augen. Die Hornhaut wird dünner. Vor allem bei starker
Fehlsichtigkeit kann das Endergebnis
vom Ideal abweichen. Doch die Risiken
sind überschaubar. Die Komplikation
erhöhter Blendempfindlichkeit ist durch
neue Verfahren selten geworden. Auch
Entzündungen, die zu Narben führen
können, kommen selten vor.
Von den möglichen Risiken einer AugenOP lassen sich deshalb nur noch wenige
Menschen abschrecken. Immer mehr wollen unter den Laser, ob aus beruflichen
oder aus modischen Gründen. Obwohl sie
alles aus eigener Tasche zahlen müssen.
Mehrere Tausend Euro kommen schnell
zusammen. Doch deutschlandweit ist die
Anzahl der Lasik-OPs von 87.000 im Jahr
2004 auf 139.000 in 2014 gestiegen.
Dabei kommen in Sulzbach nicht nur Laserverfahren wie die beliebte Lasik zum
Einsatz. Katrin Boden: „Als Augenklinik
der Maximalversorgung bieten wir auch
Lösungen an, wenn die Standard-Lasik
nicht mehr möglich ist“.
Drei Altersgruppen im Visier
Die Augenlaserklinik staffelt ihr Angebot
nach Altersgruppen, für Menschen ab 20,
ab 40 und ab 60 Jahren. Katrin Boden:
„Bei den jüngeren Patienten sind die laserchirurgischen Eingriffe die häufigste
Methode.“ Allen voran die Femto-Lasik,
dicht gefolgt von den Oberflächenverfahren (ohne Flap). Bei starker Fehlsichtigkeit
gibt es andere Behandlungsmethoden,
zum Beispiel implantierbare Kontaktlinsen. Die über 40-jährigen kommen meist,
um ihre Alterssichtigkeit behandeln zu
lassen. „Für viele hat die Lesebrille so
ein onkelhaftes Image“, erklärt Chefarzt
Szurman. Auch hier hat die refraktive
Chirurgie mehrere Lösungen parat, von
Lasik bis zu Implantaten. Das Angebot
beginnt bei etwa 1.000 Euro pro Auge.
Und die Gruppe ab 60? Katrin Boden:
„Bei den etwas älteren Patienten, vor allem wenn sich bereits Veränderungen
der Augenlinse zeigen, fällt die Wahl am
Häufigsten auf einen Austausch der Linse mit dem Einsatz einer Multifokallinse.
Diese Linsen ermöglichen eine sehr hohe
Brillenunabhängigkeit im Alltag.“
Auch am Laser zählt der Könner
Moderne Augenlaser arbeiten genauer
und gewebeschonender als mechanische
Instrumente. Gut für den Patienten. Ob
der Laser auch dem Operateur Vorteile
bringt? Katrin Boden: „Die Femto-Laser
assistieren dem Operateur. Sie sind sehr
exakt und präzise. Der Ablauf ist standardisiert und computergestützt. Und
dennoch: Auch hierbei ist die Erfahrung
des Chirurgen wichtig.“ Womit wir wieder beim hohen Patientenaufkommen
in Sulzbach wären. Dies sehen die Ärzte
nämlich als Pluspunkt für den Patienten.
Chefarzt Szurman: „Nur was man häufig
macht, macht man auch gut.“
Bleibt zu guter Letzt noch eine Frage: Warum trägt Oberarzt Karl Boden eigentlich
eine Brille? Zumal er mit einer führenden
Spezialistin für refraktive Chirurgie verheiratet ist? Weil sich die neue Technik
zwar für viele, aber nicht für jeden eignet. Katrin Boden bedauert: „Es hat mich
schon immer in den Fingern gejuckt,
meinen Mann zu behandeln, doch leider
sprechen medizinische Gründe bei ihm
dagegen.“ Das nennt man dann wohl Ironie des Schicksals.
•
FORUM GESUNDHEIT 15
Titelthema
Die Wichtigsten
Augenprobleme
und was dagegen hilft
Hornhaut (Cornea)
Das Fenster zum Auge. Teil des optischen Systems im Zusammenspiel mit der Linse.
Hornhauttrübung
Problem: Durchsichtigkeit der Hornhaut schwindet.
Symptom: Eintrübung der Sicht bis zur Erblindung (nur noch hell-dunkel-Wahrnehmung).
Ursachen: Narben (etwa nach Entzündungen oder Verletzungen), Erkrankung der
inneren Hornhautmembran (Endothel), zum Beispiel Fuchs´sche Endotheldystrophie,
geschädigtes Endothel als Komplikation nach Linsenaustausch (bei Grauem Star).
Klassische Behandlung: Hornhauttransplantation. Bei krankem Endothel auch minimal-invasive Teiltransplantation (DMEK).
Keratokonus
Problem: Hornhaut wird dünner und wölbt sich nach vorn.
Symptome: fortschreitende Verschlechterung der Sehstärke, verschwommenes oder
verzerrtes Sehen, verschlechterte Nachtsicht.
Ursache: unbekannt, Kollagenfasern in der Hornhaut weisen eine andere Schichtung
auf, familiär gehäuft, tritt oft zusammen mit verschiedenen Erbkrankheiten wie Trisomie oder Marfansyndrom auf, meist beidseitig.
Behandlung: leichte Fälle mit Kontaktlinse oder Brille, Crosslinking solange Sehschärfe noch gut ist und keine Vernarbung aufgetreten, schwere Fälle mit Operation,
Hornhautverpflanzung (komplett oder vordere Schicht).
Linse (Phakos/Lens)
Sehnerv (Nervus opticus)
Sie projiziert ein Bild auf die Netzhaut. In Zusammenarbeit mit dem Ziliarmuskel kann die elastische Linse
auf verschiedene Entfernungen scharfstellen (akkomodieren). Für kurze Entfernungen wie beim Lesen
zieht sich die Linse zusammen und wölbt sich stärker.
Er leitet die Reize der Sehzellen zum Gehirn weiter, das daraus ein Bild erzeugt.
Grauer Star (Katarakt)
Problem: Linse wird trübe.
Symptome: immer flaueres Bild, Bild unschärfer,
Farbwahrnehmung anders, vermehrte Blendung,
langsam schwindende Sehkraft bis hin zur Erblindung
Ursache: Natürlicher Alterungsprozess, seltener
durch Medikamente, Verletzungen, Strahlung oder
Stoffwechselerkrankungen.
Behandlung: Austausch gegen Kunstlinse.
Vorbeugung: Alterungsprozess kann durch gesunde
Lebensweise verlangsamt werden.
16 FORUM GESUNDHEIT
Grüner Star (Glaukom)
Problem: Fortschreitende Schädigung des Sehnervs. In
Deutschland sind 600.000 Menschen betroffen. Der zweithäufigste Grund für schwere Sehbehinderung.
Symptome: Anfangs symptomlos. Erst im fortgeschrittenen Stadium Gesichtsfeldausfälle. Früherkennung nur
durch regelmäßige Untersuchung beim Augenarzt.
Ursache: Missverhältnis von Augeninnendruck und Durchblutung der Sehnerven. Meistens zu hoher Innendruck, weil
natürlicher Abfluss des Augenwassers nicht mehr funktioniert.
Behandlung: Augentropfen, in fortgeschrittenem Stadium
Operation. Neue Methode: minimal-invasive Erweiterung
des Abflusskanals (Kanaloplastik). Bereits entstandener
Gesichtsfeldschaden kann nur aufgehalten, nicht rückgängig gemacht werden.
Titelthema
Gelber Fleck
(Makula)
Der Punkt des schärfsten Sehens auf der
Netzhaut. Hier sitzen die Sehzellen besonders dicht.
Altersabhängige Makuladege­
neration (AMD)
Problem: Schwindende Sehschärfe, verzerrtes Sehen, bei weiterem Voranschreiten im Zentrum nur grauer Fleck sichtbar.
In Deutschland zwei Millionen Betroffene.
Ursache:
Stoffwechselabbauprodukte,
die sich zwischen Rezeptorzellen und Pigmentepithelschicht ablagern.
Risikofaktoren: Rauchen, erbliche Vorbelastung, Sonne, schlechte Ernährung,
Inaktivität, unzureichender Sonnenschutz
der Augen. Auch bestimmte Netzhautveränderungen lassen ein Risiko erkennen.
Symptome: Lesen fällt zunehmend
schwerer, Fernsicht wird auch schlechter,
Gesichter werden nicht mehr gut erkannt,
Sehen wird verzerrt.
Behandlung: Medikamentös durch regelmäßige ambulante Eingriffe mit Spritze.
Makuladegeneration kann nur aufgehalten,
nicht rückgängig gemacht werden.
Vorbeugung: Risikofaktoren meiden,
Nichtraucher werden. In bestimmten Fällen
können „Augenvitamine“ wie Lutein helfen.
Vitaminpräparate nur nach ärztlichem Rat.
GLASKÖRPER
Bitte machen Sie unseren Test auf Seite 19!
Netzhaut (Retina)
Die Sehzellen in der Netzhaut wandeln Licht in Nervenimpulse um.
Diabetische Retinopathie
Problem: Schleichende Schädigung der Netzhaut. In Europa die häufigste Erblindungsursache bei Menschen zwischen 20 und 65 Jahren.
Symptome: Verläuft anfangs oft unbemerkt.
Ursache: Zunehmende Schädigung kleiner
Blutgefäße aufgrund von Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus). Typ-1-Diabetiker sind doppelt
so häufig betroffen wie Typ 2.
Therapie: Heilung noch nicht möglich, nur
Aufhalten des Krankheitsfortschritts durch
Netzhaut-Laser, Medikamenteneingaben ins
Auge oder OP.
Vorbeugung: Möglichst optimale DiabetesTherapie.
Foto: fotolia / reineg
Netzhautablösung
Problem: Gefahr des Absterbens von Sehzellen, die von der darunterliegenden Pigmentschicht sowie der Aderhaut nicht mehr versorgt werden können, weil sich die Netzhaut
abhebt. Folge: fortschreitende Erblindung.
Symptome: Blitze, rote oder schwarzen Flecken („Rußregen“) oder „Vorhang“ im Gesichtsfeld von oben, unten oder der Seite –
Achtung: Bei diesen Warnzeichen sofort den
Augenarzt aufsuchen!
Ursachen: zum Beispiel Netzhautlöcher, Netzhautriss, Trauma, kurzsichtige Menschen höhere Gefahr für Entwicklung von Netzhautlöchern.
Behandlung: Möglichst rasche Operation.
FORUM GESUNDHEIT 17
Titelthema
Kurz- oder
Weitsichtigkeit
Symptome: Kurzsichtige sehen ferne Gegenstände unscharf und nahe scharf. Weitsichtige umgekehrt. Eine leichte Weitsichtigkeit kann aber in jungen Jahren noch von
der elastischen Linse ausgeglichen werden
und macht sich erst mit zunehmendem Alter bemerkbar. Dabei sollte man Weitsichtigkeit nicht mit Alters­
weitsichtigkeit verwechseln (siehe mittlere Spalte).
Ursache: Bei Kurzsichtigkeit zu langer
Augapfel und/oder zu hohe Brechkraft von
Hornhaut+Linse, bei Weitsichtigkeit umgekehrt.
Behandlung: Brille oder Kontaktlinsen.
Alternative: vor allem bei jüngeren Kurzsichtigen Laserbehandlung (Lasik oder
PRK, eine Oberflächenbehandlung), bei
schwerer Weitsichtigkeit Linsenimplantate
Vorbeugung: Nach derzeitigem Stand der
Wissenschaft nicht möglich – außer bei
Kindern, in der Entwicklungsphase der Augen (siehe Infokasten).
Die Wichtigsten
Sehfehler
und was man tun kann
Alterssichtigkeit
Problem: Die Linse wird härter, kann sich immer
weniger wölben, nicht mehr auf nah fokussieren.
Symptome: Buch muss beim Lesen immer weiter
weg gehalten werden. Kurzsichtige spüren es etwas später. Der Begriff Altersweitsichtigkeit führt
aber in die Irre. Denn die Fernsicht wird durch Alterssichtigkeit (Presbyopie) nicht verändert.
Ursache: Natürlicher Alterungsprozess
Behandlung: Lesebrille oder Kontaktlinsen.
Alternativen: Laserbehandlung (Lasik), HornhautImplantat oder Austausch der natürlichen Linse
gegen Multifokal-Kunstlinse (mit zwei Schärfepunkten für nah und fern)
Hornhautverkrümmung
Symptom: Kleine Punkte
werden stäbchenförmig
gesehen.
Ursache: Ungleichmäßige Krümmung der Hornhaut
Behandlung: Brille, Kontaktlinsen.
Alternativ:
Laser-Korrektur (Arcoide
Inzisionen bei leichten
Fällen oder Lasik)
Schon gewusst?
DrauSSen spielen ist gut für Kinderaugen
Mehrere internationale Studien zeigen: Kinder, die viel an der frischen Luft
spielen, werden seltener fehlsichtig als Kinder, die überwiegend drin hocken. Das betrifft hauptsächlich die Kurzsichtigkeit. Offenbar wirkt sich die
Tageslicht-Exposition positiv auf das gesunde Wachstum des Augapfels
aus. Nachwuchs, der sich mehr als 14 Stunden pro Woche im Freien aufhält, wird laut amerikanischen Forschern sogar zwei bis drei Mal seltener
kurzsichtig als gleichaltrige Stubenhocker.
Und was ist mit Augentraining?
Brille weg durch Augentraining – für viele Menschen eine verlockende Alternative. Und ein Dorn im Auge von Optikern und
Laser-Befürwortern. Augenarzt Prof. Dr. Peter Szurman: „Was
man trainiert, ist nicht das Auge, sondern das Gehirn. Zum
Beispiel bei Alterssichtigkeit. Das funktioniert tatsächlich ein
bisschen. Aber die Linse wird dadurch nicht elastischer.“
Als Beispiel dient der folgende Test: Afugrnud enier Stidue
an der elingshcen Cmabrdige Unvirestiät ist es eagl, in wleh-
18 FORUM GESUNDHEIT
cer Rienhnelfoge die Bcuhtsbaen in eniem Wrot sethen. Das
enizg Wcihitge dbaei ist, dsas der estre und Izete Bcuhtsbae
am rcihgiten Paltz snid. Das ghet dseahlb, wiel das mneschilche Geihrn nciht jdeen Bchustbaen liset, sodnern das Wrot als
Gnaezs.
Szurman findet, dass der hier gezeigte Effekt auch bei Sehschwäche zum Tragen kommt. Das unscharfe Schriftbild werde von einem geübten Leser besser erkannt.
Titelthema
Machen Sie den Amsler-Test!
D
ie Altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist eine Augenkrankheit, die zu schwerer Sehbehinderung führen kann. Und
AMD ist auf dem Vormarsch, denn unsere Gesellschaft wird immer älter.
Die Makula, der gelbe Fleck, ist die
Stelle des schärfsten Sehens auf der Netzhaut. Hier herrscht eine besonders hohe
Stoffwechselaktivität. Werden die Stoffwechselabbauprodukte nicht mehr aus-
reichend abtransportiert, führt das zum
Zerfall der Sehzellen. Statistisch gesehen
entwickeln im achten Lebensjahrzehnt
(71-80 Jahre) 20 Prozent eine zumindest
beginnende Form der Makuladegeneration. Zwischen 80 und 90 verdoppelt sich
die Häufigkeit sogar auf 40 Prozent.
Ob Sie jemals eine AMD bekommen
und wie ausgeprägt sie sein wird, lässt
sich nicht vorhersagen. Bekannte Risikofaktoren sind Vererbung (Fälle von AMD
in der eigenen Familie), Rauchen, erhöhte
Blutfette, Bluthochdruck, Diabetes und
Arteriosklerose.
Ärzte können die Krankheit nicht
heilen, jedoch schwere Verlaufsformen
aufhalten. Deshalb ist Früherkennung
so wichtig. Also: Machen Sie den AmslerTest auf dieser Seite!
•
Lesen Sie auf der nächsten Seite:
Was Sie über die AMD wissen müssen.
Foto: dpa
Grafik: Heidelberg Engineering
Amsler-Test
Dieser genial einfache
Selbst­test stammt von
Marc Amsler (1891 1968), einem Augenarzt aus der Schweiz.
Betrachten Sie das
Gitter im normalem
Leseabstand. Wer eine
Lesebrille
braucht,
setzt sie auf. Nun bedecken Sie mit der
Hand ein Auge. Schauen Sie direkt auf den
schwarzen Punkt. Sind
alle Linien gerade?
Oder sehen Sie einen
Bereich unscharf, verzerrt oder verschwommen? Dann sollten die
Alarmglocken läuten.
Jetzt machen Sie das
Gleiche mit dem anderen Auge.
Wiederholen Sie diesen Test regelmäßig.
Im hohen Alter am
besten täglich. Sobald
Sie eine krumme Linie
sehen oder ein verbogenes Quadrat – sofort zum Augenarzt.
Er kann feststellen, ob
Sie eine beginnende
AMD haben.
FORUM GESUNDHEIT 19
Titelthema
Altersbedingte Makuladegeneration (AMD):
Das müssen Sie wissen
Welche Formen
der AMD gibt es?
Mediziner unterscheiden zwischen trockener und feuchter AMD. Von einer
trockenen AMD spricht man, wenn
die Veränderungen in der Makula nicht mit einem Ausschwitzen von
Gewebsflüssigkeit in die umgebende
Netzhaut einhergehen. Die trockene
AMD ist mit etwa 80 Prozent die häufigste Form. Zum Glück auch die mildeste:
Trockene AMD schreitet am langsamsten voran und verursacht die geringsten
Sehkrafteinbußen. Eine feuchte AMD
20 FORUM GESUNDHEIT
entsteht dadurch, dass der Organismus
neue Blutgefäße unter der Makula bildet. Eigentlich ein sinnvolles biologisches Prinzip, weil die neuen Blutgefäße
den Abtransport der liegen gebliebenen
Stoffwechsel-Abbauprodukte beschleunigen – aber gerade an dieser winzigen
Stelle richten sie mehr Schaden an als
sie nützen. Bei den jungen Blutgefäßen
tritt noch Gewebsflüssigkeit aus (daher
feuchte AMD), und die Flüssigkeit lässt
die Netzhaut anschwellen. Das führt zu
großflächigen Vernarbungen mit weiterer Zerstörung der Makula. Die feuchte AMD führt meist zu einer schnellen
und drastischen Sehminderung. Deshalb
sollten Sie den Amsler-Test (Seite 19) zur
Routine machen.
Was kann man
gegen die AMD tun?
Die degenerative Grunderkrankung der
AMD lässt sich nicht heilen. Die richtige Behandlung kann aber die verbliebene Sehkraft erhalten oder zumindest die weitere Verschlechterung
bremsen. Und schließlich das Leben mit
der Beeinträchtigung erleichtern.
Titelthema
Wie kann man vorbeugen?
1. Vermeiden Sie Risikofaktoren. Also:
Rauchen aufgeben und Fettstoffwechsel,
Bluthochdruck und Diabetes optimal
einstellen.
2. Bei Stoffwechselstörungen spielt
immer die Ernährung mit. Speziell bei
AMD wird insbesondere der Zufuhr von
Lutein und Zeaxanthin eine wichtige
Rolle zugesprochen. Diese Substanzen
dienen als Lichtschutzstoffe in der Makula. Von ihrer Farbe stammt auch der
Name Gelber Fleck. Im Alter nimmt die
Dichte dieser Stoffe ab. Natürlich reich
an Lutein und Zeaxanthin sind gelbes
und grünes Obst und Gemüse wie Paprika, Karotten, Tomaten, Melonen, Mais,
Orangen, Brokkoli, Spinat und Erbsen.
Die darin enthaltenen Vitamine und Antioxidantien sind ebenfalls hilfreich zur
Vorbeugung.
3. Achten Sie auf Lichtschutz. Brillengläser mit UV-Filter sind an sonnigen
Tagen empfehlenswert.
Was ist die beste
Therapie gegen AMD?
Fotos: iStock / tbradford — iStock / GlobalStock
Bei trockener AMD gibt es noch keine
Behandlungsmöglichkeiten. Da die trockene AMD in der Regel sehr langsam
fortschreitet, muss man sich keine Sorge
um einen raschen Sehverlust machen. Immer wieder werden alternative Behandlungsmethoden diskutiert (Akupunktur,
Biofeedback, Augengymnastik). Hier fehlen noch Wirkungsnachweise.
Bei der feuchten AMD haben alle Behandlungsverfahren ein einziges Ziel: die
Verödung und Beseitigung der neu gebildeten Blutgefäße, um den Flüssigkeitsaustritt
unter die Netzhaut zu verhindern.
Durch die Einführung von Medikamenten, welche in das Augeninnere
(Glaskörper) eingespritzt werden, ist in
den letzten Jahren ein Meilenstein in der
Behandlung der feuchten AMD gesetzt
AMD-Betroffene
sollten offen über
ihre Sehschwäche
reden. So kann
sich ihr Umfeld
darauf einstellen.
worden. Diese Behandlung heißt intravitreale operative Medikamenteneingabe
(IVOM). Doch es gibt verschiedene Medikamente und immer wieder Neuentwicklungen. Und die Therapie muss auf
jeden Patienten individuell abgestimmt
werden. Deshalb ist es wichtig, sich an
einen erfahrenen Spezialisten zu wenden.
Was kann ich tun, wenn
ich bereits AMD habe?
Immer daran denken: AMD macht
nicht blind. Betroffen ist immer nur das
Netzhautzentrum. Es ist zwar schlimm,
wenn zum Beispiel das Lesen massiv erschwert wird. Aber das äußere Gesichtsfeld, das für die Orientierung
in der Umgebung wichtig ist,
bleibt erhalten. Fälle, in denen die Orientierungsfähigkeit
Altersgerechtes iPad
tatsächlich bedroht ist, sind
Makuladegeneration? Dafür gibt’s jetzt eine
selten.
App. Nutzern von Apples iPad ermöglicht die
Lupen- und Fernglas-Anwendung Yris das
Vergrößern von Texten und Objekten auf
dem Tablet. Yris ist im App-Store kostenlos
erhältlich. Entwickelt wurde die Anwendung
von Studierenden der Universität Würzburg.
Die Behinderung akzeptieren. Zwar kann man die
AMD nicht heilen, aber man
kann lernen, damit so gut wie
möglich zurechtzukommen.
Alle
technischen
und
sonstigen Hilfen nutzen.
Vergrößernde Sehhilfen sind beim Lesen eine große Erleichterung. Für die
Ferne kommen kleine Fernrohrsysteme
in Frage. Zum Lesen und für Handarbeiten oder zum Basteln gibt es zahllose
Sehhilfen: Überkorrigierte Lesebrillen,
handgehaltene Lupen, auch mit eingebauter Beleuchtung. Lesestäbe, Lesesteine und Standlupen haben einen festen
Abstand zum Schriftstück. Mit Lupen,
die man auf die eigene Brille aufstecken
kann, mit einem Halsband vor sich tragen
oder mit einem Gestell am Tisch befestigen kann, habe Sie die Hände frei zum
Arbeiten. Schließlich gibt es für hohen
Vergrößerungsbedarf elektronische Sehhilfen in Form von Fernsehlesegeräten in
unterschiedlichen Ausführungen. Auch
Blendung und mangelndes Kontrastsehen können durch spezielle Brillengläser
(Kantenfiltergläser) verbessert werden.
•
Peter Böhnel
Aktuelle Informationen zur AMD erhalten
Sie über den Pro-Retina-Verein www.proretina.de oder den Blindenbund, www.
bbsb.org, der sich ja auch um Sehbehinderte kümmert. Die Augenklinik Sulzbach
bietet eine Spezialsprechstunde an.
Telefon 06897-574-1121
FORUM GESUNDHEIT 21
Titelthema
Gesundheit aus dem
Blickwinkel
des Optikers
Der Zentralverband der Augenoptiker (ZVA) zertifiziert
sogenannte Optometristen, Augenoptiker mit medizinischer
Zusatzausbildung. So wie Andreas Müller aus Spiesen-Elversberg.
Er will damit aber nicht den Augenärzten Patienten wegnehmen,
sondern sich von Fielmann & Co. und Onlinehändlern abheben.
A
ndreas Müller liebt seinen Beruf.
„Man macht nie die gleiche Arbeit, jeder Fall ist anders“, sagt
der 57-jährige Augenoptikermeister. Zudem sei sein Job „technisch sehr
anspruchsvoll“. Dass er dieses Handwerk
erlernt hat, war ihm quasi schon in die
Wiege gelegt. Er ist Spross einer regelgerechten Optiker-Dynastie und führt den
Familienbetrieb in Spiesen-Elversberg seit
1984 bereits in der vierten Generation.
Doch auch wenn Müller mit seiner Tätigkeit eine jahrzehntelange Familientradition fortführt – er versäumt es nicht, mit
der Zeit zu gehen. Bereits vor einigen Jahren hat er sich einer in Deutschland noch
sehr jungen Disziplin im Bereich der Augenoptik verschrieben – der Optometrie,
die vor allem aus dem angelsächsischen
Raum nach Deutschland kam. Darin hat
er 2011 eine Zusatzausbildung erworben.
Doch der Reihe nach: Andreas Müller
hat so etwas wie einen Grundablauf, nach
dem er verfährt, wenn Menschen über
Sehschwäche klagen und zu ihm in den
Laden kommen. Alles beginnt mit dem
Verstehen der gesundheitlichen Vorgeschichte: Nimmt die Person irgendwelche
Medikamente ein? Hat sie öfter Kopfschmerzen? Hat sie Bluthochdruck oder
22 FORUM GESUNDHEIT
Diabetes? Diese sogenannte Anamnese
gehört bereits zur Vorgehensweise von
Optometristen, die sich nicht allein auf
das Handwerkliche konzentrieren, sondern auch medizinisch ausgebildet sind
und interdisziplinär arbeiten. Das heißt:
Sie untersuchen bestehende Sehstörungen
Andreas
Müller
betrachtet
eine Seh­
stör­ung­
auch unter
medizinischen
Aspekten
aus mehreren Blickwinkeln. Sie testen die
visuellen Fähigkeiten des Patienten. Sie
beantworten Fragen nach dem Sehvermögen und suchen Gründe für Sehstörungen
und andere Beschwerden wie zum Beispiel
Kopfschmerzen. Doch sie sind keine Ärzte, wie Müller immer wieder betont: „Ich
stelle keine feste Diagnose. Das macht der
Augenarzt. Ich stelle nur Auffälligkeiten
fest und verweise an einen Mediziner.“ So
spricht Müller auch niemals von „Patienten“, sondern immer nur von „Klienten“.
Denn abgesehen von seiner Zusatzausbildung ist Müller ein ganz klassischer
Optikermeister. Und als solcher macht
er natürlich auch das, was Optiker eben
so tun: Er stellt Brillen her und verkauft
sie. Dazu muss er zunächst einmal eine
Augenglasbestimmung vornehmen, eine
Feststellung der Fehlsichtigkeit. Das geschieht erst einmal per Computer, mit
dem sogenannten Autorefraktometer. Der
vermisst optisch-geometrisch die Augen
und spuckt Werte aus, die den späteren
Stärken der Brillengläser nahekommen.
Doch diese Werte müssen anschließend
subjektiv abgestimmt werden. Für diese Feinjustierung verwendet Müller eine
Messbrille, einen Phoropter, und die allseits bekannten Zahlenreihen, die der
Foto: Becker & Bredel
Von Gerrit Dauelsberg
Titelthema
Ein reichhaltiges
Instrumentarium
zum Messen und
Untersuchen gehört
zum Inventar des
Optometristen.
FORUM GESUNDHEIT 23
Titelthema
Mit
moderner
CNC-Technik
werden optische
Brillengläser an
die gewünschte
Fassung
angepasst
24 FORUM GESUNDHEIT
Klient vorlesen muss. Dabei erfolgt zunächst eine Einzelkorrektur des linken
und des rechten Auges, anschließend ein
binocularer (beidäugiger) Abgleich mit
Ermittlung des räumlichen Sehens. Anschließend kontrolliert Müller noch das
zentrale Gesichtsfeld mithilfe des sogenannten Amsler-Tests (siehe auch Seite 19). Dabei schaut der Klient auf eine
Karte mit einem Gitter darauf – genauer
gesagt auf einen Punkt in der Mitte. Sieht
er nun zum Beispiel „Löcher“ im Raster
oder „dunkle Stellen“ in dem Gittermuster, gegebenenfalls auch Wellen oder Verkrümmungen der Rasterlinien, liegen womöglich Gesichtsfelddefekte vor. Dann
muss der Klient zum Augenarzt.
Sofern es keine Auffälligkeiten gibt,
und sofern der Kunde keine zusätzliche
optometrische Untersuchung wünscht,
kann er nun das Brillenmodell und die
Gläser aussuchen. Bei Bedarf natürlich
auch Kontaktlinsen. Die Brillenfassung
bekommt Müller als Halbfertigprodukt
geliefert – ebenso die Brillengläser, die als
Rohlinge kommen und bereits die bestellten dioptrischen Werte enthalten. Der
Optiker zentriert die Gläser nun auf die
messtechnisch ermittelten Erfordernisse
des Klienten. Anschließend werden die
Gläser mittels CNC-Randbearbeitungsautomat für die jeweils ausgesuchte Brille
passend geschliffen. Ist diese fertig, wird
der Kunde benachrichtigt. Bei der Abholung wird sie noch an die Kopfform angepasst und eine kurze Funktionskontrolle
vorgenommen. 14 Tage später erfolgt
noch einmal eine Nachkontrolle. Aber
auch danach können seine Kunden jederzeit zu ihm kommen und sich die Brille
anpassen lassen, betont Müller. Das gehört zum Service.
Fotos: Becker & Bredel (4)
Andreas Müller (links, mit FORUM-Autor Gerrit
Dauelsberg) in seinem Laden. Neben der
Messung von Sehfehlern und der modischen
Beratung beim Brillenkauf untersucht er auch
die Augengesundheit. Bei Auffälligkeiten
schickt er seine Kunden zum Augenarzt.
Titelthema
Und Service wird immer wichtiger.
Denn die Konkurrenz schläft nicht. Vieles hat sich verändert, seit Müller sich
1984 selbstständig gemacht hat. Das
weiß er auch aus der Sicht eines ehrenamtlichen Funktionärs, der etwa für den
Zentralverband der Augenoptiker (ZVA)
tätig ist und von 1993 bis zum Zusammenschluss mit Rheinland-Pfalz im Jahre
2008 saarländischer Landesinnungsmeister war. Seit 2011 ist er nun stellvertretender Landesinnungsmeister RheinlandPfalz/Saarland. „Es hat eine Zunahme der
Großfilialisten gegeben“, sagt er. Deren
Stückmarktanteil liegt inzwischen bei
50 Prozent. Die Folge: „Die Branche ist
aggressiver geworden.“ Das macht sich in
einem harten Preiskampf im Billigstsektor bemerkbar. Und da ist Müller ganz
ehrlich: „In diesem Bereich kann ich mit
den Großfilialisten nicht mithalten. Das
funktioniert nur über große Stückzahlen.“ Doch bei individuell angefertigten
Brillen scheut der Familienunternehmer den Vergleich mit Fielmann, Apollo
Optik und Co. nicht: „Da traue ich mir
zu, auch preislich mithalten zu können.“
Sein großes Plus liege zudem im Bereich
Service: „Ich nehme mir viel Zeit“, sagt
Müller. Und: „Ich setzte auf Gesundheitsdienstleistungen.“ Genau da kommt
seine Zusatzausbildung als Optometrist
ins Spiel, die ein Jahr dauerte und die er
bei der Fachakademie für Augenoptik in
Dormagen absolvierte.
Wer sich von Müller optometrisch untersuchen lässt, dessen Augen werden zunächst mit einem Spaltlampenmikroskop
betrachtet. Zunächst nimmt sich der Optometrist den vorderen Augenabschnitt
vor und sucht nach etwaigen Verletzungen der Hornhaut oder Durchblutungsstörungen. In der vorderen Augenkammer
begutachtet er die augeneigene Linse und
kann so Erkrankungen, wie zum Beispiel
einen grauen Star, feststellen.
Der nächste Schritt ist eine direkte
oder indirekte Ophthalmoskopie. Dabei
beurteilt der Optometrist den Augenhintergrund, etwa die Netzhaut. Zu einer
optometrischen Untersuchung gehören
auch die sogenannten Funktionsprüfungen: Sind die Augenbewegungen normal,
erfolgen sie synchron? Wie verhalten sich
die Pupillen? Wie ist die Haltung des Klienten? All das dient zur Auffindung von
Auffälligkeiten. Falls solche vorhanden
sind, wird der Klient damit zu einem Arzt
geschickt.
Und wer braucht alles einen Optometristen? Müller: „Eigentlich jeder. Hat
doch jeder Einzelne spezielle Fragen und
ein elementares Interesse, mehr über seine
Augen zu erfahren. Ohne Zeitdruck kann
der Optometrist Auffälligkeiten feststellen und Erklärungen liefern, warum eine
vorhandene Brille nur bedingt weiterhilft,
um mit einer neuen, exakten Brille oder
Kontaktlinse die allgemeine Leistungsfähigkeit zu verbessern.“ Auch wenn der
Begriff Optometrist als solcher nicht geschützt ist, muss nach Auskunft der ZVA
doch jeder, der im Geschäftsverkehr mit
dieser Bezeichnung auftritt, besondere
Qualifikationen in der Optometrie haben. Auf dieser Grundlage dürfen derzeit
deutschlandweit etwa 1.600 Optiker den
Titel geschäftlich verwenden.
Gerade für kleinere Betriebe sieht der
ZVA im Bereich der Optometrie eine
große Chance. In einem Strategiepapier
konstatiert der Verband, „dass der Bedarf
Die
Ausbildung
von Opto­
metrist­en
ist auch eine
Antwort auf den
zunehmenden
Ärztemangel
an augenärztlichen Gesundheitsdienstleistungen bereits bis zum Jahr 2030 um
30 Prozent (!) ansteigen wird. Gleichzeitig
verringert sich die Anzahl der niedergelassenen Augenärzte“. Weiter heißt es: „Die
Zuwendung zu mehr optometrischen
Dienstleistungen kann den Preisvorteilen
der Filialisten Verkaufsargumente entgegensetzen. Darüber hinaus kann mit dem
Angebot von optometrischen Dienstleistungen eine Abgrenzung gegenüber dem
Onlinehandel erfolgen.“ Letzterer spiele
laut ZVA umsatzmäßig bislang noch keine so große Rolle, werde aber mittelfristig
an Bedeutung gewinnen.
Eine weitere Herausforderung für die
Optikerbranche sieht Müller in der Gewinnung von Nachwuchs: „Der Fachkräftemangel bahnt sich langsam an“, meint
er. „Es ist manchmal schwierig, Ausbildungsplätze zu besetzen.“ Deutschlandweit bilden die nach Auskunft des Zentralverbands des Deutschen Handwerks
(ZDH) 11.920 Optikerbetriebe insgesamt
6.025 Lehrlinge aus (Stand: Ende 2014).
Im Saarland gibt es 170 Betriebsstätten,
die nach Angaben von Müller etwa 70 bis
80 Auszubildende beschäftigen. Und die
Perspektiven sind eigentlich sehr gut: Nur
673 arbeitslose Optiker gab es im April
2015. Dem stehen deutschlandweit laut
ZDH 48.700 Beschäftigte gegenüber.
Und was muss man mitbringen, wenn
man Optiker werden möchte? Müller:
„Spaß an Technik, handwerkliches Geschick und vor allem Freude am Umgang
mit Menschen.“ Denn mit denen arbeitet
man Tag für Tag. Und jeder Fall ist anders.
•
FORUM GESUNDHEIT 25
Aktuelles
Das neue
Präventionsgesetz
fördert neben
vorbeugenden
Maßnahmen
auch zusätzliche
Check-ups für
Jugendliche.
26 FORUM GESUNDHEIT
Aktuelles
„Jetzt sind die
Unternehmen
gefordert“
Ohne großes Aufsehen zu erregen, hat der
Bundesrat im Juli das neue Präventionsgesetz
durchgewunken. Doch was bedeutet das für den
Bürger? FORUM Gesundheit sprach mit Franz
Gigout von der Landesarbeitsgemeinschaft für
Gesundheitsförderung Saarland (LAGS).
Interview: Peter Böhnel
H
err Gigout, Sie kommen
gerade von einem wichtigen
Treffen bei der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung (BZgA) in Köln.
Ja, mit der Leiterin Heidrun Thaiss.
Worum ging es?
Um zukünftige Finanzmittel, wie sie für
Gesundheitsförderung ausgegeben werden und wie die BZgA künftig mit den
Landesvereinigungen für Gesundheit zusammenarbeiten kann. Nach dem neuen
Präventionsgesetz kriegt die BZgA von
den Krankenkassen in Zukunft 45 Cent
pro Versichertem.
Foto: iStock / knape
Das betrifft nur die BZgA. Welche
Finanzmittel sieht das Gesetz sonst
noch vor?
Die Kassen müssen jetzt sieben Euro pro
Versichertem und Jahr ausgeben für Prävention und Gesundheitsförderung. Pro
Versichertem, nicht nur pro Beitragszahler. Also auch für mitversicherte Kinder.
Sieben Euro statt bisher drei.
Was passiert mit dem Geld?
Von den sieben Euro sind drei Euro für
die Individualprävention der Kassen vorgesehen, also zum Beispiel Kurse. Zwei
Euro für Betriebliches Gesundheitsmanagement. Die restlichen zwei Euro für
nichtbetriebliche Settings, Lebenswelten wie Schulen, Kitas, Gemeinden und
Wohnquartiere. Davon gehen 45 Cent an
die BZgA und der Rest, 1,55 Euro, ist sozusagen verhandelbare Masse.
Insgesamt also mehr Ausgaben für
die Prävention. Lohnt sich das denn?
Ja. Man weiß, dass sich die Investition
in Prävention lohnt. Geld in Prävention
stecken spart auch viele Sozialleistungen.
Nehmen Sie als Beispiel die Stadt Dormagen. Sie investiert in Präventionsketten zur frühkindlichen Entwicklung, ist
jetzt in der Gewinnzone. Oder das Perry
Pre School Project in Michigan, USA. Es
gibt viele Beispiele für lohnende Projekte.
Übrigens ist es wichtig, in die Kindergärten und Schulen zu gehen, um damit soziale Stigmatisierung zu vermeiden. Oder
nehmen wir die Schule in Bad Homburg,
die eine tägliche Sportstunde eingeführt
hat. Diese Zeit musste bei den Hauptfächern abgeknapst werden. Trotzdem gibt
es bessere Schulleistungen, weniger Ge-
Worum
geht’s?
Das Präventionsgesetz
enthält Regeln, die zu mehr
Gesundheitsvorsorge führen
sollen. Dazu wird aus Versichertenbeiträgen ein größerer
Anteil abgezweigt. Die jährlichen Mehrkosten zulasten
der Kranken- und Pflegekassen werden auf mehr als 300
Millionen Euro veranschlagt.
Hier die wichtigsten Punkte:
• Die Gesundheitsförderung
soll direkt im Lebensumfeld
der Versicherten gestärkt
werden, etwa in der Kita, der
Schule, am Arbeitsplatz und
in Pflegeeinrichtungen.
• Insgesamt sollen die gesetzlichen Krankenkassen
vom kommenden Jahr an
sieben Euro statt bislang
3,09 Euro pro Versichertem
und Jahr für Gesundheitsförderung ausgeben.
• Es wird keine Impfpflicht
eingeführt, aber das Impfen soll gefördert werden.
Beispielsweise dürfen bald
alle Ärzte impfen, beim KitaEintritt ist der Nachweis einer
Impfberatung Pflicht. Bis
zum 18. Lebensjahr erhalten
Jugendliche eine zusätzliche
Gesundheitsuntersuchung.
Behörden können Ungeimpfte künftig beim Auftreten
von Masern vom Besuch von
Gemeinschaftseinrichtungen
ausschließen.
• Die Soziale Pflegeversicherung soll auch gesundheitsfördernde Maßnahmen in
Pflegeeinrichtungen fördern.
• Gesundheits-Checks und
Früherkennung sollen weiterentwickelt und stärker individualisiert werden, je nach
persönlichen Risikofaktoren.
FORUM GESUNDHEIT 27
Aktuelles
walt, weniger Unfälle. Mit der Prävention
in der Gesellschaft verhält es sich ähnlich
wie mit den Fehlerverhütungskosten in
der Industrie. Es ist billiger, Fehler zu vermeiden, als sie später zu beheben.
Es gibt also bereits bewährte
Konzepte, die man aufgreifen,
die man verbreiten könnte?
Bundesgesundheitsminister Hermann
Gröhe zum neuen
Gesetz: „Ziel ist,
Krankheiten zu
vermeiden, bevor
sie überhaupt
entstehen.“
Ja, man weiß eigentlich, wie es geht,
nimmt aber kein Geld dafür in die Hand.
Ein Beispiel aus Griechenland: Im Rahmen der Sparprogramme wurde die AidsPrävention gekürzt. Jetzt hört man, dass
dort die Infektionen hochgehen.
Die Gelder für das Betriebliche
Gesundheitsmanagement müssen
alle Beitragszahler berappen, aber
sie kommen nur den Beschäftigten
zugute, deren Arbeitgeber so ein
Gesundheitsmanagement anbieten.
Das sind derzeit nur die Großunternehmen. Ziemlich ungerecht, oder?
Das neue Präventionsgesetz tritt am
1. Januar 2016 in Kraft. Welche Folgen wird es für den Bürger haben?
Das Kursangebot der Krankenkassen
wird sich vergrößern. Die Kassen werden mehr auf Betriebe zugehen – oder
umgekehrt. Und es wird mehr solcher
Aller guten Dinge sind vier
Dies ist das erste Mal, dass es eine
deutsche Regierung schafft, Gesundheitsförderung gesetzlich zu
verankern. Es gab schon drei erfolglose Versuche. Bereits vor zehn
Jahren war die damalige rot-grüne
Bundesregierung ganz nah dran
und verabschiedete ein Präventionsgesetz — gegen die Stimmen
der Opposition, worauf der Bundesrat den Vermittlungsausschuss
anrief, das Ganze vertagte und das
Gesetz nicht mehr vor Ablauf der
Legislaturperiode in Kraft treten
konnte. Die folgende Große Koalition startete 2007 einen neuen Anlauf, doch dieser verlief wegen Reibereien zwischen SPD und CDU/
CSU im Sande. 2010, während der
CDU-FDP-Koalition, scheiterte ein
28 FORUM GESUNDHEIT
dritter Versuch. Die Initiative ging
von der SPD-Opposition aus. Auf
ihre kleine Anfrage antwortete die
damalige Regierung Merkel, dass
„der vom Bundesminister für Gesundheit in der vergangenen Legislaturperiode erarbeitete Entwurf
eines Präventionsgesetzes nicht
weiterverfolgt wird“. Doch nun,
beim vierten Anlauf, ist endlich die
Ziellinie in Sicht. Am 17. Dezember 2014 ging’s los. Da beschloss
die aktuelle Bundesregierung den
Entwurf eines neuen Präventionsgesetzes. Aus dem Entwurf wurde
eine Vorlage. Am 10. Juli hat nun
der Deutsche Bundesrat das Gesetz genehmigt. Seinem Inkrafttreten am 1. Januar 2016 steht jetzt
nichts mehr im Weg.
Setting-Projekte geben. Ich kann mir
auch vorstellen, dass etwa das Programm
der Frühen Hilfen jetzt ausgebaut werden
kann, in Richtung Aufbau von Präventionsketten.
Was werden die Konsequenzen für
die Akteure des Gesundheitssystems, auch für Ihre LAGS, sein?
Es müssen nun aufeinander aufbauende,
abgestimmte Konzepte entwickelt werden. Ich sehe die Chance, dass Prävention
einen höheren Stellenwert kriegt. Aber
wir müssen auch einschränkend sehen:
Die Finanzmittel, die hier für ein Jahr frei
werden, entsprechen den Krankheitskosten, die in unserem Versorgungssystem an
einem einzigen Tag anfallen.
Wie bewerten Sie persönlich
das neue Gesetz?
Für mich ist das neue Präventionsgesetz
ein erster wichtiger Schritt. Man hat einen Pflock eingeschlagen. Aber wir müssen gemeinsam weitergehen.
Was finden Sie denn noch
ausbaufähig?
Ein Kritikpunkt wäre: Der Gesetzgeber
hat es nicht geschafft, die privaten Krankenversicherer (PKV) mit ins Boot zu nehmen. Die PKV zahlen ihren Versicherten
ja auch keine Präventivmaßnahmen, wie
zum Beispiel Entspannungstraining.
Fotos: dpa (2) — Peter Böhnel
Jetzt liegt es an den Unternehmen. Sie
sind gefordert. Und es muss vom Kopf des
Unternehmens gewollt sein. Betriebliches
Gesundheitsmanagement ist Chefsache.
Wichtig ist aber auch, dass nun in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten gerade für
kleine und mittlere Unternehmen passende Angebote entwickelt werden.
Aktuelles
Es wird keine
Impfpflicht
eingeführt, aber
das Impfen soll in
Zukunft gefördert
werden.
Auf Bundesebene fehlt derzeit noch die
breite politische Basis für das Gesetz.
Dazu müssten weitere Ministerien wie das
für Ernährung und Landwirtschaft, das
für Arbeit und Soziales oder das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit beteiligt werden. Aber
das ist noch Zukunftsmusik. Wichtig ist
jetzt, dass es dieses Gesetz erst mal gibt.
Es ist eine andere Arbeitsbasis als bisher.
Apropos Arbeitsbasis. Die LAGS wird
vermutlich viele der neuen Maßnahmen und Projekte begleiten. Erhoffen Sie sich eine stärkere Position
der LAGS?
Zurzeit sind wir für das Gesundheitsministerium eine freiwillige Leistung. Jetzt
sehe ich die Möglichkeit, dass wir als
Netzwerker, als Kooperationsplattform,
als Wegbereiter aus dieser prekären Situation herauskommen.
Prekäre Situation?
Unsere Mitarbeiter haben nur Zeitverträge.
Hoffen Sie nun auf eine
Institutionalisierung der LAGS?
Ja, wir brauchen eine gesicherte Position,
damit wir vernünftig und verlässlich arbeiten können.
Als was?
Als Vermittler, Berater, Netzwerker und
als Partner in der Qualitätssicherung.
Mitglieder wie Coca Cola und den Bundesverband der deutschen Süßwarenindustrie.
Zurzeit begleitet die LAGS bereits
mehrere Projekte der Gesundheitsförderung. Nennen Sie ein aktuelles
Beispiel, das Ihnen am Herzen liegt.
Was ist Ihr persönliches Credo,
was ist für eine gute Präventionspolitik wichtig?
Unser Projekt Schatzsuche. Ein Programm in Kitas. Es geht darum, gemeinsam mit Erzieherinnen und Eltern die
positiven Eigenschaften der Kinder zu
finden und die Kinder starkzumachen.
Welche Schwerpunkte möchte
die LAGS in Zukunft setzen?
Unser Ziel ist, dass viel auf kommunaler
Ebene ankommt. Dort, wo die Menschen
lernen, leben, lieben und arbeiten, wie es
in der Ottawa Charta von 1986 heißt.
Uns geht es um Struktur- und Organisationsentwicklung. Nicht um Einzelmaßnahmen, sondern um das System.
Und die Rolle der LAGS hierbei?
Die LAGS kann solche Prozesse begleiten
und unterstützen. Und auch Politikberatung leisten. Gerade, weil auch andere Interessengruppen Politiker im Bereich Prävention „beraten“, Einfluss nehmen wollen. So
ein Beispiel ist die Plattform für Ernährung
und Bewegung PEB. Das sieht auf den ersten Blick ganz schön aus, gegen die Angebote lässt sich auch inhaltlich nichts sagen,
aber beim näheren Hinsehen entdecken Sie
Menschen befähigen, ihre Gesundheit
selbst in die Hand zu nehmen, das ist
wichtig. Und alle Politikbereiche sollten
sich für Prävention und Gesundheitsförderung verantwortlich fühlen.
•
Franz J. Gigout
ist seit 1991
Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft für
Gesundheitsförderung Saarland
e. V. (LAGS). Er
studierte Germanistik, Geschichte
und Sozialkunde an der Uni Saarbrücken, bildete sich in Remscheid
zum Spielpädagogen weiter und
studierte Total Quality Management
(Fernuni Kaiserslautern). Gigout
arbeitete als Pädagoge in der Psychosozialen Beratungsstelle für junge Menschen in Saarbrücken und
machte ehrenamtlich Jugendarbeit
in sozialen Brennpunkten.
FORUM GESUNDHEIT 29
R at & Hilfe
Kann eine
Erkältung wirklich
lebensbedrohlich
werden?
Bald stehen schon wieder Herbst und Winter vor
der Tür – und mit ihnen ein paar fiese Erkältungs­
wellen. Wer dann seinem Körper keine Pause
gönnt, riskiert eine Herzmuskel­e ntzündung. In
FORUM Gesundheit erfahren Sie, warum es so
wichtig ist, sich auch bei harmlosem Husten und
Schnupfen sorgfältig auszukurieren.
30 FORUM GESUNDHEIT
K
urier’ dich gut aus, sonst kann die
Erkältung aufs Herz gehen!“ Viele Menschen haben diesen gutgemeinten Ratschlag schon mal gehört – und nicht beherzigt. Warum auch?
Wie soll eine läppische Erkältung denn
bitteschön auf Herz übergreifen? Das ist
doch bestimmt nur Panikmache!
Herzmuskelentzündungen:
harmlose Viren, tödlicher Verlauf
Ist es nicht. Die Herzmuskelentzündung
ist eine ernste Erkrankung, die tatsächlich häufig durch Viren und Bakterien
ausgelöst wird, die bei Betroffenen vorher einen grippalen Infekt oder auch eine
Magen-Darm-Grippe verursacht haben.
Besonders werden Enteroviren (zum Beispiel Cocksackie-B-Virus) als Auslöser
festgestellt. Auch Grippe- und Adenoviren können die Erkrankung hervorrufen.
Die Krankheitserreger greifen den Herzmuskel an, wodurch dieser an Leistungsfähigkeit verliert. Die Symptome einer
Myokarditis, so lautet der Fachbegriff für
R at & Hilfe
Herzmuskelentzündung, sind vielfältig
und oft nicht auf den ersten Blick als ernste Erkrankung zu erkennen. Unbehandelt
kann die Krankheit jedoch zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen und
sogar zum plötzlichen Herztod führen.
Häufigste Ursache für
plötzlichen Herztod
Werden scheinbar harmlose Infekte wie
Erkältungen oder Brechdurchfall nicht
vollständig auskuriert, ist das Risiko, an
einer Herzmuskelentzündung zu erkranken, besonders groß. Häufig sind Menschen betroffen, die sich nach oder während eines Infekts nicht genug Schonung
gönnen. Bei jungen, sonst herzgesunden
Menschen und Leistungssportlern ist
eine Herzmuskelentzündung sogar die
häufigste Ursache für den plötzlichen
Herztod!
Fotos: fotolia / Viacheslav Iakobchuk — dpa
Die Symptome sind oft diffus
Die Symptome einer Herzmuskelentzündung sind selten eindeutig. Betroffene
ordnen den ersten Anzeichen oft erst mal
keinen Krankheitswert zu. Häufige Anfangssymptome der Erkrankung sind:
Vor allem nach einem vermeintlich banalen Infekt können häufige Schlappheit
oder rasche Ermüdungserscheinungen auf
eine Herzmuskelentzündung hinweisen.
Werden beispielsweise leichte Hausarbeiten, kleine Fußwege oder kurzes Treppensteigen als ungewöhnlich anstrengend
empfunden, steckt möglicherweise ein
angegriffener Herzmuskel hinter der Leistungsschwäche.
In einigen Fällen macht sich die Herzmuskelentzündung durch Herzstolpern,
Herzrasen oder (auch leichte) Schmerzen
im Brustkorb bemerkbar. Wichtig: Viele Menschen leiden gelegentlich unter
harmlosem Herzstolpern ohne Krankheitswert. Wenn Sie kürzlich einen Infekt
durchgemacht haben, sollten Sie solche
Symptome aber ernst nehmen und umgehend beim Arzt abklären lassen.
Auch Wasseransammlungen in den Beinen, Fieber und unerklärlicher Gewichtsverlust können zu den Symptomen der
Myokarditis gehören.
Beim ersten Anzeichen
sofort zum Arzt
Um einen ernsten Verlauf der Erkrankung abzuwenden, ist es wichtig, beim
ersten Verdacht auf Herzmuskelentzündung einen Arzt aufzusuchen. Rechtzeitig
erkannt und behandelt (wichtigste Maßnahme: strikte körperliche Schonung!)
Fußballprofi Daniel Engelbrecht (Stuttgarter Kickers) trägt nach
einer Herzmuskelentzündung einen Defibrillator im Körper.
heilt die Erkrankung regelmäßig ohne
bleibende Schäden aus.
Beim Verdacht auf Herzmuskelentzündung ist ein Internist oder Kardiologe
der richtige Ansprechpartner. Auch der
Hausarzt kann Anzeichen einer Myokarditis erkennen und gegebenenfalls weitere Schritte veranlassen. Um die Diagnose
zu stellen, sind verschiedene Maßnahmen nötig.
Ruhe ist oberstes Gebot
Bei der viralen (und häufigsten) Form
der Herzmuskelentzündung gibt es keine medikamentöse Behandlung, welche
die Ursache der Erkrankung bekämpft.
Behandelt wird die Krankheit in diesem Fall mit konsequenter Bettruhe und
Medikamenten, die die Symptome der
Myokarditis lindern (zum Beispiel entwässernde Medikamente). Der erkrankte
Herzmuskel muss entlastet und vollständig auskuriert werden. Im Vordergrund
der Therapie steht deshalb die strikte körperliche Schonung des Patienten bis alle
Symptome vollständig und nachhaltig
verschwunden sind.
Gelegentlich können auch Bakterien Auslöser einer Herzmuskelentzündung sein.
In diesem Fall werden in den meisten Fällen parallel zur körperlichen Schonung
Antibiotika gegen die ursächlichen Erreger eingesetzt.
Der Verlauf der Erkrankung
ist schwer vorhersehbar
Wie schwerwiegend eine Herzmuskelentzündung verläuft, ist sehr unterschiedlich. Manchmal bleibt die Erkrankung
unbemerkt oder ruft nur schwache, grippeartige Symptome hervor. Es gibt aber
eben auch schwere Fälle mit langwierigen
Verläufen, die im schlimmsten Fall tödlich enden.
Bei unkomplizierten Herzmuskelentzündungen zeigt sich die Erkrankung meist
„nur“ durch allgemeine Leistungsschwäche des Patienten, geringfügige Veränderungen im EKG oder leichte Herzrhythmusstörungen. Bei früher Diagnose und
Behandlung heilt die Myokarditis in diesen Fällen meist innerhalb weniger Wochen folgenlos ab.
Manchmal kommt es zu
Wasser in den Beinen
Ist die Funktion des Herzens durch die
Infektion bereits stärker eingeschränkt,
bilden sich häufig Wasseransammlungen
in den Beinen (Ödeme) oder auch in der
Lunge. Durch strikte körperliche Schonung und medikamentöse Therapie kann
die Myokarditis auch in diesen Fällen
ausheilen – in einigen Fällen bleibt nach
der Genesung aber eine reduzierte Funktion des Organs bestehen (verringerte
Pumpleistung).
Wirksamste Vorbeugung: Erkält­
ungen vollständig auskurieren
Die beste und wirksamste Vorbeugung gegen Herzmuskelentzündungen ist, Erkältungskrankheiten, grippale Infekte oder
Magen-Darm-Erkrankungen vollständig
auszukurieren und dem Körper genügend
Zeit zur Regeneration zu gönnen.
Konkret bedeutet das: Während eines
akuten Infekts und einige Zeit danach
keinen Sport treiben und körperliche Anstrengungen meiden.
•
Simone Schamann
FORUM GESUNDHEIT 31
R at & Hilfe
„Wer träumt, ist kreativ!“
Z
um Thema Traumdeutung gibt es
jede Menge Ratgeber-Literatur.
Meist werden darin klassische
Traumszenarien beschrieben, die
viele Menschen bereits im nächtlichen
Kopfkino erlebt haben: Fliegen können,
aus großer Höhe abstürzen, plötzliches
Nacktsein in der Öffentlichkeit oder auch
Träume mit symbolträchtigen Tieren
(zum Beispiel Mäusen, Löwen, Pferden).
Solche Bücher können interessante Anre-
32 FORUM GESUNDHEIT
gungen zur Aufschlüsselung der eigenen
Traumwelten geben – mehr aber auch
nicht. Die Wechselwirkungen zwischen
Gehirn und Psyche, die während eines
Nachttraums stattfinden, sind viel zu
komplex, um sie in ein allgemeingültiges
Schema zu pressen.
Das Unterbewusstsein in bewegten Bildern: „Träumen ist ein höchst kre-
ativer Prozess, der uns in stark überzeichneten Bildern mitteilt, was uns emotional
beschäftigt“, erklärt Michael Schredl.
„Der Traum greift auch auf zurückliegende Erfahrungen zurück, er verbindet
aktuelle und vergangene Erlebnisse. Die
detaillierte Deutung eines Traums ist deshalb nur individuell wirklich sinnvoll.“
Schredl ist Psychologie-Professor und
Leiter des Zentralinstituts für seelische
Gesundheit an der Universität Mannheim. Seit gut 20 Jahren untersucht er
im Auftrag der Wissenschaft das The-
Fotos: dpa — Privat
Bizarre Situationen, herrliche Landschaften, grausame Unfälle: Die Fantasien, die
unser Gehirn während wir schlafen produziert, sind manchmal schön und manchmal
verstörend. Nach dem Aufwachen fragt man sich dann oft, was das wohl wieder zu
bedeuten hatte. Traumforscher Prof. Michael Schredl leitet das Schlaflabor an der
Universität Mannheim – und arbeitet daran, dem Phänomen auf die Spur zu kommen.
R at & Hilfe
mit wiederkehrenden Alptäumen haben,
wenden sich an Prof. Schredl und sein
Team. „Rund fünf Prozent der Menschen,
die Alpträume haben, leiden auch unter
ihnen“, erklärt der Traum-Experte. „Die
Nachwirkungen eines intensiven Alptraums können das körperliche Wohlbefinden und die allgemeine Lebensqualität
stark beeinträchtigen.“
Wenn Alpträume zum Problem
werden: Beängstigende Träume, die nach
dem Aufwachen noch ein paar Stunden
nachwirken, kennt zwar fast jeder – sie
sollten aber eher die Ausnahme bleiben.
Wer häufiger als einmal pro Woche von
unangenehmen Alpträumen heimgesucht
wird, leidet häufig auch noch im Wachzustand unter den verstörenden Szenen,
die sich in der Nacht im Kopf abgespielt
haben. Folgen können die Angst vor dem
Einschlafen und andere Schlafstörungen
sein. Im Allgemeinen erleben dünnhäutige, sensible Menschen häufiger wiederkehrende Albträume als robuste, nervenstarke Naturen.
„Das heißt aber nicht zwangsläufig,
dass diese Menschen schwerwiegende
psychische Probleme haben“, stellt Prof.
Schredl klar. „Menschen, die regelmäßig
Alpträume haben, neigen einfach dazu,
innere Konflikte und Spannungen auf
diese Weise zu verarbeiten. Wenn diese
Träume den Alltag oder die Schlafqualität belasten, sollte man aber etwas dagegen tun.“
ma Träume. Aber wie funktioniert das
eigentlich? Stehen die Traumforscher
gleich nach dem Aufwachen am Bett und
fragen, was nachts im Kopf so los war?
„So ähnlich!“, sagt Schredl. „Wir haben
Probanden, die in unserem Schlaflabor
übernachten. Sie werden vor dem Einschlafen ‚verkabelt‘, dann wird ihre Gehirnaktivität während der verschiedenen
Schlaf- und Traumphasen aufgezeichnet.
Natürlich werden sie auch im wachen
Zustand zu ihren Träumen befragt. Wir
haben aber auch Studienteilnehmer, die
zu Hause Traumtagebuch führen und uns
zur Auswertung zur Verfügung stellen.“
Traumanalyse als Teil der Psychotherapie: Der Schwerpunkt von Schredls
Forschung ist der psychologische Nutzen,
den Menschen aus ihren Träumen ziehen
können. Traumanalysen sind nicht umsonst ein wichtiger Bestandteil der klassischen Psychotherapie, sie können helfen,
innere Konflikte, wichtige Lebensthemen
und unbewusste Prozesse besser zu verstehen. Aber auch Menschen, die Probleme
Die schlimmen Szenen zu Ende
denken: Medikamente oder eine Stan-
dard-Therapie gegen Alpträume gibt es
noch nicht. In Schredls Institut wird
allerdings gerade eine Sprechstunde
aufgebaut, in der Betroffenen geholfen
wird, besser mit ihren Alpträumen klarzukommen.
„Alpträume werden an der unangenehmsten Stelle häufig durch Aufwachen
unterbrochen“, erklärt der Experte. „Wir
machen gute Erfahrungen mit der Methode, die belastenden Trauminhalte mit den
Betroffenen im Wachzustand ausführlich
zu besprechen – und vor allem zu Ende
zu denken. Wir erarbeiten zusammen eine
Bewältigungsstrategie. Auf diese Weise
erlangen die Betroffenen die Kontrolle
über den Traum zurück. In vielen Fällen
hat dieser Ansatz gegen Einschlaf- und
Aufwachstörungen schon geholfen.“
Was träumt eigentlich ein Traumforscher? Prof. Schredl selbst hatte als
erwachsener Mann übrigens noch keine
bösen Träume, das weiß er ganz genau.
Seit fast 30 Jahren schreibt der Wissen-
schaftler nämlich auch auf, was er selbst
geträumt hat. Unglaubliche 11.800 Träume hat er bereits dokumentiert. „Ich mache das wirklich fast jeden Tag und auch
recht ausführlich“, erzählt er. „Es lohnt
sich absolut, sich irgendwann am Tag
ein paar Minuten Zeit dafür nehmen.“
Irgendwann tagsüber? Aber es ist doch
immer so schwierig, sich längere Zeit an
einen Traum zu erinnern! „Das kann man
trainieren“, erklärt Schredl. „Wenn ich etwas geträumt habe, gehe ich die einzelnen
Szenen nach dem Aufwachen noch ein
paar Mal im Kopf durch – so, als würde ich ein Gedicht auswendig lernen. Auf
diese Weise bleibt der Traum hängen –
und man kann ihn später aufschreiben.“
Mehr
als
verrücktes
Kopfkino:
Könnte man abschließend sagen, dass
Träume viel mehr sind als verrücktes
Kopfkino? „Das auf jeden Fall“, meint
Schredl. „Träume sind bedeutsam, weil
sie zeigen, was uns emotional wichtig ist.
Wir können viel über uns selbst lernen,
wenn wir uns regelmäßig mit ihnen auseinandersetzen. Ob der Körper aber aus
genau diesem Grund träumt – ob die
Botschaften aus dem Unterbewusstsein
also die konkrete, physiologische Aufgabe
des Träumens sind – ist wissenschaftlich
noch nicht geklärt.“
•
Simone Schamann
Prof. Dr.
Michael
Schredl
ist Somnologe,
stammt
aus
Österreich,
studier te
erst Elektrotechnik in Karlsruhe und später Psychologie in
Mannheim. Seit 1994 arbeitet er im Schlaflabor an der
Uni Mannheim. Heute ist er
wissenschaftlicher Leiter des
Labors. Schredl ist Mitglied
in folgenden Organisationen:
Deutsche Gesellschaft für
Schlafforschung und Schlafmedizin (als Sprecher der AG
Traum), International Association for the Study of Dreams,
European Sleep Research
Society (ESRS) und Deutsche
Gesellschaft für Psychologie
(DGPs).
FORUM GESUNDHEIT 33
R at & Hilfe
Beim Schwenken
zu bedenken
Zu den schönsten Seiten des Sommers gehört das gemeinsame Grillen mit
guten Freunden. Doch wie geht eigentlich gesundes Grillen? Und welche
Besonderheiten gelten für das traditionelle Schwenken über offenem Holzfeuer, wie
es im Saarland gerne praktiziert wird? FORUM Gesundheit hat Antworten für Sie.
Von Peter Böhnel
34 FORUM GESUNDHEIT
R at & Hilfe
Da passt was drauf:
Der Schwenkgrill wird
im Südwesten der
Republik traditionell
auch auf größeren
Volksfesten eingesetzt.
Fotos: fotolia / photocrew — dpa
V
iele Menschen denken beim Thema gesundes Grillen zuerst an
krebserregende Stoffe. Doch bereits vor und während des Grillens
droht eine unmittelbare Gefahr, die oft
unterschätzt wird: Verbrennungen und
Rauchvergiftungen. Hier die wichtigsten
Vorsichtsmaßnahmen:
• Niemals und unter gar keinen Umständen Spiritus oder Benzin als Brandbeschleuniger verwenden. Erst recht nicht
ins Feuer spritzen. Das gibt die schönsten
Verpuffungen, bis hin zu meterlangen
Feuerstrahlen aus der Spiritusflasche,
nachdem die Flamme blitzartig von der
Glut in die Flasche zurückgewandert ist.
Feste Anzündhilfen sind erlaubt. Aber
bitte erst auflegen, wenn diese restlos verbrannt sind. Besser: trockenes Brennmaterial, richtig schichten – und pusten oder
föhnen.
• Auf Standfestigkeit achten. Bedenken Sie spielende Kinder und natürlich
auch alkoholisierte Gäste. Nie darf Glut
durch einen Stoß verschüttet werden. Wie
heiß glühende Kohle werden kann? Das
wollen Sie gar nicht wissen.
• Immer unter freiem Himmel grillen. „Schlechtes Wetter? Dann rollen wir
das Ding halt in die Garage…“ – bloß
nicht! Jedes Feuer, ob Kohle, Holz oder
Gas, muss gut belüftet sein. Es geht weniger um den beißenden Qualm, der Sie
ins Freie treibt. Es geht um das Kohlen-
monoxid, das Sie ruhig sitzen lässt. Sie
atmen es ein, aber riechen es nicht. Hat
es erst einmal Ihre roten Blutkörperchen
blockiert, nützt auch der Gang an die frische Luft nichts mehr, dann kommt jede
Hilfe zu spät. Einzige erlaubte Ausnahme
fürs überdachte Grillen sind Elektrogrills.
Tipp bei Regenwetter: lieber in der Küche
im Backofen grillen.
Grillen und Krebsgefahr
So. Steht Ihr Grill sicher am gut belüfteten
Platz? Dann kommen wir zur indirekten,
schleichenden Gefahr, dem Krebs. „Die
Gesundheit wird beim Grillen hauptsächlich durch polyzyklische aromatische
Kohlenwasserstoffe (PAK), heterozyklische
aromatische Amine (HAA) und je nach
Grillgut durch Nitrosamine bedroht“, weiß
der Ernährungswissenschaftler Christoph
Bier vom Ministerium für Umwelt und
Verbraucherschutz des Saarlandes. Alle
diese Stoffe gelten als kanzerogen, also
krebserregend. PAK entstehen, wenn Hitze auf organisches Material einwirkt. Zum
Beispiel, wenn Fett aus dem Grillgut oder
Öl aus der Marinade in die Glut tropft.
Oder beim Elektrogrill auf die Heizschlange, beim Gasgrill aufs heiße Blech. „Über
den Rauch gelangen diese Stoffe zum Teil
auf das Grillgut und werden dann mitgegessen“, so Bier. Gegen HAA helfen kaum
Gegenmaßnahmen, denn sie entstehen
grundsätzlich immer beim Braten, Rösten
oder Grillen. Das sollen sie in diesem Fall
auch, denn sie tragen zum Grillgeschmack
bei. Doch diese Röststoffe lassen sich dosieren. Ernährungsexperte Christoph Bier
erklärt: „Je größer die Hitze und je länger
Schwenken –
typisch
saarländisch
Die Tradition des Schwenkens hängt direkt mit der
Bergbaugeschichte
des
Saarlandes zusammen. Statt
teure Grills und Holzkohle zu
kaufen, schweißten sich die
Kumpel (darunter viele gelernte Schlosser) lieber ihre
Grillgeräte selbst zusammen.
Und Gratis-Brennmaterial lieferten die großen Buchenwälder im Saarland. Das Grillen
über Holzfeuer erfordert einen beweglichen Rost, damit
das Grillgut nicht verbrennt.
Und es erzeugt tatsächlich
ein anderes Aroma. Das liegt
am Holzrauch. Gesundheitlich unbedenklich ist das leider nicht. Aber auf die Dosis kommt es an – und wer
schwenkt schon jeden Tag?
FORUM GESUNDHEIT 35
R at & Hilfe
Koch-Profi
empfiehlt
indirektes
Grillen
Wasserschale
unter dem Grillgut
vermeidet viele
krebserregende
Giftstoffe
das Lebensmittel der Hitze ausgesetzt ist,
umso mehr HAA entstehen.“ Nitrosamine
wiederum entstehen beim Grillen gepökelter, also mit Nitritpökelsalz behandelter
Fleisch- und Wurstwaren. Deshalb: Fragen Sie beim Metzger ausdrücklich nach
Produkten zum Grillen. Kassler und Lyoner sind zum Beispiel gepökelt und daher
nicht für den Rost zu empfehlen.
Also was tun? „Der Bildung und Ablagerung von PAK kann man entgegenwir-
36 ken, indem man das Grillgut auf Alufolie
oder spezielle Grillschalen legt“, empfiehlt
Bier. „Diese verhindern das Abtropfen
von Fett und Öl und schützen das Grillgut vor dem Rauch. Gepökelte Fleischund Wurstwaren sollte man grundsätzlich nicht grillen oder braten. Sehr dunkle
oder gar verbrannte Stellen am Grillgut –
dazu zählen auch die häufig deutlich verbrannten Zwiebeln eines Schwenkers –
sollten nicht verzehrt werden.
Clever: indirektes Grillen
Profikoch Raphael Konstroffer legt im
Hochsommer bei Grillabenden in Saarbrücken im Best Western Victor’s Residenz-Hotel Rodenhof auf. Er hat für Sie
einen weiteren Tipp parat, wie Sie ganz
ohne Alufolie auskommen: indirekt grillen! Es funktioniert insbesondere mit
Kohle ganz einfach. „Stellen Sie eine
Schale mit Wasser unter das Grillgut und
verteilen Sie die glühende Kohle drumherum“, empfiehlt Konstroffer. So kann
das herabtropfende Fett nicht verbrennen, giftiger Qualm gar nicht erst entstehen. Diese indirekte Methode klappt
am besten mit Kugelgrills, denn der
geschlossene Deckel hält die Hitze am
Grillgut. Und wie sieht es mit Gasgrills
aus? Modelle mit mehreren Brennern
erlauben ebenfalls die indirekte Garmethode. Einfach den Brenner unter dem
Grillgut abschalten, die anderen aufdrehen. Zum direkten Grillen wiederum
Das Feuer sollte vor dem
Auflegen des Grillguts
heruntergebrannt sein. So
haben Sie mehr Hitze bei
weniger Flammen und Rauch.
FORUM GESUNDHEIT
gibt es Modelle, die den direkten Kontakt des herabtropfenden Fettes mit der
Flamme vermeiden. Manche Grills aber
decken die Flammen mit Blechen ab. Auf
den glühend heißen Blechen verbrennt
das Fett ebenfalls.
Besonderheit Schwenker
Gesundes Schwenken ist nicht ganz so
einfach. Ernährungsexperte Christoph
Bier: „Beim Schwenken über offenem
Feuer entsteht mehr Rauch als beim
Grillen über Glut. Das Grillgut kommt
beim Schwenken auf einem Schwenkrost
also mit mehr Rauch und somit auch
mehr krebserregenden Verbindungen in
Kontakt.“
Wer den rauchigen Geschmack liebt
und in guter alter Bergmannstradition
das Holzfeuer zum Grillen verwenden
möchte, sollte folgende Punkte beachten:
• Über Holzfeuer niemals feste Roste
verwenden, sondern nur bewegliche, die
Schwenkgrills, damit das Grillgut nicht
so leicht verbrennt. Allerdings das mit
dem Schwenken müssen Sie nicht wörtlich nehmen. Besser ist die einfache Rotation des Rostes. So bleibt das Grillgut
über der Hitze, gart gleichmäßiger und
schneller. Tipp: Der Rost sollte immer
über ein Drehlager mit der Aufhängung
verbunden sein. So dreht sich der Rost
lange und wird nicht durch ein Verdrillen
der Kette gebremst.
R at & Hilfe
•
Christoph Bier ist Ernährungswissenschaftler und arbeitet beim
Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz des Saarlandes.
Sein Grillgut Nummer eins? Schwenkbraten. Dazu gibt’s
Salat und Baguette oder Pommes frites.
Abwechslung
ist gesund
Raphael Konstroffer (Best Western
Victor’s Residenz-Hotel Rodenhof)
verrät uns drei leckere Alternativen
zum üblichen Grill-Einerlei.
Thunfischsteaks
mit Zitronenmelisse
•4 Thunfischsteaks
ca. 200g (Sushi-Qualität)
•1 Bund Zitronenmelisse
•30 ml Olivenöl
•1/2 Zitrone
•Salz
•Pfeffer
Die Zitronenmelisse in feine Streifen schneiden. Den Saft der Zitrone mit dem Olivenöl, Salz und
Pfeffer verrühren. Die Zitronenmelisse dazugeben und 1-2 Stunden
im Kühlschrank ziehen lassen. Die
Thunfischsteaks
trockentupfen
und schön gleichmäßig mit der Marinade bestreichen. Den Thunfisch
dann auf jeder Seite ca. 2-3 Minuten grillen und sofort servieren.
Das Steak sollte in der Mitte beim
Anschneiden noch schön rot sein!
Achtung: Wenn man den Thunfisch
ein paar Minuten zu lang auf dem
Grill lässt, wird er sehr schnell trocken und bietet dann bei Weitem
nicht mehr das volle Geschmacks­
erlebnis!
Champignonköpfe mit
Ricotta-Tomatencreme
•8 große Champignons
•50 g getrocknete Tomaten
•1 Knoblauchzehe
•1 Bund Basilikum
•1 Schalotte
•200 g Ricotta
•50g geriebener Parmesankäse
•Olivenöl
•Salz
•Pfeffer
Die Champignons waschen und
den Stiel entfernen. Getrocknete
Tomaten, Knoblauchzehe und die
Schalotte in Würfel schneiden und
mit etwas Olivenöl glasig dünsten,
anschließend ca. 20 Minuten abkühlen lassen. Das Basilikum in feine Streifen schneiden und mit dem
Ricotta und dem Parmesan vermengen. Die abgekühlte Tomatenmischung unter die Ricotta-Masse
heben und die Champignonköpfe
damit füllen. Das Ganze kommt
dann für ca. zehn Minuten in einer
Aluminiumschale auf den Grill oder
Schwenker.
Gegrillte Wassermelone mit altem Balsamico
Warum nicht auch mal ein Dessert
vom Grill? Dieses Rezept eignet
sich besonders bei heißen Temperaturen, weil es sehr erfrischend ist
und zugleich noch den Körper mit
Flüssigkeit versorgt. Das Rezept
reicht für fünf Personen.
•1/2 Wassermelone
(am besten kernlos)
•1 Limette
•gereifter Balsamico,
alternativ Balsamicocrema
•Salz
•Zucker
Die Wassermelone in ca. drei Zentimeter dicke Scheiben schneiden.
Die Limette auspressen und die
Melonenstücke damit beträufeln.
Kurz bevor man die Melone auf den
Grill legt, mit ein wenig Salz und
Zucker würzen. Nicht zu viel nehmen. Salz und Zucker dienen lediglich dazu, den Eigengeschmack
der Melone zu verstärken. Die Stücke jetzt anderthalb bis zwei Minuten von jeder Seite kurz grillen.
Also kurz. Sie sollen innen noch
kalt sein! Zum Schluss noch mit etwas altem Balsamicoessig beträufeln und genießen.
FORUM GESUNDHEIT Fotos: dpa (2) — Privat — Andreas Schlichter
• Anständiges Holz verwenden. Buchenholz eignet sich hervorragend, aber
trocken muss es sein. Verwenden Sie kammergetrocknetes oder mehrere Jahre abgelagertes Brennholz für mehr Hitze und
weniger Qualm. Verwenden Sie kein Nadelholz, denn damit verhält es sich genau
umgekehrt: wenig Brennwert, aber viel
Qualm vom Harz. Trockenes Brennholz
und die richtige Technik ersparen Ihnen
außerdem die üblichen Grillanzünder.
• Gutes Timing ist das halbe Grillen!
Zünden Sie das Feuer spätestens eine halbe Stunde vor dem Auflegen an und lassen
Sie die Flammen herunterbrennen, bis eine
schöne, intensive Glut entsteht. Dann wird
das Grillgut nicht durch direkten Flammenkontakt verbrannt, sondern durch
Strahlungshitze schön kross gegrillt.
• Speziell bei Schwenkbraten gilt: die
Zwiebeln aus der Marinade immer vor
dem Auflegen entfernen. Sie verbrennen
sonst.
• Bier über das Grillgut gießen? Keine
Tradition, sondern Quatsch. Es führt nur
zu unnötigem Qualm, reduziert die Hitze
der Glut – und bringt keinen Geschmack.
Dazu hätte das Bier vorher schon mehrere
Stunden einwirken müssen.
• Wer zu starken Rauchkontakt meiden möchte: Hier kann Alufolie Abhilfe
schaffen. Christoph Bier: „Es gibt aber
auch Schwenkerpfannen oder Grillplatten
für Schwenker, bei denen nichts abtropfen kann und das Grillgut vor dem Rauch
geschützt wird.“
Abschließend sollten Sie sich von den
Gesundheitsgefahren beim Grillen (und
Schwenken) aber bloß nicht den Spaß
verderben lassen. Wenn Sie die genannten
Tipps berücksichtigen, ist alles in Ordnung. Denn gerade beim Thema Krebs
gilt: Die Menge macht’s. „Wer nur wenige Male im Jahr grillt oder schwenkt
und auch sonst eher selten scharf Angebratenes isst, braucht sich keine Gedanken über negative gesundheitliche Folgen
des Grillens beziehungsweise Schwenkens
zu machen“, beruhigt Christoph Bier alle
Grillfreunde.
37
Naturheilwissen
Immer mehr Menschen vertrauen auf die Kraft
der Pflanzen. Auch im Saarland gibt es eine
beeindruckende Apotheke Gottes: Dr. Potempas
Gift- und Heilkräutergarten in Türkismühle. Dort
baut der Pharmazeut Dr. Karl-Heinz Potempa (79)
über 400 Arzneipflanzen an, seit mehr als 40 Jahren.
L
ässige beige Hose, kurzärmeliges
Hemd, auf dem Kopf ein Sonnenhut: Karl-Heinz Potempa sitzt auf
der alten Holzveranda am Eingang
seines „Gift- und Heilkräutergartens“
und sieht ein bisschen aus, als würde er
gleich auf Safari gehen. So ist es ja auch
fast: Wir sind vorbeigekommen, um uns
Potempas Lebenswerk zeigen zu lassen.
Der Apotheker kultiviert hier im Nordsaarland auf einem 4.000 Quadratmeter
großen Südhang mehr als 400 Pflanzen,
Bäume und Sträucher, die in Medizin und
38 FORUM GESUNDHEIT
Pharmazie Bedeutung erlangt haben, und
stellt daraus auch seine eigenen Arzneimittel her. Phytotherapie, Homöopathie,
die berühmten Bachblüten, Traditionelle
Chinesische Medizin, Anthroposophische
Arznei nach Rudolf Steiner (dem Begründer der Waldorf-Schulen) – Potempa hat
sich im Laufe der Jahre mit allen wichtigen Fachgebieten der Naturheilkunde
befasst und entsprechende Pflanzen in
seinem Garten angebaut.
„Ich kenne meine Heilkräuter und
weiß genau, wie sie wirken“, sagt der
gebürtige Berliner und nippt an einem
winzigen Gläschen, über dessen Inhalt
wir später noch sprechen werden. „Vielen
Menschen, die mit ihren Beschwerden zu
mir gekommen sind, konnte die Natur
bereits helfen.“ Wer Karl-Heinz Potempa
gegenüber sitzt, spürt sofort: Dieser Mann
ist kein verschrobenen Kräuter-Freak.
Er weiß genau, welchen Schatz er da in
seinem Garten hütet. Ein hochgebildeter
Apotheker, der mit Lebenserfahrung und
Fingerspitzengefühl über den beruflichen
Tellerrand hinausschaut – und Menschen
mit seinem großen Wissen helfen kann.
Junge Frauen mit Menstruationsbeschwerden, Karrieristen mit Burn-outSyndrom, Männer und Frauen im mittleren Lebensalter mit Bluthochdruck
und erhöhten Cholesterinwerten, Ältere
mit Rheuma und Arthrose – das sind die
gängigsten Fälle, für die Potempa in seiner Hubertus-Apotheke in TürkismühleNohfelden individuelle Naturmedizin
zusammenstellt. „Es kommen aber auch
Fotos: Bonenberger (2)
Gesundheit
aus dem Beet
Naturheilwissen
Leute mit seltenen oder komplizierten
Krankheitsbildern“, sagt er. „Manchmal
brauchen die Patienten dann viel Geduld.
Es kann Wochen oder Monate dauern, bis
eine natürliche Therapie anschlägt.“
Während Karl-Heinz Potempa über
seinen Alltag als ganz normaler Apotheker und die kostbaren Pflanzen in seinem
Gift- und Kräutergarten spricht, klingt
eines immer wieder ganz deutlich durch:
Er mag die Menschen, die da jede Woche
mit ihren Sorgen, Schmerzen und Wehwehchen in seine Apotheken-Sprechstunde kommen. „Viele sind verzweifelt, weil
sie schon bei zig Ärzten waren“, erzählt
er. „Sie haben Spritzen, Salben, Tabletten
ausprobiert und jede Menge Nebenwirkungen durchgemacht. Dann ist erst mal
Zuhören meine wichtigste Aufgabe. Wie
hat alles angefangen? Was haben die Ärzte schon alles probiert und verschrieben?
Und vor allem: Wie geht es dem Patienten, der da vor mir sitzt, eigentlich?“
Der Pharmazeut nippt noch mal an
seinem Gläschen, dann geht‘s los in den
Garten. Viele Pflanzen stehen jetzt im
Hochsommer in voller Blüte, ein wunderschöner Anblick. Ein kleiner Trampelpfad führt an den dicht bewachsenen
Beeten entlang. „Als ich den Garten 1972
angelegt habe, war hier kein Baum und
kein Strauch“, erzählt Potempa. „Nur
saurer, steiniger Boden.“
Im Laufe der Jahrzehnte ist eine Oase
aus dem Stückchen Land geworden. Gauklerblume, Walderdbeere, Gingkobaum,
Schlammschachtelhalm, Felberich –
schon die Namen der Pflanzen klingen
gesund. „Da irren Sie sich“, bremst der
Kräuterexperte. Er führt uns zum gefleckten Schierling, einem absolut harmlos
aussehenden Gewächs mit kleinen, weißen Blüten. Potempa rammt seinen Spazierstock in den Boden und schaut uns
ernst an. Fast schon ein bisschen streng!
Oh je, was kommt jetzt?
„Der Schierling enthält sehr wirksame Substanzen, die gegen Schwindel und
Drüsenschwellung helfen“, erklärt der
Doktor der Pharmazie. „Aber: Nur eine
einzige Tasse Tee von dieser Pflanze wäre
tödlich. Im Mittelalter wurde der Schierling sogar als Hinrichtungsmittel verwendet. Was ich Ihnen damit sagen will:
In der Kräuterheilkunde gilt immer das
Prinzip ‚Die Dosis macht da Gift‘. Vieles,
was stark verdünnt heilen kann, richtet in
anderer Dosierung schweren Schaden an –
und kann manchmal sogar tödlich sein.“
Klingt gefährlich. Wie können Sie denn
dann garantieren, dass bei der Anwen-
Karl-Heinz
Potempa
kennt seine
Arzneipflanzen
bis ins Detail.
dung giftiger Heilkräuter nicht mal etwas
schiefgeht? „Na, weil ich weiß, wie man’s
macht!“ sagt Potempa und sieht zum
Glück wieder freundlich aus. „Als Apotheker hat man gelernt, wie man Wirkstoffe isoliert und in welchem Verhältnis
man sie verdünnen muss. Außerdem muss
man sich auf diesem Gebiet ständig weiterbilden. Fachliteratur gehört zu meinem
Alltag – und das seit mehr als 50 Jahren!“
Okay, sehr beruhigend. Und wie geht
das ganz genau? Aus einer Pflanze, zum
Beispiel dem gefleckten Schierling, ein
Arzneimittel machen? Dr. Potempa winkt
ab: „Ach, das wollen Sie gar nicht wissen!
Das ist für Laien wirklich schwer zu verstehen.“ Er zeigt uns lieber noch ein paar
seiner Pflanzen: Rotklee gegen Östrogenmangel und Wechseljahrsbeschwerden,
Mariendistel zur Leberstärkung, Baldrian
für schwache Nerven.
Dr. Potempas
Gift- und HeilKräutergarten
Karl-Heinz Potempa bietet
regelmäßig Führungen für
Gruppen an. Kosten: 8,50
Euro pro Person, Getränke
sind im Preis enthalten. Kinder, Studenten und Azubis
haben freien Eintritt. Termine
im Internet: www.dr-potempa.de oder in der HubertusApotheke Türkismühle,
Telefon 06852-6365.
Alles sehr interessant. Aber wir sind
trotzdem noch neugierig auf die Herstellung. Wie kommen denn nun die guten
pflanzlichen Wirkstoffe in Tees, Tropfen
und Salben? Tiefer Seufzer. „Im Grunde
genommen stellt man Naturarznei genauso her, wie chemische Medizin“, setzt
Potempa an. Es fallen ein paar harmlose
Fachbegriffe wie Substanz und Extrakt.
Doch dann bricht der Wissenschaftler in
ihm durch! Er spricht von chromatografischen Trennungsverfahren, C-Atomen,
Hydrogenium,
Spektrophotometrie…
Große Fragezeichen über unseren Köpfen. Hilfe, wir verstehen kein Wort!
„Tja, ich habe Sie gewarnt!“, lacht er
und stellt seinen Spazierstock zurück
auf die Holzveranda. Unsere Führung
ist schon zu Ende – schade! Verraten Sie
uns zum Abschluss noch Ihren ultimativen Tipp für ein langes, gesundes Leben?
Hat es womöglich etwas mit dem Inhalt
des winzigen Gläschens zu tun, an dem
Sie gerade wieder nippen? Ganz kurz vorweg: Wer jetzt mit einem Geheimrezept
für Kräutertee rechnet, liegt daneben.
„Meine persönliche Formel für Gesundheit und ein langes Leben ist viel Bewegung, viel Schlaf vor Mitternacht – und
jeden Tag ein bisschen Alkohol!“, erklärt
Dr. Potempa mit seinem sehr charmanten und irgendwie wahnsinnig weisen
Schmunzelblick. In Ihrem Gläschen befindet sich also kein wundersames Kräuterelixier, sondern schnöder Schnaps?
„Nur ein bisschen Weißwein“, beschwichtigt Dr. Potempa. „Denn auch beim Alkohol gilt: Die Dosis macht das Gift.“
•
Simone Schamann
FORUM GESUNDHEIT 39
Familie
Geboren im
falschen Körper
Transsexualität ist keine Krankheit. Aber stellen Sie sich mal vor,
als Mann wachsen Ihnen Brüste. Oder als Frau ein Bart. Oft
durchlaufen Transgender ein jahrzehntelanges Martyrium, bis sie
den Weg zu ihrer Geschlechtsidentität finden. Experten befürworten
daher eine Hormon-behandlung schon im Teenageralter.
Von Daniela Noack
40 FORUM GESUNDHEIT
es einfach nicht mehr ausgehalten. Heute fühlt sie sich wohl in ihrer Haut. In
Saarbrücken leitet sie einen Stammtisch
für Betroffene.
Nur eine Frage der Identität
Einfach ist der Weg nicht. Auch wenn
sich mittlerweile viel getan hat, ist der
Druck, unter dem die Betroffenen stehen,
nach wie vor groß. Psychotherapeut Senf
kennt das „Martyrium, das sie durchleiden“ zu gut. Im Übrigen ist der Begriff
Transsexualität irreführend. Denn es geht
nicht um die sexuelle Orientierung (wie
bei Homosexualität) sondern um die eigene Identität, die Geschlechtsidentität.
Diese immer wieder beweisen und erklären zu müssen ist zerstörerisch und macht
einsam. Im Alltag lauern jede Menge
Hürden. Lena ist ein sogenanntes Transmädchen. Das heißt, sie lehnt das männliche Geschlecht ab, mit dem sie geboren
wurde. Die Eltern lassen ihr den Willen
und ernten damit wenig Verständnis von
anderen. In der Schule darf Lena nicht
auf die Mädchentoilette, obwohl sie inzwischen als Mädchen lebt. Die Lehrer
haben ihr eine Strafarbeit angedroht, sollte sie auf die „falsche“ Toilette gehen.
Angeboren oder anerzogen?
Trans­
sexualität
kann einem Kind
nicht an-, aber
auch nicht
aberzogen
werden
Paul, der mit den Geschlechtsmerkmalen
eines Mädchens geboren wurde, wusste
schon immer, dass er ein Junge ist. Im
Schwimmverein trägt er „wie alle anderen Jungen“ auch eine Badehose. Als seine Brust zu wachsen beginnt, versuchen
die Eltern, ihn zu einem Badeanzug zu
überreden. Vergeblich. Den Grund für die
Entstehung von Transsexualität vermutet
man unter anderem in genetischen Abweichungen oder Besonderheiten in der embryonalen Entwicklung. Die Behauptung,
dass Transsexualität durch Erziehung produziert werden kann, hat sich bisher nicht
belegen lassen. Transsexualität kann nicht
an- aber auch nicht aberzogen werden.
Foto: iStock / iulianvalentin
M
arilyn kleidet sich dezent.
Dunkle Naturstoffe, flache
Schuhe. Keine Schminke, kleine Ohrringe, die Haare glattgekämmt. Und doch passiert es, dass Menschen mit dem Finger auf sie zeigen. Die
promovierte Literaturwissenschaftlerin,
die einst an der renommierten HarvardUniversität arbeitete, ist keine gewöhnliche Frau. Und das liegt nicht nur an ihrer
Größe von knapp 1,90 Meter. Früher war
das anders. Da drehte sich niemand nach
ihr um. Damals führte Marilyn das Leben eines scheinbar normalen Mannes,
der zu Hause am liebsten in Frauenkleider schlüpfte. Erst als vor zwölf Jahren ihr
Vater starb, fand die inzwischen 68-Jährige den Mut, als Frau zu leben.
„So lange müssen Transsexuelle heute
glücklicherweise nicht mehr warten. Die
Betroffenen oder deren Eltern sind besser
informiert und kommen viel früher“, berichtet der Saarbrücker Psychotherapeut
Gerhard Senf. Seit knapp 20 Jahren arbeitet er mit Transsexuellen. Eine davon
ist Raphaela. Die 23-Jährige merkte mit
16, dass sie anders war. Mit 17 bekam
sie die ersten Hormone. Später folgten
geschlechtsangleichende Operationen,
welche von den Krankenkassen übernommen werden. „Die absolut richtige
Entscheidung“, sagt sie rückwirkend.
In dem Körper eines Mannes hätte sie
Familie
Transmänner und
Transfrauen fühlen,
dass ihre Persönlichkeit
nicht ihrem biologischen
Geschlecht angehört.
FORUM GESUNDHEIT 41
Kinder wie Lena und Paul haben nur einen Wunsch: Ganz normal sein und dazugehören, wie alle anderen auch. Etwa
hundert Eltern von transsexuellen Kindern und Jugendlichen sind in dem Verein „Trakine“ (Trans-Kinder-Netz) organisiert. Bei regelmäßigen Treffen haben
die Kinder die Möglichkeit, mit anderen
transsexuellen Jungen und Mädchen in
Kontakt zu kommen, und erfahren so,
dass sie nicht allein sind. Aber auch die
Eltern brauchen Unterstützung, um mit
der Situation besser umgehen zu können. „Eine Phase, die irgendwann vorübergeht“, denken die meisten zunächst.
Doch bei transsexuellen Kindern bleibt
der Wunsch nach einer gegengeschlechtlichen Veränderung kontinuierlich. Viele
lehnen ihre Geschlechtsorgane ab, fordern ganz dezidiert immer wieder gegengeschlechtliche Kleidung oder Spielzeug
und wiederholen ständig „Ich bin kein
Junge“ oder „Ich bin kein Mädchen“.
Transsexualität ist keine Krankheit, birgt
aber einen großen Leidensdruck. Oft
werden die Kinder von anderen ausgelacht oder bloßgestellt. Erlebnisse, die
zu Schulverweigerung, Selbstverletzung,
Essstörungen oder sogar Selbstmordwünschen führen können. Trotzdem halten
es viele Kinder- und Jugendpsychiater
für verfrüht, bei Kindern überhaupt die
Diagnose Transsexualismus zu stellen.
Sie warnen insbesondere vor einer frühen
Gabe von Hormonen.
Kinder mit ausgeprägter Geschlechtsidentitätsstörung werden später homosexuell.
Auch hat Korte immer wieder Fälle erlebt,
wo sich der Wunsch nach einem Leben im
anderen Geschlecht unter dem Einfluss
der natürlichen Hormone in der Pubertät wieder aufgelöst hat. Doch die ist für
Transkinder, die keine Unterstützung erfahren, eine Zeit schwerer innerer Kämpfe. Viele entwickeln psychische Probleme,
Depressionen oder nehmen Drogen.
Argumente für eine
frühe Behandlung
„Nichts zu tun“ ist für den Hormonspezialisten für Kinder und Jugendliche
Achim Wüsthof deshalb keine Option, sondern „menschenverachtend“. Im
Hamburger Endokrinologikum betreut er
Die Pubertät
ist für Transkinder
ohne Unter­stütz­
ung eine Zeit
schwerer innerer
Kämpfe
Pubertätsblocker
in der Kritik
Alexander Korte von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der LudwigMaximilians-Universität München sieht
die Hormongabe vor dem 16. Lebensjahr
sowie die vermeintlich harmlosen Pubertätsblocker kritisch. Studien an Hunderten jugendlicher Patienten weltweit hätten ergeben, dass die Behandelten sich
anschließend zu 100 Prozent auch für
die Einnahme von gegengeschlechtlichen
Hormonen entschieden. Wohingegen
sonst nur zehn bis 20 Prozent der Kinder
mit Geschlechtsidentitätsstörung diesen
Weg wählten. Für Korte bedeutet das: Mit
der Entscheidung für die Pubertätsblocker werden bereits die Weichen gestellt
für die weiterreichenden Maßnahmen
zum Geschlechtsrollenwechsel. Im Übrigen könnten sich hinter dem Wunsch,
das Geschlecht zu wechseln, auch andere
Gründe verbergen, etwa eine abgelehnte
Homosexualität. 75 bis 80 Prozent aller
42 FORUM GESUNDHEIT
mehr als hundert Kinder. Ist bereits eine
Transsexualität diagnostiziert, kann Zeit
gewonnen werden – bis zu mehrere Jahren, indem die beginnende Pubertät von
Pubertätsblockern unterdrückt wird. „So
wird den Jugendlichen die Qual erspart,
dass sich die unerwünschten Geschlechtsmerkmale ausbilden – eine Entwicklung,
die dann später mit großem Aufwand und
oft fragwürdigem Erfolg wieder rückgängig gemacht werden muss“, sagt Wüsthof.
Das jüngste Kind, das er bisher behandelt
hat, war ein Transjunge von knapp zehn
Jahren, bei dem die Brustentwicklung bereits eingesetzt hatte.
Marilyn glaubt, dass ihr Leben ganz anders hätte verlaufen können, wenn sie die
Möglichkeit einer frühen Behandlung gehabt hätte. Schon als Kind trug die heute
68-Jährige am liebsten Mädchenkleider
und konnte damit auch in der Pubertät
nicht aufhören. Sie quälte sich „mit unglaublichen Schuldgefühlen“. Liebesbeziehungen mit Frauen zerbrachen, sobald sie
die Wahrheit über ihren „Freund“ erfuhren. Nach außen hin funktionierte Marilyn über Jahrzehnte als Mann. „Das Paradies auf Erden“ ist Marilyns Leben nicht.
Trotzdem fühlt sie sich heute wohler in ihrer Haut und „unendlich erleichtert“, sich
nicht mehr verstecken zu müssen.
Bernd Meyenburg vom Universitätsklinikum Frankfurt schätzt, dass deutschlandweit etwa 400 bis 500 Kinder und
Jugendliche mit pubertätshemmenden,
antiandrogenen, menstruationshemmenden oder gegengeschlechtlichen Hormonen behandelt werden. Tendenz sicher
steigend, da es heute deutlich mehr Betroffene zutrauen, sich zu outen. Dass
sehr wenige mit Pubertätshemmern behandelte Patienten den Wunsch nach Geschlechtswechsel aufgeben, weiß Meyenburg. Daran seien aber nicht nur die
Medikamente schuld, sondern dass diese
vor allem Patienten bekommen, bei denen
große Sicherheit hinsichtlich der Diagnose bestehe und die dann auch auf diesem
Weg weitergehen.
Nach den kürzlich überarbeiteten Leitlinien der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaften wird ein Behandlungsbeginn mit Pubertätshemmern
kurz vor der ersten Menstruation bei biologisch weiblichen Patienten und kurz vor
Eintreten des Stimmbruchs bei biologisch
männlichen Patienten empfohlen. Das
kann schon mit zehn oder elf Jahren der
Fall sein. Für eine gegengeschlechtliche
Hormonbehandlung wird ein Mindestalter von 16 Jahren empfohlen, für geschlechtsangleichende chirurgische Eingriffe gilt ein Mindestalter von 18 Jahren.
Meyenburg hält die empfohlenen Altersgrenzen nach wie vor sinnvoll, um falsche Entscheidungen zu vermeiden. Diese
sind zwar selten, kommen aber vor. Von
mittlerweile 540 Patienten haben vier die
Behandlung mit gegengeschlechtlichen
Hormonen beendet und leben wieder
im biologischen Geschlecht. Zwei davon
hatten sich nicht in der Lage gesehen, die
empfohlene „Alltagserprobung“ zu beginnen, und hatten sich stattdessen Hormone
entgegen ärztlicher Empfehlung besorgt.
Hohe Treffsicherheit
bei der Diagnose
Der Saarbrücker Psychotherapeut Gerhard Senf traut sich mittlerweile zu,
Fotos: Peter Böhnel — dpa
Familie
Familie
Die US-ComedySerie „Transparent“
versucht, sich dem
Thema Trans­sex­
ualität mit Humor
zu nähern. Jeffrey
Tambor spielt einen
Familienvater, der
sich als Transfrau
outet.
nach der ersten Stunde mit hoher Treffsicherheit sagen zu können, ob es sich
bei dem Hilfesuchenden wirklich um
einen Transsexuellen handelt. „Aus therapeutischen Gründen schicke ich die
Leute gerne erst in die homogene Transmänner- oder Transfrauengruppe, um
die ersten Reaktionen dieser Menschen
beobachten zu können“, erklärt Senf.
Meist ist der Ratsuchende zu Anfang
extrem verschüchtert und taut erst nach
und nach auf, wenn er sieht, dass andere
den eigenen Weg schon weitergegangen
sind. Für Senf ist es das Wichtigste, diese
Menschen ernst zu nehmen.
Manche kommen mit schwerwiegenden
Diagnosen wie Borderline-Syndrom in
die Praxis. Wird das Leid dieser scheinbar „Hochgestörten“ verstanden und
bekommen sie Hilfe, verschwinden die
Symptome häufig ganz von allein. Von
mehreren Hundert Betroffenen, die Senf
betreut hat, gab es nur eine Fehldiagnose.
Diesem Fall lag ein schwerer Missbrauch
in der Kindheit zugrunde. Glücklicherweise konnte der Umwandlungsprozess
noch rückgängig gemacht werden.
Für Senf ist die Arbeit mit Transsexuellen eine sehr dankbare Aufgabe. Besonders wenn es gelingt, sie aus einer
verzweifelten Lage in ein ganz normales
Leben zu begleiten. Aber im Saarland ist
er der einzige auf Transsexualität spezialisierte Psychotherapeut. Gerhard Senf
hofft, dass ein engagierter Nachfolger gefunden wird, bevor er in einigen Jahren
in Rente geht.
Gerhard Senf (65) ist DiplomPsychologe und arbeitete 30
Jahre lang für die Pro-FamiliaBeratungsstelle in Saarbrücken. Parallel baute er in der
Landeshauptstadt seine Psychotherapiepraxis auf. Er ist
auf alle Themen der menschlichen Sexualität spezialisiert.
•
Weitere Infos:
www.trans-kinder-netz.de
www.dgti.org
Infos für Betroffene im Saarland beim
LSVD-Checkpoint, Telefon 0681 398833
FORUM GESUNDHEIT 43
Familie
„Die Umkehrung
von allem Normalen“
Kinder und deren Familien auf ihrem
letzten gemeinsamen Weg begleiten?
Das hört sich nach einem harten Job
an. Der Kinder-Hospizdienst Saar
leistet dies und so viel mehr, steht
den Betroffenen in allen Bereichen
zur Seite, wo Hilfe benötigt wird.
44 FORUM GESUNDHEIT
Familie
Von Katharina Ellrich
E
Fotos: dpa (2) — Nadja Simon
ine große Fotowand schmückt
einen Begegnungsraum in der
Niederlassung des Kinder-Hospizdienstes Saar. Daran angebracht sind Bilder von Müttern, Vätern,
Kindern und ihren Geschwistern. Die
Fotos zeigen nicht von Trauer erfüllte
Gesichter, sondern Gesichter, die wieder
Hoffnung schöpfen, eine Zeit lang den
harten Alltag oder das traurige Schicksal
vergessen lassen.
Es gibt viele Menschen, die ein schweres Los ertragen müssen, sich nicht bester
Gesundheit erfreuen. Und traurigerweise
gibt es auch viele, die schon im Kindesalter, unmittelbar nach der Geburt oder gar
schon im Mutterleib ein gesundheitliches
Defizit erleiden. Und leider ist der viel zu
frühe Tod manchmal unausweichlich,
sogar „vorherbestimmt“. So hart diese
Realität auch klingen mag – betroffene
Familien sollen, ja, dürfen nicht aufgeben, denn Einrichtungen wie der KinderHospizdienst Saar spenden weit mehr als
Trost, sondern begleiten Hilfesuchende
über einen unbestimmten Zeitraum und
stimmen die Arbeit individuell auf alle
Bedürfnisse ab.
„Wenn uns eine Familie kontaktiert
hat, gibt es zuallererst einen Hausbesuch
zur Bedarfsanalyse“, sagt Teamleiterin
Beate Leonhard-Kaul und erklärt: „Das
heißt, wir Mitarbeiter vom Hauptamt
schauen, welche Hilfe benötigt wird.
Welches Krankheitsbild hat das Kind?
Und welche Leistung wird benötigt? Die
Unterstützung unserer zwei Teams mit
mittlerweile 81 ehrenamtlichen Helfern
neben uns Hauptamtlichen ist breit gefächert.“ Da wäre zum Beispiel die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung
(SPAV), Beate Leonhard-Kaul nennt sie
„die Feuerwehr mit Bereitschaftstelefon“.
Die SPAV wird von Fachschwestern und
–ärzten übernommen. Daneben stehen
aber auch simplere, jedoch nicht minder
wichtige Aufgaben an, wie das Erledigen
Beate LeonhardKaul leitet das
große Team des
Kinderhospizdienstes Saar in
Neunkirchen.
Auch 81 ehrenamtliche Helfer kümmern sich um die Kinder.
von Einkäufen, ein Gang zum Arzt, in die
Klinik oder in die Apotheke, das Spielen
mit Geschwistern. Einfach als Unterstützung im Alltag der Familie, der meist
komplett auf die Bedürfnisse des kranken
Kindes ausgelegt ist. Eltern und vor allem
auch Geschwister dürfen dabei nicht zu
kurz kommen. Leonhard-Kaul: „Unseren
ambulanten Dienst macht aus, dass wir
zu den Familien nach Hause fahren und
da anpacken, wo Not am Mann ist. Wir
möchten die Lebenssituation zu Hause etwas verbessern. Unser Lohn ist die Dankbarkeit der Familien.“
Während es beim Erwachsenen-Hospiz vorrangig um die Sterbebegleitung in
den letzten Wochen und Monaten geht
und die Sterbenden oft in stationären
Pflegeeinrichtungen versorgt werden, treten beim Kinder-Hospizdienst die eben
genannten Aspekte der Lebensbegleitung
in den Vordergrund. „Wir haben auch viele Kinder und Jugendliche, die mit einer
genetisch bedingten Beeinträchtigung geboren werden, wo es also schon von vornherein klar ist, dass die Lebenserwartung
zwar verkürzt ist, der Tod aber nicht in
naher Zukunft besiegelt ist. Dennoch ist
die Vorstellung unserer Arbeit in den Köpfen derer, die sich für unsere Arbeit interessieren, schwerwiegender. Denn, wenn
ein Kind erkrankt und keine Chance auf
Heilung besteht, ist das die Umkehrung
von allem Normalen. Wir wissen ja, dass
wir als ältere Menschen irgendwann sterben werden. Das ist der Lauf des Lebens.
Wenn Kinder von uns gehen, eher nicht“,
weiß Beate Leonhard-Kaul.
Wenn Eltern die Diagnose bekommen,
dass ein Kind sterbenskrank und seine
Lebenserwartung verkürzt ist, trifft es
die Betroffenen wie ein Schlag ins Gesicht. Die Familie ist vor große Probleme
gestellt, man fühlt sich schnell überfordert und weiß nicht, wie es weitergehen
wird. In dieser Situation weiterzuhelfen,
liegt im Bereich des Hospizdienstes. Zum
einen durch die langjährige Erfahrung,
das medizinische Wissen und zum anderen durch Kompetenz in sämtlichen
weiteren Bereichen. „Die Kinder und Jugendlichen, deren Familien sich an den
Hospizdienst wenden, haben eine eingeschränkte Lebenserwartung. Die Begleitung hängt natürlich von der Diagnose
ab. Manche begleiten wir über viele Jahre“, sagt Beate Leonhard-Kaul. Aber auch
Es wird erst
einmal
geschaut,
in welchen
Belangen bei den
Familien Bedarf
besteht
FORUM GESUNDHEIT 45
Ärzte, Pfleger und Sozialarbeiter als hauptamtliche Mitarbeiter.
diese Schicksale können von heiteren Momenten und positiven Überraschungen
begleitet sein. „In einem Fall ist es sogar
so, dass ich mit dem Jungen als Kind bekannt gemacht wurde, da war ich noch als
Kinderkrankenschwester tätig. Damals
hieß es, die Lebenserwartung liege bei
Das Wissen,
nicht alleine
zu sein,
hilft den Familien
schon ein Stück
weiter
46 FORUM GESUNDHEIT
zehn Jahren. Mit zwölf, 13 wurde gesagt,
dass das nächste Jahr wahrscheinlich das
letzte wäre. Vor nicht allzu langer Zeit hat
er seinen 26. Geburtstag gefeiert. Solche
schönen Fälle gibt es natürlich auch.“
Unter den hauptamtlichen Mitarbeitern sind Kinderkrankenschwestern,
Ärzte oder Sozialarbeiter. Beate Leonhard-Kaul war vor ihrer Arbeit beim
Kinder-Hospizdienst, diesem „Weg, der
sie gefunden hat“, Krankenschwester. Die
Fachleute kümmern sich um die Linderung gewisser Krankheitssymptome und
um die Schmerztherapie. Doch auch das
Ehrenamt trägt einen entscheidenden
Teil bei. Ehrenamtlich kann jeder mitarbeiten. Es besteht auch kein Grund, vor
einem Ehrenamt zurückzuschrecken oder
zu glauben, es sei nur etwas für Rentner
oder Nicht-Berufstätige. Denn wer in der
Woche nur zwei, drei Stunden Zeit hat,
wird eben flexibel für diese Zeitspanne
eingeplant und mit einer geeigneten Familie vertraut gemacht.
Die Kurse zur Schulung in den unterschiedlichen Gebieten werden im Haus
angeboten, immer wieder aufgefrischt
und erweitert. „Wir sind aber auch da,
wenn ein Kind verstirbt und machen
dann die Trauerbegleitung. Denn gerade
Kinder beziehungsweise junge Geschwister trauern anders als Erwachsene. Eltern
müssen darüber aufgeklärt werden und
das gegenseitige Verständnis aufgebaut
werden. Man darf Kinder auch nicht wie
rohe Eier behandeln und kann ihnen sagen, wenn es einem als Elternteil schlecht
geht. Ich rate davon ab, zu sagen ‚er oder
sie schläft nur‘. Das kann in Kindern ein
ungutes Gefühl auslösen, sodass sie beispielsweise Angst vorm Schlafen bekommen. Sie wollen in solchen Situationen
miteinbezogen werden. Trauer bei Kindern nennt man ‚Pfützenmodell‘. Das
bedeutet, dass sie im einen Moment sehr
traurig sind und weinen und im nächsten
schon wieder spielen und lachen wollen.
Auch das müssen Eltern wiederum akzeptieren und verstehen lernen“, erklärt die
Expertin.
Bei vielen sich bietenden und angebotenen Gelegenheiten wird allerhand
mit den Familien unternommen. „Wir
waren schon im Gondwana, Kegeln, im
Kino, Zoo, veranstalten Sommerfeste,
Weihnachtsfeiern, gehen wandern und
und und. Außerdem gibt es tiergestützte Therapien oder Musiktherapie. Das
Wissen, nicht allein zu sein, trägt schon
viel Gutes bei. Unser Hospizwald in Eppelborn ist auch eine schöne Sache: Dort
pflanzen wir Erinnerungsbäume, die uns
alle überleben und weiterbestehen. Sie
setzten ein lebendiges Denkmal.“ Denn
solch ein schweres Schicksal führt leider
oft dazu, dass sich viele zurückziehen, ja
sogar sozial isolieren. „Unsere Angebote sollen raushelfen aus dieser Situation.
Die Betroffenen können für einen gewissen Zeitraum abschalten, wieder Freude
am Leben haben und lachen. Dazu passt
unser Motto ‚Es gibt noch viel zu leben‘.
Daran möchten wir mit unseren Aktivitäten erinnern“, erklärt die Teamleiterin.
Die Erfahrung hat sie gelehrt: „Genügend
Unterstützung macht das Leben erträglicher.“ Ein starkes Team im Hintergrund
stärkt in jeder Lebenslage den Rücken
und macht Mut.
•
Weitere Infos bezüglich Kinder-Hospizarbeit, Ehrenamt, Trauerbegleitung oder
Spendemöglichkeiten:
www.kinderhospizdienst-saar.de
Telefon 06821-999890-0
Am Blücherflöz 6
66538 Neunkirchen
Fotos: dpa — ullstein — Trias-Verlag — Rimbaud-Verlag — Fotolia / mallinka1
Familie
Buchtipps
Empfehlungen
Buchtipp
Poetische
Auseinandersetzung
Was geht im Kopf eines demenzkranken Menschen vor? Lioba Happels wagt einen ganz eigenen Erklärungsversuch. Ihr Buch nähert sich
der Krankheit mit künstlerischen Mitteln. Denn Happel ist Dichterin und
Sonderpädagogin, hat als Demenzbetreuerin gearbeitet. „Demenz ist
für mich eine Art von hart aufscheinender Poesie geworden: Orts- und
Wort-Verrückung;
verschiedenste, nicht von der gleichen Ebene
stammende Bewusstseinsterrains
aneinander geschoben; scheinbar
Zusammengehörendes zerbrochen.
Schweigen. Weißer Raum.“
Lioba Happel: dement
Verlag: Rimbaud
ISBN: 978-3890863962
Preis: 18 Euro
Buchtipp
„Ein kalter Guss
am Morgen …
… schützt vor Krankheit und Sorgen“,
erkannte vor über 100 Jahren der
Pfarrer Sebastian Kneipp. Er zählt zu
den Pionieren der Naturheilkunde und
ist heute aktueller denn je. Die Autoren des vorliegenden Kneipp-Ratgebers wissen, worüber sie schrei­
ben. Dr. med. Dr. rer. nat. Bernhard
Uehleke leitet Kneipp-Studien in der
Abteilung Naturheilkunde der Charité Berlin. Prof. Dr. H. D. Hentschel
gilt als Altmeister der klassischen
Naturheilverfahren. Ihr gemeinsam
herausgegebener Band erklärt Die
fünf Säulen der Kneipp-Therapie und
gibt praktische Ratschläge bei einer
Vielzahl von Beschwerden von Kopfschmerzen bis Rheuma.
Bernhard Uehleke, Hans-Dieter Hentschel: Das große Kneipp-Gesundheitsbuch – Mehr als nur Wassertreten - mit
den 5 Behandlungsmethoden
Verlag: TRIAS, ISBN: 978-3830481133
BuchTipp
Leicht
verdaulicher
Bestseller
Kaum zu glauben: ein Buch über
den Darm und die menschliche
Verdauung, eigentlich ein eher unangenehmes Thema, hält sich seit
Monaten auf der Bestsellerliste. In
ihrem Buch erklärt die junge Wissenschaftlerin Giulia Enders vergnüglich, welch ein hochkomplexes
und wunderbares Organ der Darm
ist. Sie beschreibt, wie Übergewicht, Depressionen und Allergien
auch mit einer gestörten Balance
der Darmflora zusammenhängen,
und wie wir dieses Organ pflegen.
Kurz: Der Darm ist der Schlüssel zu
einem gesunden Körper und einem
gesunden Geist.
Giulia Enders: Darm mit Charme –
Alles über ein unterschätztes Organ
Verlag: Ullstein
ISBN-13: 978-3550080418
Preis: 16,99
Preis: 17,99 Euro
FORUM GESUNDHEIT 47
Senioren
Lebensfreude
auf vier Pfoten
Tiere tun den Menschen gut. Das zeigen Erfahrungen und wissenschaftliche
Studien. Immer mehr Senioreneinrichtungen hierzulande machen sich das
zunutze, integrieren Tiertherapie in ihren Alltag und laden zum Beispiel
regelmäßig Besuchshunde ein. Die Vierbeiner sind bei den älteren Menschen
gern gesehene Gäste und wecken bei vielen auch schöne Erinnerungen.
M
ickey ist augenscheinlich gut
gelaunt. Wie eigentlich immer, wenn sie zu Besuch ist.
Schwanzwedelnd springt sie
auf die Hinterbeine, schnappt den gelben Plastik-Donut, ihr Lieblingsspielzeug, läuft stolz damit im Kreis herum,
die Nase hoch. Sie bewegt sich wie ein
Zirkuspferd in der Manege, nur, dass
48 FORUM GESUNDHEIT
sie keine besonderen Kunststücke zeigen
muss. Mickeys Zuschauer freuen sich
schon, wenn sie einfach nur da ist. Mickey ist ein Hund, genauer gesagt eine
braun-weiße Jack-Russel-Terrier-Dame,
fünf Jahre alt. Mickey kennt sich hier
aus, in dem Gruppenraum der Victor’s
Residenz in Saarlouis. Seit sie ein halbes
Jahr alt ist, kommt sie regelmäßig mit
ihrem Frauchen Stephanie Hilt hierher.
Residenzberaterin Beate Heinz war es,
die vor fünf Jahren die Idee hatte, mit einem Besuchshund den Alltag der älteren
Bewohner zu verschönern. Sie fragte bei
der Hundeschule „Schnauzentreff“ in der
Nähe von Saarlouis an und die sprachen
Stephanie Hilt auf Mickey an. „Sie war
der einzige kleine Hund, der hell ist“, er-
Fotos: Jennifer Weyland (2)
Von Heike Sutor
Senioren
zählt Mickeys Besitzerin Stephanie Hilt.
„Wir dachten, große und dunkle Hunde
erschrecken gerade ältere Menschen.“
Erschrecken will Mickey niemanden.
Sie lässt sich viel lieber streicheln, und
das ausgiebig. Diese Berührungen tun
aber nicht nur Mickey gut. Vor allem bei
dementen Patienten kann dieser Kontakt
positive Wirkungen haben. „Durch das
Tasten kommen Reaktionen wie Freude
und Lachen“, hat Pflegerin Gudrun Stein
schon beobachtet. Sie ist bei den Terminen mit Mickey meistens dabei.
„Sie verbreitet Wohlbehagen“, meint
auch Marlies Gruschge. Sie ist heute zu
Besuch bei ihrem Mann Dieter, der seit
zwei Jahren in der Senioreneinrichtung
gepflegt wird. „Lustig“ findet sie den
Hund und glaubt, dass Mickey die Patienten anregt. „Der Hund tut gut“, bestätigt auch Dieter Gruschge.
Plötzlich wird Mickey ganz aufgeregt.
Sie hat etwas Interessantes entdeckt: eine
weiße Schüssel, gut gefüllt mit kleingeschnittenem Käse und Schinken. Die
steht jetzt auf dem Schoß einer älteren
Dame. Jetzt gibt’s kein Halten mehr,
Mickey ist zur Stelle, genießt es, mit den
Leckerbissen verwöhnt zu werden. „Manche Bewohner würden sie am liebsten behalten“, lacht Stephanie Hilt. „Die Leute
haben unwahrscheinlich viel Freude. Einfach nur, weil sie da ist.“
Und weil Mickey da ist, kommen bei
manchen ihrer älteren Zuschauer auch
alte Erinnerungen zurück. „Ich hatte
einen Hund, Tasso hieß er, ein Boxer“,
fängt Ada Berg an zu erzählen. 99 Jahre alt ist die zierliche Frau. Sehr gelehrig
sei ihr Hund gewesen, sagt sie und Stolz
schwingt in ihrer Stimme mit. Sie lächelt,
wenn sie an Tasso denkt. Er hätte einfach
viel gewusst, ihr Tasso, sagt sie.
Auch Karl Ruppert denkt an seine
Hunde zurück, die er mal hatte. „Rehpinscher“, sagt der 90-Jährige nach kurzem Überlegen, „und Pudel hatte ich
auch.“ Er möge Hunde und sei immer
dabei, wenn Mickey kommt. „Man hat
ein bisschen Unterhaltung.“
Dass Tiere den Menschen guttun, haben verschiedene Studien schon längst
bewiesen. Menschen, die in Alten- und
Pflegeheimen leben, in denen Tiere gehalten werden, nehmen weniger Medikamente ein, wie eine Untersuchung der
AOK gezeigt hat. Tierbesitzer weisen
zudem geringere gesundheitliche Risikofaktoren wie erhöhte Blutfettwerte
und Bluthochdruck auf und erkranken
seltener an Herz-Kreislauf-Leiden. Das
belegte eine australische Studie schon
im Jahr 1992.
Eine Studie der Universität St. Louis
in den USA ergab, dass sich Pflegeheimbewohner, die regelmäßig Kontakt mit
einem Hund hatten, weniger einsam fühlten. Und Mediziner der Universität von
Kalifornien fanden heraus, dass Tiere auch
ein heilsame Wirkung auf depressive und
demente alte Menschen haben. In der Studie fiel auf, dass Alzheimerpatienten, die
regelmäßigen Kontakt mit Tieren hatten,
deutlich weniger aggressiv und unruhig
waren als eine Kontrollgruppe ohne Tiere.
Das Streicheln und Beobachten der tierischen Gefährten wirkte beruhigend und
baute bei den Patienten Stresshormone ab.
In der Pro Seniore Residenz in Friedberg in Bayern ist man auch tierisch gut
aufgestellt. Residenzleiterin Jeannette
Kleespies und Pflegedienstleiterin Diana
Hörenz bringen beide ihre Hunde, zwei
Möpse, täglich mit zur Arbeit. Außerdem
wohnen in der Residenz noch eine Hauskatze, sechs Wellensittiche, ein Kanarienvogel und vier handzahme Hasen, die
ab und zu die Bewohner in ihren Zimmern für ausgiebige Streicheleinheiten
besuchen. Und dann gibt es noch Bruno.
Der Labrador gehört Ergotherapeut Niko
Mickey muss
einfach nur
da sein,
und bei
manchem
Zuschauer
kommt die
Erinnerung an
eigene Tiere
zurück
Popp, der den Rüden schon seit drei Jahren täglich zur Therapiearbeit mitnimmt.
„Bei 90 Prozent kommt das sehr gut an“,
sagt Popp. Bruno ist zwar kein ausgebildeter Therapiehund, trainiert aber mit
seinem Herrchen regelmäßig in der Hun-
Braaaver Hund!
Die Saarlouiser
Senioren belohnen
Mickey mit Käse.
Den mag sie lieber
als Hundekuchen.
FORUM GESUNDHEIT 49
Senioren
Tierisch
beliebt:
Labrador Bruno
kommt gerne
auch mal zu
Kranken ins
Bett kuscheln
Stephanie Hilt mit ihrer freundlichen und verspielten Hundedame Mickey
den. Hier werden Vierbeiner zum Beispiel
zum Behindertenbegleithund, EpilepsieAssistenzhund, Autismus-Assistenzhund
oder eben zum Besuchshund für beispielsweise Senioreneinrichtungen geschult.
Bevor die Hunde zu den Ausbildungen zugelassen werden, müssen sie einen
Eignungstest bestehen. „Wir prüfen, ob
der Hund in sämtlichen Situationen aggressionsfrei und wirklich menschenaffin
ist“, erklärt die Hundespezialistin. „Viele Besitzer meinen, ihr Hund würde so
gern gestreichelt und ist so freundlich,
das bezieht sich aber in manchen Fällen
dann nur auf bekannte Personen. Plötzlich von Wildfremden in den Schwitzkasten genommen und ordentlich durchgeknuddelt zu werden, finden viele Hunde
nach einer gewissen Zeit nicht mehr so
angenehm.“ Die Stresstoleranz sollte sehr
hoch sein, dann steht einer Laufbahn
als Besuchshund nichts mehr
im Wege. Nach bestandenem
Eignungstest kann Herrchen
oder Frauchen dann guten
Gewissens den eigenen Hund
Mein Partner Hund
einsetzen oder noch die drei
Monate dauernde Ausbildung
Sabine L. Schäfer-Diesterhöft
absolvieren. „Es sollte gewährHundeschule und Therapiehunde-Zentrum
leistet sein, dass keinem etwas
Gräfinthaler Straße 9
passiert, weder einem Patien66399 Mandelbachtal
ten, noch einem Besucher oder
Telefon 0172-5888544
auch vielleicht einem anderen
[email protected]
Hund, der gerade auch dort
www.meinpartnerhunde.de
ist“, sagt Schäfer-Diesterhöft.
50 FORUM GESUNDHEIT
Deshalb: sicherheitshalber vor der gut gemeinten Aktion erst mal den Vierbeiner
bei der nächsten Hundeschule vorstellen.
Jack-Russel-Terrier Mickey hatte da als
junger Hund einen guten Start, wurde
sie doch von den Trainern der Hundeschule „Schnauzentreff“ empfohlen. „Sie
war von Anfang an freundlich zu allen
Menschen“, erzählt Frauchen Stephanie
Hilt. Die 42-Jährige ist Schulleiterin der
Grundschule in Hemmersdorf und hatte
Mickey von klein auf auch immer wieder
mal mit in der Schule. „Ich habe gemerkt,
dass es Mickey gar nichts ausmacht, wenn
so viele Kinder um sie rumstehen.“
So unbeschwert verhält sich Mickey
auch mit ihrem älteren Publikum. Entspannt läuft sie zwischen den Bewohnern
umher, stört sich nicht an den Rollstühlen oder Gehhilfen, bleibt oft stehen,
wenn eine Hand nach ihr greift und sie
berühren will. Tiere stört es nicht, wenn
jemand alt oder gebrechlich, behindert
oder krank ist. Sie nehmen den Menschen
einfach so, wie er ist.
„Ich sehe ihn heute das erste Mal“, sagt
Melitta Weimar, während sie Mickey dabei zusieht, wie sie hinter einem Spielzeug
herspringt. Melitta Weimar ist erst seit einer Woche in der Residenz. „Ein hübscher
Hund“, findet die 57-Jährige. Sie greift
nach einer Quietsch-Ente und versucht,
Mickey anzulocken. Die ist aber mittlerweile mit etwas Interessanterem beschäftigt. Es gibt Schinken.
•
Foto: Jennifer Weyland
deschule. Die gute Erziehung von Bruno
ist besonders wichtig, wenn der Hund mit
in den Speisesaal geht, um die Bewohner
mit verschiedenen Kunststückchen zu
unterhalten. „Denn so ein Labrador ist
eigentlich ziemlich verfressen“, schmunzelt Popp. Bruno besucht auch Bewohner,
die bettlägerig sind. Wer will, zu dem
kommt der Hund auch gerne mal ins
Bett. „Körperliche Nähe ist sehr wichtig“,
sagt Popp. Wegen der Hygiene legt der
Ergotherapeut noch ein Handtuch dazwischen – und dann darf nach Herzenslust
geschmust werden.
Der Begriff Therapiehund ist in
Deutschland nicht geschützt. Theoretisch kann also jeder Hundebesitzer mit
seinem Vierbeiner losziehen und Pflegeeinrichtungen besuchen. Der gute Wille
allein reicht aber nicht aus. Ratsam ist es,
das Tier von einem Fachmann vorher auf
Tauglichkeit überprüfen zu lassen, empfiehlt Sabine Schäfer-Diesterhöft. Die
Hundefachfrau betreibt in ihrer Hundeschule im Mandelbachtal auch ein Zentrum für die Ausbildung von Therapiehun-
wanderbar
Einfach
3fac
h
Durchwandern Sie den Pfälzer Wald mit seinen
zahlreichen attraktiven Wanderwegen. Davor
und danach lassen Sie sich in unserem Hotel
verwöhnen.
Arrangement „Einfach wanderbar“
· 2 Übernachtungen im Komfort Zimmer
inklusive reichhaltigem Frühstück vom Buffet
· eine umfangreiche Wanderkarte der Region
· eine Flasche Pfälzer Wein auf dem Zimmer
wund
erbar
· Nutzung des Wellness-Bereichs mit Sauna,
Dampfbad, Whirlpool und Infrarot-Kabine
€ 107 pro Person im Doppelzimmer
€ 137 im Einzelzimmer
2015 ganzjährig gültig,von Donnerstag bis Sonntag
Mina-Karcher-Platz 9 · D-67227 Frankenthal
Telefon +49 6233 343-0 · Fax +49 6233 343-434
[email protected] · www.victors.de
Ein Unternehmen der Victor’s Residenz-Hotels Süd GmbH
Carl-von-Linde-Straße 42 · D-85716 Unterschleißheim
Senioren
Mit zunehmendem Alter steigt die Gefahr, sich bei Stürzen
schwer zu verletzen. Die richtige Sturzprophylaxe ist aber
nicht nur für Kranke und Pflegebedürftige wichtig. Mit der
Vorbeugung sollte man früh beginnen. FORUM Gesundheit
verrät, wie Sie unnötige Stolperfallen vermeiden.
K
aum zu glauben, aber wahr:
Schätzungen von Fachleuten zufolge stürzt etwa ein Drittel der
über 65-jährigen mindestens einmal pro Jahr. Unter den Hochbetagten
und in Risikogruppen, wie den Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen, steigt
der Anteil sogar auf über 50 Prozent.
Obwohl die meisten Stürze gottseidank
glimpflich verlaufen und die älteren
Menschen in der Regel mit ein paar
blauen Flecken oder mit dem Schrecken
davonkommen, führt jeder zehnte Sturz
statistisch gesehen zu behandlungsbedürftigen Verletzungen. Knochenbrüche
an Unter- oder Oberarm sind dabei noch
die harmloseren Fälle. Fatal sieht es aus,
wenn es zu Hüftverletzungen wie dem
Oberschenkelhalsbruch kommt. 100.000
Hüftfrakturen zählen deutsche Krankenhäuser pro Jahr, und viele der älteren
52 FORUM GESUNDHEIT
Menschen kommen nicht mehr so richtig auf die Beine. Nach Schätzungen des
Statistischen Bundesamtes könnten die
Folgekosten allein für Hüftfrakturen bis
2050 auf über sieben Milliarden Euro pro
Jahr steigen. Ein Fass ohne Boden, bedenkt man, dass die Bevölkerung immer
älter und mit zunehmendem Alter immer
sturzgefährdeter wird.
1. Körperliche Einschränkungen
Dabei kann Stürzen bereits mit einfachen Mitteln vorgebeugt werden. Laut
einer Vielzahl von Studien sind es in
den meisten Fällen individuelle Faktoren, die Stürze bei älteren Menschen
begünstigen. Dazu zählen beispielsweise
die zunehmende Sehschwäche im Alter,
mangelnde körperliche Fitness, Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit,
fehlende Körperbalance oder Inkonti-
2. Haushaltsfallen
Doch es gibt auch jede Menge andere
Faktoren, die zu Stürzen führen können.
Beispiel Haushalt: Dort passieren statistisch gesehen die meisten Unfälle und
betreffen junge und alte Menschen gleichermaßen. Es muss ja nicht immer der
Fall von der Leiter sein. Stolperfallen wie
Kabel, umgeschlagene Teppiche, abstehende Kanten oder Gegenstände auf dem
Boden stellen für Jung und Alt eine echte
Sturzgefahr dar. Feuchte Räume wie Badezimmer oder Küchen sind oftmals eine
echte Rutschgefahr. Schlecht beleuchtete
Fotos: dpa (3)
Vorsicht Stufe!
nenz. Erschwerend kommt hinzu, dass
Menschen, die einmal schwer gefallen
sind, Angst vor weiteren Stürzen haben
und sich immer weniger zutrauen. Die
Folge ist, dass sich diese Menschen zunehmend mehr zurückziehen und sich
sozial isolieren. Das zieht im Endeffekt
weitere Probleme nach sich. Ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt.
Ziel ist es, durch gesunde und ausgewogene Ernährung und ein für das Alter
angemessenes sportliches Trainingsprogramm körperlich möglichst fit zu bleiben. Wer sein Leben lang Sport getrieben
hat, dürfte auf diesem Gebiet weit weniger Probleme haben als Bewegungsmuffel.
Dabei können ein täglicher halbstündiger
Spaziergang oder leichtes Ausdauertraining durch Laufen oder Gymnastik bereits viel bewirken.
Senioren
Räume tun ihr übriges. Mit ein wenig
Umsicht können die Sturzgefahren im
Haushalt deutlich reduziert werden.
3. Mechanische Hilfsmittel
Wer bereits auf mechanische Hilfen angewiesen ist, sollte diese von Zeit zu Zeit
auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüfen
lassen. Reichen die Gehhilfen noch aus?
Sind die Sehhilfen noch ausreichend?
Sind Dusche oder Badewanne altersgerecht ausgerüstet? Werden rutschfeste
Matten eingesetzt? Existiert vielleicht
bereits ein Alarmsystem für den Fall der
Fälle, um Verwandte, Bekannte oder den
Arzt benachrichtigen zu können?
Es gibt bereits für kleines Geld jede
Menge nützliche Hilfsmittel, um Stürzen
im Haushalt vorzubeugen. Tipp: unbedingt auf TÜV-geprüfte Artikel achten.
Und wer sich im Alter darauf verlassen
kann, der fühlt sich nicht nur sicherer,
sondern auch wohler in seinen eigenen
vier Wänden.
Tipps gegen Hinfallen
Im Folgenden ein paar Tipps, die es zu
beherzigen gilt und zwar nicht für die Älteren unter uns, denn die Gefahren eines
Sturzes lauern überall. Also Hand aufs
Herz und einfach mal überprüfen:
• Regelmäßig und angepasst Sport treiben erhöht die Fitness im Alter. Übrigens
Gezielte, regelmäßige Übungen trainieren Kraft, Balance und Körper­
beherrschung. So sinkt das Sturzrisiko.
macht Sport unter Gleichgesinnten mehr
Spaß als alleine. Fragen Sie doch einmal
beim Sportverein in der Nähe nach. Für
Fitnessübungen, die der Bewegungsfähigkeit, dem stabilen Gleichgewicht oder
einer Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit dienen, ist es nie zu spät.
• Besonders empfehlenswert sind Sportarten, die neben Kraft und Ausdauer auch
die Körperbeherrschung trainieren. Zum
Beispiel Kampfsportarten wie Tai-Chi
Selbsttest für Senioren:
Wie hoch ist mein Sturzrisiko?
Bin ich noch fit? Wer das im höheren Alter herausfinden möchte, bekommt durch einen Selbsttest erste Antworten. Dafür markiert man
eine ebene Strecke von genau zehn
Metern. Diese geht man zweimal in
seinem normalem Tempo ab. Dabei
startet man ein paar Schritte vor
dem Startpunkt und stoppt erst ein
paar Schritte nach dem Ziel – so ist
man für die entscheidende Strecke
im Schwung. Von der Start- bis
zur Zielmarkierung stoppt man die
Zeit. Wer länger als zehn Sekunden
für die zehn Meter braucht, sollte
etwas für seine Fitness tun, empfiehlt die Aktion das sichere Haus
in der Broschüre „Sicher leben
auch im Alter – Sturz­
unfälle sind
vermeidbar“.
Eine zweite Selbsttest-Variante, die
man nur durchführen sollte, wenn
man ohne die Arme zu benutzen
aufstehen kann: Fünfmal hintereinander so schnell wie möglich von
einem Stuhl aufstehen und sich
wieder hinsetzen. Dabei nicht die
Arme zu Hilfe nehmen, sondern
vor dem Körper verschränken. Im
Stand sollten die Beine gestreckt
sein, im Sitzen der Rücken leicht
die Stuhllehne berühren. Wer dafür länger als 15 Sekunden braucht
oder gar nicht ohne die Hilfe der
Arme aufstehen kann, sollte an
sich arbeiten. Auch wer die Übungen recht locker schafft, sollte vorbeugend mit dem Fitnesstraining
beginnen, denn im Alter lässt die
Kraft sonst schnell nach.
(chinesisches Schattenboxen) oder Karate. Hier gibt es mehr Seniorensportgruppen als Sie denken.
• Wer auf Brille oder Hörgerät angewiesen ist, sollte diese auch nachts immer
griff bereit haben.
• Immer für ausreichende Beleuchtung
sorgen und wissen, wo sich die Lichtschalter befinden. Das gilt vor allem,
wenn man nicht zu Hause übernachtet.
• Ein (altersgerechtes) Mobiltelefon sollte
gegebenenfalls immer griff bereit sein.
• Nasse oder frisch gewischte Räume wegen der Rutschgefahr meiden.
• Keine gefährlichen Haushaltsarbeiten
durchführen, wie Fensterputzen oder
Gardinenaufhängen von der Leiter aus.
Lieber Hilfe in Anspruch nehmen.
• Handläufe an Treppen, im Dunkeln
reflektierende Lichtschalter, rutschfeste
Schuhe oder Sohlen nutzen.
• Augen und Gehör und somit Brille und
Hörgerät regelmäßig überprüfen lassen.
Faustregel: ein Mal im Jahr zur Routineuntersuchung, bei Beschwerden oder Beeinträchtigungen natürlich sofort.
• Stolperfallen und Sturzfallen in der
Wohnung beziehungsweise im Haus checken und abstellen.
• Bei Einnahme von Medikamenten sich
über Nebenwirkungen, wie Schwindelgefühle, informieren. Gerade ältere Menschen unterschätzen dieses Risiko.
• Regelmäßige Routineuntersuchungen
beim Arzt geben nicht nur Sicherheit,
sondern helfen mit, Krankheiten rechtzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen
zu ergreifen.
•
Armin Neidhardt
FORUM GESUNDHEIT 53
Medizin & Forschung
54 FORUM GESUNDHEIT
Medizin & Forschung
Gesundheitssport
mit Spaßfaktor
Die Wissenschaft beginnt sich für das E-Bike als
Sportgerät zu interessieren. Lange als Faulenzerfahrrad
und Seniorenvehikel belächelt, zeigen die Räder jetzt
ihr Potenzial in Prävention und Rehasport. Besonders in
hügeligen Regionen wie dem Saarland.
Foto: fotolia / Patrizia Tilly
E
Von Peter Böhnel
lektroräder sind noch eine relativ
neue Zweiradgattung. Und sie
sind auf dem Vormarsch. Wurden in Deutschland im Jahr 2009
noch 150.000 E-Bikes verkauft, waren es
2014 schon 480.000. Besonders beliebt
sind sogenannte Pedelecs. Das sind Fahrräder mit ganz normalem Pedalantrieb,
die bis zu einer Geschwindigkeit von 25
km/h elektrisch unterstützt werden. Pedelecs kommen mit einem relativ kleinen
250-Watt-Motor aus. Durch diese Beschränkung werden Pedelecs vom Gesetzgeber wie normale Fahrräder behandelt.
Sie benötigen also keine Zulassung und
dürfen auf allen Radwegen fahren. Im
Gegensatz zu anderen, stärkeren E-BikeTypen wie etwa den S-Pedelecs (die bis 40
km/h Dampf machen). Diese vernünftige
Beschränkung des Elektroantriebs ist es,
was Pedelecs auch als Sportgeräte interes-
sant macht. Denn die elektronische Regelung des Antriebs ist so ausgelegt, dass
die Trittkraft des Fahrers zwar verstärkt,
aber nicht vollständig ersetzt wird. Ohne
Treten läuft also nix. Pedelecs besitzen
außerdem eine mehrstufige Regelung,
mit der man den Anteil der Elektrounterstützung wählen kann. Je niedriger, desto
anstrengender wird die Fahrt.
Moderates Training
ohne Belastungsspitzen
Die Eigenschaft von Pedelecs, ihre Fahrer
nur bis 25 km/h zu unterstützen, führt
zu einer gleichmäßigen körperlichen Belastung. Während schnelle, abschüssige
Fahrten überhaupt keinen Elektro-Schub
erhalten, bringt der Motor an steilen
Anstiegen die deutlichste Entlastung
des Fahrers. Dieser ausgleichende Effekt
FORUM GESUNDHEIT 55
Medizin & Forschung
macht sich in hügeliger Landschaft besonders intensiv bemerkbar. Man empfindet die Strecke als wesentlich flacher, tritt
gleichmäßiger in die Pedale. „Steile Berge
verlieren ihren Schrecken“, bringt es der
Sportwissenschaftler Markus Schwarz
von der Uni Saarbrücken auf den Punkt.
Als aktiver Radsportler erforscht Schwarz
schon länger den Einsatz von E-Bikes im
Bereich des Gesundheitssports. Und seine
Erfahrungen sind positiv. „Ein Mitglied
meiner Präventionssportgruppe zeigte
schlechte Leistungswerte, musste etwas
56 FORUM GESUNDHEIT
tun“, erzählt Schwarz. „Der Mann, ein
Anwalt, wollte daraufhin das Auto gegen
ein Fahrrad tauschen, um seine vielen
Dienstfahrten mit dem Rad zu erledigen.“
Eigentlich eine super Idee. Doch in Anzug und Schlips verschwitzt ankommen,
das ging nicht. Die Lösung: ein Pedelec.
So klappte der Tausch Auto gegen Rad.
Schwarz: „In Verbindung mit einer gesünderen Ernährung verlor der Mann
15 Kilo Übergewicht innerhalb von drei
Monaten, und seine Leistungswerte stiegen signifikant.“ Dieses Beispiel zeigt,
dass es beim Gesundheitssport nicht auf
hohe Belastung ankommt. Sondern auf
möglichst viel Bewegung.
Die Menge macht’s
Studien zeigen: Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem wöchentlichen
Energieumsatz und der Lebenserwartung. „Wer etwa 2.000 Kilokalorien pro
Woche durch körperliche Aktivitäten
verbraucht, lebt nach einer Studie aus
dem Jahr 2012 im Schnitt vier Jahre länger“, sagt Schwarz.
Für E-Biker, die mit niedriger Unterstützungsstufe etwa 500 Kilokalorien pro
Stunde verbrauchen, würde sich also eine
optimale Fahrzeit von vier Stunden pro
Woche ergeben. Doch selbst die Hälfte
davon würde der besagten Studie zufolge
noch eine Lebensverlängerung von über
drei Jahren ergeben. Also: Jeweils zwei
Stunden biken über die Woche verteilt
Fotos: Peter Bohnel — Dirk Guldner — dpa
Kardiologe
Prof. Dr. Günter
Henners­dorf radelt
mit Herz­patienten
für die Forschung.
Sport­wissen­
schaft­ler Dr.
Markus Schwarz
(links) setzt
E-Bikes erfolg­r eich
im Gesundheits­
sport ein.
Medizin & Forschung
bringt eine Menge. Vor allem steigert es
die Lebensqualität, denn wer sich regelmäßig bewegt, bleibt einfach viel länger
fit und vital. Die Leistungsfähigkeit eines
sportlich aktiven 70-Jährigen kann mit
drei Watt pro Kilo Körpergewicht durchaus noch auf dem Niveau einer inaktiven
30-Jährigen liegen, rechnet Schwarz vor.
Pedelecs sind auch als gelenkschonendes Sportgerät bei Übergewicht einsetzbar. Jedoch wiegt alleine die Technik mit
Motor und schwerem Akku schon weit
über 20 Kilo, sodass die mögliche Zuladung meist eher gering ausfällt. Doch die
ersten Hersteller sorgen hier für Abhilfe.
Zum Beispiel Kettler. Im saarländischen
Kleinblittersdorf entstehen neben den
normalen Pedelecs auch solche in HeavyDuty-Ausführung. Für große und schwere Menschen bis 130 Kilo Körpergewicht.
Übrigens ohne Aufpreis gedenüber den
regulären Modellen.
Forschungsprojekt
Herz-Bike Saar
Pedelecs eigenen sich nicht nur zur Prävention und zum Erhalt der Fitness. Geradezu ideal sind sie im Rehasport. Der
Kardiologe Günter Hennersdorf, emeritierter Professor der Uni Saarbrücken,
leitet schon seit vielen Jahren Herzsportgruppen. „Normales Radfahren ist für
Herzpatienten grenzwertig, denn die Gefahr der Überlastung ist zu groß“, erklärt
er. Doch mit E-Bikes sieht das anders aus.
Begleitet vom Sportmedizinischen Institut der Saar-Uni startete Hennersdorf im
Mai dieses Jahres mit der Aktion HerzBike Saar. Eine Gruppe von 20 Herzpatienten, aus verschiedenen Herzsportgruppen rekrutiert, trifft sich seitdem jeden
Dienstag am Bootsanleger Undine. Dort
ist auch ein E-Bike-Verleih. 20 Kilometer
in einer Stunde und immer die gleiche
Strecke, so fährt die Gruppe in ärztlicher Begleitung die nächsten zwei Jahre.
In diesem Zeitraum werden die Gesundheitswerte der Teilnehmer erfasst und
ausgewertet.
Albert Brausch aus Losheim: „Wir mögen
den Spaßfaktor in der Gruppe, und wir
spüren einen Konditionszuwachs.“
Auch Markus Schwarz weiß, dass das
Training mit E-Bikes viele Menschen motiviert. „Ein über 60-jähriger Herzpatient
schickte mir neulich stolz ein Foto vom
Schaumberg“, erzählt Schwarz. „Er hätte
sich nie erträumt, nach dem Infarkt diesen
Berg nochmal hochzuradeln.“ Wieviel so
ein scheinbar kleiner 250-Watt-Motor zu
leisten vermag, rechnet Schwarz vor: Ein
durchschnittlicher Mann bringt etwa drei
Watt Leistung pro Kilogramm Körpergewicht, eine Frau etwa 2,5 Watt auf die Pedale. Macht also beim 75-Kilo-Mann 235
Watt. In Verbindung mit den 250 Watt
des Motors sei man in der Region eines
Leistungssportlers, so Schwarz. „Schon
mit insgesamt 400 Watt fahre ich alles
hoch!“ Dies motiviert natürlich die EBiker, macht Lust auf größere Ausflüge.
Der elektrisch erweiterte Aktionsradius hat allerdings auch so seine Schattenseiten: „E-Biker haben eine höhere Unfallrate“, sagt Schwarz. Höhere
Kurvengeschwindigkeiten und eine
höhere bewegte (und zu bremsende)
Masse führen zu Stürzen. Und Schwarz
ergänzt: „Mit E-Bikes können auch
ungeübte Fahrer in schwierigen Geländepositionen landen, zum Beispiel auf
Berggipfeln – und da muss man auch
wieder herunter.“
•
tipps für E-Bike-Einsteiger
Sicherheit geht vor
• Unbedingt auf Sicherheitsausrüstung achten: Helm, Brille,
Handschuhe.
• Neben der Kondition auch
Geschicklichkeit trainieren (enge
Kurven, Balance), um das Rad
besser zu beherrschen.
Richtig trainieren
• Nur die Unterstützungsstufe
wählen, die einen ausreichenden
Herz-Kreislauf-Trainingseffekt
ermöglicht. Richtwert: 180 minus
Lebensalter = angestrebte Herzfrequenz beim Fahren.
• Um Muskelermüdung (durch
Übersäuerung) vorzubeugen, auf
ausreichend hohe Trittfrequenz
achten. Minimum: 60 Umdrehungen pro Minute, besser 70 bis 80.
• An steilen Anstiegen ruhig mal
aus dem Sattel gehen und mit
dem ganzen Körper in die Pedale
steigen (bei langsamerer Trittfrequenz).
• Für eine besonders gleichmäßige
Muskelbelastung sind Klick-Pedale empfehlenswert. Sie erlauben
auch das Hochziehen des Pedals
mit dem Fuß.
Mit dem Elektro- kommt
der Motivationsschub
Das Pedelec im Dienste der Wissenschaft
kommt bei den Rehasportlern hervorragend an. Sie haben eine Menge Spaß.
Günther Dann aus Saarlouis zum Beispiel.
Schon seit drei Jahren hat er ein E-Bike,
macht damit etwa 100 Kilometer pro
Woche. „Seitdem haben sich meine HerzKreislaufwerte stabilisiert.“ Elisabeth und
FORUM GESUNDHEIT 57
Medizin & Forschung
„Eine seltene, aber
typische Erkrankung“
E
rst kürzlich ging der Fall von Lauren Wasser aus Kalifornien durch
alle Medien. Die junge Frau aus
Los Angeles verklagt den Tampon-Hersteller Kotex. Im Oktober 2012
fand ein Freund das damals 24-jährige
Model bewusstlos mit 42 Grad Fieber in
ihrer Wohnung. Im Krankenhaus stellte man einen schweren Herzinfarkt fest.
Ihre Organe waren kurz vor dem Versagen. Die Ärzte gehen davon aus, dass
zehn Minuten später jegliche Hilfe zu
spät gekommen wäre. Bei der angehenden Schauspielerin wurde das Toxische
Schocksyndrom (TSS) diagnostiziert. Ihr
Körper war mit Wundbränden übersät,
der halbe linke Fuß stark beschädigt, das
rechte Bein musste ihr sogar unterhalb
des Knies amputiert werden. „Ich wollte
mich umbringen“, erzählt die junge Frau
in einem Interview. „Ich war Model und
dann plötzlich in einem Rollstuhl. Ich
58 FORUM GESUNDHEIT
fühlte mich in meinen eigenen vier Wänden gefangen.“
TSS ist durch ihren Fall und den der
27 Jahre alten Joanna Cartwright aus
In bis zu 70
Prozent der
Fälle
führt das
Toxische Schock­
syndrom zum Tod
des Patienten
South Yorkshire (England) zurzeit in aller
Munde. Auch die dreifache Mutter wurde Opfer der heimtückischen Krankheit.
Kurz vor ihrem 25. Geburtstag bekommt
sie ihre Periode. Wenige Tage später fallen ihr die Haare und Nägel aus, mehrere Hautschichten beginnen sich zu lösen
und Cartwright verliert immer wieder das
Bewusstsein. Im Krankenhaus diagnostizieren die Ärzte TSS. Ihre Organe sind
bereits im Begriff zu versagen, die Ärzte
versetzen sie in ein künstliches Koma. Als
sie wieder erwacht, hat Cartwright ihr
Gedächtnis verloren, an ihre drei Töchter
kann sie sich nicht mehr erinnern. Das
Laufen muss sie neu erlernen, ihr Gedächtnis ist heute bis auf wenige Lücken
wieder vollständig hergestellt.
Doch was genau ist TSS? „Das Toxische Schocksyndrom ist eine Infektion
mit Staphylococcus aureus oder betahämolysierenden Streptokokken“, erklärt
Fotos: fotolia / kellyreekolibry — Peter Böhnel
Verschiedene Fälle einer seltenen Krankheit, die zurzeit
vor allem junge Frauen in Angst und Schrecken versetzt,
gingen vor Kurzem durch die Presse: das Toxische
Schocksyndrom – häufig ausgelöst durch die Benutzung
von Tampons. Der Saarbrücker Gynäkologieprofessor
Klaus Joachim Neis erklärt, was es damit auf sich hat und
ob diese Angst begründet ist.
Medizin & Forschung
Gynäkologe Klaus Joachim Neis aus Saarbrücken. Erstmals wurde die Krankheit
1978 erwähnt. Seitdem wurden viele Fälle
beschrieben, die mit der Benutzung eines
Tampons während der Menstruation in
Zusammenhang gebracht werden konnten. Symptome von TSS sind Fieber, Blutdruckabfall, ein sonnenbrandähnlicher
Ausschlag, Muskelschmerzen, Übelkeit,
Durchfall, Nieren- und Leberschäden,
Bewusstseinstrübungen und Multiorganversagen.
„Im Regelfall bekommen die Patienten
einen Ausschlag, dann Fieber, der Blutdruck sinkt ab, schließlich müssen sie beatmet werden und brauchen eine Betreuung auf der Intensivstation. Innerhalb
kürzester Zeit kann es zum multiplen Organversagen kommen“, erklärt Neis. Die
Diagnose ist für die Ärzte alles andere als
einfach, da die Symptome unspezifisch
sind und auf viele Krankheiten hindeu-
ten können. In bis zu 70 Prozent der Fälle
führt TSS zum Tod.
Die Bakterien, die diesen Schock verursachen, können sich zu jeder Zeit auf
dem ganzen Körper, zum Beispiel auf der
Haut, befinden, ohne eine Gefahr darzu-
stellen. Dringen die Keime aber in den
Körper ein, wird es gefährlich. „Es tritt
nicht nur bei Frauen auf. Auch Männer
können betroffen sein. Denn TSS kann
beispielsweise auch im Zusammenhang
mit einer Operation auftreten“, erklärt
Neis. Bei einem geschwächten Immunsystem kann jede offene Wunde den Erregern Zutritt zum Körper geben. Bei Frauen tritt die Erkrankung aber dennoch
häufiger auf – ausgelöst meist durch die
Benutzung von Tampons. „Das Menstruationsblut, insbesondere wenn es am Abfluss gehindert wird, ist ein idealer Nährboden für diese Keime.“ Sind die Keime
erst einmal in der Gebärmutter, können
sie über die bei der Periodenblutung geöffneten Gefäße in den ganzen Körper
gelangen.
„Prinzipiell ist der Tampon aber eine
sichere Angelegenheit“, versichert Neis.
„Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch
an TSS erkrankt, liegt bei 1:200.000 bis
1:250.000 pro Jahr. Da Frauen die Hälfte
der Bevölkerung darstellen, liegt sie sogar
bei lediglich 1:400.000. Pro Jahr ist somit
rein statistisch gesehen ein Fall von TSS
im Zusammenhang mit der Benutzung
eines Tampons im Saarland zu erwarten.“
Um sich vor einer solchen Krankheit
zu schützen, raten Experten dazu, den
Tampon alle vier bis fünf, manche sogar
alle drei bis vier Stunden zu wechseln, so
Neis. Ob dies aber wirklich vor einem
TSS schützt, ist nicht bewiesen. Das Händewaschen vor dem Wechseln des Tampons sollte nicht vergessen werden.
Dass die Gefahr des Toxischen Schocksyndroms auch den Herstellern der Hygieneartikel wohl bekannt ist, sieht man
mit einem Blick in den Beipackzettel.
Neis: „Es ist zwar eine sehr seltene, aber
typische Erkrankung bei der Benutzung
eines Tampons.“
Prof. Dr. med. Klaus
Joachim Neis war von
1990 bis 2003 Chefarzt
der Frauenklinik an der
Caritasklinik St. Theresia in Saarbrücken. Nach
einer
Zwischenstation
als Chefarzt am Klinikum
Saarbrücken machte er
sich zusammen mit einigen Kollegen selbstständig und eröffnete
seine eigene Praxis „Frauenärzte
am Staden“.
•
Rebecca Maaß
Neis lehrt als Professor
an der Universität des
Saarlandes, an deren
Frauenklinik er auch Operationen ausführt.
Er ist federführendes
Mitglied der Leitlinienkommission
Hysterektomie (eine schonende
OP-Technik) der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen
Gesellschaft für Gynäkologie und
Geburtshilfe.
FORUM GESUNDHEIT 59
Medizin & Forschung
Diagnose Krebs – wie soll es jetzt weitergehen, gibt es
überhaupt eine Zukunft, ist die Familie im Fall des Falles
abgesichert? Hinzu kommt meist die Belastung durch
die notwendige Strahlen- oder Chemotherapie. Hier
kommt die Saarländische Krebsliga ins Spiel, die seit
1978 Kranken und deren Familien mit fachkundigem
Rat und tatkräftiger Unterstützung zur Seite steht.
D
er gemeinnützige Verein mit Sitz
in Saarbrücken ist dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband angegliedert und hat
sich auf die Fahnen geschrieben, Betroffenen und deren Familie in allen Lebenslagen zur Seite zu stehen. Sein Credo: weiterleben trotz Krebs.
Das Angebot reicht von Aufklärung und Information zu Krebsvorsorge
und -nachsorge über Beratung (etwa zu
Renten- und Schwerbehindertenrecht,
Nachsorgeuntersuchungen), telefonische
Beratung für Krebspatienten und deren
Angehörige, Haus- und Krankenbesuche
60 FORUM GESUNDHEIT
und Organisation von Zusammenkünften bis hin zur Sterbebegleitung.
Herz und Seele der Krebsliga mit ihren
rund 800 Mitgliedern ist unumstritten
die Vorsitzende Reinhilde Detemple. Sie
ist es, an die sich die Erkrankten und deren Angehörige wenden. Die sie um Rat
bitten, wenn sie nicht weiter wissen. Die
nachts am Telefon Trost spendet, wenn
Ängste und Zweifel überhand zu nehmen
drohen. Und sie ist es auch, die „ihre“ Patienten bis zum Ende begleitet, sich auch
ans Sterbebett setzt, um ein letztes Mal
Stütze für Familie und Kranke zu sein,
wenn der Krebs doch die Oberhand ge-
winnt. An Reinhilde Detemple wenden
sich die Patienten, wenn es um die Behandlung geht. Sie kümmert sich. Sie
setzt sich für die Belange der Patienten
bei Politik, Ärzten und Krankenkassen
ein. Sie scheut die Konfrontation nicht,
wenn sie der Meinung ist, dass etwas besser laufen könnte.
Kleines Beispiel gefällig? Während des
Gesprächs kommt eine Patientin herein,
bei der nun die Nachsorge ansteht. Beginn: Anfang Oktober. „Nee, das ist zu
spät, das muss früher passieren“, sagt Detemple resolut. „Mach dir mal keine Sorgen: Ich rufe da gleich an und regle das“,
sagt sie und hängt schon an der Strippe.
Ohne sie, sagen Mitarbeiter, Helfer und
Patienten unisono, wäre die Krebsliga
heute nicht das, was sie ist: eine der ersten
Anlaufstellen für Krebspatienten und deren Familien. Ohne sie gäbe es die Krebsliga wahrscheinlich gar nicht. Detemple
war die treibende Kraft hinter der Gründung am 13. Dezember 1978.
Mit dem Thema Krebs befasst sich
Reinhilde Detemple seit 1963. Seit ihr
Bruder Udo erkrankte. Die Ärzte hatten ihn schon aufgegeben, nicht aber die
Foto: Peter Böhnel
Weiterleben – trotz Krebs
Engagiert für
Krebs-Betroffene:
Rein­hilde De­temple
(links) und Kollegin
Emanu­ela Uhrig in
ihrem Sekretariat
der Krebsliga.
Medizin & Forschung
„Doch zu einer erfolgreichen Behandlung
gehört mehr: Man muss die Patienten auch
psychologisch betreuen, sie dazu bringen,
sich mit der Krankheit zu beschäftigen, die
körpereigenen Abwehrkräfte zu aktivieren.“ Ein Feld, mit dem sich die heute auch
von Medizinern weitestgehend anerkannte
Psychoneuroimmunologie (PN) beschäftigt. Davon konnte 1988, als die Krebsliga
die PN erstmals in einem Vortrag als wichtigen Bestandteil der Krebsbehandlung
thematisierte, noch nicht die Rede sein.
„Aber das ist für mich nichts Neues“, sagt
Detemple sarkastisch. Heute ist es Allgemeingut, dass gesundes Essen, Verzicht
auf Alkohol, Sport, Nichtrauchen und
Sonnenschutz zur Krebsvorsorge gehören.
Als die Krebsliga in ihrer Anfangszeit mit
genau diesen Forderungen Aufklärungsarbeit in Schulen und Kindergärten betrieb,
wurde sie milde belächelt.
Bei der PN sah es bis vor Kurzem nicht
anders aus. „Den Patienten hilft es aber
einfach, über ihre Krankheit und die damit einhergehenden Ängste zu reden“, so
Detemple. „Sie müssen sich vorstellen,
dass deren erster Gedanke nach dem Aufwachen oftmals die Frage ist: Wie lange
lebe ich noch?“, erzählt sie. „Das kann
niederschmetternd sein. Deswegen brauchen Sie jemanden, der ihnen hilft, in der
Gegenwart zu leben, die Hoffnung nicht
zu verlieren. Nur so können die Menschen
die Kraft aufbringen weiterzukämpfen“,
sagt sie. Und ebenso wichtig ist es, sich
um die Familie zu kümmern. Auch die
wird von Ängsten geplagt, muss lernen
mit der Situation umzugehen und sie
nicht zu verdrängen, aber auf der anderen
Seite den Patienten mit ihrer Zuneigung
auch nicht zu erdrücken.
All das bietet die Saarländische Krebsliga in ihren Räumlichkeiten oder am
Telefon an. Seien es Treffen von Betroffenen und deren Familie in den Konferenz- und Gruppenräumen, Beratungsgespräche im Büro oder nur das einfache
Zuhören am Telefon, eine Reflexzonenmassage oder eine Wärmebehandlung in
den Behandlungsräumen: Immer geht es
darum, das Wohl und die Lebensqualität
des Patienten zu steigern. Natürlich gilt
das auch für die Weihnachtszeit, wenn
die Krebsliga, unterstützt von saarländischen Firmen, 40 Geschenkpakete mit
Lebensmitteln vollpackt und an sozial
schwache Familien von Krebspatienten
verteilt. „Die Leute freuen sich einfach
wahnsinnig“, freut sich Reinhilde Detemple mit.
Die Saarländische Krebsliga kämpft
seit Langem für die Etablierung der Komplementärmedizin als vierte Säule der
Krebsbehandlung – neben Operation,
Chemotherapie und Strahlentherapie.
Ihr besonderes Augenmerk gilt dabei der
Hyperthermie. Darunter versteht man
die gezielte Überwärmung von Teilbereichen oder des ganzen Körpers, mit dem
Ziel, die Krebszellen abzutöten oder für
Chemo und Bestrahlung empfänglicher
zu machen. Viele Mediziner sehen das
Verfahren eher kritisch, verweisen auf
fehlende Studien, die die Wirksamkeit
der Methode nachweisen. Für Detemple
Schwester. Sie informierte sich, welche
ist das zweitrangig. „Ich kenne einfach
alternativen Möglichkeiten der Behandzu viele Menschen, denen die Hypertherlung es noch gibt. Dabei stieß sie auf die
mie geholfen hat, als dass ich mich davon
Klinik von Professor Issels am Tegernsee
abbringen lasse“, argumentiert sie. „Der
und kämpfte dafür, dass der geliebte BruPatient und sein Wohlergehen sollten im
der dorthin verlegt wurde. Mit Erfolg.
Mittelpunkt stehen. Und meiner MeiDer Krebs ging zurück, und Udo konnte
nung nach ist die Hyperthermie ein wichsogar wieder seiner Arbeit beim Katastiger Faktor bei einer
teramt nachgehen. Es
erfolgreichen Krebsbeblieben ihm noch 18
handlung. Deswegen
weitere Jahre, bevor er
werde ich auch weiteram 26. März 1981 an
hin dafür kämpfen.“
Krebs starb. 18 Jahre,
Telefon 0681-65910
Kontakt
Wer sie einmal kenin denen sich ReinhilTelefax 0681-67008
Saarländische Krebsliga e. V.
nen gelernt hat, weiß,
de Detemple intensiv
[email protected]
Mainzer Straße 106
dass das kein leeres
mit dem Thema befasswww.saarl-krebsliga.de
66121 Saarbrücken
Versprechen ist. Reinte und zu der Erkennthilde Detemple und
nis kam, dass zu einer
Spendenkonten
ihre Mitstreiter von
erfolgreichen KrebsbeSparkasse Saarbrücken:
der
Saarländischen
handlung mehr gehört,
IBAN: DE 47 5905 0101 0030 0001 11 BIC: SAKSDE55XXX
Krebsliga haben einen
als die gängige ChemoVereinigte Volksbank eG:
äußerst langen Atem
oder Strahlentherapie.
IBAN: DE87 5909 2000 7405 0400 04 BIC: GENODE51SB2
und lassen nicht locker,
„Chemo und BePostbank Saarbrücken:
wenn es darum geht,
strahlung sind unIBAN: DE15 5901 0066 0032 4486 63 BIC: PBNKDEFF
sich für die Belange
verzichtbar bei einer
Sonderkonto „Krebskranke Kinder”, Vereinigte Volksbank eG:
von
Krebspatienten
erfolgreichen KrebsbeIBAN: DE65 5909 2000 7405 0400 12 BIC: GENODE51SB2
einzusetzen.
handlung, ohne geht es
nicht“, sagt Detemple.
Jakob Schmidt
•
FORUM GESUNDHEIT 61
Wellness
Gesichtsgymnastik
gegen Falten
E
Gesicht entstehen zunächst kleine flache
Fältchen, meist zuerst sternförmig im Augenbereich. Auch Lachfältchen und Krähenfüße können sich bilden. Auf Wangen
und der Stirn zeigen sich horizontale Linien, die im Laufe der Zeit tiefer werden.
Schließlich kommen auch noch Falten
zwischen den Augenbrauen, die durch
häufiges Stirnrunzeln verstärkt werden,
sowie Nasolabialfalten (Nasenlippenfurchen) zwischen Nasenflügel und Mundwinkel hinzu. Von Doppelkinn und hängender Mundpartie ganz zu schweigen.
Um diesen unschönen Begleiterscheinungen des Lebens rechtzeitig entgegenzuwirken oder zumindest die Ausformungen zu
kaschieren, greifen Frauen gerne zu den
verschiedensten Anti-Aging-Methoden.
Von Feuchtigkeit spendenden Lotionen
oder Cremes über Hyaluron-Produkte bis
hin zu drastischen Maßnahmen wie Botoxspritzen, Laserbehandlungen oder gar
chirurgischen Eingriffen. Dass sich die
Haut an Gesicht und Hals auch durch
eine natürliche und vergleichsweise wenig aufwendige Gymnastik straffen lässt,
Fältchen nach kontinuierlichen Übungen
wie von Zauberhand verschwinden, hat
sich erst in jüngster Zeit herumgesprochen. Natürlich alles in
gewissen Grenzen: Tief
eingegrabene Augenringe,
starke Schlupflider und
Lesetipp:
Lachfalten oder entspreHeike Höfler: Fitnesstraining
chende
Nasolabialfalten
fürs Gesicht (mit über 100
können selbst mit intenÜbungsanleitungen)
sivstem Face Gym nicht
Trias-Verlag, 5. Auflage 2011
restlos beseitigt werden.
ISBN: 978-3830439752
Gesichtsgymnastik sieht
128 Seiten € 12,99
zuweilen etwas komisch
aus, erinnert häufig an
in regelmäßiger Besuch im Fitness-Studio ist für viele Menschen, die ihren Körper in Form
bringen wollen, längst zu einer
Standard-Freizeitbeschäftigung geworden. Dabei werden die verschiedensten
Muskelpartien belastet und gestählt.
Gesicht und Hals bleiben bei den Übungen größtenteils außen vor. Daher ist es
ratsam, auch diese Körperpartien einem
gezielten Zirkeltraining zu unterziehen,
um den gleichen Effekt wie beim Sport
zu erzielen, wo trainierte Muskeln nicht
nur für eine schönere Silhouette sorgen,
sondern durch ihre Kräftigung auch die
darüber liegende Haut straffen können.
Im Laufe des Lebens verliert unsere
Haut zunehmend an Elastizität, Volumen, Feuchtigkeit und Dichte. Denn
etwa ab dem 25. Lebensjahr nimmt die
Bildung von Hyaluronsäure, Elastin und
Kollagen ab, die die Haut straff und jugendlich erhalten. Auch äußere Einflüsse
wie Sonneneinstrahlung, Luftverschmutzung oder Nikotingenuss können die
Hautalterung beschleunigen. Innere Faktoren wie genetische Vorbelastung, ungesunde Ernährung oder vernachlässigte
Fitness sind dabei nicht zu vergessen. Im
62 FORUM GESUNDHEIT
Grimassenschneiden. Von daher sollten
Sie manche Übungen besser unbeobachtet und zur Kontrolle am besten vor dem
Spiegel machen. Fünf bis zehn Minuten
täglich reichen völlig aus. Der Effekt in
Gestalt von deutlich strafferer Haut wird
sich spätestens ein paar Wochen später
zeigen. Bei dieser ungewöhnlichen Art
von Hautpflege werden das kollagene
Bindegewebe sowie die Muskeln besser
durchblutet und gestärkt sowie die Zellerneuerung angekurbelt. Die Hautzellen
werden durch die Muskelbewegungen zur
vermehrten Produktion von Kollagen und
Elastin stimuliert. Auch der Lymphfluss
wird beschleunigt, wodurch Schlacken
und Giftstoffe aus dem Gewebe abtransportiert werden, was einen strahlenderen
Teint zur Folge hat. Zudem kann man
beim Face Gym auch Muskeln ganz gezielt trainieren, die im Alltag nur selten
genutzt werden. Denn aus Gewohnheit
kommen manche Gesichtsmuskeln ständig, andere hingegen nur selten zum
Einsatz. Letztere neigen daher zum Verkümmern, was in diesem Bereich dann zu
einer Erschlaffung der Haut führen kann.
Bei ständig unter Spannung stehenden
Gesichtsmuskeln helfen die Übungen,
die Elastizität der Haut so hochzuhalten, dass sie immer wieder von selbst in
ihre ursprüngliche Position zurückgleitet
und nicht beispielsweise als dauerhafte
Sorgenfalte an der Stirn sichtbar bleibt.
Ein Grundproblem ist auch, dass fast alle
Menschen ihre Gesichtsmuskeln nur in
eine Richtung, der Schwerkraft folgend,
einsetzen. Beim Face Gym sollte daher
das Hauptaugenmerk eher auf oben-hinten als nach vorne-unten gerichtet sein.
•
Peter Lempert
Fotos: Lothar Bertrams, Trias-Verlag (7)
Sie suchen eine wirksame Alternative zu Botoxspritzen, Laserbehandlungen,
Chirurgenmesser oder teuren Cremes? Gezielte Gesichtsgymnastik
ist ein natürliches Anti-Aging-Allheilmittel gegen Falten und vorzeitige
Hautalterung sowie für einen frischen jugendlichen Teint.
Wellness
Warm-up: Die Augenbrauen so hoch wie möglich anheben und fünf Sekunden lang halten, mehrmals wiederholen.
Kinn: Eine Faust unter das Kinn
Stirn: Die Finger beider Hän-
legen und durch Öffnen des Unterkiefers möglichst kräftigen Druck
gegen die Faust erzeugen, dabei
die Spannung bis maximal zehn
Sekunden halten. Gegen die Ausbildung eines Doppelkinns mit beiden Daumen und Zeigefingern die
Kinnpartie von innen nach außen
behutsam zupfen.
de flach auf die Stirn legen, mittig sich fast berührend. Dann die
Stirnmuskeln anspannen, indem
die Stirnhaut ganz bewusst nach
oben gezogen wird, die Spannung
maximal zehn Sekunden anhalten.
Der Druck der Finger verhindert
Faltenbildung auf der Stirn.
Hals: Aufrechte Kopfhaltung
einnehmen, dann den Unterkiefer nach vorne schieben und die
Halsmuskulatur bis drei Sekunden angespannt halten. Alternativ:
Massageübung mit einem kleinen
Noppenball, der mit einer Hand am
Kinnboden entlang hin und her gerollt wird.
Wangen: Fischmund bilden,
indem beide Wangen nach innen
gesaugt und zehn Sekunden in
dieser Position gehalten werden.
Alternativ: Wangen aufblasen und
dabei die Luft im Mund hin und
her bewegen, zusätzlich können
die aufgeblasenen Wangen noch
mit den flachen Fingern beklopft
werden. Oder: die Zeigefinger bei
leicht geöffnetem Mund von innen
in die Mundwinkel schieben und
diese dann gegen den Widerstand
der Finger nach innen ziehen.
Mund: Lippen zum Kussmund
formen, einige Sekunden anhalten,
danach ein Lächeln simulieren,
wieder einige Sekunden anhalten.
Alternativ: Zwei Finger zwischen
die Lippen legen und dann den
Mund fest zupressen. Zur Straffung
der Oberlippe Lippen fest aufeinanderpressen und die Spannung
zusätzlich durch Auflegen der beiden Zeigefinger verstärken. Gegen
Knitterfältchen zur Kräftigung der
Mundpartie einen Teelöffel zwischen die Lippen stecken und mit
Kraft von Lippen und Unterkiefer
mehrmals langsam auf und ab bewegen, wobei sich der Unterkiefer
vor- und zurückschiebt. Zur Glättung von Lachfältchen die Lippen
zu einem extremen Lachen formen
und mit den Fingern die Fältchen
sanft nach außen streichen.
Augen: Entspannen der Augenpartie durch ständiges Zupfen
und wieder Loslassen mittels Daumen und Zeigefinger, beginnend
am inneren Augenbrauenrand,
danach Stück für Stück bis zum
äußeren Augenbrauenrand weiterführen. Alternativ zur Stärkung des
ringförmigen Augenmuskels mit
Daumen und Zeigefinger eine „Brille“ um die Augen formen. Zeigefinger unterhalb der Augenbrauen,
Daumen auf Jochbein auflegen.
Die „Brille“ abwechselnd dehnen
und entspannen, zusätzlich gegen
den Widerstand der Finger mehrmals blinzeln.
FORUM GESUNDHEIT 63
Wellness
Geheimtipp
für glatte Haut
oder Gel mit der Hand auftragen. Nun
wie gewohnt rasieren. Freunde dieser Methode schwören auf eine etwas sanftere
Rasur mit weniger Hautirritationen.
Kombinieren Sie doch die Vorteile von
Seifenschaum und Öl einmal in dieser
Reihenfolge: Zuerst einschäumen und
den ersten Gang mit dem Strich rasieren.
Dann Seifenreste kurz mit heißem Wasser
abwaschen, einige Tropfen Rasieröl in die
nasse Haut einmassieren. Gut nachfeuchten und nass fertig rasieren. Das hat mehrere Vorteile: Die Rasur gegen den Strich
klappt sehr sanft und hautschonend.
Auch mit dem Rasiermesser sind Schnitte
viel seltener. Bartkonturen und Koteletten können sehr präzise getrimmt werden,
weil kein Schaum die Sicht versperrt. Mit
kaltem Wasser abwaschen, fertig. Auch
hier ist eigentlich kein After Shave nötig.
Aber erlaubt. Weil Sonntag ist.
Solo
Körper
Gute Rasieröle funktionieren auch als
alleiniges Rasiermittel. Es gibt sogar Produkte für besonders kräftige Stoppeln
(mit mehr Menthol). Die Anwendung
funktioniert wie beim Pre Shave, nur
eben ohne Schaum. Sehr wichtig ist, dass
während der Rasur die Haut mit warmem
Wasser immer gut nass gehalten wird.
Von besonders dünnen Ölen brauchen
Sie nach einer Weile vielleicht nochmal
ein paar Tropfen. Den Rasierer müssen
Sie öfters abspülen, er setzt sich leicht zu.
Relativ gut funktioniert das Spülen beim
klassischen Rasierhobel oder beim Gillette Mach 3. Nach der Rasur mit kaltem
Wasser abwaschen – fertig! After Shave
nicht nötig. Diese Variante ist ideal bei
empfindlicher Haut, auf Reisen und wenn
es schnell gehen soll. Der Nachteil: Die
Klingen nutzen sich etwas schneller ab.
Rasieröl ist nicht nur fürs Gesicht und
nicht nur für Männer. Einfach nach dem
Duschen ein paar Tropfen auf die nasse
Haut geben – so sanft glätten Sie Ihre
Beine mit keinem Duschgel. Aber immer
schön nass halten, sonst ziept’s. Und öfter
die Klingen spülen. Die Öl-Nassrasur ist
perfekt geeignet für empfindliche Hautpartien wie Achseln oder Bikinizone.
Danach kurz abduschen – fertig. Einziger Nachteil: Rutschgefahr in der Brausewanne.
In Großbritannien und den USA ein gängiges
Pflegeprodukt, hier in Deutschland weitgehend
unbekannt: Rasieröl. Gerade bei empfindlicher
Haut bringt es viele Vorteile. Nicht nur für den Mann.
R
asieröle sind Pflanzenöl-Mischungen mit ätherischen Ölen
für die Nassrasur. Sie machen
das Barthaar weich und die Haut
elastisch, lassen die Klinge sanft gleiten
und schützen so die Haut vor Irritationen,
Austrocknung und Mikroverletzungen.
Gängige Marken sind zum Beispiel Sommersets (England), American Crew (USA)
und Total Shaving Solution (Irland). Jeder
Hersteller hat sein eigenes Rezept. Stark
haftende Öle sind besonders sparsam in
der Anwendung (Sommersets), leichtere
Mischungen (American Crew) verbessern
dagegen die Gleiteigenschaften. Die meisten Sorten enthalten ziemlich viel Menthol – offenbar weicht es das Barthaar
besonders gut auf. Eine Ausnahme: das
Bio-Rasieröl von L’Occitane aus Frankreich. Es kommt ohne künstliches Menthol aus und ist so ziemlich das einzige
seiner Art, das Sie hierzulande einfach im
Laden kaufen können. Dafür gehört es zu
den teuersten: 19 Euro für 30 Milliliter.
Zum Glück sind Rasieröle extrem sparsam
in der Anwendung. Die Drogeriemarke
Balea hat vor Kurzem auch die Frauen als
Zielgruppe entdeckt und bietet ein Rasieröl mit femininem Duft an. Zwar kein Bioprodukt mit handgepflückten Kräutern
aus dem Klostergarten, dafür sehr preiswert: 75 Milliliter für 2,95 Euro.
Rasieröle erlauben verschiedene
Anwendungen:
Sanfte Sonntagsrasur
Notrasur (trocken, für unterwegs)
Vorstellungsgespräch auf dem Nanga
Parbat und die Wasservorräte werden
knapp? Verreiben Sie das Öl sparsam auf
der Haut. Eine Minute einwirken lassen,
dann rasieren. Viel Erfolg.
•
Peter Böhnel
Die verschiedenen Rasieröle
unterscheiden sich stark
in ihrer Rezeptur. Dieses
Produkt zum Beispiel enthält
Wiesen­schaum­k raut-Öl.
Die klassische Anwendung für den Mann.
Traditionell in Kombination mit Rasierseife oder -creme. Bartzone mit warmem
Wasser waschen, Rasieröl sparsam in den
Handflächen verreiben (nur wenige Tropfen), in die warme, nasse Haut einmassieren. Eventuell mit warmem Wasser nachfeuchten. Rasierschaum mit dem Pinsel
64 FORUM GESUNDHEIT
Foto: Peter Böhnel
Pre-Shave
Berlin on Bike
Erkunden Sie Deutschlands Hauptstadt
bequem mit dem Fahrrad!
Zwei Übernachtungen inkl. Frühstücksbuffet, Fahrrad für 2 Tage, Stadtplan,
Lunchpaket an zwei Tagen, Überraschung auf dem Zimmer
€ 112,– pro Person in einer Juniorsuite
€ 198,– pro Person in einer Juniorsuite zur Einzelnutzung
(Auf Anfrage und nach Verfügbarkeit, ausgenommen Event- und Messezeiten)
Am Friedrichshain 17 · D-10407 Berlin · Telefon +49 30 21914-0 · Fax +49 30 21914-199 · [email protected] · www.victors.de
Ein Unternehmen der Victor’s Residenz-Hotels GmbH · Kurfürstendamm 100 · 10709 Berlin
25 Jahre im
Herzen von
Homburg
Wir feiern mit Ihnen unser Jubiläum
am Sonntag, 20. September 2015, 14 bis 17 Uhr
Freuen Sie sich auf:
• Unterhaltung durch die Band „New Orleans Garden“
• ein Stück köstliche Geburtstagstorte
• spritzige Cocktails
Bitte melden Sie sich bis 11. September unter Telefon 06841 692-0 an.
Feiern Sie mit – wir freuen uns auf Sie!
Pro Seniore Residenz Hohenburg
Gerberstraße 18 · 66424 Homburg
Telefon 06841 692-0 · Fax 06841 692-101
[email protected] · www.pro-seniore.de
Herunterladen