Messtechnik —————————————Teil-Skript zu den Vorlesungen————————————— Grundlagen der Messund Regelungstechnik ——————————————————————————sowie—————————————————————————— Grundlagen der Mess- und Automatisierungstechnik Stand: 1. 10. 2002, letzte Bearbeitung durch T. Weber Prof. Dr.-Ing. H. Fißan Gerhard-Mercator-Universität GH Duisburg Prozess- und Aerosolmesstechnik Bismarckstr. 81 47057 Duisburg LITERATURLISTE..........................................................................................................................5 1 EINFÜHRUNG ..........................................................................................................................7 1.1 1.2 AUFGABE DER MESSTECHNIK ...............................................................................................................................7 ENTWICKLUNG DER MESSTECHNIK.......................................................................................................................9 1.3 EINTEILUNG DER MESSTECHNIK .........................................................................................................................10 1.4 1.5 DEFINITIONEN VON HÄUFIG IN DER MESSTECHNIK BENUTZTEN BEGRIFFEN .......................................................10 ZERLEGUNG DER MESSEINRICHTUNG IN IHRE KOMPONENTEN ...........................................................................11 1.6 1.7 MESSVERFAHREN ...............................................................................................................................................14 MESSGRÖßEN ......................................................................................................................................................19 2 BESCHREIBUNG DES VERHALTENS VON MESSEINRICHTUNGEN UND DEREN KOMPONENTEN ...........................................................................................................................24 2.1 2.2 2.3 MESSNORMALE ...................................................................................................................................................24 BESCHREIBUNG DES STATISCHEN VERHALTENS VON MESSEINRICHTUNGEN UND DEREN KOMPONENTEN .........34 BESCHREIBUNG DES DYNAMISCHEN VERHALTENS VON MESSEINRICHTUNGEN UND DEREN KOMPONENTEN .....38 2.3.1 2.3.2 3 Sprungantwort eines Messgerätes mit Verzögerung.................................................................................38 Sprungantwort eines Systems mit Totzeit .................................................................................................40 MESSFEHLER ........................................................................................................................42 3.1 DEFINITION VON MESSFEHLERN .........................................................................................................................42 3.2 3.3 FEHLERURSACHEN ..............................................................................................................................................45 STATISCHE FEHLER.............................................................................................................................................47 3.3.1 Statische Fehler unter Normalbedingungen .............................................................................................48 3.4 3.3.2 Statische Fehler bei Abweichungen von Normalbedingungen .................................................................52 DYNAMISCHE FEHLER ........................................................................................................................................54 3.5 3.4.1 Graphische Ermittlung der Übertragungsfunktion...................................................................................63 BEGRENZUNG DYNAMISCHER FEHLER ................................................................................................................64 3.6 4 4.1 4.2 ZUFÄLLIGE FEHLER ............................................................................................................................................66 3.6.1 Bestimmung zufälliger Fehler ..................................................................................................................68 3.6.2 Mittelwert, Schätzwert und Standardabweichung ....................................................................................69 3.6.3 3.6.4 Der zufällige Fehler in der Wahrscheinlichkeitsrechnung .......................................................................71 Kovarianz .................................................................................................................................................76 3.6.5 Mittelwerte aus der Stichprobe und der Verteilung..................................................................................78 FEHLERFORTPFLANZUNG...............................................................................................82 FEHLERFORTPFLANZUNG DER SYSTEMATISCHEN MESSFEHLER ..........................................................................82 FEHLERFORTPFLANZUNG ZUFÄLLIGER MESSFEHLER ..........................................................................................84 4.2.1 Berechnung der Standardabweichung eines mit zufälligen Fehlern behafteten Messergebnisses ...........85 4.2.2 Überprüfung der Aussagefähigkeit der Schätzwerte x̂ und s .................................................................88 4.3 MESSUNSICHERHEIT BEI BEKANNTEN GARANTIEFEHLERGRENZEN .....................................................................90 4.4 FORTPFLANZUNG VON FEHLERGRENZEN ............................................................................................................90 5 5.1 STRUKTUREN VON MESSEINRICHTUNGEN ...............................................................93 KETTENSTRUKTUR ..............................................................................................................................................93 2 5.2 PARALLELSTRUKTUR ..........................................................................................................................................94 5.3 KREISSTRUKTUR .................................................................................................................................................96 6 SENSOREN, AUFNEHMER, FÜHLER, SONDEN, GEBER ............................................99 6.1 ALLGEMEINES ÜBER FÜHLER ..............................................................................................................................99 6.2 6.3 ANFORDERUNGEN AN FÜHLER ..........................................................................................................................100 EINTEILUNG DER FÜHLER .................................................................................................................................100 6.4 FÜHLER FÜR GEOMETRISCHE GRÖßEN ..............................................................................................................101 6.4.1 Widerstandsgeber zur Längen- und Winkelmessung ..............................................................................101 6.5 6.4.2 6.4.3 Induktive Geber ......................................................................................................................................104 Kapazitive Geber ....................................................................................................................................111 6.4.4 Hall-Sonde..............................................................................................................................................118 FÜHLER FÜR MECHANISCHE GRÖßEN ................................................................................................................122 6.5.1 Dehnungsmessstreifen (DMS) ................................................................................................................122 6.5.2 6.5.3 6.6 6.7 FÜHLER ZUR TEMPERATURMESSUNG ................................................................................................................136 6.6.1 Thermoelement .......................................................................................................................................136 6.6.2 Vergleichsstelle für Temperaturen .........................................................................................................141 6.6.3 6.6.4 Widerstandsthermometer........................................................................................................................142 Heißleiter................................................................................................................................................145 FÜHLER FÜR CHEMISCHE SUBSTANZEN UND ZUR GASANALYSE .......................................................................146 6.7.1 Kohlendioxidmesser nach dem Wärmeleitverfahren ..............................................................................147 6.7.2 6.8 7 Magnetischer Sauerstoffmesser ..............................................................................................................147 6.7.3 Ionisations-Rauchmelder........................................................................................................................148 FÜHLER FÜR STRÖMUNGSTECHNISCHE GRÖßEN................................................................................................150 6.8.1 6.8.2 6.9 Piezoelektrischer Fühler.........................................................................................................................128 Magnetoelastischer Kraftmessfühler ......................................................................................................133 Hitzdrahtanemometer .............................................................................................................................150 Induktions-Durchflussmesser .................................................................................................................151 FÜHLER ZUR STRAHLUNGSMESSUNG ................................................................................................................153 6.9.1 Photoelement und -diode........................................................................................................................153 6.9.2 Photozelle ...............................................................................................................................................157 6.9.3 Photomultiplier.......................................................................................................................................158 MESSUMFORMER ..............................................................................................................159 7.1 7.2 AUFGABE DER MESSUMFORMER .......................................................................................................................159 MESSVERSTÄRKER............................................................................................................................................159 7.3 7.2.1 Störgrößen bei Messverstärkern.............................................................................................................161 BRÜCKENSCHALTUNGEN ..................................................................................................................................163 7.3.1 7.3.2 Abgleich-Widerstandsmessbrücke ..........................................................................................................163 Ausschlag-Widerstandsmessbrücke........................................................................................................165 7.3.3 Wechselstrom-Messbrücken ...................................................................................................................170 7.4 TRÄGERFREQUENZ-BRÜCKE UND -VERSTÄRKER ..............................................................................................175 7.4.1 Beispiel zur Trägerfrequenzbrücke.........................................................................................................177 8 ANZEIGEGERÄTE ..............................................................................................................179 8.1 KOMPENSATOREN .............................................................................................................................................179 8.1.1 8.1.2 Einfache Kompensation mit Spannungsteiler .........................................................................................179 Kompensationsschreiber ........................................................................................................................180 3 8.2 8.1.3 Doppelte Kompensation .........................................................................................................................181 8.1.4 Lindeck-Rothe-Kompensator ..................................................................................................................182 8.1.5 Gleichstromkompensation ......................................................................................................................182 ELEKTRISCHE MESSWERKE ..............................................................................................................................183 8.2.1 8.2.2 Drehspulmesswerk..................................................................................................................................183 Kernmagnetmesswerk.............................................................................................................................186 8.2.3 Elektrodynamisches Messwerk ...............................................................................................................188 4 Literaturliste /l/ Kronmüller, H. Methoden der Messtechnik Shaker-Verlag Karlsruhe 1979 Standort: 41 WFB 1538 /2/ Schrüfer, E. Elektrische Messtechnik: Messung elektrischer und nicht elektrischer Größen Carl Hanser Verlag, München Standort: 43 XXA 1481(2) /3/ Felderhoff, R. Elektrische Messtechnik Carl Hanser Verlag Standort: 43 XXA 1203(4) /4/ Jüttmann, H. Grundlagen des elektrischen Messens nichtelektrischer Größen VDI-Verlag Düsseldorf Standort: 45 XXL 1062 151 Merz, L. Grundkurs der Messtechnik Band 1: Das Messen elektrischer Größen Standort: 41 WFB 1083-1 Band 2: Das elektrische Messen nichtelektrischer Größen Standort: 41 WFB 1083-2 R. Oldenbourg Verlag, München 1973 1974 /6/ Kronmüller, H. Prozeßmeßtechnik Standort: 41 WFB 1106 Band 1: Elektrisches Messen nichtelektrischer Größen Standort: 41 WFB 1106-1 Springer Verlag /7/ Kautsch, R. Messelektronik nichtelektrischer Größen Band 1: Grundlagen Standort: 41 XY.L 1004-1 Band 2: MessAhler und Messverfahren Standort: 41 XY.L 1004-2 Band 3: Messgrößen und Messeinrichtungen Standort: 41 XXL 1004-3 Hans Holzmann Verlag /8/ Wolff, I. Grundlagen der Elektrotechnik, 2. Auflage 1980 H. Wolff Verlag Standort: 45 XVP 2230 5 /9/ Kuchling, H. Physik, Formel und Gesetze, 17. Auflage 1982 Buch- und Zeit-Verlagsgesellschaft mbH Standort: 07 UAP 2627 /10/ Tränkler, Hans-Rolf Taschenbuch der Messtechnik mit Schwerpunkt Sensortechnik Oldenbourg, 1992 ISBN 3-486-22230-0 Preis: 49.80DM /l1/ Kronmüller, Heinz Methoden der Messtechnik Schnäcker-Verlag, 1988 ISBN 3-922200-50-8 Preis: 48.OODM /12/ Krist, Thomas Mess-, Steuerungs-, Regelungstechnik: Formeln, Daten, Begriffe,- Ar Beruftsausbildung, Studium, Praxis Hoppenstedt-Technik-Tab.-Verlag, 1991 ISBN 3-87807-151-5 Preis: 28.OODM Standort: 45 WFM 1672 /13/ Felderhoff, Rainer Elektrische und elektronische Messtechnik: analoge und digitale Messsysteme - Messgeräte Messverfahren Hanser Verlag 1993 ISBN 3-446-17454-0 /14/ Prock, Johannes Einführung in die Prozeßmeßtechnik B.G. Teubner Verlag, Stuttgart, 1997 ISBN3-519-06198-8 /15/ Hoffmann, J. Messen nichtelektrischer Größen Springer Verlag, Heidelberg, 1996 Standort: 43 XXL 1517 /16/ Lerch, R. Elektrische Messtechnik: Analoge, digitale und computergestützte Verfahren Springer Verlag, Heidelberg, 1996 Standort: 42/43 XXA 1732 /17/ Lerch, R., Kaltenbacher, M., Lindinger, F. Übungen zu Elektrischen Messtechnik: Springer Verlag, Heidelberg, 1996 Standort: 42/43 XXA 6 174 1 Einführung 1.1 Aufgabe der Messtechnik Aufgabe der Messtechnik ist das Messen. Messen heißt, eine physikalische Größe (z. B. Druck) nach Zahl und Einheit zu erfassen und darzustellen: Messgröße =ˆ Zahl ⋅ Einheit X = x⋅N (1.1) Die Zahl x gibt an, wie oft die Vergleichsgröße (Einheit) N abgetragen oder aufgewendet werden muss, um den betreffenden Wert X der zu messenden Größe zu erreichen. Beim Messen wird also immer der Wert einer Größe mit dem einer Vergleichsgröße (Einheit) verglichen. Bei einer Längenmessung mit einem Maßstab wird abgezählt, wie oft sich die Teilung des Maßstabes auf der zu messenden Länge abtragen lässt. Bei der Volumenmessung einer Flüssigkeit wird der Behälter, in dem sich die Flüssigkeit befindet, mit einem Hohlmaß ausgeschöpft und die Zahl der vollen Hohlmaße bestimmt. Nach dem Bisherigen sind zwei Voraussetzungen für eine Messung nötig: 1. Die Messgröße muss eindeutig definiert sein. 2. Die Vergleichsgröße (Einheit) oder das Normal müssen durch eine Konvention festgelegt werden. Bei Größen wie Länge oder Zeit scheint die erste Forderung selbstverständlich, spricht man aber von einer Raumtemperatur, wird man einen oder mehrere Orte im betreffenden Raum festlegen müssen, deren Temperatur als repräsentativ für den Raum gilt. Auch wird ein Wirkungsgrad eines Motors definiert werden müssen. Ähnliches gilt für die Normale. Eine „Elle“ als Länge des Unterarmes eines Menschen ist kein gutes Längennormal, wenn sich verschieden große Menschen dieses Normals bedienen. Die „Conférence Générale des Poids et Mesures“ (CGPM) legt in ständiger Arbeit Basisnormale fest, die sich nach dem Grundsatz der einfachen Realisierung und Anwendung und nach dem jüngsten Stand der Technik richten. 7 Zur Zeit sind sieben voneinander unabhängige, sogenannte absolute oder Basisnormale von der CGPM festgelegt worden. Die sieben zu den Basisnormalen gehörenden Basiseinheiten sind in Tabelle 1.1 dargestellt: Tabelle 1.1: SI-Basiseinheiten Basisgröße Name Zeichen Länge das Meter m Masse das Kilogramm kg Zeit die Sekunde s Elektr. Stromstärke das Ampère A Temperatur das Kelvin K Lichtstärke die Candela cd Stoffmenge das Mol mol Weitere Einheiten können aus den Basiseinheiten durch Produkt- oder Quotientenbildung abgeleitet werden. Ein kohärentes Maßsystem ist ein System, bei dem alle aus den Basiseinheiten abgeleiteten Einheiten mit dem Zahlenwert 1 versehen sind. Das System der CGPM mit den sieben Basiseinheiten und den daraus kohärent abgeleiteten Einheiten, trägt den Namen „Système International d'Unités“. In der Umgangssprache redet man von den SI-Einheiten. Für die Bildung der abgeleiteten Einheiten und der Kohärenz hier ein Beispiel: Die abgeleitete Einheit „Kraft“ erhält einen eigenen Namen, das Newton [N]. Es errechnet sich aus der Beziehung „Kraft ist gleich Masse mal Beschleunigung“ zu 1N = 1 kg ⋅ m s2 Die Zahl sieben der gewählten SI-Basiseinheiten ist weitgehend willkürlich. Andere Maßsysteme leiten alle notwendigen Einheiten aus einer geringeren Zahl von Basiseinheiten ab (z. B. im cgsSystem mit der Länge [centimetre], der Masse [gramme] und der Zeit [second]). 8 1.2 Entwicklung der Messtechnik Die Entwicklung der Messtechnik innerhalb der letzten 100 bis 150 Jahre ist gekennzeichnet durch: 1. Steigerung der Messgenauigkeit Höchste Messgenauigkeit bei der Längenmesstechnik wird z. B. durch den Einsatz von Laser-Interferometern als Längenvergleichsnormal erreicht. Die inkrementale Längenmessung wird mit der Wellenlänge des He-Ne-Lasers (λ = 632,8 nm) als Normalinkrement durchgeführt. 2. Übergang von der vergleichenden mechanischen Messung zur elektrischen Messung nichtelektrischer Größen Eine wesentliche Reduzierung der Messunsicherheit wird durch den Einsatz elektrischer und optischer Sensoren erreicht. 3. Verlagerung von der Einzelmessung zur Funktionsmessung Es wird nicht das produzierte Werkstück vermessen, sondern es wird die Maschine auf Übereinstimmung mit einer vorgegebenen Funktion überprüft; Fehleranalyse; Korrekturverfahren (Beispiel: Vorschubmessung an einer Drehbank); Verlagerung des Messvorganges in den Bearbeitungsablauf (prozessbegleitende oder online Messtechnik). 4. Einsatz von Messwertverarbeitern Möglichkeiten von Messwertverarbeitern: • Datenumrechnung (Eichung) • Datendarstellung (Kurven) • Datenanalyse (Fehler) • Kontrolle der Messtechnik (Verstärkung) • Steuerung des Messvorganges • Datenspeicherung • Datenrückführung (Regelungstechnik) • Kommunikation mit Dateien und Datenbanksystemen 5. Sensorik Sensoren sind kleine Messfühler, deren Fertigung mit Methoden der Mikroelektronik erfolgt. Durch Miniaturisierung und Massenproduktion, die zu sehr niedrigen Herstellungskosten führt, werden zusätzliche Einsatzbereiche geschaffen. 9 1.3 Einteilung der Messtechnik Prinzipiell kann man mehrere Kriterien für eine Untergliederung heranziehen; z. B. 1. nach den Messgrößen 2. nach der Art der Messtechnik 3. nach den Ausgangssignalen der Geber Man kann unterteilen nach der Art der Messgrößen in: Messtechnik für nichtelektrische (z. B. Druck) und elektrische Größen, wobei nach der Art der Messtechnik die Messtechnik nichtelektrischer Größen noch unterteilt werden kann in: • Mechanische Messtechnik und • Elektrische Messtechnik nichtelektrischer Größen Der Messvorgang lässt sich in einem idealisierten Blockschaltbild darstellen: Messgröße (Eingangsgröße x) Prozess anzeigende Größe (Ausgangsgröße y) Messeinrichtung Normal Abbildung 1.1: Idealisierter Messvorgang im Blockschaltbild Die Messgröße x, das Signal, wird aus dem Prozess der Messeinrichtung zugeführt, d.h. der Messwert wird erfasst. In der Anzeige y wird der Messwert dargestellt. Die Messeinrichtung enthält und speichert die Information über das Normal. Man kann auch sagen, in der Messeinrichtung ist das Normal verkörpert. Messeinrichtungen haben die Struktur einer gerichteten Wirkungskette. Zeichnet man das Strukturbild einer Messeinrichtung im Detail, erkennt man, wie die Messgröße von Baugruppe zu Baugruppe in eine andere Messgröße umgeformt wird bis endlich die Ausgangsgröße vorliegt. Im idealisierten Bild wirken auf die Messeinrichtung nur die Messgröße und das Normal. Störeinflüsse jeder Art sind hier nicht in Betracht gezogen. 1.4 Definitionen von häufig in der Messtechnik benutzten Begriffen Die Messgröße ist die physikalische Größe, deren Wert durch die Messung erfasst werden soll. Der Anzeigebereich einer Messeinrichtung ist der Bereich der Messwerte, der am Anzeigeinstrument abgelesen werden kann. 10 Der Messbereich ist der Teil des Anzeigebereiches, für den der Fehler innerhalb der vereinbarten Fehlergrenzen liegt. Die Messgrenze kennzeichnet den Wert, bis zu dem die Messeinrichtung ohne bleibende Schäden bei tolerierbaren Fehlern eingesetzt werden kann. Die Überlastungsgrenze kennzeichnet den Wert, bei dessen Überschreitung die Messeinrichtung bleibende Veränderungen bis zur Zerstörung erfährt. Der Messwert ist der aus der Anzeige ermittelte Wert der Messgröße. Er wird als Produkt aus Zahlenwert und Einheit der Messgröße angegeben. Er kann gleich der Ausgabe sein. Das Messergebnis wird im allgemeinen aus mehreren Messungen nach einer bestimmten Auswertevorschrift gewonnen. Im einfachsten Fall ist ein einzelner Messwert bereits das Messergebnis. Die Messeinrichtung ist die Gesamtheit der zum Zweck der Messung benutzten Elemente. Dazu gehören Fühler, Rechengeräte, Verstärker und die Ausgabegeräte zur Darstellung der Messgröße. Das Messsystem umfasst neben der Messeinrichtung auch diejenigen Teile des Prozesses, welche durch den Messvorgang beeinflusst werden. Das Messgerät ist eine Baueinheit, welche Teil oder Ganzes der Messeinrichtung sein kann. Die Messkette ist eine häufig gewählte Struktur für eine Messeinrichtung. Die Messgeräte werden hierbei hintereinander geschaltet. Das Messprinzip ist der zur Messung benutzte physikalische Effekt. Das Messverfahren gibt die Funktionsweise der Messeinrichtung an. Man unterscheidet analoge und digitale, und auch direkte und indirekte Messverfahren. 1.5 Zerlegung der Messeinrichtung in ihre Komponenten Messfühler Der Messfühler (Geber, Sensor, Aufnehmer) dient zur Erfassung und Umwandlung der elektrischen oder nichtelektrischen Messgröße in ein Signal. Dieses Signal kann in unterschiedlichen Größen vorliegen: 11 • Thermoelement als Messfühler; die gemessene Temperaturdifferenz wird als elektrische Spannung abgebildet • Dehnungsmessstreifen (DMS); z. B. Ausdehnung von Werkstücken wird in eine elektrische Widerstandsänderung umgewandelt • Piezokristall; eine mechanische Kraft bewirkt Ladungsverschiebung. Dadurch entsteht elektrische Ladung. • Induktive Messfühler; die Verschiebung des Eisenkerns in einer Spule bewirkt eine Induktivitätsänderung • Kapazitive Messfühler; eine Verschiebung des Dielektrikums oder eine Abstandsänderung der Kondensatorplatten bewirkt eine Kapazitätsänderung • Ionisationskammer; bei der Gasionisation, hervorgerufen durch α-, β- oder γ- Strahlung, wird als Folge des Ionenflusses ein elektrischer Strom geliefert Da der Messfühler dem physikalischen Raum die Messgröße entnimmt und sie in ein Signal abbildet, bezeichnet man Messfühler auch als Übertragungsglieder. Messumformer Die von Messfühlern gelieferten Signale sind meist sehr schwach und von verschiedener Art. Deshalb werden den Gebern Messumformer nachgeschaltet, welche die Aufgabe haben, das Signal zu verstärken und zu normieren. Dabei werden folgende Forderungen an den Messverstärker gestellt: • Der Verstärker soll ein genügend großes Frequenzband mit gleichem Verstärkungsfaktor übertragen V 100% 3dB 70,7% 0 • 102 106 104 Bandbreite bei 3 dB 108 f / [Hz] Der Verstärker muss auch über längere Zeiträume gleichbleibende Eigenschaften aufweisen. Diese Forderung ist die Voraussetzung für die Reproduzierbarkeit von Messergebnissen, 12 (konstant trotz schwankender Umgebungstemperatur oder Netzspannung und eine möglichst geringe Drift) • Das Ausgangssignal eines Messumformers soll die Eigenschaft einer eingeprägten Größe haben, d.h. die Ausgangsgröße soll in gewissen Grenzen unabhängig von der Anzahl und der Art der angeschlossenen Geräte sein. Anzeige Die Anzeige ist bei anzeigenden Messgeräten gegeben durch den an einer Skala abgelesenen Stand der Marke. Die Anzeige kann als Zahlenwert, in Einheiten der Messgröße, in Skalenteilen, in Längeneinheiten, bei digitalen Anzeigen in Ziffernschritten angegeben werden. Zur Beschreibung des Messvorgangs lassen sich die oben aufgeführten Komponenten in Blockschaltbildern darstellen. Beispiele: 1. Manometer (Mechanische Messtechnik nichtelektrischer Größen) Druck mech. Messgröße Manometer Weg Getriebe Winkel Zeiger MU normiertes Signal A F Fühler Messumformer Anzeiger 2. Dehnungsmessstreifen (Elektrische Messtechnik nichtelektrischer Größen) Dehnung mech. Messgröße Widerstandsänderung elektr. Signal F DMS Spannung normiertes Signal MU Wheatstonesche Brücke A Spannungsmesser 3. Spannungsmesser (Messtechnik elektrischer Größen) Spannung elektr. Meßgröße Drehspule F MU Winkel Zeiger normiertes Signal A Diese Komponenten sind häufig in einem Gerät zusammengefasst. 13 1.6 Messverfahren Das Messverfahren gibt die Funktionsweise der Messeinrichtung an. Die Anwendung eines Messprinzips führt auf Messverfahren, die sich in die direkten und indirekten Messverfahren einteilen lassen. Beim direkten Messverfahren wird der gesuchte Messwert durch unmittelbaren Vergleich mit einem Bezugswert derselben Messgröße gewonnen. Beispiel: Bei einer Handelswaage wird die unbekannte Masse mit der bekannten Masse der Gewichtssteine verglichen. Unter die direkten Messverfahren werden auch solche eingeordnet, bei welchen man den Messwert unmittelbar aus der Anzeige ohne zusätzliche Berechnung erhält. Dahinter steht die Auffassung, dass hier vor der Messung ein Vergleich mit einem Normal durchgeführt wurde, der in der Skalenteilung festgehalten wird. Beispiel: Die Messung einer elektrischen Spannung mit Hilfe eines Drehspulmessgerätes, die unter den gleichen Bedingungen wie beim Justieren mit dem Spannungsnormal erfolgt. Beim indirekten Messverfahren wird die Messgröße über physikalische Zusammenhänge auf eine andere Größe zurückgeführt und aus dem Wert dieser Größe ermittelt. Beispiel: Druckmessung mit dem U-Rohr. Normal ist die Längenteilung der Höhendifferenz der Quecksilbermenisken in den Schenkeln. Die Beziehung zwischen dem Druck p und der Anzeige h ist durch die hydrostatische Grundgleichung gegeben: p = g ⋅ ρ ⋅h (1.2) (g Erdbeschleunigung, ρ Dichte des Quecksilbers, h Höhe der Quecksilbersäule). Hier wird nicht mit einem Normaldruck justiert. Die Grundgleichung liefert die Beziehung zwischen der Messgröße „Druck“ und der Anzeigegröße „Quecksilbersäulenlänge“. Zu den indirekten Messverfahren gehören auch die Fundamentalverfahren zum Erfassen der abgeleiteten Einheiten aus den Basiseinheiten. Beispiel: Die abgeleitete Einheit „Druck“ kann mit Hilfe eines Kolbenmanometers aus der Masseneinheit gewonnen werden. Dabei drückt ein beweglicher Kolben der Fläche A auf eine Hydrau14 likflüssigkeit. Der Kolben ist mit der Masse m belastet, die Kraft auf den Kolben im Schwerefeld der Erde ist m ⋅ g (g Erdbeschleunigung). Im statischen Zustand ist die Druckkraft gleich der Schwerkraft, es gilt für den Druck p: p⋅ A = m⋅g (1.3) Nach der Ausgabeeinrichtung lassen sich analoge und digitale Verfahren unterscheiden: Ein Messverfahren heißt analog, wenn - zumindest im Prinzip - jedem möglichen Wert der Messgröße im Messbereich ein bestimmter Wert der Ausgangsgröße entspricht. Ein Messverfahren heißt digital, wenn das Ausgangssignal in Ziffern angezeigt oder verarbeitet wird. Beide Verfahren sollen unter verschiedenen Gesichtspunkten verglichen werden. Bei analogen Verfahren wird die Messgröße, d.h. Maßzahl mal Einheit, in eine andere physikalische Größe umgeformt. Beispiel: Im Drehspulmesswerk wird die Größe „elektrischer Strom“ in die Größe „Winkelausschlag des Zeigers“ umgesetzt. Im digitalen Verfahren wird die Maßzahl allein verarbeitet und in Form von Ziffern zur Anzeige gebracht. 15 Abbildung 1.2: Die Funktion Messgröße/Ausgangsgröße beim digitalen Verfahren Beispiel: An der Tanksäule wird einfach gezählt, wie oft ein Probevolumen in den Tank abgefüllt wurde und diese Zahl im Zähler angezeigt. Digitale Verfahren quantisieren das Ausgangssignal. Die Größe der Quanten ist durch die letzte Ziffer der Anzeige gegeben. Beim digitalen Verfahren ist durch die Ziffernanzeige die Güte der Ablesung definiert, sie erfolgt praktisch fehlerfrei. Für eine analoge Anzeige gilt dies nicht. Dort muss der Ablesende eine Analog-Digital-Umsetzung vornehmen, seine Fähigkeit zu interpolieren wird beansprucht. Abbildung 1.3: Beispiele für analoge und digitale Anzeigen Die analoge Anzeige ist aber übersichtlicher. Der Wert der Messgröße lässt sich grob mit einem flüchtigen Blick erfassen. Ebenso klar gibt ein analoger Schreiber den Trend einer Messgröße wieder. In Schaltwarten sind deshalb analoge Geräte weit verbreitet. Oft werden Messgrößen, die in digitaler Form vorliegen, auf besonderen Ausgabeeinrichtungen graphisch, d.h. in dem Fall analog, dargestellt. Die digitale Messwertverarbeitung arbeitet mit Zahlen. Mit dem nötigen Aufwand kann die Verarbeitung praktisch fehlerlos geschehen. Die Verarbeitung der Daten geschieht meist auf der Basis des Zählens, d.h. die Zahlen werden nacheinander oder sequentiell verarbeitet. Mit größerer Genauigkeit nimmt die Verarbeitungszeit zu. Die analogen Verfahren arbeiten kontinuierlich und simultan. Bei der Messwertübertragung sind die digitalen Verfahren vorteilhaft. Sie sind gegen Störeinflüsse viel unempfindlicher als die analogen Verfahren. Die Güte von analogen Signalen hängt sehr von den Drift- und Rauscheigenschaften der elektronischen Bauteile ab, weiter von Fremdfeldeinstreuungen. Das Auszählen einer Impulsfolge mit zwei Signalzuständen „Ein“ und „Aus“ dagegen ist selbst noch bei einem hohen Störpegel möglich. Digitale Geräte arbeiten fast alle mit elektrischer Hilfsenergie. Sie benutzen elektronische und auch feinwerktechnische Baugruppen. Die Digitaltechnik ist mit elektronischen Mitteln besonders einfach zu realisieren. Die Messtechnik hat aber die Aufgabe, sehr verschiedene physikalische Größen 16 zu erfassen und darzustellen. Für diese Grundaufgabe sind aber kaum Prinzipien bekannt, die eine konsequente digitale Lösung ermöglichen. Fast alle Vorgänge der Physik verlaufen im allgemeinen kontinuierlich, ihre Beschreibung geschieht mit Differentialgleichungen. Deshalb wird auch voraussichtlich in Zukunft die Erfassung einer nichtelektrischen Messgröße analog erfolgen und erst diese, in ein elektrisches Analogsignal umgeformte Größe, mit elektronischen Mitteln digitalisiert und digital weiterverarbeitet werden können. Kontinuierlich arbeitende Verfahren sind in der Lage, ohne Unterbrechung Messwerte zu liefern. Diskontinuierlich arbeitende Verfahren geben nur zu bestimmten, oft äquidistanten Zeitpunkten, einen neuen Messwert. Sie werden auch als „getastete Systeme“ bezeichnet. Diskontinuierliche Systeme enthalten mindestens eine Baugruppe, die nur zu diskreten Zeitpunkten arbeitet. Es leuchtet sofort ein, dass bei getasteten Systemen Information verloren geht. Ein Gaschromatograph etwa, der im Abstand von einigen Minuten eine Analyse ausgibt, kann keine Aussage über den Verlauf der interessierenden Stoffkonzentrationen für die Zeit zwischen zwei Analysenausgaben treffen. Oder: Ein Drehzahlmesser, der volle Umdrehungen erfasst, kann nicht Aufschluss über Änderungen der Drehgeschwindigkeit geben, die innerhalb einer Umdrehung vorkommen. Die Analog-Digital-Umsetzung wird bei den meisten Messgeräten in diskontinuierlich arbeitenden Systemen durchgeführt. Gleichgültig nach welchem Verfahren gearbeitet wird, bringt die Quantisierung der Zifferanzeige bei steigender oder fallender Eingangsgröße immer erst dann einen neuen Messwert, wenn sich diese mindestens um den Quantisierungsschritt geändert hat. Meist interessieren kurzzeitige Messwertänderungen kaum. In den Fällen lässt sich die Abtastzeit dem Messproblem so anpassen, dass der Informationsverlust unerheblich bleibt. Bei der Diskussion von Messverfahren wird oft vom Ausschlag- und Kompensationsverfahren gesprochen. Kennzeichnend für das Ausschlagverfahren ist im Blockschaltbild eine gerichtete Wirkungskette. Die Messgröße kann in mehreren Stufen in die Ausgangsgröße umgeformt werden. Jede Stufe enthält eine Normalmaßverkörperung, welche die Umsetzung der jeweiligen Eingangsgröße in die Ausgangsgröße definiert. Kompensationsverfahren stellen sich im Blockschaltbild als geschlossener Wirkungs- oder Regelkreis dar. Die Messgröße selbst oder eine abgeleitete Größe wird mit der Maßverkörperung direkt verglichen. Der Abgleich ist beendet, wenn die Differenz zwischen Messgröße und Maßverkörperung unwesentlich klein geworden ist. 17 Abbildung 1.4: Ausschlagverfahren am Beispiel des Drehspulinstrumentes Ein Beispiel für das Ausschlagverfahren ist das Drehspulinstrument (siehe Abbildung 1.4). Messgröße ist der Strom I. Das Signal „Strom I“ wird in der Spule, die sich im Magnetfeld B befindet, in das Signal „Drehmoment MI umgeformt. Dieses Drehmoment MI wirkt auf die Messfeder und erzeugt den Messausschlag α, der als Anzeige benutzt wird. Im stationären Zustand ist das Drehmoment des Stromes MI gleich dem Richtmoment der Feder D ⋅ α. Man kann sagen, das Richtmoment der Feder ist das Normal oder die Maßverkörperung. Ausschlagverfahren arbeiten oft ohne Hilfsenergie. Die Energie oder die Leistung, die für den Messvorgang benötigt wird, wird dem Prozess entnommen. Im Kompensationsverfahren (Abbildung 1.5) wird die Messgröße oder eine daraus abgeleitete Größe mit einem Normal verglichen und die Differenz zu Null gemacht. Dieser „Nullabgleich“ kann vom Menschen oder selbsttätig von der Einrichtung bewerkstelligt werden. Ein klassisches Beispiel ist die Waage, bei der so lange Gewichte, bzw. Normale aufgelegt werden, bis die Differenz Messgröße/Gewicht genügend klein ist. 18 Abbildung 1.5: Kompensationsverfahren am Beispiel der Waage Zweckmäßig werden unter Kompensationsverfahren Methoden verstanden, bei denen im geschlossenen Wirkungskreis Hilfsenergiequellen existieren, die den Vergleich Messgröße/Normal erledigen. Die Hilfsenergiequellen haben daneben oft noch die Wirkung, dass die zum Durchsteuern der Einrichtung notwendige Energie oder Leistung erheblich kleiner als bei vergleichbaren Ausschlagverfahren wird. Die Rückwirkung der Messeinrichtung auf den Prozess kann deshalb beim Kompensationsverfahren oft vernachlässigt werden. 1.7 Messgrößen Nichtelektrische Messgrößen Tabelle 1.2: Messprinzipien für nichtelektrische Messgrößen nichtelektrische Messgrößen 1. Weg (Länge, Dehnung, Füllhöhe) eingesetzte Messprinzipien nichtelektrische elektrische Messlatte Widerstand Schwimmer Verdrängungskörper Induktion Kapazität Druckmessung Wägung Ultraschall Absorption von Strahlung 2. Winkel Messwinkel Widerstand Induktion Magnetismus Hallsonde Feldplatte 19 3. Kraft Dehnungsmessung piezoelektrischer Effekt magnetoelastischer Effekt 4. Druck Flüssigkeitssäulen Kolbendruckmessung Widerstand Federdruckmessung Dehnungsmessung 5. Vakuum Temperaturmessung Widerstand Ionisation 7. Durchfluss Induktion Wirkdruck Schwebkörperprinzip Drehzahlmessung 8. Beschleunigung Dehnungsmessung 9.Drehmoment Dehnungsmessung 10. Temperatur Flüssigkeitssäulen Strahlung Widerstand Thermoelement 11. Konzentration Maßanalyse Wärmeleitung Infrarotabsorption Magnetismus Elektrische Messgrößen Die elektrischen Grundmessgrößen sind der Strom [A] und die Spannung [V]. Alle anderen elektrischen Größen wie z. B. der Widerstand oder die Leistung lassen sich aus der Messung der beiden Größen ableiten. Gleich- und Wechselgrößen Messgrößen können unterschieden werden nach Gleich- und Wechselgrößen. Die Gleichgrößen sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Augenblickswerte innerhalb des Beobachtungszeitraums zeitlich konstant sind. Beispiele: Gleichstrom, statische Kräfte. Wechselgrößen hingegen zeichnen sich durch zeitabhängige Beträge und sich ändernde Richtungen aus. Beispiele: Netzspannung 230 V, 50 Hz, Drehmoment an der Antriebswelle eines PKW's. Mischgrößen setzen sich aus der Überlagerung von Gleich- und Wechselgrößen zusammen. Zur eindeutigen Beschreibung von periodischen Wechselgrößen werden einige charakterisierende Angaben benötigt. 20 Der Augenblickswert ist ein momentaner Wert der Messgröße zum Zeitpunkt t. Der Augenblickswert einer zeitabhängigen Größe wird durch den für sie üblichen Formelbuchstaben (DIN 1304) dargestellt. Soll die Zeitabhängigkeit hervorgehoben werden, kann dies durch ein eingeklammertes t, z. B. U(t) oder durch die Verwendung von Kleinbuchstaben u geschehen. U(t) U~ Umax USS U= 0 t T Abbildung 1.6: Begriffsbestimmung bei Wechselgrößen am Beispiel eines sinusförmigen Verlaufs Der Scheitelwert ist der größte Betrag des Augenblickswertes und kann durch den Index max oder durch das Zeichen ^ über dem Formelbuchstaben gekennzeichnet werden. Der Spitze-Spitze-Wert ist der Unterschied zwischen größtem und kleinstem Augenblickswert. Er wird durch den Index ss (Spitze-Spitze) oder pp (peak-peak) gekennzeichnet. Mittelwerte periodisch zeitabhängiger Größen In der Messtechnik treten häufig Mittelwertbildungen auf. Die natürliche Trägheit der Messgeräte sorgt z. B. für eine Mittelwertbildung. Es können verschiedene Mittelwerte unterschieden werden. Der zeitlich lineare Mittelwert ist durch die folgende Gleichung definiert: u= 1 T ∫ T 0 U (t ) dt = 1 T ∫ T 0 u dt (1.4) U(t) ist der zeitliche Verlauf der Spannung und T deren Periodendauer. Zur Kennzeichnung des zeitlich linearen Mittelwertes verwendet man einen Querstrich über dem Formelzeichen (z. B. u ). Für periodisch zeitabhängige Wechselgrößen ist dieser Wert gleich Null, für Gleichgrößen ist er gleich dem Augenblickswert, für Mischgrößen ist er gleich dem Gleichanteil. 21 Der Gleichrichtwert ist der zeitlich lineare Mittelwert des Betrages der Wechselgröße u: u = 1 T ∫ T 0 u dt (1.5) Bei einer reinen sinusförmigen Wechselspannung u = U max ⋅ sin(ω t ) beträgt der Gleichrichtwert u : u = 2 ⋅ U max π (1.6) Der Effektivwert (quadratischer Mittelwert) einer periodisch zeitabhängigen Größe kann durch den Index eff oder durch Großbuchstaben allein, dargestellt werden. Er ist definiert als: ieff = I = 1 T 2 i dt T ∫0 (1.7) Der Effektivwert I einer periodisch abhängigen Größe I(t) ist gleich demjenigen Wert einer Gleichgröße I_ welche in der Zeit T die gleiche Wärmemenge entwickelt wie die periodische Größe. Die Wärmemenge, die in der Zeit T erzeugt wird, ist: periodischen Größe ∫ T 0 Gleichgröße I 2 (t ) R dt = I 2 (t ) R T I2 = 1 T ∫ T 0 I 2 (t ) dt (1.8) . (1.9) Der Effektivwert ist der praktisch wichtigste Mittelwert für alle elektrischen Wechselgrößen. Wenn kurzerhand angegeben wird, die Netzspannung betrage 230 V, so meint man damit den Effektivwert der Wechselspannung. Der Effektivwert einer sinusförmigen Wechselspannung u = U max ⋅ sin(ω t ) ist: U= 1 2 U max (1.10) 22 Weitere Literatur zur Einführung 1. DIN 1313 Apr. 1978 2. DIN 1301 Dez. 1993 3. DIN 1319 Jan. 1995 4. DIN 1319 Jan. 1985 5. DIN 1319 Feb. 1995 6. DIN 1319 Dez.. 1995 7. DIN 5483 Jun. 1983 8. DIN 5483 Sep. 1982 9. DIN 5483 Sep. 1994 10. DIN 40110 Mrz. 1985 Größensysteme und Einheitensysteme Einheiten. Grundbegriffe der Messtechnik, Blatt 1 Grundbegriffe der Messtechnik, Blatt 2 Grundbegriffe der Messtechnik, Blatt 3 Grundbegriffe der Messtechnik, Blatt 4 Formelzeichen für zeitabhängige Größen, Blatt 1 Formelzeichen für zeitabhängige Größen, Blatt 2 Formelzeichen für zeitabhängige Größen, Blatt 3 Wechselstromgrößen 23 2 Beschreibung des Verhaltens von Messeinrichtungen und deren Komponenten 2.1 Messnormale Messgröße x Messeinrichtung Ausgangsgröße y Normal Bei abgleichenden Messverfahren benötigt man zum Messen der unbekannten Größe eine genau bekannte Vergleichsgröße, das sogenannte Messnormal. Es ist außerdem zur Eichung bzw. Kalibrierung und zur Kontrolle der anzeigenden Messgeräte erforderlich. In der elektrischen Messtechnik gibt es sehr genaue Normale für Spannung, Widerstand, Kapazität, Induktivität und Frequenz. Spannungsnormale Klassisches Spannungsnormal Weston-Normalelement; Galvanisches Element mit zeitlich sehr konstanter Leerlaufspannung aber geringer Belastbarkeit: • Leerlaufspannung U0: 1,01865 V bei 20°C • Temperaturkoeffizient αT: 4⋅10-5 / K • maximal entnehmbarer Strom: 10 µA • Arbeitstemperaturbereich: + 10 °C ÷ + 40 °C U = U 0 (1 + α T (T − T0 )) Eine Normale für größeren Temperaturbereich ist die Zenerdiode im Sperrbetrieb → Zenerdiodennormal IL Ig UN Abbildung 2.1: Zenerdiodennormal (Konstante Spannung an der Zenerdiode) 24 Zenerdiode Bei Zenerdioden ist die Durchbruchspannung genau spezifiziert. Sie werden daher zur Stabilisierung von Gleichspannungen eingesetzt. Die Z-Diode ist in Sperrrichtung parallel zum Widerstand geschaltet. Wenn der Spannungsabfall am Widerstand die Durchbruchspannung der Z-Diode erreicht, wird die Z-Diode stromführend. Von diesem Arbeitspunkt an bleibt der Strom über den Widerstand konstant. Strom- oder Spannungszunahmen führen zu höheren Strömen durch die ZDiode. Widerstandsnormale Auch die Widerstandsnormale können wie folgt unterschieden werden: • hochgenaue Normalwiderstände (Normen-Institute) • Gebrauchsnormale Die hochgenauen Normalwiderstände besitzen eine Toleranz von ± 10-6. Gebrauchsnormale genügen geringeren Genauigkeitsanforderungen und werden in folgenden Ausführungen hergestellt: Gebrauchsnormale oder Messwiderstände 10-5 Ω ÷ 106 Ω Drahtwiderstände 10 Ω ÷ 10 Ω Schichtwiderstände 10 Ω ÷ 10 Ω Kohlemassewiderstände 9 7 13 } höhere Toleranzen Die Schichtwiderstände und die Kohlemassewiderstände werden allerdings nur mit wesentlich höheren Toleranzen gebaut, als sie bei Drahtwiderständen möglich sind. Drahtwiderstände sind in den meisten Fällen aus Manganin oder Konstantan gefertigt, deren charakteristische Daten in der Tabelle 2.1 aufgeführt sind. Tabelle 2.1: Drahtwiderstände aus Manganin und Konstantan Manganin Konstantan 86% Cu, 12% Mn, 2% Ni 54% Cu, 45% Ni, 1% Mn 0,43 Ωmm2/m 0,50 Ωmm2/m Thermospannung gegen Kupfer + 1⋅10-6 V/K - 40⋅10-6 V/K Temperaturbeiwert des Widerstandes bei 20°C + 0,01⋅10-3 1/K - 0,03⋅10-3 1/K 300°C 400°C Zusammensetzung Spez. Widerstand bei 20°C Höchste Betriebstemperatur 25 Wie bei allen Widerständen ist der Widerstandswert von der Temperatur abhängig. Der funktionale Zusammenhang zwischen Temperaturänderung und Widerstandsänderung kann für kleine Temperaturschwankungen durch die folgende lineare Näherung beschrieben werden: R = R0 ⋅ [1 + α T ⋅ (T − T0 )] (2.1) R0 : Widerstand bei der Temperatur T0 R : Widerstand bei der Temperatur T αT : Temperaturkoeffizient oder Temperaturbeiwert des verwendeten Materials Der Temperaturbeiwert ist in der Regel ebenfalls eine Funktion der Temperatur. Diese Abhängigkeit kann durch thermische Behandlungen, z. B. Tempern beeinflusst werden. Dies wird vor allem bei neuen Widerständen durchgeführt, um die alterungsbedingte Drift zu beschleunigen und um mechanische Spannungen zu beseitigen. Zwei Nachteile der oben erwähnten Legierungen sind noch zu erwähnen: • die Korrosionsempfindlichkeit von Manganin • die hohe Thermospannung von Konstantan gegen Kupfer Forderungen an die Konstruktion von gewickelten Widerstandsnormalen: 1. Die Wicklung muss ohne Zugspannung aufgebracht werden, damit Gefügeveränderungen vermieden werden. 2. Gleiche Wärmeausdehnung von Wicklungskörper und Wicklung. Es dürfen bei Temperaturveränderungen keine Kräfte auf den Wicklungsdraht ausgeübt werden, da sonst ein Effekt wie beim Dehnungsmessstreifen DMS auftritt 3. Die verwendeten Materialien müssen ein Tempern zulassen. 4. Die Wicklungen sind durch Einbettungen von der Umgebung zu isolieren. Diese Maßnahme dient in erster Linie dem Korrosionsschutz. 5. Für die Wechselstrommesstechnik sind gewickelte Widerstände möglichst induktions- und kapazitätsarm zu bauen. Bei einlagiger unifilarer Wicklung, d.h. in eine Richtung gewickelte Widerstände, sind die Wicklungskapazitäten zwar minimal, jedoch ist die Induktivität relativ hoch. Aus diesem Grund sind zylindrische Wicklungskörper durch flache Formen zu ersetzen, um möglichst kleine Spulenquerschnitte zu erhalten. 26 In der Praxis wird jedoch die bifilare Wicklungsmethode vorgezogen. Die gegenläufige Wicklungsart reduziert zwar die Induktivität des Widerstandes, erhöht aber zwangsläufig die Wicklungskapazität. Die Kapazitätserhöhung bleibt bei niederohmigen Widerständen mit relativ wenigen Windungen in tolerierbaren Grenzen, so dass Widerstände bis ca. 100 Ω bifilar gewickelt werden. Präzisionswiderstände über 100 Ω werden in der Chaperon-Wicklungsart hergestellt. Bei dieser Wicklung wird die Gesamtwicklung in Gruppen zu je zwei gegenläufigen Lagen aufgeteilt. Im einfachsten Fall lässt sich ein realer Widerstand durch die in Abbildung 2.2 gezeigte Ersatzschaltung beschreiben. R L C Abbildung 2.2: Ersatzschaltbild eines gefertigten Widerstandes Die Komponenten sind als die idealen Bauelemente Gleichstromwiderstand R, Induktivität L und Kapazität C zu verstehen. Der komplexe Widerstand (Impedanz Z) errechnet sich für diese Ersatzschaltung zu: Z= R + jω L 1 − ω 2 L C + jω C R (2.2) Den Phasenwinkel ϕ, um den der Strom gegenüber der Spannung durch das Bauelement verschoben wird, erhält man aus der Darstellung der Impedanz nach Betrag und Phase zu: ω L(1 − ω 2 LC ) − ω CR 2 R ϕ = arctan (2.3) Sollen die Widerstände bei einer Frequenz oberhalb 20 kHz eingesetzt werden, sind nur Schichtwiderstände geeignet. Diese Widerstände werden aus Kohle oder Metallen hergestellt. Die Bauart weist deutlich geringere Kapazitäten auf als gewickelte Widerstände. Charakteristische Daten für diese Schichtwiderstände und Kohlemassewiderstände sind in Tabelle 2.2 angegeben. 27 Tabelle 2.2: Schicht- und Kohlemassewiderstände Type Kohleschicht Metallschicht Kohlemasse Ausgeführte Widerstandswerte in [Ω] 10 ÷106 30÷2⋅106 108÷1012 ± 0,3 ± 0,1 ± 0,2 - 3⋅10-4 + 2,5⋅10-5 - 10-3 Kleinste Toleranz in [%] Temperaturkoeffizient in [1/K] Normalwiderstände unter 10 Ω besitzen neben den Klemmen für die Stromzuführung (S - S') zwei weitere Klemmen, die Spannungs- und Potentialklemmen (U - U') genannt werden. Sie werden benötigt, um Fehler durch Übergangswiderstände bei der Stromzuführung zu vermeiden. Die Übergangswiderstände rü (Abbildung 2.3) liegen in der Größenordnung von 10-2 Ω bis 10-3Ω und verfälschen somit den Sollwert des Widerstandes. S I rü RN rü S' I.RN U U' Abbildung 2.3: Ersatzschaltbild eines Normalwiderstandes mit Übergangswiderständen Durch die Potentialklemmen, die möglichst nahe an den Widerstandsenden angebracht sind, wird dieser Fehler vermieden, da wie im Abbildung 2.3 gezeigt, die Spannung zwischen den Klemmen U und U' genau der Spannung entspricht, die der Strom I am Normalwiderstand RN erzeugt. Der Einfluss der Übergangswiderstände, die beim Anschluss von Spannungsmessgeräten auch an den Potentialklemmen auftreten, muss bei der Spannungsmessung gering bleiben. Daher sollte die Spannungsmessung mit kleiner Stromentnahme erfolgen, das heißt, es sind möglichst Spannungsmessgeräte mit hohem Eingangswiderstand zu benutzen. Normalkapazitäten Normalkondensatoren sollen nach Möglichkeit reine Kapazitäten sein. Ableitverluste, hervorgerufen durch den endlichen ohmschen Widerstand des Dielektrikums und dielektrische Verluste, die sich bei hohen Frequenzen bemerkbar machen, müssen deshalb sehr klein sein. Im Ersatzschaltbild des Kondensators (Abbildung 2.4) werden diese Verluste durch einen Parallelwiderstand Rp dargestellt. Zur Charakterisierung der Verluste im Kondensator ist die Angabe des Verlustfaktors δ = 1/ω CRp gebräuchlich. 28 Rp C Abbildung 2.4: Ersatzschaltbild eines Kondensators In Tabelle 2.3 sind einige Daten für verschiedene Dielektrika zusammengestellt. Tabelle 2.3: Daten einiger Kondensatorausführungen Luft Pressglas Glimmer Styroflex Ausgeführte Kapazitätswerte in [pF] 1 ÷ 105 102 ÷ 104 103 ÷ 106 50 ÷106 Kleinste Toleranz in [%] ± 10-2 ± 3 ÷10-2 ± 10-1 ± 10-1 tanδ für 50 Hz > 10-5 > 0,5⋅10-3 > 0,5⋅10-3 > 0,5⋅10-3 Max. Betriebsspannung in [kV] ca. 2 900 0,35 0,35 Normalinduktivitäten Induktivitäten lassen sich, im Vergleich zu Kapazitäten, viel schwieriger in annähernd idealer Weise herstellen. Aus diesem Grund ist der Einsatz von Normalinduktivitäten nach Möglichkeit zu vermeiden (Umwandlung der Schaltung - Duale Netzwerke). Für Zwecke der Messtechnik werden Normale zwischen 100 µH und 10 H mit einer Genauigkeit von ± 0,02% gefertigt. Frequenznormale Als Frequenznormale werden Quarzoszillatoren infolge ihrer hohen Qualität (104 ÷ 106) und wegen des geringen Temperaturkoeffizienten vom Quarzresonator eingesetzt. In der Nähe der Resonanzfrequenz kann ein Schwingquarz durch die in Abbildung 2.5 dargestellte Ersatzschaltung beschrieben werden. Li Ri Ci C0 Abbildung 2.5: Ersatzschaltung für einen Schwingquarz Ein Schwingquarz verhält sich wie ein elektrischer Schwingkreis mit sehr hoher Güte. Wird der Schwingquarz durch äußere elektrische Spannungen zu mechanischen Schwingungen angeregt und 29 erreicht dabei die Schwingungsfrequenz die Eigenfrequenz des Quarzes, so gerät der Schwingquarz in Resonanz. Diese Resonanzfrequenz ist sehr genau definiert (über Ci, Ri, Li) und äußerst konstant (Temperaturkoeffizient sehr klein). • Reihenschwingkreis (bestehend aus Widerstand, Kondensator und Spule): Güte: QR = • 1 ω Zk ω 0 L = = = 0 R R ω 0 CR ∆ω Parallelschwingkreis (bestehend aus Widerstand, Kondensator und Spule): Güte: QP = R ω Yk = = ω 0 CR = 0 ∆ω G ω0L Je höher die Güte eines Schwingkreises ist, desto besser ist die Filterwirkung des Schwingkreises im Bereich der Resonanzkreisfrequenz. Ein Schwingquarz mit einer hohen Güte schwingt mit einer sehr geringen Frequenzabweichung mit der Resonanzkreisfrequenz ω 0. Dieses Verhalten wird durch die folgende Abbildung 2.6 verdeutlicht, in der die Bandbreite ∆ω bezüglich der Resonanzkreisfrequenz ω 0 dargestellt ist. |Y(ω0)| |Y(ω0)| √2 |Y| ∆ω ω1 ω0 ω2 ω GUETE.DS4, 1/1, DiSe Abbildung 2.6: Darstellung der Güte eines Schwingkreises Die dynamischen Ersatzgrößen Li, Ri, Ci werden nur durch den mechanisch schwingenden Resonator bestimmt, sie stellen die Gegengrößen zum mechanischen Feder-Masse-System dar. Die stati30 sche Kapazität C0 wird durch die Quarz-, die Halterungs- und die äußeren Schaltkapazitäten gebildet. Frequenznormale werden häufig in der Messtechnik verwendet, um konkrete Abtastzeiten bei nicht kontinuierlichen Messungen zu erhalten. Messnormale für nicht elektrische Größen Nicht für alle nichtelektrischen Größen gibt es Normale. Im allgemeinen ist die Messung einer Größe wie Druck, Kraft oder Massenstrom auf die Messung einer nichtelektrischen Basisgröße zurückzuführen. Bedingt durch die Fehler, die schon in den verschiedenen Messgeräten vorhanden sind, wird aber von vornherein die Genauigkeit elektrischer Normale nicht erreicht. Es muss unbedingt beachtet werden, dass einige nichtelektrische Größen nicht auf Basisgrößen zurückgeführt werden können. Die Problematik wird am Beispiel der Kalibrierung eines Massenstrommessgerätes für Gase verdeutlicht. Beispiel: Kalibrierung eines Massenstrommessgerätes für Gase Der Massenstrom eines Gases kann über die Dichte und den Volumenstrom dargestellt werden als m& = ρ ⋅ V& ρ: (2.4) Dichte des Mediums Zur Kalibrierung ist es notwendig, ρ und V& auf Basisgrößen zurückzuführen. Für ein ideales Gas gilt: pV = mRT (2.5) ρ= m V (2.6) ρ= p RT (2.7) Mit ergibt sich Hierbei ist R ein Gaskonstante und T die absolute Temperatur, die mit einem idealen Gasthermometer als Primärstandard gemessen werden kann. 31 Der Druck p setzt sich zusammen aus p= F A (2.8) Er kann beispielsweise mit einer Kraft, die auf einen Kolben wirkt, auf Basisgrößen zurückgeführt werden. Durch diese Vorgehensweise wäre es gelungen, die Dichte ρ unserer Ausgangsgleichung auf Basisgrößen zurückzuführen. Die Bestimmung des Volumenstroms erfolgt mit einem Durchflussmesser (Rotameter). Der Querschnitt eines Durchflussmessers sieht wie folgt aus: Rohr Schwebekörper Nut Strömungsrichtung DURFLUME.DS4, 1/2, DiSe Abbildung 2.7: Querschnitt eines Durchflussmessers Er besteht aus einem senkrecht angeordneten Rohr mit drei Nuten, deren Querschnittsfläche mit größer werdender Höhe des Rohrs größer wird. Die nach innen ragenden Teile der Nuten sind dabei immer gleich lang und halten einen Schwebekörper in der Mitte des Zylinders. Bei der Durchströmung des Rohres wird der Schwebekörper hochgehoben, bis es zu einem mechanischen Gleichgewicht kommt. Die Kräftebilanz am Schwebekörper ist in Abbildung 2.8 dargestellt und kann mit folgenden Gleichungen aufgestellt werden: Auftriebskraft: FA = VSk ρ g g (2.9) Gewichtskraft: FG = VSk ρ Sk g (2.10) FW = ρ g w2 (2.11) ASk CSk 2 w ist hier die Geschwindigkeit des Gases, Csk stellt den sogenannten Widerstandsbeiwert (Cw-Wert) des Schwebekörpers dar, der nur experimentell ermittelt werden kann. Widerstandskraft: 32 FA FW FG Strömungsrichtung Abbildung 2.8: Kräftebilanz am Schwebekörper eines Durchflussmessers Im mechanischen Gleichgewicht ergibt sich als Kräftebilanz: FW = FG − FA ρw 2 2 ASk CSk = VSk g ( ρ Sk − ρ g ) (2.12) Für den Volumenstrom gilt: V& = w( AR − ASk ) (2.13) Mit w aus der oben genannten Kräftebilanz ergibt sich der Volumenstrom zu: V& = ρ Sk − ρ g 2VSk g 1 ( AR − ASk ) ρg ASk CSk (2.14) An dieser Endgleichung für den Volumenstrom wird die Problematik der verwendeten Volumenstrommessung deutlich. Die Gleichung enthält noch den Widerstandsbeiwert Csk, der nur experimentell bestimmt werden kann. Da Csk nicht auf Basisgrößen zurückgeführt werden kann, kann ein solches Gerät durch Kalibrierung nie zu einem Primärstandard werden. Dies geht grundsätzlich nur dann, wenn alle Größen auf Basisgrößen zurückgeführt werden können. Deshalb können das Volumenstrommessgerät und auch unser Ausgangsgerät, der Massenstrommesser, nur zu einem Sekundärstandard durch Kalibrierung mit einem Primärstandard werden. 33 2.2 Beschreibung des statischen Verhaltens von Messeinrichtungen und deren Komponenten Man unterscheidet bei Messgeräten zwischen statischen und dynamischen Übertragungseigenschaften. Je nach dem, ob sich die Eingangsgröße langsam oder schnell ändert, verhalten sich Messeinrichtungen bzw. deren Komponenten unterschiedlich. Hier wird zunächst davon ausgegangen, dass die Änderung der Eingangsgröße langsam erfolgt, so dass das Gerät folgen kann. Zu jedem Zeitpunkt ist das System im Gleichgewicht. Dann spielen nur die statischen Übertragungseigenschaften des Gerätes eine Rolle, welche durch die Kennlinie beschrieben werden. Die Abhängigkeit des Ausgangssignals y von der Eingangsgröße x bezeichnet man als Kennlinie. Lineares Verhalten: z. B. Widerstandsthermometer Temperatur =ˆ Messgröße x Widerstand =ˆ Ausgangssignal y y 4 3 1 2 x Abbildung 2.9: Kennlinie eines Widerstandsthermometers Zur Beschreibung der Kennlinie in Abbildung 2.9 gilt: Bei der Temperatur T = 0°C hat das Widerstandsthermometer bereits einen endlichen Widerstand 2 Messbereich: Es wird meistens nur ein Teilbereich der Kennlinie benutzt (z. B. Messgenauigkeit für kleine Widerstände zu gering) 3 Messgrenze: Der Einsatz des Messfühlers ist bis zur Messgrenze ohne große Fehler möglich 4 Überlastungsgrenze: Der Fühler wird bei Messgrößen oberhalb der Überlastungsgrenze zerstört 1 Nullpunkt: 34 Nichtlineares Verhalten: z. B. optischer Schichtdickenmesser y P P: Proportionalitätsbereich M: Meßbereich F : Funktionsbereich M F x Abbildung 2.10: Kennlinie eines optischen Schichtdickenmessers Der Messbereich liegt nach Möglichkeit im linearen Bereich der Kennlinie; wenn dies z. B. durch die physikalischen Gegebenheiten eines Sensors nicht erfüllbar ist, können analoge oder digitale Linearisierungsschaltungen die Kennlinie im Messbereich linearisieren. Lineares Verhalten: y y0 ∆y ∆x x Abbildung 2.11: Lineare Kennlinie 35 Beschreibung der Kennlinie: Ansatz einer allgemeinen Geradengleichung y = y 0 + mx (2.15) Häufig ist y0 = 0. Dann ist y = mx (2.16) Das Anstiegsmaß m (Steigung der Kennlinie) wird als Empfindlichkeit E bezeichnet. E= ∆y ∆x (2.17) Nichtlineares Verhalten: Ein Gerät mit nichtlinearem Verhalten hat eine gekrümmte Kennlinie. Die Empfindlichkeit E ändert sich mit der Eingangsgröße x. So gilt z. B. für die Empfindlichkeit im Punkt xp: E= dy dx (2.18) xp y xp x Abbildung 2.12: Nichtlineare Kennlinie mit der Empfindlichkeit im Punkt xp Für die Praxis ist die Empfindlichkeit folgendermaßen definiert: Die Empfindlichkeit ist das Verhältnis der am Messgerät beobachteten Anzeige- oder Ausgangsgrößenänderung ∆y, zu der sie verursachenden Veränderung der Messgröße ∆x: 36 E= ∆y ∆x . Die Empfindlichkeit kann über den Messbereich hinweg verschiedene Werte annehmen. Bei einer Strichskala ist die Empfindlichkeit E: E= ∆e ∆M (2.19) ∆e: Weg auf der Strichskala in Längeneinheiten ∆M: Änderung der Messgröße (z. B. ∆T) Bei einer digitalen Skala ist E= ∆Z ∆M (2.20) ∆Z: Änderung der Zahl Diese Definitionen sind für den Messgerätebenutzer von Interesse. Der Messgerätebauer interessiert sich für den Winkelwert W: W= ∆M ∆α (2.21) ∆α: Winkeländerung des Zeigers Linearisierung: Ersatz der Kennlinie durch ihre Tangente Bei kleinen Messbereichen (geringe Abweichungen vom Arbeitspunkt) und bei geringen Ansprüchen an die Genauigkeit kann die Kennlinie durch ihre Tangente angenähert werden. Es entsteht die Aufgabe, die Gleichung der Tangente im Arbeitspunkt zu finden. Dazu wird der analytische Ausdruck für die Kennlinie um den Arbeitspunkt in einer Taylorreihe entwickelt und diese nach dem linearen Glied abgebrochen. Beispiel: Kennlinie eines Heißleiters Auflösungsvermögen Ebenfalls aus der Kennlinie ableitbar ist das Auflösungsvermögen, das eine weitere charakteristische Kenngröße darstellt. Wird eine sich stetig ändernde Eingangsgröße auch durch eine sich stetig ändernde Ausgangsgröße wiedergegeben, ist das Auflösungsvermögen unendlich und nur durch 37 Störgrößen, wie z. B. Eigenrauschen, begrenzt. Häufig folgt das Ausgangssignal einem sich stetig ändernden Eingangssignal nur nach ganz definierten Eingangsgrößenänderungen. Beispiel: Abtasten eines Strichmaßstabes (z. B. Werkzeugmaschine, A/D-Wandlung) Der Taster, der sich kontinuierlich über den Maßstab bewegt, ruft nur dann eine Änderung der Ausgangsgröße hervor, wenn ein Teilstrich des Maßstabes überfahren wird. Das Auflösungsvermögen dieses (Weg-) Messsystems ist demnach durch den Abstand zweier Teilstriche auf dem Maßstab gekennzeichnet. 2.3 Beschreibung des dynamischen Verhaltens von Messeinrichtungen und deren Komponenten Im allgemeinen stellt man an ein Messgerät die Forderung, dass es verzögerungsfrei über die Messgröße informiert. Doch das Ausgangssignal kann nicht beliebig schnell dem Eingangssignal folgen, da in dem Messgerät • Reibungs-, Dämpfungswiderstände überwunden, • Massen beschleunigt oder abgebremst, • Ladungen zu- oder abgeführt, • Energiespeicher gefüllt oder geleert werden müssen. Für die Beurteilung der dynamischen Eigenschaften von Messgeräten ist das zeitliche Verhalten wesentlich. Soll das Ausgangssignal y(t) als eine Funktion des sich zeitlich ändernden Eingangssignals x(t) dargestellt werden, so gehen außer den Signalen auch ihre 1. und 2. Ableitungen nach der Zeit in die Rechnungen ein. Das heißt, um das dynamische Verhalten eines Messgerätes zu beschreiben, ist die Differentialgleichung (DGL) zwischen dem Eingangssignal und dem Ausgangssignal aufzustellen. Die Lösung der DGL entspricht einer Beschreibung des Systems durch ein Modell und wird „Übertragungsfunktion“ genannt. Zur Darstellung der dynamischen Übertragungseigenschaften wird in der Praxis, zur Anregung des Messgerätes, häufig die „Sprungfunktion“ als Testsignal verwendet. Die entsprechende Antwortfunktion des Gerätes heißt „Sprungantwort". Die Übertragungsfunktion definiert eindeutig das Übertragungsglied (Messeinrichtung), die Sprungantwort nicht. 2.3.1 Sprungantwort eines Messgerätes mit Verzögerung Messgeräte, die einen Energiespeicher haben, werden durch eine Differentialgleichung 1. Ordnung charakterisiert. Eine analytische Darstellung der Übertragungsfunktion durch Lösung der DGL, wird in der Fehlerbetrachtung zum dynamischen Verhalten vorgestellt. 38 Beispiele für verzögerungsbehaftete Komponenten in der Messtechnik sind Temperaturfühler (Mantel-Thermoelemente, NTC-Sensoren), elektromagnetische Übertragungsglieder (Hall-Generatoren) und auch Operationsverstärker. x(t) x1 0 t0 0 t0 t y(t) kx1 63% t0 + Ts Abbildung 2.13: Sprungantwort eines Messsystems k =ˆ Übertragungsfaktor t mit Verzögerung (VZ-1-Glied) Das dynamische Verhalten dieser Messgeräte, bzw. ihre Sprungantwort wird durch die Ersatzzeitkonstante Ts charakterisiert. Zur graphischen Ermittlung von Ts geht man nach Möglichkeit nicht von der Anfangstangente aus, da sie nur ungenau angelegt werden kann. Zur exakten Bestimmung von Ts betrachtet man die Stelle auf der Zeitachse, an der die Sprungantwort auf 63% ihres Endwertes angestiegen ist. 39 x(t) x1 0 t0 0 t0 t y(t) kx1 t Ts Abbildung 2.14: Sprungantwort eines schwingungsfähigen Systems (VZ-2-Glied) Messgeräte mit zwei gekoppelten Energiespeichern lassen sich durch eine Differentialgleichung 2. Ordnung beschreiben. Hierzu gehören z. B. Messfühler mit Feder-Masse-Systemen (Drehspulwerk, Beschleunigungsmesser). Kenngrößen für das dynamische Verhalten dieser Verzögerungsglieder 2. Ordnung sind der dimensionslose Dämpfungsfaktor D und die Zeitkonstante T. Nicht alle Messgeräte lassen sich durch VZ1- oder VZ-2-Glieder beschreiben. Einige folgen nur ungefähr dem mathematischen Modell, andere entsprechen Differentialgleichungen höherer Ordnung. 2.3.2 Sprungantwort eines Systems mit Totzeit Abschließend soll an dieser Stelle nur noch das Verhalten von Totzeitgliedern behandelt werden. 40 x(t) x1 0 t0 t y(t) kx1 0 t0 t0 + Tt t Abbildung 2.15: Sprungantwort eines Messgerätes mit der Totzeit Tt Beim Totzeitglied erscheint am Ausgang das Eingangssignal unverändert, jedoch um die Totzeit Tt verzögert. 41 3 Messfehler Im Folgenden werden die Eingangsgröße als x und die Ausgangsgröße als y dargestellt. 3.1 Definition von Messfehlern Bevor von Fehlern gesprochen werden kann, muss klar herausgestellt werden, welche Größe bei einem Prozess oder Messgegenstand als Messgröße verstanden werden soll. Bei einfachen Aufgaben wie etwa bei den Abmessungen eines Werkstückes entsteht darüber kaum eine Diskussion. Hat aber z. B. die Messgröße auf dem Messgegenstand von Ort zu Ort verschiedene Werte, wird man sich auf eine Messung an einer oder mehrerer Stellen als repräsentative Messorte einigen. Für den Fall, dass ein mittlerer Wert der Messgröße gefragt ist, wird man die Messwerte einiger weniger Stellen mitteln und diesen Wert als Ersatz für den echten Mittelwert nehmen. Einige Beispiele: Um Überbeanspruchungen durch Wärmeausdehnung zu vermeiden, wird die Temperatur von Dampfturbinengehäusen überwacht. Als repräsentative Messorte werden solche ausgewählt, die bei instationären Vorgängen untereinander große Temperaturunterschiede aufweisen. Bei der Bestimmung des Heizwertes von festen Brennstoffvorräten wird der Heizwert einer zufälligen Probe kaum interessieren. Man wird um erhebliche Fehler zu vermeiden, mehrere Proben aus dem Brennstoffvorrat entnehmen und nach statistischen Methoden einen mittleren Heizwert des Vorrates schätzen. Von solchen Fehlern, die durch die Messaufgabe bedingt sind, soll hier nicht weiter die Rede sein. Zur Beurteilung einer bestimmten Messeinrichtung nehmen wir an, dass die Messgröße mit einem bekannten Wert an der zu untersuchenden Messeinrichtung anliegt. Die Verwendung der Vorsilben „Soll“ und „Ist“ sind in Anlehnung an die DIN 1319 Teil 3 im Bereich der Messtechnik zu vermeiden. Es sind ausschließlich die Begriffe „Richtig“ und „Falsch“, „Messwert“ und „Anzeigewert“ zu benutzen. Man unterscheidet zwischen: • systematischen Fehlern (statisch und dynamisch) • und zufälligen Fehlern. Bei zufälligen Fehlern ist keine Aussage über Größe und Vorzeichen möglich; z. B. elektronisches Rauschen oder Ableseungenauigkeit. Zufällige Fehler können durch Mittelwertbildung mehrerer Messungen beseitigt werden. 42 Systematische Fehler können zumindest abgeschätzt werden. Die einmal festgestellte Kennlinie (Eichung) eines Messgerätes wird auch als richtige Kennlinie bezeichnet. Bei Messungen treten Abweichungen von der richtigen Kennlinie auf. Es ergibt sich eine von der richtigen Kennlinie abweichende falsche Kennlinie. Die Differenz zwischen richtiger und falscher Kennlinie wird als Fehlerkurve bezeichnet. Falsche Kennlinie: gemessene Kennlinie nach Eliminierung der zufälligen Fehler. Richtige Kennlinie: Kennlinie des Normals Falsche Kennlinie Richtige Kennlinie y Fehlerkurve x Abbildung 3.1: Richtige und falsche Kennlinie mit Fehlerkurve Beispiel: Bestimmung der Leerlaufspannung U0 einer Spannungsquelle mit Innenwiderstand Ri. Der eingesetzte Spannungsmesser entnimmt der Quelle den Strom Iv. Damit beträgt die Klemmenspannung U k = U 0 − I v ⋅ Ri . Definitionen zur Angabe von systematischen Fehlern sind in der DIN 1319 festgelegt. y Falsche Kennlinie yf Richtige Kennlinie yr xf xr Abbildung 3.2: Richtige und falsche Kennlinie 43 x Als absoluten Fehler einer Ausgangsgröße bezeichnet man die Differenz zwischen der falschen Ausgangsgröße und der richtigen Ausgangsgröße. Fabs , y = y f − y r (3.1) wobei hier oft auch nur Beträge betrachtet werden. Entsprechend gilt für die Eingangsgröße: Fabs = x f − xr (3.2) Fehler sind sowohl für das Ausgangssignal als auch für das Eingangssignal angebbar. Fehler werden am besten in den Einheiten der Messgröße angegeben (besser ∆T als ∆U bei Thermoelementen). Bezieht man den absoluten Fehler auf einen bestimmten Wert, spricht man vom relativen Fehler: Frel = Fabs ⋅ 100% x (3.3) Bezugswerte x: 1. Messbereichsendwert (z. B. 1% v. E.) 2. Messbereichsumfang (z. B. 1% v. U.) 3. richtiger Wert (z. B. 1% v. xr) In Zweifelsfällen ist der Bezugswert zusammen mit dem relativen Fehler anzugeben. a) G xf b) N x Gn G xf xr xr Abbildung 3.3: Zwei Möglichkeiten, den richtigen Wert festzustellen Als richtiger Wert kann der angezeigte Wert eines besonders zuverlässigen Messgerätes Gn (Normal), eines Präzisionsgerätes, dienen, das etwa kurz zuvor mit einem Normal überprüft wurde (Abbildung 3.3 a). Stehen Maßverkörperungen (Normale) zur Verfügung, wird die Maßverkörperung als Messgröße auf die Messeinrichtung gegeben, der angezeigte Wert xa abgelesen und als richtiger Wert xr der auf der Maßverkörperung angegebene angenommen (Abbildung 3.3 b). 44 3.2 Fehlerursachen Jede Messung ist fehlerhaft. Der Grund liegt in bestimmten Eigenschaften des Messgegenstandes, in der Unvollkommenheit der Messeinrichtung und des Messverfahrens, in wechselnden Umwelteinflüssen und in Fehlern des Beobachters. Eine Messeinrichtung ist ein System von Baugruppen, die auf vielerlei Weise mit der Umgebung in Verbindung sind, oder anders ausgedrückt, mit der Umgebung in Wechselwirkung stehen. Der Ausdruck „Wechselwirkung“ impliziert, dass die Beeinflussung Umgebung /Maßeinrichtung eine gegenseitige ist. Die Umgebung zeigt Veränderungen durch die Messeinrichtung und umgekehrt. Bestenfalls kann die gegenseitige Beeinflussung klein gehalten werden, aber vermieden werden können solche Einflüsse in realen Systemen nie. Umwelt Meßobjekt Meßgerät Meßwertverarbeitung Hilfsenergie Abbildung 3.4: Rückwirkungen des Messgerätes Wechselwirkung zwischen Messobjekt und Messgerät: Eine Messung ist stets mit Energie- und Informationsfluss zwischen Messobjekt und Messgerät verbunden. Rückwirkungen des Messgerätes auf das Messobjekt, der Messwertverarbeitung auf das Messgerät oder des Messgerätes auf die Hilfsenergie sollten vermieden werden. Ein wichtiger Fehler, der von Anfängern oft übersehen wird, ist der Fehler, der durch die Wechselwirkung Messeinrichtung/Prozess über die Messgröße selbst entsteht. Jede Messeinrichtung braucht für den Messvorgang Energie oder Leistung, die dem Prozess entzogen wird. Der Wert der Messgröße im Prozess mit angeschlossener Messeinrichtung unterscheidet sich von dem Wert, der ohne Messeinrichtung erreicht worden wäre. Die Größe dieses Fehlers hängt davon ab, welche Messgrößenänderung der Energieaustausch im Prozess hervorruft. Die Fachleute nennen diesen Fehler Rückwirkung der Messeinrichtung auf den Prozess oder den Messgegenstand. Die 45 Wechselwirkung Prozess/Messeinrichtung begründet auch die Notwendigkeit den Begriff „Messsystem“ zu verwenden. Beispiel: Kaltes Thermometer im Topf mit heißem Wasser Energie fließt aus dem Wasser auf das Thermometer ⇒ Thermometer wird wärmer ⇒ Wasser wird kälter ⇒ Temperaturausgleich ⇒ Messgröße wird verfälscht Rückwirkung des Messgeräts auf das Messobjekt Außer der Messgröße stehen zahlreiche Größen aus der Umwelt mit der Messeinrichtung in Wechselwirkung. Solche Störgrößen sind etwa Fremdfeldeinstreuungen, die Umgebungstemperatur, die Luftfeuchtigkeit, Erschütterungen und Vibrationen des Fundaments, Staub, korrosive Gase und dgl. Zur Beschreibung der Messeinrichtung gehört die Angabe des Einflusses dieser Störgrößen als Fehler. Neben diesen „äußeren Störgrößen“ unterscheidet der Praktiker noch „innere Störgrößen“. Es handelt sich dabei um über lange Zeiträume verlaufende Vorgänge, die vor der Beobachtungszeit durch Wechselwirkung mit der Umwelt hervorgerufen wurden. Auch wenn man die Messeinrichtung vollständig von der Umgebung abschirmen könnte, würden diese inneren Störgrößen noch Auswirkungen auf die Anzeige bewirken. Dazu zwei Beispiele: Viele Geräte enthalten als Maßverkörperung eine Messfeder (Drehspulinstrument, Federwaage). Durch die Fertigung der Feder, durch die Messvorgänge vor dem Beobachtungszeitpunkt sind Vorgänge im Federmaterial ausgelöst worden, die sich später in der Anzeige bemerkbar machen. Im Sprachgebrauch wird dies als „Alterung“ der Feder bezeichnet. Bei der Herstellung von photoelektrischen Bauelementen (Fotokathodenröhren) werden Wirkungen auf das Bauelement eingeleitet, die sich auch später im Betrieb z. B. als geringer werdende Empfindlichkeit zeigen. An der Schnittstelle „Messeinrichtung/Empfänger“ tritt wie bei der Schnittstelle „Prozess/Messeinrichtung“ eine Wechselwirkung auf. Die Empfängereigenschaften beeinflussen den Wert der Ausgangsgröße. Bei anzeigenden Messeinrichtungen ist dieser Fehler unmerklich klein. Der Empfänger „das Auge“ hat praktisch keinen Einfluss auf die Anzeige. Die letzte Fehlerquelle ist der Beobachter selbst. Falsche Bedienung und Ablesefehler sind die wesentlichen Fehlerursachen. Von einer idealen Messeinrichtung wird verlangt, dass sich unter den 46 vielen Einflussgrößen allein die Messgröße in der Ausgangsgröße abbildet. Dies ist nach dem oben Gesagten unmöglich. Es leuchtet damit ein, dass zur Beschreibung der Eigenschaften einer Messeinrichtung die Aufzählung vieler einzelner Fehler - das sind die Auswirkungen der einzelnen Einflussgrößen - unerlässlich ist. 3.3 Statische Fehler Zur technischen Beschreibung einer Messeinrichtung gehören viele Angaben wie etwa Messbereich, Abmessungen, Einbauvorschriften, Energieversorgung, Betriebsbedingungen und dgl.. Sehr wichtig sind Angaben über die Fehler, die einen Vergleich mit ähnlichen Geräten ermöglichen und die sicherste Auskunft über die Güte des Gerätes geben. Die Grundaufgabe der Messtechnik ist es, eine stationäre Messgröße zu erfassen. Die Länge eines Werkstückes ändert sich z. B. während der Messzeit nicht. Die sich im eingeschwungenen Zustand einstellenden Fehler werden als statische Fehler bezeichnet. Bei vielen Messaufgaben werden aber zeitlich dicht aufeinanderfolgende Messwerte benötigt. Ein Beispiel dafür ist etwa der Druckverlauf im Zylinder eines Verbrennungsmotors. Nur sehr viele oder kontinuierliche Messungen geben Aufschluss über das Ansaugen, Komprimieren, Zünden und Ausblasen. Das Signal der Messeinrichtung soll der Messgröße verzögerungslos folgen. Abweichungen werden als dynamische Fehler bezeichnet. Fehler können auch nach ihrer Ursache eingeteilt werden. Bei der Beurteilung einer Messeinrichtung allein wird man die Fehler, die abhängig vom Prozess und dem Empfänger sind, als nicht spezifisch für die Messeinrichtung und ebenso die Fehler durch den Beobachter weglassen und allein Fehler nach inneren und äußeren Störgrößen unterscheiden. Man unterscheidet Fehler unter Normalbedingungen, bei denen die Umwelteinflüsse weitgehend ausgeschaltet sind und Fehler bei Abweichungen von den Normalbedingungen, bei denen diese im einzelnen untersucht werden. Wir erhalten damit als Kennwerte zur Beurteilung einer Messeinrichtung folgende Fehler: Statische Fehler unter Normalbedingungen werden für stationäre Messgrößen bei eingeschwungener Messeinrichtung ermittelt. Die Störgrößen der Umgebung sind dabei unverändert konstant oder auf Null zu halten. Als Normalbedingungen gelten die Bedingungen, wie sie sich im Prüffeld befinden (z. B. T= 0°C; p = 1,01325 bar). Statische Fehler bei Abweichungen von Normalbedingungen werden für stationäre Messgrößen bei eingeschwungener Messeinrichtung ermittelt. Für jede wichtige Störgröße ist eine definierte 47 Abweichung von den Normalbedingungen herzustellen und die Auswirkung auf die Ausgangsgröße als Fehler festzustellen. Dynamische Fehler werden mit Hilfe von zeitlich veränderlichen Testsignalen der Messgröße festgestellt. Üblich ist als Testsignal die Sprungfunktion. Die Versuche finden unter Normalbedingungen statt. Dynamische Fehler ändern sich im allgemeinen bei Abweichungen von den Normalbedingungen nur wenig. Es ist deshalb ausreichend, die dynamischen Fehler allein unter Normalbedingungen festzustellen. Der Leser erkennt, dass die Beschreibung einer Messeinrichtung eine sehr aufwendige, langwierige und umfangreiche Aufgabe ist. Alle diese Kennwerte genügen jedoch nicht, das Verhalten einer Messeinrichtung vollständig zu beschreiben. Es bleibt ein Rest von Fehlern, die dem Beobachter als zufällig erscheinen. 3.3.1 Statische Fehler unter Normalbedingungen Die Normalbedingungen sind zweckmäßig zu definieren. Man wird dazu die im Untersuchungsraum vorliegenden Bedingungen nehmen und die Störgrößen wie Temperatur, Feuchte und dgl. konstant, andere wie z. B. Fremdfelder und Vibrationen fernhalten. Vor der Untersuchung muss die Messeinrichtung für die vorgesehene Aufgabe tauglich gemacht werden, sie wird „justiert“ oder „abgeglichen“. Unter Justieren oder Abgleichen versteht man einen Eingriff in das Gerät oder seine Maßverkörperung mit dem Ziel, den Messbereich auf den vorgesehenen Bereich der Ausgabeeinrichtung, des Ausgangssignals oder der Anzeige abzubilden. Beispiel: Eine digitale Temperaturanzeige soll etwa im Messbereich 20 ÷ 100°C auf einen Messbe- reich von 0 ÷ 100% gebracht werden. Beispiel: Das Ausgangssignal eines elektrischen Druckmessumformers, Messbereich 0 ÷ 1 bar, soll zwischen 4 und 20 mA liegen. Eine vorhandene Skala eines Zeigerinstrumentes soll auf möglichst kleine Fehler justiert werden. Vom Justieren oder Abgleichen zu unterscheiden ist das Eichen und Kalibrieren. Das Eichen ist eine gesetzliche Maßnahme, das durch eine Prüfbehörde erfolgt. Das Kalibrieren erfolgt vor Ort häufig durch Vergleich mit Sekundärstandards. Messgeräte haben meistens mindestens zwei Möglichkeiten für einen Justiereingriff, nämlich die Möglichkeit, den Messbereich zu verschieben und ihn größer oder kleiner zu machen. Beim Drehspulinstrument z. B. ist die Fesselung der Messfeder 48 als Nullpunktrücker ausgebildet, ein Parallelwiderstand zur Drehspule dient zur Veränderung des Messbereiches. Im folgenden werden einige Arten systematischer Fehler vorgestellt: • Kalibrier- und Abgleichfehler Abgleichfehler: Unrichtiges Einstellen der für den Abgleich vorgesehenen Justierelemente eine Messgerätes a) Nullpunktsabgleichfehler b) Übersetzungsfehler, Verstärkung Kalibrierfehler: Benutzung einer falschen „richtigen Kennlinie“ (z. B. Einflussgröße nicht gleich groß wie im Kalibrierexperiment) Kalibrierfehler y Richtige Kennlinie Nullpunktsabgleichsfehler Übersetzungsfehler Verstärkungsfehler x Abbildung 3.5: Kalibrier- und Abgleichfehler Zur Justierung der Kennlinie sind zwei Verfahren üblich: Bei der Fixpunktjustierung wird Messanfang und Messende mit dem vorgesehenen Anfangs- und Endwert des Ausgangssignals vollständig zur Deckung gebracht. Im Messanfang und Messende ist damit der Fehler Null. Bei der Toleranzbandjustierung wird die Kennlinie so justiert, dass der größte Fehler im Messbereich möglichst klein wird. Der Fehler wird im Vergleich zur Fixpunktjustierung auf die Hälfte reduziert. 49 Fixpunkteinstellung Toleranzbandeinstellung ye ye y y ya ya xa xa xe x xe x Abbildung 3.6: Fixpunkt- und Toleranzbandjustierung In der Praxis wird der Fixpunktjustierung der Vorzug gegeben, weil die Justierung erheblich weniger arbeitsaufwendig ist. • Fehler durch irreversible Änderungen (irreversibel =ˆ nicht umkehrbar) y x Abbildung 3.7: Fehlerkurve durch irreversible Änderungen Ursachen: Grundsatz: • Alterung der Werkstoffe, plastische Verformung, chemische Umsetzungen, (innere Störgrößen). Messgeräte sollen möglichst frei sein von bleibenden Umwandlungen infolge der Einwirkung von Mess- und Einflussgrößen. Ein hochwertiges Messgerät hat eine hohe Reproduzierbarkeit. Fehler durch reversible Änderungen (z. B. Hysterese magnetischer Werkstoffe) 50 Werden für dieselbe Eingangsgröße unterschiedliche Ausgangsgrößen ermittelt, und zwar abhängig davon, ob die Eingangsgröße nach fallender oder steigender Eingangsgröße bestimmt wurde, besitzt das Messgerät eine Hysterese oder Umkehrspanne. Zur Feststellung der Hysterese wird die Messgröße langsam vom Messanfang bis zum Messende gesteigert und wieder langsam auf den Messanfang zurückgenommen. Die größte dabei auftretende Differenz H der Kennlinie wird auf die Messspanne bezogen und als Hysterese h angegeben: h= H ⋅100% xe − x a (3.4) Die Umkehrspanne wird ähnlich wie die Hysterese ermittelt. Die Messgröße wird aber dazu nur um einige wenige Prozent geändert. Der größte Fehler U zwischen Auf- und Abwärtsgang wird auf die Messspanne bezogen und als Umkehrspanne u angegeben. u= U ⋅ 100% xe − x a (3.5) Hysterese Reibung ye y Umkehrspanne H y Lose ya U xa x xe x Abbildung 3.8: Hysterese und Umkehrspanne Beide Erscheinungen können viele Ursachen haben. Eine Umkehrspanne ist immer dann vorhanden, wenn im Messsystem Hemmungen existieren, die es hindern, bei stationärer Messgröße den Gleichgewichtszustand einzunehmen. Solche Hemmungen sind z. B. mechanische Reibung und Lose. Im Bild sind Umkehrspannen durch Reibung und Lose eingezeichnet. Bei Reibung ändert sich die Anzeige sprunghaft, wenn die größere Haftreibung überwunden wird. Existiert eine Umkehrspanne, wird man auch eine Hysterese messen. Das gleiche gilt nicht umgekehrt. Oft wird Hysterese durch innere Störgrößen hervorgerufen, wie z. B. durch die elastische 51 Nachwirkung von Messfedern. Die Größe der Hystereseschleife ist in solchen Fällen abhängig von der Größe und der Dauer der Belastung, sie verschwindet für kleine Messgrößenänderungen. • Mangelnde zeitliche Konstanz Hält man die Eingangsgröße eines Messgerätes konstant, so verändert sich trotzdem oft im Laufe der Zeit die Ausgangsgröße. Das Messgerät driftet. Kurzzeitdrift: z. B. durch Temperatureinflüsse Langzeitdrift: z. B. durch Alterung Nullpunktdrift: Verschiebung des Nullpunktes Übersetzungsdrift: Verdrehung der Kennlinie 3.3.2 Statische Fehler bei Abweichungen von Normalbedingungen Hier wird die Wirkung der vielen Störgrößen aus der Umgebung auf die Messeinrichtung beschrieben. Beispiele für solche Störgrößen sind: die Temperatur, der Temperaturgradient, die Feuchte, mechanische Erschütterungen, Stöße, Überlastung weit über den Messbereich hinaus, Änderungen der Hilfsenergie, der Bürde und dgl.. Bei diesen Untersuchungen wird die Messgröße auf konstantem Wert gehalten, die interessierenden Störgrößen systematisch nacheinander geändert und die Wirkung auf die Ausgangsgröße im Beharrungszustand beschrieben. Nach ihrer Wirkung auf die Messeinrichtung lassen sich superponierende und deformierende Störgrößen unterscheiden. Superponierende Störgrößen bewirken im Ausgang der Messeinrichtung ein zusätzliches Störsignal, das sich dem Messsignal überlagert. Deformierende Störgrößen verändern das Übertragungsverhalten der Messeinrichtung. y y Zi1 ye1-ye0 Zi0 Zi1 ye0-ya0 Zi0 y1-y0 xa x ya1-ya0 xa xe x xe Abbildung 3.9: Superponierende und deformierende Fehler Bei den superponierenden Störgrößen wirkt die Störgröße wie ein zusätzliches Messsignal. Solche Störeinflüsse können mit einer einzigen Messung erfasst werden, z. B. am Messanfang. Der 52 Messwert wird konstant gehalten. Ist beim Normalwert der Störgröße zi0 der Messwert y0, bei einer Abweichung mit dem Wert der Störgröße zi1 der Messwert y1, gibt man als Fehler die Differenz beider Messwerte bezogen auf die Ausgangsspanne und die Störgrößenänderung ∆z i = z i1 − z i 0 an. Fsup = y1 − y 0 ( xe − xa )∆z i . (3.6) Meist reicht es bei deformierenden Störgrößen aus, die mittlere relative Empfindlichkeitsänderung bezogen auf die Störgrößenänderung ∆zi anzugeben: Fd = E − E0 ∆E = i E0 ⋅ ∆z i E0 ⋅ ∆z i . (3.7) Dazu wird die mittlere Empfindlichkeit bei Normalbedingungen gebildet: E0 = ye 0 − y a 0 xe − x a . (3.8) Ebenso die mittlere Empfindlichkeit nach einer Änderung der Störgröße von zi0 auf zi1: E1 = ye1 − ya1 xe − x a . (3.9) Für den deformierenden Fehler Fd gilt mit diesen Beziehungen: Fd = E1 − E0 E0 ⋅ ( y − y a1 ) − ( y e 0 − y a 0 ) 1 ( y e1 − y e0 ) − ( y a1 − y a 0 ) 1 1 ⋅ ⋅ = = e1 ye0 − y a0 ye0 − y a0 ∆z i ∆z i ∆z i (3.10) Man erkennt in (3.10) dass für superponierende Störgrößen Fd gleich Null ist. In dem Fall ist für beliebige Werte i, j des Ausgangssignals yi1 − yi 0 = y j1 − y j 0 . Ein klassisches Beispiel für eine superponierende Störgröße ist die Einstreuung einer fremden Wechselspannung in die Signalleitung. Eine Temperaturänderung kann dagegen deformierend auf eine Messfeder wirken, wenn sich der die Kennlinie bestimmende Elastizitätsmodul mit der Temperatur ändert. 53 3.4 Dynamische Fehler Bei der Beschreibung des dynamischen Verhaltens von Messgeräten in Kapitel 2.3 sind die Übertragungseigenschaften verschiedener Messgeräte vorgestellt worden. Als Testsignal wurde beispielhaft eine Sprungfunktion auf den Eingang x(t) des Messgerätes gelegt. Der Vollständigkeit halber werden noch weitere mögliche anregende Funktionen mit ihren entsprechenden Antwortfunktionen genannt: anregende Funktionen: Sprungfunktion Sinusfunktion Stoßfunktion Antwortfunktion: Sprungantwort / Übergangsfunktion Sinusantwort; Amplituden- und Phasengang, Frequenzgang Stoßantwort / Gewichtsfunktion Diese Funktionen können jeweils als gleichwertige Testsignale angesehen werden, um das Zeitverhalten eines Messgerätes zu charakterisieren. Im Experiment könnte man eine Sprungfunktion auf ein Messgerät wie folgt realisieren: • Thermoelement ins Wasser fallen lassen, • Drucksprung durch einen Schalter 54 p1 p2 Normal Schalter N Testgerät 2-Kanal Schreiber Abbildung 3.10: Drucksprungmessung an einem Testgerät Hierbei müssen folgende Bedingungen eingehalten werden: • die Schaltzeit für die Messgröße muss um eine Größenordnung kleiner sein als die Einstellzeit des Testgerätes • die Schreibereinstellzeit muss ebenfalls erheblich kleiner sein als die Schaltzeit Zur Beschreibung des dynamischen Verhaltens eines Messgerätes ist die Differentialgleichung zwischen Eingangs- und Ausgangssignal notwendig. Die höchste Ableitung des Ausgangssignals bestimmt die Ordnung der beschreibenden DGL. Verzögerungsglied 1. Ordnung Beispiel: Eintauchen eines Thermoelements in Eiswasser Um das dynamische Verhalten eines Messgerätes zu verdeutlichen, wird ein Thermoelement, das sich in Luft bei Raumtemperatur befindet, in Eiswasser eingetaucht. Die Messung der Temperatur des Wassers mittels des Thermoelements erfolgt dynamisch, da das Messgerät zeitverzögert auf die geänderten Temperaturverhältnisse in der unmittelbaren Umgebung des Thermoelements reagiert. Durch den Temperaturunterschied findet ein Wärmefluss statt, bei dem sich die Temperatur des Thermoelements an die Temperatur des Eiswassers anpasst. Dieser Wärmefluss ist durch folgende Beziehung gekennzeichnet: 55 dQ = c p m∆ϑ (3.11) dQ =ˆ Wärmemenge c p =ˆ spezifische Wärmekapazität m =ˆ Masse der Perle ϑ =ˆ Temperatur der Perle ϑ f =ˆ Temperatur des Fluids α =ˆ Wärmeübergangskoeffizient A =ˆ Übergangsfläche Der Wärmetransport zwischen der Oberfläche eines festen Körpers und einem relativ zu ihr bewegten strömenden Medium wird Wärmeübergang genannt. Für den hierbei auftretenden Wärmestrom gilt nach Newton: dQ dQ dϑ Q& = = αA(ϑ f − ϑ ) bzw. = cpm . dt dt dt (3.12) Gleichsetzen der beiden Gleichungen ergibt: cpm ⇒ dϑ = αA(ϑ f − ϑ ) dt αAϑ + c p m (3.13) dϑ = αAϑ f dt (3.14) Nach Einführung von Konstanten folgt: ⇒ a 0ϑ + a1ϑ& = e0ϑ f (3.15) Diese Beziehung lässt sich durch die Substitution x := ϑ f und y := ϑ allgemein ausdrücken: ⇒ a0 y + a1 y& = e0 x . (3.16) Für ein Messgerät mit einem Energiespeicher, ein VZ-1-Glied, gilt demnach folgende Differentialgleichung: a0 y + a1 y& = e0 x (3.17) 56 a0, a1 und e0 sind konstante Koeffizienten. Division durch a0: y+ e a1 y& = 0 x a0 a0 (3.18) Im stationären Fall ( y& = 0 für t → ∞ ) gilt: y= e0 x a0 (3.19) wobei k = e0 / a0 der Empfindlichkeit entspricht (s. Gl. 2.17). Aus Gl. (3.18) folgt, dass der Koeffizient a1 / a0 die Einheit einer Zeit haben muss . a1 =T a0 (3.20) T =ˆ Zeitkonstante Einsetzen der Gl. (3.19) und Gl. (3.20) in Gl. (3.18): y + Ty& = kx (3.21) Für die homogene Differentialgleichung y + Ty& = 0 gilt: t y h (t ) = C ⋅ exp − T (3.22) mit C als Integrationskonstanten. Die partikuläre Lösung im stationären Fall ( y& = 0 ) lautet: y p = kx . (3.23) Da das Messgerät als ein lineares System angenommen wird, setzt sich die vollständige Lösung aus der Summe der Gl. (3.22) und (3.23) zusammen: 57 t y (t ) = y h + y p = kx + C exp − T (3.24) Für die Integrationskonstante C folgt aus den Anfangsbedingungen: y(t=0) = 0 C = -kx Somit gilt: t y (t ) = kx ⋅ 1 − exp − . T (3.25) Beispiel: Auf den Eingang eines Messgerätes wird eine Sprungfunktion gegeben. Eingangssignal: x=0 für t≤0 x = x1 für t>0 Ausgangssignal: t y (t ) = kx1 ⋅ 1 − exp − T y(t) kx1 0.63 kx1 0 t/T 1 Abbildung 3.11: Sprungfunktion mit Sprungantwort Übertragungsfunktion: y (t ) t = k ⋅ 1 − exp − x T (3.26) Vergleich mit Gl. 3.13 und Resubstitution ergibt: α A ⋅ t c m p ϑ (t ) = ϑ f 1 − exp − 58 ⇒ αA cpm = 1 T Vorteil: Unabhängig vom zeitlichen Verlauf der Eingangsgröße x. 63% des Grenzwertes sind nach einer, 95% nach drei und 99,5% nach fünf Zeitkonstanten erreicht. Verzögerungsglied 2. Ordnung Messgeräte mit zwei gekoppelten Energiespeichern, VZ-2-Glieder, lassen sich durch Differentialgleichungen 2. Ordnung beschreiben: a0 y + a1 y& + a2 &y& = e0 x (3.27) a0, a1, a2 und e0 sind konstante Koeffizienten. Division durch a0: y+ e a1 a y& + 2 &y& = 0 x a0 a0 a0 (3.28) Beharrungszustand: y& = 0 &y& = 0 e y = 0x a0 k = e0 / a0 entspricht der Empfindlichkeit. a2 = T2 a0 (3.29) a1 = 2 DT a0 (3.30) D =ˆ Dämpfungsfaktor Die partikuläre Lösung im stationären Fall ( y& = 0 ) lautet: y p = kx . Zur Lösung der homogenen Differentialgleichung y + 2 DTy& + T 2 &y& = 0 Mit der charakteristischen Gleichung 1 + 2 DTr + T 2 r 2 = 0 und den Eigenwerten 59 D 1 ± D2 −1 T T wird eine Fallunterscheidung notwendig. Je nach Dämpfungsfaktor D gilt: r1, 2 = − 0 ≤ D < 1 r1 und r2 konjugiert komplexes Zahlenpaar D>1 D=1 r1 und r2 reelle Zahlen r1 = r2 ; reell Hier soll zunächst der aperiodische Grenzfall D = 1 betrachtet werden: 1 T Lösung der homogenen Differentialgleichung: r1 = r2 = − t t y h (t ) = C1 exp − + C 2 t exp − T T (3.31) Vollständige Lösung: t t y (t ) = kx + C1 exp − + C 2t exp − T T Anfangsbedingungen: y(t=0) = 0 C1 = -kx y& (t = 0) = 0 C2 = − kx ⇒ ⇒ 1 T y(t) kx D=0,3 D=0,7 1 D=1 D=3 0 Abbildung 3.12: t/T Einschwingvorgang Dämpfungsfaktoren eines 60 idealen Messgerätes für verschiedene Somit gilt im Falle D = 1 : t t t y (t ) = kx ⋅ 1 − exp − − exp − T T T (3.32) T +t t = kx ⋅ 1 − exp − T T Bei einem Dämpfungsfaktor D = 1 wird einerseits das Schwingen, andererseits auch das allzu langsame Heranstreichen an den Beharrungswert vermieden. Diesen Vorgang bezeichnet man als „aperiodischen Grenzfall“. In der Praxis wird im allgemeinen D ≅ 0,7 gewählt. Hierbei treten zwar noch tolerierbare Überschwingungen auf, aber die Einstellung des Endwertes erfolgt schneller. Sprungantwort im periodischen (d. h. schwingenden) Fall 0 ≤ D < 1: D Dt sin(ω d t ) y (t ) = kx ⋅ 1 − exp − ⋅ cos(ω d t ) + T 1− D2 (3.33) mit der Eigenfrequenz des gedämpften Systems ωd = y(t) T1 kx1 0 1 1− D2 T t0 Toleranzband yü t τ Abbildung 3.13: Sprungantwort eines Messsystems bei einer schwingenden Einstellung T1 =ˆ Zeit die vergeht, bis der stationäre Wert zum ersten Mal erreicht wird. τ =ˆ Zeit die vergeht, bis ein Toleranzband von z. B. 1%der Sprunghöhe nicht mehr verlassen wird. yü =ˆ maximale Überschwingweite ym =ˆ maximale Überschwingweite, angegeben in Prozent der Sprunghöhe. 61 ym = yü ⋅100% kx1 Viele Messeinrichtungen, die statisch eine gute Kennlinie haben, erweisen sich bei dynamischen Messungen als stark nichtlinear. Eine Messeinrichtung zeigt ein lineares Verhalten, wenn dem kfachen Testsignal zu jedem Zeitpunkt auch das k-fache Ausgangssignal entspricht. Sprungantwort im aperiodischen Fall D > 1: t t T1 T2 exp − + exp − y (t ) = kx ⋅ 1 − T1 T2 − T1 T2 T1 − T2 (3.34) mit T1 = T2 = T D − D2 −1 T D + D2 −1 T1 entspricht der Zeitkonstanten eines Verzögerungsgliedes 1. Ordnung. T2 stellt ein weiteres nachgeschaltetes Verzögerungsglied dar. y(t) Ts Wendetangente kx1 0 t t0 Tt Abbildung 3.14: Sprungantwort eines realen Messsystems bei einer aperiodischen Einstellung 62 Ts =ˆ Ersatz-Zeitkonstante Zeit zwischen den Schnittpunkten der Wendetangente mit der Null-Linie und dem stationären Wert. Tt =ˆ Ersatz-Totzeit Verzugszeit zwischen dem Sprungeinsatz und dem Schnittpunkt der Wendetangente mit der Null-Linie. Weitere Fälle: Sprungantwort eines Messgerätes mit der Totzeit Tt: y (t ) = 0 für t < t 0 + Tt y (t ) = kx1 für t ≥ t 0 + Tt (3.35) x(t) x1 0 t0 0 t0 t y(t) kx1 t0 + Tt t Abbildung 3.15: Sprungantwort eines Messgerätes mit der Totzeit Tt 3.4.1 Graphische Ermittlung der Übertragungsfunktion Die Übertragungsfunktion ist das Verhältnis von der Ausgangsgröße y zur Messgröße x in Abhängigkeit von der Zeit. Sie erlaubt eine vergleichende Beurteilung des dynamischen Verhaltens, auch wenn sich die Messgröße nicht ideal sprunghaft ändert. In dem Beispiel zur graphischen Ermittlung (Bild 3.16) wurde die Sprungantwort eines VZ-2-Gliedes mit der Dämpfungskonstante D = 1 (aperiodisches System) gewählt. 63 Legt man im Punkt der größten Steigung der Sprungantwort eine Tangente an, so bestimmt der Schnittpunkt dieser Tangente mit der Abszisse die Ersatztotzeit Tt. Die Ersatzzeitkonstante Ts ist gegeben durch den Schnittpunkt dieser Tangente mit der Zeitachse und der Asymptote der Übertragungsfunktion. Beide Ersatzzeiten sind Beurteilungsgrößen für das dynamische Verhalten. x Meßgröße t t=0 y Ausgangssignal t=0 t Übertragungsfunktion y x t=0 t TS Tt Abbildung 3.16: Ermittlung der Übertragungsfunktion (reales, aperiodisches System) 3.5 Begrenzung dynamischer Fehler Die Zeitkonstanten und Grenzfrequenzen der Messgeräte müssen zu den Änderungsgeschwindigkeiten der Messgrößen passen. Dabei dürfen eventuell vorhandene Oberwellen nicht vergessen werden. Der Arbeitsbereich der Messgeräte liegt zwischen einer unteren und oberen Grenzfrequenz. Die untere Grenzfrequenz kann Null oder von Null verschieden sein. 64 1. untere für Gleich- und Wechselgrößen geeignet Grenzfrequenz = 0: 2. untere Grenzfrequenz ≠ 0: nur für Wechselgrößen geeignet (z. B. piezoelektrischer Kraftaufnehmer) Fehler bei Abtast- und Haltegliedern (Sample and Hold) Zur Umwandlung analoger Signale in digitale wird vor dem A/D-Wandler häufig ein Abtast- und Halteglied verwendet. Durch das Abtasten und Halten entsteht aus einem kontinuierlich verlaufenden Signal eine Art Treppenkurve. In der Zeit, in der ein abgetasteter Messwert gehalten wird, kann sich die analoge Funktion weiterentwickeln. Der umgesetzte Wert weicht von dem aktuellen ab und die Differenz bedeutet einen Messfehler, der nicht zu groß werden darf. Er hängt von der Änderungsgeschwindigkeit des Signals und der Abtastrate ab. a) y(t) F b) Ta t F t Abbildung 3.17: a) Originalfunktion, b) abgetastete Funktion, Fehlerverlauf Angenommen wird ein sinusförmiges Messsignal y(t) mit dem Scheitelwert ŷ , das sich mit der Kreisfrequenz ω ändert, y (t ) = yˆ sin(ωt ) = yˆ sin( 2π f t ) . Für die Änderungsgeschwindigkeit dy/dt gilt: 65 (3.36) dy = yˆω cos(ωt ) = yˆ 2πf cos(2π f t ) dt (3.37) mit ihren Extrema bei cos(ω t) = ±1. dy dt = y& max = yˆ ω (3.38) max In der Zeit Ta zwischen zwei Abtastungen ändert sich damit das Signal maximal um F, F ≤ yˆωTa . (3.39) Wird das abgetastete Signal in ein n Bit enthaltendes Digitalwort umgesetzt, so ist der Quantisierungsfehler ∆q (besser Quantisierungsstufe). ∆q = Messbereich 2 yˆ = n 2n 2 . (3.40) Soll sich das Messsignal zwischen zwei Abtastungen um höchstens 1 Bit ändern, so darf sich das Messsignal in dieser Zeit um höchstens ∆q ändern. Diese Forderung führt zu dem Ansatz ∆q F ≤ yˆωTa ≤ Ta ≤ fa ≥ ω 2(n-1) = 2π f 2(n-1) = 2nπ f 2 yˆ 2n 1 ω 2 ( n −1) Die Abtastfrequenz fa = 1/Ta muss größergleich der (π⋅2n)-fachen Signalfrequenz f sein. Beispiel: Bei einer Auflösung von 8 bit müsste die Abtastfrequenz mindestens das (π⋅28 =) 804- Fache der Signalfrequenz betragen. 3.6 Zufällige Fehler Messfehler lassen sich in systematische und zufällige Fehler einteilen. Erhält man bei wiederholten Messungen das gleiche Ergebnis, spricht man von systematischen Fehlern, bei voneinander im Betrag und Vorzeichen abweichenden Messwerten von zufälligen Fehlern. 66 Die Fehler einer Messreihe können, abhängig vom Standpunkt des Beobachters oder den Versuchsbedingungen, zu den zufälligen oder zu den systematischen Fehlern zählen. Dies macht man sich am besten an einigen Beispielen klar: • Ein Spannungsmesser werde an ein Spannungsnormal angeschlossen und im Laboratorium über den Tag verteilt mehrere Messungen durchgeführt. Die Ergebnisse der Messungen unterscheiden sich im Betrag und im Vorzeichen. Es treten also zufällige Fehler auf. • Eine eingehende Untersuchung lässt vermuten, dass ein Zusammenhang zwischen den Ergebnissen und den Temperaturänderungen besteht. Die Versuche werden im Temperaturschrank mit verschiedenen Temperaturen wiederholt, ebenso werden die Messungen im Laboratorium bei gleichzeitiger Registrierung der Temperatur noch einmal durchgeführt. Es zeigt sich, dass die Fehler eindeutig von der Raumtemperatur abhängen. Es sind jetzt systematische Fehler. Beide Beispiele lassen etwas Grundsätzliches erkennen: Mit verfeinerten Versuchsbedingungen und besserer Systemkenntnis werden immer mehr zufällige Fehler zu systematischen. Das Standardbeispiel der Wahrscheinlichkeitsrechnung für ein zufälliges Ereignis, das Würfeln, braucht grundsätzlich kein zufälliges Ereignis zu sein. Ist die Geschwindigkeit, die Richtung, der Drehimpuls des Würfelns beim Wurf bekannt, lässt sich das Ergebnis nach den Gesetzen der Mechanik berechnen. Der Aufwand, die Versuchsbedingungen festzulegen, ist in diesem Fall aber sehr hoch. Im folgenden Beispiel soll nun dargestellt werden, in welcher Weise die Fehlereinteilung vom Standpunkt des Beobachters abhängen kann. • Die Untersuchung soll Aufschluss über die Temperaturfehler von Spannungsmessern geben, die in einer Fertigung produziert werden. Dazu werden nach dem oben genannten Beispiel die einzelnen Geräte der Produktion in einem Temperaturschrank untersucht und die Temperaturfehler festgestellt. Zeigen sich von Exemplar zu Exemplar abweichende Ergebnisse, wird man von zufälligen Fehlern sprechen. Fehler, die in dem oben genannten Beispiel als systematisch eingeteilt wurden, werden hier im Zusammenhang mit einer anderen Aufgabe zu zufälligen Fehlern. Bei empfindlichen analogen Messverfahren werden auch bei vollkommener Systemkenntnis und sehr verfeinerten Versuchsbedingungen von Messung zu Messung Schwankungserscheinungen beobachtet, die grundsätzlicher Art sind. Diese Erscheinungen, die den zufälligen Fehlern zuzurechnen sind, werden als „Rauschen“ bezeichnet. Die Ursache für das Rauschen liegt in der kor67 puskularen Natur der Materie und der Energie. Die Materie ist aus Molekülen und Atomen aufgebaut, Energie wird nach den Erkenntnissen der Quantentheorie nur in diskreten Portionen, den Quanten, übertragen. Jedes reale System, auch eine Messeinrichtung, steht mit der Umwelt in Wechselwirkung. Es wird in jedem Augenblick Energie oder auch Materie transportiert oder ausgetauscht. Wegen des korpuskularen Charakters geht dies nur unter Schwankungserscheinungen vor sich. Grundsätzlich wirken sich diese Schwankungserscheinungen auch auf das Messsignal aus und sind dort mit empfindlichen Messprinzipien nachweisbar. Manche Messgrößen sind streng genommen keine determinierten Größen. Der Druck eines Gases z. B. ist die mittlere zeitliche Impulsänderung der auf die Messmembran aufprallenden Gasmoleküle. Es ist klar, dass sich diese Reaktionskraft „Druck“ in jedem Augenblick ändert. Mit Kondensatormikrophonen ist dies unschwer nachzuweisen. 3.6.1 Bestimmung zufälliger Fehler Einen einmal gemessenen, zufälligen Fehler anzugeben, ist sinnlos. Bei der nächsten Messung ist ein anderes Ergebnis zu erwarten. Zur Beurteilung von zufälligen Fehlern wird man mehrere Messungen heranziehen müssen. xr x xi x a) t T1 xi x x r b) T1 x t Abbildung 3.18: Beispiele für kontinuierlich registrierte Messwerte bei konstanter Messgröße und gleichbleibenden Versuchsbedingungen Hier wird angenommen, dass die Messgröße ihren Wert in der Versuchszeit nicht ändert und die Anzeige laufend registriert wird oder fortlaufend in diskreten Zeitpunkten die Messwerte x abgelesen werden. Zwei Beispiele zeigt der Registrierstreifen in Abbildung 3.18. Die Versuchsbedingun68 gen werden während der Versuchszeit konstant gehalten, der „Charakter“ der Fehler bleibt in dieser Zeit gleich. Wie nun die Messungen auszuwerten sind und wie der zufällige Fehler anzugeben ist, wird im folgenden beschrieben. 3.6.2 Mittelwert, Schätzwert und Standardabweichung Betrag und Vorzeichen nicht vorhersehbarer Fehler können im einzelnen nicht angegeben werden. Aus den Messwerten wird der mittlere Wert der Messgröße x in der Versuchszeit T gebildet. In der Praxis ist nur eine begrenzte Anzahl n von Messungen durchführbar. Der daraus berechnete Mittelwert x ist dann nur ein Schätzwert x̂ . x= 1 n ⋅ ∑ xi = xˆ n i =1 für n < ∞ (3.41) Die Differenz zum richtigen Wert xr wird als systematischer Fehler bezeichnet. Fs = x − xr (3.42) Der zufällige Fehler wird durch die Streubreite um den mittleren Wert x charakterisiert. Dazu kann ein Histogramm dienen. Polygon durch Klassenmitte h h= ∆x ν∆x ( ν+1 )+∆x nν n∆x x Abbildung 3.19: Beispiel für ein Histogramm Ein Histogramm oder eine Häufigkeitsverteilungsdichte erhält man, indem man die Messwerte xi nicht nach ihrer zeitlichen Reihenfolge wie beim Registrieren ordnet, sondern Klassen der Breite ∆x bildet und feststellt, wie viele Messwerte nν, z. B. in die Klasse 69 [ν∆x; (ν + 1)∆x[ fallen. Als Abszisse trägt man den Messwert ν ∆x, als Ordinate die relative Häufigkeitsdichte hv = nν n∆x auf. Die Gesamtzahl der Messungen beträgt n = ∑ nν . Der in Klassen eingeteilte Bereich von x sollte alle Messwerte umfassen. Die Klassenbreite ∆x ist so zu wählen, dass der Polygonzug durch die Klassenmitte eine einigermaßen glatte Kurve gibt (Abbildung 3.19). Für jedes Histogramm ist die Fläche A zwischen Kurve und Abszisse A = 1. Es gilt für die Treppenkurve, die flächengleich mit dem Polygonzug ist: A = ∆x ⋅ ∑ ν nν ∑ nν = 1 = n∆x n (3.43) Wäre im Idealfall eine unendliche Anzahl von Messungen möglich, könnte das Ergebnis durch eine Mittelwertbildung vollständig vom Zufall befreit werden, so dass gälte: x= 1 n ⋅ ∑ xi = x r n i =1 für n → ∞ (3.44) Dann ist: n ∑ (x i =1 i − xr ) = 0 i − x r ) 2 = minimal . und n ∑ (x i =1 Als Maß für die Streuung der Werte dient die Varianz σ2: σ2 = 1 n ⋅ ∑ ( xi − x r ) 2 für n → ∞ n i =1 Die positive Quadratwurzel der Varianz wird Standardabweichung σ genannt. 70 (3.45) Ein Schätzwert σ̂ für σ kann nach Gl. (3.45) nicht bestimmt werden, da der wahre Wert xr nicht bekannt ist. Man kann nur mit dem Schätzwert x̂ aus Gl. (3.41) rechnen. In diesem Fall wird ein erwartungstreuer, unverzerrter Schätzwert der Standardabweichung s erhalten, wenn die Summe der Abstandsquadrate nicht durch n, sondern nur noch durch die Zahl der Vergleichsmessungen n-1 geteilt wird. Schätzwert der Varianz: s2 = n n 1 1 ⋅ ∑ ( xi − xˆ ) 2 = ⋅ ∑ ( xi − x ) 2 n − 1 i =1 n − 1 i =1 für n > 1 (3.46) Standardabweichung s und Varianz s2 der Stichprobe sind von großer praktischer Bedeutung. Ist z. B. die Standardabweichung aus früheren Versuchen oder aus Versuchen mit ähnlichen Anordnungen bekannt, kann man, auch wenn nur eine einzige aktuelle Messung vorliegt, auf die Unsicherheit dieser Messung aufgrund der bekannten Standardabweichung schließen. Alle in Abbildung 3.18 registrierten Messwerte haben etwa die gleiche Varianz. Doch unterscheidet sich der Fall a) erheblich von Fall b). Bei b) ist ein Messwert xi in gewisser Weise vom vorhergehenden abhängig. Man sagt die aufeinanderfolgenden Werte sind miteinander korreliert oder statistisch abhängig. Das Signal hat eine „Erhaltungstendenz“, der Messwert ändert sich von Messung zu Messung nicht sehr stark. Die Norm schreibt für die Auswertung von Messwerten vor, dass nur voneinander unabhängige Messwerte verwendet werden sollen. Dies lässt sich nicht immer mit Sicherheit erreichen. Im Fall abhängiger Messungen bringt die Verwendung von Gl. (3.41) und Gl. (3.46) unsicherere Ergebnisse. Steht z. B. in Abbildung 3.18 die Messzeit T1 zur Verfügung, so wird im Fall b) der Mittelwert x erheblich zu hoch, die Varianz s2 viel zu klein ermittelt. 3.6.3 Der zufällige Fehler in der Wahrscheinlichkeitsrechnung Ein Mittel, zufällige Ereignisse zu beschreiben, ist in der Wahrscheinlichkeitsrechnung die Dichte der Wahrscheinlichkeitsverteilung p(x). Der Ausdruck p ( x) ⋅ ∆x ist die Wahrscheinlichkeit, dass die zufällige Größe X im Bereich [x; x + ∆x] liegt. Wahrscheinlichkeitsdichten können in Einzelfällen aus den Versuchsbedingungen hergeleitet werden; öfter kann der Typ der Verteilung angegeben werden. Die für die Verteilung wichtigen Parameter müssen dann aus Stichproben experimentell bestimmt werden. Für die grundsätzlichen Überlegungen wird angenommen, dass die Dichte explizit bekannt ist. Die Verbindung der Theorie zum Experiment geschieht über verschiedene Grenzwertsätze, z. B. über das Bernoullische Gesetz der großen Zahlen. Versuchsergebnisse, ermittelt aus großen Stich71 proben, unterscheiden sich mit Sicherheit nur um ein Geringes von den Ergebnissen nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Ein einfaches Beispiel: Das Histogramm geht mit wachsendem Stichprobenumfang in die Dichte der Wahrscheinlichkeitsverteilung über. Ist die Dichte der Verteilung p(x) gegeben, lässt sich der Mittelwert µ der Messgröße x leicht errechnen. Der Messwert ist eine stochastische Größe, die viele Werte annehmen kann. Betrachten wir den Wertebereich bei x, [x…X…x + ∆x], so ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Messwert in diesem Bereich liegt p(x)⋅∆x, und der Beitrag zum Mittelwert ergibt x⋅p(x)⋅∆x. Der Mittelwert µ, bzw. der Erwartungswert E{x} für alle Werte der Messgröße errechnet sich, wenn die Summe durch ein Integral ersetzt wird, zu: µ = E{x} = ∫ x ⋅ p( x)dx (3.47) Es wird nun angenommen, dass dieser Mittelwert µ das bestmögliche Messergebnis darstellt, das mit Hilfe der Messeinrichtung überhaupt gewonnen werden kann. Wie kommt man zu dieser Annahme? Im Eingang zu Kapitel 3.6 ist gezeigt worden, dass manche Messgrößen bei genauerer Betrachtung keine determinierten Größen sind, sondern, wie der Druck auf das Kondensatormikrophon, als Mittelwerte anzusehen sind. Oder: man nimmt an, dass dem Signal a, welches die Messeinrichtung liefert, ein stochastisches Störsignal z überlagert ist. Für das Störsignal wird man erwarten dürfen, dass sich positive und negative Fehler im Mittel aufheben, d.h. x=a+z E{z} = 0 = ∫ z p ( z ) dz = ∫ ( x − a ) p ( x − a ) d ( x − a ) = µ − a (3.48) Ist dem Ausgangssignal der Messeinrichtung ein Störsignal mit dem Mittelwert Null überlagert, so ist das Messergebnis der Mittelwert oder der Erwartungswert des Signals. Die Voraussetzung liegt oft nicht vor. Ist z. B. das Eingangssignal der Messeinrichtung von einem starken Störsignal überlagert, und hat das Gerät eine Kennlinie, die gekrümmt ist, tritt im Ausgangssignal ein Fehler auf, dessen Mittelwert nicht zu Null wird. Bei Rauschuntersuchungen wird im allgemeinen der Pegel des Störsignals so niedrig sein, dass die Kennlinie im beanspruchten Bereich immer als linear gelten kann. Auch kann durch Mittelung kein systematischer Fehler eliminiert werden. Ein systematischer Fehler wird, gleichgültig wie oft gemessen wird, im Mittel nie zu 72 Null (vgl. Gl. (3.42)). Solche Fehler können nur durch Prüfen mit einem Normal oder einem Präzisionsinstrument festgestellt werden. In Gl. (3.47) erkennt man, dass der Mittelwert der Messgröße durch die Dichte der Verteilung gegeben ist. Umgekehrt ist natürlich die Verteilung durch verschiedene Mittelwerte bestimmt. Zur Kennzeichnung der Verteilung reichen hier zwei Mittelwerte aus. 1. Das erste Moment oder der Schwerpunkt µ der Verteilung ist definiert durch µ = E{x} = ∫ x ⋅ p( x)dx (3.49) 2. Die Varianz oder das Zentralmoment 2. Ordnung σ2 ist definiert durch σ 2 = E{( x − µ ) 2 } = ∫ ( x − µ ) 2 p( x)dx (3.50) σ2 p(x) (x-µ)2 p(x) (x-µ)2 p(x) µ x Abbildung 3.20: Mittelwert und Varianz einer stochastischen Variablen x Der Begriff „Schwerpunkt“ macht anschaulich, wo sich die Größe im Mittel befinden wird. Die Varianz gibt einen Anhalt über die Breite der Dichte (Abbildung 3.20). Die schraffierte Fläche stellt die Varianz der Variablen x dar. Jetzt ist noch die Frage zu beantworten, wie sicher eine einzelne Messung ist. Dazu muss der Begriff „Statistische Sicherheit“ eingeführt werden. Die Statistische Sicherheit P(c) gibt die Wahrscheinlichkeit in Prozent an, mit welcher der Messwert im Toleranzband µ - cσ… µ + cσ liegt: P(c) = P{ x − µ < cσ } ⋅100% 73 (3.51) Ist die Dichte bekannt, errechnet sich P(c) zu: P (c ) = ∫ µ + cσ µ − cσ p ( x)dx ⋅100% (3.52) Waren genügend viele und von einander unabhängige Einflussgrößen wirksam und wurden genügend viele Einzelmessungen durchgeführt, so sind die Messwerte normalverteilt. Die Normal- oder Gaußsche Verteilung kommt in der Messtechnik sehr häufig vor. Ihre Dichte ist gegeben durch: ( x − µ )2 1 p ( x) = ⋅ exp− 2σ 2 σ 2π (3.53) Hierbei beschreibt µ den Mittelwert oder Schwerpunkt der Verteilung. 68,3% p(x) 95,5% µ-2σ µ µ-σ µ+σ µ+2σ x Abbildung 3.21: Gaußsche Verteilung Bei einer normierten Darstellung gibt die Fläche unter der Kurve die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Wertes in einem bestimmten Bereich an. Die Gesamtfläche unter der Kurve ist dann gleich eins. Der Einfluss der Parameter µ und σ2 auf Lage und Gestalt der durch Gl. (3.53) gegebenen Kurve erkennt man in Abbildung 3.21; die Kurve verläuft symmetrisch zu der durch x = µ gegebenen Geraden, sie besitzt an den Stellen µ - σ und µ + σ Wendepunkte und hat bei x = µ ein Maximum mit dem Funktionswert 1 σ 2π . 74 Stellt sich nun das Problem wie groß die Wahrscheinlichkeit P für das Auftreten eines Messwertes im Bereich µ - cσ…µ + cσ ist, so ergibt sich die Lösung aus der Integration der Normalverteilung zwischen µ - cσ…µ + cσ : P µ + cσ = ∫µ = µ + cσ (x − µ)2 2 ⋅∫ exp − dx 2σ 2 σ 2π µ − cσ p ( x)dx (3.54) Lösung des Integrals über Substitution: t= x−µ σ 2 dx = σ 2 dt ⇒ mit x − µ = ε = cσ eingesetzt in die Integrationsgrenzen gilt: tε = ε σ 2 = c 2 Damit folgt: P(t ε ) = 2 π tε [ ] ⋅ ∫ exp − t 2 dt = erf (t ε ) 0 (3.55) Dieses Integral wird als Fehlerintegral bezeichnet und ist in tabellierter oder graphischer Form in der Literatur zu finden. 100 (%) 80 70 60 P( tε ) 50 40 30 20 10 0 0 0,5 1,0 Abbildung 3.22: Gaußsches Fehlerintegral 75 1,5 c 2,0 2,5 3,0 Damit kann man auch formulieren, dass mit einer 50%igen Wahrscheinlichkeit der einzelne Messwert im Bereich µ ± 0,675σ liegt. 50,0% liegen im Bereich µ ± 0,675σ 68,3% liegen im Bereich µ ± σ 95,5% liegen im Bereich µ ± 2σ 99,7% liegen im Bereich µ ± 3σ Die Standardabweichung ist ein Maß für die Messunsicherheit. In Verbindung mit der gewünschten Wahrscheinlichkeit wird man die Messunsicherheit als cσ angeben, wobei das Vielfache c der Standardabweichung aus dem Kurvenverlauf in Abbildung 3.22 entnommen wird. 3.6.4 Kovarianz Im Abschnitt 3.6.2 war von der „Erhaltungstendenz“ eines Signals die Rede (Abbildung 3.18). Gemeint war dort offenbar, dass ein Signalwert x(t) zur Zeit t sich bis zur Zeit t + T nicht allzu sehr ändert, also x = x(t) ≈ x(t + T) ist. Dieser Sachverhalt lässt sich in der Wahrscheinlichkeitsrechnung durch die Kovarianzfunktion beschreiben. Die Kovarianzfunktion K zweier stochastischer Größen u und v mit dem Mittelwert E{u} = E{v} = µ ist gegeben durch: K u ,v (T ) = E{(u − µ )(v − µ )} = ∫∫ (u − µ )(v −µ ) p (u , v;T )dudv (3.56) und ist ein Maß dafür, wie zwei Zufallsgrößen u und v voneinander abhängen. u und v werden als unkorreliert bezeichnet, wenn K u ,v (T ) = 0 ist. p(u, v ;T) ist die Dichte der Verbundwahrscheinlichkeit der beiden Variablen u und v nach der Zeit T. Aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung ist das Theorem von Bayes bekannt. Danach lässt sich die Verbundwahrscheinlichkeit p(u, v) aufspalten in eine Marginalwahrscheinlichkeit p(u) und eine bedingte Wahrscheinlichkeit p(v/u): p (u , v) = p (u ) ⋅ p (v / u ) = p (v) ⋅ p (u / v) . 76 Die bedingte Wahrscheinlichkeit p(v/u)∆v beschreibt die Wahrscheinlichkeit, mit der das Signal zur Zeit t + T im Bereich [v; v + ∆v] liegt, wenn zur Zeit t der Signalwert u = u(t) anliegt. Auf die Berechnung von bedingten Wahrscheinlichkeiten wird hier nicht eingegangen, es lohnt aber, sich den Verlauf dieser Dichten anschaulich klar zu machen. Dies illustriert Abbildung 3.23 anhand von Signalen mit großer und kleiner Erhaltungstendenz (siehe Abbildung 3.18). große Erhaltungstendenz u,υ u,υ T u υ u u T u=µ t p(υ/u) p(υ/u) u p(υ/u) u p(υ/u) kleine Erhaltungstendenz u,υ u T u u=µ u υ t u p(υ/u) p(υ/u) p(υ/u) u p(υ/u) Abbildung 3.23: Signale mit großer und kleiner Erhaltungstendenz und einige Dichten der bedingten Wahrscheinlichkeit Bei Signalen mit großer Erhaltungstendenz wird der Signalwert v = u(t + T) überwiegend in der Nähe der Bedingung u = u(t) liegen. Die bedingte Wahrscheinlichkeit p(v/u) wird demnach ihren Schwerpunkt in der Nähe der Bedingung u haben. Die Dichte der bedingten Wahrscheinlichkeit p(v/u) wird schmal und spitz und sehr abhängig von der Lage der Bedingung u sein. Bei Signalen mit kleiner Erhaltungstendenz werden die Signalwerte v = u(t + T) fast unabhängig von der Bedingung u = u(t) sein und sich eben um den Mittelwert µ gruppieren. Zwei Extremfälle sind denkbar: 1. Der Signalwert v ist starr an den Wert von u gebunden, und nach einem Wert u tritt immer ein Wert v = u. Die bedingte Wahrscheinlichkeitsdichte geht dann in die Impulsfunktion über: p (v / u ) = δ (v − u ) . 77 2. Die Größen v und u sind voneinander unabhängig. Dann ist die bedingte Wahrscheinlichkeit unabhängig von der Bedingung u und es gilt: p (v / u ) = p (v ) . Man erhält damit und mit Gl. (3.56) die Extremwerte für Ku,v(T). zu 1.: K u ,v (T ) = ∫∫ (u − µ)(v − µ)δ (v − u ) p (u )dudv = ∫ (u − µ) 2 p (u )du (3.57) =σ2 zu 2.: K u ,v (T ) = ∫∫ (u − µ)(v − µ) p (u ) p (v)dudv = ∫ (u − µ ) p (v)du ⋅ ∫ (v − µ) p (v)dv (3.58) =0 Die Kovarianzfunktion der Größen u = u(t) und v = u(t + T) liegt im Bereich K u ,v (T ) ≤ σ 2 Über die Rolle des Parameters T in der Kovarianzfunktion muss noch gesprochen werden: Bei einem registrierten Signal u(t) hängt der Wert der Kovarianzfunktion offensichtlich von der Wahl von T ab. Wähle ich T groß, haben auch im Registrierstreifen b) aus Abbildung 3.18 die Werte x(t) und x(t + T) nichts miteinander zu tun, die Erhaltungstendenz ist auch dann gering. Wähle ich T sehr klein, ε > T > 0, ε → 0, ist sowohl im Streifen a) als auch b) in Abbildung 3.18 die Erhaltungstendenz stark. Die Erhaltungstendenz dient bei gegebenem T dem Vergleich verschiedener Signale untereinander! Offen ist noch die Frage, wie man in der Praxis zu dem Mittelwert und der Varianz kommt, oder wie der Zusammenhang der Stichprobenmittelwerte mit denen aus der Verteilung ist. 3.6.5 Mittelwerte aus der Stichprobe und der Verteilung Wir haben vorausgesetzt, dass unser Messvorgang stationär abläuft. Die einzelnen Messwerte, die zum Stichprobenmittelwert addiert werden, sind zufällige Größen. Gehören alle Werte xi aus der Stichprobe, die zu verschiedenen Zeitpunkten genommen worden sind, zu einer Verteilung oder 78 Grundgesamtheit - in der Statistik nennt man einen solchen Prozess ergodisch -, lässt sich der Erwartungswert von x̂ berechnen. Es gilt mit Gl. (3.41): 1 n 1 n 1 n 1 E{xˆ} = E ∑ xi = ∑ E{xi } = ∑ µ = ⋅ n ⋅ µ = µ n i =1 n n i =1 n i =1 (3.59) Man sagt, die Schätzung x̂ von µ ist „erwartungstreu“. Wie ändert sich nun die Varianz von x̂ mit zunehmendem Stichprobenumfang? Die Rechnung ergibt: σ x̂2 1 n 1 n 2 = E ( xˆ − µ ) = E{( xˆ − µ )( xˆ − µ )} = E ∑ xi − µ ∑ x j − µ n i =1 n j =1 { } 1 n 1 n 1 n = E ∑ ( xi − µ ) ∑ (x j − µ ) = E 2 ∑ [( xi − µ )(x j − µ )] n j =1 n i =1 n i , j =1 = 1 n 2 n ∑ E{(xi − µ )(x j − µ )} = i , j =1 1 n 2 (3.60) n ∑K i , j =1 xi x j 1. Bei starrer Bindung von xi und xj gilt: 2 K xi x j = σ σ x2ˆ = 1 n 2 n ∑K i , j =1 xi x j = 1 n 2 n ∑σ 2 = i , j =1 1 n 2 ⋅ n2 σ 2 = σ 2 2. Bei statistischer Unabhängigkeit von xi und xj gilt: 2 K xi x j = σ für i = j bzw. T = 0 K xi x j = 0 für i ≠ j n 1 n 2 n 1 n 2 1 1 n 1 n σ2 σ = 2 ∑ K xi x j = 2 ∑ K xi x j + ∑ K xi x j = 2 ∑σ + ∑ 0 = 2 ∑σ = 2 nσ 2 = n i , j =1 n i , j =1 n i =1 n n i , j =1 i , j =1 n ii =, jj=1 i≠ j i≠ j i= j 2 xˆ σ2 n (3.61) → 0 für n → ∞ Bei unabhängigen Messungen strebt mit größer werdender Stichprobe der Stichprobenmittelwert gegen den Mittelwert der Verteilung. Die Varianz des Stichprobenmittelwertes geht dabei gegen Null. In der Statistik sagt man, die Schätzung x̂ von µ ist konsistent oder x̂ geht im Mittel gegen µ und schreibt hierfür lim x̂ = µ. 79 Es gilt der Satz: Der Stichprobenmittelwert x̂ Gl. (3.41) geht mit wachsendem Stichprobenumfang gegen den Mittelwert µ, wenn die einzelnen Messungen xi voneinander unabhängig sind. Weiter wird in der Statistik gezeigt, dass der Stichprobenmittelwert die beste lineare Rechenvorschrift für µ ist und dass bei Normalverteilung des Fehlers der Stichprobenmittelwert x̂ optimal zur Bestimmung von µ ist. Wie ist nun der Zusammenhang zwischen der Varianz der Stichprobe E{s 2} und der Varianz aus der Verteilung σ? Mit Gl. (3.46) und Gl. (3.58) erhält man: E{s 2} = n n 1 1 2 2 E ∑ ( xi − xˆ ) = E ∑ [( xi − µ ) + (µ − xˆ )] n − 1 i =1 n − 1 i =1 = n n n 1 2 2 E ∑ ( xi − µ ) + 2∑ [( xi − µ )(µ − xˆ )] + ∑ (µ − xˆ ) n − 1 i =1 i =1 i =1 Es folgt mit Gl. (3.41): n j =1 n 1 1 µ − xˆ = − ∑ x j + µ = − ∑ (x j − µ ) n n j =1 und damit E{s 2} = n 1 1 n 2 E ∑ (xi − µ ) − ∑ [( xi − µ )(x j − µ )] . n − 1 i =1 n i , j =1 n Für unabhängige Messungen xi und xj gilt ∑ [(x − µ )(x i i , j =1 E{s 2} = j − µ )] = 0 und daher: 1 [nσ 2 − 0] = n σ 2 . n −1 n −1 Für unabhängige Messwerte xi gibt die Stichprobenvarianz eine erwartungstreue Rechenvorschrift für die Varianz an. In der Statistik wird gezeigt, dass die Stichprobenvarianz mit größer werdender Stichprobe im Mittel gegen die Varianz geht: lim s2 = σ 2. Sind die Messwerte voneinander abhängig, wird die Varianz durch die Stichprobenvarianz zu klein geschätzt. Der wichtige Punkt „Unabhängigkeit der Messwerte“ wurde eingehend behandelt, weil in der Praxis sehr oft leichtfertig damit umgegangen wird. Ein Beispiel soll darauf noch einmal hinweisen: 80 Ein Messgerät zeigt im Prüffeld eine sehr geringe Stichprobenvarianz, in der verfahrenstechnischen Anlage dagegen liegt die Stichprobenvarianz erheblich höher. Der Grund dafür kann beispielsweise in einem Temperaturfehler liegen, der sich bei der gleichbleibenden Temperatur im Prüffeld nicht auswirkt. Die Messwerte sind im Prüffeld nicht voneinander unabhängig. In der Anlage dagegen wirken sich die durch Tageszeiten und Wetter bedingten Temperaturschwankungen, die zufälligen Charakter haben, voll auf das Messergebnis aus. 81 4 Fehlerfortpflanzung 4.1 Fehlerfortpflanzung der systematischen Messfehler Nur im einfachsten Fall ist der Messwert das Messergebnis. Hier sollen nun Messergebnisse y und ihre Fehler untersucht werden. Die Größe y sei der direkten Messung nicht zugänglich. Sie ist aber eine bekannte Funktion der messbaren und mit den Fehlern ∆xi behafteten Größen xi;i=1,…,n. y = f ( x1 , x2 ..., xn ) (4.1) Wo kommt es vor, dass das Ergebnis von mehreren Messwerten xi abhängig ist? Zum Beispiel bei der Dichte ρ=f(T,p) oder dem Wirkungsgrad eines Dampferzeugers. Dieser wird durch den Heizwert und den Durchfluss des Brennstoffes sowie durch die Dampftemperatur und den Druck in vielen Einzelmessungen bestimmt. Die Einzelfehler ∆xi führen zu einem Gesamtfehler ∆y, der berechnet werden soll. ∆y wird angesetzt als Differenz zwischen dem fehlerbehafteten und fehlerfreien, „richtigen“ Funktionswert. ∆y = y − y r = f ( x1 + ∆x1 , x2 + ∆x2 ,... xn + ∆xn ) − f ( x1 , x2 .... xn ) (4.2) Mit Hilfe der nach dem linearen Glied abgebrochenen Taylorreihe der Funktion y lässt sich die Differenz ∆y aus den partiellen Ableitungen und den als klein angenommenen Änderungen ∆xi berechnen: (also ∆xi << xi ; ∆xi sind vorzeichenbehaftet) ∆y = ∂f ∂f ∆x1 + ... ∆x n ∂x1 ∂x n ∂f =∑ ∆x i i =1 ∂x i (4.3) n für ∆xi << xi In diese Gleichung sind die Einzelfehler ∆xi mit ihren Vorzeichen einzusetzen und der fehlerbehaftete Messwert ist entsprechend zu korrigieren. y r = y − ∆y (4.4) Beispiele: 1. Ist die zu berechnende Größe y z. B. eine Linearkombination der gemessenen Größen xi, 82 y = a1 x1 + a2 x2 + ...an xn so ist ∆y = a1∆x1 + a2 ∆x2 + ... + an ∆xn Der absolute Gesamtfehler ∆y ist also die Summe der mit den Koeffizienten ai multiplizierten absoluten Einzelfehler ∆xi. 2. Multiplikation: y = a1 x1α1 ⋅ a2 x2α 2 ...an xnα n n = ∏ ai ⋅ xiα i i =1 Partielle Ableitung von y nach x1 ist ∂y = α 1a1 x1α1 −1 ⋅ a2 x2α 2 ...a n xαn n ∂x1 = y⋅ α1 x1 Allgemein wird für die xi erhalten: α ∂y = y⋅ i ∂xi xi (4.5) n ∆x ∆y = y ∑ α i i xi i =1 (4.6) Mit Gl. (4.3) gilt: oder ∆y n ∆xi = ∑ α i y xi i =1 Der relative Gesamtfehler ∆y/y ergibt sich also als Summe der mit den Exponenten αi multiplizierten relativen Einzelfehler. In allen anderen Fällen wird entsprechend Gl. (4.3) verfahren! 83 4.2 Fehlerfortpflanzung zufälliger Messfehler Wie schon bei der Fortpflanzung systematischer Fehler muss auch für die zufälligen Fehler der Einfluss auf das Messergebnis untersucht werden. Der Messung zugänglich sind die mit zufälligen Fehlern behafteten Messgrößen x1,x2,…,xn. y = f ( x1 , x2 ,..., xn ) (4.7) Aufgrund der Fehler werden wiederholte Messungen der Größen x1 , x2 ,..., xn durchgeführt. x1 sei m-mal gemessen. Dann gilt für den Fehler: ∆x1 j = x1 j − x1r mit x1 = 1 m ⋅ ∑ x1 j m j =1 für k Messwerte von x2 gilt ebenso: ∆x2 v = x2 v − x2 r mit x2 = 1 k ⋅ ∑ x2 v k v =1 Für ein beliebig herausgegriffenes Messwertepaar x1j und x2ν ist yjν: y jv = f (x1 j , x2 v ) = f (x1 + ∆x1 j , x2 + ∆x2 v ) (4.8) f(x1j,x2ν) wird durch die nach dem ersten Glied abgebrochene Taylorreihe ersetzt: y jv = f ( x1 , x 2 ) + ∂f ( x1 , x 2 ) ∂f ( x1 , x 2 ) ∆x 2v ∆x1 j + ∂x 2 ∂x1 (4.9) Der Mittelwert y der yjν - Werte ergibt sich zu: y= 1 1 m k ⋅ ∑∑ y jv m k j =1 v =1 11 m k ∂f ( x1 , x2 ) ∂f ( x1 , x2 ) ∆x2v ∆x1 j + = ⋅ ∑∑ f ( x1 , x2 ) + ∂x2 ∂x1 m k j =1 v =1 84 (4.10) = f ( x1 , x2 ) + 1 ∂f ( x1 , x2 ) m 1 ∂f ( x1 , x2 ) k ⋅ ∑ x2 v ⋅ ∑ ∆x1 j + m ∂x1 k ∂x2 j =1 v =1 = f ( x1 , x 2 ) da gemäß der Definition des Mittelwertes die Summen der Abweichungen ∑ ∆x 1j und ∑ ∆x2ν zu Null werden. Der Mittelwert y der zu berechnenden Größe ergibt sich aus den Mittelwerten x der gemessenen Größen. y = f ( x1 , x2 ,..., x n ) (4.11) In der Regel ist die Berechnung von y aus den Mittelwerten xi einfacher, als wenn erst alle Einzelmessergebnisse y bestimmt werden. 4.2.1 Berechnung der Standardabweichung eines mit zufälligen Fehlern behafteten Messergebnisses Zunächst wird angenommen, dass unendlich viele Einzelmessungen durchgeführt wurden und dass die wahren Standardabweichungen σ1 und σ2 der beiden Messgrößen x1 und x2 bekannt sind. Berechnet werden soll die Standardabweichung σy der y- Werte. Nach der Definition von σ aus Kapitel 3, Gl. (3.45) folgt für σy: 2 σy = 11 m k ⋅ ∑∑ ( y jv − yr ) m k j =1 v =1 (4.12) Das richtige Messergebnis wird durch yr symbolisiert: y r ≈ y = f (x1 , x 2 ) (4.13) mit Gl. (4.9) gilt für yjν - yr: y jν − y = f ( x1 , x2 ) + ∂f ( x1 , x2 ) ∂f ( x1 , x2 ) ∆x1 j + ∆x2v − f ( x1 , x2 ) ∂x1 ∂x2 ∂f ( x1 , x 2 ) ∂f ( x1 , x 2 ) ∆x 2 v ∆x1 j + = ∂x 2 ∂x1 85 (4.14) Dieser Ausdruck wird quadriert: (y − y) 2 jν ∂f ( x1 , x2 ) ∂f ( x1 , x2 ) = ∆x1 j + ∆x2v ∂x1 ∂x2 2 + 2⋅ 2 ∂f ( x1 , x2 ) ∂f ( x1 , x2 ) ∆x1 j ⋅ ∆x2v ∂x1 ∂x2 Nach Gl. (4.12) muss nun aufsummiert werden: ∑∑ ( y m 2 k j =1 v =1 jv − y) ∂f ( x1 , x2 ) ∆x1 j = ∑∑ ∂x1 j =1 v =1 m k 2 ∂f ( x1 , x2 ) + ∑∑ ∆x2v ∂x2 j =1 v =1 m k 2 (4.15) m k ∂f ( x1 , x2 ) ∂f ( x1 , x2 ) + 2 ⋅ ∑∑ ∆x1 j ⋅ ∆x2 v ∂x1 ∂x2 j =1 v =1 ∑∑ (∆x m Für unabhängige Messungen von x1 und x2 gilt k 1j j =1 v =1 ⋅ ∆x 2v ) = 0 . Daher kann der letzte Summenterm der obigen Gleichung zu null gesetzt werden. Es gilt dann: ∑∑ ( y m 2 k j =1 v =1 jv − y) ∂f ( x1 , x2 ) = k ⋅ ∂x 1 2 ∑ (∆x ) j =1 ∂f ( x1 , x2 ) + m ⋅ ∂x 2 2 m 2 1j (4.16) 2 k ∑ (∆x ) v =1 2v Mit 2 1 m σ = ⋅ ∑ (∆x1 j ) m j =1 2 1 2 und 1 k σ = ⋅ ∑ (∆x 2 v ) k v =1 2 2 (4.17) ist Gl. (4.16): ∂f ( x1 , x2 ) ∂f ( x1 , x2 ) σ = km ⋅ σ 1 + km ⋅ σ 2 ∂x1 ∂x2 2 2 2 y Nach Division durch k⋅m und anschließende Wurzelziehung folgt für σy aus Gl. (4.12): 86 (4.18) ∂f ( x1 , x2 ) 2 ∂f ( x1 , x2 ) 2 σ 1 + σ 2 σ y = ∂ x ∂ x 1 2 2 2 (4.19) Diese Gleichung bezeichnet man als Gaußsches Fehlerfortpflanzungsgesetz für zufällige Fehler. Nach Aufhebung der Beschränkung von zwei Variablen gilt: ∂y 2 σ y = ∑ σ i2 i =1 ∂xi n (4.20) In der Praxis sind die Standardabweichungen σi nicht bekannt, sondern nur die Schätzwerte si, da in der Praxis nicht unendlich viele Messwerte vorliegen. Der Schätzwert der Standardabweichung der y-Werte lautet: ∂y 2 si2 s y = ∑ i =1 ∂xi n (4.21) Beispiele: 1. y ist eine lineare Funktion y = ax1 + bx2 + cx3 ∂y ∂y ∂y und analog =a; ∂x2 ∂x3 ∂x1 ; Standardabweichung: s y = a 2 s12 + b 2 s22 + c 2 s32 2. y ist eine rationale Funktion x ⋅x y= 1 2 x3 ; ∂y x2 y = = ∂x1 x3 x1 2 ; ∂y x2 y2 = 22 = 2 x3 x1 ∂x1 ; ∂y x2 ⋅ x2 y2 = 1 4 2 = 2 x3 x3 ∂x3 ∂y analog ∂x2 x ⋅x y ∂y =− 1 2 2 =− x3 x3 ∂x1 Schätzwert der Standardabweichung: sy= y ⋅ s12 s 22 s32 + + x12 x22 x32 87 2 4.2.2 Überprüfung der Aussagefähigkeit der Schätzwerte x̂ und s Bei der Auswertung von Messergebnissen stellt sich unweigerlich die Frage: Wie nahe liegt der Mittelwert beim wahren bzw. richtigen Wert? Die Antwort soll in Form einer Wahrscheinlichkeit angegeben werden. Es müssen daher die Grenzen eines Bereiches ermittelt werden, innerhalb dessen sich der richtige Wert mit einer bestimmten statistischen Sicherheit befindet. Voraussetzung hierfür sei, dass unendlich viele Messwerte existieren und dass der Mittelwert µ sowie die Standardabweichung σ der Verteilung bekannt sind. Es werden von der Messgröße k Messwerte (1 << k << ∞) aus unendlich vielen Messwerten stichprobenartig bestimmt. Die erste Stichprobe der Messgröße x ergibt einen Mittelwert x1 . Entsprechend liefert die zweite Stichprobe den Mittelwert x2 usw. Es gilt jedoch x1 ≠ x2 ≠ K ≠ xn . Die Mittelwerte xi weichen weniger voneinander ab als die Messwerte. Durch die Mittelwerte xi x und die Standardabweichung wird eine neue Verteilung gebildet, die durch den neuen Mittelwert ~ σ ~x charakterisiert wird: 1 ~ x = ⋅ ( x1 + x2 + ... + xn ) n (4.22) 1 n = ⋅ ∑ xi n i =1 Bei hinreichend vielen Stichproben wird sich ~ x nicht vom Mittelwert µ aller Einzelmesswerte unterscheiden. Die Einzelmesswerte stammen aus einer Verteilung mit der Standardabweichung σ. Jeder Mittelwert xi hat bei ausreichendem Stichprobenumfang ebenfalls die Standardabweichung σ. Mit x 1 ∂~ = ∂x1 n und insgesamt n Mittelwerten errechnet sich die Standardabweichung σ ~x aus: 2 σ ~x2 = ⋅ (σ 2 + σ 2 + ... + σ 2 ) = 1 n 1 ⋅ nσ 2 2 n zu: σ ~x = σ n ⋅ (4.23) 88 Die Standardabweichung der Verteilung der Mittelwerte ist um 1 n kleiner als die der Einzelmesswerte. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 68,3% (c = 1; cσ ~x = σ ~x = σ n ) liegt also ein Mittelwert im Bereich σ ~ x± n Für den Fehler gilt mit 68,3% Wahrscheinlichkeit σ ~ x − xi ≤ n (4.24) In der Praxis kann nur mit dem Schätzwert s gerechnet werden. Sinngemäß gilt dann, dass der richtige Wert mit einer Wahrscheinlichkeit von 50,0% um höchstens ± 0,675 s 68,3% um höchstens ± 1 s n 95,5% um höchstens ± 2 s n 99,7% um höchstens ± 3 s n n vom gefundenen Mittelwert xi abweicht. Für den mittleren Fehler ∆x des Mittelwertes gilt (Wahrscheinlichkeit von 68,3%): s ∆x = ~ x−x = n (4.25) Das Messergebnis x wird in der Form des Mittelwertes mit seinen Grenzen (Vertrauensbereich) angegeben: x = x ±c s cs = x 1 ± n x n wobei der Faktor c entsprechend der gewünschten Aussagewahrscheinlichkeit gewählt wird. 89 (4.26) 4.3 Messunsicherheit bei bekannten Garantiefehlergrenzen Eine Analyse von systematischen und zufälligen Fehlern erfolgt nur in speziellen Fällen. Häufig werden Fehlerbetrachtungen anhand der Garantiefehlergrenze oder der Klassengenauigkeit durchgeführt. Ein Messgerätehersteller garantiert beispielsweise, dass die Fehler, der mit dem Messgerät unter festgelegten Bedingungen ermittelten Messwerte, innerhalb der angegebenen Grenzen liegen. Diese Garantiefehlergrenze gibt somit die äußerste Abweichung vom richtigen Wert, bzw. die maximal mögliche Unsicherheit des Messwertes an. (± )G = Unsicherheit ∆x Meßbereichsendwert X (4.27) Daraus folgt: ∆x = X ⋅ G ∆x X = ⋅G x x ; (4.28) Die relative Unsicherheit des Messwertes nimmt mit dem Verhältnis X/x zu. Daher resultiert auch die Forderung, den Messbereich immer weitestgehend auszunutzen. 4.4 Fortpflanzung von Fehlergrenzen y wird aus den gemessenen Größen x1, x2,…, xn berechnet. Die Garantiefehlergrenzen G1,G2,…,Gn und die Messbereichsendwerte X1,X2,…,Xn seien bekannt. Damit sind auch die Unsicherheiten ∆x1=X1G1 usw. bekannt. Wie groß ist nun die mögliche Unsicherheit des Messergebnisses y=f(x1,x2,…,xn)? Für die maximal mögliche Unsicherheit ∆y* gilt: n ∆y * = ∑ i =1 ∂f ∆xi ∂xi für ∆xi << xi (4.29) Bei zweiseitigen Fehlergrenzen wird wegen des unbekannten Vorzeichens mit den Beträgen gerechnet. Entsprechend gilt für die relative Unsicherheit (siehe Gl. (4.6)): y = a1 x1α1 ⋅ a 2 x2α 2 ⋅ K ⋅ a n xαn n ∆xi X i ∆x ∆y n Gi ; = = ∑α i i xi xi y xi i =1 90 n n ∆y * ∆x X = ∑ i α i = ∑ i Giα i y i =1 xi i =1 xi (4.30) Das Messergebnis wird dann angegeben als: ∆y * yr = y ± ∆y = y 1 ± y * (4.31) Die durch ±∆y* abgesteckten Grenzen werden als maximale oder „sichere“ Ergebnisfehlergrenzen bezeichnet. Es ist aber als unrealistisch anzusehen, dass xi um die volle Garantiefehlergrenze Gi verfälscht ist und dass alle Einzelfehler in die gleiche Richtung wirken. Realistischer ist, die wahrscheinlichen Fehlergrenzen zu ermitteln. Hierbei ist die Verteilung der Fehler nicht bekannt. Diese Unsicherheit wird als wahrscheinliche Unsicherheit ∆y** bezeichnet. Sie kann nicht mathematisch begründet berechnet werden. Daher wird hier die Rechenvorschrift für die Standardabweichung bei Messergebnissen übernommen. ∂f 2 si2 s y = ∑ i =1 ∂xi n Wird Gl. (4.21) auf die Fehlergrenzen bezogen, gilt: 2 ∂f ∆y = ∑ ∆xi = i =1 ∂xi n ** ∂f X i Gi ∑ i =1 ∂xi n 2 (4.32) bzw. ∆y ** = y 2 ∆xi α i = ∑ i =1 xi n Xi Giα i ∑ i =1 xi n 2 (4.33) Das Messergebnis wird angegeben als: ∆y ** yr = y ± ∆y ** = y 1 ± y 91 (4.34) Es erscheint wichtig an dieser Stelle noch einmal auf den Unterschied zwischen dem Fehler bei der Messung und der Unsicherheit eines Messergebnisses hinzuweisen! Der Messfehler beruht beispielsweise auf Störeinflüssen bei der Messung oder Ablesefehlern bei der Auswertung. Die Unsicherheit eines Messergebnisses ist der Bereich, der z. B. durch die feste Garantiefehlergrenze eines Messgerätes oder durch die bekannte Unsicherheit bei der Übertragung einer Messgröße zustande kommt. Die Unsicherheit des Messergebnisses lässt sich daher von vornherein bestimmen. 92 5 Strukturen von Messeinrichtungen Für die Messung einer Größe sind in der Regel mehrere Messgeräte erforderlich, die eine Messeinrichtung oder ein Messsystem bilden. Die Art und Weise, wie die Messgeräte verschaltet und die Signale verknüpft sind, wird als Struktur der Messeinrichtung bezeichnet. Diese ist für das statische und dynamische Verhalten der Messeinrichtung maßgebend und bestimmt, wieweit äußere Störgrößen und Änderungen der Messgeräteparameter das Messergebnis beeinflussen können. 5.1 Kettenstruktur Bei der sehr häufig angewandten Kettenstruktur sind die Messgeräte hintereinander geschaltet. Sie bilden eine Kette. Die Messeinrichtung enthalte beispielsweise drei Messgeräte mit den folgenden statischen Übertragungsgleichungen: y1=k1x1 y2=k2x2 y3=k3x3. Das Ausgangssignal des vorausgehenden Geräts ist jeweils das Eingangssignal des nachfolgenden, y1=x2;y2=x3 und der Messwert y3wird: y3 = k1k 2 k3 x1 . Bei der Messkette multiplizieren sich die Übertragungsfaktoren der einzelnen Messgeräte. Der Übertragungsfaktor K der Messeinrichtung ergibt sich als das Produkt der einzelnen Faktoren ki: K = k1k 2 K k n . (5.1) Die Empfindlichkeit E der Messkette lässt sich ebenso aus den Geräteempfindlichkeiten bestimmen. Die im vorausgegangenen Abschnitt entwickelten Rechenregeln zur Fortpflanzung von Fehlergrenzen sind sinngemäß auch auf Messeinrichtungen anzuwenden. Sind die Übertragungsfaktoren ki mit den Unsicherheiten ∆ki behaftet, so ist nach Gl. (4.33) die wahrscheinliche, relative Unsicherheit des Übertragungsfaktors K der gesamten Messkette ∆y ** = y n ∂f ∑ ∂x i =1 i ∆xi 93 2 2 ∆k ∆k ∆k ∆K ** = 1 + 2 + ... + n K k1 k 2 kn 2 (5.2) . 5.2 Parallelstruktur Differenzbildung zur Gleichtaktunterdrückung Eine Messeinrichtung ist parallel strukturiert, wenn mindestens zwei Größen gleichzeitig oder nacheinander mit demselben Übertragungsfaktor k gemessen und verarbeitet werden. Die Einrichtung von Abbildung 5.1 zum Beispiel verarbeitet die beiden Eingangssignale x1und x2und liefert die Signale y1 = kx1 y = y1 − y 2 x1 ; y 2 = kx2 = k ( x1 − x2 ) . k (5.3) y1 x2 k y y2 Abbildung 5.1: Messanordnung mit Differenzstruktur zur Gleichtaktunterdrückung Durch die Differenzbildung wird im einfachsten Fall der Nullpunkt unterdrückt und der Messbereich damit besser ausgenutzt. Ist x1 z. B. eine zu messende Spannung zwischen 0 und 250V und interessieren nur Spannungswerte größer als 200V, so kann durch Verwendung einer Referenzspannung x2= 200V der Messbereich entsprechend eingeengt werden. Die Referenzgröße muss dabei nicht konstant bleiben. So besteht z. B. bei der Messung geringer radioaktiver Strahlung das Problem, dass ein Detektor jeweils die Summe aus der natürlichen und künstlichen Radioaktivität erfasst. Wird jetzt ein zweiter Detektor zur Messung allein der natürlichen Strahlung benutzt und wird dessen Signal als „Nulleffekt“ von dem des ersten Detektors abgezogen, so ist das entstehende Differenzsignal ein Maß für die Stärke der künstlichen Quelle. Die Differenzbildung ist des weiteren geeignet, unerwünschte Einflüsse auf die Messgeräte zu korrigieren. Ist die Messgröße x1 beispielsweise der Wert eines Widerstandes, der von R0 ausgehend sich infolge einer Temperaturänderung um ∆RT und infolge einer Dehnung um ∆Rε ändert, und wird als Messgröße x2 derselbe Widerstand genommen und nur der Temperaturänderung ausgesetzt, so hängt die Differenz y der beiden Signale y = y1 − y 2 = k (R0 + ∆RT + ∆Rε ) − k (R0 + ∆RT ) 94 = k∆Rε nur noch von der Dehnung ab. Der Grundwiderstand R0 und seine Zu- oder Abnahme mit der Temperatur gehen explizit nicht in das Messergebnis ein. Ein Spezialfall ist die Verwendung sogenannter Differentialaufnehmer, deren Signale sich in Abhängigkeit von einer Messgröße gegensinnig ändern. So lässt sich z. B. eine Strecke smessen, indem der Abgriff eines Potentiometers um diese Strecke verstellt und die Differenz der abgegriffenen Widerstände gebildet wird. Von der Mittelstellung des Potentiometers ausgehend nimmt der Widerstand der einen Potentiometerhälfte um ∆R zu, der der anderen um ∆R ab. Das Messsignal R R y = k + ∆R − k − ∆R = 2k∆R 2 2 ist also doppelt so groß wie bei Verwendung einer Potentiometerhälfte und einer Nullpunktsunterdrückung von R/2. Darüber hinaus ist die Kennlinie der Differentialaufnehmer in einem gewissen Bereich auch dann linear, wenn die der Geberhälften gekrümmt ist. In diesen Beispielen haben sich die jeweils gleichen Signalanteile durch Differenzbildung gegenseitig aufgehoben. Nur die unterschiedlichen Anteile lieferten einen Beitrag zum Ausgangssignal. Die Messeinrichtungen sind unempfindlich gegen Gleichtaktstörungen. Additive Störungen fallen heraus. Beispiele für diese Strukturen sind die Differenzverstärker und die Brückenschaltungen. Verhältnisbildung zur Eliminierung der Messgeräteempfindlichkeit Die Differenz der Messsignale muss nicht kontinuierlich, sondern kann auch zu diskreten Zeitpunkten gebildet werden. Diese Vorgehensweise soll anhand der Schaltung in Abbildung 5.2 erläutert werden, bei der drei Messsignale nacheinander über einen Schalter an das Messgerät angeschlossen werden können. Unterstellt wird, dass das Messgerät schon ohne Eingangssignal das Ausgangssignal y0 liefert (fehlerhafter Nullpunkt) und den Übertragungsfaktor k besitzt. Werden als Eingangssignale xi z. B. 0, die zu messende Größe x und eine bekannte Referenzgröße xR gewählt, so werden nacheinander die folgenden Ausgangssignale yi erhalten: 1. Schritt: x1=0 2. Schritt: x2=x 3. Schritt: x3=xR y1=y0 y1=y0+kx y3=y0+kxR 95 y1 x1 x2 k x3 y2 y3 Abbildung 5.2: Serielle Messstellenabfrage und -verarbeitung Die Signale yi werden abgespeichert und weiterverarbeitet. Wird y1 von y2 subtrahiert, so fällt ein eventueller Nullpunktsfehler heraus und die Differenz ist proportional zu x. In der gleichen Weise kann auch y3 hinsichtlich des Nullpunkts korrigiert werden: y 2 − y1 = y * = kx y3 − y1 = y R* = kxR . Wird jetzt noch das Verhältnis der korrigierten Signale gebildet, so kürzt sich der Übertragungsfaktor k heraus und die zu messende Größe x ist gleich dem Referenzsignal xR, multipliziert mit dem Verhältnis aus den korrigierten Messwerten y* und y *R : y* kx = * y R kx R ; x = xR y* y R* (5.4) Durch die Verwendung einer Referenzgröße und die Bildung des Verhältnisses gehen die Messgeräteempfindlichkeit und ihre Änderung nicht mehr in das Messergebnis ein (multiplikative Störgrößen fallen heraus). Ein bekanntes Beispiel für diese Struktur ist der Zweirampen-Umsetzer. 5.3 Kreisstruktur Prinzip Kennzeichen der Kreisstruktur ist die Rückführung eines Signals vom Ausgang an den Eingang der Schaltung (Abbildung 5.3). Das rückgeführte Signal xG=kG·y wird im Summationspunkt 1 entweder zum Eingangssignal addiert (Vorzeichen + ) oder von diesem subtrahiert (Vorzeichen -). Die Rückführung des Signals mit einem positiven Vorzeichen, 96 x +- k1 y xG kG Abbildung 5.3: Kreisstruktur einer Messeinrichtung mit dem zurückgeführten Signal xG die Mitkopplung, kann zu schwingungsfähigen Systemen führen. Diese Systeme oszillieren auch dann noch, wenn das (zum Anstoßen benötigte) Eingangssignal nicht mehr vorhanden ist. Die zweite Betriebsweise, die Gegenkopplung, in der das rückgeführte Signal abgezogen wird, liegt den Messverstärkern und allgemein allen Kompensationsverfahren zugrunde. Ist k1 der Übertragungsfaktor der Messeinrichtung im Vorwärtszweig und kG der im Rückführungskreis, so hängen Eingangs- und Ausgangssignal wie folgt zusammen: y = k1 ( x − xG ) = k1 ( x − kG y ), y= k1 x 1 + k1kG (5.5) und die Empfindlichkeit E der Messeinrichtung wird E= k1 1 1 dy = = ≈ dx 1 + k1 k G 1 k1 + k G k G für k1 → ∞ . (5.6) Solange der Übertragungsfaktor k1 groß genug ist, um seinen Kehrwert gegenüber kG vernachlässigen zu können, beeinflusst er nicht die Empfindlichkeit der Messeinrichtung. Diese wird allein bestimmt durch den Übertragungsfaktor kG in Rückwärtsrichtung, der im allgemeinen durch stabile passive Bauelemente realisiert werden kann. Die große Verstärkung k1 in Vorwärtsrichtung erzwingt praktisch die Gleichheit von x und xG, x − xG ≈ 0 . (5.7) Kompensations- und Ausschlagverfahren Der geschlossene Wirkungskreis einer gegengekoppelten Messeinrichtung bedeutet immer eine Kompensationsmessung. Die Messgröße wird mit einer Referenz verglichen und die Messung ist durchgeführt, wenn die Differenz genügend klein geworden ist. Für die Genauigkeit ist der Übertragungsfaktor kG im Rückwärtszweig maßgebend. Von diesem Kompensationsverfahren ist das Ausschlagverfahren zu unterscheiden, das der Kettenstruktur zugrunde liegt. Dort laufen die Signale nur in Vorwärtsrichtung, ohne eine Rückführung. 97 Die Genauigkeit der Messkette wird bestimmt durch die Genauigkeit aller in der Kette liegenden Glieder. Messeinrichtungen mit Kreisstruktur benötigen immer eine Hilfsenergie, um das rückgeführte Signal, die Vergleichsgröße, zu erzeugen. Dafür wird dem Messobjekt keine Energie entzogen, da ja die Mess- und die Vergleichsgröße gleich groß sind. Bei den Kompensationsverfahren ist eine Rückwirkung vom Messgerät auf das Messobjekt praktisch nicht vorhanden. Eine Spannung z. B. kann gemessen werden, ohne die Quelle mit einer Stromentnahme zu belasten. 98 6 Sensoren, Aufnehmer, Fühler, Sonden, Geber 6.1 Allgemeines über Fühler Als Fühler oder Messaufnehmer bezeichnet man das erste Glied einer Messkette, das eine nichtelektrische Messgröße oder eine elektrische Feldgröße in ein elektrisches Signal umformt (siehe Abbildung 6.1). Fühler sind die „Sinnesorgane“ der Messtechnik. Sie haben die Aufgabe, die zu untersuchenden Zustände der Umwelt zu erfassen und einer elektrischen Auswertung zugänglich zu machen. Die vielfältigen Möglichkeiten sind für die zahlreichen Messaufgaben in der Prozess- und Automatisierungstechnik nur dann optimal nutzbar, wenn eine möglichst breite Palette einfach handhabbarer, zuverlässiger und preiswerter Sensoren zur Verfügung steht. Die Sensortechnik gehört zu den Teilgebieten der Messtechnik, die zur Zeit das größte Entwicklungspotential besitzt. Dabei zeichnet sich die Tendenz ab, Halbleitereffekte zu nutzen und die Messaufnehmer mit anderen Funktionseinheiten der Signalverarbeitung bis hin zum Mikrocomputer („intelligente“ Sensoren) zu integrieren. Meßgröße Sonde Fühler Geber Signal (elektr.) Meßobjekt y x Sensor Meßaufnehmer Abbildung 6.1: Sensor als erstes Glied in einer Messkette Wie im Abbildung 6.1 schematisch dargestellt ist, besteht der Sensor selbst häufig aus einer Messkette, deren einzelne Glieder die Messinformation schrittweise umformen und aufbereiten. Der die Messgröße aufnehmende Teil des Sensors, der mit dem Messobjekt in unmittelbarem Kontakt steht, wird als Fühler oder Sonde bezeichnet. Der das elektrische Ausgangssignal erzeugende Teil ist der Geber. Sinngemäß bezeichnet man Sensoren zum Beispiel als „Temperaturfühler“, „Feldsonde“, „Geschwindigkeitsaufnehmer“, „Wegsensor“, oder „Spannungsgeber“. Bezeichnungen wie „Kraftgeber“ sind widersinnig und sollten vermieden werden. 99 6.2 Anforderungen an Fühler Die wichtigsten technischen Anforderungen, die an Sensoren gestellt werden, sind ein gutes dynamisches Verhalten, eine hohe Empfindlichkeit und eine gute Abschirmung gegen Störgrößen. Die Forderung nach einer linearen Kennlinie tritt zunehmend in den Hintergrund, da es mit relativ einfachen Mittel der analogen Elektronik und insbesondere der Mikrocomputertechnik möglich ist, nichtlineare Kennlinien zu linearisieren. Ein gutes dynamisches Verhalten ist Voraussetzung, um in kürzester Zeit den stationären Endwert zu erreichen. Eine zu geringe Empfindlichkeit kann wegen der notwendigen Nachverstärkung zusätzliche Fehler verursachen. Ein niedriger resultierender Gesamtfehler des Sensors ist von Bedeutung, wenn z. B. eine genaue Temperatur- oder Lageregelung erforderlich ist. Weiterhin dürfen Sensoren möglichst geringe Einfluss- und Störeffekte aufweisen. Eine Einflussgröße kann entweder durch geeignete Maßnahmen konstant gehalten werden oder aber der Einfluss wird in der Auswertung korrigiert. Daneben können sich mechanische Erschütterungen und Schwingungen als Störgrößen auswirken, ebenso wie elektromagnetische Einflüsse unterschiedlich vertragen werden (Elektromagnetische Verträglichkeit, EMV). Neben diesen Einflusseffekten existieren gewöhnlich Grenzwerte für die Umgebungsbedingungen, die nicht überschritten werden dürfen, wenn ein zuverlässiger Betrieb angestrebt wird. Die zulässigen mechanischen und thermischen Beanspruchungen sind gewöhnlich durch z. B. bestimmte maximale Beschleunigungswerte bzw. Temperaturbereiche begrenzt. 6.3 Einteilung der Fühler Jeder Fühler basiert auf einem physikalischen Effekt, bei dem die Ausgangsgröße eine Funktion der Messgröße ist. Messgrößen werden unterteilt in nichtelektrische und elektrische Messgrößen. Elektrische Messgrößen sind im wesentlichen Strom, Spannung, Widerstand und Frequenz. Die Strahlung (elektromagnetische Wellen) kann aber auch noch dazu gerechnet werden. Nichtelektrische Messgrößen können unterteilt werden in: 1. 2. 3. 4. 5. geometrische und kinematische Größen: z. B. Dehnung, Drehzahl mechanische Größen: z. B. Kraft, Schwingung Temperatur Konzentrationen: z. B. Gasanalysen strömungstechnische Größen: z. B. Geschwindigkeit, Volumenstrom Die Einteilung der Messfühler in dieser Vorlesung wird entsprechend der Messgrößen gewählt. Man könnte die Messfühler auch nach ihrem Ausgangssignal in Fühler mit mechanischem oder 100 elektrischem Ausgangssignal einteilen; ebenso lassen sich aktive und passive Messfühler unterscheiden. Ein aktiver Sensor erzeugt ohne externe Energiequelle unmittelbar ein Spannungs-, Ladungs- oder Stromsignal und gibt Leistung an das nachfolgende Messglied ab. Durch die Leistung, welche dem Messobjekt entzogen wurde, entsteht grundsätzlich eine Rückwirkung auf das Messobjekt, die einen systematischen Fehler zur Folge hat. Mit aktiven Fühlern sind statische Messungen nur möglich, wenn im stationären Zustand Leistung vom Messobjekt an den Sensor abgegeben werden kann. Bei passiven Sensoren beeinflusst die Messgröße zunächst eine elektrische Zustandsgröße, beispielsweise einen Widerstand oder eine Kapazität. Solche Sensoren werden entsprechend als Widerstandsgeber und kapazitive Geber bezeichnet. Passive Geber benötigen immer eine Hilfsenergie und zeigen daher in der Regel keine energetische Rückwirkung auf das Messobjekt. Man unterscheidet auch direkte und indirekte Messfühler. Ein direkt arbeitender Fühler liegt vor, wenn die zu ermittelnde Größe unmittelbar in ein entsprechendes Ausgangssignal umgewandelt wird. Beispiel: Manometer; der Druck bewirkt die Verformung einer Feder. Diese Verformung wird direkt als Weg- oder Winkeländerung angezeigt. Ein indirekt arbeitender Fühler liegt vor, wenn zur Ermittlung der Messgröße technologische, physikalische, mathematische oder mechanische Zusammenhänge herangezogen werden. Beispiel: Drehmomentmessung mit Hilfe von Dehnungsmessstreifen. Direkt gemessen wird die Oberflächendehnung. Aus den Gesetzmäßigkeiten zwischen Oberflächendehnung (Torsionswinkel), Schubspannung und den eingeleiteten Kräften wird das Moment bestimmt. 6.4 Fühler für geometrische Größen 6.4.1 Widerstandsgeber zur Längen- und Winkelmessung Die in der Elektrotechnik verwendeten Werkstoffe unterscheiden sich sehr hinsichtlich ihrer elektrischen Leitfähigkeit. Ihr ohmscher Widerstand kann Werte in dem weiten Bereich von mehr als 20 Zehnerpotenzen annehmen. Sehr niedrige Widerstände sind bei Leitern, sehr hohe bei isolierenden Werkstoffen zu messen. In der Messtechnik nutzt man die Änderung des elektrischen Widerstandes, aufgrund einer mechanischen, thermischen, magnetischen oder optischen Einwirkung. Über die Widerstandsmessung wird die die Widerstandsänderung verursachende Größe erfasst. Die Widerstandsaufnehmer sind passive Bauteile, da zur Messung jeweils eine Spannungs- oder Stromversorgung notwendig ist. 101 Widerstandsaufnehmer werden zur Längen- und Winkelmessung verwendet. Sie bestehen jeweils aus einem Potentiometer, dessen Abgriff von der zu messenden Größe verstellt wird. Abgriff 0 Rx ; x Rg ; l Abbildung 6.2: Potentiometer Der Draht soll über seine Länge l einen gleichbleibenden Widerstand aufweisen. Durch den veränderlichen Abgriff um den zu messenden Weg x längs des Leiters, wird x indirekt gemessen. Der direkt gemessene Widerstand Rx eines Drahtes ist der Länge x proportional und dem Drahtquerschnitt A umgekehrt proportional. Rx = ρ⋅x A = f (x ) (6.1) ρ =ˆ spezifischer Widerstand Als Schleifkontakt werden häufig Drahtbürsten aus einer Gold-Legierung benutzt. Der Übergangswiderstand zwischen Widerstandsdraht und Abgriff kann schon bei geringsten Anpresskräften niedriger als 0,5 Ω gehalten werden. Eine lineare Kennlinie liegt vor, wenn der Drahtquerschnitt und der spezifische Widerstand über die Länge konstant sind. Liegt eine nichtlineare Verteilung des Widerstandsdrahtes über der Länge vor (durch Veränderung des Durchmessers des gewickelten Widerstandes oder durch Spreizung der Windungen), so handelt es sich um ein Funktionspotentiometer mit einer nichtlinearen Kennlinie. Statische Eigenschaften Bei einem einfachen Draht liegt der Vorteil im Preis, und er besitzt eine große Auflösung (10-2 mm bzw. Winkelgrad). Nachteilig ist der kleine Widerstand Rg (< 10Ω), da eine endliche Drahtdicke notwendig ist. In einigen Anwendungsfällen bringt auch der Abgriff des Widerstandes Probleme mit sich. Der Schleifkontakt kann den Widerstandsdraht beschädigen oder zerstören. Mechanische Erschütterungen können den Abgriff völlig vom Draht lösen. Bei wendelförmiger Anordnung werden Widerstandswerte von Rg = 100 Ω ÷ 100 kΩ erreicht. 102 Als Nachteil wirkt sich das kleine und endliche Auflösungsvermögen bedingt durch die Drahtbreite aus. Eine aufgedampfte Widerstandsschicht lässt sich heutzutage leicht und preiswert herstellen und man kann mit dieser Bauart große Widerstandswerte realisieren. Die allgemeinen Nachteile der Widerstandsaufnehmer sind zunächst der relativ große Kraftaufwand gegen die mechanische Reibung, so dass sie durch ihre Trägheit nicht für dynamische Vorgänge geeignet sind. Hinzu kommt der Temperatureinfluss auf den spezifischen Widerstand (ρ=ρ(T)) und die ständige Versorgung der Fühler mit Hilfsenergie. In Tabelle 6.1 sind verschiedene Widerstandswerkstoffe, die zur Potentiometerherstellung eingesetzt werden, aufgelistet. Tabelle 6.1: Widerstandswerkstoffe PotentiometerKonstantan SilberPalladium PotentiometerGold-Legierung Zusammensetzung 50% Nickel, 50% Kupfer (Mangan) 50% Palladium, 50% Silber 70% Gold, 20% Silber, 4% Unedelmetall Temperaturbeiwert αT in 1/K 1,7⋅10-5 23⋅10-5 11,4⋅10-5 0,5 0,3 0,31 Spezifischer Widerstand in Ω mm /m 2 Sonstige Eigenschaften Drähte bis zu 10 µm Drähte bis 17 µm Durchmesser, gute Durchmesser, Korrosionsbeständigkeit korrosionsbeständig wie Platin Drähte bis zu 10 µm Durchmesser, sehr korrosionsbeständig Der Temperaturbeiwert αT des Werkstoffes geht wie folgt in die Widerstandsberechnung ein (erste Näherung): R = R0 (1 + α T ⋅ ∆T ) (6.2) Ausführungsformen Der am meisten verbreitete Widerstands-Längenfühler ist der Schleifdrahtfühler (siehe Abbildung 6.3). Auf einen mit Lack isolierten Trägerdraht wird ein Widerstandsdraht gewickelt. Ein Schleifer, 103 dessen Position durch die zu messende Länge festgelegt ist, greift einen der gemessenen Länge proportionalen Widerstandswert ab. Als Stromabnehmer dienen Drahtbürsten aus Platin-Iridium oder besondere Gold-Legierungen. S ca. 2 mm Trägerdraht Isolation Wicklung Abbildung 6.3: Aufbau eines Schleifdraht-Längenfühlers 6.4.2 Induktive Geber In derselben Weise, wie verschiedene nichtelektrische Größen den ohmschen Widerstand von Messaufnehmern beeinflussen und dadurch messbar werden, können auch Induktivitäten durch nichtelektrische Größen gesteuert werden. Bei diesen induktiven Fühlern wird die Änderung der Induktivität L als Ausgangssignal betrachtet. Die Induktivität einer Spule wird in „Henry“ [H] angegeben. i U L Sie hängt von dem Quadrat der Windungszahl w und dem magnetischen Widerstand Rm einer Spule ab. L= w2 Rm (6.3) In den magnetischen Widerstand einer Spule mit geschlossenem Eisenkern gehen die Weglänge l der Feldlinien, die von diesen durchsetzte Fläche A, die magnetische Feldkonstante µ0 und die Permeabilitätszahl µr ein: Rm = L= l (6.4) µ0µr A w2 µ 0 µ r A l µ0 =ˆ magnetische Feldkonstante, µ0 = 1,256⋅10-6 Vs/Am 104 µr =ˆ relative Permeabilitätszahl (Materialkonstante ohne Einheit) Die Größen, die bei den induktiven Gebern beeinflusst werden, sind die Weglänge l der Feldlinien oder die relative Permeabilitätszahl µr. L = f (magn. Flüsse) Die magnetische Feldstärke H eines stromdurchflossenen Leiters wird mit Hilfe des Durchflutungsgesetzes bestimmt. r r ∫ H ds = i (6.5) Am Beispiel der Zylinderspule mit w Windungen folgt somit für die magnetische Feldstärke im Innern der Spule: H= w⋅i l (6.6) Entsprechend diesen Überlegungen gilt für die magnetische Flussdichte B, welche die magnetische Wirkung beschreibt: B = µ0 ⋅ µr ⋅ H (6.7) Für den magnetischen Fluss φ durch die Fläche A ergibt sich dann: φ = B⋅ A (6.8) Mit den Gl. (6.3) bis (6.8) kann man für die Induktivität einer Zylinderspule auch schreiben: L= w2 µ0 µ r A w ⋅φ = l i (6.9) Tauchanker-Geber In der einfachsten Form besteht ein induktiver Längenaufnehmer aus einer Spule, in die ein verschiebbarer Eisenkern eintaucht (Abbildung 6.4). 105 Eisenspule Luftspule Eisenkern lFe lLu Abbildung 6.4: Spule mit verschiebbarem Eisenkern Die magnetischen Feldlinien verlaufen in drei unterschiedlichen Bereichen, nämlich in Eisen (lFe;AFe), in Luft innerhalb der Spule (lLu;ALu) und schließlich auf ihrem Rückweg in Luft außerhalb der Spule (la;Aa). Für die magnetische Feldstärke in diesem Kreis gilt dann nach Gl. (6.5): r r H ∫ ds = H Fe ⋅ lFe + H Lu ⋅ lLu + H a ⋅ la = w ⋅ i (6.10) Der magnetische Widerstand dieser Tauchkernspule ist: Rm = l Fe µ 0 ⋅ µ r ⋅ AFe + l Lu la + µ 0 ⋅ ALu µ 0 ⋅ Aa . (6.11) Der erste Term auf der rechten Seite kann wegen µr = 103 ÷ 104 von Eisen vernachlässigt werden. Auch der dritte Term spielt kaum eine Rolle, da die Querschnittsfläche Aa sehr viel größer ist als die Fläche im Innern der Spule. Damit ist für den magnetischen Widerstand nur die eisenfreie Strecke lLu im Innern der Spule bestimmend Rm ≈ l Lu µ 0 ⋅ ALu , und die Induktivität L= w 2 w 2 ⋅ µ 0 ⋅ ALu k ≈ = Rm l Lu l Lu (6.12) mit k=w2µ0ALu wird um so größer, je weiter der Eisenkern in die Spule eintaucht. Diese Formel lässt auf eine hyperbelförmige Kennlinie schließen. Die Empfindlichkeit: E= w 2 ⋅ µ 0 ⋅ ALu dL L =− =− 2 dl Lu l Lu l Lu 106 (6.13) nimmt ebenfalls zu mit abnehmendem lLu. Die relative Induktivitätsänderung und die relative Wegänderung stehen im gleichen Verhältnis zueinander, jedoch mit unterschiedlichem Vorzeichen: dl dL = − Lu L l Lu (6.14) In Abbildung 6.5 ist eine Füllhöhenmessung mit Schwimmer und induktiver Übertragung dargestellt. 1 Hauptbehälter 2 Niveaugefäß 3 Schwimmer mit Eisenkern 4 Spule 5 Absperrventil 6 Verstärker 7 Anzeige 6 4 7 5 1 11 5 2 Abbildung 6.5: Füllhöhenmessung mit Schwimmer und induktiver Übertragung Differential-Tauchankergeber Zwei getrennte Spulen mit einem gemeinsamen beweglichen Eisenkern stellen einen DifferentialTauchankergeber dar. Der Eisenkern taucht in seiner Mittelstellung gleich tief in beide Spulen ein. Wird er verschoben, so wird die Induktivität der einen Spule erhöht und die der anderen vermindert. 107 L1 L2 ∆l Eisenkern Abbildung 6.6: Differential-Tauchankergeber Um die Wegänderung des Tauchankers zu messen, werden die beiden Spulen L1 und L2 zu einer Halbbrücke verschaltet. Diese liefert eine Diagonalspannung, die proportional zur Verschiebung ∆l ist. Die Kennlinie dieser Messeinrichtung ist eine Gerade. Die Differenzbildung in der Halbbrücke hat weiterhin den Vorteil, dass von außen auf beide Spulen gleich einwirkende Störungen weitgehend eliminiert werden. Querankergeber Für die Messung kleiner Wegstrecken um 0,1 mm werden vorwiegend Querankergeber benutzt. Spule lFe Queranker x Abbildung 6.7: Querankergeber Die Spule ist auf dem Schenkel eines U-förmigen Eisenkerns montiert. Der magnetische Kreis wird durch einen Queranker geschlossen, der sich im Abstand x vom Kern befindet. Annahme: Es treten keine Streuungen auf, d.h. der ganze magnetische Fluss φ fließt weitestgehend nur im Eisen und zweimal durch den Luftspalt x. Der Querschnitt im Eisen und im Luftspalt sei gleich groß. Wenn φ konstant ist, folgt mit φ=B⋅A bei konstanten Querschnitt A, dass auch B konstant ist. Also gilt am Übergang Eisen-Luft: 108 B = µ0 ⋅ µ r ⋅ H Fe = µ0 ⋅ H Lu (6.15) φ = B ⋅ A = µ0 ⋅ H Lu ⋅ A (6.16) Damit ist der Fluss φ: Die magnetische Feldstärke im Luftspalt HLu wird mit Hilfe des Durchflutungsgesetzes bestimmt. r r l iw = ∫ H ds = H Fe l Fe + H Lu ⋅ 2 x = H Lu Fe + 2 x µr ⇒ H Lu i⋅w = l Fe + 2x µr (6.17) Für den magnetischen Fluss φ folgt somit φ= µ0 ⋅ i ⋅ w l Fe + 2 x µr ⋅A , und die Induktivität L der Spule ist w ⋅ φ w 2 ⋅ µ0 ⋅ A = L= = f (x ) i lFe + 2 x µr (6.18) 2x l Fe + µ0 ⋅ A µ0 ⋅ µr ⋅ A (6.19) bzw. Rm = Der letzte Term darf wieder wegen der großen Permeabilitätszahl µr vernachlässigt werden, so dass folgende Näherung gilt L≅ w2 ⋅ µ0 ⋅ A 2x (6.20) 109 Die Induktivität dieser Spule mit Queranker ist umgekehrt proportional zur Breite des Luftspaltes x. Differential-Querankergeber Auch in der Queranker-Bauform sind Differentialgeber verfügbar. Hier haben zwei sich gegenüberliegende Spulen mit U-förmigen Kernen ein gemeinsames Joch, dass bei seiner Bewegung den einen Luftspalt vergrößert und den anderen entsprechend verringert. Die bei dem DifferentialTauchanker diskutierten Ergebnisse sind voll auf den Differential-Querankergeber zu übertragen. x0 Abbildung 6.8: Differential-Querankergeber Induktiver Winkelfühler Die Wirkung der induktiven Winkelfühler beruht auf dem Induktionsgesetz. Über eine Erregerspule, die mit einer konstanten Wechselspannung versorgt wird, kann in einem magnetischen Kreis ein Wechselfluss erzeugt werden. In einer beweglichen Aufnehmerspule wird aufgrund des Wechselflusses eine Spannung induziert, deren Größe vom Betrag des die Spule senkrecht durchsetzenden Flusses und damit vom Stellungswinkel der Aufnehmerspule abhängig ist. In Abbildung 6.9 sind zwei verschiedene induktive Winkelfühler dargestellt. a) Schwenkspulsystem; Winkelbereich: nur 6° b) Drehspulsystem; Winkelbereich: ± 45° 110 Drehspule Schwenkspule a) b) Abbildung 6.9: Induktive Winkelfühler: a) Schwenkspulsystem; b) Drehspulsystem Die in den vorausgegangenen Abschnitten besprochenen induktiven Geber werden zur berührungslosen Messung von Wegen und Winkeln und indirekt auch zur Messung all der Größen benutzt, die sich als Wege oder Winkel darstellen lassen. Der Messbereich kann vielen Erfordernissen angepasst werden und geht von etwa 1 µm (Auflösung 0,01 µm) bis zu ungefähr 1 m. Anwendungen finden induktive Längen- und Winkelfühler bei der Messung der Relativdehnung zwischen Turbinenwelle und Gehäuse, bei der Dickenmessung von Folien und bei der Überwachung der Ventilstellung in Hochdruck-Dampfleitungen. Nachteile eines induktiven Gebers sind: • die nichtlineare Kennlinie, • die Hilfswechselspannung, die zum Messen der Induktivität benötigt wird, • der ohmsche Widerstand neben der Induktivität, • macht, • eine zusätzliche Kapazität, die sich aber nur bei sehr hohen Frequenzen bemerkbar die Kraftwirkung auf den Anker. 6.4.3 Kapazitive Geber Die Kapazität C eines Plattenkondensators hängt von der elektrischen Feldkonstanten ε0, der Dielektrizitätszahl εr, der Plattenfläche A und dem Plattenabstand a ab. Mit der Kapazität C wird das Speichervermögen für elektrische Ladungen Q in Abhängigkeit von der angelegten Spannung U angegeben. 111 Q = C ⋅U (6.21) εr a Abbildung 6.10: Plattenkondensator C= ε 0ε r A (6.22) a Eine Veränderung des Plattenabstands, der Plattenfläche oder der Dielektrizitätszahl führt zu einer Änderung der Kapazität. Damit lassen sich über eine Kapazitätsmessung alle die Effekte überwachen, die eine oder mehrere der drei genannten Größen beeinflussen. Kapazitive Geber dienen in erster Linie zur Weg-, Füllstands- und Schichtdickenmessung. Änderung des Plattenabstandes Die Kapazität eines Kondensators ist umgekehrt proportional zum Plattenabstand. Wird er verkleinert, so wird die Kapazität vergrößert und umgekehrt. Die entsprechende Empfindlichkeit E eines Kondensators ist E= ε ε A C dC = − 0 2r = − a da a (6.23) Sie ist also besonders groß bei kleinen Plattenabständen. Aus einer Umstellung der letzten Gleichung folgt: dC da =− C a (6.24) Ähnlich wie in Gl. (6.14) ist die relative Kapazitätsänderung proportional der relativen Plattenabstandsänderung. Die Messgröße x ist hier die Längenänderung des Plattenabstands. 112 a+x a 0 Abbildung 6.11: Längenänderung des Plattenabstands um x Ca + x a 1 = = Ca a + x 1+ x a (6.25) Man sieht keinen linearen Zusammenhang zwischen Änderung des Abstandes und Kapazitätsänderung. Der Blindwiderstand XC (Reaktanz) des Kondensators Xc = 1 jωC (6.26) zeigt einen linearen Zusammenhang zwischen der Plattenabstandsänderung x und Reaktanzänderung. X c (a + x ) = 1 a+x ⋅ jω ε 0ε r A (6.27) Beim Differential-Kondensator, der aus zwei Kondensatoren mit einer gemeinsamen, beweglichen Mittelplatte besteht, wird diese Mittelplatte von a0 ausgehend um x verschoben. Dabei vergrößert sich der Abstand des einen Plattenpaares und der des anderen nimmt entsprechend ab. U εr εr x a0 a0 Abbildung 6.12: Differential-Kondensator Da es sich hier um eine elektrische Parallelschaltung zweier Kondensatoren handelt, ist die Gesamtkapazität die Summe der Einzelkapazitäten. 113 C = C1 + C2 (6.28) Wird nun die mittlere Platte um x verschoben, so vergrößert sich die Kapazität C1 und die Kapazität C2 wird verkleinert. C1 = C2 = ε 0ε r A (6.29) a0 − x ε 0ε r A (6.30) a0 + x Damit folgt für die Gesamtkapazität: C = ε 0ε r A ⋅ (a0 + x ) + (a0 − x ) = ε ε a −x 2 0 0 r 2 A⋅ 2 a0 a − x2 2 0 (6.31) Werden die beiden Hälften des Differential-Kondensators in die diagonalen Zweige einer Messbrücke gelegt, so ist die Diagonalspannung der Brücke streng proportional zur Änderung des Plattenabstands x. Im Kapitel „Messumformer“ werden diese Zusammenhänge noch im einzelnen vorgestellt. Kondensatoren mit verschiebbaren Elektroden werden ähnlich wie induktive Geber zu Weg- und Winkelmessungen benutzt. Nach dem gleichen Prinzip arbeiten die Kondensatormikrophone, die Schallschwingungen in elektrische Signale umformen. Änderung der Plattenfläche Neben dem Plattenabstand lässt sich besonders einfach die Überdeckung, d.h. die wirksame Fläche der Kondensatorplatten ändern. Befinden sich Platten mit der Breite b0 und der Länge l0 im Abstand a0 einander gegenüber, so hat dieser Kondensator eine maximale Kapazität C0 von C0 = ε 0ε r b0l0 (6.32) a0 Wird nun die eine Kondensatorplatte so an der anderen vorbeigeschoben, dass beide sich nur noch teilweise mit der Länge l überdecken, so nimmt die Kapazität von C0 auf C ab. 114 l0 b0 a0 l Abbildung 6.13: Parallelverschiebung der Kondensatorplatten C= ε 0ε r b0 a0 ⋅l = C0 ⋅l l0 (6.33) Die Kapazität ist der Länge l proportional. Damit eignet sich auch diese Kondensatoranordnung für Wegmessungen. Die Kondensatorplatten müssen bei ihrer Bewegung exakt geführt werden, um ihren Abstand genau einzuhalten. Anderenfalls würden Kapazitätsänderungen aufgrund von Abstandsänderungen das Messergebnis verfälschen. Weniger empfindlich gegen diesen störenden Einfluss sind die Bauformen, die eine verschiebbare Mittelelektrode enthalten. Die Abhängigkeit der Kapazität von der Plattenoberfläche wird z. B. bei den bekannten Drehkondensatoren ausgenutzt. In der Verfahrenstechnik wird aufgrund dieses Effekts der Füllstand von elektrisch leitenden Flüssigkeiten gemessen. In die Flüssigkeit wird eine zylindrische Elektrode mit einem isolierenden Überzug eingetaucht (siehe Abbildung 6.14). Die Elektrode und die umgebende elektrisch leitende Flüssigkeit stellen einen Zylinderkondensator mit der Isolationsschicht als Dielektrikum dar. Die Kapazität eines Zylinderkondensators ist C= 2πε 0ε r l r ln a ri mit l der Elektrodenlänge, ri dem Radius der Innenelektrode und ra dem Radius der Außenelektrode. Die Kondensatorfläche und damit die Kapazität der Anordnung ist um so größer, je höher der Behälterfüllstand ist. 115 Abbildung 6.14: Höhenstandsmessung bei Leitenden Flüssigkeiten Geometrische Änderung des Dielektrikums eines Kondensators Das folgende Bild stellt einen Kondensator mit geschichtetem Dielektrikum dar. α0 εr1 a1 εr2 a2 Abbildung 6.15: Kondensator mit geschichtetem Dielektrikum a0 = a1 + a2 Die Anordnung kann als Reihenschaltung von zwei Kapazitäten C1 und C2 aufgefasst werden, deren Gesamtkapazität zu bestimmen ist. 1 1 1 1 a1 a2 = + = + C C1 C2 ε 0 A ε r1 ε r 2 C= a1 ε0 A ε r1 + a2 εr2 Mit εr1 = 1 (Luft) ist 116 (6.34) C= ε0 A a1 + a2 εr2 = ε0A a0 − a 2 + a2 (6.35) εr2 C ist abhängig von der Dielektrizitätszahl εr2 und der Dicke a2 des zweiten Dielektrikums. Ist eine dieser Größen bekannt, so kann die andere aus einer Messung der Kapazität ermittelt werden. Diese Methode wird zur berührungslosen Schichtdickenmessung angewendet. Papier- und Kunststofffolien, synthetische Fasern und Fäden, deren Dicke zu bestimmen ist, werden zwischen zwei Kondensatorplatten hindurchgezogen. Die Dielektrizitätszahl der zu untersuchenden Stoffe ist bekannt, so dass aus der gemessenen Kapazität die Dicke des Materials berechnet werden kann. Das nächste Bild zeigt einen Kondensator mit einem in der Eintauchtiefe variablen Dielektrikum. l a0 εr2 εr1 l0 Abbildung 6.16: Kondensator mit variablem Dielektrikum Diese Anordnung kann als eine Parallelschaltung von zwei Kondensatoren mit der Plattenbreite b0 angesehen werden. C = C1 + C2 = = ε 0ε r1b0 (l0 − l ) ε 0ε r 2b0l a0 ε 0b0 a0 + a0 (ε r1 (l0 − l ) + ε r 2l ) (6.36) Mit dem Dielektrikum Luft (εr1 = 1) folgt für die Kapazität C0 des leeren, luftgefüllten Kondensators: C0 = ε 0b0 l0 a0 so dass gilt: 117 ε −1 ∆C C − C 0 l 0 − l ε r 2 l = = + −1 = r2 ⋅l C0 C0 l0 l0 l0 (6.37) Dieses Prinzip wird zur Füllstandsmessung bei elektrisch nichtleitenden Flüssigkeiten und Schüttgütern angewendet. In das zu kontrollierende Medium werden zwei Kondensatorplatten eingeführt, die mit zunehmender Füllung mehr und mehr überdeckt werden. Siehe hierzu Abbildung 6.17. εr Abbildung 6.17: Höhenstandsmessung bei isolierenden Flüssigkeiten 6.4.4 Hall-Sonde Eine Hall-Sonde besteht aus einem Plättchen, dessen Dicke d klein ist gegenüber seiner Länge l und seiner Breite b. Dieses Plättchen wird so in ein Magnetfeld B gebracht, dass es von den Feldlinien senkrecht durchsetzt wird. Bei einem Steuerstrom I in Längsrichtung des Festkörpers kann an seinen Seiten eine Spannung, die sogenannte Hall-Spannung UH, abgegriffen werden. b I B l Abbildung 6.18: Hall-Sonde 118 UH Die Ladungsträger, die sich aufgrund des elektrischen Stroms I durch den Festkörper bewegen, werden senkrecht zur Magnetfeldrichtung abgelenkt (Lorentz-Kraft Fm). Für ein mit der Geschwindigkeit v bewegtes Elektron mit der Elementarladung e0 beträgt die Lorentz-Kraft Fm = e0 ⋅ v ⋅ B . (6.38) In dem Festkörper findet eine Ladungstrennung statt, und es bildet sich zwischen den Seitenflächen ein elektrisches Feld E aus, das eine Gegenkraft Fe auf die Elektronen zur Folge hat: Fe = e0 ⋅ E (6.39) Stehen die beiden Kräfte im Gleichgewicht gilt E = v⋅B und die Hall-Spannung an dem Plättchen der Breite b ergibt sich zu UH = E ⋅ b = b ⋅ v ⋅ B (6.40) Die Geschwindigkeit v der Elektronen ist über ihre Konzentration n mit der Stromdichte S verknüpft. Bei einem Steuerstrom I durch die Querschnittsfläche des Plättchens folgt für die Stromdichte: S= I = n ⋅ v ⋅ e0 b⋅d (6.41) Wird die letzte Gleichung nach v aufgelöst und in Gl. (40) eingesetzt, erhält man für die Hall-Spannung den Ausdruck UH = I ⋅B I ⋅B = RH ⋅ n ⋅ e0 ⋅ d d (6.42) RH ist die sogenannte Hall-Konstante der Sonde. Die Hall-Konstante ist eine materialabhängige Größe. RH = 1 n ⋅ e0 Bei einem konstanten Steuerstrom durch den Festkörper folgt also ein linearer Zusammenhang zwischen magnetischer Flussdichte B und Hall-Spannung UH. 119 I=konst UH B Abbildung 6.19: Kennlinie einer Hall-Sonde Die Hall-Spannung nimmt mit der Elektronenkonzentration ab und mit der Elektronengeschwindigkeit zu. Aus diesen Gründen werden für Hall-Sonden hauptsächlich Halbleitermaterialien verwendet. Konzentration der Ladungsträger Material n/[cm-3] Cu 8,7⋅1022 Metall InSb 1,1⋅1016 Halbleiter GaAs 9⋅106 Halbleiter Ändert man den Winkel zwischen der Richtung des Steuerstroms I und den magnetischen Feldlinien, die den Festkörper durchsetzen, wirkt sich das auf die Hall-Spannung aus. Daher kann die Hall-Sonde auch zur Winkelmessung eingesetzt werden. In der potentialfreien Strommessung findet die Hall-Sonde weitere Anwendung. Der Messstrom wird durch einen Elektromagneten geschickt, dessen magnetische Flussdichte B vom Messstrom abhängig ist. Diese magnetische Induktion wird mit der Hall-Sonde bestimmt. Bei einem konstanten Steuerstrom ist UH ein Maß für den Messstrom. Abbildung 6.20 zeigt eine Kompensationsanordnung zur Eliminierung des Einflusses des Eisenkreises auf die Messgenauigkeit. 120 + - I1 N1 I2 N2 Abbildung 6.20: Kompensationsmessung mit einer Hall-Sonde Auf dem Eisenkern befinden sich zwei Spulen, die erste mit der Windungszahl N1 und dem zu messenden Strom I1, die zweite mit der Windungszahl N2 und dem Kompensationsstrom I2. Die zweite Spule ist so angeschlossen, dass ihr Magnetfeld dem der ersten Spule entgegenwirkt. Die resultierende magnetische Induktion wird mit einem Hall-Sensor erfasst. Durch einen u / i Verstärker wird der Strom I2 so lange nachgeregelt, bis es zur Kompensation kommt N1I1 = N2I2. Der Strom I2 ist dann ein Maß für den gesuchten Strom I1. Wird die Leistung eines Verbrauchers mit Hilfe einer Hall-Sonde gemessen, erzeugt der vom Verbraucherstrom IV durchflossene Leiter in einem Eisenkern die magnetische Induktion B. Der Steuerstrom I sei proportional der am Verbraucher anliegenden Spannung UV. IV I UH Abbildung 6.21: Leistungsmessung mit einer Hall-Sonde Die entstehende Hall-Spannung UH ist proportional der im Verbraucher umgesetzten Leistung PV. U H = k ⋅ U V ⋅ I v = K ⋅ Pv (6.43) 121 6.5 Fühler für mechanische Größen 6.5.1 Dehnungsmessstreifen (DMS) Allgemeine Funktion: Der elektrische Widerstand eines Drahtes ändert sich reversibel unter dem Einfluss einer Dehnung (kleine relative Längenänderung ε = ∆l / l). Der elektrische Widerstand eines Drahtes ist: R= ρ ⋅l (6.44) A ρ = ˆ spezifischer Widerstand [Ω mm2/m] Widerstand eines Stoffes von 1 mm2 Querschnitt und 1 m Länge =ˆ Länge des Drahtes [m] A = ˆ Querschnittsfläche des Drahtes [mm2] l Bei Zugbeanspruchung verformt sich der Draht. Er wird um ∆l länger und ∆d dünner. l d ∆l ∆d Abbildung 6.22: Formänderung eines gestreckten Drahtes der Länge l Auch der spezifische Widerstand kann sich um ∆ρ durch reversible Änderung des Drahtaufbaus ändern. Die relative Widerstandsänderung dR/R ergibt sich aus Gl. (6.44) durch logarithmieren: ln R = ln ρ + ln l − ln A (6.45) und anschließender Differentiation 1 1 1 1 dR = dρ + dl − dA R ρ l A (Beweis für Gl. (6.46): Integration ergibt Gl. (6.45) Für kleine, endliche Änderungen kann man mit Gl. (6.46) auch schreiben: 122 (6.46) ∆R ∆ρ ∆l ∆A = + − R ρ l A d.h. ∆R ∆l = f( ) R l (6.47) Die Querschnittsflächenänderung ∆Α ist hierbei negativ einzusetzen, da sich der Querschnitt A verkleinert. Die geometrische Änderung des Drahtes ist eine stoffspezifische Eigenschaft, die mit der Poissonschen Zahl µ (Stoffkonstante) angegeben wird. ∆d ∆l = −µ d l (6.48) Sie liegt zwischen 0,2 und 0,5. Bleibt das Volumen des Drahtes erhalten, so ist µ = 0,5. Berechnung von ∆Α/Α: Der Drahtquerschnitt vor der Belastung ist A= π ⋅d2 (6.49) 4 Durch Differentiation erhält man die Änderung der Querschnittsfläche mit dem Durchmesser dA π = d dd 2 (6.50) Für endliche Änderungen ist damit ∆A π 4 2 ∆d = d ⋅ ∆d ⋅ = 2 A 2 π ⋅d d (6.51) Mit der Poissonschen Zahl µ ist ∆A ∆l = −2 µ A l (6.52) Man klammere auf der rechten Seite von Gl.(6.47) ∆l aus: l ∆R ∆ρ l ∆A l ∆l = +1− ⋅ R ρ ∆l A ∆l l 123 (6.53) In Gl. (6.53) wird Gl (6.52) eingesetzt und umgestellt: ∆R ∆ρ l ∆l ∆ρ ⋅ = 1 + 2 µ + ⋅ε = 1 + 2µ + R ρ ∆l l ρ ⋅ ε (6.54) Die relative Widerstandsänderung hängt außer von der zu messenden Dehnung ε, von der Poissonschen Zahl µ und dem Verhältnis der relativen Änderung des spezifischen Widerstandes zu ε ab. Wenn ρ konstant und damit ∆ρ = 0 ist, gilt: ∆R = (1 + 2 µ ) ⋅ ε R (6.55) Beim Dehnungsmessstreifen ist die Messgröße x die Dehnung ε = ∆l / l und das Ausgangssignal y ist R +∆R. Mit Gl. (6.54) folgt somit für die Kennlinie des Dehnungsmessstreifens: ∆ρ R + ∆R = R + R1 + 2 µ + ⋅ε ρ ⋅ ε (6.56) Im allgemeinen Fall ist der Dehnungsmessstreifen ein nichtlinearer Fühler. Es handelt sich um einen linearen Fühler, wenn entweder ∆ρ = 0 oder ∆ρ / (ρε) konstant ist. Dann ist das Anstiegsmaß der Kennlinie (Empfindlichkeit) für ∆ρ = 0: y − y0 = 1 + 2µ x (6.57) ∆ρ m = 1 + 2 µ + ρ ⋅ε (6.58) m= für ∆ρ / (ρε) = konstant gilt: Das Anstiegsmaß wird bei Dehnungsmessstreifen auch mit k - Faktor bezeichnet. Ausführungsformen von Dehnungsmessstreifen Es gibt Draht- und Foliendehnungsmessstreifen. Der Draht wird mäanderförmig auf einen Träger gebracht (siehe Abbildung 6.23: Ausführungsformen von Foliendehnungsmessstreifen). Er wird mit Nitrozellulose-Klebstoff oder Kitt auf Phenolharzbasis befestigt. Als Trägerwerkstoffe dienen Papier bei T < 70°C und Asbest bei T <400°C. Foliendehnungsmessstreifen werden aus dünn gewalzten Metallfolien mit einem photochemischen Ätzverfahren hergestellt und auf 124 Kunstharzträgern aufgebracht. Mit dieser Technologie können auch komplexere Messgitterformen rationell hergestellt werden (siehe Abbildung 6.23: Ausführungsformen von ). Die Auswahl der Form des Foliendehnungsmessstreifen erfolgt in Abhängigkeit vom zu untersuchenden Belastungsfall (z. B. Zug oder Torsion). Bei den Foliendehnungsmessstreifen können die Wendeschleifen dicker ausgeführt werden. Im Falle einer Verformung in Querrichtung ergibt sich dann eine vernachlässigbar kleine Querempfindlichkeit. Abbildung 6.23: Ausführungsformen von Foliendehnungsmessstreifen 5 3 1 4 2 2 5 1 1 Meßgitter 2 Abdeckung 3 Anschlußdrähte 4 Klebstoff 5 Meßobjekt 3 4 Abbildung 6.24: Aufbau eines aufgeklebten Dehnungsmessstreifens 125 Hysterese und Linearität von DMS Wird ein aufgeklebter Dehnungsmessstreifen nach Aushärtung der Klebung erstmalig belastet, d.h. gedehnt oder gestaucht, so steigt die relative Widerstandsänderung ∆R/R linear zu ε bis zu einem Wert a linear an. Darüber hinaus ist der Anstieg nicht linear. Bei nachfolgender Entlastung verläuft die Kurve nahezu parallel zum Anstieg, es bleibt jedoch nach völliger Entlastung eine scheinbare Dehnung, die sogenannte Hysterese- Dehnung εH zurück. Bereits beim zweiten Lastwechsel findet eine weitestgehende Annäherung des An- und Abstieges statt. Die dann noch verbleibende Abweichung von der Geraden wird als Linearitätsabweichung bezeichnet. ∆R a R εH Abbildung 6.25: Hysterese- Dehnung Kriechen von DMS Die Dehnung des Prüfkörpers wird über die Klebeschicht und das Trägermaterial auf das Messgitter übertragen, welches dann im gleichen Sinne gedehnt wird. Ausschlaggebend für die Genauigkeit der Messung ist die Verbindung zwischen Prüfkörper und DMS. Fehler entstehen, wenn der gedehnte Widerstandsdraht unter Belastung langsam wieder in seine Ursprungslage zurückkriecht, weil die Klebeschicht und das Trägermaterial nachgeben oder ermüden (kein ideal elastischer Klebstoff). Es wird eine zeitabhängige Prüfkörperdehnung vorgetäuscht, die zudem auch noch temperatur- und dehnungsabhängig ist. Statische und dynamische Eigenschaften DMS werden sinnvollerweise nur in elastischen Bereichen eingesetzt. Bei den gebräuchlichsten Materialien ist damit die Dehnung auf ε < 10-3 festgelegt. Bei dynamischer Beanspruchung wird der Bruch durch Ermüdung des Trägermaterials ( 104 - 107 Lastwechsel) verursacht. Drähte und Folien werden durch Schubspannungen, die an der Oberfläche der DMS angreifen, gedehnt. Das Verhältnis Oberfläche O zu Querschnitt A ist bei einem Draht: O 4 l = dπ l ⋅ 2 =4 A d ⋅π d (6.59) 126 Beispiel: Für einen Draht mit der Länge l = 50 mm und dem Durchmesser d = 0,02 mm gilt O / A = 104. Das Verhältnis O/A ist sehr groß, d.h., dass relativ kleine Schubspannungen an der Oberfläche große Normalspannungen im Querschnitt hervorrufen. Der eingebettete Draht wird da- mit zwangsläufig verformt. Einflussgrößen Die Temperatur bewirkt eine Temperaturdehnung und eine Änderung des spezifischen elektrischen Widerstandes. Der Temperatureinfluss kann minimiert werden durch die Wahl eines Werkstoffes (Konstantan) mit geringem Temperatureinfluss, durch temperaturkompensierte DMS (Mischung verschiedener Stoffe mit positiven und negativen Temperaturkoeffizienten) und durch geeignete Kompensationsschaltungen mehrerer DMS. Werkstoffe für Dehnungsmessstreifen In Tabelle 6.2 sind die wichtigsten Werkstoffe bzw. Legierungen für Dehnungsmessstreifen mit ihren k-Faktoren und Stoffgrößen aufgeführt. Tabelle 6.2: Werkstoffe für Dehnungsmessstreifen Konstantan Zusammensetzung k - Faktor Platin 54% Cu, 45% Ni, 1% Mn 2,0 6,0 Karma Platin-Iridium 74% Ni, 20% Cr, 3% Fe, 3% Al 90% Pt, 10% Ir 2,0 6,0 < 200 5⋅10-3 Thermischer Ausdehnungskoeffizient [1/K] 1,2⋅10-5 Temperaturkoeffizient des Widerstandes [1/K] -3⋅10-5 1,3⋅10-3 1⋅10-4 3,8⋅10-3 0,49 0,1 1,6 0,25 Spezifischer Widerstand in Halbleiterwekstoffe 1,3⋅10-5 2 [Ωmm /m] Ergänzende Bemerkungen zu den einzelnen Werkstoffen: Platin-Iridium: Es ist sehr empfindlich (k = 6). Es ist bis zu hohen Temperaturen einsetzbar (T < 1000°C). Platin: Es ist ein sehr teures Material. 127 Konstantan: Karma: Es ist hysteresefrei und linear. Es hat einen thermischen Ausdehnungskoeffizienten wie Stahl. Dadurch wird ein Loslösen der Streifen aufgrund unterschiedlicher Ausdehnung, infolge thermischer Belastung, vermieden. Der Temperaturkoeffizient des elektrischen Widerstandes ist klein und somit auch der Temperatureinfluss. Es hat einen hohen spezifischen Widerstand. Es ist daher einsetzbar für kleine Dehnungsmessstreifen (∆R ~ R). Halbleiterwerkstoffe: Sie sind nicht ganz linear und zeigen einen starken Temperatureinfluss. Der angegebene Faktor ist ein mittlerer Wert. Er ist auch temperaturabhängig. Der thermische Ausdehnungskoeffizient und der Temperaturkoeffizient des elektrischen Widerstandes müssen möglichst klein sein, um den Temperatureinfluss gering zu halten. Je größer der spezifische Widerstand ist, desto kleiner kann der Dehnungsmessstreifen ausgelegt werden, wobei noch eine meßbare Widerstandsänderung erreicht werden muss. Man muss auch beachten, dass der Einfluß des Isolationswiderstandes um so größer wird, je hochohmiger das Messgitter selbst ist. Typische Nennwiderstände von DMS liegen in der Größenordnung von 120 Ω, 350 Ω und 600 Ω. Halbleiter-Dehnungsmessstreifen Der wesentliche Unterschied zwischen Halbleiter-Dehnungsmesser und Ohmschen Dehnungsmessstreifen besteht darin, dass an Stelle des Widerstandsdrahtes ein langgestreckter Halbleiter-Einkristall verwendet wird. Auch hier gilt die Kennlinie: ∆R ∆ρ l ∆l = 1 + 2µ + ⋅ R ρ ∆l l (6.60) Während bei den Ohmschen DMS der Volumeneffekt (1 + 2 µ) überwiegt, macht sich bei den Halbleitermessaufnahmen der Ausdruck ∆ρ l ρ ∆l stark bemerkbar, so dass 1 + 2 µ praktisch vernachlässigbar ist. Die k-Werte liegen zwischen ca. 100 und 200. Halbleitermessaufnehmer besitzen damit gegenüber herkömmlichen DMS eine wesentlich größere Messempfindlichkeit. Ein Nachteil ist ihre Nichtlinearität und der hohe Preis. 6.5.2 Piezoelektrischer Fühler Piezoelektrisch wirksame dielektrische Stoffe sind elektrisch polarisiert, d.h. die positiven und negativen Ladungen sind unsymmetrisch verteilt. Bei einer Dehnung oder Stauchung von diesen 128 Stoffen ändern sich die Dipolmomente und durch die damit verbundene Änderung der Polarisation werden an der Oberfläche Ladungen frei. Die Anzahl der Ladungen ist ein Maß für die mechanische Kraft. Feuerzeuge und Gasanzünder arbeiten nach diesen Prinzip. Stoffe mit diesen dielektrischen Eigenschaften sind: Quarz, Turmalin, Bariumtitanat. Der piezoelektrische Effekt ist reversibel. Ein dielektrischer Stoff unterliegt in einem elektrischen Feld einer Verformung (Elektrostriktion). Geschieht die Polarisation eines dielektrischen Körpers durch Temperaturänderung liegt ein pyroelektrischer Effekt vor. F Metallisierte Oberfläche [Elektrode] ++++++++++++ Einkristall ----------------- F Abbildung 6.26: Aufbau eines piezoelektrischen Gebers Wirkt eine Kraft auf die Quarzscheibe, so wird die Ladung Q frei. Q = P⋅ A (6.61) Die elektrische Polarisation P wird als Ladung pro Flächeneinheit definiert. Ohne elektrisches Feld gilt: P = k ⋅σ (6.62) σ =ˆ mechanische Spannung [N/mm2] k =ˆ Piezomodul; k = 2,3⋅10-12 As/N für Quarz Mit Gl. (6.61), (6.62)und σ = F / A folgt Q = P ⋅ A = k ⋅σ ⋅ A = k ⋅ F 129 (6.63) Die Ladung nimmt proportional zur wirkenden Kraft zu. Der Quarz lässt sich als Plattenkondensator auffassen, der sich unter dem Einfluss der Kraft F infolge der freigesetzten Ladung Q auf die Spannung Uq auflädt. Uq = Q P⋅ A P⋅d = = ε 0ε r Cq Cq (6.64) d =ˆ Elekrodenabstand Es handelt sich um einen aktiven Geber (keine Hilfsspannung). Das Ersatzschaltbild eines derartigen Quarzes ist eine Stromquelle mit dem Kurzschlussstrom i= dQ dF =k⋅ dt dt (6.65) sowie dem Innenwiderstand Rq und der Kapazität Cq . K1 i Rq Cq Uq Abbildung 6.27: Ersatzschaltbild eines piezoelektrischen Gebers Der Widerstand berechnet sich aus den Abmessungen und dem spezifischen Widerstand, die Kapazität aus den Abmessungen und der relativen Dielektrizitätszahl. Rq = Cq = d ⋅ρ A (6.66) ε 0ε r A (6.67) d Zeitverhalten Die durch die wirkende Kraft getrennten Ladungen bleiben nicht beliebig lange auf den Elektroden sitzen, sondern versuchen sich über den Innenwiderstand Rq und über den Innenwiderstand des angeschlossenen Messumformers bzw. der Zuleitungen auszugleichen. Für den Knoten K1 gilt: 130 dU q dQ U q − − Cq =0 dt Rq dt (6.68) Die Lösung obiger inhomogener Differentialgleichung 1. Ordnung setzt sich aus der partikulären und homogenen Lösung zusammen. Die partikuläre Lösung ist Uq,p = 0 . Die Lösung der homogenen Gleichung U q ,h = K ⋅ e ( − t / RqCq ) geschieht mit Hilfe der Randbedingung Uq(t = 0) = Q0 / Cq. K ist somit Q0 / Cq. F 0 t Uq Q0 /Cq 0 RqCq t Abbildung 6.28: Sprungantwort eines piezoelektrischen Gebers Die gesamte Lösung lautet: Uq = −t Q0 ⋅ exp für t > 0 Cq R C q q (6.69) Die Zeitkonstante ist: τ = Rq Cq (6.70) Die Empfindlichkeit des Gebers kann dadurch erhöht werden, dass man zwei Kristallscheiben gemäß Abbildung 6.29 zusammenschaltet. F Schirm des Messkabels +++++++ ------------------+++++++ 131 F Abbildung 6.29: Aufbau eines piezoelektrischen Aufnehmers mit zwei Kristallen Jede Quarzscheibe liefert die Ladung Q, so dass insgesamt 2Q Ladungen entstehen. Die Kapazitäten der beiden Scheiben liegen parallel und die Gesamtkapazität des Aufnehmers ist doppelt so groß wie die einer Scheibe. 2i Rq 2 2Cq Uq Abbildung 6.30: Ersatzschaltbild eines piezoelektrischen Aufnehmers mit zwei Kristallen Wird bei dem Aufnehmer mit zwei entgegengesetzten Kristallen nicht die erzeugte Ladung, sondern die Spannung gemessen, so ist sie mit Uq = 2Q Q = 2Cq C q auch nicht größer als bei dem einfachen Aufnehmer aus Abbildung 6.26. Piezoresistiver Effekt Die Änderung des spezifischen Widerstandes eines Festkörpers unter dem Einfluss mechanischer Deformation wird als piezoresistiver Effekt bezeichnet. Er findet Anwendung bei piezoresistiven Drucksensoren, bei denen wie bei kapazitiven Drucksensoren die Verformung einer Membrane gemessen wird. Beim piezoresistiven Drucksensor sind Widerstände aus piezoresistivem Material in die Membrane eingearbeitet, die unter dem Einfluß der Materialdehnung beim Durchbiegen der Membrane ihren Widerstand ändern. • Membran → Messung der Verformung • Widerstände aus piezoresistivem Material werden in die Membrane eingearbeitet ⇒ z. B. durch lokale Dotierung einer monokristallinen Siliziummembran (piezoresistive Eigenschaften von Silizium) Vorteil gegenüber kapazitiven Drucksensoren: 132 Ein piezoresistiver Drucksensor liefert als Ausgangssignal eine elektrische Spannung, die mit einfachen Mitteln messbar ist. Ein kapazitiver Drucksensor ist nur in Verbindung mit einer geeigneten integrierten oder externen Ausleseelektronik einsetzbar, da kleine Kapazitäten mit herkömmlichen Mitteln nur schwer messbar sind. 6.5.3 Magnetoelastischer Kraftmessfühler Der magnetoelastische Effekt: Der magnetoelastische Effekt kennzeichnet den Zusammenhang zwischen magnetischen und mechanischen Eigenschaften ferromagnetischer Materialien. Er lässt sich auf zweierlei Weise nutzen: Magnetostriktion: Formänderung eines ferromagnetischen Materials durch Einwirkung eines äußeren Magnetfeldes. Magnetoelastik: Änderung der magnetischen Eigenschaften unter Einwirkung äußerer Materialspannungen. Beide Effekte können auf eine Ausrichtung der Weiß'schen Bezirke in ferromagnetischen Materialien zurückgeführt werden. Bei magnetoelastischen Fühlern wird die Veränderung der relativen Permeabilität µr infolge der mechanischen Spannung σ ausgenutzt, um die Induktivität L einer Spule zu verstimmen. Über diese Verstimmung sind die im Eisenkern herrschenden Spannungen zu erkennen. Für die Kraft F, welche auf den Eisenkern wirkt, gilt: F = A ⋅σ (6.71) wobei A die Querschnittsfläche ist. Der Zusammenhang zwischen L und µr ist linear und lautet für eine einfache Spule mit Eisenkern und w Windungen: w2 µ0 µ r AEi L= l AEi =ˆ µ0 µr l =ˆ =ˆ =ˆ (6.72) Querschnittsfläche des Eisenkerns magnetische Feldkonstante; µ0 = 1,256 ⋅10-6 Vs/Am Permeabilitätszahl (Materialkonstante) Länge der Spule 133 Im Gegensatz dazu ist der Zusammenhang zwischen der mechanischen Spannung σ und der Permeabilität µr leicht nichtlinear. 30 % 25 20 ∆µγ 15 µγ 10 5 0 0 50 150 N/mm2 200 100 σ Abbildung 6.31: Änderung von µr bei einer Ni-Fe-Legierung in Abhängigkeit von σ Der magnetoelastische Geber in Abbildung 6.32 kann nur die Veränderung der Spuleninduktivität L messen, da er ohne Hilfsstrom betrieben wird. F Φ;H;B σ A L µr Abbildung 6.32: Magnetoelastischer Kraftmessfühler Der Pressduktor in Abbildung 6.33 besteht aus einem Blechpaket, in dem zwei sich kreuzende Spulen angeordnet sind. Erzeugt man nun in einer der beiden Spulen ein magnetisches Wechselfeld, so bilden sich die Feldlinien gemäß der Abbildung 6.34 aus. Dabei wird in der zweiten Spule, der Sekundärspule, im unbelasteten Zustand keine Spannung induziert (Uind = 0). Belastet man nun dieses Blechpaket durch äußere Kräfte, so sinkt als Folge des magnetoelastischen Effektes die Permeabilität, wodurch eine Ablenkung der magnetischen Feldlinien quer zur Kraftrichtung erfolgt. Durch diese Verzerrung schneiden nun die Feldlinien die Se134 kundärspule und induzieren somit in ihr eine Spannung, die annähernd proportional der Belastung ist. F 3 2 1 U 1 Spule 2 Spule 3 Blechpaket F Abbildung 6.33: Pressduktor (Magnetischer Kraftmessfühler) 135 F=0 F=0 a) mechanisch belasteter Zustand a) mechanisch unbelasteter Zustand Abbildung 6.34: Feldlinienverlauf in einem Pressduktor 6.6 Fühler zur Temperaturmessung 6.6.1 Thermoelement Zwei unterschiedliche Materialien A und B bilden folgenden Stromkreis: U A A U1 U2 B 1;T1 2;T2 Abbildung 6.35: Prinzipschaltung eines Thermoelements A ist mit B an der Stelle 1 und B ist mit A an der Stelle 2 verlötet oder verschweißt. Die Temperaturen der Verbindungsstellen sind T1 und T2. Unterscheiden sich diese, so entsteht zwischen den Klemmen eine Spannung U, die sogenannte Thermospannung. An der Berührungsstelle zweier Metalle treten Elektronen von einem in das andere Metall über. Maßgebend für diesen Vorgang ist die Austrittsarbeit der Elektronen. Das Metall mit der geringeren Austrittsarbeit gibt Elektronen ab und wird positiv. Auf der Grenzfläche beider Metalle bildet sich ein elektrisches Feld, dem zufolge werden Elektronen wieder zurückgezogen. Stellt sich an dem Berührungspunkt 1 ein stabiler Zu136 stand ein, bildet sich die Kontaktspannung U1, die nach der Boltzmann-Verteilung der Temperatur T1 und dem Verhältnis der Elektronenzahldichten nA und nB proportional ist: k n U l = ⋅ ln A ⋅ T1 = K AB ⋅ T1 nB e0 (6.73) Die in der Klammer stehenden Terme lassen sich zu einer Materialkonstanten KAB zusammenfassen. Für die Lötstelle 2 gilt entsprechend: U 2 = K BA ⋅ T2 (6.74) Die Summe der beiden Kontaktspannungen U1 und U2 ergibt die Thermospannung U. Aus der Maschengleichung U1 + U 2 − U = 0 (6.75) U = U1 + U 2 = K AB ⋅ T1 + K BA ⋅ T2 (6.76) folgt: Bei Temperaturgleichheit (T1 = T2) tritt keine Thermospannung auf, U=0. U1 = −U 2 K AB ⋅ T1 = − K BA ⋅ T1 (6.77) K AB = − K BA Der allgemeine Fall ist aber, dass T1 ≠ T2 ist. Damit folgt aus der letzten Beziehung für die Berechnung der Thermospannung U = U 1 + U 2 = K AB ⋅ (T1 − T2 ) (6.78) Die entstandene Thermospannung hängt von den Werkstoffen A und B ab und wächst mit der Temperaturdifferenz T1 - T2 zwischen den Verbindungsstellen 1 und 2. 137 Um die Materialkonstante KAB nicht für alle möglichen Werkstoffkombinationen angeben zu müssen, hat man die thermoelektrische Spannungsreihe zusammengestellt. Hier wurden die Empfindlichkeiten der einzelnen Materialien gegenüber Platin für eine Temperaturänderung von 0°C auf 100°C ermittelt. Tabelle 6.3: Thermoelektrische Spannungsreihe Material X KXPt in [mV/100 K] Konstantan (CuNi) Nickel (Ni) Palladium (Pd) Platin (Pt) Wolfram (W) Platinrhodium (PtRh) Kupfer (Cu) Manganin (CuMnNi) Eisen (Fe) Nickelchrom (NiCr) Silizium (Si) -3,47…-3,04 -1,94…-1,2 -0,28 0,0 0,7 0,65 0,7 0,57…0,82 1,9 2,2 44 Thermoelektrische Spannungsreihe Die thermoelektrische Spannungsreihe gibt die Spannung an, die an einem Thermopaar anliegt, wenn der eine Schenkel aus Platin und der andere aus dem zu untersuchenden Werkstoff besteht. Dabei befindet sich die Messstelle auf einer Temperatur von 100°C und die Vergleichsstelle auf einer Temperatur von 0°C. Die gemessene Thermospannung ist charakteristisch für das Material des zweiten Thermoschenkels. Die Thermoempfindlichkeit von einem Stoff A zu einem Stoff B, beschrieben durch die Materialkonstante KAB, ergibt sich dann als Differenz der Empfindlichkeit KAPt und KBPt. K AB = K APt − K BPt (6.79) Für ein Thermoelement mit Schenkeln aus Eisen (Fe) und Konstantan (Ko) wird dementsprechend K FeKo = K FePt − K KoPt = 1,9 mV mV mV − − 3,47 = 5,37 100 K 100 K 100 K (6.80) Die Thermospannungen gebräuchlichster Thermopaare bei der Vergleichsstellentemperatur von 0°C sind in DIN 43710 angegeben. 138 Die Gl. (6.78) gibt einen streng linearen Zusammenhang zwischen Temperaturdifferenz und Thermospannung an. Eine sehr ausführliche Ableitung des thermoelektrischen Effektes zeigt jedoch, dass Polynome höherer Ordnung notwendig sein können. Diese sind der DIN IEC 584 oder DIN 43710 zu entnehmen. In Abbildung 6.36 sind die Nichtlinearitäten gebräuchlicher Thermopaare zu erkennen. 80 NiCr-CuNi mV Fe-CuNi 60 NiCr-Ni U 40 20 Pt 30%Rh-Pt 6%Rh -270 0 -10 300 600 900 1200 1500 °C 1800 T Abbildung 6.36: Kennlinien von Thermoelementen Tabelle 6.4: Werkstoffe und Eigenschaften von Thermoelementen Werkstoffe KupferKonstantan Zusammensetzung Messbereich [°C] Cu - 55% Cu 45% Ni -200…+500 Eisen Konstantan - Fe 55% Cu 45% Ni Nickelchrom Nickel - 85% Ni 12% Cr 3% Zusätze –Ni Platinrhodium Platin - 90% Pt Pt 10% Rh - Sonstige Eigenschaften Anwendung besonders Temperaturen bei tiefen -200+500 Bei hohen Temperaturen und in nicht oxidierender Atmosphäre 0…1000 Für oxidierende Gase beständig sehr genau, 0…1300 empfindlich (…1600 mit begrenzter Wasserstoff Lebensdauer) Schwefel gegen und Die Thermospannungen der gefertigten Thermopaare dürfen von den Grundwerten der Norm bis zu einem maximalen Wert abweichen. In der DIN IEC 584 sind die einzelnen Grenzabweichungen für 139 verschiedene Thermopaare und Temperaturbereiche definiert. Die Tabelle 6.4 zeigt für gängige Thermoelemente den einsetzbaren Messbereich und sonstige Eigenschaften. In der Praxis wird meist von den Thermodrähten A, B zunächst auf die Messleitungen übergegangen. Da die zusätzlichen Messleitungen nicht aus den Thermoelementmaterialien bestehen, entsteht in diesen Verbindungsstellen zum Messgerät eine Thermospannung. T1 C A U1 Tm Um U U2 C B T2 Abbildung 6.37: Thermoelementkreis mit drei unterschiedlichen Materialien A,B,C Für den gezeigten Kreis ergibt sich die Spannung U als Summe der drei Einzelspannungen: U1 = KCA ⋅ T1 = (K CPt − K APt ) ⋅ T1 U m = K AB ⋅ Tm = (K APt − K BPt ) ⋅ Tm U 2 = K BC ⋅ T2 = (K BPt − K CPt ) ⋅ T2 (6.81) U = K CPt (T1 − T2 ) + K APt (Tm − T1 ) + K BPt (T2 − Tm ) (6.82) zu Für den Fall, dass die Temperaturen der Verbindungsstellen 1 und 2 gleich sind, gilt T1 = T2 = T0 und es bleibt folgender Ausdruck übrig: U = K APt (Tm − T0 ) + K BPt (T0 − Tm ) = K AB (Tm − T0 ) (6.83) Das Thermoelement liegt auf der Messtemperatur Tm. Die Thermospannungen an den Messleitungen heben sich gegenseitig auf, solange die Verbindungsstellen dieselbe Temperatur T1 = T2 = T0 haben. U hängt dann nur von der Materialpaarung A,B des Thermoelements und von der Temperaturdifferenz Tm - T0 ab. Bei der Überbrückung eines größeren Abstandes zwischen 140 Thermoelement und Messeinrichtung durch Ausgleichsleitungen müssen folgende Gesichtspunkte berücksichtigt werden: • Ausgleichsleitungen gleicher thermoelektrischer Eigenschaften wie Thermodrähte, damit keine Thermospannungen an den Verbindungsstellen selbst entsteht, • es ist ein größerer Querschnitt zu wählen, damit der elektrische Widerstand möglichst klein wird. U Cu Cu T0 1 A 2 B Tm Abbildung 6.38: Ausführung eines Thermoelements mit der Vergleichsstellentemperatur T0 6.6.2 Vergleichsstelle für Temperaturen Die Thermospannung ist proportional der Temperaturdifferenz zwischen Tm der heißen Lötstelle und T0 der Anschlusspunkte. Zur Bestimmung von TmµßT0 bekannt sein. Hierzu benötigt man entweder eine Thermostatschaltung oder eine Korrekturschaltung. Bei der Thermostatschaltung wird die Temperatur im Innern eines Thermostaten auf einen konstanten Wert von 50, 60 oder 0°C geregelt. Dort sitzen die Klemmen, in denen die Thermodrähte mit den Kupferleitungen verbunden sind. U T0 Tm Abbildung 6.39: Vergleichsstelle mit einem Thermostaten 141 Wird die Korrekturschaltung angewendet, so darf die Temperatur der Vergleichsstelle schwanken. Bei einer Änderung von T0 wird eine Zusatzspannung Ud erzeugt und zur Thermospannung U addiert, so dass die Summe Ud + U konstant bleibt. Dazu wird eine Brücke mit einem temperaturempfindlichen Widerstand ausgestattet und für eine bestimmte Umgebungstemperatur T0 abgeglichen, so dass Ud (T0) = 0 ist. Ändert sich T0, so wird die Brücke verstimmt, und die Brückenspannung nimmt mit T0 zu. Umgekehrt dazu verhält sich die entstandene Thermospannung. Diese wird mit steigender Umgebungstemperatur kleiner und bei fallender entsprechend größer. Die Brücke ist so ausgelegt, dass sie dieselbe Empfindlichkeit wie das zugehörige Thermoelement erreicht. Dadurch gleichen sich die beiden gegenläufigen Effekte aus und die Summe Ud + U ist so groß wie das Signal eines Thermoelements, dessen Vergleichsstelle konstant auf T0 gehalten wird. Ud + U Ud U Abbildung 6.40: Vergleichsstelle mit einer Korrekturschaltung Ausführungsformen von Thermoelementen Thermoelementpaare können unmittelbar mit den zu messenden Stoff in Berührung gebracht werden. Die Thermoelemente werden mit Schutzrohren versehen, die mechanische Beschädigungen und Korrosion vermeiden sollen. Die Schutzrohre sind aus Messing, Stahl oder Keramik. In der elektrischen Ersatzschaltung ist die Thermospannung gleich der Leerlaufspannung einer Spannungsquelle zu setzen. Der Innenwiderstand der Quelle liegt zwischen einigen Ohm bis zu kΩ. Das Zeitverhalten des Thermoelements hängt vom Wärmeübergang von dem zu messenden Medium auf den Temperaturfühler und von dessen Wärmekapazität und Wärmeleitfähigkeit ab. In einer strömenden Flüssigkeit ist die Anzeigeverzögerung geringer als in einem stehenden Gas. Das Zeitverhalten wird durch eine Differentialgleichung 1.Ordnung beschrieben. 6.6.3 Widerstandsthermometer Häufiger als die in dem letzten Abschnitt vorgestellten Thermoelemente werden Widerstandsthermometer eingesetzt. Sie nutzen die Abhängigkeit des elektrischen Widerstandes von der Temperatur aus. In Metallen beruht ihre Wirkungsweise auf den frei beweglichen Elektronen, die bei zunehmender Temperatur mit den stärker schwingenden Metallionen zusammenstoßen. Die Bewegung der Elektronen wird behindert, was eine Steigerung des ohmschen Widerstands zur Folge hat. 142 Besitzt ein metallischer Leiter bei der Temperatur T0 den Widerstand R0, so nimmt er bei der Temperatur T den Widerstand RT an. 4 Heißleiter Kaltleiter RT R0 3 Ni 2 Pt 1 0 -100 -50 0 +50 +100 °C +150 T Abbildung 6.41: Physikalische Kennlinien der Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstandes verschiedener Werkstoffe Die folgende Beziehung stellt den Ansatz für die Kennlinie eines Widerstandsthermometers dar. [ RT = R0 1 + A(T − T0 ) + B(T − T0 ) RT R0 A und B =ˆ =ˆ =ˆ 2 ] (6.84) Widerstand bei der Temperatur T Widerstand bei der Vergleichstemperatur T0 Materialkonstanten Der Zahlenwert der Materialkonstanten A ist ungefähr drei Zehnerpotenzen größer als der von B, so dass bei geringen Temperaturdifferenzen der letzte Term der obigen Gleichung vernachlässigt werden darf. Beispiele: Platin (-200°C bis 850°C) A = 3,908⋅10-3°K-1; B = -0,58⋅10-6 K-2 Nickel (-60°C bis 180°C) A = 5,48⋅10-3 K-1; B = 7,85 = 10-6 K-2 Für kleine Temperaturmessbereiche (von 0 - 100°C) kann auch mit dem mittleren Temperaturbeiwert α gearbeitet werden. Die Gl. (6.84) geht dann über in 143 RT = R0 [1 + α (T − T0 )] (6.85) Die hier angegebenen Werte beziehen sich auf ein Temperaturintervall zwischen 0 und 100°C, und sie sind abhängig vom Reinheitsgrad des jeweiligen Metalls. Platin α = 3,85⋅10-3 K-1 … 3,92⋅10-3 K-1 Nickel α = 6,17⋅10-3 K-1 … 6,75⋅10-3 K-1 Kupfer α = 4,26⋅10-3 K-1 … 4,33⋅10-3 K-1 Die Empfindlichkeit E des metallischen Leiters ist: E= dRT Ω = R0α dT K (6.86) In der Technik werden überwiegend Nickel- und Platin-Widerstandsthermometer eingesetzt, da sie mit konstanten und reproduzierbaren Widerstandswerten hergestellt werden können. Die Widerstandswerte sind genormt und betragen 100 Ω bei 0°C. Ausführungsformen von Widerstandsthermometern Platinwiderstandsthermometer Ein Platindraht wird auf einem dünnen Glasröhrchen angebracht. Zum Schutz wird der Draht mit einem weiteren Glasröhrchen umgeben. Bei einer anderen Variante liegen die Wicklungen lose in zwei Kapillarrohren, so dass Spannungen im Draht vermieden werden. Nickelwiderstandsthermometer Der Nickeldraht wird auf ein Isoliermaterial gewickelt. Das Einschmelzen der Drähte wäre zu teuer. Damit ist dieses Widerstandsthermometer äußeren Einflüssen gegenüber empfindlicher. Filmwiderstandsthermometer Das Filmwiderstandsthermometer besitzt statt einem Draht einen aufgedampften Film. Die Vorteile dieses Widerstandsthermometers liegen in der einfacheren Fertigung, den kleineren Abmessungen und im besseren Zeitverhalten. Der Messstrom durch den Messwiderstand muss genügend klein gehalten werden, damit durch die Eigenerwärmung des Fühlers die Messung nicht verfälscht wird (I < 10 mA). Die Empfindlichkeit der Widerstandsthermometer ist weitaus höher als bei den Thermoelementen. Je kleiner das Wider144 standsthermometer ist, desto kleiner ist der erlaubte Messstrom. Die dynamische Eigenschaften des Messfühlers, insbesondere die Einstellzeit, hängen vom Messstrom ab. Es ist ein Kompromiss zwischen dem zulässigen Messstrom und der erreichbaren Einstellzeit zu schließen. Das Widerstandsthermometer liefert eine über die räumliche Ausdehnung des Messfühlers gemittelte Temperatur, wogegen das Thermoelement praktisch punktförmig misst. 6.6.4 Heißleiter Bei Halbleitern sind die Valenzelektronen fester an die Atomkerne gebunden als bei Metallen. Die Zahl der freien Ladungsträger ist zunächst gering, nimmt aber mit steigender Temperatur zu. Dadurch erniedrigt sich der elektrische Widerstand der Halbleiter. Diese in verschiedensten Formen hergestellten Sensoren werden als NTC-Widerstände (Widerstände mit negativen Temperaturkoeffizienten), Heißleiter oder Thermistoren bezeichnet. In Abbildung 6.41 ist die Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstandes verschiedener Werkstoffe gezeigt. Für die Abhängigkeit des elektrischen Widerstandes R in [Ω] von der Temperatur T in [K] gilt näherungsweise die Formel 1 1 RT = R0 exp b − T T0 b R0 RT =ˆ =ˆ =ˆ (6.87) Materialkonstante Widerstand bei der Temperatur T0 Widerstand bei der Temperatur T Mit K0 = R0⋅exp[-b/T0] lässt sich Gl. (6.87) umformen zu b RT = K 0 ⋅ exp T (6.88) Daraus ergibt sich für die Empfindlichkeit E E= dRT b Ω b b = K 0 ⋅ exp ⋅ − 2 = − 2 R0 dT K T T T (6.89) Mit steigender Temperatur werden die Widerstandsänderungen immer geringer und der Temperaturkoeffizient α ist α= 1 dRT 1 b b RT − 2 ≈ − 2 = R0 dT R0 T T (6.90) Hier gilt (RT / R0 ≈ 1). Der Temperaturkoeffizient eines Heißleiters ist also negativ und stark von der Temperatur abhängig. 145 V T R= U =25 66 0 5 K kΩ 102 T U R= =30 50 0 K kΩ T U= R= 350 8 kΩ K U(I)-Kennlinie des Heißleiters 101 U 100 1 P= 0m W 10-1 10-2 10-1 100 101 mA 102 I Abbildung 6.42: U(I)-Kennlinien eines Heißleiters Wird ein Strom wird durch den Heißleiter geschickt und der Spannungsabfall gemessen, besteht zunächst eine Proportionalität zwischen durchfließenden Strom I und abfallender Spannung U. Die Leistungszufuhr ist so gering, dass der Widerstand nur durch die Umgebungstemperatur bestimmt wird. Mit zunehmenden Strom erwärmt sich der Heißleiter, sein Widerstand nimmt ab und die Spannung steigt damit weniger schnell als der zugehörige Strom. In einem kleinen Bereich wird die Stromzunahme durch eine Widerstandsabnahme kompensiert und die Spannung bleibt ungefähr konstant. Wird die Widerstandsabnahme größer als die Stromzunahme, fällt die Spannung wieder. Bei höheren Umgebungstemperaturen ist der Widerstand des Heißleiters geringer und die Erwärmung beginnt erst bei größeren Strömen. Die Temperaturmessungen sind nur in dem ohmschen Bereich der Kennlinie möglich. Nur dort ist der Widerstand des Heißleiters ein Maß für die Umgebungstemperatur. 6.7 Fühler für chemische Substanzen und zur Gasanalyse Die typischen Messprinzipien, welche zur Gasanalyse ausgenutzt werden, beruhen entweder auf den unterschiedlichen Wärmeleitfähigkeiten oder auf den Absorptionseigenschaften der zu analysierenden Gase. Die bei der Messung eingesetzten Fühler benutzen häufig die Temperatur als Zwischengröße, die dann in ein elektrisches Ausgangssignal umgeformt wird. 146 6.7.1 Kohlendioxidmesser nach dem Wärmeleitverfahren Beim Kohlendioxidmesser (Rauchgasprüfer) wird die Wärmeleitfähigkeit von CO2 mit der von Luft verglichen. Ein elektrisch beheizter Draht nimmt eine um so höhere Temperatur an, je geringer die Wärmeleitfähigkeit des ihn umgebenden Gases ist. Jeder Temperatur entspricht ein bestimmter Widerstandswert des Heizdrahtes. Das Vergleichsgas Luft ist den gleichen Einflussgrößen (Temperatur, Feuchtigkeit) unterworfen wie das Messgas. In Abbildung 6.43 ist ein Kammerblock eines Kohlendioxidmessers dargestellt. Als Messschaltung wird eine Wheatstonesche Brücke benutzt, deren Widerstände aus Platindrähten bestehen. Je zwei dieser geheizten Messdrähte befinden sich in den Kammern die mit dem Messgas (CO2) bzw. mit dem Vergleichsgas gefüllt sind. Vergleichskammern Meßkammern Vergleichsgas ( Luft ) Meßgas ( Rauchgas ) Abbildung 6.43: Kammerblock eines Kohlendioxidmessers Gängige Kohlendioxidmesser sind für Messbereiche von 0 bis 20 Vol.% ausgelegt. Dabei entsprechen 20 Vol.% CO2 einem Temperaturanstieg um 6°C und einer Zunahme des Widerstands um etwa 0,2 Ω. Als Nachteil dieses Messverfahrens ist festzuhalten, dass es als Analyseverfahren wenig selektiv ist und nur für binäre Gasgemische geeignet ist. Der Einfluß von Fremdgasen ist allerdings eineichbar, wenn ihre Konzentration konstant bleibt. 6.7.2 Magnetischer Sauerstoffmesser Ähnlich wie beim Kohlendioxidmesser wird auch beim magnetischen Sauerstoffmesser ein Hitzdraht als Fühler benutzt. Das Messprinzip wird hier durch den Paramagnetismus des Sauerstoffs unterstützt. Unter den technisch wichtigen Gasen ist nur der Sauerstoff magnetisierbar, dieser Effekt nimmt aber mit zunehmender Temperatur ab. 147 Meßgas magnetischer Wind bifilarer Hitzdraht N S WeicheisenPolschuh Dauermagnet Abbildung 6.44: Messkammer eines magnetischen Sauerstoffmessers Das Messgerät besteht aus vier miteinander verbundenen Messkammern, von denen zwei mit Permanentmagneten ausgestattet sind. Jede Kammer enthält einen Hitzdraht aus Platin, der elektrisch auf etwa 300°C aufgeheizt wird. Durch die Hitzdrähte stellt sich in jeder Messkammer eine gleich große Konvektionsströmung ein, die den jeweiligen Platindraht in gleicher Weise abkühlt. Abbildung 6.44 zeigt einen Schnitt durch die Messkammer eines magnetischen Sauerstoffmessers. Enthält das Messgas Sauerstoff, so wird die Strömung in den Kammern mit Permanentmagneten beschleunigt, da die Dauermagneten den Sauerstoff anziehen. Durch die Erwärmung am Hitzdraht verliert der Sauerstoff an Magnetisierbarkeit und kalter Sauerstoff, der seine paramagnetischen Eigenschaften noch besitzt, drängt nach. Der Hitzdraht erfährt durch den zusätzlichen „magnetischen Wind“ eine stärkere Abkühlung und die Widerstandsänderung wird in einer Brückenschaltung gemessen. Dieses Messverfahren ist gegenüber Fremdgasen sehr selektiv. Die übrigen Einflussgrößen wie z. B. Druck und Temperatur können durch schaltungstechnische Maßnahmen in der Brücke kompensiert werden. 6.7.3 Ionisations-Rauchmelder Der Ionisations-Rauchmelder wird in automatischen Brandmeldeanlagen eingesetzt. Er besteht aus zwei luftgefüllten Ionisationskammern, in denen ein radioaktives Präparat einen Strom von ca. 20 pA erzeugt. Die erste Kammer dient als Messkammer und wird von Raumluft durchströmt, während die zweite Kammer luftdicht abgeschlossen sein muss, da sie als Bezugskammer benutzt wird. Bei einem auftretenden Brand werden sich in der Messkammer Ionen auf den Rauchpartikeln anla148 gern. Die sehr viel schwereren Rauchpartikel bewegen sich in dem elektrischen Feld viel langsamer als die Ionen, was eine Reduzierung des Stroms in der Messkammer nach sich zieht. Die Mess- und Vergleichskammer liegen hintereinander an einer Versorgungsspannung Uv. Infolge dieser Reihenschaltung fließt durch beide Kammern immer derselbe Strom. Ih Um Uv Ur Abbildung 6.45: Schaltbild eines Ionisations-Rauchmelders Im Normalfalle sind die Kennlinien (Im, Ir) der Kammern gleich und die Versorgungsspannung teilt sich etwa zur Hälfe auf beide Kammern auf (Arbeitspunkt a). 149 Im Ir Ir Im1 a Im2 b 0 ∆Um Um Uv Uv Ur 0 Abbildung 6.46: Kennlinien eines Ionisations-Rauchmelders Gelangen Rauchpartikel in die Messkammer, verschiebt sich die Kennlinie und der Strom geht von Im1 auf Im2 zurück. b ist der neue Arbeitspunkt. Dass hat eine Zunahme der Spannung um ∆Um an der Messkammer und entsprechend eine Abnahme der Spannung an der Bezugskammer zur Folge. Die Spannungsänderung ist das Messsignal, was ausgewertet wird. Stromänderungen aufgrund von Luftdruck- oder Temperaturschwankungen, die sich auf beide Kammern auswirken, verschieben nicht die Aufteilung der Versorgungsspannung und bleiben ohne Einfluß auf die Messung. 6.8 Fühler für strömungstechnische Größen Bei der Messung einer Strömung oder Volumendurchfluss bzw. der Volumenstrom eines Durchflusses sind grundsätzlich der V V& = t m3 s (6.91) m t kg s (6.92) und der Massenstrom m& = zu unterscheiden. Sie sind über die Dichte miteinander verknüpft (siehe Gl. 2.16). 6.8.1 Hitzdrahtanemometer Das Hitzdrahtanemometer ist ein thermischer Massenstrommesser, bei dem ein beheizter Widerstandsdraht einer Gasströmung ausgesetzt und von dieser abgekühlt wird. Die abgeführte Wärme 150 ist proportional der Massenstromdichte [kg⋅m-2⋅s-1], aus der nach Multiplikation mit dem Rohrquerschnitt der gesamte Massenstrom [kg⋅s-1] folgt. Der Massendurchfluss wird also ohne eine zusätzliche Dichtemessung bestimmt. Der Hitzdraht liegt als Widerstand in einer Brücke und die Messungen selbst werden entweder bei konstantem Heizstrom oder bei konstanter Temperatur des Hitzdrahtes durchgeführt. Im ersten Fall wird die Brückendiagonalspannung direkt gemessen. Im zweiten Fall ist die Brückendiagonalspannung die Eingangsgröße eines Reglers, der der Temperaturverstimmung entgegenwirkt. Gemessen wird hier der Reglerausgangsstrom, der ein Maß für die Strömungsgeschwindigkeit ist. Ein wichtiger Vorteil dieses Verfahrens ist das bessere dynamische Verhalten während der Messung. Differential-Hitzdrahtanemometer Das Differential-Hitzdrahtanemometer erweitert den Messbereich in Richtung kleinerer Strömungsgeschwindigkeiten. Volumenströme der Größenordnung von 10-4 mm3⋅s-1 können noch erfaßt werden. Das Differenzial-Anemometer besteht aus zwei dünnen, in der Strömung hintereinanderliegenden Platindrähten, die beide beheizt werden. Sie sind thermisch gekoppelt, so dass bei einer Gasströmung das von dem ersten Draht erwärmte Gas zu dem zweiten Draht gelangt. Durch die Strömung wird der erste Draht abgekühlt, der zweite wird erwärmt. Beide sind in der Messbrücke verschaltet, deren Diagonalspannung für kleine Volumenströme linear von der Durchflussgeschwindigkeit v abhängt. U0 1 1 2 Ud 2 Abbildung 6.47: Differential-Hitzdrahtanemometer mit Brückenschaltung 6.8.2 Induktions-Durchflussmesser Die Wirkungsweise des Induktions-Durchflussmessers beruht auf der Leitfähigkeit von Flüssigkeiten. Sie enthalten Ionen mit der Ladung q als Ladungsträger, die sich mit der strömenden Flüssigkeit bewegen. Besitzen die Ionen die Geschwindigkeit v und strömen sie durch ein senkrecht zu ihrer Bewegungsrichtung stehendes magnetisches Feld B, so werden sie mit der Kraft 151 Fm = q ⋅ v ⋅ B (6.93) zur Seite abgelenkt. An den Wandungen des Rohres mit dem Durchmesser d sitzen isoliert Elektroden, an denen die abgelenkten Ionen abfließen können. Es entsteht ein elektrisches Feld E mit der auf eine Ladung q wirkenden Kraft Fe = q ⋅ E (6.94) Aus den obigen Gleichungen folgt q⋅v⋅B = q⋅E = q⋅ U d (6.95) somit gilt für die induzierte Spannung U = d ⋅v⋅B (6.96) Das darauf basierende Durchflussmessverfahren über die magnetische Induktion ist im Prinzip im folgenden Bild dargestellt. U . V° B d IV B Elektroden V ν Abbildung 6.48: Prinzip der induktiven Durchflussmessung Die strömende Flüssigkeit wird hier als Leiter angesehen, d.h., sie muss eine Mindestleitfähigkeit von etwa 0,1 mS/m besitzen. Die meisten technischen Flüssigkeiten erfüllen diese Anforderungen, z. B. Leitungswasser mit etwa 50 bis 80 mS/m. Destilliertes Wasser liegt mit etwa 0,1 mS/m an der Grenze, Kohlenwasserstoffe sind ungeeignet. 152 Der wesentliche Vorteil liegt in dem linearen Zusammenhang und in der Tatsache, dass keine Druckminderung durch Drosselgeräte oder Strömungskörper auftritt. Der Volumendurchfluss V& als Produkt von Rohrquerschnitt π⋅d2/4 und der Geschwindigkeit v beträgt dann π ⋅d2 ⋅v π d V& = = ⋅ ⋅U 4 4 B (6.97) Im Allgemeinen ist die induzierte Spannung U gering. Sie beträgt z. B. bei B = 0,1 T , d = 0,1 m und v = 0,1 m/s nur 1 mV. 6.9 Fühler zur Strahlungsmessung Photoelement und Photodiode gehören zusammen mit der Photozelle, dem Photomultiplier und dem Photowiderstand zu den optoelektronischen Messgrößenumformern. Als Einheiten der lichttechnischen Größen verwendet man das Lumen und das Lux, die sich von der Basiseinheit Candela ableiten lassen. Das Lumen lm ist die Einheit des Lichtstromes Φ und das Lux lx ist die Einheit der Beleuchtungsstärke Ev. Die Beleuchtungsstärke Ev ist das Verhältnis aus dem Lichtstrom Φ und der beleuchteten Fläche A: Ev = Φ A ; 1lx = 1lm m2 6.9.1 Photoelement und -diode Das Photoelement ist ein Halbleiter mit einer p- und einer n-leitenden Zone. An der Schnittstelle diffundieren die Defektelektronen (Löcher) in den n-leitenden Bereich und die Leitungselektronen in den p-leitenden Bereich. p n + Defekt- und Leitungselektronen rekombinieren, so dass eine Zone ohne freie Ladungsträger, die Sperrschicht, entsteht. Zudem bleiben zwei unkompensierte, geladene Bereiche über, zwischen denen die sogenannte Diffusionsspannung UD liegt. 153 p UD + + n - Sperrschicht Wird nun die Sperrschicht von Lichtquanten genügend hoher Energie getroffen, werden Elektronenbindungen zerstört und Elektronen werden vom Valenzband in das Leitungsband gehoben. Die dadurch entstandenen Elektron-Loch-Paare werden durch das elektrische Feld in der Sperrschicht (Raumladungszone) getrennt und fließen wieder zur n- bzw. p-leitenden Zone. p UD n + Sperrschicht In der Sperrschicht wird ein von der Beleuchtung abhängiger Driftstrom erzeugt. Er ist proportional der Beleuchtungsstärke und kann gemessen werden, indem der pn-Halbleiter, mit Elektroden versehen, zu einem Stromkreis verbunden wird (innerer lichtelektrischer Effekt). p Anode n + - Kathode IAK Abbildung 6.49: Aufbau eines Photoelements Als Halbleitermaterial dient neben Selen und Kupferoxydul heute hauptsächlich Silizium und Germanium. Die Eigenschaften des Photoelements sollen anhand seiner Kennlinien diskutiert werden. Dargestellt sind in Abbildung 6.50 die Kennlinien für den gesamten möglichen Betriebsbereich. Die im IV. Quadranten des Kennlinienfeldes verlaufenden Kurven charakterisieren die Betriebsart „Element“. Möglich ist beim Elementbetrieb die Messung des Kurzschlußstromes IK bei UAK = 0. Die entsprechenden Werte sind auf der negativen Ordinatenachse dargestellt. Der Kurzschlussstrom steigt linear mit der Beleuchtungsstärke. 154 Wird die Leerlaufspannung UL des Elements gemessen, so fließt kein Strom IAK = 0. Für die verschiedenen Beleuchtungsstärken ergeben sich die auf der positiven Abzissenachse angegebenen Spannungen. Sie steigen mit dem Logarithmus der Beleuchtungsstärke. IAK UAK I AK 60 µA 40 II I 20 UAK 0 -5 -4 -3 -2 EV=600 lx 0 -1 0.1 0.2 0.5 0.3 V -20 EV=1200 lx -40 EV=1800 lx -60 R=10kΩ R=10kΩ III IV Abbildung 6.50: Kennlinienfeld einer Si-Photodiode Dieses Verhalten lässt sich im Ersatzschaltbild durch eine Stromquelle darstellen, bei der nicht nur der Kurzschlussstrom IK, sondern auch der Innenwiderstand Rq von der Beleuchtungsstärke abhängt. Die Leerlaufspannung UL ergibt sich als Produkt aus dem Kurzschlussstrom IK und dem Innenwiderstand Rq: U L = I K ⋅ Rq (6.98) und steigt so weniger schnell als der Kurzschlussstrom. IK Rq Cq UL Abbildung 6.51: Ersatzschaltbild eines Photoelements Kurzschlussstrom (Ordinate) und Leerlaufspannung (Abszisse) begrenzen den Betriebsbereich eines Photoelements. Dazwischen kann praktisch jeder Arbeitspunkt erreicht werden, indem das Element mit einem Widerstand R belastet wird. In diesem Fall kann entweder der im Kreis 155 fließende Strom IR oder die am Widerstand abfallende Spannung UR gemessen werden. Beide Größen hängen nichtlinear von der Beleuchtungsstärke ab. IR UR UL IK b) a) c) Abbildung 6.52: Betriebsarten vom Photoelement a) Elementbetrieb, Messung des Kurzschlussstroms IK b) Elementbetrieb, Messung der Leerlaufspannung UL c) Elementbetrieb, Strom- oder Spannungsmessung in einem Kreis mit Lastwiderstand Betrieb als Photodiode Im Diodenbetrieb wird eine Spannung in Sperrrichtung an den Aufnehmer gelegt. Die im III. Quadranten des Kennlinienfeldes verlaufenden Kurven charakterisieren die Betriebsart „Diode“. Dadurch ändert sich, wie die Kennlinien zeigen, nicht der vom Aufnehmer gelieferte Strom. Ein Lastwiderstand kann jetzt relativ groß gewählt werden, ohne dass der lineare Zusammenhang zwischen der Beleuchtungsstärke und dem im Messkreis fließenden Strom oder der am Widerstand abfallenden Spannung verloren geht. Noch wichtiger aber ist, dass durch die Spannung in Sperrrichtung die Breite der Raumladungszone zunimmt, womit die Kapazität der Diode sinkt. Dadurch verbessert sich ihr Zeitverhalten. Photoelemente können Frequenzen von höchstens einigen kHz folgen, wogegen Photodioden Frequenzen im MHz-Bereich zu messen gestatten. IR UR + - Abbildung 6.53: Diodenbetrieb, Messung des Stromes oder der am Lastwiderstand abfallenden Spannung 156 6.9.2 Photozelle Die Photozelle besteht aus einer evakuierten Glasröhre mit einer Kathode K und einer Anode A. Treffen auf die Kathode Lichtquanten, deren Energie größer als die Austrittsarbeit der Elektronen ist, so werden Elektronen freigesetzt (äußerer Photoeffekt). Die Elektronen werden unter dem Einfluß einer zwischen Kathode und Anode angelegten Spannung in Richtung Anode beschleunigt und führen zu einem im äußeren Kreis messbaren Strom. Dieser ist bei einer bestimmten Wellenlänge ein Maß für die Zahl der auftreffenden Lichtquanten und damit ein Maß für die Beleuchtungsstärke. IR 15 4 MΩ - A R=0 µA UR + 2 MΩ 10 0.5 lm 5 0.25 lm I K 0.05 lm a) b) 0 0 20 40 U 60 80 V 100 Abbildung 6.54: a) Aufbau und b) Kennlinie einer Photozelle Hat die an der Photozelle anliegende Spannung eine bestimmte Größe erreicht, so ist der Strom unabhängig von der Spannung und nimmt mit der Beleuchtungsstärke zu. Auch bei einer Belastung der Photozelle mit einem Arbeitswiderstand R ist sowohl der im Stromkreis fließende Strom als auch die am Arbeitswiderstand abfallende Spannung direkt proportional der Beleuchtungsstärke. Die Empfindlichkeit ist konstant und beträgt etwa 10-3 µA/lx. Infolge der kurzen Laufzeit der Elektronen zwischen Kathode und Anode sind die Photozellen sehr schnell; Lichtfrequenzen von 109 Hz können verarbeitet werden. Eine Verstärkung der Empfindlichkeit erreicht man durch Verwendung einer gasgefüllten Photozelle. Die Elektronen ionisieren auf ihrem Weg von Kathode zu Anode Gasmoleküle. Dadurch werden weitere Elektronen frei, und es fließt ein größerer Strom. Bezüglich der statischen Eigenschaften wird eine 3 bis 10-fach höhere Empfindlichkeit erreicht aber auch eine geringere Lebensdauer bei hohen Spannungen. Der Nachteil gegenüber der evakuierten Photozelle liegt in der dynamischen Eigenschaft, da Frequenzen um 1000 Hz die oberen Grenzen bilden. 157 6.9.3 Photomultiplier Der Photomultiplier enthält zunächst wie die Hochvakuumphotozelle eine lichtempfindliche Kathode. Darüber hinaus sind jetzt mehrere Elektroden (Dynoden) vorhanden, die in Richtung Anode an einer jeweils höheren Spannung liegen. Die in der Kathode von den Lichtquanten freigesetzten Elektronen werden zur ersten Dynode beschleunigt. Dort wird der Effekt der „Sekundärelektronenemission“ wirksam. Jedes auftreffende Elektron löst im Mittel z Sekundärelektronen aus. Dieser Vorgang setzt sich von Dynode zu Dynode fort, so dass bei insgesamt N Dynoden der Ausgangsstrom iA um den Faktor zN größer ist, als der Photostrom iK der Kathode: i A = z N ⋅ iK (6.99) Der Photomultiplier ist sehr empfindlich. Verstärkerfaktoren bis zu 108 werden erreicht, und einzelne Lichtquanten können als Impulse nachgewiesen werden. In Abbildung 6.55 ist der Photomultiplier schematisch dargestellt. 2U 4U 6U Photokathode Anode + 0 U 3U Abbildung 6.55: Photomultiplier (schematisch) 158 5U 7U 7 Messumformer 7.1 Aufgabe der Messumformer Bei der Signalumformung wird durch das entsprechende Glied der Messkette das Eingangssignal x in ein Ausgangssignal y mit anderen Signalcharakteristiken umgewandelt. Dabei wird in jedem Falle angestrebt, dass die zu übermittelnde Information möglichst unverändert vom Eingangs- auf das Ausgangssignal übertragen werde. Wie schon zu Beginn dieser Vorlesung erwähnt, besteht die Hauptaufgabe der Messumformer in der Verstärkung und Normierung der von den Fühlern gelieferten, meist sehr kleinen Ausgangssignale. Zugleich erfüllen Messumformer damit zusammenhängende Nebenaufgaben, wie die Anpassung der elektrischen oder mechanischen Signale an den Eingang des Messverstärkers und die Korrektur von Einflussgrößen, mit denen der Fühler behaftet ist. Die Ausgangssignale der Fühler, d.h. die Eingangssignale der Messumformer, sind sehr verschiedenartig. Als elektrische Eingangssignale sind möglich: Spannung U, Strom I, Widerstand R, Ladung Q, Frequenz f, z. B. beim Thermoelement, beim induktiven Durchflussmesser; z. B. bei der Ionisationskammer; z. B. beim Widerstandsthermometer, beim DMS; z. B. beim piezoelektrischen Sensor; z. B. beim induktiven Drehzahlfühler und anderen digital anfallenden Messgrößen. Ein mechanisches Eingangssignal kann der Ausschlagwinkel α sein, den ein mechanisches Messwerk liefert. 7.2 Messverstärker Die Brückendiagonalspannung Ud einer Wheatstoneschen Brücke entsteht als Differenz der ungefähr gleichgroßen Teilspannungen U1 und U2. U d = U1 − U 2 (7.1) Zur Verstärkung dieser oft sehr kleinen Spannungsdifferenz bieten sich verschiedene Messverstärker an. An einen Messverstärker werden die folgenden Forderungen gestellt: 159 • Eine Rückwirkung des Messverstärkers auf die Messgröße sollte nach Möglichkeit nicht auftreten. Seinen Eingangswiderstand muss man daher so auslegen, dass eine möglichst geringe Belastung der Quelle (Messfühler) auftritt. • Bei einem Spannungsverstärker ist der Eingangswiderstand hochohmig im Vergleich zum Innenwiderstand der Quelle auszulegen. • Bei einem Stromverstärker sollte der Eingangswiderstand entsprechend niederohmig im Vergleich zum Innenwiderstand der Quelle ausfallen. • Das Ausgangssignal des Messverstärkers darf durch die weiteren angeschlossenen Geräte nicht verändert werden (eingeprägtes Ausgangssignal). Der Verstärkungsfaktor ist definiert als das Verhältnis von Ausgangs- zu Eingangsgröße. Das setzt voraus, dass die Ausgangsgröße nur von der Eingangsgröße abhängt. V= y x (7.2) x y Abbildung 7.1: Schaltsymbol eines Messverstärkers Wir betrachten den Verstärker als einen von der Messgröße gesteuerten Generator. Im idealisierten Fall erfolgt die Steuerung ohne eine Leistungsübertragung. Bei einer Spannungsmessung ist der Eingangswiderstand des Verstärkers unendlich groß (Re → ∞), entsprechend gilt für eine Strommessung Re = 0. Der Verstärker benötigt immer eine externe Energieversorgung aus der auch die am Verstärkerausgang abgegebene Leistung kommt. U1 Re VxU1 U2=V .U1 Abbildung 7.2: Ersatzschaltbild eines idealen Spannungsverstärkers 160 Außer den oben genannten Forderungen sollte ein Messverstärker auch die folgenden Eigenschaften besitzen: 1. eine hohe Stabilität des Nullpunkts, 2. eine gute Reproduzierbarkeit, 3. und gute dynamische Übertragungseigenschaften. 7.2.1 Störgrößen bei Messverstärkern Von besonderer Bedeutung im Hinblick auf Messfehler sind die Störeinflüsse, welche vor allem aus der Umgebung auf Messobjekt und Messeinrichtung einwirken. Die Störgrößen z können am Verstärkereingang, am Verstärker selbst und am Ausgang angreifen. z1 z2 z3 y x Abbildung 7.3: Störgrößen bei Messverstärkern Die Störgröße z1 am Eingang kann durch induktive Einstreuungen oder durch Thermospannungen an der Eingangsschaltung hervorgerufen werden. Diese Störgröße wirkt sich besonders stark aus! Zum einen weil das Eingangssignal gewöhnlich sehr energieschwach ist und zum zweiten, weil diese Störgröße mit dem Nutzsignal verstärkt wird. Da sich diese Störgröße zum Eingangssignal addiert, am Eingang liegt also x + z1 an, wird sie als additive Störgröße bezeichnet. Umgebungseinflüsse, die eine Änderung der Bauelementeigenschaften und Schwankungen der Versorgungsspannung und somit eine Änderung der Verstärkung bewirken, werden als multiplikativen Störgrößen bezeichnet. In Abbildung 7.3 sind sie durch z2 symbolisiert. Eine weitere Art der multiplikativen Störgröße tritt am Ausgang des Messverstärkers auf, z. B. hervorgerufen durch Änderungen des Verbraucherwiderstandes. Da additive Störgrößen im Verstärker und am Ausgang vernachlässigbar klein sind, werden sie bei der Beschreibung des Verstärkerverhalten nicht berücksichtigt. y = ( x + z1 ) ⋅ V ( z2 ; z3 ) (7.3) 161 Um eine Verringerung des additiven Störgrößeneinflusses zu erreichen, werden • störungsarme Eingangsschaltungen, • Abschirmungen der Zuleitungen, • hochwertige Bauelemente, • konstante Hilfsspannungsquellen, • und Modulationsverstärker zur Reduzierung der Nullpunktdrift verwendet. In Abbildung 7.4 ist ein solcher Modulationsverstärker als Blockschaltbild gegeben. Die Eingangsspannung wird in eine Wechselspannung umgewandelt, verstärkt und anschließend gleichgerichtet. Die im Wechselspannungsverstärker entstehende Gleichspannungsdrift wird nicht mit verstärkt, sondern durch Kondensatoren eliminiert. Wechselspannungsverstärker Modulator (Chopper) Phasenabhängiger Gleichrichter = ~ x = ~ ~ y ~ Modulationsfrequenz Abbildung 7.4: Blockschaltbild eines Modulationsverstärkers Eine Reduzierung der multiplikativen Störgrößen wird durch die Gegenkopplung erreicht. Die Ausgangsgröße y wird zum Eingang des Verstärkers zurückgeführt und dort der Eingangsgröße x entgegenschaltet. x _ x10 V0 y y y y.G G Abbildung 7.5: Schaltbild eines gegengekoppelten Verstärkers 162 Die Verstärkung des offenen Verstärkers, ohne Gegenkopplung, ist y = V0 ⋅ x10 (7.4) Für das Eingangssignal x10 des offenen Verstärkers gilt x10 = x − yG (7.5) y = ( x − yG )V0 (7.6) Mit Gl. (7.4) folgt Die Verstärkung des gegengekoppelten Verstärkers bestimmt sich somit zu: V= y ( x − yG )V0 = x x y = V0 ⋅ 1 − G x = = V0 1 + V0 ⋅ G 1 1 +G V0 (7.7) Hat der offene Verstärker eine sehr große Verstärkung (V0 → ∞), so gilt y 1 = (7.8) x G Die tatsächliche Verstärkung V des gegengekoppelten Messverstärkers ist in diesem Fall nur noch V= von dem Übertragungsfaktor G im Rückwärtszweig abhängig. Multiplikative Einflüsse, welche die Verstärkung V0 des offenen Verstärkers ändern, gehen nicht in die Verstärkung V der gegengekoppelten Anordnung ein. Additive Störgrößen können durch diese Folgeregelung nicht eliminiert werden. 7.3 Brückenschaltungen 7.3.1 Abgleich-Widerstandsmessbrücke Die 1843 von Wheatstone erstmals verwendete Messbrücke besteht aus vier Widerständen R1 bis R4. 163 Sie sind so angeschlossen, dass sich zwei parallel geschaltete Spannungsteiler ergeben, die an der Brückenspeisespannung U0 liegen. U0 R2 R1 U1 Ud U3 R4 R3 Abbildung 7.6: Wheatstonesche Messbrücke Am Widerstand R1 fällt die Teilspannung U1 = U 0 ⋅ R1 R1 + R2 (7.9) ab und am Widerstand R3 wird die Teilspannung U3 = U0 ⋅ R3 R3 + R4 (7.10) abgegriffen. Die Diagonalspannung Ud der Brücke ergibt sich aus der Differenz der beiden Teilspannungen U d = U 3 − U1 = U 0 ⋅ R2 R3 − R1R 4 (R1 + R2 ) ⋅ (R3 + R4 ) (7.11) Ist die Diagonalspannung Ud der Brücke gleich null, so bezeichnet man die Brücke als abgeglichen. Daraus folgt unmittelbar die Abgleichbedingung, da der Zähler der obigen Gleichung zu null wird. R2 R3 = R1R 4 (7.12) Diese Brückenschaltung kann auf unterschiedliche Art und Weise eingesetzt werden. Als AbgleichWiderstandsmessbrücke dient sie zur Bestimmung unbekannter Widerstände. 164 U0 R1 Rx R4 Ud R3 Abbildung 7.7: Abgleich-Widerstandsmessbrücke Der gesuchte Widerstand Rx wird mit drei bekannten Widerständen in einer Brücke verschaltet, wobei mindestens einer dieser drei Widerstände einstellbar ist. Wird der variable Widerstand R3 so verändert, dass die Brücke abgeglichen ist (Ud = 0), folgt für den gesuchten Widerstand Rx Rx = R1 ⋅ R4 R3 (7.13) 7.3.2 Ausschlag-Widerstandsmessbrücke Eine andere Möglichkeit die Brückenschaltung einzusetzen, bietet das Ausschlagverfahren. Die Brücke ist in diesem Fall so ausgelegt, dass sie bei einem bestimmten Wert des interessierenden Widerstandes abgeglichen ist. Änderungen dieses Widerstandes haben einen Ausschlag der Diagonalspannung zur Folge. U0 Rx R4 R1 Ud R3 Abbildung 7.8: Widerstandsmessbrücke im Ausschlagverfahren Die Diagonalspannung ist ein Maß für die Widerstandsänderung. Ein weiterer Vorteil des Ausschlagverfahrens besteht in der zeitlich kontinuierlichen Messung des Widerstandes. Eine Änderung des gesuchten Widerstandes mit der Zeit Rx = Rx(t) ergibt eine Diagonalspannung Ud = Ud(t), die ebenfalls eine Funktion der Zeit ist. Berechnet man die Diagonalspannung Ud nach Gl. (7.11) für die in Abbildung 7.8 dargestellte Brückenschaltung mit den drei gleich großen Widerständen R, so gilt 165 U 0 Rx − R = ⋅ 2 Rx + R 1 R U d = U 0 − 2 R + Rx (7.14) Um die Abhängigkeit der Diagonalspannung von Rx genauer zu untersuchen, werden verschiedene Werte für den Widerstand Rx eingesetzt: Rx = 0 : Ud = − Rx = R : Ud = 0 Rx → ∞ : U0 2 Ud = + U0 2 U0 2 Ud 0 1 2 3 4 U0 2 Rx R Abbildung 7.9: Verlauf der Kennlinie in Abhängigkeit von Rx / R Die Kennlinie verläuft also gekrümmt und die Empfindlichkeit dUd / dRx ist auch in der Nähe des Arbeitspunktes Rx = R nicht konstant. Die Höhe der Diagonalspannung ist immer ein Maß für die Verstimmung der Brücke. Wie stark die Brücke verstimmt wird, hängt aber nicht nur von der Größe der Widerstände ab, sondern auch von ihrer Anordnung in der Brückenschaltung. Die verschiedenen Anordnungen werden dabei als Viertel-, Halb- oder Vollbrücke bezeichnet, je nachdem, ob 1 Widerstand, ob 2 oder alle 4 Widerstände einstellbar sind. Die Speisespannungen der einzelnen Brückenschaltungen seien jeweils konstant. Es sollen die Diagonalspannungen für die verschiedenen Anordnungen berechnet werden. Viertelbrücke Die nicht näher bezeichneten Widerstände in der Brücke haben den Wert R und sind nicht variabel. Widerstände, die mit einem + gekennzeichnet sind besitzen den Wert R + ∆R und entsprechend die mit — markierten den Wert R - ∆R. 166 U0 R1 R2 + Ud R4 R3 Abbildung 7.10: Viertelbrücke Ausgehend von der Grundgleichung für die Diagonalspannung (Gl.7.11) Ud = U0 ⋅ R2 R3 − R1R4 (R1 + R2 ) ⋅ (R3 + R4 ) folgt mit R1 = R3 = R4 = R und R2 = R + ∆R aus Abbildung 7.10 Ud ( R + ∆R )R − R 2 = U0 ⋅ (2 R + ∆R )2 R = U0 ⋅ ∆R 4 R + 2 ∆R (7.15) Im Nenner kann bei kleinen Widerstandsänderungen ∆R gegenüber R vernachlässigt werden, so dass sich die Gleichung auf Ud ≈ U 0 ∆R 4 R (7.16) reduzieren lässt. Die Diagonalspannung ist nur angenähert proportional zur Widerstandsänderung ∆R bezogen auf den Anfangswiderstand R. Halbbrücke U0 R2 + R4 U0 R1 Ud R2 + R3 R4 _ + a) b) Abbildung 7.11: Mögliche Verschaltungen der Halbbrücke 167 R1 Ud R3 Werden in einer Messbrücke zwei veränderliche Widerstände eingesetzt, ist die entstehende Diagonalspannung doppelt so groß wie bei der Viertelbrücke. Am Beispiel der im Fall b) dargestellten Halbbrücke folgt dann in bekannter Weise Ud = U0 ⋅ (R + ∆R )R − R(R − ∆R ) = U ⋅ 2 R∆R 0 2 (2 R + ∆R ) ⋅ (2 R − ∆R ) 4 R 2 − (∆R ) (7.17) Bei kleinen Widerstandsänderungen ∆R gegenüber R folgt somit Ud ≈ U 0 ∆R 2 R (7.18) Vollbrücke U0 R1 R2 _ + R4 _ Ud R3 + Abbildung 7.12: Vollbrücke Die Schaltungsanordnung in Abbildung 7.12 zeigt eine mit vier variablen Widerständen ausgestattete Vollbrücke mit der vierfachen Empfindlichkeit einer Viertelbrücke. Ud = U0 ∆R R (7.19) Brücke, mit konstantem Strom gespeist Bei den bisher vorgestellten Brückenschaltungen wurde davon ausgegangen, dass die Speisespannung U0 stets konstant ist. Die Speisung der Brücke kann aber auch durch einen konstanten Strom I0 erfolgen, der in der Parallelschaltung von (R1 + R2) mit (R3 + R4) zu einem Spannungsabfall U0(I0) führt. 168 U0(I0) R2 R4 R1 Ud I0 R3 Abbildung 7.13: Brücke mit konstanter Stromspeisung Der Spannungsabfall an der Parallelschaltung berechnet sich wie folgt U 0 = I 0 [(R1 + R2 ) = I0 (R3 + R4 )] (R + R2 ) ⋅ (R3 + R4 ) ⋅ 1 (7.20) R1 + R2 + R3 + R4 Wird dieser Ausdruck für U0 in die Grundgl. (7.11) der Diagonalspannung eingesetzt, ergibt sich die Diagonalspannung der stromgespeisten Brücke zu Ud = I0 ⋅ (R1 + R2 ) ⋅ (R3 + R4 ) ⋅ R1 + R2 + R3 + R4 R2 R3 − R1 R4 = I0 ⋅ R1 + R2 + R3 + R4 R2 R3 − R1 R4 (R1 + R2 ) ⋅ (R3 + R4 ) (7.21) Sie ist proportional zu dem Speisestrom I0. Der Zähler ist derselbe wie bei der spannungsgespeisten Brücke, aber im Nenner steht jetzt die Summe aller Widerstände. Es werde nun angenommen, dass die in den Bildern Abbildung 7.10 bis Abbildung 7.12 dargestellten Brückenschaltungen durch eine Konstantstromquelle versorgt würden. Entsprechende Berechnungen zeigen, dass die Diagonalspannungen dann nicht mehr von ∆R/R, sondern nur noch von ∆R allein abhängen. Viertelbrücke: Ud ≈ I0 ⋅ ∆R 4 (7.22) Ud ≈ I0 ⋅ ∆R 2 (7.23) U d = I 0 ⋅ ∆R (7.24) Halbbrücke: Vollbrücke: 169 7.3.3 Wechselstrom-Messbrücken Es lassen sich in der Realität keine idealen kapazitiven und induktiven Bauelemente produzieren. Kondensatoren und Spulen besitzen immer einen rein ohmschen Widerstandsanteil, der beim Stromdurchfluss zu Energieverlusten führt. In den Ersatzschaltbildern für Induktivitäten und Kapazitäten werden die rein ohmschen Widerstände (auch Wirkkomponente genannt) in Reihe oder parallel zum Blindwiderstand gezeichnet. Der Blindwiderstand X ist abhängig von der Frequenz ω der angelegten Spannung U. UR U UL I UR L U ϕ R C IC I UL IR U IC I ϕ IR I U RP Abbildung 7.14: Reihen- und Parallel-Ersatzschaltung mit Zeigerdiagramm für verlustbehaftete induktive und kapazitive Widerstände Der Scheinwiderstand Z (Impedanz) ist eine komplexe Größe und besteht aus der Wirkkomponente R und dem Blindanteil X. Z = R + jX ; Z 2 = R2 + X 2 ; ϕ = arctan (7.25) In Polarform geschrieben Z = Z ⋅ e jϕ X R (7.26) Je nach Art des Bauelements wird für einen induktiven Blindwiderstand XL = ω L und entsprechend für einen kapazitiven XC = -1/ω C eingesetzt. 170 Wechselstrom-Abgleichbrücke Die Funktionsweise einer Wechselstrom-Abgleichbrücke unterscheidet sich nur geringfügig von der der Wheatstoneschen Messbrücke für Gleichgrößen. U0 Z2 Z1 Ud Z4 Z3 Abbildung 7.15: Wechselstrombrücke mit Scheinwiderständen Ähnlich der in Kapitel 7.3.1 hergeleiteten Abgleichbedingung für ohmsche Widerstände gilt hier für die Impedanzen Z 2 Z 3 = Z1Z 4 . (7.27) Teilt man diese Scheinwiderstände nach Real- und Imaginärteil auf, folgt (R2 + jX 2 ) ⋅ (R3 + jX 3 ) = (R1 + jX 1 ) ⋅ (R4 + jX 4 ) . (7.28) Um diese Gleichung zu erfüllen, müssen auf jeder Seite Real- und Imaginärteil gleich groß sein. Nach dem Ausmultiplizieren ergibt sich für den Realteil R2 R3 − X 2 X 3 = R1R4 − X 1 X 4 (7.29) X 2 R3 + X 3 R2 = X 1 R4 + X 4 R1 . (7.30) und den Imaginärteil Die Bedingung für den Brückenabgleich kann ebenso in Polarform angegeben werden: Z 2 Z 3 ⋅ e j (ϕ 2 +ϕ 3 ) = Z1 Z 4 ⋅ e j (ϕ 1 +ϕ 4 ) . (7.31) Es müssen in diesem Fall das Produkt der Beträge Z 2 Z 3 = Z1 Z 4 (7.32) 171 und die Summe der Winkel gleich sein: ϕ 2 + ϕ 3 = ϕ1 + ϕ 4 (7.33) Beim Abgleich einer Wechselstrombrücke sind also zwei Bedingungen zu erfüllen. Die Brücke benötigt mindestens zwei unabhängige Eingriffsmöglichkeiten, also zwei einstellbare Komponenten. Kapazitätsmessbrücke nach Wien Mit der Wienschen Kapazitätsmessbrücke können verlustbehaftete Kondensatoren vermessen werden. Bei der in Abbildung 7.16 gezeigten Brückenschaltung sind der Blindwiderstand der Kapazität C2 und der Wirkwiderstand R2 die gesuchten Größen. Das Ersatzschaltbild für den verlustbehafteten Kondensator hätte ebenso durch eine Reihenschaltung dargestellt werden können. Messobjekt U0 C2 C1 Ud R2 R1 R4 R3 Abbildung 7.16: Kapazitätsmessbrücke nach Wien Mit Z1 = R1 jω C1 R1 + 1 Z2 = ; R2 jω C 2 R2 + 1 folgt nach Gl. (7.27) für den Abgleich der Brücke R2 R1 ⋅ R3 = ⋅ R4 , jω C 2 R2 + 1 jω C1 R1 + 1 oder in übersichtlicherer Schreibweise R2 R3 + jω C1 R1 R2 R3 = R1 R4 + jω C 2 R1 R2 R4 . 172 (7.34) Aus der Gleichsetzung des Realteils ergibt sich R2 = R4 R1 . R3 (7.35) so dass mit R1 der Wert von R2 bestimmbar ist. Eine Änderung der Kapazität C1 bewirkt, wie aus der Gleichsetzung des Imaginärteils ersichtlich, C2 = R3 C1 R4 (7.36) eine Einstellung der Kapazität C2. Für den Fall, dass eine Messbrücke aus zwei Widerstandsaufnehmern und zwei konstanten ohmschen Widerständen besteht, diese Brücke aber an eine Wechselspannung gelegt wird (Trägerfrequenzmessbrücke), müssen bei den Widerstandsaufnehmern Erdungs- und Leitungskapazitäten beachtet werden. Die Widerstandsaufnehmer besitzen hier eine Wirk- und eine Blindkomponente und können wie in Abbildung 7.16 gezeigt, als Brücke dargestellt werden. Daraus wird jetzt schon ersichtlich, dass die Trägerfrequenzmessbrücke auch bei ohmschen Widerständen hinsichtlich der Wirk- und Blindkomponente abzugleichen ist. Induktivitätsmessbrücke nach Maxwell Zur Messung verlustbehafteter Induktivitäten kann die Induktivitätsmessbrücke nach Maxwell eingesetzt werden. In dem gewählten Beispiel sind die Blind- und Wirkkomponente durch eine Reihenschaltung verknüpft. L2 und R2 seien die gesuchten Größen und die bekannte Vergleichsinduktivität L1 ist nicht einstellbar. U0 Messfühler R2 L2 R4 L1 Ud Abbildung 7.17: Induktivitätsmessbrücke nach Maxwell 173 R1 R3 Es soll gezeigt werden, dass die Brücke mit den beiden ohmschen Widerständen R1 und R3 abgeglichen werden kann. Nach der Abgleichbedingung für die Brücke gilt (R2 + jω L2 ) ⋅ R3 = (R1 + jω L1 ) ⋅ R4 . (7.37) Daraus folgen für den Real- und Imaginärteil R2 = R4 R1 R3 ; L2 = R4 L1 . R3 (7.38) Der Abgleich der Brücke ist, wie gefordert, durch die Einstellung der Widerstände R1 und R3 erfüllbar. Wechselstrom-Ausschlagbrücke Die Impedanzänderungen der induktiven oder kapazitiven Aufnehmer werden oft in Ausschlagbrücken gemessen. Dabei werden die Wirkwiderstände der Aufnehmer als konstant angesehen und vernachlässigt, so dass nur die Blindwiderstände zu untersuchen sind. U0 jX2 R0 jX1 Ud R0 Abbildung 7.18: Wechselstrombrücke im Ausschlagverfahren Gemäß Gl. (7.11) entsteht in der Brücke die Diagonalspannung Ud =U0 j ( X 2 − X 1 ) ⋅ R0 U (X − X1 ) = 0⋅ 2 . j ( X 2 + X 1 ) ⋅ 2 R0 2 X 2 + X1 (7.39) Entsprechend gilt bei einer Viertelbrücke mit X1 = X0 und X2 = X0 + ∆X für die Diagonalspannung Ud = U ∆X U0 ∆X ⋅ ≈ 0 2 2 X 0 + ∆X 4 X0 174 . (7.40) Die bereits vorgestellten Differentialaufnehmer werden vorzugsweise in Halbbrücken verschaltet. Bei einem induktiven Differentialaufnehmer mit X1 = ω (L0 - ∆L) und X2 = ω (L0 + ∆L) ist nach Gl. (7.39) die Diagonalspannung Ud linear proportional zur Induktivitätsänderung ∆L. Ud = U 0 ω ( L0 + ∆L − L0 + ∆L ) U 0 ∆L ⋅ = . 2 ω (L0 + ∆L + L0 − ∆L ) 2 L0 (7.41) Bei kapazitiven Aufnehmern ergibt sich mit X1 = -1/ω C1 und X2 = -1/ω C2 für die Diagonalspannung der Brücke 1 1 1 − + C 2 C1 U 0 C1 − C 2 U ω Ud = 0 ⋅ = ⋅ 2 1 1 2 C1 + C 2 1 − − ω C 2 C1 . (7.42) Wird eine Halbbrücke aus Differentialkondensatoren aufgebaut und verändern die Kapazitäten wie folgt ihren Wert: C1 = C0 − ∆C C 2 = C0 + ∆C , ; (7.43) folgt für die Diagonalspannung dieser Anordnung Ud = U 0 C0 − ∆C − C0 − ∆C U ∆C ⋅ =− 0 2 C0 − ∆C + C0 + ∆C 2 C0 . (7.44) Auch hier ist die Ud(∆C)-Kennlinie eine Gerade. 7.4 Trägerfrequenz-Brücke und -Verstärker Die Brückendiagonalspannung Ud muss in vielen Anwendungsfällen zusätzlich verstärkt werden. Bei Brückenschaltungen die mit Gleichspannung oder Gleichstrom versorgt werden, treten durch die Offsetdrift des Messverstärkers und durch evtl. Thermospannungen, hervorgerufen durch unterschiedliche Materialien an den Anschlusspunkten, Schwierigkeiten bei dem Auflösungsvermögen auf. Offset- und Thermospannungen sind Gleichgrößen, die von einem Wechselspannungsverstärker nicht übertragen werden. Eine störungsfreie Messung mit verbesserter Auflösung lässt sich erzielen, wenn die Brücke mit einer Wechselspannung U0(t) gespeist, und die Diagonalspannung Ud(t) von einem Wechselspannungsverstärker übertragen wird. 175 TFG U0(t) R0+∆R R0 u Ud(t) ~ R0 R0 u ua a S2 b Wechselspannungsverstärker Abbildung 7.19: Schaltbild einer Trägerfrequenzmessbrücke; TFG Trägerfrequenzgenerator Die im Bild dargestellte Viertelbrücke enthält vier gleiche Widerstände R0, von denen einer im Verlauf der Untersuchungen seinen Wert um ±∆R ändern wird. Die Brücke liegt an der Wechselspannung U 0 (t ) = u 0 = uˆ0 sin ω 0 t . (7.45) Wird die Brücke um +∆R verstimmt, folgt für die Diagonalspannung U d (t ) = u d = uˆ 0 sin ω 0t ∆R . 4 R0 (7.46) Die Speisespannung lässt sich als Trägerspannung auffassen, die durch die Widerstandsänderung ∆R moduliert wird. Verkleinert sich der variable Widerstand auf R0 - ∆R, entsteht die Diagonalspannung ud = uˆ sin ω 0 t ∆R uˆ 0 sin ω 0t (− ∆R ) =− 0 . 4 4 R0 R0 (7.47) Das Minuszeichen im letzten Ausdruck bedeutet eine Phasenverschiebung von 180° zwischen der Diagonalspannung und der Speisespannung. Immer dann wenn das Vorzeichen der Widerstandsverstimmung wechselt, springt die Phase der Diagonalspannung um π. Der Wechselspannungsverstärker vervielfacht diese Diagonalspannung. Seine Ausgangsspannung wird gleichgerichtet, um die die Brücke verstimmende Widerstandsänderung zu erkennen. Zur Messung von positiven und negativen Widerstandsänderungen werden gesteuerte Gleichrichter eingesetzt, die von einem TFGSignal gesteuert werden und die Phasenlage erkennen. 176 7.4.1 Beispiel zur Trägerfrequenzbrücke Abbildung 7.20:Signalverläufe an einer Trägerfrequenzmessbrücke 177 In der Brücke wird während der Messungen ein Widerstand um den Faktor ±∆R geändert. Die Brücke wird mit der Spannung ut = uˆt sin ω 0t (7.48) versorgt (Abb. 7.21,Abschnitt I). Wird die Brücke um ∆R verstimmt (Abschnitt II), so entsteht die Diagonalspannung ud = ∆R uˆt sin ω 0 t 4 R0 (Abschnitt III) (7.49) Die Speisespannung ut dient als sogenannte Trägerspannung, die durch die Widerstandsänderung moduliert wird. Bei Abnahme des Widerstandes um -∆R (Abschnitt II) entsteht eine Diagonalspannung von ud = − ∆R uˆt sin ω 0t (Abschnitt III) 4 R0 (7.50) Das Minuszeichen entspricht einer Phasendifferenz von 180° zwischen der Trägerspannung ut und der Diagonalspannung ud. Wenn sich das Vorzeichen der Brückenverstimmung ändert, springt die Phase der Diagonalspannung um 180°. Eine Wechselspannungsverstärker verstärkt ud. Mit Hilfe des gesteuerten Gleichrichters wird diese Wechselspannung gleichgerichtet, um die Widerstandsänderung ermitteln zu können. Der gesteuerte Gleichrichter erlaubt nicht nur die Höhe der Widerstandsänderung zu erkennen, sondern auch das Vorzeichen. Ein Doppelweggleichrichter wäre für diese Anwendung ungeeignet, da hierbei das Vorzeichen der Widerstandsänderung nicht ermittelt werden könnte. Der gesteuerte Gleichrichter wird ebenfalls mit der Trägerfrequenz angesteuert, so dass der Schalter S2 zwischen a und b umschaltet (Abschnitt IV). Hieraus ergibt sich die gleichgerichtete Ausgangsspannung ua (Abschnitt V). Die Einhüllende dieser Ausgangsspannung lässt eindeutig die Höhe und das Vorzeichen der Widerstandsänderung erkennen (Abschnitt V im Vergleich mit Abschnitt II). Ist der Trägerspannung ut ein Offsetfehler überlagert (ut,0 Abschnitt VI), so ist dieser Fehler auch in der Diagonalspannung ud,0 wiederzufinden (Abschnitt VII). Allerdings wird der fehlerhafte Gleichanteil vom Wechselspannungsverstärker nicht verstärkt (Abschnitt VIII identisch mit Abschnitt V). Dieser Fehler wird also nicht bis zum Ausgang übertragen, so dass Störungen durch Gleichgrößen im Idealfall keinen Fehler im Messsignal erzeugen. 178 8 Anzeigegeräte 8.1 Kompensatoren Die Kompensatoren verhindern die Rückwirkung eines Mess- oder Anzeigegerätes auf die zu messende Größe. Insbesondere die Ausschlagmessgeräte belasten die Strom- oder Spannungsquelle des Messobjekts. Die Kompensatoren ermöglichen, Spannungen und Ströme leistungslos zu erfassen, da die zur Messung benötigte Energie einer Hilfsquelle entnommen wird. Es wird eine Vergleichsgröße gebildet. Diese ist von der zu messenden Größe abzuziehen und die Differenz aus Mess- und Vergleichsgröße wird von einem Nullinstrument angezeigt. Man verändert die Vergleichsgröße solange, bis die Differenz ausreichend klein geworden ist. Das Nullinstrument sollte im Bereich des Nullpunkts seine maximale Empfindlichkeit besitzen. 8.1.1 Einfache Kompensation mit Spannungsteiler Die Wirkungsweise dieses Gleichspannungskompensators soll anhand von Abbildung 8.1 erklärt werden. IN G R0 RN R UR Ux Abbildung 8.1: Gleichspannungskompensation Die zu messende Spannung Ux ist der Vergleichsspannung UR aus der Hilfsspannungsquelle UN entgegengeschaltet. U N = R0 ⋅ I N UR = ; UR = R ⋅ IN R UN R0 (8.1) Der Abgriff des Spannungsteilers wird solange verändert, bis das Galvanometer G den Wert Null anzeigt. In diesem Fall wird dem Messobjekt keine Leistung entzogen und die zu messende Spannung Ux ist genauso groß wie die Vergleichsspannung UR. 179 Ux =UR = R UN R0 (8.2) Die Kompensationsspannung UN muss mit geringer Unsicherheit bekannt sein, daher sind hier Normalspannungsquellen erforderlich. Das gleiche gilt für die Widerstände R und R0, was sich am leichtesten durch Präzisionswiderstandsdekaden realisieren lässt. 8.1.2 Kompensationsschreiber In der oben dargestellten Spannungskompensation wird der Abgleich noch manuell getätigt. Würde das Null-Galvanometer durch einen Null-Verstärker ersetzt, kann mit dessen Ausgangssignal ein Stellantrieb für den Potentiometerabgriff angesteuert werden. Bei positiven Spannungsdifferenzen wird der abgegriffene Widerstand vergrößert und entsprechend bei negativen Spannungsdifferenzen verkleinert. Koppelt man den Stellantrieb für den Potentiometerabgriff mit einer Schreibfeder können die Änderungen aufgezeichnet werden. IN UN Ux - UR Schreib- M feder Ux R0 R UR Abbildung 8.2: Kompensationsschreiber Zeitabhängige Vorgänge erfordern oft ein zeitabhängiges Aufzeichnen der Messgrößen. Die Gründe hierfür sind eine nachträgliche Kontrolle, ein rechtzeitiges Erkennen von Extremwerten und verschiedene Informationen über den Prozessablauf. Bestandteil dieser Messgeräte ist immer eine Zeitbasis, die für eine konstante Relativgeschwindigkeit zwischen dem schreibenden Element und dem Medium, auf das geschrieben wird, sorgt. Ausgangsgröße dieser Geräte ist dann der Ausschlag des schreibenden Elementes. Für langsame Zeitvorgänge bis zu maximal 100 Hz ist der Kompensationsschreiber einsetzbar. Seine Vorteile liegen in der hohen Genauigkeit und der großen Empfindlichkeit. Aufgezeichnet wird auf einer linearen Skala. Durch den Stellantrieb sind hohe Einstellkräfte verfügbar, so dass Möglichkeiten zum Anschluss von Grenzwertschaltern u.a. gegeben sind. Es treten die gleichen Einflussgrößen auf wie bei den Messverstärkern, nur kommt hier noch die notwendige Konstanz der Kompensationsspannungsquelle hinzu. 180 8.1.3 Doppelte Kompensation Die doppelte Kompensationsschaltung vermeidet eine Belastung der Normalspannungsquelle UN, indem man die Schaltung durch eine zusätzliche Hilfsspannungsquelle Uh erweitert. Rv Ih G RN U0 Uh s UN Ux Abbildung 8.3: Doppelte Kompensation In den Schaltungen nach Abbildung 8.1 und Abbildung 8.2 wird zwar der unbekannten Spannungsquelle Ux kein Strom entnommen, dagegen fließt ein dauernder Strom aus der Normalspannungsquelle über den Kompensationswiderstand. Dies wird hier vermieden, da zunächst ein beliebiger Hilfsstrom Ih eingestellt wird, der den Spannungsabfall des Normalelements am Widerstand RN kompensiert. U N = RN ⋅ I h (8.3) Im abgeglichenen Zustand wird am Spannungsteiler R der Widerstandswert RN abgegriffen, d.h. keine Belastung der Normalspannungsquelle UN. Der zweite Schritt besteht darin, die zu messende Spannung Ux über den Schalter S in den Messkreis zu schalten und bei unverändertem Hilfsstrom Ih zu kompensieren. Dann gilt: U x = RN′ ⋅ I h (8.4) und Ux = UN ⋅ RN′ RN (8.5) Die Größe des Hilfsstromes kommt also im Messergebnis nicht vor. Wesentliches Kennzeichen der doppelten Kompensation ist, dass weder der Normalspannungsquelle UN noch der unbekannten Spannungsquelle Ux im abgeglichenen Zustand Strom entnommen wird. Dieses Verfahren dient der Bestimmung von Leerlaufspannungen. 181 8.1.4 Lindeck-Rothe-Kompensator Diese Kompensationsschaltung verzichtet auf ein Spannungsnormal und stellt den Kompensationsstrom mit einen Präzisionsstrommesser ein, wodurch sie schaltungstechnisch besonders einfach wird. Rv Ih UN A U0 G R0 Ux Abbildung 8.4: Lindeck-Rothe-Kompensator Die Hilfsspannungsquelle UN liefert den Kompensationsstrom Ih, der den festen Kompensationswiderstand R0 und den Vorwiderstand Rv durchfließt. Die unbekannte Spannung Ux wird mit dem Spannungsabfall U0 am Kompensationswiderstand verglichen. Der Vorwiderstand wird solange verändert, bis das Galvanometer Null anzeigt und es gilt: U x = U 0 = R0 ⋅ I h (8.6) Der sich dabei einstellende Strom Ih wird an dem Strommesser A abgelesen, er ist proportional der unbekannten Spannung. Die Unsicherheit des Lindeck-Rothe-Kompensators wird durch die Unsicherheit des Strommessinstrumentes A bestimmt. 8.1.5 Gleichstromkompensation Mit dem Spannungskompensator konnten Spannungen gemessen werden, ohne dass ein Strom über das Nullinstrument floss. Mit dem Stromkompensator gelingt die Strommessung, ohne dass eine Spannung an den Messklemmen abfällt. Die Wirkungsweise wird anhand der sogenannten Saugschaltung im folgenden Bild erklärt. 182 Rv Ih R1 A 1 Ix Ih-Ix Uh R0 ∆U G Ix 2 Abbildung 8.5: Saugschaltung zur Stromkompensation An den Messklemmen 1 und 2 fällt genau dann keine Spannung mehr ab, wenn ∆U = 0 ist. In diesem Fall gilt: R1 ⋅ I x = R0 ⋅ ( I h − I x ) (8.7) Über den Widerstand Rv kann der Hilfsstrom Ih so eingestellt werden, dass die obige Gleichung erfüllt wird. Das Galvanometer G zeigt beim Nullabgleich an, dass die Spannung ∆U verschwunden ist. Für die Ströme in der Schaltung folgt: Ix = R0 ⋅ Ih R0 + R1 R I h = 1 + 1 ⋅ I x R0 ; (8.8) 8.2 Elektrische Messwerke Dieser Abschnitt befasst sich mit der Wirkungsweise der verschiedenen Messwerke. Dabei wird auch auf Details eingegangen, die für eine sachgemäße Anwendung wichtig sind. Die hier im einzelnen vorgestellten Messwerke nutzen die zwischen zwei magnetischen Feldern wirkende Kraft zur Messung von Strömen aus. Die magnetischen Felder können sowohl von stromdurchflossenen Leitern, als auch durch ferromagnetische Werkstoffe hervorgerufen werden. Durch Kombination dieser Möglichkeiten entstehen Messwerke mit speziellen Vor- und Nachteilen, die von ihrer Wirkungsweise her Strommessgeräte sind. 8.2.1 Drehspulmesswerk Das Drehspulinstrument enthält eine bewegliche Spule, die in dem radialhomogenen Feld eines Dauermagneten aufgehängt ist. Auf einen vom Strom I durchflossenen Leiter der Länge l, der senkrecht in einem Magnetfeld der Induktion B steht, wirkt die sogenannte Lorentzkraft F: 183 F = I ⋅ B ⋅l (8.9) F Abbildung 8.6: Wirkung der Lorentzkraft Diese Kraft steht immer senkrecht auf der durch Stromrichtung und Feldrichtung bestimmten Ebene. Da das Magnetfeld des in Bild 8.7 skizzierten Drehspulmesswerkes Radialsymmetrie besitzt, ist die Induktion B im Luftspalt unabhängig vom Winkel α. Die Kraft F tritt an beiden Seiten der Spule auf und ist proportional der Windungszahl w. Damit ist das elektrische Moment: M el = 2 ⋅ w ⋅ d ⋅l ⋅ I ⋅ B = w⋅d ⋅l ⋅ I ⋅ B . 2 (8.10) Damit dieses Moment nicht wie beim Gleichstrommotor zu einer dauernden Umdrehung der Spule führt, ist diese durch eine Feder gefesselt. Das mechanische Moment, durch die Feder mit der Federkonstanten D verursacht, ist direkt proportional zum Ausschlagwinkel α. M me = D ⋅α (8.11) Fließt kein Strom, so wird die Spule über die Feder in der Nullstellung α = 0° gehalten. Beim Stromdurchgang wird dann die Spule soweit abgelenkt, bis das elektrische und mechanische Moment im Gleichgewicht sind. M me = M el (8.12) Das führt zur Kennlinie α= w⋅ d ⋅l ⋅B⋅I . D (8.13) Der Zeigerausschlag nimmt also linear mit dem Strom zu. Die Empfindlichkeit 184 E= dα w ⋅ d ⋅ l ⋅ B = dI D (8.14) ist daher konstant. Abbildung 8.7: Drehspulmesswerk Im Abbildung 8.7 sind die Drehmomente über den Ausschlagwinkel aufgetragen. Man kann jedem Ausschlagwinkel α einen Strom I zuordnen. Mit dem Drehspulinstrument lassen sich Ströme von 10-9 A messen. Dabei wird in der Spule nur eine geringe Leistung umgesetzt. Drehspulinstrumente mit Permanentmagneten zeichnen sich durch ihren geringen Eigenverbrauch aus, da das magnetische Feld nicht von der Messgröße erzeugt wird. 185 Eigenschaften des Drehspulmesswerkes: Das Drehspulinstrument ist ein Strommesser. Es wird aber auch zur Spannungsmessung benutzt, indem der über das Messinstrument fließende Strom mit dessen Innenwiderstand multipliziert und das Ergebnis als Spannung direkt angezeigt wird. In dem Messwerk sind Bauteile wie Spule, Dauermagnet und Feder eingesetzt, deren Eigenschaften sich mit der Temperatur ändern. Die Einflüsse auf die Federkonstante und auf die Induktion des Permanentmagneten sind so gering, dass sie vernachlässigt werden können. Bedeutsamer ist dagegen die Zunahme des elektrischen Widerstandes der Kupferspule von R0 auf RT bei einer Temperaturerhöhung von T0 auf T. Diese Widerstandsänderung führt beim Einsatz als Spannungsmesser zu einer fehlerhaften Anzeige, da eine Zunahme des Widerstandes eine Abnahme des Spulenstromes und entsprechend einen verminderten Ausschlag bewirkt. Fehlerhafte Anzeigen können auch auftreten, wenn die Geräte nicht in ihrer vorgeschriebenen Gebrauchslage benutzt werden. Lageabhängige Reibung oder Kippfehler werden vermieden, indem die Messwerke nach den Sinnbildern auf der Skala aufgestellt werden. ⊥ =ˆ senkrechte Nennlage ; =ˆ waagerechte Nennlage ∠60° =ˆ schräge Nennlage 8.2.2 Kernmagnetmesswerk Beim Kernmagnetmesswerk ist der Dauermagnet im Inneren der Drehspule als zylindrischer Körper angeordnet. Nach außen wird der Luftspalt von einem rohrförmigen Eisenmantel mit weichmagnetischen Eigenschaften umschlossen. Während die Drehspulmesswerke mit Außenmagnet im zylindrischen Luftspalt eine konstante magnetische Induktion aufweisen, liegt im Kernmagnetinstrument ein radiales Magnetfeld mit sinusförmiger Amplitude vor. Für die radiale Komponente der Induktion im Luftspalt Br(γ) gilt: Br (γ ) = Bmax ⋅ cos γ . (8.15) Hier ist γ = 0° der Winkel, bei dem Br am größten ist. Bezeichnet man den Winkel zwischen der Magnetisierungsrichtung des Dauermagneten (γ = 0°) und der Ruhelage des Spulenrähmchens (Strom durch die Drehspule I = 0 und Ausschlagwinkel α = 0° mit β und setzt diese in Gl. (8.15) ein, so ergibt sich: Br (α ) = Bmax ⋅ cos(α − β ) . 186 (8.16) Damit ist das elektrisch erzeugte Drehmoment M el = w ⋅ d ⋅ l ⋅ I ⋅ Bmax ⋅ cos(α − β ) . (8.17) Aus dem Momentengleichgewicht Mel = Mme folgt für den Skalenverlauf I= D ⋅α . w ⋅ d ⋅ l ⋅ Bmax ⋅ cos(α − β ) (8.18) Die Kennlinie ist nichtlinear. Durch Wahl des Winkels β können unterschiedliche Formen der Kennlinie erzeugt werden. Abbildung 8.8: Kernmagnetmesswerk 187 8.2.3 Elektrodynamisches Messwerk Das Prinzip des elektrodynamischen Messwerkes ist gleich dem des Drehspulinstrumentes. Der wesentliche Unterschied im Aufbau ist ein Elektromagnet, der den Dauermagnet des Drehspulmesswerks ersetzt. (Messung von Leistung) N IF ω1 S Abbildung 8.9: Elektrodynamisches Messwerk Ist der magnetische Widerstand des Eisenkreises zu vernachlässigen, und fließt der Strom IF durch die Feldspule mit w1 Windungen, so ist die magnetische Induktion B in dem Luftspalt der Breite a B= µ0 ⋅ w1 a ⋅ IF . (8.19) Von diesem Feld wird auf die bewegliche, von dem Strom ISp durchflossene Spule mit w2 Windungen und den Abmessungen d , l eine Kraft ausgeübt, woraus das elektrische Moment M el = µ0 ⋅ w1 ⋅ w2 ⋅ d ⋅ l a ⋅ I F ⋅ I Sp (8.20) resultiert. Das Rückstellmoment Mme = D⋅α wird wie bei dem Drehspulinstrument durch eine Feder erzeugt. Bei Gleichheit der Momente ist der Ausschlagwinkel α α= µ0 ⋅ w1 ⋅ w2 ⋅ d ⋅ l a⋅D ⋅ I F ⋅ I Sp = k ⋅ I F ⋅ I Sp (8.21) wenn in dem Proportionalitätsfaktor k alle bekannten Größen zusammengefasst werden. Das elektrodynamische Messwerk ist ein multiplizierendes Instrument und zeigt das Produkt zweier Ströme an. Es wird daher häufig zur Leistungsmessung eingesetzt. Das Produkt aus Spannung U und Strom I an einem Verbraucher wird gemessen, indem der Verbraucherstrom I 188 über die Feldspule (Strompfad) fließt und der Spulenstrom ISp (Spannungspfad) immer proportional der anliegenden Spannung ist. IF I ISp U Rv Verbraucher Abbildung 8.10: Leistungsmessung Der Strom durch die Drehspule ist: I Sp = Rsp Rv =ˆ =ˆ U RSp + Rv (8.22) Widerstand der Drehspule Vorwiderstand Der Spulenstrom ISp ist sehr viel kleiner als IF, so dass IF ≈ I gilt und das Messwerk näherungsweise die Leistung am Verbraucher anzeigt. α= µ 0 ⋅ w1 ⋅ w2 ⋅ d ⋅ l a ⋅ D ⋅ (RSp + Rv ) ⋅ I F ⋅U = k ⋅ I F ⋅U RSp + Rv (8.23) Dies gilt auch für Wechselgrößen. Das Messwerk zeigt aufgrund seiner Trägheit den linearen, zeitlichen Mittelwert des Produktes von Spannung und Strom an. 189