Erste zielgerichtete Therapie für mehr Zeit ohne Chemotherapie

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Medizin für die Frau
Kongress
PARP-Inhibitor Olaparib: neu beim rezidivierten Ovarialkarzinom
Erste zielgerichtete Therapie für
mehr Zeit ohne Chemotherapie
Die erfreuliche Botschaft ist, dass die Inzidenz des Ovarialkarzinoms in Österreich seit
Jahren zurückgeht. Dennoch macht dieses Karzinom 4% aller gynäkologischen Tumoren
aus und steht an 5. Stelle aller krebsbedingten Todesfälle. Das Ovarialkarzinom ist eine
sehr heterogene Erkrankung, die immer mehr Ansatzpunkte für zielgerichtete Therapien
bietet. Frauen mit platinsensitivem, rezidiviertem, BRCA-positivem Ovarialkarzinom zum
Beispiel können neuerdings mit dem PARP-Inhibitor Olaparib als Maintenancetherapie die
Phasen, in denen sie ohne weitere Chemotherapie leben können, signifikant verlängern.
Die standardmäßige Erstlinientherapie
des Ovarialkarzinoms besteht aus einer
jatros I Seite 6
Programmierter Zelltod durch Olaparib
Und so funktioniert der Wirkmechanismus: Bei der Teilung der DNA kommt
es immer wieder zu sogenannten Einzelstrangbrüchen. Wenn solche auftreten, werden sie durch das Enzym PARP,
durch Anhängen von Poly-ADP-Ketten (PAR), für die Basenexzisionsreparatur markiert. Diese Reparatur kann
durch einen PARP-Inhibitor gehemmt
werden. So persistieren die Einzelstrangbrüche und werden zu Doppelstrangbrüchen repliziert. Diese Zellen
würden sterben, wenn es nicht den Reparaturmechanismus der homologen
Rekombination gäbe, mit dem normale Zellen die Doppelstrangbrüche
sanieren und trotz Gabe des PARP-In-
hibitors überleben können, erklärte
Marth. Für die homologe Rekombination spielen BRCA-1 und -2 eine essenzielle Rolle. Bei Tumorzellen mit
BRCA-1- und -2-Mutationen ist diese
gestört, sodass sie die Doppelstrangbrüche nicht sanieren können. Deshalb
kommt es zum Zelltod durch die sogenannte „synthetische Letalität“.
Erste Ergebnisse aus der klinischen
Erprobung des PARP-Inhibitors in
Phase I stammen aus dem Jahr 2009.2
Dabei konnte gezeigt werden, dass sich
Ovarialkarzinome mit BRCA-1- und
-2-Mutationen von Frauen, die mit
der neuen Substanz behandelt wurden,
deutlich zurückbildeten.
Diese Erkenntnis war der Ausgangspunkt für die randomisierte multizentrische und placebokontrollierte
Phase-II-Studie 193 zur Erhaltungstherapie beim platinsensitiven rezidivierten serösen Ovarialkarzinom. Vor
Beginn der eigentlichen Studie wurden die Frauen operiert und mindestens zweimal standardmäßig mit
einer platinhaltigen Chemotherapie
behandelt. Frauen mit einem partiellen oder kompletten Ansprechen nach
RECIST(„response evaluation criteria
in solid tumors“)-Kriterien konnten
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Fachkurzinformation siehe Seite XX
Patientinnen mit einer BRCA-1/2-Mutation haben eine deutlich bessere Überlebensprognose als Patientinnen mit
BRCA-1- und -2-Wildtyp, sagte Marth.
Dies könnte damit zusammenhängen,
dass die Frauen besser auf eine Chemotherapie ansprechen. Das primäre Ansprechen beträgt 85% bei BRCA-Mutation versus 68% bei BRCA-Wildtyp.1
Auch beim ersten und weiteren Rezidiven liegen die Ansprechraten auf eine
Chemotherapie höher.
platinhaltigen Chemotherapie. Diese
wiederholt sich auch bei den häufigen Rezidiven. Für die Erhaltungstherapie von erwachsenen Patienten
mit einem platinsensitiven Rezidiv bietet sich mit Olaparib (Lynparza™),
dem ersten Vertreter der PARP-Inhibitoren, ein neues effektives Therapieprinzip an. Das Akronym PARP steht
für Poly(Adenosindiphosphat-Ribose)Polymerase-Inhibitor. Olaparib ist in
Österreich seit Anfang Juni 2015 auf
dem Markt.
Entgeltliche Einschaltung
Mutationen der Tumorsuppressorgene
BRCA-1 und -2 finden sich bei etwa
5% der Frauen mit einem Mammakarzinom. Noch viel häufiger besteht
diese Mutation beim Ovarialkarzinom,
je nach Studie in 6–14% der Fälle, erklärte Prof. Dr. Christian Marth von
der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Innsbruck. Besonders häufig weisen seröse Ovarialkarzinome
und vor allem schlecht differenzierte
seröse Karzinome diese Mutation auf.
Die Prävalenz reicht bis zu 20% bzw.
bis zu 25%. BRCA-1- und -2-Mutationen treten vor allem in Keimbahnzellen auf, aber zu etwa 6% auch an somatischen Tumorzellen.
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Signifikant verlängertes
progressionsfreies Überleben
© UNIVERSIMED ®
100
Progressionsfreies Überleben (%)
dann in die Studie 19 aufgenommen
werden, erläuterte Marth. Dazu wurden sie innerhalb von acht Wochen
nach der letzten Chemotherapie randomisiert einer Olaparib- (n=136) beziehungsweise Placebo-Gruppe (n=129)
zugeteilt. Olaparib wurde als Monotherapie in einer Dosierung mit täglich
2x400mg oral appliziert. Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS).
n Olaparib (n=74)
Median: 11,2 Monate
80
n Placebo (n=62)
Median: 4,3 Monate
60
40
HR: 0,18
(95% CI: 0,10–0,31)
p<0,0001
20
0
0
3
4,3
11,2
6
9
12
15
Zeit (Monate)
Kein Verlust an Lebensqualität
Auch wenn sich die Behandlung nicht
in einem verlängerten OS niederschlägt, so verschafft Olaparib den
Patientinnen dennoch außerordentlich
lange Phasen, in denen sie ohne weitere
Chemotherapie leben können. Dieser
Vorteil geht auch in weiteren TherapieMedizin für die Frau 4/15
Abb. 1: Studie 19: Progressionsfreies Überleben der BRCA-mutationspositiven Patientinnen. Nach Ledermann et al 2014
folgen nicht verloren, fasste Marth die
Ergebnisse der Studie 19 zusammen.
Eine Analyse der gesundheitsbezogenen
Lebensqualität (HRQoL) ergab keine
relevanten Unterschiede gegenüber Placebo. Auch hinsichtlich der Nebenwirkungen differierten die Gruppen
nicht sehr, erklärte Marth weiter. Unter Verum kam es häufiger zu Fatigue,
Anämie und Neutropenie.
Olaparib wurde auf Basis der Studie 19
von der EMA zugelassen. Es kann damit als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patientinnen
mit einem platinsensitiven Rezidiv
eines BRCA-mutierten Eierstock-, Eileiter- oder Peritonealkarzinoms eingesetzt werden. Die Behandlung setzt
allerdings eine per genetische Testung
nachgewiesene Mutation voraus. Diese
Testung, so Marth, wird derzeit flächendeckend in Österreich etabliert.
Genetische Testung nach
vorausgehender Beratung
Gemäß Empfehlung der AGO (Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie)5 soll eine genetische Testung
und Bestimmung einer BRCA-1/2Keimbahnmutation allen Patientinnen
mit epithelialem Ovarialkarzinom angeboten werden, berichtete Prof. Dr.
Alexander Reinthaller von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in
Wien. Vor dem eigentlichen Test muss
jedoch eine genetische Beratung stattfinden. Diese beinhaltet unter anderem eine Familienanamnese. Außer-
dem sollte man die praktische Relevanz
eines positiven Testergebnisses für die
Patientin, aber auch mögliche Konsequenzen für Familienangehörige bei
diesem vererbbaren Tumor ansprechen.
Priv.-Doz. Dr. Daniel Reimer von der
Universitätsklinik für Frauenheilkunde
in Innsbruck skizzierte den aktuellen
Stand im Nachweis einer BRCA-Mutation in der Keimbahn und/oder im
Tumor. Eine prophylaktische Testung
sollte erfolgen, wenn die Mutationswahrscheinlichkeit anhand der Familienanamnese 10% übersteigt. Getestet
werden sollten zudem alle Patientinnen
mit Erstdiagnose eines serösen invasiven Ovarialkarzinoms als Basis für
ein Risikomanagement der Familie,
aber auch um die therapeutische Relevanz einer Behandlung mit Olaparib
zu bestimmen. Die Empfehlung für die
Tes­tung gilt nicht zuletzt für Frauen
mit bereits diagnostiziertem Tumor.
Mit dieser „Catch-up“-Diagnostik soll
auch ihnen die Möglichkeit eröffnet
werden, von der Behandlung mit dem
PARP-Inhibitor zu profitieren.
n
Literatur:
1 Alsop
2 Fong
K et al: J Clin Oncol 2012; 30: 2654-2663
P et al: N Engl J Med 2009; 361: 123-134
3 Ledermann
J et al: N Engl J Med 2012; 366: 1382-1392
4 Ledermann
J et al: Lancet Oncol 2014; 15(8): 852-861
5 Marth
C et al: Wien Klin Wochenschr. 2015 Jun 25.
[Epub ahead of print]
Bericht: Martin Bischoff
Quelle: xact - the medical update education 01
16. Juni 2015, Innsbruck
l12
Seite 7 I jatros
ID678503; 07/2015
Eine erste Analyse wurde nach 153 Ereignissen durchgeführt. Dabei zeigte
sich, dass das mediane PFS mit 8,4 versus 4,8 Monate bei allen Patientinnen
unter Verum signifikant länger war als
unter Placebo (HR: 0,35; p<0,001).
Die in dieser Auswertung eingeschlossenen Frauen waren nicht nach dem
Vorliegen einer BRCA-Mutation ausgewählt worden, sondern nach dem
Ansprechen auf die platinbasierte Chemotherapie als Surrogatmarker. Erst sekundär wurde retrospektiv anhand von
Blut- und/oder Tumorproben, die vor
der Randomisierung entnommen worden waren, die Subgruppe mit einer
BRCA-Mutation selektiert.4 Bei diesem Kollektiv war der Vorteil im PFS
zugunsten von Olaparib mit 6,9 Monaten Differenz besonders ausgeprägt
(11,2 versus 4,3 Monate; HR: 0,18;
p<0,0001; Abb. 1). Aber selbst Patientinnen mit Wildtyp-BRCA profitierten
mit 7,4 versus 5,5 Monate (HR: 0,54;
p=0,0075) noch von der Überlegenheit des PARP-Inhibitors. Somit sprechen selbst diese „Non-Responder“
besser auf Olaparib an als auf viele
andere Medikamente in der Onkologie, erklärte Marth. Kein signifikanter
Unterschied stellte sich in Studie 19
im Hinblick auf das Gesamtüberleben
(OS) ein.
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