Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen Abteilung Köln Postgradualer Masterstudiengang Suchthilfe M.Sc. Arbeitssucht im helfenden Dienstleistungssektor Masterthesis vorgelegt von: Christina Vicario Matrikel-Nr.: 504602 Erstgutachter: Herr Dr. Thorsten Köhler Zweitgutachter: Herr Prof. Dr. Wolfgang Schwarzer Abgabedatum: Mai 2013 Einleitung I Zusammenfassung Fragestellung: Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, das Ausmaß der Verbreitung von Arbeitssucht im helfenden Dienstleistungssektor zu identifizieren. Ein weiterer Fokus liegt auf der Erfassung berufspezifischer Belastungen und individueller Merkmale der Helfer und deren Zusammenhang mit pathogenem Arbeitsverhalten. Ebenso werden mögliche Folgen der Arbeitssucht eruiert. Methodik: Im Rahmen der Studie wurden 438 Personen aus dem helfenden Dienstleistungssektor anhand eines Online-Fragebogens befragt. Die Identifizierung von arbeitssüchtigen (AS) und nicht-arbeitssüchtigen Helfern (NonAS) erfolgt über das Messinstrument „Skala für Arbeitssucht“ (Schneider, 2001). Anschließend wurden durch die Unterteilung in Quartile künstliche Extremgruppen gebildet, die Vergleiche zwischen Berufstätigen aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit tendenziell arbeitssüchtigem Verhalten und Helfern mit nicht-arbeitssüchtigem Verhalten ermöglichen. Ergebnisse: Die Grundannahme, dass Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor stärker zu einem arbeitssüchtigen Verhalten tendieren als der Bundesdurchschnitt, kann bestätigt werden. In der Untersuchung zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen Arbeitssüchtigen und Nicht-Arbeitssüchtigen hinsichtlich ihres Berufsrollenverständnisses und des Erlebens von berufsspezifischen Stressoren, wie Stress im Umgang mit Patienten, uneindeutige erufsrollen und Zielvorgaben, mangelnde Kontrollmöglichkeiten und mangelnde Honorierung ihrer Arbeitstätigkeit. Weiterhin sind Arbeitssüchtige im Vergleich zu Nicht-Arbeitssüchtigen mit verschiedenen Lebensaspekten, wie z.B. Arbeit, Gesundheit, Freizeit und sozialen Beziehungen, unzufriedener, zeigen unproduktiveres Arbeitsverhalten und weisen höhere Burnout-Werte auf. Schlussfolgerungen: Berufsspezifische Stressoren des helfenden Dienstleistungssektors und ein idealistisches Rollenverständnis der Helfer können die Entstehung einer Arbeitssucht fördern oder ihre Folgen sein, so dass die Gruppe der Helfer zukünftig als potenzielle Risikogruppe angesehen werden sollte. Präventions- und Interventionsmaßnahmen sollten berufsspezifische und arbeitsorganisatorische Faktoren bei ihrer Konzeption berücksichtigen und Risikogruppen gezielt ansprechen. Gleichzeitig bedarf es öffentlicher Diskussionen über den Stellenwert von Arbeit und die Folgen einer Arbeitssucht. Inhalt II Inhalt Zusammenfassung .....................................................................................................I I Einleitung ............................................................................................................... 1 II Theoretischer Hintergrund .................................................................................... 4 1 Arbeit ..................................................................................................... 4 1.1 Etymologie und Entwicklung des Begriffs Arbeit ................................. 4 1.2 Definition von Arbeit............................................................................. 6 1.3 Bedeutung von Arbeit ............................................................................ 7 2 Sucht .................................................................................................... 11 2.1 Definition von Sucht ............................................................................ 11 2.2 Ätiologie und Kriterien einer Sucht ..................................................... 11 2.3 Stoffgebundene Sucht vs. Verhaltenssucht .......................................... 15 3 Arbeitssucht ......................................................................................... 18 3.1 Etymologie und Entwicklung des Begriffs Arbeitssucht ..................... 18 3.2 Definition von Arbeitssucht ................................................................. 19 3.3 Epidemiologie ...................................................................................... 20 3.4 Symptome, Typologien und Verlauf von Arbeitssucht........................ 21 3.5 Ätiologie der Arbeitssucht ................................................................... 27 3.6 Folgen der Arbeitssucht ....................................................................... 33 4 Arbeitssucht in helfenden Berufen....................................................... 38 4.1 Definition von helfenden Berufen........................................................ 38 4.2 Persönlichkeitszentrierte Bedingungen der helfenden Berufe ............. 40 4.3 Soziale, arbeitsorganisatorische und gesellschaftliche Bedingungen der helfenden Berufe.................................................................................. 42 4.4 Gesundheitliche Situation der helfenden Berufe.................................. 46 III Empirischer Teil ................................................................................................ 55 5 Herleitung der Fragestellung und Formulierung von Hypothesen....... 55 6 Methodik .............................................................................................. 59 6.1 Untersuchungsdesign und Untersuchungsdurchführung...................... 59 6.2 Operationalisierungen der Konstrukte und Beschreibung der Messinstrumente .................................................................................. 62 7 6.3 Stichprobe ............................................................................................ 68 6.4 Verfahren der Datenauswertung .......................................................... 70 Ergebnisse ............................................................................................ 72 Inhalt III 7.1 Deskriptive Angaben zur Gesamtstichprobe........................................ 72 7.2 Arbeitssucht im helfenden Dienstleistungssektor ................................ 75 7.3 Arbeitssucht und die Berufsmotivation der Helfer .............................. 85 7.4 Arbeitssucht und die spezifischen Arbeitsbelastungen bei Helfern ..... 88 7.5 Arbeitssucht und Arbeitsverhalten....................................................... 96 7.6 Arbeitssucht und Zufriedenheit.......................................................... 100 8 Diskussion.......................................................................................... 106 8.1 Interpretation der Ergebnisse ............................................................. 106 8.2 Diskussion der Methodik und deren Limitierungen........................... 112 8.3 Ausblick ............................................................................................. 114 Literaturverzeichnis .............................................................................................. 117 Selbstständigkeitserklärung .................................................................................. 129 Anhang.................................................................................................................. 130 Abbildungsverzeichnis IV Abbildungsverzeichnis Abbildung 3-1 Die Entwicklung von Arbeitssucht und ihre Folgen für das Individuum, seine Familie und Arbeitgeber (Städele & Poppelreuter, 2009, in Anlehnung an Piotrowski und Vodanovich 2006) .................................................. 34 Abbildung 3-2 Stadienverlauf der Arbeitssucht ( Bühler & Schneider, 2002, in Anlehnung an Fassel, 1991) ................................................................................... 36 Abbildung 7-1 Vergleich Arbeitssucht und Überstunden....................................... 80 Abbildung 7-2 Vergleich Arbeitssucht und Berufsanfänger................................... 82 Abbildung 7-3 Vergleich Arbeitssucht und Geschlecht.......................................... 84 Abbildung 7-4 Q-Q-Diagramm und trendbereinigtes Q-Q-Diagramm von Index Identifikation /Idealismus zur Testung der Normalverteilung ................................ 86 Tabellenverzeichnis V Tabellenverzeichnis Tabelle 2-1 Diagnostische Kriterien der stoffgebundenen Sucht bzw. Abhängigkeit von psychotropen Substanzen nach DSM-IV-TR (Saß et al., 2003) und ICD 10 (Dilling et al., 2000) ............................................................................................... 14 Tabelle 4-1 Symptome einer Burnout-Erkrankung nach Schaufeli (1992, zitiert nach Reiners-Kröncke et al., 2010, S. 13) .............................................................. 48 Tabelle 6-1 Abhängige und unabhängige Variablen der vorliegenden Studie....... 60 Tabelle 7-1 Demografische Merkmale der Gesamtstichprobe (N= 438) ............... 73 Tabelle 7-2 Differenz zwischen vertraglich vereinbarten Wochenarbeitsstunden und tatsächlich geleisteten Stunden........................................................................ 75 Tabelle 7-3 T-Test zur Überprüfung des Mittelwerts der Variable Arbeitssucht in Bezug auf die Grundgesamtheit.............................................................................. 76 Tabelle 7-4 Einteilung der Stichprobe in Quartile ................................................ 77 Tabelle 7-5 Demografische Merkmale der Arbeitssüchtigen (n =89) und der NichtArbeitssüchtigen (n = 131) ..................................................................................... 78 Tabelle 7-6 Kreuztabelle Arbeitssucht und Überstunden ....................................... 80 Tabelle 7-7 Kreuztabelle Arbeitssucht und professionelle Hilfe ............................ 81 Tabelle 7-8 Kreuztabelle zwischen den Variablen Arbeitssucht und Berufsanfänger ................................................................................................................................ 82 Tabelle 7-9 Korrelation zwischen Arbeitssucht und Berufsjahre ........................... 83 Tabelle 7-10 Kreuztabelle zwischen den Variablen Arbeitssucht und Geschlecht. 84 Tabelle 7-11 Testung der Normalverteilung der abhängigen Variable Index Idealismus/ Identifikation ....................................................................................... 85 Tabelle 7-12 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und Identifikation/Idealismus... 86 Tabelle 7-13 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und Identifikation/Idealismus...................... 87 Tabelle 7-14 Korrelation Arbeitssucht und Identifikation/ Idealismus .................. 87 Tabelle 7-15 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und Stress im Umgang mit Patienten................................................................................................................. 89 Tabelle 7-16 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und Stress im Umgang mit Patienten .......... 89 Tabelle 7-17 Korrelation zwischen Arbeitssucht und Stress im Umgang mit Patienten................................................................................................................. 90 Tabellenverzeichnis VI Tabelle 7-18 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und uneindeutige Berufsrollen/ Zielvorgaben........................................................................................................... 91 Tabelle 7-19 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und uneindeutige Berufsrollen/Zielvorgaben ................................................................................................................................ 92 Tabelle 7-20 Korrelation zwischen Arbeitssucht und uneindeutige Berufsrollen/Zielvorgaben...................................................................................... 92 Tabelle 7-21 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und mangelnde Kontrolle......... 93 Tabelle 7-22 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und mangelnder Kontrolle .......................... 93 Tabelle 7-23 Korrelation zwischen Arbeitssucht und mangelnde Kontrolle .......... 94 Tabelle 7-24 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und mangelnde Honorierung ... 95 Tabelle 7-25 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und mangelnde Honorierung ...................... 95 Tabelle 7-26 Korrelation zwischen Arbeitssucht und mangelnde Honorierung .... 96 Tabelle 7-27 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und unproduktives Arbeitsverhalten...................................................................................................... 97 Tabelle 7-28 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und unproduktivem Arbeitsverhalten .......... 97 Tabelle 7-29 Korrelation zwischen Arbeitssucht und unproduktiven Arbeitsverhalten...................................................................................................... 98 Tabelle 7-30 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und Burnout.............................. 99 Tabelle 7-31 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und Burnout ................................................ 99 Tabelle 7-32 Korrelation zwischen Arbeitssucht und Burnout............................. 100 Tabelle 7-33 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und Zufriedenheit Beruf, Gesundheit, Leben, Freizeit und soziale Beziehungen ......................................... 102 Tabelle 7-34 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und der Zufriedenheit zum Beruf, Gesundheit, Leben, Freizeit und sozialen Beziehungen............................................................ 103 Tabelle 7-35 Korrelation zwischen Arbeitssucht und Zufriedenheit bzgl. Beruf und Gesundheit ............................................................................................................ 104 Tabelle 7-36 Korrelation zwischen Arbeitssucht und Zufriedenheit bzgl. Leben, Freizeit und soziale Beziehungen ......................................................................... 104 Einleitung 1 I Einleitung In Anbetracht von 41,6 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland im Jahr 2012 (Statistisches Bundesamt, 2012) liegt es nahe, dass Arbeit eine zentrale Rolle im Leben fast der Hälfte der deutschen Bevölkerung spielt. Dabei bewirkt eine Arbeitstätigkeit nicht nur, dass der Tagesablauf strukturiert, sozialer Kontakt und Anerkennung erlebt wird und sich Identität und Kompetenzerleben entwickeln, sondern vielmehr stellt Arbeit auch eine entscheidende gesellschafts- und gesundheitsrelevante Größe dar. Insbesondere populäre Begriffe wie Burnout suggerieren derzeit eine Verstärkung der psychosozialen Belastungen jedes Einzelnen, sowie deren mangelnde Bewältigung im Arbeitskontext. Dennoch verhindert der hohe kulturelle Stellenwert der Arbeit vielfach eine kritische Auseinandersetzung und führt zu einer gesellschaftlichen Verleugnung der Existenz von pathogenem bzw. süchtigem Arbeitsverhalten (Städele, 2008; Poppelreuter, 1997). Die Bewertung des süchtigen Verhaltens ist dabei stets von gesellschaftlich vorherrschenden Normen und Werten abhängig. Das wissenschaftliche Forschungsinteresse ist bis heute weiterhin als gering zu bezeichnen, was sich auch im fehlenden wissenschaftlichen Konsens über Arbeitssucht manifestiert. Bewegt man sich in der Literatur zur Thematik der gesundheitlichen Situation der Berufstätigen in helfenden Berufen, so findet man immer wieder Verweise auf die hohen berufsspezifischen Belastungen und deren gesundheitlicher Folgen. Die Problematik einer Arbeitssucht wird jedoch nicht beschrieben, obwohl bei Mitarbeitern im Gesundheitswesen verstärkt psychische Störungen auftreten (Burgess, Burke & Oberklaid, 2006; Spence & Robbins, 1992). Lediglich Schneider (2001) betont, dass spezifische Berufe und deren Arbeitsbedingungen besonders gefährdet sind, eine Arbeitssuchterkrankung zu entwickeln. „Insbesondere fallen unter diese Kategorie Berufe, in denen sich Menschen oft sehr stark mit ihrer Arbeit identifizieren (z.B. Ärzte, Pfarrer, Wissenschaftler, etc.) (…). Eine große Gefahr geht in diesen Berufen oft von der nicht exakt definierten Arbeitsvorgabe bzw. einem idealistischen Arbeitsziel aus.“ (Schneider, 2001, S.23) Da bisher keine Signifikanz zwischen dem Auftreten der Arbeitssucht und bestimmten Berufsgruppen nachgewiesen werden konnte und es Einleitung 2 an empirischen Untersuchungen diesbezüglich mangelt, soll in der folgenden Arbeit empirisch untersucht werden, ob Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor stärker zu einem arbeitssüchtigen Verhalten tendieren als der Bundesdurchschnitt. Dabei soll der Fokus auf den berufsspezifischen Belastungen und den individuellen Merkmalen der Helfer liegen, wobei bestehende Ressourcen und wirksame Coping-Mechanismen aufgrund des eingeschränkten Umfangs der Studie weitestgehend unbeachtet bleiben müssen. Dennoch soll somit ein erster Einblick in die Thematik sichergestellt werden. Der theoretische Teil der Arbeit beschäftigt sich zunächst mit den zwei Komponenten des Terminus Arbeitssucht, Arbeit und Sucht. Um das ArbeitssuchtPhänomen tiefergehend untersuchen zu können, bedarf es neben der Beleuchtung der Arbeitsaspekte und der heutigen gesellschaftlichen Bedeutung von Arbeit im ersten Kapitel auch der Eruierung der wichtigsten Suchtaspekte. Dem folgend grenzt das zweite Kapitel den Sucht-Begriff definitorisch ein, analysiert Erklärungsmodelle zur Entstehung und beschreibt verschiedene Suchtkriterien. Schließlich wird die grundlegende Unterscheidung zwischen stoffgebundenen und stoffungebundenen Süchten diskutiert. Im dritten Kapitel soll die Synthese zwischen Arbeit und Sucht zur Arbeitssucht dargestellt und das Phänomen der Arbeitssucht einschließlich seiner Symptome und seiner Epidemiologie näher beleuchtet werden. Der Schwerpunkt liegt auf der Erfassung der verschiedenen Symptomatiken und den möglichen Folgen eines pathogenen Arbeitsverhaltens. Aufgrund des begrenzten Umfangs der Arbeit wurde auf die Darstellung und Diskussion der Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten einer Arbeitssucht verzichtet. Vielmehr soll das Phänomen in seinen akuten Erscheinungsformen definiert und somit erkennbar und sichtbar gemacht werden. Schließlich wird im letzten Kapitel des Theorieteils der Zusammenhang zwischen Arbeitssucht und Berufstätigkeit im helfenden Dienstleistungssektor dargestellt. Hierfür wird die Schwierigkeit einer Definition der helfenden Berufe formuliert, um schließlich spezifische persönlichkeitszentrierte und strukturelle Bedingungen des Berufes darzustellen. Einleitung 3 Im empirischen Teil werden die forschungsleitenden Hypothesen (fünftes Kapitel) und das Untersuchungsdesign eruiert, mit Darstellung der Erhebungsinstrumente, der Durchführungsplanung, der Operationalisierung der Konstrukte und der Rekrutierung der Stichprobe (sechstes Kapitel). Im siebten Kapitel folgt die Darstellung der gewonnenen Ergebnisse, die im weiteren Verlauf interpretiert und diskutiert werden. Es folgt eine kritische Auseinandersetzung mit potenziellen Limitierungen dieser Untersuchung. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick auf verschiedene Schwerpunkte in der zukünftigen Forschung. Arbeit 4 II Theoretischer Hintergrund 1 Arbeit 1.1 Etymologie und Entwicklung des Begriffs Arbeit Im Laufe der Geschichte ist der Begriff Arbeit und seine Bedeutung und Bewertung vielfach einem Wandel unterzogen worden. Um zu zeigen, welche historischen Arbeitsverständnisse auch auf die Moderne Auswirkungen haben, werden die Arbeitsauffassungen der verschiedenen relevanten Epochen und Traditionen kurz und ohne Anspruch auf Vollständigkeit nachgezeichnet. Dabei muss Arbeit immer im Kontext mit gesellschaftlich vorherrschenden Werten und dem geschichtlich vollzogenen Wandel verstanden werden (Jungkurth, 2005; Poppelreuter, 1997; Rosenstiel, 2006; Städele, 2008). Unser heutiges Wort Arbeit leitet sich aus dem lateinischen arvum, welches mit Ackerland übersetzt werden kann, sowie aus dem griechischen ponos ab, welches Not oder Mühsal bedeutet (Forschner, 1997; Greif, 1998). Demnach basiert die begriffliche Entwicklung und Interpretation des Wortes Arbeit vorwiegend auf dem durch Mühe gekennzeichneten Modell der Bearbeitung von Grund und Boden (Forschner, 1997). In der Antike wurde Arbeit als überlebensnotwendiges Übel verstanden, wobei ihr keinerlei Selbstzweck zuerkannt wurde (Breitsameter & Reiners-Köncke, 1997). Statt dessen galt diese als Feind des unabhängigen Geistes und verhinderte geistige Tätigkeiten, welche als lobenswert gesehen wurden (Matthey, 2011; Rohrlich, 1984). Die Griechen zeigten Verachtung insbesondere für körperliche Arbeit und verstanden diese ausschließlich als Notwendigkeit des Lebens. Arbeit war eine Tätigkeit der Sklaven oder Abhängigen und der Grad an Freiwilligkeit bei der Ausführung der Arbeit entschied über das Maß an gesellschaftlicher Anerkennung. Die höchste Daseinsform und damit die größtmögliche Freiheit war gegeben, wenn man sich der Muße und dem Denken hingeben konnte (Arendt, 1967; Bellebaum, 1990; Frambach, 1999; Jungkurth, 2005; Matthey, 2011; Voigt, 2006). Auch die frühen Christen und die Juden lehnten einen inneren Wert der Arbeit ab. Zwar hatte der Mensch schon im Paradies den göttlichen Auftrag, den Garten zu bebauen, aber mit der Erbsünde wurde die Arbeit zu einer Mühsal. Die Schwere und das häufige Misslingen der Arbeit wurden als Folge und Strafe der Erbsünde verstanden Arbeit 5 (Popppelreuter, 1997; Rohrlich, 1984). Der Sinn des Lebens bestand nicht im Arbeiten. Arbeit bezog sich daher auf eine religiöse Akzeptanz des Leids mit Blick auf das Jenseits (Matthey, 2011; Poppelreuter, 1997; Städele, 2008; Voigt, 2006). Durch die Reformation im 16. Jahrhundert erlebte der Blick auf die Arbeitstätigkeit einen erheblichen Wandel. Luther, als Mönch des Augustinerordens, vertrat ein Arbeits- und Berufsverständnis, welches die Gleichwertigkeit aller Arbeit vor Gott betonte und somit, entgegen der damaligen katholischen Kirchenlehre, nicht nur Priester und Mönche in ihrer göttlichen Berufung anerkannte. Dies begründete einen neuen Arbeitsethos, welcher jeden Beruf als göttliche Berufung deklarierte und die Arbeit als Dienst an Gott und seinen Nächsten formulierte. Diese protestantische Arbeitsauffassung beinhaltete zum einen die Arbeitspflicht, zum anderen wies sie eine deutlich positivere Konnotation von Arbeit auf, da Arbeit nicht nur dem persönlichen, sondern auch dem gesellschaftlichen Wohl diente (Bellebaum, 1990; Jungkurth, 2005; Weber, 2010). Doch während Luther in der Arbeit noch ein Mittel zum Leben sah, wurde sie im Verständnis des Calvinismus und der neuzeitlichen Ökonomisierung im 17. und 18. Jahrhundert zum einzigen Lebenszweck (Poppelreuter, 1997). Calvin interpretierte die Arbeit nicht mehr als Auftrag, sondern als Gebot Gottes und definierte Arbeitserfolg als Gnadenerweis, der belegte, dass die Person für das ewige Leben auserwählt sei (Bellebaum, 1990). Muße und damit einhergehende Verschwendung von Zeit galt als Gefährdung der erhofften Erlösung. Weber sieht die Entstehung einer neuen Arbeitsmoral, die sich schließlich bis zum Kapitalismus entwickeln konnte, begründet in dieser protestantisch-calvinistischen Ethik (2010). In der Zeit der Industrialisierung und der bürgerlichen Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts verlor die religiöse Bewertung von Arbeit zunehmend an Bedeutung, stattdessen stand der ökonomische Wert der Arbeit im Mittelpunkt. Arbeit wurde zu einem ökonomisch bestimmenden Produktionsfaktor, einer wertschöpfenden Tätigkeit und zugleich Quelle des menschlichen Wohlstands (Städele, 2008). Die Entwicklung neuer Technologien, die zunehmende Automatisierung und die Ermöglichung von Produktionsprozessen innerhalb von Fabriken führten zu einer Abwanderung der Landbevölkerung in die Städte, um dort Arbeit zu finden. Also Folge dessen trennten sich nun deren Lebensbereiche Wohnen, Arbeit und Freizeit. Außerdem resultierte daraus ein Überangebot an Arbeitskräften, welches sich in niedrigem Lohnniveau und schlechten Arbeitsbedingungen verdeutlichte. Arbeit war existenzielle Notwendigkeit. Die Arbeiter begleiteten dabei nur noch einen Teil des Produktionsprozesses, welches nach Karl Marx (1818-1883) zu einer zunehmenden Entfremdung des Industriearbeiters von sich selbst und seinem Produkt führte (Poppelreuter, 1997). Diese kritisierte Arbeitsteilung verdeutlicht die neue Bewertung der Arbeitstätigkeit als sinnstiftende Tätigkeit, in der der Arbeit 6 Mensch sich idealerweise verwirklichen soll. Der Mensch ist damit nach Hegels (17701831) Verständnis das Resultat seiner Arbeit, er konstituiert sich selbst durch seine Arbeit (Matthey, 2011). Diese Idee der Selbstverwirklichung durch Arbeit hat bis in die Gegenwart Bestand. 1.2 Definition von Arbeit Der Begriff Arbeit ist durch die verschiedensten gesellschaftlichen und historischen Entwicklungen geprägt. Während die Arbeit früher als Überlebensnotwendigkeit galt, wird sie heute zunehmend zur Selbstverwirklichung genutzt (Voigt, 2006). Obwohl es individuell stark differierende Auffassungen von Arbeit gibt, hat Arbeit meist über ihre Funktion der Existenzsicherung hinaus auch eine sinnstiftende und eine identifikationsvermittelnde Bedeutung (Rössner, 2004). Nach Jahoda (1995) werden heute der Arbeit überwiegend folgende Funktionen zugeschrieben: Sicherung des Einkommens, Aktivität und Kompetenz, Zeitstrukturierung, Kooperation und Kontakt, soziale Anerkennung und persönliche Identität. Damit ist Arbeit ein positiv besetzter Begriff, wobei sich nicht nur der Einzelne sondern die Gesellschaft insgesamt über ihre Arbeit definiert (Ribolits, 1997) und durch ihre Arbeitstätigkeit für das Individuum und das Kollektiv das Fortbestehen der Gesellschaft sichert (Semmer & Udris, 1995). Arbeitslosigkeit dagegen beinhaltet zumeist eine gesellschaftliche und soziale Degradierung und wird oft in Verbindung mit psychischen und physischen Erkrankungen gebracht. Rohrlich (1984) unterscheidet zwischen Arbeit als Tätigkeit und Arbeit als Geisteshaltung. Diese sei „die erlernte Organisation, Handhabung und Steuerung der äußeren und inneren Umwelt, um ein angestrebtes Ziel so tüchtig und wirksam zu erreichen wie möglich“ (S.30). Rohrlich beschränkt Arbeit dabei nicht nur auf die erwerbstätige, bezahlte Arbeit, sondern umfasst auch die Arbeit in der Freizeit (1984). Diese Auffassung ist in Hinblick auf die Arbeitssucht-Thematik relevant, da danach bedingt, nicht nur Erwerbstätige, sondern auch Arbeitslose, Hausfrauen, Ehrenamtler etc. arbeitssüchtiges Verhalten definitorisch aufweisen können (Meißner, 2005; Poppelreuter, 1997). Ulich (2004) kritisiert, dass diese geforderte definitorische Erweiterung des Arbeitbegriffes über die reine Erwerbstätigkeit hinaus im Rahmen der Arbeitspsychologie noch nicht ausreichend Beachtung gefunden hat. Arbeit 7 1.3 Bedeutung von Arbeit Menschliche Arbeit wird seit jeher ambivalent -zwischen notwendigen Übel und zentraler Lebensäußerung- bewertet (Poppelreuter, 1997; Rohrlich, 1984; Semmer & Udris, 1995). Diese erlebte Dualität menschlicher Arbeitserfahrung manifestiert sich in einer Auffassung von Arbeit „einerseits als Existenzgrundlage zur Befriedigung physiologischer Bedürfnisse, andererseits als ein Bereich zur Befriedigung ideeller Bedürfnisse“ (Breitsameter & Reiners-Köncke, 1997, S.42) und der Selbstverwirklichung. Die Arbeit wird als zentrale Basis der Identitätsentwicklung, des Kompetenzerlebens, des sozialen Kontaktes, der sozialen Anerkennung, der Tagesstrukturierung und Lebensplanung und als Fundament für Wohlstand und Konsum beschrieben (Poppelreuter, 1997; Semmer & Udris, 2007). Jahoda (1985) sieht neben den offensichtlich notwendigen Funktionen einer Erwerbstätigkeit, wie Erwirtschaftung des Lebensunterhaltes, auch die latente Funktion der regelmäßigen Aktivierung als besonders relevant. Diese Aktivierung sieht er als Grundlage für den Erwerb von Qualifikationen und der persönlichen Weiterentwicklung. Ruiz Quintanilla & Wilpert (1985) betonen ebenso den hohen Stellenwert von Arbeit für die Identität und die psychosomatische Gesundheit des Individuums, für die Art seiner sozialen Integration in Primärgruppen und die Angemessenheit seiner Auseinandersetzungen mit Alltagsproblemen …. Die subjektive Erfahrung der Arbeit und der Sinn, der ihr vom Individuum zugeschrieben wird, sind für den einzelnen von fundamentaler Entwicklungsrelevanz. (S. 119) Zwar ist gerade in den letzten Jahren eine zunehmende Sensibilisierung für die Überbetonung der Arbeit, geprägt durch Begriffe wie Work-Life-Balance zu konstatieren, doch „trotz mancher gegenteiliger Behauptungen des Wertezerfalls nimmt die (Erwerbsoder Berufs-)Arbeit auch heute noch eine zentrale Stellung im Leben vieler, wenn nicht der meisten Menschen ein“ (Semmer & Udris, 2007, S.160). Dabei hat eine Verschiebung von der protestantischen Leistungsethik hin zu Werten der Selbstentfaltung und persönlichen Erfüllung stattgefunden, welches sich zum einen in der mangelnden Bereitschaft äußert, der Arbeit alle anderen Lebensbereiche überzuordnen, gleichzeitig aber der Anspruch steigt, sich in der Arbeit verwirklichen zu können (Matthey, 2011; Semmer & Udris, 2007). Es wird in unserer Leistungsgesellschaft die soziale Stellung des einzelnen elementar durch seine Arbeit bestimmt (Schneider, 2001). „Das Produkt der Arbeit ist symbolisch. Es ist eine greifbare, gesonderte, genau umschriebene Erweiterung eines Menschen“ (Rohrlich, 1984, S.35). Arbeit fungiert als Arbeit 8 Statussymbol, wobei derjenige der am meisten Überstunden macht und unter Stress und Zeitdruck steht, als unverzichtbar und wichtig wahrgenommen wird. Diese immense immaterielle Bedeutung manifestiert sich darin, dass sich bei vielen Ruheständlern und Arbeitslosen eine zunehmende individuelle Verunsicherung und ein Gefühl der Nutzlosigkeit einstellt, trotz sichergestellter materieller Existenz (Hank, 1995; Liessmann, 2000; Peter, 2003; Unger & Kleinschmidt, 2006). Arbeitslos zu sein bedeutet in unserer Kultur soziale Degradierung und Entwertung (Eisenberg, 1999; Schandl, 1999). Lediglich Sandjaja (2007) beschreibt zeitgleich einen neuen parallelen Trend der Freizeitgesellschaft, in der Arbeit eher als Nebenerscheinung betrachtet wird und vielmehr dem Zweck dient, die arbeitsfreie Zeit zu gewährleisten. Trotz des hohen kulturellen Stellenwertes von Arbeit, findet gleichzeitig laut Wolf & Meins (2004) eine zunehmende Entwertung des Faktors Arbeit in der westlichen Gesellschaft statt. Stärkere Konkurrenz, Kostenreduktionsprogramme der Unternehmen, erhöhtes Risiko des Arbeitsplatzverlustes und Mehrbelastungen der Arbeitnehmer durch Erweiterung der Verantwortungsbereiche und Handlungsspielräume werden als zunehmende destruktive Trends formuliert. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen immer mehr und Arbeit wird mit nach Hause genommen. Auch nach Voß (1998) führt die aktuelle Veränderung der Organisationsbedingungen von Arbeit zur Entgrenzung der Arbeitsverhältnisse. Arbeitszeiten gestalten sich flexibler und individueller, und Entstandardisierung es der erfolgt eine Arbeitsmittel. Dezentralisierung „Die bisherige der Arbeitstätten und Fremdorganisation wird zunehmend durch die Selbstorganisation bei der Arbeitsführung ersetzt, woraus sich eine verstärkte individuelle Verantwortlichkeit innerhalb neuer Organisationsformen (z.B. Teamarbeit, abgeflachte Hierarchien) ergibt“ (Städele, 2008, S. 7). Dieser Zwang zur selbstverantwortlichen Strukturierung verlangt vom Arbeitnehmer fundierte und stets aktualisierte Fachkenntnisse, sogenannte Meta-Kompetenzen, wie Fähigkeiten zum Erwerb und Anwendung der prozessspezifischen Kenntnisse, eine hohe Selbstkontrolle und -motivation und ein alltagspraktisches Selbstmanagement. Diese Vorraussetzungen können zur Überbelastung und Überforderung führen (Sandjaja, 2007; Städele, 2008; Voß, 1998). Ribolits (1997) sieht die Gefahr der sinkenden Löhne und Gehälter bei steigendem Kapitalgewinn, wobei die Entlohnung meist nicht einmal die grundsätzlichen Lebenserhaltungskosten abdeckt. Lediglich Baumgartner und Korff (1999) erkennen in dem Wandel positive Aspekte. Durch den erhöhten Differenzierungsgrad der Arbeit kann Arbeit 9 eine fortschreitende Vervielfältigung der Möglichkeiten stattfinden, so dass sich für das Individuum neue Chancen der Selbstverwirklichung eröffnen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts kann eine ständige Abnahme der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit bei gleichzeitiger Zunahme der Urlaubstage und der freien Zeit festgestellt werden (Poppelreuter, 1997; Voigt, 2006). Trotz dieser Zunahme sind vielfach gesundheitliche Auswirkungen feststellbar. Wolf & Meins (2004) beschreiben den Anstieg von stressbedingten Störungen, wie HerzKreislauferkrankungen, erhöhten Blutdruck und Rückenbeschwerden und erhöhten Konsum von Nikotin, Koffein, Alkohol und Medikamenten. Auch Voigt (2006) deklariert, dass, bedingt durch starke und lang anhaltende Belastungen, ein Erschöpfungszustand eintreten kann, der sich neben somatischen Erkrankungen auch mental und psychisch auswirken kann. Jungkurth (2005) erkennt die Arbeit zum einen als krankheitsförderlichen Stresspool mit Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und unzähligen physischen und psychischen Belastungen, zum anderen betont sie aber auch die Polarisierung des heutigen Begriffs der Arbeit und knüpft damit an die Diskussion der positiven Bewertung der Arbeit an, die die Berufstätigkeit als Chance zur Selbstentfaltung versteht. Rohrlich (1984) unterstreicht, dass es für Arbeitende wichtig ist, dass sie in ihrem Arbeitsbereich ein Gefühl der Selbständigkeit, der Verantwortung und Macht benötigen. Je mehr ein Angestellter aufgrund von starker Überwachung oder Mobbing demoralisiert wird, desto mehr sinkt sein Selbstvertrauen und steigt sein Minderwertigkeitsgefühl. Subjektiver Zeitdruck, quantitative und qualitative Überforderung, Arbeitsplatzunsicherheit und Angst vor zukünftiger Arbeitslosigkeit, Dauer und Zeitpunkt der Arbeitszeit (Schichtarbeit), konfliktreiche Verhältnisse zu Arbeitskollegen, falsche Behandlung durch den Vorgesetzten und die berufliche Stellung und ihre gesellschaftliche Anerkennung stehen laut Seibel & Lühring (1984) im Zusammenhang mit einer überdurchschnittlichen Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit. Allmer (2002) vermutet sogar, dass das Mehr an vorhandener Freizeit nicht stressmindernd, sondern zusätzlich belastend wirkt. „Dysfunktionaler Umgang mit Stress umfasst und tangiert alle Lebensbereiche und kann zu korrumpierenden Effekten und Synergismus führen, da das hieraus resultierenden Erholungsdefizit gravierende Gesundheitsstörungen evozieren kann“ (Allmer, 2002, S.120). Auch Büssing (1999) konstatiert, dass der berufliche Stress vermehrt in den privaten Lebensbereich getragen wird und somit die erhoffte Erholung und Regeneration nicht eintreten kann. Poppelreuter (1997) weist darauf hin, dass bei der Betrachtung von Arbeitssucht der gesellschaftliche Wandlungsprozess berücksichtigt werden muss. Dabei gilt es, Arbeit 10 Verabsolutierungen der positiven Bewertung von Arbeit und ein rigides Festhalten an Vorstellungen von normaler Arbeit, zu hinterfragen, um so eine Auseinandersetzung mit der Arbeitssuchtproblematik zu fördern. Bestehende individuelle und gesamtgesellschaftliche Werte und Normen haben einen erheblichen Einfluss auf die Einschätzungen im Bereich der klinischen Diagnostik, wobei Begriffe wie Sucht sich nicht objektivieren lassen, sondern nur im Zusammenhang mit personalen, situativen und kulturellen Gegebenheiten, wozu auch individuelle Werte und soziale Normen zählen, gesehen werden können (Becker, 1981; Herwig-Lempp, 1987; Poppelreuter, 1997). Die Ausführungen verdeutlichen, dass Arbeit eine zentrale menschliche Verhaltensweise ist und somit auch nicht jede Vielarbeit mit dem Begriff der Arbeitssucht in Zusammenhang gebracht werden darf. Wie die Begriffe der Sucht und der Arbeitssucht abgegrenzt werden sollen und welche Kriterien erfüllt sein müssen, um von einer Suchterkrankung zu sprechen, wird im Folgenden erklärt. Trotz der Forderung der Forschung, den Arbeitsbegriff über die Erwerbsarbeit auszudehnen, ist in der vorliegenden Arbeit eine klare Ein- und Abgrenzung zur NichtErwerbsarbeit dringend erforderlich. Mit dem Ziel, süchtiges Arbeitsverhalten von Berufstätigen aus dem helfenden Dienstleistungssektor zu erforschen, bezieht sich diese Studie auf eine erwerbstätige Zielgruppe. Daher soll der Begriff Arbeit im Folgenden als zielgerichtete, berufsbezogene Tätigkeit verstanden werden. Sucht 11 2 Sucht 2.1 Definition von Sucht Gemäß Werner Gross (2002) kann Sucht als „unabweisbares Verlangen nach einem bestimmten (veränderten) Gefühls-, Erlebnis- und Bewusstseinszustand„ (S. 511) definiert werden. „Das Ziel von süchtigen Verhalten ist entweder, Lustgefühle herbeizuführen und/oder Unlustgefühle (Unruhe, Trauer, Wut, Entzugssymptome etc.) zu vermeiden“ (Gross, 2002, S.511). Gemäß Jungkurth (2005) und Meißner (2005) kann Sucht rein phänomenlogisch als Besessenheit durch ein Suchtmittel betrachtet werden, wobei das Suchtmittel kompensatorisch als ein Ersatzobjekt, z.B. für einen wahrgenommen Mangel oder auf der Suche nach Anerkennung, eingesetzt wird. „Bezeichnend für die Sucht ist deren Zwanghaftigkeit, Intensität und Maßlosigkeit“ (Voigt, 2006, S.29), wobei sie eine Eigendynamik entwickeln kann, bei der die ursprünglichen Ursachen für das Suchtverhalten in den Hintergrund treten. Willensfreiheit und die Fähigkeit zu wählen, gehen verloren und die Zwanghaftigkeit ist manifest (Voigt, 2006). Obwohl im Jahr 1964 durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Begriff der Sucht eigentlich aus der wissenschaftlichen Sprache zugunsten des Fachterminus Drogenabhängigkeit verbannt wurde, hat der Sucht-Begriff laut Städele (2008) und Schneider (2001) im heutigen deutschen Sprachgebrauch weiterhin vielfältige Bedeutungen: zum einen dient der Begriff der Beschreibung von normabweichenden Konsumverhalten, das zum größten Teil außerhalb der Kontrolle des Handelnden liegt und gleichzeitig einer medizinischen/ therapeutischen Behandlung bedarf (z.B. wie bei der Alkohol- und Drogensucht); zum anderen beschreibt Sucht normabweichende, auffällige und exzessive Verhaltensweisen (z.B. wie bei der Arbeits-, Online- und Sportsucht) (Holden, 2001; Poppelreuter, 1997; Städele, 2008). Dieser Unterteilung folgt auch Gross (2003), indem er Sucht definiert als „Verlangen nach einer Droge (z.B. Heroin, Alkohol, Tabletten) oder einem bestimmten Verhalten (z.B. Spielen, Essen, Arbeiten, Sex) mit dem Ziel, vor dem gegenwärtigen unerwünschten Erlebnis- und Bewusstseinszustand in einen anderen gewünschten zu fliehen“ (S. 27). 2.2 Ätiologie und Kriterien einer Sucht Aufgrund der Komplexität und der Vielschichtigkeit des Suchtphänomens und der wechselseitigen Beeinflussung durch verschiedene Faktoren kann eine einfache UrsacheWirkungs-Erklärung nicht hinreichend zur Erfassung der Suchtentstehung sein (Jungkurth, 2005; Städele, 2008). Es gibt zahlreiche Erklärungsansätze zur Ätiologie der Sucht 12 Sucht in der Wissenschaft, wobei Modelle der Multikonditionalität vorrangig exploriert werden (Jungkuth, 2005; Städele, 2008). Das Modell der Multikonditionalität nach Gross (2003), auch als Modell des Suchtdreiecks bezeichnet, sieht für die Entstehung der Sucht drei Bedingungskomplexe ausschlaggebend, die sich in unterschiedlichem Ausmaß auswirken können. Das Individuum stellt mit seinen spezifischen Merkmalen, wie psychische und physiologische Eigenarten, die persönliche Entwicklung und Reife, das Eingebundensein im sozialen Kontext, die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben, die erlebte Diskrepanz zwischen Ideal- und Real- Ich und genetischen Faktoren, einen Bedingungsfaktor dar. Als zweites Merkmal ist die spezifische Wirkung des Suchtmittels von Bedeutung. Hierbei sind Faktoren, wie Verfügbarkeit, Verträglichkeit, Dosis und Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential des Suchtmittels relevant. Als letztes und drittes Merkmal kann das soziale und gesellschaftliche Umfeld die Entstehung einer Sucht beeinflussen. Dabei handelt es sich vor allem um die Kultur und die Lebenssituation, die das Individuum umgeben, und die den Gebrauch von Suchtmitteln fördern und akzeptieren oder bedingt durch strukturelle Bedingungen der Gesellschaft diesen hemmen. Dabei wird betont, dass für jede Art der Sucht und für jeden Einzelfall jeweils andere Bedingungskonstellationen bestehen können (Grüsser, 2005; Schulz, 2000; Städele, 2008). Weitere Erklärungsmodelle zur Entstehung einer Suchterkrankung sollen im Kapitel 3.5 näher, insbesondere in Bezug auf die Entstehung einer Arbeitssucht, differenziert werden. Nach Gross (2002) geben folgende acht Kriterien Hinweis darauf, ob ein Verhalten süchtig entgleist ist: Kontrollverlust, Abstinenzunfähigkeit, Entzugserscheinungen, Wiederholungszwang, Dosissteigerung, Interessenabsorption und -zentrierung, gesellschaftlicher Abstieg und psychischer und körperlicher Verfall. Dabei bezieht sich die Sucht immer auf drei Ebenen: körperliche, psychische Abhängigkeit und zunehmende Beeinträchtigung der alltäglichen und sozialen Lebensführung. Nach den aktuellen Klassifikationssystemen ICD 101 (Dilling, Mombour & Schmidt, 2000) und DSM-IV-TR2 (Saß, Wittchen, Zaudig & Houben, 2003) wird Sucht mittels empirischer Kriterien durch eine operationalisierbare Diagnostik ermittelt. Beide 1 ICD 10 ist die Abkürzung für „Internationale Klassifikation psychischer Störungen“. Diese Abkürzung wird in der folgenden Arbeit verwendet. 2 DSM-IV-TR ist die Abkürzung für „Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen“. Auch diese Abkürzung wird in den weiteren Ausführungen genutzt. Sucht 13 Klassifikationssysteme sprechen dabei von Abhängigkeit bzw. Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen und verzichten auf den Begriff der Sucht, wobei der Begriff der Substanzabhängigkeit nicht definiert, sondern als „eine überzufällige häufige Kombination von einzelnen Symptomen beschrieben“ (Poppelreuter, 1997, S. 25) wird. Aussagen über die Ätiologie der Suchterkrankung sind dabei für die Erstellung der Diagnosen nicht relevant (Städele, 2008). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt im ICD 10 das Abhängigkeitssyndrom als eine Gruppe körperlicher Verhaltens- und kognitiver Phänomene, bei denen der Konsum einer Substanz … für die betroffene Person Vorrang hat gegenüber anderen Verhaltensweisen, die von ihr früher höher bewertet wurden. Ein entscheidendes Charakteristikum der Abhängigkeit ist der oft starke, gelegentlich übermächtige Wunsch, psychotrope Substanzen oder Medikamente…, Alkohol oder Tabak zu konsumieren. ( Dilling et al., 2000, S.92) Die Diagnose von substanzgebundener Abhängigkeit erfolgt nach den internationalen Diagnosemanualen DSM-IV-TR und ICD 10. Diese wird attestiert, wenn von den dort benannten sieben bzw. sechs Kriterien innerhalb des letzten Jahres mindestens drei gleichzeitig beim Individuum aufgetreten sind (vgl. Tabelle 2-1). Bei einer Abhängigkeit wird nach Tretter und Müller (2001) und Saß et al. (2003) zwischen psychischer und physischer Abhängigkeit unterschieden, wobei die physische Abhängigkeit den Zustand der Toleranzentwicklung mit einhergehendem Entzugssyndrom bei ausbleibendem Konsum beschreibt, die psychische Abhängigkeit den kognitiven Wunsch nach erneuter Einnahme der Droge mit der Intention, gehobene Stimmung zu erzeugen oder Unbehagen zu vermeiden, definiert. Des Weiteren wird zwischen einer vorliegenden Abhängigkeit und Missbrauch (DSM-IVTR)/ schädlichen Konsum (ICD 10) unterschieden. Während Abhängigkeit als eine anerkannte Krankheit durchaus mit Sucht gleichgesetzt werden kann, handelt es sich bei dem schädlichen Konsum um ein fehlangepasstes Konsumverhalten psychotroper Substanzen, das deutlich nachteilige körperliche oder psychische gesundheitliche Folgen hat (Städele, 2008; Voigt, 2006). Sucht 14 Tabelle 2-1 Diagnostische Kriterien der stoffgebundenen Sucht bzw. Abhängigkeit von psychotropen Substanzen nach DSM-IV-TR (Saß et al., 2003) und ICD 10 (Dilling et al., 2000) Substanzabhängigkeit Abhängigkeitssyndrom nach DSM-IV-TR nach ICD 10 - Häufiger Konsum der Substanz in großen - Starker Wunsch bzw. Zwang, psychotrope Mengen oder länger als beabsichtigt Substanzen zu konsumieren - Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche, - den Konsum der Substanz zu verringern oder zu Kontrollverlust im Umgang mit der Substanz Verminderte Kontrollfähigkeit bzw. kontrollieren - Substanzspezifische Entzugssymptome bzw. - Körperliches Entzugssyndrom, Aufnahme der Substanz zur Milderung der substanzspezifische Entzugssymptome Aufnahme der Substanz zur Milderung der Entzugssymptome bzw. Entzugssymptome - Toleranzentwicklung, verminderte Wirkung bei - Toleranzentwicklung , Dosissteigerung fortgesetzter Einnahme bzw. Verlangen nach Dosissteigerung - Aufgabe oder Einschränkung wichtiger sozialer, - beruflicher oder Freizeitaktivitäten Aktivitäten - Fortschreitender Kenntnis eines Vernachlässigung sozialer und beruflicher Substanzkonsum trotz - Anhaltender schädlicher Substanzkonsum trotz anhaltenden oder Auftretens eindeutiger Schäden wiederkehrenden substanzbedingten körperlichen oder psychischen Problems - Hoher Zeitaufwand für die Beschaffung oder Einnahme der Substanz bzw. zur Erholung von deren Wirkungen Anmerkungen ICD 10 ist die Abkürzung für „Internationale Klassifikation psychischer Störungen“, DSM-IVTR für „Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen“. Zweck des Konsums, Häufigkeit und Umfang des Konsums bestimmen, inwiefern von einer Sucht gesprochen werden kann, wobei die Übergänge zwischen Normalität und klinisch bedeutsamer Abweichung fließend sind und meist erst von einer psychischen Störung gesprochen wird, wenn ein subjektives Leiden des Betroffenen oder antisoziales Verhalten auftritt (Fiedler, 2007; Gross, 2003; Poppelreuter, 2002). Die Gesellschaft definiert aufgrund ihres existierenden Wertesystems, welche Süchte angemessen oder als inakzeptabel anzusehen sind, und bestimmt, ab wann der Konsum bzw. das Verhalten als exzessiv und somit als pathologisch zu bewerten ist (Voigt, 2006). Sucht 2.3 15 Stoffgebundene Sucht vs. Verhaltenssucht Seit Mitte des 20. Jahrhunderts, insbesondere seit Ende der 1980er Jahre wird in der Wissenschaft diskutiert, ob ein klinisch bedeutsames, exzessives Verhalten, bei dem kein Substanzkonsum vorliegt, auch als Sucht bzw. stoffungebundene Sucht bezeichnet werden kann (Grüsser & Thalemann, 2006; Städele, 2008). Dies ist zu bejahen, wenn davon ausgegangen wird, dass gemäß von Gebsattel (1954; zitiert nach Poppelreuter, 1997) jede menschliche Tätigkeit süchtig entarten kann. Die stoffgebundene Sucht/ Substanzabhängigkeit beschreibt den pathologischen Konsum von psychotropen Substanzen, wohingegen bei der Verhaltenssucht/stoffungebundenen Sucht keine psychotropen Substanzen von außen zugeführt werden. Durch ein exzessives Verhalten stellt sich ein psychotroper Effekt durch körpereigene biochemische Veränderungen ein (Grüsser & Thalemann, 2006; Poppelreuter & Gross, 2000; Thalemann, 2009). Gemeinsames Merkmal der verschiedenen Formen der Verhaltenssüchte sind dabei die exzessiven Ausführungen des jeweiligen Verhaltens über das normale Maß hinaus (Grüsser & Rosemeier, 2004) und das unabweisbare Verlangen nach einem bestimmten psychischen Zustand (Städele, 2008). Nach Grüsser und Thalemann (2006) können Betroffene durch exzessives Verhalten (wie z.B. durch exzessives Arbeiten, pathologisches Glücksspiel, intensive Internetnutzung etc.), analog dem Gebrauch von psychotropen Substanzen schnell und effektiv Gefühle wie Angst, Unsicherheit, Frustration regulieren und verlernen damit eine aktive Auseinandersetzung mit den eigenen Problemen. Somit erfüllt das Verhalten die Funktion, das Leben für den Betroffenen erträglicher zu machen und Stress effektiv, jedoch inadäquat, zu bewältigen. Grundsätzlich wird nichtstoffgebundenen zwischen stoffgebundenen Suchtformen differenziert, versus wobei die stoffungebundenen/ Arbeitssucht als handlungsbezogene Suchtform der zweiten Kategorie zugehörig ist. Dabei folgen die Klassifikationssysteme ICD 10 und DSM-IV-TR bislang noch nicht dieser Kategorisierung und weisen Verhaltenssüchte nicht als eigenständiges Störungsbild auf, sondern ordnen spezielle Verhaltensüchte wie Pathologisches Glücksspiel zu den Störungen der Impulskontrolle (Grüsser & Thalemann, 2006; Jungkurth, 2005; Poppelreuter, 1997; Poppelreuter & Gross, 2000; Städele, 2008). Somit ist es gegenwärtig nur möglich, die verschiedenen Formen der Verhaltenssucht in Anlehnung an die Einordnung des Pathologischen Glücksspiel als „Sonstige abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle“ (ICD 10) bzw. „Nicht näher bezeichnete Störung der Impulskontrolle“ (DSM-IV-TR), welche Verhaltensstörungen Sucht 16 beschreiben, die einen unkontrollierbaren Impuls umfassen, zu diagnostizieren. Laut Poppelreuter & Gross (2000) ist diese Einordnung der Verhaltenssüchte aber unzureichend und kann in der Praxis verhindern, dass geeignete Elemente der Behandlung von substanzabhängigen Patienten in der Therapie angewendet werden. Gegenwärtig besteht in der Literatur Uneinigkeit bezüglich der Konzeptualisierung der exzessiven Verhaltensweisen mit klinischer Relevanz. Zwar herrschen überwiegend einheitliche Kriterien, die Bezeichnungen und Zuordnungen der Störungsbilder gestalten, sich aber voneinander abweichend: „Als Störungen der Impulskontrolle werden Verhaltensweisen bezeichnet, bei denen der Betroffene nicht in der Lage ist, dem Impuls, Trieb oder der Versuchung zu widerstehen, eine Handlung auszuführen, die für die Person selbst oder andere schädlich ist“ (Grüsser & Thalemann, 2006, S.21). Laut Grüsser & Rosemeier (2004) scheint dabei aber eine Konzeptualisierung der exzessiven, belohnenden Verhaltensweisen als Impulskontrollstörung unzureichend, da Impulsivität auch als ein Kernpunkt einer Abhängigkeitserkrankung gesehen werden kann, und somit eine klare und eindeutige Differenzierung nicht gewährleistet ist. Des Weiteren werden laut Städele (2008) und Gross (2004) grundlegende Symptome, wie der Toleranzentwicklung, die Zentrierung der Lebensinhalte auf das Verhalten und die Entzugssymptomatik, bei dieser Zuordnung vernachlässigt. Als zweite Konzeptualisierung wird die Zuordnung der exzessiven Verhaltensweisen zu den Zwangsstörungen beschrieben. Zwangstörungen umfassen Störungen, die durch einen intensiven Drang gekennzeichnet sind, ein spezifisches Verhalten durchzuführen. Dieser Drang wird von den Betroffenen meist als unangenehm empfunden (Grüsser & Thalemann, 2006). Das ICD 10 (Dilling et al., 2000) sieht diese Zuordnung als wenig zutreffend, da das Verhalten weder im engeren Sinne zwanghaft sei, noch mit einer Zwangsneurose in Verbindung stehe. Eine dritte vorherrschende Konzeptualisierung (Verhaltenssucht) ordnet exzessive, belohnende Verhaltensweisen den Merkmalen von Abhängigkeitserkrankungen zu und erkennt die eindeutigen Parallelen zu den diagnostischen Kriterien der 3 Substanzabhängigkeit (Gross, 2003; Grüsser & Thalemann, 2006; Holden, 2001; Lejoyeux, McLoughlin & Adés, 2000; Poppelreuter & Gross, 2000). Hervorgehoben werden die eingeschränkte Kontrolle über das Suchtverhalten, die Dosissteigerung des 3 Siehe dazu auch Kap.2.2, Tabelle 2-1. Sucht 17 Verhaltens, das starke Verlangen, dieses fortzusetzen (Wiederholungszwang), die Interessenabsorption, der körperliche und psychische Zerfall und das auftretende körperliche und psychische Unbehagen und die Nervosität, wenn die Durchführung des Verhaltens verhindert wird (Entzugssymptomatik/Abstinenzunfähigkeit). „Des Weiteren wird von einer homöostasegeleiteten kompensatorischen Reaktion des Organismus (Toleranzentwicklung) bei der Ausübung des Verhaltens ausgegangen“ (Grüsser & Thalemann, 2006, S. 23). Dabei schließen sich neueste neurobiologische Forschungen dieser Kategorisierung an, indem sie z.B. auch bei der Theorie des Suchtgedächnisses stoffungebundene Abhängigkeiten miteinbeziehen (Springer, 2009).4 Somit ist es der Wissenschaft bislang nicht gelungen, die Verhaltenssüchte einheitlich in einem Krankheitsbild festzuhalten, und es besteht weiterhin die Schwierigkeit der Etikettierung der stoffungebundenen Suchtformen, da die Quantität des gezeigten Suchtverhaltens allein für eine Diagnose nicht ausreicht und es bisher wenig evaluierte Diagnoseinstrumente gibt (Städele, 2008). Ebenso treten die negativen Folgen einer Verhaltenssucht meist extrem zeitverzögert auf und die Intensität der Selbstzerstörung ist meist weniger massiv, was eine Identifizierung der Sucht zusätzlich erschwert (Voigt, 2006). In der vorliegenden Arbeit soll in Anlehnung an die Definition von Gross (2003) Sucht als eine zwanghafte Befriedigung eines Bedürfnisses oder als ein unabweisbares Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand verstanden werden. Dabei kann jede Form menschlicher Tätigkeit süchtig entarten (v. Gebsattel, 1954; zitiert nach Poppelreuter, 1997). Sucht ist als psychologischer Terminus zu verstehen, der die psychiatrischen Diagnosekriterien von Abhängigkeit teilweise einbezieht, aber auch darüber hinaus gehen kann (Poppelreuter, 1997; Poppelreuter & Gross, 2000). Damit wird auch im Rahmen dieser Arbeit die begriffliche Differenzierung zwischen dem diagnostischen Begriff der Substanzabhängigkeit und dem psychologischen Begriff der Verhaltenssucht/ stoffungebundenen Sucht im Allgemeinen und der Arbeitssucht im Speziellen beibehalten. 4 Siehe dazu auch Kap. 3.5. Arbeitssucht 18 3 Arbeitssucht 3.1 Etymologie und Entwicklung des Begriffs Arbeitssucht Arbeitssucht wird in der Psychologie zunehmend seit den 1970er Jahren wissenschaftlich diskutiert. Schon sehr früh finden sich in der Belletristik durch z.B. Wilhelm Busch (1832-1908) und in der Wissenschaft durch Lefargue im Jahr 1883 und dem Psychoanalytiker Sandor Ferenci im Jahr 1919 Beschreibungen von arbeitssüchtigem Verhalten (Gross, 2003; Poppelreuter, 2002; Voigt, 2006; Weimar, Braakmann, Gelo & Schiava-Winkler, 2009). Der Begriff Workaholism, als englische Version des Begriffs Arbeitssucht, wurde erstmalig 1968 durch Wayne Oates geprägt (Voigt, 2006). Im deutschsprachigen Raum sprach Mentzel 1979 von der „Droge Arbeit“, wobei sowohl Mentzel als auch Oates enge Parallelen zwischen Arbeitssucht und Alkoholismus erkannten (Städele & Poppelreuter, 2009). Obwohl sich seit der Deklarierung von Arbeitssucht durch Oates im Jahre 1968 die Thematik an viel Popularität in den Medien erfreute, fand eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit systematischen und qualitativen empirischen Studien verstärkt erst in den 1990er Jahren durch Forschungsarbeiten von Spence und Robbins im Jahr 1992 im englischen Sprachraum und durch Poppelreuter im Jahr 1996 im deutschsprachigen Raum statt (Städele & Poppelreuter, 2009). Zwar erfolgten zuvor bereits Studien in den USA und Japan, diese zeichneten sich jedoch durch unpräzise Forschungsmethoden aus (Kleine, 2007). Bis heute ist festzustellen, dass das Thema Arbeitssucht nur wenig wissenschaftlich aufgearbeitet wurde (Schneider, 2001; Städele, 2008). Burke (1999), Poppelreuter (2002), Schneider und Bühler (2001) sehen die noch sehr junge Grundlagenforschung im Bereich der stoffungebundenen Süchte, die mangelnden empirischen Daten, die begrifflichen Unklarheiten und mangelnde operationale Definitionen, mangelnde valide Maßstäbe und den fehlenden intra- und interdisziplinären Konsens als Ursache für die geringe wissenschaftliche Forschung. Als weiteren Grund vermutet Poppelreuter (2002) den hohen kulturellen Stellenwert von Arbeit und die darin begründete Vermeidung einer kritischen Auseinandersetzung. Innerhalb der Forschung bestehen weiterhin immer noch Uneinigkeiten bezüglich der Terminologie (Dieckmann, 2007; Voigt, 2006). Sonnenmoser (2005), Breitsameter und Reiners-Kröncke (1997) formulieren arbeitssüchtiges Verhalten in der Begrifflichkeit als pathologischen Arbeitens, während andere Autoren wie Poppelreuter (1997), Städele Arbeitssucht 19 (2008), Grüsser und Thalemann (2006) von Arbeitssucht sprechen. Auch laut Weimar et al. (2009) und Schneider (2011) werden die Begriffe der Arbeitssucht und Workaholismus oft gegensätzlich verwendet. „Während Arbeitssucht als negativ im Sinne einer Erkrankung bewertet wird, gilt Workaholismus als positiv konnotiert.“ (Weimar et al., 2009, S. 167). In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff Arbeitssucht angewendet. 3.2 Definition von Arbeitssucht Es existiert derzeit keine einheitliche Definition des Störungsbildes Arbeitssucht. Damit wird die Arbeitssucht, wie die meisten stoffungebundenen Süchte, in den gängigen Klassifikationssystemen nicht berücksichtigt (Grüsser & Thalemann, 2006).5 Auch nach Poppelreuter und Evers (2000) gibt es bisher keine deckungsgleiche Bestimmung von Arbeitssucht, lediglich kann als allgemeines Definitionsmerkmal formuliert werden, dass arbeitssüchtige Menschen in einem exzessiven Maß arbeiten und andere Lebensbereiche vernachlässigen. Nach Schneider (2001) und Schwochow (1997) kann dabei nicht im Gegensatz zu anderen Suchtformen aus der Intensität und Quantität des Missbrauchs der Grad der Sucht geschlussfolgert werden. Süchtiges Arbeitsverhalten zeigt sich insbesondere in den negativen gesundheitlichen Folgen, den Beeinträchtigungen im sozialen Bereich und den Einschränkungen im Wohlbefinden des Betroffenen (Schneider, 2001). Bei Arbeitssucht handelt es sich laut Poppelreuter (1997) vielmehr um eine spezifische Geisteshaltung, die sich durch die kognitive Zentralität (Schwochow, 1997) und Exklusivität der Arbeit auszeichnet. Schneider (2001) konstatiert die starke psychische Abhängigkeit vom Arbeitsprozess als wesentliches Merkmal einer vorliegenden Arbeitssucht, wobei der Betroffene aus einem Zwang heraus übermäßig viel arbeitet und sogar Schuldgefühle hat, sobald er einmal untätig ist. In Anlehnung an Wehner (2006) definiert Städele (2008) Arbeitssucht als eine Form pathologischen Arbeitsverhaltens, als „einen unkontrollierbaren, inneren Zwang sowohl in der berufstätigen Arbeitswelt als auch in der Freizeit tätig zu werden, wobei gleichzeitig alle anderen Verhaltensoptionen dem Arbeiten untergeordnet und zumindest einige der den stoffgebundenen Abhängigkeiten ähnlichen Suchtverhaltensweisen gezeigt werden“ (S. 25). 5 Siehe dazu auch Kap. 2.3 Arbeitssucht 20 Wolf (2003) und Gross (2003) sehen die krankhafte Fixierung auf die eigene Arbeitstätigkeit insbesondere in der Funktion der Verdrängung psychischer Probleme und der Abwehr gegen die Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen begründet. Heide (1999, zitiert nach Voigt, 2006) sieht neben dem inneren Zwang, auch ein äußeren Zwang, verursacht durch Druck, den Unternehmen auf ihre Angestellten ausüben, auslösend für ein pathologisches Arbeitsverhalten und zieht damit Vergleiche zu den asiatischen Kulturen. Auch Wolf und Meins (2004) sehen in der Angst, den betrieblichen und eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden zu können, eine Ursache für eine krankhafte Fixierung auf das Arbeiten. Schaef und Fassel (1994) gehen sogar von einer die Arbeitssucht stützenden und fördernden Gesellschaft aus und gehen damit in ihrer Definition noch stärker auf situationsbedingte Faktoren ein. Sie vermuten, durch die zunehmende Vernetzung unserer heutigen Kommunikationsgesellschaft bedingt, dass es immer einfacher wird, den Beruf mit dem Privaten zu vermengen, welches als Einstieg zur Arbeitssucht dienen könne. Laut Poppelreuter und Evers (2000) ist aufgrund der wenig aussagekräftigen Forschungsergebnisse derzeit nur eine operationale Definition der Arbeitssucht möglich, die sich an den allgemeinen Indikatoren nicht-stoffgebundener Süchte orientiert. In Anlehnung an Schneider (2001) und Städele (2008) soll in dieser Arbeit Arbeitssucht als ein Begriff verstanden werden, der sowohl das unkontrollierte Bedürfnis nach Arbeit, als auch Aspekte des süchtigen Verhaltens in seiner Ausprägung berücksichtigt. Wie bereits im Kapitel 1.3 dieser Arbeit beschrieben, gilt es aber bei der Betrachtung des Arbeitssuchtphänomens, die hohe gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit zu berücksichtigen. Die Gesellschaft negiert Arbeit, als Tugend definiert, in Verbindung mit Krankheit zu bringen. Selbst in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der Thematik der Arbeitssucht lassen sich Meinungen finden, die Arbeitssüchtige als Segen für ein Unternehmer sehen, da diese viel und produktiv arbeiten würden (Machlowitz, 1978, zitiert nach Poppelreuter & Evers, 2000). Sonnenmoser (2005) beschreibt daher die Arbeitssucht als „Sucht, der andere Beifall spenden“ (S. 160), Poppelreuter und Windholz (2005) bezeichnen sie als eine „saubere Sucht“ (S.114). 3.3 Epidemiologie Eine genaue Bestimmung der Prävalenz von Arbeitssucht in der deutschen Bevölkerung wird durch die zahlreichen unterschiedlichen Operationalisierungen des Störungsbildes, die verschiedenen diagnostischen Kriterien und die uneinheitlich verwendeten Diagnoseinstrumente erschwert und erscheint somit unmöglich (Grüsser & Thalemann, Arbeitssucht 21 2006; Städele & Poppelreuter, 2009). Somit kann konstatiert werden, dass es zur Epidemiologie der Arbeitssucht derzeit keine konkreten Angaben gibt. In der Literatur finden sich lediglich Schätzungen über die Ausmaße des Störungsbildes, diese reichen von 5 Prozent (Machlowitz, 1981, zitiert nach Grüsser & Thalemann, 2006) über 10 Prozent der amerikanischen Bevölkerung (Cherrington, 1980, zitiert nach Grüsser & Thalemann, 2006), bis hin zu 49 Prozent nach Burke (1999). Poppelreuter und Wind (2001) untersuchten im deutschen Sprachraum zwei große Unternehmen und bewerteten 13 Prozent der Stichprobe als arbeitssuchtgefährdet bzw. arbeitssüchtig. 2004 schätzt Poppelreuter (2004 a), dass von ca. 200 000 bis 300 000 Betroffenen in Deutschland auszugehen ist. Poppelreuter (2004 b) erkennt dabei in der Arbeitssucht ein universelles Phänomen, welches jeder, ungeachtet seines Alters, Familienstands oder des Berufstatus, entwickeln kann (Poppelreuter, 1997; Schneider, 2001; Städele, 2008). Damit stehen diesen empirischen Erkenntnissen Aussagen gegenüber, die von Arbeitssucht als „Leiden der Leitenden“ (Gross, 2003, S. 124) sprechen und das Phänomen hauptsächlich auf der Ebene der Topmanager und Karrieristen vermuten (Burke, 1999; Robinson, 2000). Nach Poppelreuter (1997) findet die Arbeitssucht in der Erwerbs- und Berufsarbeit ihren prägnantesten Ausdruck, wobei Schneider (2001) betont, dass spezifische Berufe und deren Arbeitsbedingungen besonders gefährdet sind, eine Arbeitssuchtserkrankung zu entwickeln. Insbesondere fallen unter diese Kategorie Berufe, in denen sich Menschen oft sehr stark mit ihrer Arbeit identifizieren (z.B. Ärzte, Pfarrer, Wissenschaftler, etc.) und in denen die Arbeitszeit nicht genau festgelegt ist (…). Eine große Gefahr geht in diesen Berufen oft von der nicht exakt definierten Arbeitsvorgabe bzw. einem idealistischen Arbeitsziel aus. (Schneider, 2001, S.23) Obwohl bisher keine Signifikanz zwischen dem Auftreten der Arbeitssucht und bestimmten Berufsgruppen nachgewiesen werden konnte, soll in der folgenden Arbeit, Bezug nehmend auf Schneider, untersucht werden, ob sich helfende Berufe aufgrund eines hohen Idealismus als besonders arbeitsuchtgefährdet zeigen. 3.4 Symptome, Typologien und Verlauf von Arbeitssucht Die Vielfalt in der Literatur berichteter Symptome, die unterschiedlichen Typen von Arbeitssüchtigen und die verschiedenen Folgen eines pathologischen Arbeitsverhaltens erschweren die Entwicklung eines einheitlichen Symptomkatalogs enorm (Poppelreuter, 2007). Wie bereits im Kapitel 3.2 beschrieben, kann daher derzeit lediglich eine operationale Definition der Arbeitssucht formuliert werden, die sich an ausgewählten allgemeinen Indikatoren stoffungebundener Süchte orientiert. Arbeitssucht 22 Danach ist unter Arbeitssucht nach Poppelreuter und Evers (2000) eine Symptomatik zu verstehen, die sich primär kennzeichnen lässt durch den Verfall an das Arbeitsverhalten (die Zentrierung des gesamten Vorstellungs- und Denkraumes auf die Arbeit), den Kontrollverlust (die Unfähigkeit, Umfang und Dauer des Arbeitsverhaltens zu bestimmen), die Abstinenzunfähigkeit (es wird subjektiv als unmöglich erlebt, kürzere oder längere Zeit nicht zu arbeiten), das Auftreten von Entzugserscheinungen bei gewolltem oder erzwungenem Nicht-Arbeiten (bis hin zu vegetativen Symptomen), die Toleranzentwicklung (zur Erreichung angestrebter Gefühlslagen/ Bewusstseinszustände muss immer mehr gearbeitet werden), das Auftreten psychosozialer und/oder psychoreaktiver Störungen. (S.74) Dabei ist für eine Diagnoseerstellung noch nicht ausreichend geklärt, wie viele Indikatoren in welcher Intensität und über welchen Zeitraum auftreten müssen, um diagnostisch von einer vorliegenden Arbeitssucht sprechen zu können (Poppelreuter & Evers, 2000). Breitsameter und Reiners-Kröncke (1997) betonen, dass zu erwarten ist, dass der Betroffene keine Störungseinsicht zeigen wird, da es sich bei Arbeitssucht um eine ich-syntone Störung handelt, wobei der Betroffene sein deviantes Verhalten selbst eher selten als störend empfindet oder als abweichend erlebt (Städele, 2008). Dies erschwert eine Diagnoseerstellung zusätzlich. Fiedler (2007) formuliert einschränkend, dass diese Ich-Syntonie nicht im absoluten Sinne verstanden werden kann, da der Betroffene die Folgen in Form von z.B. zwischenmenschlichen Schwierigkeiten und körperlicher Erschöpfung deutlich wahrnimmt, aber die kausale Ursache in seinem eigenen Verhalten nicht erkennen kann. Wie bereits in Kapitel 2.3 beschrieben kann Arbeitssucht als Verhaltenssucht derzeit aufgrund seiner mangelnden Diagnostik nicht als eigenständige Diagnose gestellt werden, sondern es bedarf einer Zuordnung zu den Störungen der Impulskontrolle (ICD 10 oder DSM-IV-TR) oder nach dem ICD 10 zu den Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen (Z00-Z99 ICD 10) können. Sandjaja (2007) macht auf die Möglichkeit aufmerksam, Arbeitssucht unter Z73 ICD 10 als Probleme verbunden mit Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung einzuordnen, wozu auch Probleme wie Zustand der totalen Erschöpfung (Burn-out- Arbeitssucht 23 Syndrom), körperliche und psychische Belastungen, unzulängliche soziale Fertigkeiten, etc. zählen. In der Diagnostik verdeutlichen sich folglich die aufgrund der definitorischen Vielfalt von Arbeitssucht beschriebenen Schwierigkeiten. So existieren eine Vielzahl von Fragebögen und Checklisten zur Erhebung einer Arbeitssucht, die aber den wissenschaftlichen Mindestanforderungen an die Konstruktion eines psychologischen Messinstrumentes nicht erfüllen. So fehlt es oftmals an einer theoretischen Fundierung und an der Überprüfbarkeit von Items- und Testgütekriterien, welches als Voraussetzungen für eine reliable und valide Erfassung gilt (Grüsser & Thalemann, 2006; Poppelreuter, 1997; Poppelreuter, 2007; Städele, 2008). Dabei beanspruchen die meisten Testverfahren gar nicht eine sichergestellte diagnostische Erhebung, sondern sollen lediglich als Selbsteinschätzungsfragebogen oder allenfalls als diagnostisches Hilfsmittel neben anderen Informationsquellen bei der Diagnose verstanden werden (Poppelreuter, 2002). Die in der Literatur vorzufindenden Charakterisierungen von Arbeitssüchtigen lassen sich zusammenfassend als Menschen mit einem Hang zum Perfektionismus beschreiben. Sie stellen an sich und ihre Umwelt hohe Anforderungen, oftmals bis hin zur eigenen Überforderung oder bis hin zu sozialen Konflikten. Zeitgleich zeigen die Betroffenen ein ausgeprägtes Kontrollbedürfnis, Delegationsfähigkeit, Unflexibilität, eine zwanghafte starke Arbeitsweise, Versagensängste und mangelnde ein schwach ausgeprägtes Selbstbewusstsein, welches sie durch ihre Arbeitstätigkeit auszugleichen versuchen. Dabei erleben sie ihre Arbeit meist nicht positiv, sondern weisen vielmehr aufgrund der Selbstzweifel und Ängste eine negative emotionale Grundhaltung auf. Die Anonymen Arbeitssüchtigen (2012) und Heide (2001, zitiert nach Voigt, 2006) gehen davon aus, dass auch eine aktive Arbeitsvermeidung als arbeitssüchtiges Verhalten gesehen werden kann, wenn sie aus der Angst heraus, den eigenen perfektionistischen Ansprüchen nicht mehr genügen zu können, geschieht. Diese Haltung bleibt aber in der Literatur umstritten. Da aufgrund des zunehmenden Egoismus des Arbeitssüchtigen dessen Welt sich nur noch um ihn selbst und seine Arbeit dreht, verliert der Betroffene seine Kommunikations- und Empathiefähigkeiten. Dies führt oftmals zu einer starken Unbeliebtheit, sozialer Isolation und zwischenmenschlichen Schwierigkeiten. Der Betroffene kann seine Freizeit kaum genießen, da er unter Schuldgefühlen aufgrund seiner Untätigkeit leidet. Er dehnt seine Arbeitszeiten zunehmend aus. Dieses dysfunktionale Verhalten wird zwanghaft und bis zur völligen Erschöpfung wiederholt. Weiterhin leidet der Betroffene oft unter mehreren Süchten (wie z.B. Alkohol- und Nikotinsucht) und weist oft auch ein ausgeprägtes Typ- Arbeitssucht 24 A6- und selbstschädigendes Verhaltensmuster auf. Arbeitssüchtige sind generell unzufriedener als Nicht-Arbeitssüchtige. Neben der Arbeit empfinden sie auch ihre Gesundheit, Partnerschaft und Beziehung zu Freunden und Verwandten deutlich negativer. Sie leiden deutlich mehr unter gesundheitlichen Beschwerden und sind nach ihrer subjektiven Einschätzung einer quantitativ höheren Arbeitsbelastung ausgesetzt (Breitsameter & Kröncke, 1997; Gross, 2003; Matthey, 2011; Poppelreuter, 1997; Robinson, 2000; Schwochow, 1997; Städele, 2008; Weimar et al., 2009). Obwohl die Wissenschaft sich einig ist, dass es keine typischen Arbeitssüchtigen gibt und Arbeitssucht eher ein Syndrom mit unterschiedlichen Ausprägungen beschreibt (Gross, 2003; Poppelreuter, 2002; Schwochow, 1997), gibt es eine Reihe von Versuchen, verschiedene Kategorien von Arbeitssüchtigen zu bestimmen. Poppelreuter (1997) unterscheidet vier Typen von Arbeitssüchtigen: der entscheidungsunsichere Arbeitssüchtige erlebt oftmals einen Arbeitsstau und neigt dazu, aufgrund einer mangelnden Entscheidungsfähigkeit für einen Lösungsweg mehr als notwendig zu tun. Er weist wenig Arbeitssuchtmerkmale auf, im Vergleich zu Nicht-Arbeitssüchtigen zeigen sich jedoch Unterschiede im Freizeiterleben, der Zentralität der Arbeit und den perfektionistischen Ansprüchen. der überfordert- zwanghafte Arbeitssüchtige hat einen ausgeprägten Hang zum Perfektionismus und leidet unter Entscheidungsschwierigkeiten, Angst und Überforderungsgefühlen. Dies hindert ihn daran, effektiv zu arbeiten. Die Arbeit hilft ihm, negative Gefühle und Sozialkontakte zu verdrängen. der verbissene Arbeitssüchtige kann sich in seine Arbeit vertiefen, bis diese gelöst ist. Er weist einen rücksichtslosen Arbeitsstil auf, weil er seine Überzeugungen bedingungslos durchsetzen will. Er lehnt es kategorisch ab, Verantwortung oder Arbeit zu delegieren. Der überfordert- unflexible Arbeitssüchtige ist nicht in der Lage, flexibel auf verschiedene Ansprüche und Anforderungen zu reagieren, und ist deshalb schnell durch seine Arbeit überfordert. Durch exzessives Arbeiten, 6 Persönlichkeitsfaktor, der das Risiko einer koronaren Herzerkrankung erhöht. Typ A-Menschen zeichnen sich durch extremes Konkurrenzverhalten, Aggressivität, Ungeduld, große Hast und Feindseligkeit aus. Arbeitssucht 25 Kontrollieren und Perfektionismus versucht der Betroffene, die Angst vor den Anforderungen zu unterdrücken. Aufgrund seiner gedanklichen Vereinnahmung durch die Arbeit löst Untätigkeit bei ihm Schuldgefühle aus. Nach Gross (2003) sind die von Poppelreuter entwickelten Kategorien allerdings nicht trennscharf. König (1998) und Berger (2000) beschreiben in Anlehnung an Rohrlich (1984) folgende für eine Arbeitssucht gefährdete Arbeitsstile: der egozentrisch-narzisstische Arbeitsstil - Suche nach anerkennender Aufmerksamkeit, Überwertung der eigenen Leistungen bei gleichzeitiger Abwertung der Leistungen anderer. der einsam-schizoide Arbeitsstil - starke Sachlichkeit, misstrauische Wachheit und mangelndes Einfühlungsvermögen gegenüber Kollegen. der abhängig-depressive Arbeitsstil - Konflikt vermeidend, Harmonie bedürftig, Angst vor Zurückweisung und mangelnde Abgrenzungs- und Einforderungsfähigkeit. Oft findet sich dieser Arbeitsstil in helfenden Tätigkeiten. der kontrolliert-zwanghafte Arbeitsstil - Disziplin, Pünktlichkeit, Selbstbeherrschung und mangelnde Spontanität und Impulsivität. Neue Ideen werden aufgrund eines überbewerteten Sicherheitsbedürfnisses und Sorge vor Kontrollverlust vermieden. der wetteifernd-rivalisierende Arbeitsstil - Drang nach einer möglichst effektvollen Darstellung der Arbeitsergebnisse, um sich Respekt zu verschaffen. Im Arbeitsalltag bedeutet dies, Kollegen oft als Konkurrenten zu erleben und bei Arbeitsprojekten nur anfänglich eine hohe Begeisterung zu zeigen, da ein mangelndes Durchhaltevermögen vorherrscht. Gemeinsam ist allen formulierten Typen die Unfähigkeit das Leben ohne ein Übermaß an Arbeit genießen zu können (Gross, 2003, Grüsser & Thalemann, 2006; Kleine, 2007; Schwochow, 1997). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Arbeitsucht sich in unterschiedlichen Erscheinungsformen äußert und verschiedenen Subgruppen zugeordnet werden kann. Somit ist kein typisches Arbeitssuchtprofil erkennbar. Sie ist eher als ein Syndrom mit unterschiedlich starken Ausprägungen oder auch Phasenverläufen verstehbar (Jungkurth, 2005; Poppelreuter, 2002; Robinson, 2000). Dennoch können sich Typologien für die Praxis als nützlich erweisen, indem sie als Abgrenzung zwischen gesundem Vielarbeiten und pathologischem Arbeitsverhalten dienen, sie als Grundlage für neue Arbeitssucht 26 Interventionsmöglichkeiten hinzugezogen werden, oder, indem sie verdeutlichen, dass eine einzelfallorientierte Vorgehensweise in Diagnostik und Therapie aufgrund der Vielschichtigkeit des Störungsbildes unbedingt notwendig erscheint ( Breitsameter & Reiners-Kröncke, 1997; Poppelreuter & Mierke, 2005; Poppelreuter & Windholz, 2001). Gemäß Poppelreuter (1997) kann Arbeitssucht als sich stetig veränderndes Verhalten, bei dem sich die Einstellungs- und Verhaltensmuster zunehmend auf die Arbeit fokussieren, verstanden werden. Obwohl die individuellen Suchtverläufe von vielen Faktoren abhängen, und es sich somit immer um einen spezifischen Einzelfall handelt (Breitsameter & Reiners-Kröncke, 1997), finden sich in der Literatur unterschiedliche Phasenmodelle der Arbeitssucht. Schwochow (1997) unterscheidet in Anlehnung an die Psychologin Diane Fassel drei Phasen einer Arbeitssuchterkrankung. Die erste Phase beschreibt er als frühes Stadium, welches sich durch ständige Hetze und Geschäftigkeit, der Unfähigkeit, Aufgaben abzulehnen, das ständige Denken an die Arbeit und die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten äußert. Im mittleren Stadium ist eine Zunahme anderer Süchte, die Abnahme des sozialen Lebens und die Vernachlässigung von sozialen Beziehungen neben ersten somatischen Erschöpfungserscheinungen und Phasen der Apathie festzustellen. Im Endstadium treten schwere körperliche und psychische Krankheiten und ein Verlust vom Emotionen und Moral auf. Mentzel (1979, zitiert nach Städele, 2008) dagegen unterteilt den Arbeitssucht-Verlauf in vier Phasen, die Prodromal- bzw. Einleitungsphase, die kritische Phase, die chronische und die Endphase. In der Einleitungsphase wird die Arbeit durch den Betroffenen zunehmend als Genuss erlebt, welches dazu beiträgt, dass dieser sein Arbeitspensum erhöht. Die Gedanken beginnen verstärkt um die Arbeit zu kreisen und erste psychische Probleme, wie Erschöpfungsgefühle, leichte Depressionen und Ängste treten auf. In der zweiten Phase wird Arbeit zunehmend zur Flucht vor Konflikten missbraucht und erste Kontrollverlusterlebnisse treten auf. In der chronischen Phase ist eine fortschreitende Selbstzerstörung, bedingt durch ständiges Arbeiten, festzustellen. Die letzte und Endphase zeichnet sich aus durch eine irreparabel geminderte Leistungsfähigkeit und starke psychische und physische Symptome, die bis zum Tod führen können (Sandjaja, 2007; Städele, 2008; Voigt, 2006). Der Verlauf der Arbeitssucht ist demnach nicht starr, sondern verläuft in Phasen mit jeweiligen Merkmalen, wobei der Betroffene mit dem Übergang in die nächste Phase zunehmend mehr Kontrolle über sein Verhalten verliert. Poppelreuter (2007) betont dabei die Gefahr einer Vereinheitlichung des Krankheitsverlaufs, erkennt aber in den Arbeitssucht 27 Verlaufsmodellen mit ihren beschriebenen Symptomen eine Orientierungshilfe für die Praxis. 3.5 Ätiologie der Arbeitssucht Zur Erklärung der Ursachen und Entstehung von Arbeitssucht können viele verschiedene Erklärungsmodelle der unterschiedlichen psychologischen Schulen angeführt werden. Allerdings liegt noch keine spezifische Arbeitssucht-Theorie vor (Voigt, 2006) und auch nach Poppelreuter (2000) fehlt es noch an einer aussagekräftigen theoretischen Auseinandersetzung mit der Thematik Arbeitssucht, um einen ätiologischen Erklärungsversuch davon ableiten zu können. Vielmehr werden bis dato hauptsächlich Annahmen der allgemeinen Suchtforschung oder der Alkoholismusforschung auf das Phänomen der Arbeitssucht übertragen, wobei eine empirische Überprüfung bisher fehlt (Poppelreuter & Evers, 2000; Städele, 2008). „Die Hintergründe der Arbeitssucht sind so vielfältig wie die Menschen, die darunter leiden“, summiert Gross (2003, S.116) treffend. Da in der vorliegenden Arbeit die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Ätiologie der Arbeitssucht eher eine untergeordnete Rolle spielt und vielmehr die Häufigkeiten, Auswirkungen, Folgen und Zusammenhänge des arbeitssüchtigen Verhaltens zentral sind, sollen hier die verschiedenen Erklärungsmodelle nur kurz skizziert werden. Es wird dabei kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Suchttheoretische Modelle erklären das Phänomen Arbeitssucht entweder aus der medizinischen oder aus der psychologischen Sicht. Rein phänomenologisch betrachtet, weisen stoffungebundene Süchte ähnliche Symptome (z.B. Zwanghaftigkeit, Kontrollverlust, Entzugssymptome, Toleranzentwicklung etc.) wie substanzabhängige Süchte auf 7, so dass Arbeitssucht als Suchtverhalten verstanden werden kann (Rohrlich, 1984; Städele, 2008). Medizinische/neurobiologische Erklärungsmodelle gehen bei stoffungebundenen Suchtformen davon aus, dass der Organismus selbst Suchtmittel, sogenannte „körpereigene Endorphine“ (Gross, 2004, S.138), produziert, die zu Veränderungen des Erlebens und Bewusstseins führen. D.h. nicht nur psychotrope, von außen zugeführte Substanzen sondern auch Verhaltensweisen können durch körpereigene biochemische Veränderungen einen psychotropen Effekt beim Menschen auslösen. Diese Endorphine, 7 Siehe dazu auch Kap. 2.3 und 3.4 Arbeitssucht 28 die zur Gruppe der endogenen Opiate gehören, verhelfen bei stoffungebundenen Formen der Sucht zu massiven Rauscherlebnissen. Das Grundgefühl, die Stimmung und Motivation eines Menschen, ist unter anderem abhängig von seiner Endorphinproduktion. Die Endorphine gehören zu den Neurotransmittern, die die Aktivität der Neuronen im Gehirn modulieren, indem sie durch die synaptische Übertragung Nervenzellen stimulieren bzw. hemmen und somit elektrische Impulse übertragen (Gross, 2004; Schandry, 2003; Städele, 2008). Dadurch beeinflussen sie nicht nur die Wahrnehmung sondern auch die Gedanken und Gefühle des Menschen. Sie reduzieren die Schmerz- und Stresswahrnehmung, verursachen Euphorie und beeinflussen das kardiovaskuläre System. Endorphine werden auch als „Substrat des Glücks“ und als „hausgemachte Drogen“ (Gross, 2004, S.138) bezeichnet, da sie dem Morphium biochemisch sehr ähnlich sind und durch den Körper selbst produziert werden. Die Gemeinsamkeit der Endorphine mit den von außen zugeführten Opiaten besteht darin, dass sie auf die gleiche Weise im limbischen System aufgenommen und verarbeitet werden. Dabei machen die Endorphine grundsätzlich nicht süchtig, da sie nicht in regelmäßigen Abständen und vor allem in Ausnahmesituationen wie bei Angstgefühlen ausgeschüttet und schnell wieder abgebaut werden. Wird allerdings das auslösende Verhalten, die Aufregung ständig wiederholt, kann dieses ein übersteigertes Verlangen danach auslösen (Gross, 2004). Thalemann (2009) definiert das in verschiedenen Strukturen des menschlichen Gehirns lokalisierte und für Lust-/Unlustgefühle bedeutsame Belohnungssystem als zentral für die Suchtentstehung. Dieses wird durch die Botenstoffe Dopamin, Noradrenalin und Serotonin sowie durch die körpereigenen Opiate moduliert, wobei sowohl Substanzen als auch abhängige Verhaltensweisen in der Lage sind durch die Stimulation von Dopaminrezeptoren im Nucleus accumbens ein Glücksgefühl hervorzurufen, welches einem natürlichen Belohnungsprozess im Gehirn nahekommt (Grüsser & Thalemann, 2006; Thalemann, Verhaltensweisen 2009). kommt Nach es mehrfacher zu einer Durchführung Sensitivierung der des belohnenden dopaminergen Belohnungssystems, „wobei sich die Veränderungen sowohl neurobiochemisch als auch im Verhalten manifestieren und so das langfristige morphologische Korrelat von Verlangen (Craving) und Rückfall bilden“ (Thalemann, 2009, S. 11). Durch die Sensitivierung des zentralen dopaminergen verhaltensverstärkenden Systems wird eine konditionierte Aufmerksamkeitszuwendung gegenüber den Verhaltensassoziierten Reizen ausgelöst (Grüsser & Rosemeier, 2004). Die durch diesen Attributionsvorgang ausgelöste sogenannte Anreizhervorhebung gegenüber arbeitsrelevanten Stimuli stellt eine eigene Komponente der Motivation und Verstärkung dar. Die Möglichkeit der Selbststimulation durch Ausführen bestimmter Verhaltensweisen, welche entsprechende vom Menschen positiv erlebte biochemische Arbeitssucht 29 Prozesse auslösen, führt dazu, dass dieses Arbeitsverhalten vermehrt ausgeführt wird (Poppelreuter, 2007; Städele, 2008). Die Erinnerung an die positive Wirkung des durchgeführten Verhaltens gilt als zentraler Motivator für eine erneute Verhaltensdurchführung (Thalemann, 2009). Der Attributionsvorgang läuft dabei wahrscheinlich unbewusst ab und führt unter anderem zur Bildung eines so genannten impliziten Gedächtnisses, das der bewussten Verarbeitung nicht zugänglich ist (Grüsser & Rosemeier, 2004). Thalemann (2009) beschreibt weiterhin, dass im Laufe der Suchtentwicklung das belohnende Verhalten immer mehr die Funktion der inadäquaten Stressbewältigung übernimmt und somit dysfunktional eingesetzt wird, um ein Wohlbefinden sicherzustellen. Das süchtige Verhalten ist das einzige noch wirkungsvolle Verhalten und dient damit der Selbstmedikation und der Wiederherstellung der Homöostase (Grüsser & Thalemann, 2006). Die psychologische Perspektive der suchttheoretischen Modelle ist inhaltlich eng mit den lerntheoretischen Ansätzen verbunden. Hierbei entsteht Sucht aufgrund der positiven Effekte eines Verhaltens unter Ausblendung möglicher negativer Langzeiteffekte (Jungkurth, 2005; Städele, 2008). Der Betroffene fokussiert sich auf die Wahrnehmung der positiven Auswirkungen seines Verhaltens, wie z.B. die erreichte soziale Anerkennung oder aber auch den vermiedenen Konflikt (Poppelreuter, 2007). Verhaltens- und lerntheoretische Erklärungsmodelle von arbeitssüchtigem Verhalten gehen davon aus, dass sich jedes Verhalten, inklusive des pathogenen Arbeitsverhaltens, auf der Basis allgemeiner Lerngesetze entwickelt, aufbaut, erhält und/oder verändert. Sowohl süchtiges, als auch normales Arbeitsverhalten kommt durch lerntheoretische Prozesse zustande, wobei sie lediglich verschieden verlaufen. Dabei ist die Entstehung als auch der Erhalt der spezifischen Verhaltensweisen durch Lernen am Modell oder durch verstärkende und belohnende Prozesse bedingt. Eine Verstärkung stellt einen Reiz dar, die einer Reaktion folgt und somit die Wahrscheinlichkeit des Verhalten erhöht. Dadurch werden ursprünglich neutrale Reize mit der Reaktionswirkung assoziiert und als konditionierte Reize (CS) lösen diese das Verlangen nach dem süchtigen Arbeitsverhalten, als konditionierte Reaktion (CR) aus (klassische Konditionierung). Dies motiviert schließlich zur weiteren Arbeitstätigkeit (Grüsser & Rosemeier, 2004; Thalemann, 2009). Die über klassische und operante Konditionierung erworbene Sensitivierung des Belohnungssystems führt zu einer konditionierten Aufmerksamkeit gegenüber Reizen, die mit dem exzessiven Arbeitsverhalten assoziiert werden. Der Betroffene wird sozusagen anfällig für die beim Suchtverhalten relevanten Hinweisreize, welches z.B. das Phänomen der Rückfälligkeit erklärt (Grüsser & Rosemeier, 2004; Städele, 2008). Arbeitssucht 30 Poppelreuter (2002) beschreibt, dass Arbeitssüchtige oftmals schon in frühester Kindheit mit Verhaltensmustern und Einstellungen konfrontiert werden, die eine enge Beziehung zwischen Leistung und Produktivität aufweisen. Zeigt das Kind entsprechend produktives, also gewünschtes Verhalten wird es belohnt, d.h. das gezeigte Verhalten positiv verstärkt (operante Konditionierung). Arbeitssüchtiges Verhalten entsteht demnach dadurch, dass ein gezeigtes Verhalten fortführend wiederholt wird, wenn seine Folgen erwünscht sind und zu Wohlbefinden führen (Poppelreuter, 2007). Aber nicht nur Belohnungen, sondern auch der Wegfall von Bestrafung oder unangenehmen Gefühlen, kann als negative Verstärkung wirken, ein Verhalten aufrechterhalten und somit ursächlich sein. Die Arbeit wird dann als Fluchtmittel genutzt, um z.B. eine Auseinandersetzung mit Problemsituationen, eigenen Schwächen und Ängsten und unangenehmen Gefühlen zu vermeiden und/oder sein Selbstwertgefühl zu stärken (Grüsser & Thalemann, 2006; Poppelreuter, 2002; Städele, 2008; Thalemann, 2009). Auch nach Gross (2003) benutzt der Arbeitssüchtige seine Arbeit zum Zweck der Flucht vor Konflikten oder eigener innerer Leere. Je weniger der Betroffene über alternative Belohnungsquellen verfügt, wie z.B. eine harmonische Beziehung, abwechselungsreiche Freizeit etc. desto mehr wird die Arbeit/das exzessive Verhalten als Quelle der Befriedigung relevant. Arbeitssüchtige haben dabei im Rahmen ihrer Lerngeschichte keine positiv bewerteten alternativen Verhaltensmuster als Copingstrategien kennengelernt (Poppelreuter, 2002). Das Modelllernen stellt einen Lernprozess dar, der das menschliche Verhalten von Kindheit an maßgeblich prägt. Auch Mentzel (1979, zitiert nach Rentrop, 1989) sieht die ausgeprägte Identifikation mit einem besonders tüchtigen Elternteil als ursächlich für die Entwicklung einer Arbeitsstörung. „Sozialisation erfolgt durch Anleitung und Anforderung, Information und Belehrung, durch Beobachtung und Nachahmung von Vorbildern, durch Strafen und Belohnungen“ (Montada, 2002, S. 39). Primäre Bezugspersonen, wie Eltern, Freunde, aber auch Schule und Medien beeinflussen von Kindheit an im wesentlichen Ausmaß die individuelle Persönlichkeitsentwicklung des Kindes (Voigt, 2006). Im Fall von Arbeitssüchtigen wird angenommen, dass diese bereits ab frühester Kindheit Verhaltensweisen und Einstellungen gelernt haben, die in enger Beziehung zu Leistung und Produktivität stehen (Poppelreuter & Windholz, 2005). Aus verhaltenstheoretischer Sicht wird Arbeitssucht somit einerseits von langfristigen, individuell-biographischen und durch Konditionierungsprozesse erworbenen Bedingungen (Werte, Einstellungen, genetische Dispositionen etc.), andererseits durch nachfolgende Bedingungen/ Konsequenzen (soziale Anerkennung, Reduktion negativer Gefühle etc.) als Verstärker des Verhaltens geprägt (Poppelreuters & Evers, 2000). Arbeitssucht 31 Bei den psychoanalytischen Erklärungsmodellen der Arbeitssucht ist laut Poppelreuter (2002) kein einheitliches und ausschließliches Erklärungsmodell identifizierbar. Vielmehr zeigen sich unterschiedliche theoretische Ansätze zur Suchtproblematik. Besonders bedeutend ist dabei die Narzissmustheorie, die davon ausgeht, dass es dem Betroffenen nicht genügend gelungen ist, sein Selbst bis hin zu einer stabilen Identität zu entwickeln, so dass er in seinem grandiosen Selbst verhaftet bleibt. Das Arbeitsverhalten dient dazu, das krankhaft übersteigerte Erleben eigener Großartigkeit aufrecht zu erhalten, wobei beruflicher Erfolg als Beweis für die eigenen Genialität und die besonderen eigenen Fähigkeiten bewertet wird. Damit dient das übersteigerte Selbstbild als Selbstschutz, da es den Betroffenen gegenüber als frustrierend und feindlich erlebten Umwelt abschirmt (Poppelreuter, 2007; Städele, 2008; Weimar et al., 2009). Die Sucht ist damit das Ergebnis eines Defektes in der Persönlichkeitsstruktur (Poppelreuter, 1997). Familiendynamische und systemtheoretische Erklärungsmodelle sehen das Verhaltensund Interaktionsmuster der Betroffenen in ihrer Kindheit und in den Wurzeln der Ursprungsfamilie begründet (Poppelreuter & Evers, 2000). „Arbeitssucht wird als Symptom eines gestörten Familiensystems in der Kindheit betrachtet, das später in der eigenen Familie fortgesetzt wird und sich auf die eigenen Kinder überträgt“ (Poppelreuter, 2002). Ist in einer Familie ein Mitglied arbeitssüchtig, so werden gegenüber den Kindern häufig unrealistisch hohe Ansprüche formuliert und Wertschätzung nur in Verbindung mit Leistung formuliert. Die perfektionistischen Ansprüche des Elternteils und die emotionale Distanz übertragen sich somit auf die Kinder, welche meist unter Minderwertigkeitsgefühlen und Versagensängsten leiden, da sie stets den Ansprüchen der Eltern nicht ausreichend genügen können und Zuneigung nie vorbehaltlos gewährt wird (Wolf & Meins, 2004). Die Kinder versuchen dann mit Leistung ihre Versagensängste zu kompensieren (Poppelreuter, 2002; Machlowitz, 1976, zitiert nach Rentrop, 1989). Somit entwickeln die Kinder ebenso eine perfektionistische Haltung, die sich in Überzeugungen und Gewohnheiten widerspiegelt, die häufig unbewusst am Arbeitsplatz weiter praktiziert werden (Poppelreuter, 2002). Persönlichkeitsorientierte Ansätze gehen davon aus, dass bei Arbeitssüchtigen eine spezifische Konstellation stabiler Persönlichkeitsmerkmale vorliegt, die eine Entwicklung arbeitssüchtigen Verhalten begünstigt (Poppelreuter, 2007). Laut König (1998) gehört dabei zu jeder Charakterstruktur ein bestimmter Arbeitsstil, wobei dieser sich je nach Aufgabe und Arbeitskontext als förderlich oder auch als hinderlich erweisen kann. Die persönlichkeitsorientierten Ansätze beschreiben vermehrt eine für die Suchtentstehung prädisponierende Suchtpersönlichkeit, die Gross (2003) mit Merkmalen wie starke Arbeitssucht 32 gefühlsmäßige Labilität, geringe emotionale Integration, Stimmungslabilität, depressive Grundstruktur, geringe Selbstachtung, hohes persönliches Anspruchsniveau, Wettbewerbsorientierung und Suche nach veränderten Gefühls- und Bewusstseinszustand definiert. Poppelreuter (2007) und Weimar et al. (2009) kritisieren, dass diese Ansätze meist willkürlich Persönlichkeitsmerkmale beschreiben, ohne theoretisch und empirisch fundierte Erklärungsmodelle zu liefern. Bei den kognitiven Erklärungsansätzen spielen für die Entwicklung einer Arbeitssucht die speziellen intraindividuellen Strukturen und Schemata des Betroffenen eine zentrale Rolle. Diese individuellen Schemata, wie eine geringe Selbstwirksamkeit, hohe Wirkungserwartungen, dysfunktionale Grundannahmen, erlaubniserteilende Annahmen, Kausalattributionen und Entscheidungsprozesse (Thalemann, 2009) bestimmen sowohl die Affekte, die kognitive Weltansicht und auch das Verhalten des Menschen und führen zu kausalen Verhaltensmustern und automatischen Gedankenmustern (Jungkurth, 2005). „Jedes gezeigte Verhalten ist dabei das Ergebnis eines Entscheidungsprozesses.“ (Thalemann, 2009, S. 8) Bei Arbeitssüchtigen können Kognitionen wie „ohne Fleiß kein Preis“ und perfektionistische Selbstkonzepte vorherrschen, die dazu führen, dass die Betroffenen ihre Identität vorwiegend über ihre Arbeit definieren (Poppelreuter, 2007; Robinson, 2000; Rössner, 2004; Städele, 2008). Problematisch werden derartige Grundeinstellungen, wenn sie „immer handlungsrelevanter werden und letztlich zu eindimensionalen Sichtweisen und Reaktionsmustern führen“ (Poppelreuter, 2007, S. 178). Integrative Erklärungsmodelle beschreiben in ihren Theorien zusammenfassend eine Vielzahl der dargestellten Erklärungsansätze. Beispielhaft kann auf das Modell von Ng, Sorensen und Feldmann (2007) verwiesen werden, welches drei Ebenen - die Vorbedingungen, die Arbeitssuchtdimensionen und die Folgen - formuliert. Dabei sind insbesondere die Vorbedingungen, d.h. die Dispositionen (Selbstwertgefühl, leistungsorientierte Werte), die sozio-kulturellen Erfahrungen (Familienerfahrungen etc.) und die eigene Lerngeschichte des Betroffenen für die Entwicklung einer Arbeitssuchtproblematik relevant. Diese haben Auswirkungen auf affektiver, kognitiver und behavioraler Ebene und können zur Ausprägung eines exzessiven Arbeitsverhaltens führen. Weitere Ansätze sehen z.B. in Arbeitssucht die Folge eines individuellen Traumas (Heide, 2003) oder titulieren „Arbeitssucht als Massenphänomen“ (Heide, 2003, S.43), da die Unternehmer die Arbeitnehmer direkt mit dem Marktzwang konfrontieren und damit Arbeitssucht 33 die Verantwortung für die Arbeitsverhältnisse oftmals an die Arbeitnehmer abgeben. Dies erhöht den individuellen Zwang zur Erzielung von Profit. Auch Fassel (1991, zitiert nach Matthey, 2011) spricht von arbeitssuchtfördernden Organisationen und sieht damit die Ursache für Arbeitssucht auch in den Arbeitsbedingungen und den Unternehmen selbst begründet. Insbesondere die drohende Angst vor einem Arbeitsplatzverlust führt dazu, dass die Angestellten sich den arbeitssuchtfördernden Strukturen unterwerfen. Matthey (2011) sieht eine Gefahr durch die neuen Kommunikationsmittel wie Handys, E-Mails, etc., da das Arbeitsverhalten zunehmend entgrenzt stattfindet. Gross (2003) betont ergänzend eine gesellschaftliche Verantwortung für Arbeitssucht, die er in der hohen gesellschaftlichen Anerkennung von arbeitssüchtigem Verhalten sieht. Schwochow (1997) und Schneider (2001) sehen die Ursache einer Arbeitssucht berufsspezifisch bedingt. Insbesondere Berufe, in denen sich Menschen sehr stark mit ihrer Arbeit identifizieren (Ärzte, Pfarrer, etc.) und somit idealistische Arbeitsziele verfolgen, deren Arbeitszeit nicht genau festgelegt ist, sind besonders für die Entwicklung einer Arbeitssucht prädestiniert. Grundsätzlich ist anzumerken, dass alle hier aufgeführten Erklärungsansätze Teilaspekte der Arbeitssucht nur theoretisch beleuchten und weiterer empirischer Überprüfung bedürfen. Dabei ist in Anlehnung an das Konzept der Multikonditionalität8 nach Gross (2003) die individuelle Konstellation der Bedingungsfaktoren zur Erklärung der Entwicklung einer Arbeitssucht am besten geeignet. 3.6 Folgen der Arbeitssucht Die Folgen einer Arbeitssucht können vielfältiger Art sein und reichen von gesundheitlichen, über sozialen bis hin zu wirtschaftlichen Problemen, wobei die spürbaren Auswirkungen erst nach Jahren oder Jahrzehnten auftreten können (Breitsameter & Reiners-Kröncke, 1997; Kleine, 2007; Städele & Poppelreuter, 2009). Arbeitssucht kann nicht als individuelles Problem verstanden werden, sie hat Auswirkungen auf das gesamte soziale Netzwerk der Betroffenen, wie Familie, Freunde, Bekannte, Arbeitgeber und Kollegen (Fassel, 1991). Städele und Poppelreuter (2009) verdeutlichen anhand eines übergreifenden Modells (vgl. Abbildung 3-1), in Anlehnung an die Autoren Piotrowski und Vodanovich (2006), die 8 Siehe dazu auch Kap.2.2 Arbeitssucht 34 zahlreichen Auswirkungen einer Arbeitssucht auf der individuellen, familiären und Arbeitsebene. Abbildung 3-1 Die Entwicklung von Arbeitssucht und ihre Folgen für das Individuum, seine Familie und Arbeitgeber (Städele & Poppelreuter, 2009, in Anlehnung an Piotrowski und Vodanovich 2006) Arbeitssucht ist als eine Mehrzahl von progressiven, maladaptiven Verhaltensweisen zu verstehen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass zwischen dem betroffenen Individuum und seiner Familie und Arbeit zahlreiche, intensive Wechselwirkungen bestehen, werden arbeitssüchtige Verhaltenweisen dann problematisch, wenn die Arbeit als primäre Quelle für Verstärkungen gilt und damit höchste Priorität für den Betroffenen genießt. Der Kontrollverlust (Berger, 2000) und die „Unfähigkeit, sich von der Arbeit zu distanzieren, führt zu einer Loslösung bzw. Entfremdung von der Familie und vom sozialen Netzwerk“ (Städele & Poppelreuter, 2009, S. 153). Es kommt zu Problemen im familiären Umfeld, wobei Gross (2003) und Sandjaja (2007) betonen, dass die Partner und Kinder unter den Einstellungs- und Verhaltensmustern ihrer arbeitssüchtigen Angehörigen wie Desinteresse, mangelnde Verfügbarkeit und Verantwortungsübernahme besonders leiden. Rentrop (1989) und Robinson (2000) beschreiben, dass diese oftmals ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse denen der Arbeitssüchtigen unterordnen und co- Arbeitssucht 35 abhängiges Verhalten9 aufweisen. „In der Regel hat der Arbeitssüchtige sein gesamtes Umfeld, seine sozialen Beziehungen, sein Freizeitverhalten um die Arbeit herum organisiert.“ (Berger, 2000, S.94) Städele und Poppelreuter (2009), sowie Grüsser und Thalemann (2006) beschreiben als negative Auswirkungen im sozialen Bereich ineffektive Problemlöse- und Kommunikationsfähigkeiten, eine geringe affektive Einbindung, emotionale Distanz, Affektlosigkeit gegenüber den Gefühlen anderer, unklare Familienrollen, Partnerschaftskonflikte, abnehmenden Geschlechtsverkehr, Scheidungen und vergessene Freundschaften. Im Arbeitskontext weisen Arbeitssüchtige eine geringe Delegationsfähigkeit, mangelnde Teamkompetenz, geringe Kreativität und mangelnde Bereitschaft auf, sich an Arbeitsteilungen und Kompetenzzuweisungen zu halten und im Team zu arbeiten. Dies führt dazu, dass Arbeitssüchtige in ihrer Aufgabenerfüllung beeinträchtigt sind und eine geringe Leistungsfähigkeit aufweisen, gleichzeitig aber davon ausgehen, dass sie alles besser als Kollegen und Vorgesetzte können (Poppelreuter, 1997, Robinson, 2000). Auch Fassel (1991) und Schneider (2001) betonen die Nachteile von arbeitssüchtigen Angestellten, da ihre Arbeit oftmals Fehler beinhaltet, die zeitliche, emotionale, finanzielle und hohe volkswirtschaftliche Kosten und eine verringerte Produktivität nach sich ziehen. Perfektionismus, Pedanterie und Streitigkeiten über das genaue Einhalten von Regeln und Kompetenzbereichen führen zu Problemen mit Kollegen und zu Schwierigkeiten im Umgang mit der Arbeitszeit (Berger, 2000). Hinzu kommen krankheitsbedingte Ausfallzeiten, längere Arbeitsunfähigkeit oder sogar Frühinvalidität (Bühler & Schneider, 2002; Meißner, 2005; Voigt, 2006; Wolf & Meins, 2004). Auch die psychische und physische Gesundheit des Individuums und Betroffenen leidet (vgl. Abbildung 3-2). 9 Co-Abhängigkeit wird nach Fengler (2002) bezeichnet als „Haltungen, Verhaltensweisen und Status von Personen, Gruppen und Institutionen, die durch Tun und Unterlassen dazu beitragen, dass der süchtige oder suchtgefährdete Mensch süchtig oder suchtgefährdet bleibt“ (S. 100). Zum Beispiel stellt sich die gesamte Familie auf die Suchterkrankung des betroffenen Familienmitglieds ein und stellt Regeln für innerfamiliäre Umgangsformen auf, um dem Suchtkranken zu helfen, wobei das Gegenteil erzielt wird (Voigt, 2006). Arbeitssucht 36 Abbildung 3-2 Stadienverlauf der Arbeitssucht ( Bühler & Schneider, 2002, in Anlehnung an Fassel, 1991) Mentzel (1979, zitiert nach Städele & Poppelreuter, 2009) bezeichnet Arbeitssucht als progrediente Erkrankung, die über psychovegetative Beschwerden bis hin zu starken psychosomatischen Störungen, welche bis zur Leistungsunfähigkeit oder gar bis zum frühzeitigen Tod führen können, reichen kann. Im Endstadium der Sucht können sich die psychischen und physischen Symptome derart verschlimmern, dass z.B. durch einen Hirn- oder Herzschlag der Betroffene an Überarbeitung stirbt. In Japan wird diese Todesursache, bedingt durch Überarbeitung als Karoshi bezeichnet (Dieckmann, 2007). Rentrop (1989) und Cox (1982, zitiert nach Schneider, 2001) sehen die BurnoutErkrankung als relevanteste Folgererkrankung einer Arbeitssucht. Arbeitssüchtige weisen eine generell geringere Zufriedenheit mit den verschiedensten Aspekten ihres Lebens (Arbeit, Karriere, Familie, soziales Umfeld, Gesundheit) auf und berichten in stärkerem Maße von psychosomatischen Symptomen (Poppelreuter, 1997; Städele, 2008). „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Arbeitssucht massive physische und psychische Schäden hervorrufen kann, zu sozialer Isolation … führt, die Produktivität und Effektivität einschränkt und der Allgemeinheit schadet.“ (Breitsameter & ReinersKröncke, 1997) Arbeitssucht 37 Da es sich bei Arbeitssucht um eine Krankheit mit schwerwiegenden gesundheitlichen, psychischen und sozialen Folgen handelt, sind Interventions- und Präventionsmaßnahmen von erheblicher klinischer, als auch von gesellschaftlicher Bedeutung. Da aber eine dauerhafte Abstinenz vom Arbeiten unmöglich ist, aus Gründen der Existenzsicherung und des menschlichen Grundbedürfnisses (Poppelreuter, 1997; Voigt, 2006), kann eine therapeutische Behandlung nur einen kontrollierten und maßvollen Umgang mit Arbeit als Ziel verfolgen (Gross, 2003; Meißner, 2005, Schwochow, 1997). Aufgrund des begrenzten Umfangs der vorliegenden Arbeit wird im Folgenden leider auf die Darstellung der Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten verzichtet. Abschließend kann zusammengefasst werden, dass insbesondere die mangelnde Wahrnehmung des süchtigen Verhaltens als Gefahr zu formulieren ist. Die hohe gesellschaftliche Anerkennung von Arbeit und die damit einhergehende mangelnde Erkenntnis von Arbeit und Sucht als pathogen relevante Symptomatik und die meist zeitlich stark verzögert auftretenden Folgen der Arbeitssucht verhindern eine zeitnahe notwendige Intervention. Mangelnde Definitionen und einheitliche wissenschaftliche Abgrenzungen des Arbeitssuchtbegriffes, fehlende eindeutige Diagnosemöglichkeiten und die mangelnde Klassifikationssystemen Berücksichtigung haben zusätzlich von zur Arbeitssucht Folge, dass in den gängigen Arbeitssucht im Krankheitssystem kaum erscheint. Somit können die weitreichende Folgen eines arbeitssüchtigen Verhaltens, die nicht nur die Betroffenen beeinträchtigen, sondern auch ihr gesamtes soziales Umfeld, den Arbeitgeber und die Gesellschaft, nicht frühzeitig präventiv verhindert oder therapeutisch behandelt werden. Arbeitssucht in helfenden Berufen 38 4 Arbeitssucht in helfenden Berufen In den vorherigen Kapiteln10 wurde dargestellt, dass sowohl bei der Entwicklung, als auch beim Verlauf eines arbeitssüchtigen Verhaltens das soziale Umfeld, die Normen der Leistungsgesellschaft, die eigene Erziehung, der Umgang mit Personen mit Modellfunktion und das Arbeitsumfeld starken Einfluss auf den Betroffenen ausüben. Das pathogene Verhalten wird akzeptiert, wertgeschätzt und somit der Arbeitssüchtige in seiner Sucht bestärkt. Daher wird es auch erforderlich sein, das Umfeld von Berufstätigen aus dem helfenden Dienstleistungssektor zu untersuchen und die spezifischen Arbeitssituationen und bedingungen, die individuellen Motive der Helfer, die gesellschaftliche Wertschätzung ihrer Arbeit und deren Zusammenhang zu ihrem Arbeitsverhalten zu eruieren. Im weitern Verlauf dieser Studie soll untersucht werden, in welchem Ausmaß Arbeitssucht im helfenden Dienstleistungssektor verbreitet ist und, ob die helfenden Berufsfelder möglicherweise einen „idealen“ Nährboden für arbeitssüchtiges Verhalten darstellen. 4.1 Definition von helfenden Berufen Helfende Berufe sind solche Berufe, in denen Menschen gepflegt, behandelt, beraten oder betreut werden (Marquard, Runde & Westphal, 1993). „Unter Helferinnen und Helfern verstehe ich alle Personen, die sich im Haupt-, Neben- oder Ehrenamt anderen Menschen unterstützend, beratend, erziehend, therapeutisch, pflegend, lehrend und versorgend widmen.“ (Fengler, 2001, S. 13) Fengler (2001) umfasst dabei neben den professionellen Helfern auch informelle Helfer, mit denen Menschen in Not über ihre Sorgen reden. Dieser umfassenden Definition wird in der vorliegenden Studie nicht gefolgt, sondern ausschließlich professionelle, d.h. ausgebildete Helfer als Bestandteil der helfenden Berufe definiert. Der Ausdruck Patient11 wird sehr weit gefasst: er impliziert alle Individuen, die Auftraggeber oder Leistungsempfänger spezifischer Dienstleistungsträger sind (Krämer, 2011). 10 11 Siehe dazu auch Kap. 3.5 und 3.6 Aus Gründen der vereinfachten Lesbarkeit wird im Folgenden einheitlich die Bezeichnung "Patient" genutzt, welches synonym für Klient, Kunde, Kind etc. verwendet wird. Arbeitssucht in helfenden Berufen 39 Es ist zu konstatieren, dass es in der Literatur an einer anerkannten Definition der „helfenden Berufe“ mangelt. Es werden meist nur helfende Berufe beispielhaft aufgelistet oder die verschiedenen Arbeitsfelder beschrieben (Burisch, 2006; Enzmann & Kleiber, 1989; Hoffman et al., 2005; Krämer, 2011; Marquard et al, 1993). So sehen Fengler (2001), Hoffman, Küng und Leuenberger (2005) und Marquard et al. (1993) folgende Berufe als helfende12: Arzt, Notarzt, Krankenpfleger, Rettungssanitäter, Sozialarbeiter, Suchtberater, Altenpfleger, Psychotherapeut, Psychologe, Ergotherapeut, Heilerziehungspfleger, Sozialpädagoge, Erzieher, Lehrer, Polizist, Seelsorger. Es wird aber angemerkt, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist. Fengler (2001) betont, dass in vielen Forschungsarbeiten eine Spezifizierung der befragten Helfer nach Berufsgruppen nicht erfolgt, da die Masse an unterschiedlichen Berufsbezeichnungen dies verhindert. Die unterschiedlichen Berufe zeigen sich in differenzierten Arbeitsfeldern. Diese reichen inhaltlich über Prävention, Beratung bis hin zu Therapie. Typische Arbeitsfelder stellen alle medizinischen Arbeitsfelder, Gesundheits- und Rehabilitationsbereiche, Krankenund Altenpflege, Sozialarbeit, Suchtarbeit, Behindertenhilfe, Kinder- und Jugendarbeit, Frauenarbeit, Bildungsarbeit, Altenarbeit und Seelsorge dar (Reiners-Kröncke, Röhrig & Specht, 2010). Lediglich Reiners-Kröncke et al. (2010) spezifizieren dabei die Funktionen von helfenden Berufen, welche neben dem Dienst am Patienten auch der Gesellschaft dienen, durch Behebung von Missständen zur Stabilisierung beitragen, soziale Probleme aufdecken und an der Realisierung und Durchsetzung der Grundrechte eines menschenwürdigen Lebens arbeiten. Helfende Berufe werden den personenbezogenen/sozialen Dienstleistungen zugeordnet (Finis Siegler, 1997; Marquard et al., 1993), welche meist im karitativen, Bildungs- oder Gesundheitsbereich zu finden sind, oftmals von Nonprofit-Organisationen13 angeboten und hauptsächlich öffentlich, im Sinne eines Kollektivgutes, bereitgestellt werden. Ein zentrales Merkmal dieser Dienstleistungen ist das uno-actu-Prinzip. Im Gegensatz zur Sachleistung fallen Produktion und Konsum zeitlich zusammen. Damit ist eine 12 Aus Gründen der vereinfachten Lesbarkeit wird im Folgenden einheitlich die männliche Form der helfenden Berufe verwendet. Natürlich sollen dabei auch die weiblichen Helferinnen inbegriffen sein. 13 „Primäres Charakteristikum eines Nonprofit-Unternehmens ist das Fehlen der klassischen Gewinnorientierung“ (Finis Siegler, 1997, S. 40). Arbeitssucht in helfenden Berufen 40 Kundenpräsenz meist unerlässlich und der Kunde bzw. Patient wirkt als Mitproduzent (Finis Siegler, 1997; Marquard et al., 1993). Badura, Walter und Hehlmann (2010) betonen, dass es in hochentwickelten Gesellschaften zu einer zunehmenden Bedeutung des Dienstleistungssektors und einer Abwanderung der Beschäftigten aus der Güterproduktion kommt. „Zwischenmenschliche Arbeit wird für große Teile der Wirtschaft immer wichtiger.“ (Badura et al., 2010, S. 16) Dabei können die Auswirkungen dieser Entwicklung auf Gesundheit und Wohlbefinden bisher aufgrund mangelnder sozialepidemiologischer Langzeitstudien kaum verlässlich beurteilt werden (Badura et al., 2010). Zur Erklärung und Beschreibung der berufsspezifischen Belastungen der helfenden Berufe wird im Folgenden zwischen den individuellen, persönlichkeitszentrierten Bedingungen14 und den sozial-, arbeits- und organisationsbezogenen Belastungen15 differenziert. Aus Sicht der Systemtheoretiker wie z.B. Luhmann (2004) kann der helfende Beruf und seine verschiedenen Berufsfelder als soziales System verstanden werden, das sich selbst organisiert, reproduziert, seine eigenen Gesetzmäßigkeiten hat, seine Handlungsstrukturen aus sich selbst heraus generiert, und in denen bestimmte Rollenerwartungen vorherrschen, die die Helfer verinnerlichen und von diesen sozialisiert werden. Anhand dieser systemtheoretischen Ansätze kann überlegt werden, ob helfende Berufe und ihre Arbeitsfelder arbeitssuchtfördernde Systeme darstellen, die durch ihre bestimmten Arbeitsbedingungen, typischen Handlungsweisen und Rollenerwartungen zur Entwicklung der Arbeitssucht bei Helfern beitragen. 4.2 Persönlichkeitszentrierte Bedingungen der helfenden Berufe Als individuelle und persönlichkeitszentrierte Bedingungen eines Helferberufes wird in der Literatur der hohe Idealismus als prägnantestes Persönlichkeitsmerkmal des Helfers tituliert (Burisch, 2006; Enzmann & Kleiber, 1989; Hoffman et al., 2005; Krämer, 2011; Marquard et al, 1993; Reiners-Kröncke et al., 2010; Ruhwandl, 2009) Dieser Idealismus, anderen Menschen helfen zu wollen (Nitzsche, Driller, Kowalski & Pfaff, 2010), kann zu 14 Siehe dazu Kap. 4.2 15 Siehe dazu Kap 4.3 Arbeitssucht in helfenden Berufen 41 einer hohen Arbeitsmotivation führen, bis hin zu einem „missionarischen Eifer“ (Edelwich & Brodsky, 1984; zitiert nach Reiners-Kröncke et al., 2010, S. 32). Burisch (2006) beschreibt Helfer als oftmals zielstrebige Persönlichkeiten, die verführt sind, Ziele so hoch zu stecken, dass diese entweder gar nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Energieeinsatz erreicht werden können. Infolgedessen entspricht die erhaltene Belohnung vielfach nicht dem vorher betriebenen Aufwand. Der ausgeprägte vorherrschende Idealismus birgt die Gefahr, unrealistische Erwartungen an den Beruf zu formulieren, bei gleichzeitiger unangemessener Belohnungserwartung (Freudenberger, 1981; zitiert nach Reiners –Kröncke et al., 2010; Köppl, 2006) und kann zu einer erlebten Diskrepanz zwischen Helferideal und Wirklichkeit des Helfens führen (Driller, 2008; Reiners-Kröncke et al., 2010). Cherniss (1980, zitiert nach Hoffman et al., 2005) sieht die Ursache in dem in die Öffentlichkeit getragenen, verklärten Bild der helfenden Berufe, dem „professionellen Mystizismus“ (Hoffmann et al., 2005, S. 39). Gesellschaft und Politik erhofft sich von den Helfern die Lösung sämtlicher gesellschaftlicher Probleme, was zu überhöhten Erwartungen auf Seiten der Auftraggeber, der Helfer selbst und bei den Patienten führt.16 Insbesondere Helfer, die Gefahr laufen, in einen Burnoutprozess zu geraten, zeigen vermehrt eine Überidentifikation mit den Bedürfnissen der Patienten, wobei es zu einer mangelnden Wahrnehmung und Befriedigung der eigenen Bedürfnisse kommt. Edelwich & Brodsky (1984; zitiert nach Reiners-Kröncke et al., 2010) sehen als Merkmale einer idealistischen Begeisterung des Helfers Selbstüberschätzung, hochgesteckte Ziele, Omnipotenzphantasien, Optimismus, hohen Energieeinsatz und Überidentifikation mit Patienten und Arbeit allgemein. Driller (2008), Nitzsche et al. (2010) und Reissner (2008) beschreiben weiter als relevantes Persönlichkeitsmerkmal von Helfern deren internale Kontrollüberzeugung, d.h. die Überzeugung, schwierige Herausforderungen oder hohe arbeitsbezogene Ziele auch mit entsprechendem persönlichem Einsatz bewältigen zu können bzw. deren hohe Selbstwirksamkeitserwartung, d.h. den Glauben in die eigene Fähigkeit Handlungen zu organisieren und auszuführen und Probleme lösen zu können. „Glaubt das Individuum daran, eine Situation effektiv in seinem Sinne verändern zu können, so wird es einen höheren Aufwand betreiben, um das Ziel zu erreichen.“ (Reissner, 2008, S.65) Dies birgt die Gefahr, dass äußere Umstände, wie z.B. bürokratische Hindernisse in ihrer 16 Sieh dazu Kap. 4.3 Arbeitssucht in helfenden Berufen 42 verhindernden Wirkung unterschätzt werden. Dabei sehen die Helfer die Gründe für Misserfolge in sich selbst begründet und definieren diese als persönliche Misserfolge (Driller, 2008; Poulsen, 2007). Als weitere disponierende Persönlichkeitsmerkmale benennen Bergner (2010), Burisch (2006), Driller (2008), Enzmann und Kleiber (1989) und Hoffmann et al. (2005) die besondere Sensibilität für mitmenschliches Leiden, klientenzentrierte Orientierung, labiles Selbstwertgefühl, hohe Erwartungen an sich selbst, Zwanghaftigkeit und hohe Abhängigkeit von äußeren Bestätigungen. Schmidbauer (2008) vermutet bei den Helfern in seiner Theorie des Helfersyndroms ein unersättliches Bedürfnis nach Anerkennung als zentrales Hilfe-Motiv vermutet. Dieses Bedürfnis, entstanden durch frühkindliche, primär narzißtische Störungen, versucht der Helfer durch die Rolle des Hilfeleistenden und des Überlegenen zu befriedigen. Er benötigt die Rolle des Gebenden, weil er selbst „tiefe Ängste vor eigener Abhängigkeit, vor den eigenen, kindlichen Bedürfnissen nach Zuwendung und Bestätigung hat“ (Schmidbauer, 2008, S. 163). Die durch den ausgeprägten Idealismus entwickelte hohe Arbeitsmotivation der Helfer könnte eine Ursache für arbeitssüchtige Tendenzen in helfenden Berufen sein. Gleichzeitig kann jedoch die erwünschte hohe Anerkennung in der Rolle des Helfers ein Hinweis dafür sein, dass Menschen, die zur Arbeitssucht neigen, helfende Berufe als anziehend erleben. Denn Arbeitssüchtige neigen zu einem schwach ausgeprägten Selbstbewusstsein und versuchen ihre eigenen Identität und Selbstachtung über ihre Arbeitstätigkeit zu erreichen (Schneider, 2001). Auch nach Gross (2003) steht hinter einer Arbeitssucht eine Sucht nach Ehre und Anerkennung. Dabei soll in dieser Studie untersucht werden, inwieweit ein Zusammenhang zwischen hohen idealistischen Berufszielen und Arbeitssucht besteht und welche individuellen Einstellungen Helfer aufweisen, die zu Arbeitssucht neigen. 4.3 Soziale, arbeitsorganisatorische und gesellschaftliche Bedingungen der helfenden Berufe Es können im Arbeitskontext helfender Berufe verschiedene Stressoren konstatiert werden. Diese reichen über soziale, arbeitsorganisatorische, physische, gesellschaftliche bis hin zu organisationalen Stressoren (Bartholdt & Schütz, 2010). Im Rahmen dieser Studie sollen exemplarisch einige besonders spezifische Stressoren der helfenden Berufe genauer betrachtet und später in ihrem Erleben durch die Helfer Arbeitssucht in helfenden Berufen 43 erfasst werden. Dabei soll herausgearbeitet werden, ob die in der Theorie beschriebenen Stressoren auch in der Praxis als Belastung erlebt werden? Eine Erfassung der objektiven Arbeitsbelastungen ist bei den vielen verschiedenen Arbeitstätigkeiten der helfenden Berufe zu variabel und somit nicht Thema dieser Studie. Vielmehr sollen mögliche subjektiv empfundene Belastungen in den helfenden Berufen skizziert werden und deren Zusammenhang zu einem arbeitssüchtigen Verhalten untersucht werden. Da im folgenden Text nur ein exemplarischer Anteil der Stressoren beschrieben werden kann, erhebt diese Darstellung der Stressoren keinen Anspruch auf Vollständigkeit und schließt bewusst große Anteile aus. Es bedarf hierbei einer weiteren Untersuchung, um eine differenzierte und umfassende Darstellung der verschiedenen Stressoren im helfenden Dienstleistungssektor erfassen zu können. Als relevantester Stressor in helfenden Berufen wird in der Literatur die „emotionale Überstimulation“ (Enzmann & Kleiber, 1989, S. 37), der emotional beanspruchende und erschöpfende Umgang mit Patienten (Hoffman et al., 2005; Köppl, 2006; Krämer, 2011; Nübling, Stößel, Hasselhorn, Michaelis & Hofmann, 2005; Perrar, 1995; ReinersKröncke et al., 2010) bzw. die Personenbezogenheit der helfenden Berufe (DAK, 2005; Enzmann & Kleiber, 1989) formuliert. „Durch die Anforderungen an die Empathiefähigkeit, die emotionale Konfrontation und durch intensives Engagement ist der Stress für Menschen, die diesen Beruf gewählt haben, häufig emotionaler Natur“ (Aronson , Pines & Kafry, 1983; zitiert nach Reiners-Kröncke et al., 2010) Dabei droht die Gefahr, dass Schwierigkeiten im Umgang mit emotionalem Stress in erster Linie auf das eigene Versagen zurückgeführt werden (Enzmann & Kleiner, 1989; Hoffman et al., 2005; Reiners-Kröncke et al., 2010). Burisch (2006) sieht in dem „Auseinanderklaffen von empfundenen und kommunizierten Gefühlen“ (S. 97), welches die Essenz der helfenden Berufe beschreibt, einen relevanten Stressor. Badura (1990, zitiert nach Perrar, 1995) bezeichnet dies als Interaktionsstress, wobei zum einen eine erzwungene Selbstbeherrschung des Helfers, d.h. die Unterdrückung eigener negativer Gefühle gegenüber der Umwelt, zum anderen eine erzwungne Rücksichtnahme auf die Gefühle anderer bzw. der Zwang zum Ausdruck positiver Gefühle gegenüber Menschen, mit denen man keine positive Gefühle verbindet, vorliegen muss. Diese Emotionsarbeit, d.h. die Überbrückung der Diskrepanz zwischen realen und erzwungenen Gefühlen, erfordert vom Helfer eine umfangreiche Kompetenz und verfolgt das Ziel, nicht in Konflikt mit sich selbst und seinem eigens definierten Rollenbild oder in Konflikt mit wichtigen Rollensendern zu kommen (Burisch, 2006; Hoffman et al, 2005). Krämer (2011) und Hoffmann und Hofmann (2008) formulieren, dass die Überlast an Klienten-Kontakten und die interpersonellen Belastungen, wie fehlende Distanz zu Schicksalen der Patienten, Arbeitssucht in helfenden Berufen 44 Mit-Leiden der Helfer und Aktivierung unangenehmer Erinnerungen bei den Helfern, verursachend für auftretende Veränderungen der Einstellungen und des Verhaltens bei professionellen Helfern sind. Des Weiteren ist die Rückmeldung durch berufsbedingte Interaktionspartner meist nicht gegeben und deren Kooperation und Therapiemotivation häufig sehr gering (Krämer, 2011). Fengler (2001), Hoffmann und Hoffmann (2008), Köppl (2011) und Marquard et al. (1993) beschreiben die Konfrontation mit emotionalen Belastungen wie Krisen, Tod, Krankheit und Schmerzen, Therapieabbrüche, Rückschläge, Aggressionen und Suizid der Patienten als besonders belastend und betonen die notwendige Kompetenz der Helfer, diesen Krisen durch Einfühlung, beraterischer Konzeption und hoher Frustrationstoleranz adäquat begegnen zu können. Die Beziehung zum Patienten gestaltet sich dabei asymmetrisch (Hoffman et al., 2005). Ein zweiter, prägender Stressor ist die mangelnde Honorierung und Würdigung der helfenden Arbeitstätigkeit durch Gesellschaft, Arbeitgeber, Kostenträger und Patienten, einhergehend mit der Gefahr einer Gratifikationskrise17 (Bartholdt & Schütz, 2010; Enzmann & Kleiber, 1989; Fengler, 2001; Köppl, 2011; Reiners-Kröncke et al., 2010). Diese mangelnde Honorierung verdeutlicht sich politisch und gesellschaftlich durch Kostenreduktionsprogramme, Einsparungen im sozialen Bereich und mangelnder Finanzierungen. Auch Edelwich, Brodsky (1984, zitiert nach Reiners-Kröncke et al., 2010) und Köppl (2011) beschreiben als spezifische Arbeitsbedingungen der helfenden Berufe deren geringe Honorierung, u.a. verdeutlicht durch die geringe Bezahlung und dem niedrigen Status der Helfer, die nicht adäquate Verteilung der Mittel und die bürokratischen und politischen Einschränkungen der Dienstleistungen. Ebenso formulieren sie die Undankbarkeit und mangelnde Anerkennung durch die Patienten und deren oftmals fehlende Reaktion als belastend (Edelwich & Brodsky, 1984; zitiert nach Reiners-Kröncke et al., 2010; Köppl, 2011) und schließen sich damit Freudenberger (1981, zitiert nach Reiners-Kröncke et al., 2010; Krämer, 2011; Perrar, 1995; Ruhwandl, 2009) an, der die erlebte Diskrepanz zwischen Erwartungen der Helfer an die Arbeit und der mangelnden Anerkennung und Belohnung als spezifisch formuliert.18 Schmidbauer (2002) ergänzt, dass sowohl die geringe Anerkennung durch die Gesellschaft, als auch das mangelnde politische Gewicht häufig dazu führen, dass Helfer sich selbst als hilflos erleben und frustriert aufgeben. Eine Ausnahme bildet hier lediglich der Arztberuf 17 Siehe dazu auch Kap. 4.4 18 Siehe dazu auch Kap. 4.2 Arbeitssucht in helfenden Berufen 45 (Bergner, 2010). Gleichzeitig steigt für die sozialen und helfenden Berufe der Rechtfertigungsdruck (Köppl, 2006). „Angehörige dieser Berufsgruppen werden auch mit Forderungen nach einer ökonomischen Legitimation ihres Tuns konfrontiert. Sie sollen nicht nur effektiv, d.h. wirksam, sondern auch effizient, d.h. wirtschaftlich handeln.“ (Finis Siegler, 1997, S. 9) Dabei wird die helfende Arbeitstätigkeit als ökonomischer Produktionsprozess begriffen, der betriebswirtschaftlichen Rationalitätskriterien folgen muss. In Folge dessen werden neue Führungs- und Steuerungskonzepte (wie z.B. Qualitätssicherung) sowie Managementkonzepte (wie z.B. Controlling, Marketing) eingeführt (Köppl, 2006). Insbesondere Gesellschaft und Politik titulieren dabei die helfenden Arbeitsbereiche als primär nur kostenverursachend und der Wirtschaft Ressourcen entziehend, wohingegen Finis Siegler (1997) diese als funktional zur Stabilisierung des gesellschaftlichen Systems definiert und den helfenden Dienstleistungssektor selbst als einen Produktionsfaktor gesellschaftlicher Wohlfahrt sieht. Mangelnde Kontrollmöglichkeiten in der helfenden Arbeitstätigkeit, erlebt durch mangelnde Autonomie und geringe Handlungs- und Entscheidungsspielräume (Aronson et al., 1983; zitiert nach Reiners-Kröncke et al., 2010; Hoffman et al., 2005; Marquard et al., 1993), mangelnde Wirkung und Steuerung des Ergebnisses der Arbeit bei gleichzeitiger hoher Verantwortung (Bergner, 2010; Fengler, 2001; Köppl, 2011), mangelnde Kontrolle des Auftretens von negativen Ereignissen (Krämer, 2011), hohe Unbestimmtheit (Marquard et al., 1993) und unklare Erfolgskriterien (Ruhwandl, 2009) werden weiterhin als berufsspezifische Belastungsfaktoren benannt. Enzmann und Kleiber (1989) und Fengler (2001) erkennen als charakteristische Probleme helfender Berufe die Einschätzung der Helfer, nicht grundsätzlich helfen zu können, und die damit verbundenen Ohnmachts- und Hilflosigkeitsgefühle. Auch Krämer (2011) formuliert die verspürte „Hilflosigkeit in Anbetracht einer unveränderlich erscheinenden Situation“ (S. 24) als zentrale Frustrationsquelle in helfenden Berufen. Als weitere prägende arbeitsorganisatorische Stressoren sind Rollenkonflikte und Rollenambiguität zu nennen, welche sich u.a. durch uneindeutige Berufsrollen und Zielvorgaben durch Gesellschaft, Patient und Arbeitgeber verdeutlichen (Bartholdt & Schütz, 2010; Burisch, 2006; Enzmann & Kleiber, 1989, Marquard et al., 1993). Jeder Position innerhalb einer Organisation ist eine Menge potentieller Tätigkeiten und Verhaltensweisen zugeordnet. Neben diesen Rollenzuschreibungen sind Erwartungen relevant, die von Seiten der Vorgesetzten, Kollegen, Mitarbeitern, Patienten und Kostenträgern an den Rolleninhaber herangetragen werden (Burisch, 2006). Arbeitssucht in helfenden Berufen Rollenkonflikte entstehen 46 dann, wenn einem Rollenträger inkompatible Rollenerwartungen übermittelt werden. Diese verlangen vom Rollenträger immense psychosoziale Anstrengungen (Krämer, 2011). Als weitere stressauslösende Bedingung beschreibt Burisch (2006) die Rollenunklarheit, welche dann auftritt, wenn der Rollenträger über zu wenig Informationen verfügt und er somit seine funktionalen Aufgaben als nicht zu bewältigen beurteilt. Enzmann und Kleiber (1989) und Hoffman et al. (2005) erkennen die Rollenüberforderung, charakterisiert durch hohe Verantwortung für die Patienten bei gleichzeitigem Zeitmangel, sowie den Konflikt zwischen Hilfe und Kontrolle als vorherrschende Konflikte in den helfenden Berufen. Im helfenden Dienstleistungssektor ist als Tauschbeziehungen“ (Finis spezifisches Kriterium vermehrt „nicht-schlüssige Siegler, 1997, S. 110) zu finden, wobei der Leistungsempfänger/Konsument nicht mit dem Käufer und damit dem Finanzier der Leistung identisch ist. Dies führt dazu, dass das Angebot der Dienstleistung nicht am Patienten selbst, sondern eher am Finanzierer der Leistung, meist staatliche Stellen, orientiert ist (Finis Siegler, 1997). Es droht die Gefahr, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse von Gesellschaft/Staat und Patienten in widersprüchlichen Zielvorgaben münden und eine „Dehumanisierung der Arbeit“ (Krämer, 2011, S. 29) resultiert, mit denen sich der Leistungserbringer in seiner Arbeit konfrontiert sieht. Als weitere relevante Stressoren sind zu nennen: hohe Klientenzahlen, Zeitdruck, lange Arbeitszeiten, Überforderung durch zu viele Aufgaben, Unterforderung, schlechte Rahmen- und Arbeitsbedingungen, geringe Flexibilität der Organisation, problematische institutionelle Vorgaben und Strukturen, mangelnde Ressourcen (wie z.B. Personal), befristete Arbeitsverträge, Teilzeitbeschäftigungen, drohender Arbeitsplatzverlust, finanzielle Einsparungen, fehlende soziale Unterstützung und mangelndes Feedback durch Kollegen und Vorgesetzte, Belastungen im Team, kollegiale Konflikte und schlechte Berufsausbildung (Bartholdt & Schütz, 2010; Bergner, 2010; Fengler, 2001; Köppl, 2011; Krämer, 2011; Marquard et al., 1993; Reiners-Kröncke et al., 2010). Diese können aber in der folgenden Befragung aufgrund der notwendigen inhaltlichen Beschränkung keine Berücksichtigung finden. 4.4 Gesundheitliche Situation der helfenden Berufe Die gesundheitliche Situation der Berufstätigen im helfenden Dienstleistungssektor wird in der Wissenschaft insbesondere im Rahmen der Burnout-Forschung vielfach thematisiert (Burisch, 2006; Reiners-Kröncke et al., 2010). Burnout ist dabei ein weit verbreitetes Phänomen in der Arbeitswelt. Eine Studie der WHO (World Health Organization) und der ILO (International Labour Organization) im Arbeitssucht in helfenden Berufen 47 Jahr 2000 geht von 37 Millionen betroffenen Menschen in Europa aus, die an den Folgen psychischer Arbeitsbelastungen leiden (Driller, 2008). Nach Angaben deutscher Arbeitsmediziner leiden dabei in Deutschland etwa 5 Prozent der 25- bis 40jährigen in Gesundheitsberufen Tätigen an der chronischen Erschöpfung (Driller, 2008). Damit sind die Burnout-Raten in den helfenden Berufen besonders hoch. Ruhwandl (2009) beschreibt, dass jede dritte Krankenschwester oder Erzieherin einmal in ihrem Leben an Burnout-Syndrom erkrankt, bei Lehrern sind es sogar bis zu 50 Prozent. Bergner (2010) geht sogar von 30 Prozent bis 50 Prozent aller Ärzte aus, die von Burnout betroffen sind. Der Begriff Burnout wurde durch den Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger 1974 geprägt und diente der Beschreibung von ursprünglich engagierten Helfern, die oftmals nach kurzer Arbeitstätigkeit Symptome wie Erschöpfung, Müdigkeit und Zynismus aufzeigen (Köppl, 2006). Der Begriff Burnout soll somit als eine körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung mit reduzierter Leistungsfähigkeit nach völliger Verausgabung und Verbrauch der eigenen Reserven aufgrund beruflicher Überlastung verstanden werden (Hoffman et al., 2005; Krämer, 2011; Perrar, 1995; Reiners-Kröncke et al., 2010). Obwohl die Thematik des Burnout sowohl in der Wissenschaft, als auch in den Medien große Präsenz zeigt, konnte bis dato keine eindeutige Klärung der Begrifflichkeiten und keine einstimmigen Definition- und Abgrenzungsmöglichkeiten installiert werden (Krämer, 2011; Reiners-Kröncke et al., 2010). „Vielmehr kann bei der Literaturdurchsicht ein Spektrum an nebeneinander stehenden und heterogenen Definitionsvorschlägen mit Modellen, Konzepten und Symptomauflistungen festgestellt werden, welche in bestimmten Aspekten sogar widersprüchliche Positionen aufweisen.“ (Krämer, 2011, S. 7) So ist das Burnout-Syndrom bislang nicht als anerkannte Krankheit im Leistungskatalog der Krankenkassen und als Differenzialdiagnose in den Internationalen Diagnosemanualen, wie ICD-10 oder DSM-IV-TR, verankert.19 Burnout kann sich durch vielschichtige und zum Teil gegensätzliche Symptome äußern. Diese können von Konzentrationsstörungen, über häufiges Fehlen am Arbeitsplatz, bis hin zu verminderter Empathie reichen (Enzmann & Kleiber, 1989; Hoffman et al., 2005; 19 Burnout wird in der „Internationalen Klassifikation der Erkrankungen“ (ICD-10) als „Ausgebranntsein“ und „Zustand der totalen Erschöpfung“ mit dem Diagnoseschlüssel Z73.0 erfasst. Er gehört zum übergeordneten Abschnitt Z73 und umfasst „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“. Nach dieser Einstufung ist der Burnout eine Rahmen- oder Zusatzdiagnose und keine Behandlungsdiagnose (Reiners-Kröncke etal., 2010). Arbeitssucht in helfenden Berufen 48 Reiners-Kröncke et al., 2010). Um diese unterschiedlichen Phänomene systematisieren zu können, bedienen sich Reiners-Kröncke et al. (2010) der Klassifikation von Schaufeli (1992), der die Symptome in fünf Kategorien einteilt: psychisch, physisch, verhaltensbezogen, sozial und einstellungsbezogen (vgl. Tabelle 4-1). Die psychischen Symptome beinhalten emotionale, kognitive und motorische Beeinträchtigungen, die physischen dagegen psychosomatische und somatische Erkrankungen und physiologische Reaktionen. Verhaltensbezogene Symptome äußern sich individuell oder im Arbeitsverhalten, wohingegen sich soziale Symptome in der Interaktion mit Patienten, Kollegen, Familie und sozialem Umfeld bemerkbar machen. Ebenso kann es bei BurnoutBetroffenen zu problematischen Einstellungen im Kontakt mit Klienten kommen, wie z.B. bei Zynismus, bei einem vorherrschenden Verlust an Idealismus (Reiners-Kröncke et al., 2010). Tabelle 4-1 Symptome einer Burnout-Erkrankung nach Schaufeli (1992, zitiert nach ReinersKröncke et al., 2010, S. 13) Burnout wird als langwieriger und schleichend einsetzender Prozess beschrieben (Burisch, 2006; Enzmann & Kleiber, 1989; Reiners-Kröncke et al., 2010), wobei jedoch Uneinigkeit über die Dauer, Abfolge und Ursache besteht (Burisch, 2006; Fengler, 2001; Gusy, 1995; zitiert nach Reiners-Kröncke et al., 2010). Das Dreiphasenmodell von Maslach und Jackson (1981, zitiert nach Ruhwandl, 2009), welches in der Fachliteratur am häufigsten zitiert wird, definiert drei Phasen, wobei die erste Phase durch eine emotionale Erschöpfung des Betroffenen geprägt ist. Diese äußert sich durch Gefühle des Ausgebranntseins und der Müdigkeit und Leere, Verlust der Fähigkeit, sich zu regenerieren und durch hohe Frustration. Die zweite Phase beschreibt Arbeitssucht in helfenden Berufen 49 die Depersonalisation, die sich in Gefühllosigkeit und Zynismus gegenüber Mitarbeitern und Patienten, der Kontaktvermeidung und Gefühlen der allgemeinen Gereiztheit verdeutlicht und somit das Kernsymptom von Burnout darstellt. Entscheidend ist hierbei, dass die betroffene Person die eigene Gefühlkälte gegenüber den Patienten als persönliches Versagen und Unzulänglichkeit erlebt und daraus resultierend unter einer negativen subjektiven Leistungseinschätzung leidet (Krämer, 2011). Eine allgemeine Leistungseinschränkung definiert schließlich die dritte Phase. Sie ist gekennzeichnet durch einen Verlust an Selbstvertrauen, einer negative Selbsteinschätzung, einer reduzierte Produktivität und kann bis hin zum Rückzug und einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen (Ruhwandl, 2009). Bezüglich der Ursachen von Burnout bestehen vielfache wissenschaftliche Erklärungsmodelle, die entweder den persönlichkeitszentrierten (Burisch, 2006; Edelwich & Brodsky, 1984; Freudenberger, 1981) oder den sozial-, arbeits- und organisationspsychologischen Ansätzen (Cherniss, 1980; Enzmann & Kleiber, 1989; Maslach & Jackson, 1984; Pines, Aronson & Kafry, 1983), die die Ursachen von Burnout vornehmlich in der Umwelt und den extrinsischen Faktoren und nicht in der Persönlichkeit des Betroffenen suchen, zuzuordnen sind.20 Maslach und Jackson (1981, zitiert nach Krämer, 2011) betonen, das das Phänomen vorrangig in Berufen auftritt, in denen mit Individuen interagiert wird. Es ist daher als Reaktion auf interpersonelle Belastungen bei der Arbeit zu verstehen, wobei eine Überlast an Patienten-Kontakten zu Veränderungen der Einstellungen und des Verhaltens bei professionellen Helfern führen kann. „Dieser enge, kontinuierliche Kontakt mit Klienten schließt ein chronisches Niveau emotionalen Stresses ein, und es ist die Unfähigkeit, diesen Stress erfolgreich zu bewältigen, was sich in der emotionalen Erschöpfung und dem Zynismus des Burnout manifestiert.“ (Maslach & Jackson, 1978; zitiert nach Enzmann & Kleiber, 1989, S. 32). Enzmann und Kleiber (1989) nennen weitere Ursachen: sie sehen Überforderung, unklare Erfolgskriterien und mangelndes Feedback als ursächlich für emotionale Erschöpfung. Überforderung und fehlende Handlungsspielräume führen zu einer mangelnden persönlichen Leistungsfähigkeit, wohingegen das Kontrollerleben in Form von empfundener Fremdkontrolle zur Depersonalisierung führt. 20 An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass aufgrund der Seitenzahlbegrenzung die breitgefächerte Thematik des Konstrukts Burnout hier nur im geringen Anteil elaboriert werden kann. Arbeitssucht in helfenden Berufen 50 Die Folgen einer Burnout-Erkrankung sind ein schlechterer Gesundheitszustand und reduzierte Lebensqualität, Funktionsfähigkeit und Beeinträchtigungen körperliche körperlicher Erkrankungen wie und Diabetes, sozialer Herz- Kreislauferkrankungen etc., Depressionen und ein vermindertes Selbstwertgefühl, Angst und Hilflosigkeit (Nitzsche et al., 2010). Des Weiteren zeigen Studien, dass Mitarbeiter mit psychischen Erkrankungen ein doppelt so hohes Risiko haben, langfristig am Arbeitsplatz auszufallen (Chisholm, Diehr, Knapp, Patrick, Treglia & Simon, 2003; zitiert nach Driller, 2008) oder zu Präsentismus neigen, d.h. Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz Erkrankung, welches zu Produktivitätseinbußen führt, bedingt durch die eingeschränkte Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters (Nitzsche et al., 2010). Dies führt zu immensen Folgekosten für Wirtschaft und einzelne Unternehmen. „Zudem stellt der vermutete Verlust an Produktivität durch Burnout ein zentrales Problem für Unternehmen im sozialen Sektor dar. Gesunde Betriebe brauchen gesunde Beschäftigte -so die allgemeine Annahme- um wettbewerbsfähig zu sein und eine hohe Dienstleistungsqualität anbieten zu können.“ (Driller, 2008, S. 5) In Abgrenzung zu Burnout beschreiben einige Autoren (Fengler, 2001; ) ergänzend das Phänomen der beruflichen Deformation, welches vermehrt in helfenden Berufen auftritt. Dies soll nach Fengler (2001) alle Schädigungen, Fehlentwicklungen, Verschleißerscheinungen, Fehlorientierungen, Entfremdungen, Verkennungen im Erleben und Verhalten bezeichnen, die durch die Berufstätigkeit bedingt im Laufe dieser auftreten. Gründe einer beruflichen Deformation erkennt Fengler (2001) in einer beruflichen Dauerbelastung, der Überidentifikation mit dem Beruf und der selektiven, fast ausschließlich auf den Beruf bezogenen Wahrnehmung. Diese Deformation kann sich im Umgang mit Klienten durch mangelnde Einfühlungsfähigkeit und Gleichgültigkeit des Helfers, durch Distanziertheit und mangelnde Authentizität und der pauschalen Anwendung von übergeneralisierten Problemlösungen äußern. Enzmann & Kleiber (1989) konnten in einer Untersuchung von 1984 feststellen, dass Berufstätige aus helfenden Berufen vermehrt Gefühle wie Distanzierungswünsche gegenüber Klientenproblemen und der Arbeit, Zynismus gegenüber Klienten, Ohnmachts- und Hilflosigkeitsgefühle, Kompetenzprobleme mit dem Gefühl der eigenen Unfähigkeit und der Einschätzung, nicht grundsätzlich helfen zu können, schwindendes Engagement, Depressivität, Erschöpfung, Schlafprobleme und Arbeitsunlust aufwiesen. Rucinski und Cybulska (1985, zitiert nach Enzmann & Kleiber, 1989) beschreiben die hohe psychische Morbidität von Ärzten, die signifikant höhere Raten für Alkoholismus, Drogenabhängigkeit und affektive Störungen im Vergleich zum restlichen Klinikpersonal Arbeitssucht in helfenden Berufen 51 aufwiesen. Bergner (2010) spricht von 10-15 Prozent der Ärzte, die einmal in ihrem Leben eine Substanzabhängigkeit, und bis zu 42 Prozent aller Ärzte, die ein Suizidrisiko aufweisen. Allgemein wird in der Forschung ein neuerlicher Wandel beschrieben: Es kann eine deutliche Zunahme von psychischen Erkrankungen konstatiert werden, wobei diese inzwischen die vierthäufigste Ursache für Fehlzeiten in deutschen Unternehmen darstellen (Badura et al., 2010). Dabei geht aus der Arbeitsunfähigkeitsstatistik der Krankenkasse AOK aus dem Jahr 2008 hervor, dass neben den Arbeitslosen und den Beschäftigten aus dem Verkehrswesen, insbesondere Beruftätige aus dem Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen dem stärksten Risiko ausgesetzt sind, von einer psychischen Erkrankung betroffen zu sein (Badura et al., 2010). Der DAK-Gesundheitsreport von 2005 konstatiert ebenfalls, dass Berufstätige aus dem Gesundheitswesen die höchste Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Störungen - bis zu 55 % mehr als der DAK-Bundesdurchschnitt - aufweisen. Damit lag der Anteil psychischer Diagnosen am Gesamtkrankenstand im Gesundheitswesen bei 13 %. Somit treten psychische Erkrankungen bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen überproportional oft auf. Trotz der vielfältigen Belastungen der helfenden Berufe, zeigen Studien, dass nicht alle Helfer Belastungsfolgen bzw. die gleichen Belastungsfolgen erleben (Bull, 2005; Enzmann & Kleiber, 1989). Vielmehr kann konstatiert werden, dass es keine unmittelbare Wirkung von Belastungen und Stressoren auf die Person gibt, sondern vielmehr weitere Faktoren auf diesen Prozess Einfluss nehmen. Nach dem transaktionalen Stressmodell von Lazarus und Launier (1981, zitiert nach Krämer, 2011; Perrar, 1995; Reissner, 2008) tritt eine Stressreaktion vorwiegend dann auf, wenn ein Individuum eine Situation dahingehend einschätzt, dass entweder die Anforderungen aus der Umwelt oder interne Anforderungen die eigenen verfügbaren Copingressourcen übersteigen. Damit verfolgt das Modell die These, dass verschiedene Personen in gleichartigen Situationen nicht die gleichen Stresszustände erleben. Das Vorhandensein eines Stressors führt nicht zwangsläufig zu einer Stressreaktion, vielmehr ist die kognitive Einschätzung des Individuums relevant (Driller, 2008). Das Belastungs-Beanspruchungskonzept folgt inhaltlich der transaktionalen Stresstheorie, indem es ebenso davon ausgeht, dass gleiche Belastungen nicht zu gleichen Beanspruchungen und individuellen Stresserleben führen müssen (Bartholdt & Schütz, 2010). Die individuellen Leistungsmerkmale, wie z.B. vorhandene Bewältigungsmechanismen spielen eine entscheidende Rolle, wobei das Erleben von Stress schwerwiegende kurz-, mittel- und langfristige Auswirkungen auf die mentale, Arbeitssucht in helfenden Berufen 52 psychische und physische Gesundheit und das soziale und individuelle Verhalten der Beschäftigten haben kann (Bartholdt & Schütz, 2010; Bull, 2005). Die Folgen von Stress können sich dabei in vielfältigen Erkrankungen widerspiegeln. Diese reichen über kardiovaskuläre Erkrankungen, Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit und Gedächtnisfunktion, über Atemwegserkrankungen, Hauterkrankungen, Erkrankungen der Muskulatur, der Schilddrüse, der Verdauungsorgane, des Stoffwechsels und des Immunsystems. Weitere Folgen können Schlafstörungen, Leistungsabfall im Arbeitskontext und psychische Erkrankungen, wie z.B. Depressionen, sein (Bartholdt & Schütz, 2010). Modelle, wie z.B. die gesundheitspsychologischen Ansätze des Salutogenese Modells von Antonovsky von 1997, greifen den Aspekt der Ressourcen auf und untersuchen Faktoren, die trotz Belastungen gesund halten (Bull, 2005; Hoffman et al., 2005). Arbeitszufriedenheit beschreibt den Grad der Übereinstimmung zwischen Ansprüchen des Arbeitenden einerseits, und der Erfüllung dieser, die aus seiner beruflichen Tätigkeit resultiert andererseits (Reiners-Kröncke et al., 2010). Empirische Untersuchungen der Burnout-Forschung zeigen, dass je höher das Engagement und die emotionale Beteiligung an der Arbeit ist, desto geringere Werte finden sich bei der Arbeitszufriedenheit der Betroffenen (Reiners-Kröncke et al., 2010). Auch konnte belegt werden, dass Berufstätige mit höheren Burnout-Werten eine niedrigere Arbeitszufriedenheit und Selbstwirksamkeitserwartung aufwiesen (Reissner, 2008). Rollenambiguität21 stellt eine zentrale Ursache für Arbeitsunzufriedenheit dar (Bartholdt & Schütz, 2010). Driller (2008) konnte in ihrer Studie belegen, dass Mitarbeiter mit einem gering wahrgenommenen Tätigkeitsspielraum zweifach häufiger dazu neigen, ihre eigene Arbeit als wenig bedeutsamer einzuschätzen und somit eine geringe Arbeitszufriedenheit aufweisen. Als weitere spezifische Arbeitsbelastungen wird Folge in der einer helfenden Literatur das Berufstätigkeit Phänomen der und deren externalen Kontrollüberzeugung beschrieben. Durch die Erkenntnis der Helfer, dass die Lösung von Problemen nicht nur durch sie selbst kontrollierbar ist (internale Kontrollüberzeugung) und die Sichtung der äußeren Einflussfaktoren kann es zu einer gegensätzlichen Entwicklung, der Entwicklung einer externalen Attribution 21 Siehe dazu auch Kap. 4.3 kommen (Enzmann & Arbeitssucht in helfenden Berufen 53 Kleiber, 1989). Dies bedeutet, dass Misserfolge den äußeren Umständen zugeschrieben werden, wodurch die Selbstwirksamkeitserwartung und die Kontrollerwartung sinken. Eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung, in Anlehnung an die Theorie von Bandura von 1977, korreliert dabei mit Depressionen, Ängsten, Hilflosigkeit und Burnout (Burisch, 2006; Reissner, 2008). Als weitere Folgen können zunehmende Passivität, defensive Copingmeachnismen und Gefühle der Hilflosigkeit beschrieben werden (Enzmann & Kleiber, 1989). Driller (2008) beschreibt in ihrer Studie, dass die untersuchten Mitarbeiter mit einer hohen externalen Kontrollüberzeugung ein fast dreifach erhöhtes Risiko aufzeigten, emotionale Erschöpfung aufzuweisen und die Bedeutung der eigenen Arbeit anzuzweifeln. Eine berufliche Gratifikationskrise kann sich bei den Helfern insbesondere dann entwickeln, wenn sie den Eindruck gewinnen, dass ihre Anstrengungen nicht ausreichend belohnt und sie selbst nicht gerecht behandelt werden (Knesebeck, Grosse Frie, Klein, Blum & Siegrist, 2009). „Im Falle eines (subjektiv wahrgenommenen) Ungleichgewichts zwischen den eigenen Anstrengungen und den als Gegenwert erhaltenden Belohnungen ist die als selbstverständlich angenommene Norm der sozialen Reziprozität gestört. Das Missverhältnis zwischen Verausgabung und Belohnung führt zu Stress und geht in besonderem Maße mit intensiven negativen Emotionen einher.“ (Bartholdt & Schütz, 2010, S. 76) Damit können Helfer mit den vielfach beschriebenen spezifischen Stressoren, wie mangelnde Honorierung und hohes Anstrengungsniveau, als Risikogruppe identifiziert werden. Knesebeck et al. (2009) kommen dabei in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass bei chirurgisch tätigen Krankenhausärzten, die eine niedrige Position und eine hohe Arbeitszeit haben, konsistent signifikant höhere Risiken für psychosoziale Arbeitsbelastungen durch das bestehende Ungleichgewicht zwischen Verausgabung und Belohnung bestehen. „Etwa ein Viertel der chirurgisch tätigen Krankenhausärzte ist von einer beruflichen Gratifikationskrise betroffen.“ (Knesebeck et al.,2009, S. 79) Bödecker und Dragano (2005) konstatieren, dass Berufe aus dem Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen die höchsten Werte bzgl. des VerausgabungsBelohnungs-Ungleichgewichts aufzeigen. In der Literatur findet man viele Verweise auf die hohen berufsspezifische Belastungssituationen und deren gesundheitlichen Folgen der Helfer. Die Problematik einer Arbeitssucht wird dabei nicht beschrieben. Da bisher keine Signifikanz zwischen dem Auftreten der Arbeitssucht und bestimmten Berufsgruppen nachgewiesen werden konnte, soll in der folgenden Befragung empirisch Arbeitssucht in helfenden Berufen 54 untersucht werden, inwieweit die Hypothese zutrifft, dass Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor stärker zu einem arbeitssüchtigen Verhalten tendieren als der Bundesdurchschnitt. Herleitung der Fragestellung und Formulierung von Hypothesen 55 III Empirischer Teil 5 Herleitung der Fragestellung und Formulierung von Hypothesen Wie die theoretischen Ausführungen in Kapitel II zeigen, handelt es sich bei Arbeitssucht um ein bisher wissenschaftlich wenig untersuchtes, dabei sehr facettenreiches Phänomen. Neben den mangelnden, empirisch belegten Erklärungsansätzen zur Entstehung von Arbeitssucht besteht derzeit noch Unklarheit darüber, ob spezifische Berufsfelder die Entwicklung einer Arbeitssuchtproblematik fördern. Dabei stellt sich die Frage, ob diese spezifischen Belastungen auch mögliche Ursachen für ein arbeitssüchtiges Verhalten sind? Ist die Gruppe der helfenden Berufe daher besonders Sucht gefährdet? Oder führen eine hohe Motivation, ein starker Idealismus und ein daraus resultierendes hohes Engagement und somit disponierende Persönlichkeitsfaktoren zu einem pathogem Arbeitsverhalten? Ist das vielfache beschriebene Burnout-Syndrom nur eine Folge des Kontrollverlustes über sein eigenes Arbeitsverhalten? Kann ein arbeitssüchtiges Verhalten der Betroffenen ursächlich für ihre vielfachen Erkrankungen sein? Diese empirische Untersuchung soll deshalb hinterfragen, ob die helfenden Berufe tatsächlich eine Berufsgruppe darstellen, die in besonderem Maße von der Arbeitssucht betroffen sind (vgl. H 0 - H 1). Außerdem soll eruiert werden, welche Zusammenhänge zwischen der Arbeitsmotivation und dem Rollenselbstverständnis (vgl. H 4), den berufsspezifischen Arbeitsbedingungen und -belastungen (vgl. H 5 – H 8) und der Arbeitssucht bestehen und die Entwicklung dieser fördern, sowie die möglichen Folgen (vgl. H 9 – H 15) einer Arbeitssucht beschreiben. Dabei können aufgrund des begrenzten Umfangs des Fragebogens nicht alle berufsspezifischen Belastungen und deren erlebte Beanspruchungen, die verschiedensten Symptome einer Arbeitssucht und alle erlebten Folgen erfragt werden. Aus den forschungsleitenden Fragen werden folgende Hypothesen postuliert, die auf der Grundlage der empirisch gewonnenen Daten verifiziert oder falsifiziert werden: H 0: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor tendieren nicht stärker zu arbeitssüchtigem Verhalten als der Bundesdurchschnitt. H 1: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor tendieren stärker zu arbeitssüchtigem Verhalten als der Bundesdurchschnitt. Herleitung der Fragestellung und Formulierung von Hypothesen 56 Beide Hypothesen spezifizieren sich, aus der Literaturrecherche ergebend, in weiteren 14 Hypothesen. Insbesondere in der Burnoutforschung wird die erhöhte Gefahr des Ausbrennens für Berufsanfänger beschrieben (Driller, 2008; Enzmann & Kleiber, 1989; Reissner, 2008), bezüglich des Geschlechts besteht jedoch Uneinigkeit (Reissner, 2008). Dennoch beschreiben einige Studien, dass weibliche Helfer einem stärkerem Risiko ausgesetzt sind (Driller, 2008; Matthey, 2011). In den folgenden zwei Hypothesen soll untersucht werden, ob Berufsanfänger und weibliche Helfer im Vergleich öfter an Arbeitssucht erkranken: H 2: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht sind öfter Berufsanfänger (< 2 Jahre Berufserfahrung) als ihre nichtarbeitssüchtigen Kollegen. H 3: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht sind öfter weiblich als ihre nicht-arbeitssüchtigen Kollegen. Wie bereits in Kapitel 4.2 beschrieben, weisen Helfer vermehrt einen starken Idealismus auf, der sie zu einer hohen Arbeitsmotivation führt. Ein signifikantes Merkmal von Arbeitssüchtigen spiegelt sich in ihrer zwanghaften Arbeitsweise. Daher kann vermutet werden, dass diese Zwanghaftigkeit aus dem hohen Idealismus und der Motivation resultiert. Dies soll anhand folgender Hypothese überprüft werden: H 4: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht identifizieren sich stärker mit ihrer Arbeit und zeigen mehr idealistische Berufsziele. Wie im Kapitel 4.3 erläutert, können verschiedenen Arten der Stressoren, soziale, arbeitsorganisationsspezifische und organisationale Stressoren im Arbeitskontext, unterschieden werden. Als besonders prägend und spezifisch für die helfenden Berufe werden in der Literatur folgende vier Stressoren formuliert: der emotional beanspruchende und erschöpfende Umgang mit Patienten und die Personenbezogenheit der helfenden Berufe, die mangelnde Honorierung und Würdigung der helfenden Arbeitstätigkeit, die erlebte mangelnde Autonomie und Kontrolle, und schließlich die oftmals vorzufindenden Rollenkonflikte und Rollenambiguität. Es soll in den folgenden vier Hypothesen überprüft werden, ob arbeitssüchtige Helfer angeben, diese berufsspezifischen Belastungen wahrzunehmen: H 5: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht erleben mehr Stress im Umgang mit Patienten. Herleitung der Fragestellung und Formulierung von Hypothesen 57 H 6: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht erleben uneindeutige Berufsrollen und Zielvorgaben in ihrem Arbeitskontext. H 7: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht erleben in ihrem Beruf mangelnde Kontrollmöglichkeiten ihrer Arbeitstätigkeit. H 8: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht erleben in ihrem Beruf mangelnde Honorierung ihrer Arbeit. Wie im Kapitel 3.5 formuliert können die Folgen eines arbeitssüchtigen Verhaltens von körperlichen bis hin zu psychischen Beeinträchtigungen reichen, wobei die Auswirkungen verschiedenster Art sein können. Insbesondere im Arbeitskontext leiden die Betroffenen unter Versagens- und Überforderungsängsten und unter ihrer Zwanghaftigkeit, was zu einer geringen beruflichen Zufriedenheit führen kann. Durch Stress und Konflikte mit Arbeitskollegen, mangelnde Delegationsfähigkeit, Zwanghaftigkeit im Arbeitsverhalten und starkes Vermeidungsverhalten weisen die arbeitssüchtigen Berufstätigen ein unproduktiveres Arbeitsverhalten auf. Dementsprechend lauten die nächsten Hypothesen: H 9: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht sind mit ihrer beruflichen Situation weniger zufrieden als ihre nichtarbeitssüchtigen Kollegen. H 10: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht zeigen unproduktiveres Arbeitsverhalten als ihre nicht-arbeitssüchtigen Kollegen. Im Kapitel 4.5 konnte beschrieben werden, dass insbesondere in den helfenden Berufen ein hohes Risiko besteht, an Burnout zu erkranken. Durch die folgende Hypothese soll überprüft werden, ob arbeitssüchtige Helfer höhere Burnout-Werte als Folge ihrer Arbeitssucht (Schneider, 2001) als ihre nicht-arbeitssüchtigen Kollegen aufweisen: H 11: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht haben höhere Burnout-Werte als ihre nicht-arbeitssüchtigen Kollegen. Als Folgen einer Arbeitssucht weisen die Betroffenen oftmals Versagens- und Überforderungsängste, eine affektive Verflachung und eine emotionale Distanz nahen Bezugspersonen und ihren Patienten gegenüber auf. Da Arbeitssüchtige in der Regel sowohl die Probleme in ihrem Umfeld, als auch ihre eigenen extrem ausgeprägten Herleitung der Fragestellung und Formulierung von Hypothesen Einstellungen und Verhaltenweisen und deren gesundheitliche 58 Auswirkungen wahrnehmen, ist anzunehmen, dass sie eine niedrigere Zufriedenheit mit den verschiedenen Lebensbereichen schildern (Poppelreuter, 1997; Städele, 2008). Durch die Hypothesen H12 bis H15 soll überprüft werden, ob diese Unzufriedenheiten auch bei arbeitssüchtigen Helfern auftreten: H 12: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht sind mit ihrer Gesundheit weniger zufrieden als ihre nicht-arbeitssüchtigen Kollegen. H 13: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht haben eine niedrigere generelle Lebenszufriedenheit als ihre nichtarbeitssüchtigen Kollegen. H 14: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht sind mit ihrem vorhandenen Freizeitkontingent und ihrer Freizeitgestaltung weniger zufrieden als ihre nicht-arbeitssüchtigen Kollegen. H 15: Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht sind mit ihren sozialen Beziehungen (Partnerschaft, Ehe, Kinder, Freunde, Bekannte, Verwandte) weniger zufrieden als ihre nicht-arbeitssüchtigen Kollegen. Methodik 59 6 Methodik 6.1 Untersuchungsdesign und Untersuchungsdurchführung Bei der vorliegenden Studie kann das Forschungsdesign dem Untersuchungsansatz der korrelativen Studien zugeordnet werden. Da die Versuchsgruppen erst nach der Datenerhebung anhand eines künstlichen Kriteriums festgelegt wurden, handelt es sich bei der Untersuchung um eine Ex-post-facto-Studie, bei der ein Vergleich von Extremgruppen durchgeführt wird (Städele, 2008).22 Daraus resultiert, dass eine Kontrolle der Störvariablen durch z.B. eine Randomisierung nicht möglich ist. Es werden lediglich unabhängige als auch abhängige Variablen gemessen (Amelang & Batussek, 2004). Somit kann die vorliegende Studie keine kausalen Ursache-Wirkungs-Ketten im Hinblick auf Arbeitssucht im helfenden Dienstleistungssektor aufdecken. Vielmehr werden die Zusammenhänge und Korrelationen zwischen Arbeitssucht bei helfenden Berufen und den weiteren verschiedenen Variablen untersucht und beschrieben. Tabelle 6-1 gibt einen detaillierten Überblick über die in dieser Studie erhobenen unabhängigen und abhängigen Variablen. Als unabhängige Variable gilt immer die Gruppenzugehörigkeit der Versuchspersonen entweder zu den arbeitssüchtigen Helfern oder den nicht- arbeitssüchtigen Helfern. Weitere Indikatoren wie Dauer der Berufstätigkeit, Geschlecht, Arbeitsmotivation, Arbeitsbedingungen und -belastungen sowie berufliche Zufriedenheit, Produktivität des Arbeitsverhaltens, Burnout-Erkrankung, gesundheitliche und allgemeine Lebenszufriedenheit und schließlich Zufriedenheit mit Freizeit und sozialen Beziehungen beschreiben die abhängigen Variablen. Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde ein Online-Fragebogen mit Hilfe der Software von limesurvey.com entwickelt und für einen Zeitraum von 12 Wochen ins World Wide Web gestellt. Als Vorraussetzungen zur Teilnahme an der Befragung wurden die aktuelle Berufstätigkeit der Befragten und ihre bestehende Zugriffsmöglichkeit zum Internet formuliert. Die Online-Umfrage wurde als Link per E-Mail verschickt.23 Im Anschreiben wurden die Untersuchungsteilnehmer zudem darum gebeten, den Fragebogen an andere 22 Siehe dazu Kap. 6.2 23 Siehe dazu im Anhang A den formulierten Einladungstext der E-Mail. Methodik 60 ihnen bekannte Berufstätige aus dem helfenden Arbeitssektor weiterzuleiten. Somit sollte sich die Untersuchungsgruppe im Schneeballsystem teils selbst generieren. Tabelle 6-1 Abhängige und unabhängige Variablen der vorliegenden Studie Unabhängige Variable Variablen Hypothese arbeitssüchtige vs. nicht-arbeitssüchtige H0 bis H1 Helfer Abhängige Variablen H2 Dauer der Berufstätigkeit Geschlecht H3 Arbeitsmotivation H4 Arbeitsbedingungen und -belastungen H 5 bis H 8 Berufliche Zufriedenheit H9 Produktivität des Arbeitsverhaltens H 10 Burnout-Erkrankung H 11 allgemeine H 12 bis H 13 Zufriedenheit mit Freizeit und sozialen H 14 bis H 15 Gesundheitliche und Lebenszufriedenheit Beziehungen Um eine möglichst heterogene Stichprobe zu gewinnen, hat die Autorin gezielt viele verschiedene Professionen und Berufsfelder angesprochen und somit auch aktiv die Stichprobe rekrutiert. Anschriften und Kontaktdaten geeigneter Ansprechpartner bzw. Institutionen fanden sich durch Teilnahme an Arbeitskreisen des Ambulant betreuten Wohnens Kölns und der regionalen Suchthilfe durch Auswertung des Internets aus der hinzugezogenen Literatur aus eigener Arbeitstätigkeit bestehenden Kooperationskontakte, wie zur Bewährungshilfe Köln, LVR Kliniken Köln Merheim, diversen Arztpraxen und weiteren Krankenhäusern durch Hinweise von Untersuchungsteilnehmer/-innen durch Posten des Links in sozialen Netzwerken Der erhebliche Nachteil dieser Vorgehensweise lag darin, dass durch die teilweise stattfindende Selbst-Generierung des Fragebogens unklar blieb, wer tatsächlich mit welcher Profession und in welchem beruflichen Wirtschaftssektor arbeitend den Methodik 61 Fragebogen ausgefüllt hat und ob es zu einer mehrfachen Ausfüllung des Fragebogens kam. Die Verlässlichkeit einer solchen Datenerhebungsmethode ist daher grundsätzlich mit Skepsis zu betrachten. Deshalb können die Stichprobe und die Ergebnisse nicht als repräsentativ bezeichnet werden. Der offizielle Titel der Untersuchung lautete „Arbeit im helfenden Dienstleistungssektor. Selbstverständnis und Einstellungen gegenüber Arbeit und deren Auswirkungen auf das menschliche Wohlbefinden“. Es wurde also explizit auf den Hinweis des Forschungsgegenstandes der Arbeitssucht bei Helfern verzichtet, um potenziellen Primingeffekten vorzubeugen, die das Antwortverhalten der Studienteilnehmer beeinflussen und verzerren hätten können. Erst am Ende des Fragebogens erschien ein Hinweis auf die Thematik der Arbeitssucht. Alle Probanden wurden darauf hingewiesen, dass ihre Angaben streng vertraulich behandelt und anonymisiert verarbeitet werden. Vor der Durchführung der eigentlichen Befragungen wurde der Fragebogen in Form von acht Probebefragungen (Pretest) getestet. Diese Befragungen verliefen zeitlich versetzt, so dass nach den ersten vier erfolgten schriftlichen Beantwortungen der erstellte Fragebogen durch die neu gewonnenen Erkenntnisse optimiert werden konnte. Größere Verständnisprobleme oder Mängel des Fragebogens konnten dabei nicht festgestellt werden, lediglich einzelne Items wurden umformuliert. Die erneute Testung durch vier weitere Beantwortungen bestätigte den optimierten Fragebogen. Die kleine Stichprobengröße von N= 8 im Pretest resultiert aus der Absicht, jeweils Angehörige von Dienstleistungssektor vorab verschiedenen Professionen zu um befragen, besonders aus dem helfenden professionsgebundene Formulierungen zu vermeiden und allen befragten Professionen die formulierten Items zugänglich zu machen. So wurden zwei praktizierende Ärzte, eine Krankenschwester, eine Heilerziehungspflegerin, zwei Sozialarbeiterinnen und zwei praktizierende Therapeuten/ Psychologen im Vortest befragt. Um die möglichen Probleme bei der Beantwortung der Items zu eruieren, wurden zwei Pretester direkt bei der Bearbeitung des Fragebogens durch die Autorin beobachtet, die anderen Pretester erhielten die Möglichkeit, über beigefügte Textfelder Kritik und Anmerkungen äußern zu können. Die Bearbeitungsdauer des Fragebogens betrug im Durchschnitt 16,2 Minuten. Methodik 6.2 62 Operationalisierungen der Konstrukte und Beschreibung der Messinstrumente Bevor die eigentliche Untersuchung begonnen werden konnte, bedurfte es zum einen der Operationalisierung der aufgestellten Hypothesen, um diese messbar machen zu können, und zum anderen der Entwicklung der Methoden zur Messung. Die Erfassung sämtlicher Konstrukte erfolgte über einen Online-Fragebogen, welcher aus verschiedenen verfügbaren Erhebungsinstrumenten, in Kombination mit eigens entwickelten Items zusammengestellt wurde. Zunächst wird auf die Messung der Arbeitssucht eingegangen, wobei das Ziel darin bestand, arbeitssüchtige Probanden von nicht-arbeitssüchtigen zu unterscheiden. Zwar ist arbeitssüchtiges Verhalten vielfach beobachtbar, allerdings ist zu beachten, dass für eine sinnvolle Operationalisierung eine Beobachtung allein nicht ausreichend ist. Dabei wird berücksichtigt, dass ein Verhalten durch zwei Faktoren, dem sozialen und dem psychischen Faktor, bestimmt ist (Kroeber & Weinsberg, 2003). Unter dem sozialen Faktor ist der Einfluss auf eine Person, bedingt durch den Kontakt mit anderen Individuen, zu verstehen, während aktivierende Prozesse, wie Emotionen, Einstellungen etc. und kognitive Prozesse dem psychischen Faktor zuzuordnen sind (Kroeber & Weinsberg, 2003). Zur Messung des Vorhandenseins einer Arbeitssucht liegt der Schwerpunkt des Interesses auf dem psychischen Faktor, womit Rückschlüsse auf die Motivation und die vorhandene Einstellung gegenüber der eigenen Arbeitstätigkeit gezogen werden können. Um die Hauptfrage zu klären, ob Arbeitssucht eine Phänomen ist, das im helfenden Dienstleistungssektor stärker vertreten ist als im Bundesdurchschnitt, erschien eine quantitative Befragung in Form eines standardisierten Fragebogens als die am besten geeignete Methode. Der Vorteil einer schriftlichen Befragung in Form eines Fragebogens ist die Standardisierung und die damit erreichte Vergleichbarkeit der Probanden. Es ist zu bedenken, dass der Fragebogen eine subjektive Forschungsmethode darstellt, der als Selbstbericht-Instrument durch seine standardisierte Form aufgrund der Bildung von Items nur bestimmte Antworten der Probanden zulässt. Somit können Unsicherheiten und mögliche neue Aspekte gegebenenfalls nicht ausreichend erfasst werden. Um diesem Manko zu begegnen, gilt es, zukünftig in anderen Forschungsarbeiten beispielsweise halbstrukturierte Interviews als qualitative ergänzende Verfahren einzusetzen. Ebenso liegt der Nachteil der Befragung generell in dem Problem, dass nicht soziales Verhalten sondern ausschließlich verbales Verhalten als Teilaspekt erfasst wird und somit die Methodik 63 Ergebnisse nur eine eingeschränkte Erfassung des Komplexes Arbeitssucht bei Helfern widerspiegeln können (Matthey, 2011). Dennoch bleibt das persönliche Interview als Alternative uninteressant, da aufgrund der hohen Tabuisierung des Themas eine Bereitschaft zur Teilnahme häufig nur in Verbindung mit der Zusicherung der Anonymität erreicht werden kann. Des Weiteren ist den Betroffenen zumindest im Anfangsstadium ihre eigene Arbeitssuchtproblematik oft nicht bewusst, so dass es schwierig erscheint, diese für eine Befragung zu gewinnen. Es besteht weiterhin die Gefahr der mangelnden Kontrolle über zu erwartende Antwortverzerrungen aufgrund des Effektes der sozialen Erwünschtheit, gleichzeitig wird diese Problematik durch die Anonymität, die eine Online-Befragung bietet, deutlich entschärft (Scholl, 2009). „Die hohe subjektive Anonymität der Online-Befragung führt zu einer Verminderung von Verzerrungen durch sozial erwünschte Antworten und einer erhöhten Offenheit bei den Studienteilnehmern, auf persönliche Fragen ehrlich zu antworten.“ (Städele, 2008, S. 68) Ebenso konnte laut Bortz und Döring (2002) durch Vergleichsstudien die Vermutung widerlegt werden, dass Studienteilnehmer bei OnlineBefragungen mehr Falschangaben machen als bei anderen Befragungsarten. Nach Zerr (2003) führt dieses Entfallen von Intervieweffekten zu einer erhöhten Gütequalität, nämlich der Reliabilität und Validität. Da es bisher keine verlässliche Diagnose von Arbeitssucht gibt und es sich um eine ichsyntone Störung handelt, ist es besonders wichtig, eine große Stichprobe zu erhalten, um potentiell Arbeitssüchtige überhaupt anhand eines künstlichen Kriteriums identifizieren zu können. Hierzu eignete sich gerade aufgrund ihrer hohen Reichweite insbesondere die Online-Befragung. Des Weiteren bietet sie aufgrund ihrer hohen Ökonomie, der hohen Akzeptanz der Methodik bei den Befragten und ihrer Alokalität, also der verbesserten Ansprechbarkeit von schwer erreichbaren Personenkreisen, diverse Vorteile (Thielsch, 2008). Auch kann durch die lange zeitliche und räumliche Verfügbarkeit des OnlineFragebogens eine höhere Teilnahmebereitschaft erzielt werden. Durch höhere Selbstbestimmtheit bzgl. des Beantwortungszeitpunktes und der Beantwortungsdauer kann auch eine intensivere Auseinandersetzung des Untersuchungsteilnehmers mit der Thematik ermöglicht werden (Städele, 2008). Diese hohe Flexibilität kann sich attraktiv für die Studienteilnehmer gestalten, so dass möglicherweise auch schwer erreichbare Zielgruppen erleichtert rekrutiert werden können. Durch die digitale Datenerhebung und verarbeitung kann es zu einer Senkung der Fehlerquote kommen. Gleichzeitig steigt die Objektivität, da die Befragung automatisiert erfolgt (Zerr, 2003). Die Konstruktion und Entwicklung des Fragebogens erfolgte auf der Grundlage einer Literaturrecherche, eines Experteninterviews mit Herrn Dr. Poppelreuter, der seit 1996 Methodik 64 federführend in der Erforschung der Arbeitssuchtproblematik in Deutschland ist, und nach zahlreichen Gesprächen über das eigene Arbeitsverhalten mit Berufstätigen aus dem helfenden Dienstleistungssektor. Der Fragebogen enthielt hauptsächlich geschlossene Fragen, allerdings hatten die Teilnehmer vereinzelt die Möglichkeit, insbesondere durch das offene Textfeld am Ende der Befragung, offene Angaben zu machen und damit auch Aspekte zu benennen, die im Fragebogen nicht berücksichtigt wurden. Ca. 10 Prozent der Befragten nutzen die Möglichkeit, ergänzende Anmerkungen zu äußern. Bei allen Fragestellungen und Antwortvorgaben wurde darauf geachtet, diese verständlich, eindeutig und neutral zu formulieren. Ebenso wurden 2 Kontrollfragen zur Überprüfung der Aufmerksamkeit der Probanden und der Wahrheitskontrolle eingesetzt. Der Fragebogen bestand insgesamt aus 137 Fragen, die sich thematisch in 5 Blöcke unterteilten: Arbeitssucht und Arbeitsverhalten Berufsverständnis und Motivation Berufsspezifische Arbeitsbedingungen Allgemeine und berufliche Zufriedenheit bzgl. des Arbeitsverhaltens, der eigenen Leistungsfähigkeit, der psychisch erlebten Belastbarkeit und emotionalen Erschöpfung und des sozialen Umfelds Demografische Daten Grundlage für die Erhebung der Arbeitssucht stellt die reliable und valide Skala für Arbeitssucht (SEA) von Schneider (2001) dar, welche durch die Beantwortung von 20 dichotomen (Ja-/Nein-) Items für jede Befragungsperson einen Arbeitssucht-Wert ermittelt. Dabei wird jede Ja-Antwort einer Versuchsperson auf der SEA-Skala als Indikator für Arbeitssucht mit einem Punkt bewertet und anschließend durch Summation aller Ja-Antworten der SEA-Skalen-Rohwert ermittelt. Die Reliabilität der SEA-Skala kann als gut eingestuft werden. Die interne Konistenz beträgt r = .87 (Cronbachs Alpha), die Split-Half-Reliabilität nach Spearman-Brown liegt r = .71 und Retest-Reliabilität erreicht r = .92. (Schneider, 2001) „Die Skala umfasst die 20 trennschärfsten der ursprünglichen 174 Items, die anhand einer Literaturrecherche zum Thema Arbeitssucht entwickelt wurden, woraus sich die inhaltlich-logische Validität des Fragebogens ergibt.“ (Städele, 2008, S. 70) Des Weiteren können kaum alternative Messinstrumente, die den psychometrischen Anforderungen entsprechen oder das gleiche definitorische Verständnis von Arbeitssucht aufweisen (Städele, 2008), benannt werden. Methodik 65 Lediglich die englischsprachigen Arbeitssucht-Skalen von Spence und Robbins (1992) stellen ein reliables Messinstrument dar, wobei eine Normierung dieser ArbeitssuchtSkalen an einer repräsentativen deutschen Stichprobe bisher nicht erfolgt ist (Städele, 2008). Die SEA-Skala kann somit als Messinstrument verwendet werden, um das Phänomen Arbeitssucht zu quantifizieren, und sie liefert zugleich Normwerte (5,8) für die Beantwortung der Skala durch die Gesamtbevölkerung (Schneider, 2001; Städele, 2008). Die Nullhypothese und ihre Alternativhypothese wurden anhand der SEA-Skala von Schneider (2001) überprüft. Lag demnach der gewonnene Durchschnittswert auf der Skala für Arbeitssucht über 5,80, tendierte der Befragte zu einem arbeitssüchtigen Verhalten. Da aber eine Vergleichbarkeit zu den benannten Normwerten von Schneider nur hergestellt werden konnte, wenn die Befragten alle Items beantworteten, sollte mit Hilfe einer technischen Funktion alle diesbezüglichen Items als Pflichtangaben markiert werden, so dass sich die Teilnehmer gezwungen sahen, diese vollständig zu beantworten. Die SEA-Skala von Schneider (2001) wurde in der vorliegenden Arbeit übernommen, lediglich ein Item wurde leicht modifiziert.24 Beachtet werden musste aber, dass die Skala keinen exakten Wert vorgibt, anhand dessen eine Arbeitssucht diagnostiziert werden könnte (Schneider, 2001). Somit konnte auch innerhalb der Stichprobe nur ein relativer Vergleich zwischen Teilnehmern mit niedrigen und solchen mit hohen Werten auf der Skala für Arbeitssucht gezogen werden. Um die weiteren aufgestellten Hypothesen überprüfen zu können, wurde die Stichprobe (N = 438) anhand der T-Werte der Arbeitssuchtskala in Quartile unterteilt. Durch diese künstliche Unterteilung in Extremgruppen ließen sich dann Vergleiche zwischen Berufstätigen aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit den höchsten Werten auf der Skala für Arbeitssucht (oberes Quartil; N = 89) und damit der Zuordnung zu einen tendenziell arbeitssüchtigen Verhalten und denjenigen mit den niedrigsten Werten (unteres Quartil; N = 131) und der Zuordnung zu nicht-arbeitssüchtigen Verhalten ziehen. Die restlichen ca. 50 Prozent der Stichprobe, deren SEA-Ausprägungen im mittleren Bereich lagen, wurden für die weiteren Untersuchungen nicht mehr berücksichtigt. Somit waren die untersuchten Ausprägungsunterschiede zwischen 24 Das Item „Meine Frau sagt, ich opfere mich zu sehr für meinen Beruf auf“ wurde aufgrund des eingeengten Fokusses umformuliert in „Mein Partner/-in sagt, ich opfere mich zu sehr für meinen Beruf auf“. Möglicherweise leidet dadurch die Vergleichbarkeit in geringem Maße. Methodik 66 klassifizierten Arbeitssüchtigen und Nicht-Arbeitssüchtigen25 relevant und nicht die tatsächlichen Ausprägungen der einzelnen Personen auf der Arbeitssucht-Skala. Außerdem konnten so Merkmalsausprägungen Arbeitsverhaltens, etc.) deutlicher (Einstellungen, und der Zusammenhänge Motivation, Zugehörigkeit zwischen Sichtweisen zur Gruppe bestimmten des der eigenen tendenziell arbeitssüchtigen und nicht-arbeitsüchtigen Berufstätigen dargestellt werden. Mangels empirisch bewährter Vorbilder beruhten die 46 Items aus den beiden Frageblöcken zum Thema Selbstverständnis und berufsspezifische Arbeitsbedingungen, 2. und 3. Fragenblock des Fragebogens, ausschließlich auf Items, die von der Autorin nach intensiver Literaturrecherche selbst entwickelt wurden. Diese Items wurden in Statements formuliert, zu denen die Befragten in sogenannten Rating-Skalen Stellung beziehen sollten. Um die bestehende Tendenz, Extrempositionen zu vermeiden und stets mittlere Skalenwerte anzugeben, zu verhindern, wurde eine vierstufige Ordinalskala verwendet. Jede Antwortmöglichkeit wurde einer Zahl zugeordnet (1 = trifft überhaupt nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft eher zu, 4 = trifft voll und ganz zu) und somit codiert. Zur Auswertung wurden für jeden Probanden die Punkte einzeln addiert und mithilfe des Mittelwertes, der aus allen dazugehörigen Items, die von der Versuchsperson beantwortet wurden, errechnet wurde, erfolgte eine Einteilung in zwei Kategorien (hohe vs. niedrige Zustimmung). Im 4. Fragenblock zur Thematik der Zufriedenheit finden sich dabei 28 Items aus dem reliablen und validen Fragebogen zur Lebenszufriedenheit (FLZ) von Fahrenberg, Myrtek, Schuhmacher und Brähler (2000). Der FLZ dient der Erfassung relevanter Aspekte der Lebenszufriedenheit, wobei in der vorliegenden Arbeit lediglich 5 Bereiche der vom FLZ ursprünglich angebotenen 10 Lebensbereiche, teilweise stark verkürzt, berücksichtigt wurden. Die abgefragten Bereiche umfassten die allgemeine Lebenszufriedenheit, die Zufriedenheit mit der beruflichen Situation, der eigenen Gesundheit, mit der Freizeitgestaltung und mit ihren sozialen Beziehungen. Eine 25 Im nun folgenden Text wird die Bezeichnung „Nichtarbeitssüchtige“ als Synonym für die Befragten mit den niedrigsten Arbeitssucht-Werten (unteres Quartil) verwendet. Dies dient der sprachlichen Vereinfachung. Dabei muss beachtet werden, dass nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, dass diese Befragten definitiv nicht arbeitssüchtig sind, sondern sie lediglich verhältnismäßig zu den anderen Befragten nicht-arbeitssüchtig sind. Methodik 67 Erhebung weiterer Lebensbereiche wurde aus ökonomischen und inhaltlichen Gründen nicht angestrebt. Jede der Subskalen umfasste eine unterschiedliche Anzahl von Items, welche die Studienteilnehmer auf einer vierstufigen Likert-Skala, die von „unzufrieden (4 Punkte) bis „zufrieden“ (1 Punkt) reichte, beurteilten. Dabei wurde der Gesamtscore der Zufriedenheit über alle erfassten Lebensbereiche hinweg als Mittelwert aus allen beantworteten Items errechnet. Für die Auswertung der Daten wurden also einheitlich die Skalen-Mittelwerte als Indikatoren für die Zufriedenheit in den verschiedenen Lebensbereichen verwendet, da es primär um die Feststellung von höherer oder niedriger Lebenszufriedenheit ging. Die anhand der Skalenmittelwerte ermittelte Zufriedenheit konnte dabei in genügendem Maße zur Testung der Hypothesen H 9, H 12 bis H 15 dienen, da im Rahmen der ex-post-facto Studie keine kausalen Rückschlüsse auf die Gesamtpopulation möglich sind und die Vergleiche sich nur auf die beiden Extremgruppen beziehen. Der FLZ ist ein reliables Erhebungsinstrument. Die internen Konsistenzen (Cronbachs Alpha) liegen für die einzelnen Skalen zwischen r = .82 und r = .95, so dass die Reliabilität als gut einzustufen ist. Zur Erfassung der Produktivität des Arbeitsverhaltens der Befragten wurden aufgrund fehlender empirischer Vorlagen 8 Items von der Autorin eigens entwickelt. Die Items wurden in Statements formuliert, zu denen die Befragten in sogenannten Rating-Skalen Stellung beziehen sollten. Ebenso, wie bei der Erfassung der Zufriedenheit wurden dabei eine vierstufige Ordinalskala und der Skalen-Mittelwert als Indikator für ein unproduktives Arbeitsverhalten zur Auswertung verwendet. Außerdem wurde der Maslach Burnout Inventory Test (MBI) von Maslach & Jackson (1981, zitiert nach Institut für angewandte Sozialwissenschaften, 2012), der laut Burisch (2006) und Hoffman et al. (2005) zu 90 Prozent in der empirisch quantitativen BurnoutForschung als Messinstrument verwendet wird, zur Erfassung der Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit und der erlebten Erschöpfung in modifizierter Form eingesetzt. „Nach Angaben von Maslach und Jackson entspricht der Fragebogen den geforderten Gütekriterien wie Retest-Reliabilität, konvergenter und diskriminanter Validität.“ (Reiners-Kröncke et al., 2010, S. 21) Der Test besteht aus 22 Items und unterteilt sich in 3 Frageblöcke bzw. Dimensionen der emotionalen Erschöpfung, Depersonalisation und reduzierten Leistungsfähigkeit, wobei zur Auswertung die Summe der Ja-Antworten in den ersten beiden Blöcken und die Summe der Nein-Antworten aus dem dritten Block entscheidend sind. Die Ja-Antworten der ersten beiden Blöcke und die Nein-Antworten des dritten Blocks wurden jeweils mit dem Wert 1 codiert. Dabei kann der Test keine verbindlichen Kriterien zur Bestimmung eines individuellen BurnoutGrades formulieren, sondern nur die erlebte Belastung der einzelnen Dimensionen über Methodik 68 die erfolgte Selbsteinschätzung der Befragten konstatieren (Enzmann & Kleiber, 1989; Reiners-Kröncke et al., 2010). Für die Auswertung der Daten wurde also auch hier einheitlich der Skalen-Mittelwert als Indikator für Burnout verwendet, da es primär um die Feststellung von höherer oder niedriger Belastung ging. Im 5. Fragenblock wurden die demografischen Daten der Untersuchungsteilnehmer durch 12 formulierte Items erhoben. Die Teilnehmer machten Angaben zu Alter, Geschlecht, Familienstand, Schul- und Berufsausbildung, Berufstätigkeit und zu derzeitigen beruflichen Arbeitsfeldern. Weiterhin wurden die vertraglich vereinbarten und die tatsächlich geleisteten Wochenarbeitsstunden der Befragten erfasst und die Jahre an Berufserfahrungen quantitativ erhoben. Auch wurde erfragt, ob die Untersuchungsteilnehmer bereits aufgrund ihres Arbeitsverhaltens professionelle Hilfe in Anspruch genommen haben. 6.3 Stichprobe Sowohl die Durchführung einer Totalerhebung als auch das Ziehen einer repräsentativen Stichprobe aller Berufstätigen im helfenden Dienstleistungssektor ist aufgrund des zeitlichen Rahmens der Masterarbeit und der mangelnden Definition und Abgrenzung der Berufsgruppen des helfenden Dienstleistungssektors, und somit der mangelnden Eruierung der Grundgesamtheit, nicht möglich. Deshalb wurde als Stichprobendesign die Ad-hoc-Stichprobe gewählt, welche dazu dient, einen ersten Einblick in das Problemfeld zu bekommen. Die Ad-hoc-Stichprobe gehört dabei zu den nicht-probabilistischen Stichproben, was bedeutet, dass die Auswahlwahrscheinlichkeit der Elemente einer Stichprobe nicht bekannt ist, vielmehr ist die Auswahl durch die gerade zur Verfügung stehenden Elemente bedingt. Diese Stichprobe ist damit nicht repräsentativ und durch eine mangelnde Randomisierung nicht zufällig. Das methodologische Problem von Ad-hoc-Stichproben liegt darin, dass man ihre Ergebnisse nur schwierig verallgemeinern kann. Ad-hoc-Stichproben erfordern daher die Definition einer Grundgesamtheit im Nachhinein aus den Daten in der Stichprobe (Kirchhoff, Kuhnt, Lipp & Schlawin, 2010; Raab-Steiner & Benesch, 2012). Somit ergibt sich aus dem Untersuchungsdesign eine selbstselektierte Stichprobe (Städele, 2008), da die Internetuser bzw. durch E-Mails angesprochenen Personen eher zufällig auf die Studie stießen und selbst entscheiden konnten, ob sie an dieser teilnehmen Methodik 69 wollten26. Somit fand sowohl eine passive Rekrutierung durch Weiterleitung der E-Mails z.B. in örtlichen Arbeitskreisen der Suchthilfe als auch eine aktive Rekrutierung durch direkte Ansprache von Kooperationskontakten per E-Mail statt. Allerdings dürften im Rahmen dieser Studie die auf passivem Wege rekrutierten Befragungsteilnehmer zahlenmäßig überwiegen. Der Online-Fragebogen wurde insgesamt 746mal aufgerufen. Zur Stichprobe zugeordnet wurden allerdings nur Teilnehmer, die den Fragebogen vollständig ausgefüllt haben. Somit konnten 438 vollständig beantwortete Fragebögen und 308 abgebrochene Befragungen differenziert werden, welches eine Rücklaufquote von ca. 59 Prozent ergibt. Letztendlich konnten somit 438 Fragebögen in die Stichprobe aufgenommen werden. Kirchhoff et al. (2010) beschreiben, dass insbesondere bei schriftlichen Befragungen eine Rücklaufquote von über 15 Prozent als „bemerkenswert hoch“ (S.35) zu titulieren ist. Die hohe Rücklaufquote dieser Studie ist wahrscheinlich durch die aktive Rekrutierung von beruflichen Kooperationskontakten und des damit bestehenden persönlichen Verhältnisses zur Autorin der Studie einerseits und anderseits durch die hohe Akzeptanz und Nutzung der Untersuchungsteilnehmer von sozialen Netzwerken wie Facebook erklärbar. Ebenso kann aufgrund von Rückmeldungen der Befragten vermutet werden, dass die Thematik des beruflichen Selbstverständnisses des Helfers und dessen Auswirkungen auf die eigene Gesundheit von den Teilnehmern als interessant beurteilt und die Befragung als Raum zur Selbstreflexion genutzt wurde. Die 438 Versuchspersonen wurden für alle Berechnungen in zwei Extremgruppen und eine breite unauffällige Gruppe aufgeteilt27, wobei diejenigen Personen, die eine mittlere Ausprägung auf der SEA-Skala aufwiesen, nicht in weitere Berechnungen der Hypothesenüberprüfungen eingingen. Für den Extremgruppenvergleich wurde ausschließlich ein Vergleich zwischen den Versuchspersonen, die die höchsten SEAWerte und somit der Gruppe der potenziell Arbeitssüchtigen (N = 89) zugeordnet werden konnten, und denjenigen, die die niedrigsten SEA-Werte erzielten (N = 131), unternommen. 26 Siehe dazu auch Kap.6.1 27 Siehe dazu Kap.6.2 Methodik 6.4 70 Verfahren der Datenauswertung Für die statistische Auswertung wurden die Daten mit Hilfe des Programms Limesurvey in das Softwareprogramm SPSS 20 importiert und dort quantitativ analysiert. Zunächst wurden die Daten für die Auswertung gesichtet und aufbereitet, wobei falsche Werte ausgeschlossen, neue Variablen für die weitere Berechnung gebildet und die Kontroll-Items umgepolt wurden. Ebenso wurden die Angaben der Probanden überprüft, ob diejenigen, die z.B. als Familienstand „Single“ angaben, auch bei der Zufriedenheitsbewertung der sozialen Beziehungen, die Fragen zum Partner ausgelassen hatten. Zur Beschreibung der Stichprobe hinsichtlich der demographischen Variablen wurden deskriptive Analysen durchgeführt und anhand Häufigkeitsverteilungen analysiert, ob Unterschiede und Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Variablen und deren Ausprägungen bestehen. Mit Hilfe des Einstichproben-t-Test wurde überprüft, ob der aus der gegebenen Stichprobe gewonnene Mittelwert sich von dem vorgegebenen Mittelwert von 5,8 (Schneider, 2001) unterscheidet. Kreuztabellen dienten vereinzelt zur genauen Gegenüberstellung von arbeitssüchtigen und nicht-arbeitssüchtigen Helfern hinsichtlich einzelner Variablen (Berufsanfänger, Geschlecht). Anhand des Chi-Quadrat-Tests nach Pearson wurden die Unabhängigkeit beider Variablen der Kreuztabelle und ein möglicher Zusammenhang der beiden Variablen überprüft. Die Formel zur Berechnung des Wertes nach Pearson lautet: „Der Chi-Quadrat-Wert stellt somit die Summe der Quadrate der standardisierten Residuen dar, die über alle Felder der Kreuztabelle gebildet wird. Die Felder der Kreuztabelle mit hohen standardisierten Residuen liefern demnach einen hohen Beitrag zum Chi-Quadrat-Wert und damit zu einem signifikanten Ergebnis.“ (Bühl, 2012, S.300) Ein großer Chi-Quadrat-Wert gibt damit einen Hinweis auf einen großen Zusammenhang zwischen den Variablen. Die untersuchten Variablen sind dann unabhängig voneinander, wenn die beobachteten Häufigkeiten (fo) mit den erwarteten Häufigkeiten (fe) übereinstimmen. Zusätzlich wird der Freiheitsgrad (df) bestimmt. Dieser wird zur Berechnung der Irrtumswahrscheinlichkeit (p) benötigt. Liegt p ≤ 0.05 vor, so ist das Ergebnis signifikant (p ≤ 0.01 sehr signifikant; p ≤ 0.001 höchst signifikant). Dies bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, die Alternativhypothese angenommen zu haben, obwohl sie falsch ist, kleiner 5 Prozent liegt (Bühl, 2012). Methodik 71 Des Weiteren wurden zwischen verschiedenen Variablen Korrelationen berechnet, wobei der zu berechnende Korrelationskoeffizient (r) zwischen -1 und +1 liegen kann. Je näher der Betrag bei +/-1 liegt, desto stärker ist der Zusammenhang bzw. desto schwächer, wenn der Wert nahe bei 0 liegt. Hat der Korrelationskoeffizient ein negatives Vorzeichen, so besteht ein gegenläufiger Zusammenhang zwischen beiden Variablen (Bühl, 2012). Da bei den Berechnungen eine der beiden Variablen immer ordinalskaliert war, wurde die Rangkorrelation nach Spearman Rho zur Berechnung der Korrelation verwendet (Bortz & Schuster, 2010). Zur Überprüfung der Hypothesen H4 bis H15 konnten die arithmetischen Mittelwerte zweier unabhängigen Stichproben (ASs und Non-ASs) nicht mit Hilfe eines T-Testes für unabhängige Stichproben verglichen werden, da die Vorraussetzungen der normal verteilten Grundgesamtheiten und das Vorliegen eines Intervallskalenniveaus nicht erfüllt wurden. Stattdessen musste auf nicht-parametrische Verfahren zurückgegriffen werden (Bühl, 2012), so dass die Überprüfung der Hypothesen anhand des Mann-Whitney-UTest, der dem Vergleich von zwei unabhängigen Stichproben dient, erfolgte. Ergänzend wurden weitere Korrelationsberechnungen durchgeführt. Ergebnisse 72 7 Ergebnisse 7.1 Deskriptive Angaben zur Gesamtstichprobe Insgesamt umfasst die Stichprobe 438 Probanden aus dem helfenden Dienstleistungssektor. Da aus der Gesamtstichprobe (N = 438) für die hauptsächliche Hypothesentestung zwei Extremgruppen abgeleitet wurden, d.h. nur ca. 50 Prozent in die weiteren Berechnungen mit eingingen, werden im Folgenden nur die wichtigsten Aspekte der demografischen Merkmale der Gesamtstichprobe beschrieben. Tabelle 7-1 gibt dazu einen Überblick. 72 Prozent der Gesamtstichprobe (N = 438) waren Frauen und lediglich 28 Prozent Männer. Das Durchschnittsalter der Probanden betrug 37 Jahre, wobei der jüngste Befragte 16 Jahre und der älteste 64 Jahre alt waren. Die Mehrheit der Studienteilnehmer war jünger als oder 40 Jahre (67 Prozent) und lebte in einer festen Partnerschaft oder war verheiratet (77 Prozent). Lediglich 36 Prozent gaben an, Kinder zu haben. Die Mehrheit von 63 Prozent war kinderlos. Es liegt eine hoch gebildete Stichprobe vor, denn 73 Prozent der Untersuchungsteilnehmer verfügen über eine Hochschulreife oder sogar über ein abgeschlossenes Studium. Die Mehrheit der Probanden (52 Prozent) gaben als Beruf Sozialarbeiter/-in, Sozialpädagoge/-in und Pädagoge/-in an; als zweithäufigste Nennung mit 10 Prozent erfolgte die Berufsangabe Psychologe/-in und Therapeut/-in. Zusätzlich wurden durch die Inanspruchnahme eines offenen Textfeldes (String- Variable) weitere Berufe, wie Rettungsassistenten/Feuerwehr (N = 10), Suchttherapeut (N = 11), Lehrer (N = 6) und die Ausführung einer leitenden Tätigkeit (N = 9) benannt. Als häufigste Arbeitsfelder wurden ambulante Einrichtungen mit 35 Prozent beschrieben, stationäre Einrichtungen und Krankenhäuser wurden bei 31 Prozent als Arbeitsfeld benannt. Auch hier nutzen einige Befragte die Option, weitere Arbeitsfelder durch ein offenes Textfeld zu ergänzen. Als zusätzliche Arbeitsfelder wurden die Kinder- und Jugendarbeit (N = 17), die Behindertenhilfe (N = 3), die Drogenhilfe (N = 2), die Schul- und Bildungsarbeit (N = 9) und die aufsuchende Tätigkeit (N = 9) beschrieben. 87 Prozent der Untersuchungsteilnehmer gaben an, in Festanstellung zu arbeiten. Nur 7 Prozent titulierten ihre Arbeitstätigkeit als freiberufliche bzw. selbständige Tätigkeit. Die Mehrheit der Befragten (60 Prozent) arbeitete Vollzeit, nur 27 Prozent gingen Teilzeit arbeiten. Im Mittel arbeiteten die Befragten seit 9,21 Jahren im helfenden Dienstleistungssektor, wobei die Standardabweichung mit 8,12 relativ hoch ist und sie somit auf eine starke Streuung hinweist. Mehr als die Hälfte der Befragten gaben aber an, erst bis zu 10 Jahren Ergebnisse 73 als Helfer tätig zu sein. Mit steigender Dauer der Berufszugehörigkeit sank die Anzahl der Teilnehmer. Tabelle 7-1 Demografische Merkmale der Gesamtstichprobe (N= 438)28 Merkmal Kategorie Häufigkeit Prozente Kumulierte Geschlecht weiblich 318 72 % 72 % männlich 120 28 % 100 % 3 1% 1% zwischen 21 und 30 Jahren 151 34 % 35 % zwischen 31 und 40 Jahren 140 32 % 67 % zwischen 41 und 50 Jahren 92 21 % 88 % zwischen 51 und 60 Jahren 45 10 % 98 % Prozente Alter jünger als 20 Jahre älter als 60 Jahre Familienstand Single verheiratet/eingetragene 7 2% 100 % 90 21 % 21 % 140 32 % 53 % 199 45 % 98 % 9 2% 100 % Partnerschaft in einer festen Partnerschaft lebend (ohne Heirat) fehlende Angaben Anzahl der Kinder Bildungsstatus 279 63 % 63 % 1 Kind 57 13 % 76 % 2 Kinder 78 18 % 94 % 3 Kinder 21 5% 99 % 4 Kinder 1 0,2 % 100 % 5 Kinder 2 0,5 % 100 % Hauptschulabschluss 4 1% 1% Realschulabschluss 4 1% 2% 2 0,5 % 2,5 % 26 6% 8,5 % 69 16 % 24,5 % 249 57 % 81,5 % 0 0% 81,5 % fehlende Angaben 84 19 % 100 % Arzt /Ärztin 12 3% 3% Krankenschwester/-pfleger; 31 7% 10 % 226 52 % 62 % Psychologe/-in; Therapeut/-in 45 10 % 72% Erzieher/-in, Heilerziehungspfleger/- 25 6% 78 % keine Kinder Hauptschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung Realschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung Gymnasium/ Abitur abgeschlossenes Studium kein Schulabschluss Beruf Arzthelfer/-in; Altenpfleger/-in Sozialarbeiter/-in; Sozialpädagoge/in; Pädagoge/-in 28 Die Prozentwerte sind gerundet, so dass Rundungsungenauigkeiten auftreten können. Ergebnisse 74 in Arbeitsfeld Art der Anstellung Vollzeit /Teilzeit Berufsjahre Fehlende Angaben 99 22 % 100 % Krankenhaus 44 10 % 10 % Praxis 19 4% 14 % stationäre Einrichtung 91 21 % 35 % teilstationäre Einrichtung 15 3% 38 % ambulante Einrichtung 152 35 % 73 % Fehlende Angaben 117 27 % 100 % Festanstellung 382 87 % 87 % freiberufliche /selbständige Tätigkeit 29 7% 94 % Anstellung auf 400 €-Basis 14 3% 97 % ehrenamtliche Tätigkeit 4 1% 98 % Ausbildung 9 2% 100 % Vollzeit (35-40 Stunden/Woche) 263 60 % 60 % Teilzeit 119 27 % 87 % Fehlende Angaben 56 13 % 100 % bis 2 Jahre Berufserfahrung 78 18 % 18 % 2 bis 5 Berufsjahre 83 19 % 37 % 6 bis 10 Berufsjahre 78 18 % 55 % 11-20 Berufsjahre 89 20 % 75 % 21 bis 30 Berufsjahre 38 9% 84 % 31 bis 40 Berufsjahre 8 2% 86 % über 40 Berufsjahre 1 0,2 % 86 % Fehlende Angaben 63 14 % 100 % Auf die Frage, wie viele Wochenarbeitsstunden mit dem Arbeitgeber vertraglich vereinbart und wie viele Arbeitsstunden tatsächlich wöchentlich geleistet wurden, ergab sich ein Mittelwert von 4,2 Überstunden die Woche. 1,4 Prozent gaben an, wöchentlich weniger Stunden als vereinbart zu arbeiten, wobei das Minimum hier bei -10 Stunden lag. Das Maximum (N = 1) betrug 30 Überstunden die Woche. Wie in der Tabelle 7-2 verdeutlicht, gaben ca. 24 Prozent der Befragten an, die vertraglich vereinbarten Wochenstunden auch genau zu leisten; 46 Prozent allerdings beschrieben, bis zu 10 Überstunden die Woche regelmäßig zu leisten. Insgesamt beantworteten alle Teilnehmer (N = 438) am Ende des Fragebogens die Frage, ob sie bereits professionelle Hilfe bezüglich ihres Arbeitsverhaltens in Anspruch genommen hätten, wobei 23 Prozent (N = 99) diese Frage mit ja und 77 Prozent (N = 339) mit nein beantworteten. Ergebnisse 75 Tabelle 7-2 Differenz zwischen vertraglich vereinbarten Wochenarbeitsstunden und tatsächlich geleisteten Stunden Häufigkeit Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente Minusstunden (maximal -10 6 1,4 1,8 1,8 Keine Über- oder Minusstunden 107 24,4 31,5 33,2 bis zu 10 Überstunden/Woche 200 45,7 58,8 92,1 bis zu 20 Überstunden/Woche 23 5,3 6,8 98,8 bis zu 30 Überstunden/Woche 4 ,9 1,2 100,0 Gesamt 340 77,6 100,0 Fehlend System 98 22,4 438 100,0 Stunden/Woche) Gültig Gesamt Zusammenfassend kann die Stichprobe als heterogen bezeichnet werden. Ein Vergleich zu einer Grundgesamtheit kann aufgrund mangelnder Daten zu der Berufsgruppe der helfenden Dienstleister leider nicht gezogen werden, so dass das Sample nicht als repräsentativ gelten kann. 7.2 Arbeitssucht im helfenden Dienstleistungssektor Um die Arbeitssucht-Werte der Stichprobe erfassen zu können, sollten die Befragten auf einer Skala aus 20 dichotomen Items die dort beschriebenen Aussagen bejahen oder verneinen. Der Arbeitssucht-Wert der 438 befragten Helfer, der sich aus der Summe der „Ja“-Antworten errechnete, liegt im Durchschnitt bei 6,23, der Median beläuft sich auf sechs. Dabei ist die Spannweite sehr groß, da sowohl keine Aussage (Minimum = 0), als auch alle 20 Aussagen (Maximum = 20) bejaht wurden. Die Standardabweichung liegt bei 4,01. Der von Schneider (2001) ermittelte Normwert auf der Skala für Arbeitssucht beträgt 5,80. Somit weisen die befragten Helfer mit 6,23 einen höheren Arbeitssucht-Wert auf als die repräsentative Stichprobe Schneiders, die den Bundesdurchschnitt darstellt. Hypothesenüberprüfung H0 und H1 Die Nullhypothese, „Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor tendieren nicht stärker zu arbeitssüchtigem Verhalten als der Bundesdurchschnitt. Demnach weisen sie auf der Skala für Arbeitssucht nach Schneider (2001) einen Durchschnittswert auf, der nicht über 5,80 liegt.“, soll mithilfe eines Einstichproben-t-Testes überprüft werden. Ergebnisse 76 Die Tabelle 7-3 zeigt das Ergebnis des durchgeführten T-Tests bei einer Stichprobe. Dieser weist ein signifikantes Ergebnis mit p ≤ 0.05* auf. Der beobachtete Mittelwert der Variable Arbeitssucht ist um 0,426 größer als der Testwert und der Mittelwert in der Grundgesamtheit ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent 0,05 bis 0,8 größer als der Testwert. Somit kann die Nullhypothese abgelehnt und im Umkehrschluss die Alternativhypothese als bestätigt angesehen werden. Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor tendieren damit stärker zu einem arbeitssüchtigen Verhalten als der Bundesdurchschnitt. Tabelle 7-3 T-Test zur Überprüfung des Mittelwerts der Variable Arbeitssucht in Bezug auf die Grundgesamtheit Testwert = 5.8 T df Sig. (2-seitig) Mittlere Differenz 95% Konfidenzintervall der Differenz Untere Arbeitssucht 2,22 437 ,02 ,42 Obere ,05 ,80 Für eine weitere Überprüfung der folgenden Hypothesen wurden die Arbeitssucht-Werte der Helfer, wie in Tabelle 7-4 dargestellt, in Quartile unterteilt. Die Gruppe mit den niedrigsten Werten (1.Quartil, N = 131) wies im Vergleich zum ermittelten Bundesdurchschnitt (Schneider, 2001) unterdurchschnittliche ArbeitssuchtWerte auf, wohingegen die Gruppe mit hohen Arbeitssucht-Werten (4.Quartil, N = 89) deutliche überdurchschnittlich hohe Werte (≥ 10) zeigte. Nach der Bildung der beiden Extremgruppen umfassten diese eine Personenanzahl von N = 220, welches ca. 50 Prozent der Gesamtstichprobe (N = 438) entsprach. Zu der Gruppe der Arbeitssüchtigen (AS) wurden 89 Personen zugeteilt, wohingegen 131 Personen als Nicht-Arbeitssüchtige (Non-AS) identifiziert wurden. Ergebnisse 77 Tabelle 7-4 Einteilung der Stichprobe in Quartile 3,0 Gültige Prozente 3,0 Kumulierte Prozente 3,0 41 9,4 9,4 12,3 29 6,6 6,6 18,9 3 48 11,0 11,0 29,9 4 38 8,7 8,7 38,6 5 33 7,5 7,5 46,1 6 41 9,4 9,4 55,5 7 45 10,3 10,3 65,8 8 36 8,2 8,2 74,0 9 25 5,7 5,7 79,7 10 31 7,1 7,1 86,8 11 14 3,2 3,2 90,0 12 11 2,5 2,5 92,5 13 8 1,8 1,8 94,3 14 7 1,6 1,6 95,9 15 6 1,4 1,4 97,3 16 4 ,9 ,9 98,2 17 5 1,1 1,1 99,3 18 2 ,5 ,5 99,8 20 1 ,2 ,2 100,0 438 100,0 100,0 „Ja“ - Antworten 1. Quartil: 0 Häufigkeit 13 1 2 (< = 3) (N = 131) 2. Quartil: 3. Quartil: 4.Quartil: (> = 10) (N = 89) Gesamt Prozent Tabelle 7-5 gibt eine detaillierte Übersicht über die demografischen Merkmale der beiden Gruppen. Bei beiden Gruppen ist dabei eine deutliche Überzahl an weiblichen Probanden (weibliche Non-AS 65 Prozent, weibliche AS 78 Prozent) zu konstatieren, wobei beachtet werden muss, dass auch in der erhobenen Gesamtstichprobe das weibliche Geschlecht mit 72 Prozent dominiert. In der Gruppe der AS waren 46 Prozent der Teilnehmer unter 31 Jahre, wohingegen bei den Non-AS nur 25 Prozent dieser Alterseinstufung folgten. In beiden Gruppen lebten die Mehrzahl der Befragten in einer festen Partnerschaft oder waren verheiratet (79 Prozent vs. 74 Prozent), hatten keine Kinder (58 Prozent vs. 70 Prozent), verfügten über eine Hochschulreife oder ein abgeschlossenes Studium (68 Prozent vs. 72 Prozent), waren von Beruf Sozialarbeiter/-in, Sozialpädagoge/-in, Pädagoge/-in (53 Prozent vs. 45 Prozent) und arbeiteten festangestellt (88 Prozent vs. 88 Prozent) in Vollzeit (58 Prozent vs. 66 Prozent). Ergebnisse 78 Tabelle 7-5 Demografische Merkmale der Arbeitssüchtigen (n =89) und der NichtArbeitssüchtigen (n = 131)29 Merkmal Kategorie Nicht-Arbeitssüchtige Arbeitssüchtige (Non-AS) Häufigkeit/ Geschlecht Alter (AS) Prozent/ Häufigkeit/ Prozent/ Kumulierte Prozente Kumulierte Prozente weiblich 85 65 % 65 % 69 78 % 78 % männlich 46 35 % 100 % 20 22 % 100 % 1 0,7 % 0,7 % 1 1% 1% zwischen 21 und 30 Jahren 31 24 % 24,7 % 40 45 % 46 % zwischen 31 und 40 Jahren 51 39 % 63,7 % 25 28 % 74 % zwischen 41 und 50 Jahren 32 24 % 87,7 % 12 13 % 87 % zwischen 51 und 60 Jahren 15 11 % 98,7 % 7 8% 95 % jünger als 20 Jahre 1 0,7 % 100 4 5% 100 % Familien- Single 27 21 % 21 % 23 26 % 26 % stand verheiratet/eingetragene 46 35 % 56 % 29 32% 58 % 58 44 % 100 % 37 42 % 100 % keine Kinder 76 58 % 58 % 62 70 % 70 % 1 Kind 20 15 % 73 % 9 10 % 80 % 2 Kinder 27 21 % 94 % 14 15 % 95 % 3 Kinder 7 5% 99 % 4 5% 100 % 4 Kinder 1 0,8 % 100 % 0 0% 100 % älter als 60 Jahre Partnerschaft in einer festen Partnerschaft lebend (ohne Heirat) Anzahl der Kinder 5 Kinder 0 0% 100 % 0 0% 100 % Bildungs- Hauptschulabschluss 2 1,5 % 1,5 % 0 0% 0% status Realschulabschluss Hauptschulabschluss 0 0% 1,5 % 2 2% 2% mit 0 0% 1,5 % 2 2% 4% mit 9 7% 8,5 % 9 10 % 14 % abgeschlossener Berufsausbildung Realschulabschluss abgeschlossener Berufsausbildung Gymnasium/ Abitur 19 14,5 % 23 % 17 19 % 33 % abgeschlossenes Studium 69 53 % 76 % 47 53 % 86 % 0 0% 76 % 0 0% 0% 32 24 % 100 % 12 14 % 100 % kein Schulabschluss fehlende Angaben Beruf Arzt /Ärztin 2 1,5 % 1,5 % 1 1% 1% Krankenschwester/-pfleger; 8 6% 7,5 % 12 13 % 14 % 70 53 % 60,5 % 40 45 % 59 % 18 14 % 74,5 % 7 8% 67 % 5 4% 78,5 % 9 10 % 77 % Arzthelfer/-in; Altenpfleger/-in Sozialarbeiter/-in; Sozialpädagoge/-in; Pädagoge/-in Psychologe/-in; Therapeut/-in 29 Die Prozentwerte sind gerundet, so dass Rundungsungenauigkeiten auftreten können. Ergebnisse 79 Erzieher/-in, Heilerziehungspfleger/-in 25 Fehlende Angabe Arbeitsfeld Art der Anstellung 3 19 % 97,5 % 20 23 % 100 % 2, 5 % 100 % 0 0% 100 % 7% 7% 13 14,5 % 14,5 % Krankenhaus 9 Praxis 4 3% 10 % 5 stationäre Einrichtung 26 20 % 30 % 14 teilstationäre Einrichtung 4 3% 33 % 5 5,5 % ambulante Einrichtung 51 39 % 72 % 29 32,5 % 74 % Fehlende Angabe 37 28 % 100 % 23 26 % 100 % Festanstellung 116 88% 78 88% 88 % 9 7% 4 4% 92 % Anstellung auf 400 €- Basis 3 2% 4 4% 96 % ehrenamtliche Tätigkeit 1 0,8 % 2 2% 98 % Ausbildung 2 1,5 % 1 1% 99 % 76 58 % 58 % 59 66 % 66 % Teilzeit 40 31 % 89 % 19 22 % 88 % Fehlende Angabe 15 11 % 100 % 11 12 % 100 % bis 2 Jahre Berufserfahrung 15 12 % 12 % 20 22 % 22 % 2 bis 5 Berufsjahre 22 17 % 29 % 12 13 % 35 % 6 bis 10 Berufsjahre 32 24 % 53 % 17 19 % 54 % 11-20 Berufsjahre 33 25 % 78 % 11 12 % 66 % 21 bis 30 Berufsjahre 8 6% 84 % 10 11 % 77 % 31 bis 40 Berufsjahre 3 2% 86 % 2 2% 79 % über 40 Berufsjahre 6 5% 91 % 1 1% 80 % 12 9% 100 % 16 18 % 98 % freiberufliche /selbständige 5,5 % 16 % 20 % 36 % 41,5 % Tätigkeit Vollzeit Vollzeit / /Teilzeit (35-40 Stunden/Woche) Berufsjahre Fehlende Angabe Bezogen auf die Frage, wie viele Wochenarbeitsstunden mit dem Arbeitgeber vertraglich vereinbart und wie viele Arbeitsstunden tatsächlich wöchentlich geleistet wurden, konnte nach der Bildung der Extremgruppen ein höchst signifikanter (p ≤ 0.001 ***) Zusammenhang zwischen dem Arbeitsverhalten (Non-AS vs. AS) und der Bereitschaft zur Leistung von wöchentlichen Überstunden festgestellt werden (vgl. Tabelle 7-6). Ergebnisse 80 Abbildung 7-1 Vergleich Arbeitssucht und Überstunden Tabelle 7-6 Kreuztabelle Arbeitssucht und Überstunden Kreuztabelle Arbeitssucht * Differenz zwischen vertraglich vereinbarten Wochenarbeitsstunden und tatsächlich geleisteten Stunden Arbeitssucht Non-AS Anzahl Minusstunden Gesamt AS 3 1 4 2,4 1,6 4,0 67 12 79 46,5 32,5 79,0 17 15 32 18,8 13,2 32,0 10 28 38 22,4 15,6 38,0 3 13 16 9,4 6,6 16,0 100 70 170 100,0 70,0 170,0 Erwartete Anzahl Anzahl Keine Über- oder Erwartete Minusstunden Anzahl Differenz zwischen vertraglich vereinbarten Anzahl < =10 Wochenarbeitsstunden Erwartete Überstunden/Woche und tatsächlich Anzahl geleisteten Stunden Anzahl > 10 Erwartete Überstunden/Woche Anzahl Anzahl >20 Erwartete Überstunden/Woche Anzahl Anzahl Gesamt Erwartete Anzahl Chi-Quadrat: 51,50 (df = 5); p = 0.000 Ergebnisse 81 Wie in Abbildung 7-1 und Tabelle 7-6 sichtbar, leistet die Gruppe der AS deutlich mehr Überstunden als erwartet, wohingegen die Gruppe der Non-AS häufiger angibt, nur die vereinbarten Wochenarbeitsstunden zu leisten. Die Frage, ob die Teilnehmer bereits professionelle Hilfe bezüglich ihres Arbeitsverhaltens und den daraus resultierenden Folgen in Anspruch genommen haben, bejahten lediglich 44 Personen (20 %), wohingegen 176 Personen (80%) diese Frage verneinten (vgl. Tabelle 7-7). Dennoch ist auffällig, dass insbesondere in der Gruppe der AS deutlich mehr als erwartet, professionelle Hilfe bezüglich ihres Arbeitsverhaltens aufgesucht haben. Der Chi-Quadrat-Test hat dabei ergeben, dass es einen höchst signifikanten Unterschied (p ≤ 0.001 ***) zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich ihrer Inanspruchnahme von professioneller Hilfe gibt. Tabelle 7-7 Kreuztabelle Arbeitssucht und professionelle Hilfe Kreuztabelle Arbeitssucht * professionelle Hilfe Arbeitssucht Non-AS Gesamt AS Ich habe mir schon mal Anzahl Arbeitsverhaltens und den daraus resultierenden Folgen professionelle Hilfe geholt. 14 30 44 Erwartete Anzahl 26,2 17,8 44,0 Anzahl 117 59 176 104,8 71,2 176,0 131 89 220 131,0 89,0 220,0 Ja wegen meines Nein Erwartete Anzahl Anzahl Gesamt Erwartete Anzahl Chi-Quadrat: 17,55 (df = 1); p = 0.000 Hypothesenüberprüfung H 2 Um die Hypothese, „Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht (UV) sind öfter Berufsanfänger (< 2 Jahre Berufserfahrung) (AV) als ihre nicht-arbeitssüchtigen Kollegen“ überprüfen zu können, wurden die metrischen Antworten in zwei Kategorien (Berufsanfänger/ keine Berufsanfänger) eingeteilt (vgl. Abbildung 7-2). Ergebnisse 82 Abbildung 7-2 Vergleich Arbeitssucht und Berufsanfänger In einer Kreuztabelle (Tabelle 7-8) wurden diese mit den Teilnehmern, die in AS und Non-AS eingeteilt wurden, gegenübergestellt. Der Chi-Quadrat-Test hat ergeben, dass es einen signifikanten Unterschied (p ≤ 0.05 *) zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich ihrer Berufsjahre und somit ihrer gesammelten Berufserfahrung gibt. Tabelle 7-8 Kreuztabelle zwischen den Variablen Arbeitssucht und Berufsanfänger Kreuztabelle Arbeitssucht * Berufsanfänger Berufsjahre über und unter 2 Jahre Gesamt Berufsanfänger Kein (< 2 Jahre Berufsanfänger Berufserfahrung) Anzahl Erwartete Anzahl 15 116 131 20,8 110,2 131,0 42,9% 62,7% 59,5% 20 69 89 14,2 74,8 89,0 57,1% 37,3% 40,5% 35 185 220 Non-AS % innerhalb von Berufsjahre über und unter 2 Jahre Anzahl Erwartete Anzahl AS % innerhalb von Berufsjahre über und unter 2 Jahre Anzahl Gesamt Chi-Quadrat: 4,81 (df = 1); p = 0.02 Die Nullhypothese, welche besagt, dass beide Merkmale Arbeitssucht und Berufsdauer unabhängig voneinander sind, wird damit verworfen, und man kann davon ausgehen, dass die Berufsdauer einen Einfluss auf die Arbeitssucht hat. Ergebnisse 83 Um weiter zu überprüfen, welch ein Zusammenhang zwischen der Arbeitssucht und der vorliegenden Berufserfahrung besteht, wurde ergänzend der Korrelationskoeffizient nach Spearman-Rho berechnet. Diese Berechnungsart wurde ausgewählt, da eine Variable ordinalskaliert ist und deshalb eine Berechnung des Korrelationskoeffizienten nach Pearson ausgeschlossen ist. In Tabelle 7-9 sind die Ergebnisse dieser Korrelationsberechnung dargestellt. Tabelle 7-9 Korrelation zwischen Arbeitssucht und Berufsjahre Korrelationen Arbeitssucht Berufsjahre über und unter 2 Jahre Korrelationskoeffizient * 1,000 -,14 . ,02 220 220 SpearmanArbeitssucht Sig. (2-seitig) Rho N *. Die Korrelation ist auf dem 0,05 Niveau signifikant (zweiseitig). Bei dem Testverfahren besteht eine sehr geringe negative Korrelation zwischen der Arbeitssucht und den Berufsjahren unter und über 2 Jahren. Der Korrelationskoeffizient ist signifikant (p ≤ 0.05 *). Je kürzer die Helfer also in ihrem Beruf arbeiten, umso höher sind ihre Arbeitssucht-Werte. Bei dieser Ausführung muss aber beachtet werden, dass eine Korrelation nur einen kausalen Zusammenhang zwischen zwei Merkmalen beschreibt und keine Aussagen über die Ursachen treffen kann. Aufgrund der oben dargestellten Ergebnisse ist anzunehmen, dass der Zusammenhang zwischen der Arbeitssucht bzw. der Berufserfahrung sehr gering negativ ausgeprägt ist. Da er jedoch signifikant ist, wäre eine weitere Überprüfung des Zusammenhangs an einer größeren Stichprobe sinnvoll. Hypothesenüberprüfung H 3 Um die Hypothese „Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht (UV) sind öfter weiblich (AV) als ihre nicht-arbeitssüchtigen Kollegen“ zu überprüfen, wurden die Geschlechter mit Hilfe einer Kreuztabelle (vgl. Tabelle 7-10) mit den Teilnehmern, die in AS und Non-AS eingeteilt wurden (vgl. Abbildung 7-3), gegenübergestellt. Ergebnisse 84 Abbildung 7-3 Vergleich Arbeitssucht und Geschlecht Der Chi-Quadrat-Test hat ergeben, dass es einen signifikanten Unterschied (p ≤ 0.05 *) zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich ihres Geschlechts besteht. Tabelle 7-10 Kreuztabelle zwischen den Variablen Arbeitssucht und Geschlecht Kreuztabelle Arbeitssucht * Geschlecht Geschlecht Anzahl Non-AS Erwartete Anzahl % innerhalb von Geschlecht Anzahl AS Erwartete Anzahl % innerhalb von Geschlecht Gesamt Anzahl Gesamt weiblich männlich 85 46 131 91,7 39,3 131,0 55,2% 69,7% 59,5% 69 20 89 62,3 26,7 89,0 44,8% 30,3% 40,5% 154 66 220 Chi-Quadrat : 4,03 (df =1); p = 0.04 Man kann also davon ausgehen, dass bei Personen mit unterschiedlichen arbeitssüchtigen Verhalten auch deren Geschlecht unterschiedlich ausgeprägt ist. Die Kreuztabelle lässt den Eindruck gewinnen, dass sich weibliche Probanden mehr als erwartet in der Gruppe der AS und weniger in der Gruppe der Non-AS befinden, so dass die Hypothese als bestätigt und die Nullhypothese als verworfen vermutet werden kann. Die zwei nominalen Messniveaus der Variablen verhindern eine weitere Testung der bestehenden Zusammenhänge. Ergebnisse 7.3 85 Arbeitssucht und die Berufsmotivation der Helfer Hypothesenüberprüfung 4 Die Befragten, unabhängig von ihrer Einteilung in die Gruppen der Non-AS oder AS, zeigten vermehrt eine sehr hohe intrinsische Motivation für ihren Beruf. Items wie „Ich helfe aufgrund meiner sozialen Überzeugung“, „Ich sehe mich als Fürsprecher für die Bedürfnisse und Rechte meiner Patienten“ oder „Meine Tätigkeit gibt mir das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun“ wurden von der Mehrzahl Teilnehmer stark oder sehr stark befürwortet. So stimmten 93 Prozent der Befragten aus den beiden Extremgruppen der Aussage, „In meiner Arbeit ist es mir wichtig, benachteiligten Menschen zu helfen“ und 96 Prozent der Aussage „Ich bin stark motiviert für meine Arbeit“ zu. Dennoch zeichnete sich im direkten Vergleich der Befragten eine Diskrepanz hinsichtlich der Gruppen der AS und der Non-AS ab: die Teilnehmer der Gruppe der AS befürworteten Items wie „Ich fühle mich verantwortlich für das Wohlergehen und die bestmögliche Versorgung meiner Patienten“ mit 49 Prozent, wohingegen aus der Gruppe der Non-AS nur 17 Prozent dieses Item mit „trifft voll und ganz zu“ bejahten. Ebenso beantworteten aus der Gruppe der AS das Item „Meine Arbeit hat eine große Bedeutung in meinem Leben“ 57 Prozent mit „trifft voll und ganz zu“, wohingegen nur 22 Prozent der Non-AS dieser Auffassung folgten. Um die Hypothese „Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht (UV) identifizieren sich stärker mit ihrer Arbeit und zeigen mehr an idealistischen Berufszielen (AV)“ überprüfen zu können, wurde zunächst mithilfe des Kolmogorov-Smirnov-Test die Normalverteilung der abhängigen Variable überprüft (vgl. Tabelle 7-11 und Abbildung 7-4). Aufgrund des signifikanten Ergebnisses (p ≤ 0.001 ***) (vgl. Tabelle 7-11), kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Variable in der Grundgesamtheit normalverteilt ist. Somit ist eine Vorraussetzung zur Durchführung eines T-Tests bei unabhängigen Stichproben nicht erfüllt. Tabelle 7-11 Testung der Normalverteilung der abhängigen Variable Index Idealismus/ Identifikation Tests auf Normalverteilung Kolmogorov-Smirnov Statistik Index Identifikation/ Idealismus a. Signifikanzkorrektur nach Lilliefors df ,07 438 a Shapiro-Wilk Signifikanz Statistik ,000 df ,97 438 Signifikanz ,000 Ergebnisse 86 Abbildung 7-4 Q-Q-Diagramm und trendbereinigtes Q-Q-Diagramm von Index Identifikation /Idealismus zur Testung der Normalverteilung Es erfolgte anschließend mithilfe des Mittelwertes, der aus allen dazugehörigen Items (12 x) errechnet wurde, eine Einteilung in zwei Kategorien (hoher vs. niedriger Idealismus und Identifikation mit dem Beruf). Tabelle 7- 12 verdeutlicht, dass die Gruppe der NonAS durchschnittlich den Wert 35,29 bei der Beantwortung der Items erzielen und die Gruppe der AS einen höheren Wert von 37,96 durchschnittlich erreichen und somit einen höheren Idealismus und Identifikationsindex aufweisen. Zu beachten ist hierbei aber der geringe Mittelwertsunterschied. Tabelle 7-12 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und Identifikation/Idealismus Bericht Index Identifikation/ Idealismus Arbeitssucht Mittelwert N Standardabweichung Minimum Maximum Median Non-AS 35,29 131 4,47 22 44 35,00 AS 37,96 89 4,28 27 44 39,00 Insgesamt 36,37 220 4,57 22 44 37,00 Mithilfe des Mann-Whitney-U-Test (vgl. Tabelle 7-13) wurde anschließend untersucht, ob der beschriebene Unterschied zwischen der Gruppe der Non-AS und der AS auch statistisch bedeutsam ist. Wie in der Tabelle 7-13 sichtbar, liegt der durchschnittliche Range bei der Gruppe der Non-AS deutlich niedriger als bei den AS (95,06 vs. 133,22). Da das Ergebnis höchst signifikant (p ≤ 0.001 ***) ist, kann die Nullhypothese somit verworfen und die Alternativhypothese angenommen werden. Dies bedeutet, dass der Idealismus und die Identifikation mit dem Beruf bei der Gruppe der AS stärker ausgebildet sind und ein signifikanter Unterschied in der Ausprägung besteht. Ergebnisse 87 Tabelle 7-13 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und Identifikation/Idealismus Ränge Arbeitssucht N Non-AS Mittlerer Rang Rangsumme 131 95,06 12453,00 89 133,22 11857,00 Index Identifikation/ AS Idealismus Gesamt 220 a Statistik für Test Index Identifikation/ Idealismus Mann-Whitney-U 3807,00 Wilcoxon-W 12453,00 Z -4,37 Asymptotische Signifikanz (2-seitig) ,000 a. Gruppenvariable: Arbeitssucht Extremgruppen Um weiter zu überprüfen, welch ein Zusammenhang zwischen Arbeitssucht und Idealismus und hoher Identifikation existiert, wurde der Korrelationskoeffizient nach Spearman-Rho berechnet. Diese Berechnungsart wurde ausgewählt, da eine Variable ordinalskaliert ist und deshalb eine Berechnung des Korrelationskoeffizienten nach Pearson ausgeschlossen ist. In Tabelle 7-14 sind die Ergebnisse dieser Korrelationsberechnung dargestellt. Bei dem Testverfahren besteht eine geringe positive Korrelation zwischen Arbeitssucht und Idealismus. Dies bedeutet, dass je höher die Arbeitssucht-Werte sind, desto höher sind die Idealismus- und die Identifikationswerte. Der Korrelationskoeffizient ist höchst signifikant (p ≤ 0.001 ***). Somit kann die Hypothese als bestätigt angesehen und die Nullhypothese verworfen werden. Tabelle 7-14 Korrelation Arbeitssucht und Identifikation/ Idealismus Korrelationen Arbeitssucht Index Identifikation/ Idealismus Korrelationskoeffizient Spearman-Rho Arbeitssucht Sig. (2-seitig) N **. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (zweiseitig). 1,00 ,29 ** . ,000 220 220 Ergebnisse 88 Aufgrund der oben dargestellten Ergebnisse ist anzunehmen, dass der Zusammenhang zwischen Arbeitssucht und Idealismus gering ausgeprägt ist. Da er jedoch signifikant ist, wäre eine weitere Überprüfung des Zusammenhangs an einer größeren Stichprobe sinnvoll. 7.4 Arbeitssucht und die spezifischen Arbeitsbelastungen bei Helfern Für die weitere Überprüfung der Hypothesen wurde die Prüfung der abhängigen Variablen auf Normalverteilung vorausgesetzt. Da der Kolmogorov-Smirnov-Test zur Überprüfung der Verteilungsform bei allen abhängigen Variablen signifikant wurde und daraus folgend keine Normalverteilung der Variablen vorlag und die verwendeten Skalen vorwiegend Ordinalskalenniveau besaßen, musste zur weiteren Datenauswertung bzw. Hypothesentestung auf nicht-parametrische Verfahren zurückgegriffen werden. Daher erfolgte die Überprüfung der Hypothesen anhand des Mann-Whitney-U-Test. Hypothesenüberprüfung 5 Die fünfte Hypothese lautete: „Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht (UV) erleben mehr Stress im Umgang mit Patienten (AV)“. 91 Prozent der Befragten aus beiden Extremgruppen gaben an, dass sie sich „emotional eingebunden in ihre Arbeit fühlen“. 79 Prozent erlebten „unrealistische und widersprüchliche Patientenwünsche“ und 51 Prozent „fühlten sich durch die unangemessene Anspruchshaltung der Patienten oft verärgert“. 30 Prozent beschrieben, dass sie „nach Dienstende gedanklich nicht abschalten können“ und 23 Prozent bemerkten, dass sie „den Schicksalen der Klienten gleichgültiger gegenüber werden“. Im direkten Vergleich zeigten sich aber bei den Gruppen der AS und Non-AS erhebliche Unterschiede: So stimmten nur 5 Prozent der Non-AS, im Gegensatz zu 29 Prozent der AS, dem Item „Die täglich erlebten Schicksale berühren mich emotional“ voll zu. Ebenso bejahten nur 1,5 bzw. 3 Prozent der Non-AS, im Gegensatz zu 17 Prozent der AS, die Aussagen „Ich befürchte, dass mich die Arbeit emotional abstumpfen lässt“ und „Durch das Verhalten meiner Patienten fühle ich mich oft gestresst“. Die Auswertung der Hypothese erfolgte mithilfe des Mittelwertes, der aus allen dazugehörigen Items (15 x) errechnet wurde und eine Einteilung in zwei Kategorien (hoher vs. niedriger Stress im Umgang mit Patienten) ermöglichte. Tabelle 7-15 verdeutlicht, dass die Gruppe der Non-AS durchschnittlich den Wert 36,37 bei der Ergebnisse 89 Beantwortung der Items erzielen und die Gruppe der AS einen höheren Wert von 41,82 durchschnittlich erreichen und somit einen höheren Stress aufweisen. Tabelle 7-15 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und Stress im Umgang mit Patienten Bericht Index Stress im Umgang mit Patienten Arbeitssucht Mittelwert N Standardabweichung Minimum Maximum Non-AS 36,37 131 4,67 26 52 AS 41,82 89 5,62 30 60 Insgesamt 38,57 220 5,73 26 60 Mithilfe des Mann-Whitney-U-Test (vgl. Tabelle 7-16) wurde anschließend untersucht, ob der beschriebene Unterschied zwischen der Gruppe der Non-AS und der AS hinsichtlich ihrer Stress-Werte im Umgang mit Patienten auch statistisch bedeutsam ist. Wie in der Tabelle 7-16 sichtbar, liegt der durchschnittliche Range bei der Gruppe der Non-AS deutlich niedriger als bei den AS (85,87 vs. 146,76). Da das Ergebnis höchst signifikant (p ≤ 0.001 ***) ist, kann die Nullhypothese somit zunächst verworfen und die Alternativhypothese angenommen werden. Dies bedeutet, dass das Stresserleben im Umgang mit Patienten bei der Gruppe der AS stärker ausgebildet ist und ein signifikanter Unterschied in der Ausprägung besteht. Tabelle 7-16 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und Stress im Umgang mit Patienten Ränge Arbeitssucht N Mittlerer Rangsumme Rang Non-AS Index Stress im Umgang mit Patienten AS Gesamt 131 85,87 11248,50 89 146,76 13061,50 220 a Statistik für Test Index Stress im Umgang mit Patienten Mann-Whitney-U Wilcoxon-W Z 2602,50 11248,50 -6,97 Asymptotische Signifikanz ,000 (2-seitig) a. Gruppenvariable: Arbeitssucht Ergebnisse 90 Um weiter zu überprüfen, welch ein Zusammenhang zwischen Arbeitssucht und Stresserleben im Umgang mit Patienten besteht, wurde der Korrelationskoeffizient nach Spearman-Rho berechnet. Diese Berechnungsart wurde ausgewählt, da eine Variable ordinalskaliert ist. In Tabelle 7-17 sind die Ergebnisse dieser Korrelationsberechnung dargestellt. Obwohl die Rangkorrelation nach Spearman nur gering positiv ausgeprägt ist, ist der Korrelationskoeffizient höchst signifikant (p ≤ 0.001 ***), was für einen zumindest statistisch bedeutsamen korrelativen Zusammenhang zwischen Gruppenzugehörigkeit und dem Stresserleben im Umgang mit Patienten spricht. Die berichteten Ergebnisse bestätigen daher die in der Hypothese 5 formulierten Zusammenhänge und die Nullhypothese kann verworfen werden. Tabelle 7-17 Korrelation zwischen Arbeitssucht und Stress im Umgang mit Patienten Korrelationen Arbeitssucht Index Stress im Umgang mit Patienten Korrelationskoeffizient Spearman-Rho Arbeitssucht Sig. (2-seitig) N 1,00 ,47 ** . ,000 220 220 **. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (zweiseitig). Hypothesenüberprüfung 6 Um die Hypothese „Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht (UV) erleben uneindeutige Berufsrollen und Zielvorgaben (AV) in ihrem Arbeitskontext“ überprüfen zu können, erfolgte mithilfe des Mittelwertes, der aus allen dazugehörigen Items (8 x) errechnet wurde, eine Einteilung in zwei Kategorien (uneindeutige vs. eindeutige Berufsrollen und Zielvorgaben). 46 Prozent der Teilnehmer beider Extremgruppen erlebten sich in ihrer Arbeit „in der Rolle des Kontrolleurs, ebenso 79 Prozent „in der Rolle des fürsorglichen Helfers“. 62 Prozent beschrieben ihr Erleben von „unklaren Zielvorgaben und widersprüchlichen Anforderungen in ihrer Arbeit“, wobei 36 Prozent der Gruppe der AS und lediglich nur 9 Prozent der Gruppe der Non-AS dieses Erleben stark bejahten. 46 Prozent der Befragten beider Extremgruppen betonten „die Unvereinbarkeit zwischen dem gesellschaftlichen Ergebnisse 91 Fürsorgeauftrag und den Wünsche der Patienten“. 56 Prozent der AS, im Gegensatz zu 19 Prozent der Non-AS, formulierten ihre starke Zustimmung zu der erlebten „Eingeschränktheit des Helfens durch z.B. fehlende Finanzierungen und mangelnde Auftraggeber“ und 24 Prozent der AS (vs. 6 Prozent) erkannten „ihren Zuständigkeitsbereich in der Arbeit nicht klar definiert“. Tabelle 7- 18 verdeutlicht, dass die Gruppe der AS im Vergleich zu den Non-AS durchschnittlich einen höheren Wert für uneindeutige Berufsrollen und Zielvorgaben aufweisen (18, 29 vs. 22,43). Tabelle 7-18 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und uneindeutige Berufsrollen/ Zielvorgaben Bericht Index uneindeutige Berufsrollen/Zielvorgaben Arbeitssucht Mittelwert N Standardabweichung Minimum Maximum Non-AS 18,29 131 3,54 11 28 AS 22,43 89 3,66 14 30 Insgesamt 19,96 220 4,12 11 30 Der Mann-Whitney-U-Test (vgl. Tabelle 7-19) wurde anschließend durchgeführt, um zu überprüfen, ob der beschriebene Unterschied zwischen der Gruppe der Non-AS und der AS bezüglich des Erlebens von uneindeutigen Berufsrollen und Zielvorgaben auch statistisch bedeutsam ist. Wie in der Tabelle 7-19 sichtbar, liegt der durchschnittliche Rang bei der Gruppe der Non-AS deutlich niedriger als bei den AS (85,02 vs. 148,01). Da das Ergebnis höchst signifikant (p ≤ 0.001 ***) ist, kann die Nullhypothese somit zunächst verworfen und die Alternativhypothese angenommen werden. Um weiter zu überprüfen, welch ein Zusammenhang zwischen Arbeitssucht und dem Erleben von uneindeutigen Berufsrollen und Zielvorgaben besteht, wurde der Korrelationskoeffizient nach Spearman-Rho berechnet. Diese Berechnungsart wurde ausgewählt, da eine Variable ordinalskaliert ist. Ergebnisse 92 Tabelle 7-19 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und uneindeutige Berufsrollen/Zielvorgaben Ränge Arbeitssucht Index uneindeutige Non-As Berufsrollen und AS Zielvorgaben Gesamt N Mittlerer Rang Rangsumme 131 85,02 11137,00 89 148,01 13173,00 220 a Statistik für Test Index uneindeutige Berufsrollen und Zielvorgaben Mann-Whitney-U 2491,00 Wilcoxon-W 11137,00 Z -7,22 Asymptotische Signifikanz (2-seitig) ,000 a. Gruppenvariable: Arbeitssucht Extremgruppen Bei dem Testverfahren (vgl. Tabelle 7-20) besteht eine geringe positive Korrelation zwischen Arbeitssucht und dem Erleben von uneindeutigen Berufsrollen. Dies bedeutet, dass je höher die Arbeitssucht-Werte sind, desto höher ist das Erleben von uneindeutigen Berufsrollen und Zielvorgaben. Dieses Ergebnis ist höchst signifikant (p ≤ 0.001 ***). Somit kann die Hypothese als bestätigt angesehen werden. Tabelle 7-20 Korrelation zwischen Arbeitssucht und uneindeutige Berufsrollen/Zielvorgaben Korrelationen Arbeitssucht Index uneindeutige Berufsrollen und Zielvorgaben Korrelationskoeffizient Spearman-Rho Arbeitssucht Sig. (2-seitig) N 1,00 ,48 ** . ,000 220 220 **. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (zweiseitig). Hypothesenüberprüfung 7 „Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht (UV) erleben in ihrem Beruf mangelnde Kontrollmöglichkeiten ihrer Arbeitstätigkeit (AV)“. 83 Prozent der Befragten, unabhängig von der Einteilung der Teilnehmer in die Gruppen der Non-AS oder AS, verneinten die Aussage „Ich habe großen Einfluss auf das Ergebnis meiner Arbeit“ und 56 Prozent schilderten, dass „sie oft nicht wissen, welche Arbeitsaufgaben sie am Tag erwarten“. Im Vergleich zeigte die Gruppe der AS aber bei Ergebnisse 93 Items, wie „Ich fühle mich den Situationen der Patienten oft ausgeliefert“, eine deutlich höhere Zustimmung (11 % vs. 0,8%). Mithilfe der Errechnung des Mittelwertes aus den dazugehörigen Items (5 x) wurde eine Klassifizierung in zwei Gruppen (mangelnde vs. vorhandene Kontrolle) sichergestellt, um die oben genannte Hypothese überprüfen zu können. Tabelle 7- 21 verdeutlicht, dass die Gruppe der AS im Vergleich zu den Non-AS durchschnittlich einen höheren Wert (10,20 vs. 11,36) für mangelnde Kontrolle aufweisen. Zu beachten ist hierbei aber der geringe Mittelwertsunterschied. Tabelle 7-21 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und mangelnde Kontrolle Bericht Index mangelnde Kontrolle Arbeitssucht Mittelwert N Standardabweichung Minimum Maximum Non-AS 10,20 131 2,12 5 19 AS 11,36 89 2,76 5 18 Insgesamt 10,67 220 2,46 5 19 Mithilfe des Mann-Whitney-U-Test (vgl. Tabelle 7-22) wurde anschließend geprüft, ob der beschriebene Unterschied zwischen der Gruppe der Non-AS und der AS bezüglich des Erlebens von mangelnder Kontrolle im Berufsalltag auch statistisch bedeutsam ist. Tabelle 7-22 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und mangelnder Kontrolle Ränge Arbeitssucht N Non-AS Index mangelnde Kontrolle AS Gesamt Mittlerer Rang Rangsumme 131 98,86 12951,00 89 127,63 11359,00 220 a Statistik für Test Index mangelnde Kontrolle Mann-Whitney-U Wilcoxon-W Z Asymptotische Signifikanz (2-seitig) 4305,00 12951,00 -3,32 ,001 a. Gruppenvariable: Arbeitssucht Extremgruppen Wie in der Tabelle 7-22 sichtbar, liegt der durchschnittliche Range bei der Gruppe der Non-AS deutlich niedriger als bei den AS (98,86 vs. 127,63). Da das Ergebnis höchst Ergebnisse 94 signifikant (p ≤ 0.001 ***) ist, kann die Nullhypothese somit zunächst verworfen und die Alternativhypothese angenommen werden. Obwohl die Rangkorrelation nach Spearman nur sehr gering bis knapp gering positiv ausgeprägt ist (vgl. Tabelle 7-23), ist der Korrelationskoeffizient höchst signifikant (p ≤ 0.001 ***), was für einen zumindest statistisch bedeutsamen korrelativen Zusammenhang zwischen der Gruppenzugehörigkeit und dem Erleben von mangelnder Kontrolle spricht. Die resultierenden Ergebnisse bestätigen daher die in der Hypothese 7 formulierten Zusammenhänge und die Nullhypothese kann verworfen werden. Aufgrund der Ergebnisse ist also anzunehmen, dass der Zusammenhang zwischen Arbeitssucht und dem Erleben mangelnder Kontrolle im Beruf gering ausgeprägt ist. Da er jedoch höchst signifikant ist, wäre eine weitere Überprüfung des Zusammenhangs an einer größeren Stichprobe sinnvoll. Tabelle 7-23 Korrelation zwischen Arbeitssucht und mangelnde Kontrolle Korrelationen Arbeitssucht Index mangelnde Kontrolle Korrelationskoeffizient Spearman-Rho Arbeitssucht 1,00 Sig. (2-seitig) N ,22 ** . ,001 220 220 **. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (zweiseitig). Hypothesenüberprüfung 8 Auch die Hypothese, „Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht (UV) erleben in ihrem Beruf mangelnde Honorierung ihrer Arbeit (AV)“, soll zunächst mit Hilfe eines Vergleichs der aus den dazugehörigen Items (6 x) errechneten Mittelwerten und der Bildung von zwei Gruppen (mangelnde vs. vorhandene Honorierung) überprüft werden. 76 Prozent der Befragten beider Extremgruppen gaben an, dass „sie sich durch ihre Bezahlung“ und 52 Prozent „durch ihren Arbeitgeber und seiner fehlenden Anerkennung nicht angemessen honoriert fühlten“. 23 Prozent (vs. 4 Prozent der Non-AS) und 10 Prozent (vs. 4 Prozent der Non-AS) der Gruppe der AS betonten, dass sie sich durch ihr soziales Umfeld und durch die Patienten nicht ausreichend honoriert sehen. Dabei zeigen die AS im Vergleich zu den Non-AS durchschnittlich höhere Werte bei dem Erleben von mangelnder Honorierung im Beruf (vgl. Tabelle 7- 24). Ergebnisse 95 Tabelle 7-24 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und mangelnde Honorierung Bericht Index mangelnde Honorierung Arbeitssucht Mittelwert N Standardabweichung Minimum Maximum Non-AS 15,55 131 2,75 9 24 AS 18,44 89 2,80 11 24 Insgesamt 16,72 220 3,11 9 24 Mithilfe des Mann-Whitney-U-Test (vgl. Tabelle 7-25) wurde anschließend untersucht, ob der beschriebene Unterschied zwischen der Gruppe der Non-AS und der AS bezüglich des Erlebens von mangelnder Honorierung auch statistisch bedeutsam ist. Der durchschnittliche Range liegt bei der Gruppe der Non-AS deutlich niedriger als bei den AS (86,29 vs. 146,13). Da das Ergebnis höchst signifikant (p ≤ 0.001 ***) ist, kann die Nullhypothese verworfen und die Alternativhypothese angenommen werden. Dies bedeutet, dass das Erleben von mangelnder Honorierung bei der Gruppe der AS stärker ausgebildet ist und ein signifikanter Unterschied in der Ausprägung besteht. Tabelle 7-25 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und mangelnde Honorierung Ränge Arbeitssucht Non-AS Index mangelnde Honorierung AS Gesamt N Mittlerer Rang Rangsumme 131 86,29 11304,50 89 146,13 13005,50 220 a Statistik für Test Index mangelnde Honorierung Mann-Whitney-U Wilcoxon-W Z Asymptotische Signifikanz (2-seitig) 2658,50 11304,50 -6,87 ,000 a. Gruppenvariable: Arbeitssucht Extremgruppen Mithilfe der Korrelationsberechnung (vgl. Tabelle 7-26) wird deutlich, dass eine geringe positive Korrelation zwischen Arbeitssucht und dem Erleben von mangelnder Honorierung besteht. Dies bedeutet, dass je höher die Arbeitssucht-Werte sind, desto höher ist das Erleben von mangelnder Honorierung. Der Korrelationskoeffizient ist Ergebnisse 96 höchst signifikant (p ≤ 0.001 ***). Somit kann von einem statistisch bedeutsamen korrelativen Zusammenhang zwischen der Gruppenzugehörigkeit und dem Erleben von mangelnder Honorierung gesprochen werden. Die erwähnten Ergebnisse bestätigen daher die in der Hypothese 8 formulierten Zusammenhänge und die Nullhypothese kann verworfen werden. Tabelle 7-26 Korrelation zwischen Arbeitssucht und mangelnde Honorierung Korrelationen Arbeitssucht Index mangelnde Honorierung Korrelationskoeffizient Spearman-Rho Arbeitssucht Sig. (2-seitig) N 1,00 ,46 ** . ,000 220 220 **. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (zweiseitig). 7.5 Arbeitssucht und Arbeitsverhalten Hypothesenüberprüfung 10 „Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht (UV) zeigen unproduktiveres Arbeitsverhalten (AV) als ihre nicht-arbeitssüchtigen Kollegen.“ Alle Items wie z.B. „Ich habe Schwierigkeiten, Arbeiten zu delegieren“, „Ich neige dazu, ungeliebte Aufgaben zu verschieben und zu vermeiden“ und „Ich leide unter Zweifeln und Unsicherheit, etwas nicht zufriedenstellend abgeschlossen zu haben“ wurden von der Gruppe der AS im Vergleich zur Gruppe der Non-AS deutlich öfter bejaht. 12 Prozent der AS (vs. 0,8 Prozent der Non-AS) beschrieben, dass „sie durch Konflikte mit Patienten und Kollegen oft von der Arbeit abgehalten werden“ und 28 Prozent (vs. 8 Prozent der Non-AS) formulierten, dass „sie nicht genügend Zeit haben, um alle Aufgaben zu erledigen“. Auch die 10. Hypothese wurde mithilfe eines Mittelwertsvergleichs und der daraus resultierenden Bildung von zwei Gruppen (unproduktiveres vs. produktiveres Arbeitsverhalten) zunächst getestet. Der Mittelwert wurde aus der Summe der Items zur Thematik der Produktivität des Arbeitsverhaltens errechnet. Wie in der Tabelle 7-27 deutlich wird, zeigt die Gruppe der AS im Vergleich zu den Non-AS deutlich höhere Mittelwerte (15,42 vs. 19,40). Ergebnisse 97 Tabelle 7-27 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und unproduktives Arbeitsverhalten Bericht Index unproduktives Arbeitsverhalten Arbeitssucht Mittelwert N Standardabweichung Minimum Maximum Non-AS 15,42 131 3,64 8 23 AS 19,40 89 4,59 8 32 Insgesamt 17,03 220 4,49 8 32 Mithilfe des Mann-Whitney-U-Test (vgl. Tabelle 7-28) wurde anschließend geprüft, ob der beschriebene Unterschied zwischen der Gruppe der Non-AS und der AS bezüglich der Produktivität ihres Arbeitsverhaltens auch statistisch bedeutsam ist. Der durchschnittliche Range liegt bei der Gruppe der Non-AS deutlich niedriger als bei den AS (88,58 vs. 142,76). Da das Ergebnis höchst signifikant (p ≤ 0.001 ***) ist, kann die Nullhypothese somit zunächst verworfen und die Alternativhypothese angenommen werden. Tabelle 7-28 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und unproduktivem Arbeitsverhalten Ränge Arbeitssucht N Non-AS Mittlerer Rang Rangsumme 131 88,58 11604,00 89 142,76 12706,00 Index unproduktives AS Arbeitsverhalten Gesamt 220 a Statistik für Test Index unproduktives Arbeitsverhalten Mann-Whitney-U Wilcoxon-W Z Asymptotische Signifikanz (2-seitig) 2958,00 11604,00 -6,21 ,000 a. Gruppenvariable: Arbeitssucht Extremgruppen Durch die nachfolgende Korrelationsberechnung (vgl. Tabelle 7-29) wird deutlich, dass eine geringe positive Korrelation zwischen Arbeitssucht und der Unproduktivität des Arbeitsverhaltens besteht. Dies bedeutet, dass je höher die Arbeitssucht-Werte sind, desto höher ist die Unproduktivität des Arbeitsverhaltens. Der Korrelationskoeffizient ist höchst signifikant (p ≤ 0.001***). Somit kann die Hypothese und die dort beschriebenen Zusammenhänge als statistisch relevant und daher als bestätigt angesehen werden. Ergebnisse 98 Tabelle 7-29 Korrelation zwischen Arbeitssucht und unproduktiven Arbeitsverhalten Korrelationen Arbeitssucht Index unproduktives Arbeitsverhalten Korrelationskoeffizient Spearman-Rho Arbeitssucht 1,00 Sig. (2-seitig) N ,42 ** . ,000 220 220 **. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (zweiseitig). Hypothesenüberprüfung 11 Die 11. Hypothese lautet: „Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht (UV) haben höhere Burnout-Werte (AV) als ihre nicht-arbeitssüchtigen Kollegen.“ Die Befragten, unabhängig von ihrer Einteilung in die Gruppen der Non-AS oder AS, wiesen vermehrt eine relativ geringe Belastung durch potentielle Burnout-Gefährdung auf. Dennoch zeigte sich im Vergleich die starke vorherrschende Diskrepanz zwischen den Gruppen: die Teilnehmer der Gruppe der AS bejahten folgende Items, wie „Ich fühle mich durch meine Arbeit emotional erschöpft“ (66 Prozent der AS vs. 14 Prozent der Non-AS), „Ich fühle mich am Ende eines Arbeitstages verbraucht“ (83 Prozent vs. 26 Prozent) und „Ich fühle mich durch meine Arbeit ausgebrannt“ (36 Prozent vs. 4 Prozent), deutlich öfter als die Non-AS. 54 Prozent der AS, im Gegensatz zu 18 Prozent der Non-AS verneinten, dass sie „bei der Arbeit sehr gelassen mit den emotionalen Problemen umgehen“ könnten. Lediglich bei den Items, welche eine drohende Depersonalisation abfragten, konnte eine geringe Differenz bezüglich der Beantwortungsmuster beider Gruppen konstatiert werden. Die Auswertung der Hypothese erfolgte mithilfe des Mittelwertes, der aus allen dazugehörigen Items (22 x) errechnet wurde, und eine Einteilung in zwei Kategorien (hohe Burnout-Werte vs. geringe Burnout-Werte) ermöglichte. Tabelle 7- 30 verdeutlicht, dass die Gruppe der Non-AS durchschnittlich den Wert 3,53 bei der Beantwortung der Items erzielten und die Gruppe der AS einen deutlich höheren Wert von 7,11 durchschnittlich erreichten und somit deutlich höhere Burnout-Werte aufwiesen. Ergebnisse 99 Tabelle 7-30 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und Burnout Bericht Index Burnout Arbeitssucht Mittelwert N Standardabweichung Minimum Maximum Non-AS 3,53 131 3,14 0 19 AS 7,11 89 4,08 0 18 Insgesamt 4,98 220 3,96 0 19 Der Mann-Whitney-U-Test (vgl. Tabelle 7-31) überprüft schließlich, ob der beschriebene Unterschied zwischen der Gruppe der Non-AS und der AS bezüglich ihrer Burnout-Werte auch statistisch bedeutsam ist. Dabei liegt der durchschnittliche Range bei der Gruppe der Non-AS deutlich niedriger als bei den AS (87,14 vs. 144,88). Das Ergebnis ist höchst signifikant (p ≤ 0.001 ***). Tabelle 7-31 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und Burnout Ränge Arbeitssucht Non-AS Index Burnout AS Gesamt N Mittlerer Rang Rangsumme 131 87,14 11415,50 89 144,88 12894,50 220 a Statistik für Test Index Burnout Mann-Whitney-U Wilcoxon-W Z Asymptotische Signifikanz (2-seitig) 2769,50 11415,50 -6,63 ,000 a. Gruppenvariable: Arbeitssucht Extremgruppen Obwohl die Rangkorrelationen nach Spearman nur gering positiv ausgeprägt ist (vgl. Tabelle 7-32), ist der Korrelationskoeffizient höchst signifikant (p ≤ 0.001 ***), was für einen zumindest statistisch bedeutsamen korrelativen Zusammenhang zwischen der Gruppenzugehörigkeit und Burnout spricht. Die erzielten Ergebnisse bestätigen daher die in der Hypothese 11 formulierten Zusammenhänge und die Nullhypothese kann verworfen werden. Ergebnisse 100 Tabelle 7-32 Korrelation zwischen Arbeitssucht und Burnout Korrelationen Arbeitssucht Korrelationskoeffizient Index Burnout 1,00 ,44 ** Arbeitssucht Spearman-Rho Sig. (2-seitig) . ,000 220 220 Extremgruppen N **. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (zweiseitig). 7.6 Arbeitssucht und Zufriedenheit Hypothesenüberprüfung 9, 12, 13, 14 und 15 Die folgenden Hypothesen beziehen sich auf bestehende Zusammenhänge innerhalb der Gruppe der AS und der Zufriedenheit mit verschiedenen einzelnen Lebensbereichen. Die Hypothese 9 lautet: „Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht sind mit ihrer beruflichen Situation weniger zufrieden als ihre nichtarbeitssüchtigen Kollegen.“ Die Hypothese 12 formuliert: „Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht sind mit ihrer Gesundheit weniger zufrieden als ihre nicht-arbeitssüchtigen Kollegen.“ Die Hypothese 13, „Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht haben eine niedrigere generelle Lebenszufriedenheit als ihre nichtarbeitssüchtigen Kollegen.“, beschreibt den Zusammenhang zwischen der Gruppe der AS und einer generell niedrigen Lebenszufriedenheit. Die Hypothese 14, „Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht sind mit ihrem vorhandenen Freizeitkontingent und ihrer Freizeitgestaltung weniger zufrieden als ihre nicht-arbeitssüchtigen Kollegen.“, erkennt einen Zusammenhang zwischen der Unzufriedenheit bezüglich des eigenen Freizeitkontingents und der Freizeitgestaltung und der Gruppe der AS, wohingegen die Hypothese 15 einen möglichen Zusammenhang zwischen dieser Gruppe und der Unzufriedenheit mit ihren sozialen Beziehungen formuliert: „Berufstätige aus dem helfenden Dienstleistungssektor mit Arbeitssucht sind mit ihren sozialen Beziehungen (Partnerschaft, Ehe, Kinder, Freunde, Bekannte, Verwandte) weniger zufrieden als ihre nicht-arbeitssüchtigen Kollegen.“. Insgesamt konnte konstatiert werden, dass sich bei den Befragten eine deutliche Diskrepanz zwischen den Gruppen der AS und der Non-AS bezüglich ihrer Zufriedenheiten abzeichnet. Alle Zufriedenheitsbereiche betreffend, zeigte die Gruppe Ergebnisse 101 der AS deutlich höhere Unzufriedenheitswerte. 40 Prozent der AS, im Vergleich zu 8 Prozent der Non-AS, sind mit „ihrer Position an der Arbeitsstelle“ und 56 Prozent (vs. 8,5 Prozent der Non-AS) sind mit „ihrer seelischen Verfassung“ unzufrieden. Auch beklagten 69 Prozent der AS, im Gegensatz zu 18 Prozent der Non-AS, den mangelnden „Erholungswert der Feierabende und Wochenenden“ und 18 Prozent (vs. 5 Prozent der Non-AS) beschrieben eine hohe Lebensunzufriedenheit. Ebenso zeichnete sich diese Unzufriedenheit im Bereich der sozialen Beziehungen ab: 32 Prozent der AS (vs. 9 Prozent der Non-AS) sind nicht zufrieden „mit den Anforderungen, die meine Ehe/Partnerschaft an mich stellt“ und 19 Prozent (vs. 4 Prozent der Non-AS) sind „mit der Hilfe und Unterstützung durch Freunde und Bekannte“ unzufrieden. Um diese formulierten Hypothesen überprüfen zu können, erfolgte mithilfe des jeweiligen Mittelwertes, der aus allen dazugehörigen Items (6 x, 4 x, 1x, 7x, 10x) errechnet wurde, eine Einteilung in jeweils zwei Kategorien (hohe vs. niedrige Zufriedenheit). Tabelle 7- 33 verdeutlicht, dass die Gruppe der AS im Vergleich zur Gruppe der Non-AS durchschnittlich immer höhere Werte und somit niedrigere Zufriedenheiten in den verschieden Bereichen aufwiesen. Bei der beruflichen Zufriedenheit weist die Gruppe der Non-AS einen Mittelwert von 10,67 auf, wohingegen die Gruppe der AS einen höheren Mittelwert von 14,04 zeigt. Ähnlich verhält es sich bei den weiteren abgefragten Bereichen: Zufriedenheit Gesundheit 6,99 vs.10,20; Zufriedenheit Freizeit 13,58 vs. 18,91; Zufriedenheit mit den sozialen Beziehungen 15,43 vs. 18,52 und schließlich die empfundene Zufriedenheit mit dem eigenen Leben 1,55 vs. 1,99, wobei hier die geringe Höhe des Mittelwertes durch die geringe Anzahl eines Items entsteht. Mithilfe des Mann-Whitney-U-Test (vgl. Tabelle 7-34) wurde anschließend geprüft, ob der beschriebene Unterschied zwischen der Gruppe der Non-AS und der AS bezüglich ihrer Zufriedenheiten auch statistisch bedeutsam ist. Ergebnisse 102 Tabelle 7-33 Mittelwertberechnung Arbeitssucht und Zufriedenheit Beruf, Gesundheit, Leben, Freizeit und soziale Beziehungen Bericht Arbeitssucht Index Index Index Index Index Zufriedenheit Zufriedenheit Zufriedenheit Zufriedenheit Zufriedenheit Beruf Gesundheit Leben Freizeit soziale Beziehungen Mittelwert 10,67 6,99 1,55 13,58 15,43 131 131 131 131 44 3,11 2,31 ,59 4,51 4,13 Minimum 6 4 1 7,00 10,00 Maximum 22 13 3 25,00 30,00 Mittelwert 14,04 10,20 1,99 18,91 18,52 89 89 89 89 21 3,74 2,92 ,76 5,14 5,39 Minimum 6 4 1 7,00 10,00 Maximum 23 16 4 28,00 28,00 Mittelwert 12,04 8,29 1,73 15,73 16,43 220 220 220 220 65 3,76 3,01 ,70 5,44 4,76 Minimum 6 4 1 7,00 10,00 Maximum 23 16 4 28,00 30,00 N Non- Standard- AS abweichung N StandardAS abweichung N InsStandardgesam abweichung t Die durchschnittlichen Range-Werte liegen bei der Gruppe der Non-AS deutlich niedriger als bei der Gruppe der AS und sind im Detail, der Tabelle 7-34 zu entnehmen. Da aber alle Ergebnisse höchst signifikant (p ≤ 0.001 ***) sind, eine Ausnahme stellt lediglich das nur signifikante (p ≤ 0.05*) Ergebnis des Unterschiedes bezüglich der Zufriedenheit mit sozialen Beziehungen dar, können die Nullhypothesen somit zunächst verworfen und die Alternativhypothesen angenommen werden. Ergebnisse 103 Tabelle 7-34 Signifikanzberechnung zur Überprüfung der Unterschiede in der zentralen Tendenz bzgl. Arbeitssucht und der Zufriedenheit zum Beruf, Gesundheit, Leben, Freizeit und sozialen Beziehungen Ränge Arbeitssucht N Non-AS Index Zufriedenheit Beruf Mittlerer Rang Rangsumme 131 87,50 11463,00 89 144,35 12847,00 AS Gesamt 220 Non-AS 131 83,77 10974,00 89 149,84 13336,00 Index Zufriedenheit AS Gesundheit Index Zufriedenheit Leben Index Zufriedenheit Freizeit Gesamt 220 Non-AS 131 96,54 12647,00 89 131,04 11663,00 AS Gesamt 220 Non-As 131 85,66 11222,00 89 147,06 13088,00 AS Gesamt 220 Non-AS 44 29,34 1291,00 AS 21 40,67 854,00 Gesamt 65 Index Zufriedenheit soziale Beziehungen a Statistik für Test Index Index Index Index Index Zufriedenheit Zufriedenheit Zufriedenheit Zufriedenheit Zufriedenheit Arbeit Gesundheit Leben Freizeit Soziale Beziehungen Mann-Whitney-U Wilcoxon-W Z 2817,00 2328,00 4001,00 2576,00 301,00 11463,00 10974,00 12647,00 11222,00 1291,00 -6,52 -7,59 -4,38 -7,03 -2,26 ,000 ,000 ,000 ,000 ,02 Asymptotische Signifikanz (2-seitig) a. Gruppenvariable: Arbeitssucht Extremgruppen Bei der Korrelationsberechnung (vgl. Tabelle 7-35), wobei der Korrelationskoeffizient nach Spearman-Rho berechnet wurde, wird deutlich, dass sowohl zwischen Arbeitssucht und Berufszufriedenheit, als auch zwischen Arbeitssucht und Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit eine geringe positive Korrelation besteht. Obwohl die Korrelationen absolut gesehen nur gering ausgeprägt sind, weil die Korrelationskoeffizienten unter 0.50 liegen (Bühl, 2012), werden die einzelnen Koeffizienten auf allen Skalen höchst signifikant (p ≤ 0.001***), welches für einen zumindest statistisch bedeutsamen Ergebnisse 104 korrelativen Zusammenhang zwischen der Gruppenzugehörigkeit und der Zufriedenheit mit Arbeitsstelle und Gesundheit spricht. Die berichteten Ergebnisse bestätigen damit die in den Hypothesen 9 und 12 formulierten Zusammenhänge. Tabelle 7-35 Korrelation zwischen Arbeitssucht und Zufriedenheit bzgl. Beruf und Gesundheit Korrelationen Arbeitssucht Korrelationskoeffizient Index Zufriedenheit Index Zufriedenheit Arbeit Gesundheit 1,00 ,44 ** ,51 ** SpearmanArbeitssucht Sig. (2-seitig) . ,000 ,000 220 220 220 Rho N **. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (zweiseitig). Durch weitere Korrelationsberechnungen (vgl. Tabelle 7-36) verdeutlicht sich ebenso, dass auch zwischen Arbeitssucht und genereller Lebenszufriedenheit, als auch zwischen Arbeitssucht und Zufriedenheit mit der eigenen Freizeit und der Zufriedenheit mit den bestehenden sozialen Beziehungen geringe positive Korrelationen bestehen. Dies bedeutet, je höher die Arbeitssucht-Werte sind, desto höher sind die generelle Lebensunzufriedenheit und die Unzufriedenheit bezüglich der eigenen Freizeit und den sozialen Beziehungen. Die Korrelationskoeffizienten bezüglich der Lebens- und Freizeitunzufriedenheit sind beide höchst signifikant (p ≤ 0.001 ***). Das Ergebnis bezogen auf die Unzufriedenheit mit den sozialen Beziehungen ist signifikant (p ≤ 0,05 *). Somit können alle drei Hypothesen als bestätigt angesehen werden und die entsprechenden Nullhypothesen verworfen werden. Tabelle 7-36 Korrelation zwischen Arbeitssucht und Zufriedenheit bzgl. Leben, Freizeit und soziale Beziehungen Korrelationen Arbeitssucht Index Index Index Zufried- Zufrieden- Zufriedenheit enheit heit Freizeit Soziale Leben Korrelationskoeffizient 1,00 ,29 Beziehung-en ** ,47 ** ,28 * SpearmanArbeitssucht Sig. (2-seitig) . ,000 ,000 ,02 220 220 220 65 Rho N **. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (zweiseitig). *. Die Korrelation ist auf dem 0,05 Niveau signifikant (zweiseitig). Ergebnisse 105 Aufgrund der beschriebenen Ergebnisse ist also anzunehmen, dass die beschriebenen Zusammenhänge nur gering ausgeprägt sind. Da die Ergebnisse jedoch höchst signifikant bzw. signifikant sind, wäre eine weitere Überprüfung der Zusammenhänge in größeren Stichproben sinnvoll. Diskussion 106 8 Diskussion 8.1 Interpretation der Ergebnisse Arbeitssucht ist geprägt durch den Mangel an Wahlfähigkeit und Willensfreiheit. Das gesamte Denken und Handeln des Arbeitssüchtigen bezieht sich mehr oder minder ständig auf seine Arbeitstätigkeit. Das Konstrukt Arbeitssucht umfasst zum einen das unkontrollierbare Bedürfnis nach Arbeit zum anderen aber auch die Folgen des süchtigen Verhaltens (Schneider, 2001). Diese Indikatoren für Arbeitssucht wurden mit einer empirisch erprobten Skala von Schneider (2001) erfasst. Damit konnte die Hauptannahme der vorliegenden Studie bestätigt werden: die teilnehmenden Berufstätigen aus dem helfenden Dienstleistungssektor tendieren stärker zu einem arbeitssüchtigen Verhalten als der Bundesdurchschnitt (5,8). Sie weisen im Mittel einen deutlich höheren ArbeitssuchtWert als die bundesdeutsche Allgemeinbevölkerung auf. Poppelreuter (2004a) geht von ca. 5 Prozent Arbeitssüchtigen bei 41 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland aus. Jungkurth (2005) kommt zu dem Ergebnis, dass 27 Prozent ihrer Probanden aus dem deutschen Sprachraum ein Arbeitssuchtprofil haben, und Poppelreuter und Wind (2001) erkennen 13 Prozent ihrer Studienteilnehmer als arbeitssuchtgefährdet bzw. arbeitssüchtig. Die Mehrheit der hier befragten Helfer (N = 438) zeigen einen Arbeitssuchtwert > 5,8 und sind somit als tendenziell Arbeitssüchtige zu klassifizieren. Trotz dieser Daten ist aufgrund mangelnder Studien und deren uneinheitlich verwendeten Operationalisierungen und Diagnosekriterien eine genaue Bestimmung der Prävalenz von Arbeitssucht in der deutschen Bevölkerung und eine Vergleichbarkeit der Untersuchungen derzeit nicht möglich. Spezifisch für den helfenden Beruf beschreibt Fengler (2001) die Überidentifikation der Helfer mit ihrem Beruf und deren selektive und fast ausschließlich auf den Beruf bezogene Wahrnehmung. Auch Beerlage und Kleiber bemerken 1990 in ihrer Untersuchung von Berufstätigen der Aids-Hilfe deren Unfähigkeit, nach der Arbeit gedanklich abschalten zu können. Ob diese beschriebenen Phänomene aber aus einem arbeitssüchtigen Verhalten resultieren, bleibt unklar. Dennoch kann aufgrund der vorliegenden Studie ein vermehrtes Auftreten von Arbeitssucht im helfenden Dienstleitungssektor vermutet werden, welches jedoch anhand repräsentativer Studien weiterer Verifizierung bedarf. Hinsichtlich der demographischen Daten unterscheiden sich die Gruppen der Non-AS und der AS nicht wesentlich, was sich mit den Ergebnissen der Studien von Matthey Diskussion 107 (2011), Poppelreuter (1997) und Städele (2008) deckt. Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Risikogruppe aufgrund ihrer demografischen Merkmale zu identifizieren ist. Die Gruppen scheinen eine relative Homogenität aufzuweisen, lediglich bei Alter und Geschlecht lassen sich Differenzen erkennen, wobei die Gruppe der AS insgesamt geringfügig jünger (46 Prozent vs. 25 Prozent unter 30 Jahren) ist. Aufgrund der progredienten Entwicklung der Arbeitssuchterkrankung könnte sich der geringe Anteil älterer AS durch ihren bereits krankheitsbedingten Jobausstieg als Folge der Arbeitssucht, erklären lassen. Es muss hier letztendlich jedoch offen bleiben, welche Einflussfaktoren zu der Altersverteilung der vorliegenden Stichprobe geführt haben. Ebenso wie bei den Studien von Jungkurth (2005) und Matthey (2001) kann in der vorliegenden Arbeit eher von einem weiblichen Charakteristikum der Arbeitssucht gesprochen werden. 78 Prozent der klassifizierten AS waren weiblich, wobei bereits in der Grundgesamtheit der vorliegenden Studie das weibliche Geschlecht mit 72 Prozent deutlich überrepräsentiert war. Die vorliegende Untersuchung zeigt einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem weiblichen Geschlecht und einer klassifizierten Arbeitssucht. Auch Wolf (2003) vermutet, dass Frauen „diejenigen sind, die in einem weitaus größeren Maß von Arbeitssucht betroffen sind“ (S. 98). Als Gründe für die geschlechtspezifische Differenz werden die unterschiedlichen Anforderungen an Frauen aus Beruf und Privatleben, wie Familie, Kindererziehung, Pflege Angehöriger und Haushalt, betont (Städele & Poppelreuter, 2009). Auch Burke (1999) und Robinson (2000) vermuten in der häufigeren Doppelbelastung der Frauen durch Familie und Beruf die höhere Gefährdung der Frauen. Derartige Urteile sind jedoch vorerst nur Mutmaßungen, da die fehlende Repräsentativität, das Untersuchungsdesign und die mangelnden Daten derartige Schlüsse nicht verifizieren lassen. Anlehnend an die Arbeitssucht-Studie von Matthey (2011) lassen sich im vorliegenden Helfer-Sample signifikante Zusammenhänge zwischen Arbeitssucht und den Berufsjahren nachweisen. Die Anzahl der Berufsjahre korreliert gering negativ mit Arbeitssucht. Je kürzer die Helfer in ihrem Beruf arbeiten, umso höher sind ihre Arbeitssuchtwerte. Arbeitssucht ist dieser Erkenntnis nach folgend, nicht ausschließlich als eine Verhaltensweise zu verstehen, die sich die Helfer im Laufe der Interaktion mit Kollegen angeeignet haben. Vielmehr können andere Gründe, wie hoher Idealismus und hohe Arbeitsmotivation, mangelnde Abgrenzungsfähigkeit und berufliche Unsicherheit, ausschlaggebend für ein arbeitssüchtiges Verhalten sein. Insbesondere die BurnoutForschung (Driller, 2008; Enzmann & Kleiber, 1989; Reissner, 2008) betont diese Zusammenhänge und erkennt die erhöhte Gefahr für Berufsanfänger. Dennoch bedarf diese Interpretation weiterführender Untersuchungen. Diskussion 108 Hinsichtlich der Überstundenbereitschaft der arbeitssüchtigen Helfer entsprechen die vorliegenden Ergebnisse den Erkenntnissen der allgemeinen Arbeitsforschung (Matthey, 2001, Poppelreuter, 1997; Städele, 2008). So leistet die Gruppe der AS deutlich mehr Überstunden als erwartet, wohingegen die Gruppe der Non-AS häufiger angibt, nur die vereinbarten Wochenarbeitsstunden zu leisten. Dennoch bleibt zu beachten, dass eine Arbeitssucht-Diagnose nicht ausschließlich anhand des quantitativen Arbeitsverhaltens erfolgen kann. Im Rahmen der Untersuchung wurden die Zusammenhänge zwischen Arbeitssucht und Rollenverständnis der Helfer als persönlichkeitszentrierte Bedingung der helfenden Berufe beschrieben. Eine starke Identifikation mit der Arbeit und hohe idealistische Berufsziele der Helfer sind signifikant zusammenhängend mit einem arbeitssüchtigen Verhalten. Ähnliches wurde im Rahmen der Burnout-Forschung von Burisch (2006), Edelwich und Brodsky (1984), Hofman et al. (2005), Perrar (1995) und Ruhwandl (2009) festgestellt, wobei der hohe Idealismus, insbesondere bei den helfenden Berufen, als persönlichkeitsbezogener Faktor vielfach als Ursache und Voraussetzung einer BurnoutErkrankung gesehen wird. Dieser Idealismus, anderen Menschen helfen zu wollen, kann zu einer hohen Arbeitsmotivation führen (Nitzsche et al., 2010) und ein zwanghaftes Arbeiten hervorrufen, wobei unrealistische Erwartungen an die eigene Arbeitstätigkeit und internale Kontrollüberzeugungen verhindern, die eigene Arbeitstätigkeit angemessen zu regulieren. Auch Jungkurth (2005) beschreibt in ihrer Studie das Profil eines Enthusiastic Workaholics, der eine signifikant höhere Arbeitsinvolviertheit aufweist. Diese Interpretation bedarf nachfolgender Untersuchungen. Es kann durch die Ergebnisse dieser Studie nicht geklärt werden, ob der Idealismus die Ursache oder die Folge einer Arbeitssucht-Erkrankung darstellt. Die folgenden Ergebnisse verdeutlichen die bestehenden Zusammenhänge zwischen Arbeitssucht und den vier eruierten systemimmanenten Arbeitsbedingungen der helfenden Berufe: Die Studie zeigt, dass sich die Gruppen der Non-AS und der AS signifikant im Erleben von Stress im Umgang mit Patienten unterscheiden. Ähnliches wird auch in der BurnoutForschung beschrieben. Maslach und Jackson (1981, zitiert nach Krämer, 2011) betonen, dass Burnout vorrangig in Berufen auftritt, in denen mit Individuen interagiert wird, wobei der kontinuierliche Kontakt mit den Klienten ein chronisches Niveau emotionalen Stresses verursacht. Die Gefahr, die Hoffmann et al. (2005) und Reiners-Kröncke et al. (2010) betonen, dass Schwierigkeiten im Umgang mit emotionalem Stress in erster Linie auf das eigene Versagen zurückgeführt werden, könnte als verursachend für ein Diskussion 109 pathogenes Arbeitsverhalten interpretiert werden. Der Betroffene versucht sein subjektiv empfundenes Versagen durch intensivere Arbeit auszugleichen. Ebenso wie in den Studien von Bartholdt und Schütz (2010), Burisch (2006) und Marquard et al. (1993) erlebten die Helfer dieser Studie vermehrt Rollenkonflikte und Rollenambiguitäten. Im Vergleich zwischen den Gruppen der Non-AS und der AS zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen Arbeitssucht und dem Erleben von Rollenkonflikten. Die stressauslösenden Bedingungen, hervorgerufen durch unklare Zielvorgaben, keine eindeutigen Berufsrollen im Konflikt zwischen Hilfe und Kontrolle und Rollenüberforderung bei hoher Verantwortung für Klienten und gleichzeitiger Zeitmangel können Ursache für ein pathogenes Arbeitsverhalten sein. Ebenso kann Rollenambiguität eine zentrale Ursache für Arbeitsunzufriedenheit darstellen (Bartholdt & Schütz, 2010). Diese Interpretation bedarf jedoch weiterer Untersuchungen zur Überprüfung. Im Rahmen der Untersuchung wurde deutlich, dass die Gruppen der Non-AS und der AS sich signifikant im Erleben der mangelnden Kontrollmöglichkeiten ihrer Arbeitstätigkeit unterscheiden. Wie in den Studien von Hoffman et al. (2005) und Marquard et al. (1993) beschrieben, bezeichnen Helfer ihr Erleben von mangelnder Steuerungsmöglichkeit der Arbeitsergebnisse und die mangelnde Kontrolle des Auftretens von negativen Ereignissen als belastend. Insbesondere die Gruppe der AS wies deutlich höhere Werte beim Erleben der mangelnden Kontrolle auf. Als arbeitsspezifischer Stressor könnte dieses Kontrollverlust-Erleben ursächlich für ein arbeitssüchtiges Verhalten oder Folge einer zwanghaften Arbeitsweise sein. Anlehnend an die Studien von Köppl (2011), Edelwich und Brodsky (1981, zitiert nach Reiners-Kröncke et al., 2010) und Ruhwandl (2009) erleben die Helfer dieser Studie in ihrem Beruf eine mangelnde Honorierung durch Gesellschaft, Arbeitgeber, soziales Umfeld und Patienten. Im Vergleich der Gruppen der Non-AS und der AS konnte dabei ein signifikanter Unterschied festgestellt werden, wobei die Gruppe der AS deutlich stärker die mangelnde Honorierung erlebte. Unklar bleibt, ob die Unzufriedenheit bzgl. der Anerkennung der Arbeitstätigkeit Folge von Arbeitssucht und allgemeiner Unzufriedenheit ist oder ob die mangelnde Honorierung als berufsspezifischer Stressor verursachend für ein pathogenes Arbeitsverhalten interpretiert werden kann. Bartholdt und Schütz (2010) sehen in der Wechselwirkung von Verausgabung und geringer Belohnung die Ursache für Gratifikationskrisen. Durch den zunehmenden äußeren Druck, durch betriebswirtschaftliche Anforderungen der Rationalisierungen (Finis Siegler, 1997) und die mangelnde Anerkennung erhöht sich der Druck auf den Helfer, welcher durch zwanghaftes Arbeiten versucht, diesen zu bewältigen. Auch Wolf und Meins (2004) erkennen in der mangelnden Möglichkeit den eigenen und betrieblichen Ansprüchen Diskussion 110 gerecht zu werden, die Ursache für Arbeitssucht. Derartige Interpretationen sind jedoch vorerst nur Mutmaßungen, da die fehlende Repräsentativität und das Untersuchungsdesign der Studie derartige Schlüsse nicht erlaubt. Es bleibt in weiteren Untersuchungen die Frage zu klären, ob der helfende Dienstleistungssektor durch seine berufsspezifischen Stressoren zumindest in Teilen eine arbeitssuchtfördernde Organisation darstellt. Wie in den Studien von Matthey (2011), Poppelreuter (1997), Spence und Robbins (1992) und Städele (2008) zeigen die Ergebnisse vorliegender Untersuchung, dass arbeitsüchtige Helfer signifikant weniger mit ihrer beruflichen Situation zufrieden sind als ihre nicht-arbeitssüchtigen Kollegen. Dieses Ergebnis bestätigen die Ausführungen von Breitsameter und Kröncke (1997), Gross (2003), Robinson (2000) und Schwochow (1997), die als Symptome und Folgen einer Arbeitssucht eine negative emotionale Grundhaltung zur eigenen Arbeitstätigkeit und eine subjektiv empfundene höhere Arbeitsbelastung beschreiben. Gründe dieser negativen Attribution könnten starke Versagensängste, mangelndes Selbstbewusstsein und die durch die Betroffenen wahrgenommene Zwanghaftigkeit des Arbeitens sein. Ebenso könnten zu hohe Leistungsanforderungen, hohes Engagement und starke emotionale Beteiligung an der Arbeit eine Verringerung der Arbeitszufriedenheit bewirken (Reiners-Kröncke et al., 2010). Als weitere Folge eines pathogenen Arbeitsverhaltens konnte die Annahme bestätigt werden, dass die Gruppe der AS im Vergleich zu den Non-AS ein unproduktiveres Arbeitsverhalten zeigt. Die arbeitssüchtigen Helfer weisen eine geringe Delegations- und Teamfähigkeit, Unflexibilität bei Lösungsprozessen, starkes Vermeidungsverhalten und starke Selbstzweifel auf. Dies entspricht den Erläuterungen von Robinson (2000) und Schneider (2001). Gegensätzlich kommt Jungkurth (2005) zu dem Ergebnis, dass Arbeitssüchtige sich hinsichtlich der Skala Nondelegation nicht bedeutsam von den Nichtarbeitssuchtprofilen unterscheiden, räumt aber hinzufügend ein, dass dieses Ergebnis sich deutlich von bisherigen Studien (Poppelreuter, 1997; Spence & Robbins, 1992) unterscheidet. Im Rahmen der Studie konnte weiterhin bestätigt werden, dass die Gruppe der AS im Vergleich zu den Non-AS höhere Burnout-Werte aufweist. Ein Vergleich der Ergebnisse dieser Studie mit weiteren Untersuchungen über Burnout in helfenden Berufen gestaltet sich jedoch schwierig, da die Ergebnisse stark variieren: Driller (2008) kommt zu dem Ergebnis, dass jeder 3. Arbeitnehmer der Behindertenhilfe burnout-gefährdet ist. Von einer Burnout-Gefahr kann laut Maslach und Jackson (1981, zitiert nach Ruhwandl, 2009) ausgegangen werden, wenn die Testwerte > = 10 sind. In der vorliegenden Studie Diskussion 111 zeigten lediglich 13 Prozent der Gesamtstichprobe (N = 438) eine potentielle BurnoutGefährdung. Dies widerspricht anderen Angaben, die von 30 bis 50 Prozent Betroffenen ausgehen (Bergner, 2010; Ruhwandl, 2009). Andererseits zeigen weitere Studien deutlich niedrigere Werte. Nach Angaben deutscher Arbeitsmediziner leiden in Deutschland etwa 5 Prozent der 25- bis 40 jährigen in Gesundheitsberufen Tätigen an Burnout (Driller, 2008). Das vorliegende Sample zeigte in dieser Altersklasse eine Burnout-Belastung von ca. 14 Prozent und liegt damit deutlich höher. Ob Burnout eine Folgeerscheinung von Arbeitssucht darstellt oder gegebenenfalls auch ursächlich für die Entstehung einer Arbeitssucht sein kann, bleibt aufgrund des Untersuchungsdesign weiterhin unklar. Es kann jedoch gesagt werden, dass in der vorliegenden Studie ein Zusammenhang zwischen den beiden Konstrukten besteht und dahingehend weitere Untersuchungen benötigt werden. Bezug nehmend auf die Ergebnisse der Studie von Städele (2008) zeigen die arbeitssüchtigen Helfer im Vergleich zur Gruppe der Non-AS ebenso durchgängig deutlich höhere Unzufriedenheitswerte in Bezug auf ihre Gesundheit, Lebenszufriedenheit, Freizeitgestaltung, vorhandenes Freizeitkontingent und im Hinblick auf ihre sozialen Kontakte. Als Folgen ihres pathogenen Arbeitsverhaltens weisen die Betroffenen oftmals Verhaltensweisen, gesundheitliche Einschränkungen, extrem ausgeprägte Versagensängste und eine affektive Verflachung auf, dessen Auswirkungen die Betroffenen in der Regel wahrnehmen und aufgrund dessen sie über eine geringere Zufriedenheit berichten. Arbeitssüchtige erleben sich selbst in ihrer Freizeit und im Kontakt mit Mitmenschen als zwanghaft und nicht genussfähig (Poppelreuter, 1997). Im Gegensatz dazu deklariert Jungkurth (2005) in ihrer Studie, dass das Konstrukt erlebte soziale Unterstützung bei den Arbeitssüchtigen keinen bedeutsamen Unterschied hinsichtlich seiner Ausprägung im Vergleich mit den Nicht-Arbeitssüchtigen aufzeigt. Dies kann zwar in der vorliegenden Studie nicht bestätigt werden, dennoch zeigt sich, dass die Gruppe der AS die erfahrene Unterstützung durch Freunde und Bekannte mit 81 Prozent eher zufriedenstellend als grundsätzlich eher positiv bewertet. Jungkurth (2005) schlussfolgert, dass die AS aber die eigene Bedürftigkeit nach sozialer Unterstützung und die tatsächlich fehlende Hilfe nicht wahrnehmen bzw. negieren, um bewusst die oftmals als bedrohlich erlebte Nähe der Angehörigen zu vermeiden. Durch zukünftige Studien mit ergänzenden Fremdbeurteilungen könnten Antwortheterogenitäten untersucht werden. Da die soziale Unterstützung aber als wichtigste Komponente des gesundheitsbezogenen Verhaltens beschrieben wird (Jungkurth, 2005), muss davon ausgegangen werden, dass Arbeitssüchtige unter gesundheitsschädlichen Einflüssen stehen. Diskussion 112 Auch wenn aufgrund der methodischen Vorgehensweise und der Operationalisierung der erfassten psychologischen Konstrukte keine Kausalaussagen möglich sind, kann festgehalten werden, dass Arbeitssucht bei Helfern mit erheblichen psychischen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen einhergeht. 8.2 Diskussion der Methodik und deren Limitierungen Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde zur Erhebung der Daten ein OnlineFragebogen eingesetzt. Neben den bereits beschriebenen Vorteilen dieses Instruments30 ergeben sich jedoch auch Probleme bei dieser Erhebungsart. Zum einen findet ein potenzieller Selektionsprozess statt, da bei der Datenerhebung nur interessierte Internetuser erreicht und somit andere Personengruppen systematisch exkludiert werden (Bortz & Döring, 2002; Städele, 2008). Ebenso könnte, bedingt durch weitere Merkmale, wie dem höheren Interesse an der Thematik der Studie, dem höheren Bildungsstatus und einer höheren Intelligenz der Befragungsteilnehmer gegenüber den nicht teilnehmenden Menschen, eine Selektionsbias entstehen (Bortz & Döring, 2002; Zerr, 2003). Auch sind die Ergebnisse dieser Studie nicht repräsentativ, weil die Grundpopulation der Internetuser und der Berufstätigen im helfen Dienstleistungssektor weitestgehend unbekannt ist, und es zusätzlich an Diagnostikmöglichkeiten für Arbeitssüchtige mangelt. Diese Stichprobe ist nicht repräsentativ und durch eine mangelnde Randomisierung nicht zufällig. Somit können die Daten nicht per se auf die Gesamtpopulation übertragen werden. Städele (2008) ergänzt dazu kritisch, dass eine Erhebung einer echten Zufallsstichprobe im Internet grundsätzlich nicht realisierbar ist, da es an Listen oder Registern aller Internetuser fehle. Die vorliegenden Ergebnisse erlauben weiterhin keine Aussagen über die Gründe und Ursachen der Entwicklung arbeitssüchtigen Verhaltens und über Zusammenhangsstärke und Beeinflussungsrichtung bzgl. der erhobenen Konstrukte. Die ermittelten Unterschiede in Einstellungen und Verhaltensweisen von AS und Non-AS können ebenso Ursache wie Folge arbeitssüchtigen Verhaltens sein. Einen weiteren Nachteil der Online-Befragung stellt die unkontrollierbare Erhebungssituation dar. Auf offene Fragen und Verständnisfragen der Studienteilnehmer kann nicht reagiert werden, da keine Kontaktperson anwesend ist (Bortz & Döring, 2002; Zerr, 2003), welches gleichzeitig aber auch die geforderte Anonymität zusichert. Ebenso bleibt durch die teilweise stattfindende Selbst-Generierung des Fragebogens unklar, 30 Siehe dazu auch Kap. 6.2 Diskussion 113 welche Profession tatsächlich und in welchem Wirtschaftssektor arbeitend den Fragebogen ausgefüllt hat. Hinzukommend können technische Probleme auftreten, wie z.B. die Browser-Inkompatibilität oder ungewollte Mehrfachteilnahmen. Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich ausschließlich auf die Erforschung des Phänomens Arbeitssucht im Zusammenhang mit der Ausübung einer Erwerbs- oder Beruftätigkeit. Dennoch besteht hier ebenso das Risiko der fehlenden Kontrolle der Erhebungssituation. Eine Untersuchung anhand des Instruments eines Fragebogens bietet den Vorteil einer Standardisierung und sichert somit die Möglichkeit der Vergleichbarkeit, gleichzeitig stellt sie oftmals aber nur eine Momentaufnahme der jeweiligen Situation der Probanden dar, was insbesondere unter dem Aspekt, dass es sich bei Arbeitssucht um eine progrediente Problematik handelt, Berücksichtigung finden sollte. Die Beantwortung der Items erfolgt durch festgelegte Raster und Schemata und engt damit die Probanden in ihrer Beantwortungsmöglichkeit ein. Unsicherheiten, Ambivalenzen und Entwicklungen können in diesem Zusammenhang nicht abgebildet werden. Ebenso werden individuelle Graduierungen hinsichtlich der Bedeutsamkeit einzelner Items bei der Erfassung von Arbeitssucht nicht berücksichtigt. Eine exaktere Abgrenzung der einzelnen Merkmalsbereiche und der dazu formulierten Items wäre insgesamt wünschenswert gewesen. Die teilweise hohen Korrelationen und inhaltlichen Überschneidungen deuten darauf hin, dass der Fragebogen zum Teil redundante Informationen enthält. Ein weiterer Einflussfaktor auf die statistischen Ergebnisse besteht im Kriterium der sozialen Erwünschtheit. Diesem Effekt soll durch Zusicherung von Anonymität möglichst entgegengewirkt werden, dennoch wird man auch in dieser Untersuchung eine unkalkulierbare Störung der Testergebnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit vorfinden (Jungkurth, 2005). Die kulturell positive Bewertung von hohem Arbeitsengagement kann sich dabei in der Beantwortung der Items ausdrücken. Andererseits ist kritisch anzumerken, dass es sich bei Arbeitssucht um eine ich-syntone Störung handelt, so dass Städele (2008) für die Diagnostik von Arbeitssucht die Einbeziehung der Einschätzung anderer Personen, als Ergänzung zur Selbsteinschätzung des Probanden, vorschlägt. In der vorliegenden Studie wurde versucht, die psychologischen Konstrukte anhand reliabler und valider Messinstrumente zu erfassen. Dennoch bleibt unklar, ob nach der Bildung der Extremgruppen in AS und Non-AS die Teilnehmer tatsächlich von Arbeitssucht betroffen sind. Beachtet werden muss hierbei, dass die verwendete Skala zur Messung von Arbeitssucht keinen exakten Wert vorgibt, anhand dessen eine Arbeitssucht diagnostiziert werden könnte (Schneider, 2001). Somit konnte auch innerhalb der Stichprobe nur ein relativer Vergleich zwischen Teilnehmern Diskussion 114 mit niedrigen und solchen mit hohen Werten auf der Skala für Arbeitssucht gezogen werden. Kritisch könnte ebenso die Länge des Fragebogens betrachtet werden. Für einige Untersuchungsteilnehmer kann die Bearbeitungszeit von ca. 15 bis 20 Minuten ein Kriterium gewesen sein, nicht an der Umfrage teilzunehmen. Insbesondere die anvisierte Zielgruppe der Arbeitssüchtigen könnte diesen Zeitaufwand als Arbeitszeitverlust interpretieren. Dabei wurde aber bewusst auf den Einsatz von Incentives zur Förderung der Teilnahmebereitschaft verzichtet. Die Auswahl der Stichprobe, das Untersuchungsdesign, das Verfahren zur Datenauswertung und weitere verschiedene unkalkulierbare Einflussfaktoren (wie z.B. die Zentrale Tendenz beim Einsatz von Rating-Skalen, der Hawthorne-Effekt etc.) beeinflussen die Ergebnisse und Schlussfolgerungen dieser Forschungsarbeit (Bortz & Döring, 2002). Dennoch kann resümiert werden, dass trotz der oben beschriebenen Einschränkungen die Online-Befragung die beste Möglichkeit darstellt, die Zielgruppe der Arbeitssüchtigen und die beschriebenen Konstrukte in einem kurzen Zeitraum bei einer größtmöglichen Stichprobe zu erfassen. Schwierig gestaltete sich jedoch die Diagnostik und die Kontaktierung Betroffener aufgrund definitorischer Probleme und Tabuisierung dieser Erkrankung. Auch wenn keine repräsentative Stichprobe untersucht werden konnte, sind die Ergebnisse dennoch aufschlussreich und geben Hinweise darauf, in welche Richtungen zukünftig geforscht und diskutiert werden sollte. 8.3 Ausblick Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, ist Arbeitssucht nicht nur eine individuelle, sondern eine gesamtgesellschaftlich relevante Problematik, die allerdings bisher nicht ausreichend wissenschaftlich erforscht wird. Daher erscheinen noch heute die Handlungsempfehlungen Schwerpunkte nennt: Arbeitssuchtproblematik, von die die Poppelreuter (1996) weiterführende empirische aktuell, der theoretische Forschung, die vier relevante Fundierung der gesamtgesellschaftliche Diskussion und die Weiterentwicklung von Präventions- und Interventionsmaßnahmen. Zukünftig ist eine weitere theoretische Fundierung der Arbeitssuchtproblematik hinsichtlich ihrer Ätiologie, Epidemiologie, Nosologie und Diagnostik relevant (Poppelreuter & Evers, 2000; Städele, 2008). Dabei ist es generell notwendig, dass Verhaltenssucht bzw. stoffungebundene Sucht im Allgemeinen und Arbeitssucht im Speziellen in die gängigen Klassifikationssysteme integriert werden (Grüsser et al., 2007), wobei durch eine reliable Diagnostik erfolgreich Abgrenzungen zu nicht Diskussion 115 pathologischen Arbeitsstilen erfolgen und der inflationäre Gebrauch des Suchtbegriffes verhindert werden soll. Neben der theoretischen Präzisierung der Arbeitssuchtproblematik sollte zukünftig auch die empirische Forschung intensiviert und verbessert werden (Poppelreuter, 2000). Wünschenswert wäre eine interdisziplinäre Forschung angelehnt an einheitliche diagnostische Kriterien einer Arbeitssucht, welche die Vergleichbarkeit der Ergebnisse sowie die Weiterführung der Untersuchungen ermöglicht und bestehende theoretische und methodische Heterogenitäten überwinden würde. Ebenso sollten neben Längsschnittstudien zur Erforschung der Ätiologie und des Verlaufs von Arbeitssucht auch Untersuchungen anvisiert werden, die ergänzend zu den Selbstbeschreibungen der Betroffenen auch Fremdbeurteilungen z.B. durch Angehörige oder Kollegen, Beobachtungsdaten und anamnestische Daten umfassen (Poppelreuter & Evers, 2000). Neben der Untersuchung großer Stichproben können Einzelfallstudien ergänzende Hinweise auf relevante Zusammenhänge geben. Feldstudien können weiterhin helfen, familiäre, organisationspsychologische, arbeitsspezifische und gesellschaftliche Bedingungen zu identifizieren (Meißner, 2005; Poppelreuter & Evers, 2000; Städele, 2008), was insbesondere unter Berücksichtigung der verschiedenen berufsspezifischen Bedingungen und deren Differenz relevant ist. Diese Studie hat dabei einen ersten Versuch unternommen, diese berufsspezifischen Bedingungen in helfenden Berufen zu präzisieren. Dennoch sind weiterführende Untersuchungen zur differenzierten Darstellung von objektiven, subjektiven, sozialen, arbeitsorganisatorischen und gesellschaftlichen Bedingungen und Stressoren im helfenden Dienstleistungssektor notwendig. Ein weiterer Schwerpunkt der zukünftigen Forschung sollte im gesundheitspolitischen, präventiven und therapeutischen Bereich gesetzt werden. Prävention, Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit sollten intensiviert werden, um das Bewusstsein für eine Arbeitssuchtproblematik zu schärfen (Poppelreuter, 1996), Tabuisierung zu vermeiden und eine Entstehung der Arbeitssucht möglichst frühzeitig zu verhindern. Durch zunehmende Sensibilisierung soll ein angemessenes und ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit und ein eigenverantwortliches Verhalten propagiert werden. Therapeutische und intervenierende Maßnahmen zur Behandlung von Arbeitssucht sollten auf Grundlage von fundierten Therapiekonzepten, empirischer Forschung und reflektierter Erfahrung optimiert und weiter ausgearbeitet werden (Städele, 2008). Dabei sind sowohl individuumszentrierte als auch arbeitsorganisatorische Ansätze, welche die berufsspezifischen Bedingungen aufgreifen, weiterzuverfolgen. Zudem sollte eine Sicherstellung der Finanzierung therapeutischer Maßnahmen durch die jeweiligen Kostenträger initiiert werden. Die wirtschaftspolitische Relevanz der Behandlung von Diskussion 116 Arbeitssucht ergibt sich aus der derzeitigen Wirtschaftslage, da Unternehmen nur durch gesunde und leistungsstarke Arbeitnehmer langfristig wirtschaftlich erfolgreich und konkurrenzfähig bestehen können (Jungkurth, 2005). Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene benötigt es weiterhin zahlreiche Diskussionen über die Rolle und den Stellenwert von Arbeit und die Folgen einer Arbeitssuchtproblematik. Anlehnend an bereits stattfindende Überlegungen zu neuen Arbeitszeitmodellen und alternativen Arbeitsformen besteht die Chance, eine offenere Problematisierung der gesamten Thematik zu erreichen (Poppelreuter, 1996; Städele, 2008). Insbesondere der helfende Dienstleistungssektor leidet unter der Diskrepanz zwischen übersteigerten Erwartungen und Ansprüchen der Öffentlichkeit (Krämer, 2011) bei gleichzeitigem Erleben der mangelnden öffentlichen Honorierung. Diese erlebte Diskrepanz und der daraus resultierende unklare öffentliche Stellenwert der helfenden Arbeitstätigkeit sollte vermehrt gesellschaftlich und politisch diskutiert werden. Resümierend kann festgestellt werden, dass es sich bei Arbeitssucht um eine ich-syntone Störung handelt, die oftmals unerkannt bleibt und dabei massive Auswirkungen auf die Betroffenen selbst, ihr soziales Umfeld, auf den Arbeitgeber und die Gesellschaft hat, was einen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Handlungsbedarf begründet. Institutionen des helfenden Sektors benötigen gesunde und involvierte Arbeitskräfte, die eine „hochwertige Dienstleistung am Menschen“ (Krämer, 2011, S. 30) erbringen können. Die tatsächlich vorzufindende hohe gesundheitliche Belastung der helfenden Berufe31 und die berufsspezifischen Belastungen können die Entstehung einer Arbeitssucht fördern oder deren Folgen sein, so dass die Gruppe der Helfer als potenzielle Risikogruppe weiterhin beobachtet werden sollte, um eine dauerhafte Gesundheit am Arbeitsplatz sicherstellen zu können. 31 Siehe dazu auch Kap. 4.4 Literaturverzeichnis 117 Literaturverzeichnis Amelang, M. & Batussek, D. (2004). Psychologische Diagnostik und Intervention (3. Aufl.). Berlin: Springer. Anonymen Arbeitssüchtigen (2012). Allgemeine Informationen über Arbeitssucht. Zugriff am 02.11.2012. Verfügbar unter: http://www.arbeitssucht.de/allginfo.html. Allmer, H. (2002). Freizeitstress. In R. Schwarzer, M. Jerusalem & H. 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Im Rahmen dieses Studiums absolviere ich derzeit eine Masterarbeit zu dem Thema „Arbeit im helfenden Dienstleistungssektor“, wobei ich insbesondere die bestehenden Einstellungen zur eigenen Arbeit und deren Auswirkungen auf das eigene Wohlergehen und die Gesundheit erfragen möchte. Dabei liegt mein Forschungsinteresse vor allem darin, möglichst viele Menschen aus unterschiedlichen Berufsgruppen des helfenden Dienstleistungssektors zu befragen, um heraus zu finden, in welchen Aspekten sich diese unterscheiden oder ähneln. Dabei benötigte ich Ihre Unterstützung. Falls ich Ihr Interesse und Bereitschaft geweckt habe, bitte ich Sie folgenden Link anzuklicken, um zu dem Fragebogen zu gelangen. http://arbeit-in-helfenden-berufen.de/limesurvey/index.php?sid=18475&lang=de Ich bitte Sie ebenso diesen Link oder die E-Mail an Ihre Kollegen weiterzuleiten, um eine möglichst große Anzahl von Befragten zu erreichen. Alle Berufsgruppen (Ärzte, Krankenschwestern und- pfleger, Pädagogen, Psychologen, Sozialarbeiter, Seelsorger etc.), die im helfenden Dienstleistungssektor tätig sind, werden dabei von mir angesprochen und um Unterstützung gebeten. Die Befragung erfolgt absolut anonym, so dass keinerlei Rückschlüsse auf Ihre Person gezogen werden können. Damit soll Ihnen gewährleistet werden, dass Sie sich frei und unbefangen äußern können. Die erhobenen Daten werden ausschließlich im Rahmen der Studie verwendet und unterliegen dem Datenschutz. Ich danke Ihnen für Ihre Mühen und Ihre Teilnahmebereitschaft. Wenn Sie an den Ergebnissen der Studie interessiert sind, bitte ich Sie mich persönlich anzusprechen. Ich werde Ihnen dann selbstverständlich die Ergebnisse zukommen lassen. Mit freundlichen Grüßen Christina Vicario Diplom Sozialarbeiterin Perspektive Selbständiges Leben Venloer Straße 341 50823 Köln Tel: 0176-32019934 E-Mail: [email protected] Anhang B Online –Fragebogen 132 Anhang 133 Anhang 134 Anhang 135 Anhang 136 Anhang 137 Anhang 138 Anhang 139