Volatilität: Das missverstandene Risiko

Werbung
Volatilität: Das missverstandene Risiko
Multi Asset ist die Königsdisziplin. In keiner anderen Anlagestrategie muss ein Fondsmanager so viele
verschiedene Märkte und Entwicklungen gleichzeitig verfolgen und bewerten. Faktoren wie
Leitzinsänderungen, Regulierung, Inflation, Investitionsklima und andere wirken sich auf eine große
Bandbreite von Anlageklassen aus. Die Herausforderung besteht darin, alle Faktoren zu verfolgen und
gleichzeitig ihre Wirkung zu antizipieren.
Gerade in wirtschaftlich turbulenten Zeiten verwundert es nicht, wenn immer mehr Menschen ihr Geld
dieser Anlagestrategie anvertrauen. So verkaufen sich Multi-Asset-Fonds derzeit in Deutschland gut.
Deutsche setzen auf Bargeld
Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Zum kompletten Bild gehört auch, dass die Deutschen immer
noch in großem Umfang in Barmittel investieren. Festgeld, Sparkonten, Geldmarktpapiere und
Ähnliches machten im Anlagemix deutscher Privatinvestoren 2014 über 40 Prozent aus und ließen
damit alle anderen Assetklassen hinter sich (siehe Seite 82). Besonders in Zeiten von Null- und
Niedrigzinsen würde man eine abweichende Statistik erwarten.
Tresore finden reißenden Absatz
Dabei liegen längst nicht alle Mittel innerhalb dieser Assetklasse in Geldmarktfonds oder auf
Sparbüchern und Festgeldkonten. Mehr Anleger als früher setzen dieser Tage auf Bargeld, wie die
rasant gestiegenen Verkaufszahlen für Tresore zeigen. Der japanische Einzelhändler Shimachu etwa
berichtet, dass der Absatz von Safes sich mehr als verdoppelt hat. Wer sein Geld zu Hause aufbewahrt,
so die offensichtliche Überlegung, der sichert sich gegen Negativzinsen ab. Weniger als null Prozent
kann man auf selbst aufbewahrte Banknoten nicht erhalten – was allerdings eine Inflation von null
Prozent voraussetzt.
Die Frage sollte aber nicht lauten: „Wie kann ich mich gegen Zinsen unter null Prozent absichern?“,
sondern: „Gibt es Anlageformen, bei denen Zinsen über null Prozent möglich sind?“ Selbst bei den
aktuell niedrigen Inflationswerten – ja sogar selbst bei einer leichten Deflation – kann mit null Prozent
Zinsen der langfristige Vermögensaufbau nicht gelingen.
Genau das aber ist für viele Anleger das wichtigste Anlageziel. Es geht oft nicht um das nächste Auto
oder den nächsten Urlaub, sondern um finanzielle Sicherheit und Lebensqualität im Alter. Was die Rente
nicht leistet, muss die individuelle Vorsorge beisteuern. Nur für wenige wird das mit Bargeld allein
gelingen, wie eine längerfristige Betrachtung illustriert: Vergleicht man die Wertentwicklung von
Aktienmärkten verschiedener Weltregionen mit Staats- und Unternehmensanleihen, Rohstoffen und
Barmitteln über den Zeitraum von 2009 bis 2014, so schneiden Barmittel weit abgeschlagen und im
negativen Bereich ab.
Bemerkenswert dabei ist, dass Aktien im Großen und Ganzen durchaus positiv abgeschnitten haben,
und zwar in einer Phase, in der Europa in einer tiefen Wirtschaftskrise steckte.
An der ernüchternden Performance von Barmitteln dürfte sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern.
Denn während in den USA die Fed mit einer ersten vorsichtigen Zinsanhebung die Wende eingeleitet
hat, weitet die EZB gerade ihr Anleihekaufprogramm auf Unternehmensanleihen und auf ein
Gesamtvolumen von 80 Milliarden Euro pro Monat aus. Diese Entwicklung deutet nicht auf eine
Zinswende hin. Sparbücher und ihresgleichen werden weiterhin enttäuschen.
Spanier können für Hypothek Zahlungen von ihrer Bank verlangen
Niedrige Zinsen führen nicht nur bei Barmitteln zu wundersamen Entwicklungen. Spanische
Hauseigentümer zum Beispiel zahlen ihre Hypothekenraten typischerweise auf Basis des Zwölf-MonatsEuribor, ohne untere Mindestschwelle. 2016 drehte dieser Satz zum ersten Mal in der Geschichte ins
Minus. In der Folge gibt es heute Kunden, die für ihre Hypothek regelmäßige Zahlungen von ihrer Bank
verlangen können. In der Praxis zahlen die Banken allerdings keine Zinsen an ihre Kunden, sondern
reduzieren die Tilgungsleistungen dieser Kunden entsprechend.
Mit negativen Zinsen sind große Mengen Barmittel zu einem Kostenfaktor für Unternehmen geworden.
Für Versicherer, die monatliche Prämien von ihren Kunden einnehmen, ist ein früher Zahlungseingang
heute nicht mehr attraktiv, weil auf die so entstandenen Guthaben Strafzinsen anfallen. Später
eingehende Prämienzahlungen verursachen geringere Kosten. Spätzahler avancieren auf einmal zu
Lieblingskunden. Sogar Steuerbehörden reagieren: Im schweizerischen Zug bittet die Behörde die
Bürger, ihre Steuerschulden später zu begleichen als üblicherweise.
Der Rückversicherer Munich Re experimentiert mit der physischen Aufbewahrung von Bargeld. In einem
ersten Schritt hat das Unternehmen zehn Millionen Euro in Banknoten in eigene Tresore eingelagert. Die
EZB schlägt derweil vor, die 500-Euro- Banknote abzuschaffen. Andere Stimmen sind sogar der
Meinung, Bargeld sei insgesamt verzichtbar.
Während die Profis versuchen, Bargeld immer stärker zu vermeiden und Zentralbanken überlegen, es
zu beschränken oder sogar ganz abzuschaffen, vertrauen viele Privatanleger dieser Anlageklasse
weiterhin. Und das nicht nur in Deutschland, wie Abbildung drei zeigt. Japaner und Spanier etwa legen
sogar noch mehr Geld in Barmitteln an als die Deutschen. Auch in Österreich fällt die Quote höher aus
als hierzulande. Auf der ande- ren Seite stehen Länder wie Australien, Großbritannien und die USA, in
denen die Quote deutlich niedriger liegt.
Woher stammt die Leidenschaft der Deutschen für das Bargeld? Die plausibelste Antwort scheint das
Bedürfnis nach Sicherheit zu sein. Sicherheit wird in Deutschland gern mit Wertstabilität gleichgesetzt.
So zeigt die Kurve in Abbildung zwei für Barmittel die mit Abstand geringsten Ausschläge, während sich
die Kurven für Anleihen auf und ab bewegen und die Aktienkurven dem Anleger – durch ihre hohe
Volatilität – scheinbar am meisten Risikobereitschaft abverlangen. Diese Schwankungen schrecken viele
ab. Doch genauer betrachtet handelt es sich dabei nicht um ein Risiko im eigentlichen Sinn. Risiko
bedeutet Verlust (ganz oder teilweise) der Geldanlage. Ist der Anlagehorizont des Investors jedoch lang
genug, muss er nicht in einer Phase verkaufen, in der sich sein Fonds abwärts bewegt. Er kann
abwarten, bis der Kurs wieder steigt und seinen Ausstiegszeitpunkt frei bestimmen.
Zu viel Vorsicht ist auch riskant
In Anbetracht der Turbulenzen an den internationalen Kapitalmärkten nach der Finanzkrise von 2008
wundert es nicht, dass viele Anleger vorsichtig sind. Allerdings besteht das vermutlich größte Risiko
darin, das Risiko misszuverstehen. Kurzfristige Schwankungen sollten Anleger nicht davon abhalten, an
längerfristigen, auf fundamentale Fakten gestützten Überzeugungen festzuhalten.
Wo der eine Gefahren sieht, sieht der andere Chancen. Volatilität kann für Anleger durchaus
interessante Möglichkeiten bieten, etwa in Form von niedrigen Einstiegskursen. Immer wenn das Gros
der Anleger eine irrationale Reaktion zeigt und eine Anlageklasse oder einzelne Werte ohne Rücksicht
auf die Fundamentaldaten Ausschläge zeigen, dann werden diese sich früher oder später wieder ihrem
fairen Wert annähern müssen. Der faire Wert meint den Wert, zu dem ein rationaler Investor den
jeweiligen Titel auf Basis der fundamentalen Situation handeln würde.
Starke Volatilität ist oft ein Kennzeichen dafür, dass Anleger nicht überlegt handeln, sondern sich von
Gefühlen leiten lassen. In diesen Momenten kann ein geschickter Anleger Marktunebenheiten zu seinen
Gunsten nutzen.
Im Moment gilt diese Feststellung umso mehr, da sich eine Reihe positiver Anzeichen zeigen, die
insbesondere für die Anlageklasse Aktien Mut machen. Auf der einen Seite haben Produktion und
Handel weltweit an Fahrt verloren – das gilt speziell für Märkte in Asien und für Schwellenländer –
worunter Unternehmensgewinne leiden. Bislang konnte allerdings keine Ansteckungen auf andere Teile
der Weltwirtschaft festgestellt werden.
Volatilität bietet auch Vorteile
Auf der anderen Seite gibt es gute Nachrichten aus den Industrieländern, besonders vom Arbeitsmarkt.
In vielen Sektoren sind die Gehälter gestiegen, was dem Konsum und dem Ausgabeverhalten der
Verbraucher Schwung geben sollte. Außerdem sehen wir nach wie vor den niedrigen Ölpreis als eine Art
Konjunkturpaket, das der Wirtschaft Kraft gibt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Fundamentaldaten vieler Assetklassen in Bewegung sind,
aber bei Weitem nicht so sehr wie die Preise dieser Anlageklassen. Volatilität mag beunruhigen, aber
sie stellt kein Risiko dar, wenn man einen langfristigen Anlagehorizont hat. Sie bietet im Gegenteil
günstige Einstiegsmöglichkeiten. Diese Möglichkeiten zu nutzen, ist nicht immer ganz einfach. Wer als
Anleger nicht selbst eine Vielzahl von Faktoren und Assetklassen im Blick behalten und laufend neu
bewerten kann oder möchte, für den ist ein solider und gut gemanagter Multi-Asset-Fonds eine
Alternative. Keine Alternative hingegen ist es, Bargeld zu halten. Diese falsch verstandene Sicherheit
würde zu einem sicheren Verlust führen. //
Herunterladen