Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Bad Boll 11.10.2012 Workshop Dauer: 90 Minuten Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Vorstellungsrunde – wer bin ich – warum interessiert mich dieses Thema – bin ich damit schon einmal in Berührung gekommen? - Was wünsche ich mir als Ergebnis von diesem Workshop? Wir sind mit diesem Thema fast ganz aktuell: 26.09.2012 Europäischer Tag der Sprachen 30.09.2012 Internationaler Tag der Gehörlosen Woche der Gehörlosen / Deaf week: 24.-30.09.12 Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum Friedrich Nietzsche Mythen und Legenden / „was man so mit Schwerhörigkeit verbindet“ • • • • • • • • • • Witze über die gehörlose Alte/Oma, den Opa → Negativ-Belegung und Stigmatisierung Ein Hörgerät gleicht einen Hörverlust vollständig aus. Man muss lauter reden. Hörbehinderten machen laute Umgebungen nichts aus. Hörbehinderte können einem alles von den Lippen ablesen. Gehörlos bedeutet Taubstumm Hörbehinderte können immer gut lesen wenn sie es akustisch nicht verstehen. Hörbehinderten können nicht telefonieren Hörbehinderte können keine Musik hören ... Denkanstösse: Was ist Schwerhörigkeit? Was ist Hören? Wo ist es besonders wichtig, zu hören – was für Situationen kann ich mir vorstellen, in denen es besonders schwierig ist, nicht gut oder gar nicht zu hören? Zu Hause – auf dem Weg zur Arbeit – in der Arbeit – nach Feierabend... Beispiel: Mit den bisherigen Alarmsystemen können gehörlose Betroffene überwiegend nicht erreicht werden. Sie können beispielsweise die Sirenen von Polizeiwagen nicht hören oder plötzliche Gefahrenwarnungen im Radio nicht mitbekommen. Ein Beispiel: Im Jahre 2002 waren mehrere ostdeutsche Städte von dramatischen Hochwasserpegeln betroffen. Wenn taube Menschen die vorhergehenden Warnhinweise nicht erhalten hatten, standen sie möglicherweise bei ausfallendem Strom ohne © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Kommunikationsmöglichkeit in ihrer Wohnung und waren den steigenden Fluten hilflos ausgesetzt. Wie sieht es bei Ihnen aus? Wie ist es in Ihrem Betrieb, in Ihrer Schule oder Ihrer Behörde? 8,8% der Deutschen sind gehörlos oder sehr stark hörbeeinträchtigt. Was dies für die Betroffenen im Alltag bedeutet, lässt sich als Außenstehender kaum ermessen. Auch die Hürden zur nachhaltigen Teilhabe am Arbeitsleben sind hoch: Die Arbeitslosenquote von Gehörlosen liegt deutlich über dem Durchschnitt aller Schwerbehinderten. Und schon die Arbeitslosenquote der Schwerbehinderten ist deutlich schlechter als die der gesunden Menschen. Es gibt auch Studien, die belegen, dass bei Hörgeschädigten das Risiko, vorzeitig wegen Erwerbsminderung aus dem Berufsleben auszuscheiden ganz besonders hoch ist. Die tägliche Anstrengung des aktiven Zuhörens im Berufsalltag rund um die Uhr kostet einfach zu viel Kraft und erschöpft die Ressourcen. In Europa sind neueren Studien nach 16% der Erwachsenen so schwerhörig, dass das ihren Alltag beeinträchtigt (mehr als 25db)! Zur Verdeutlichung eine Übersicht über Lärmquellen: http://www.lgl.bayern.de/gesundheit/arbeitsplatz_umwelt/physikalische_umweltfaktoren/pic/laerm_ grundlagen_01.jpg Bei 120 db liegt üblicherweise die physische Schmerzgrenze des menschlichen Ohrs. Unser Ohr ist immer "ganz Ohr", um alle akustischen Informationen aus der Umwelt dem Gehirn zu melden. Das Ohr hört nicht weg. Erst das Gehirn unterscheidet zwischen wichtig und unwichtig. Das heisst, das Ohr und das Hörzentrum arbeiten immer rund um die Uhr. Es heisst auch, dass aufgrund der Nähe des Gleichgewichtssinnes Ohrenschmerzen die einzigen Schmerzen seien, wegen derer man nicht in Ohnmacht fallen kann, wenn sie zu stark werden. © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Weitere Denkanstösse: Wie wäre es für mich, plötzlich gar nichts hören zu können? → Experiment mit Normalhörenden in einem absolut schalldichten Raum: Mit absoluter Stille kann man Hörende entnerven und an den Rand der Verzweiflung bringen. → Erfahrungen von Hörbehinderten in Gruppensituationen: Mit Lärm und Nebengeräuschen kann man Schwerhörige entnerven und an den Rand der Verzweiflung bringen. Hören= Verstehen? Gehörlos=Taubstumm? Hörbehindert=sprachbehindert? Was für Unterschiede gibt es beim Hören oder Nicht-Hören-Können? Von Geburt an? – irgendwann erworben? - Altersschwerhörigkeit? Leicht – mittelgradig – hochgradig, an Taubheit grenzend – gehörlos --- Tinnitus Generell ist es oft so, dass bei angeborenen Behinderungen die Tatsache der Behinderung und der Umgang mit ihr akzeptiert werden – schließlich kennt man es nicht anders... Aber häufig entwickeln diese Menschen Gefühle von Minderwertigkeit, da sie von Kind auf im Vergleich mit den anderen schlechter „abschneiden“. Auch ist in der Regel der Spracherwerb sehr stark gestört – je später die Hörbehinderung erkannt wird, desto schwieriger wird der Spracherwerb. Häufig gehen mit dem gestörten Spracherwerb auch Schwierigkeiten mit dem Lesen einher, welches sich ebenfalls auf die Ausbildung des Wortschatzes auswirkt.Wichtig ist hier die Frühförderung, damit die neuronale und sensorische Entwicklung bestmöglich stattfinden können. Deshalb werden bei entsprechender Indikation schon Kleinkindern Cochlea-Implantate (CI) eingepflanzt. Bei erworbenen Behinderungen ist das Problem eher ein Hadern mit dem Schicksal „warum ausgerechnet ich?“, verbunden mit einer Nichtannahme der Behinderung, bis hin zum Leugnen. Einfacher ist es, wenn man z.b. bei einem Knalltrauma die „Schuld“ dem Verursacher des Lärms gegeben werden kann... Die Altersschwerhörigkeit geschieht oft schleichend und wird meistens erst dann bemerkt wenn man darauf angesprochen wird, oder das Verstehen in Gruppen oder Umgebungen mit Störlärm deutlich abnimmt. Viele genieren sich, ein Hörgerät zu tragen und lassen sich oft erst sehr spät vom Akustiker welche anpassen. Die meisten wissen nicht, dass auch das Hörzentrum im Gehirn „vergessen“ kann. Wenn bestimmte Frequenzen nicht mehr wahrgenommen werden und die entsprechenden neuronalen Reize fehlen, kann es sein, dass nach der Anpassung eines Hörgerätes erst einmal ein Hörtraining notwendig wird, bis das Gehirn wieder gelernt hat, diese Reize adäquat zu verarbeiten. © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Ursachen einer Hörbehinderung: Pränatal (vor der Geburt): • Vererbung • Krankheit der Mutter während der Schwangerschaft (Röteln, Masern, VirusInfektion) Perinatal (während der Geburt): • Frühgeburt • Geburtstrauma • Sauerstoffmangel Postnatal (nach der Geburt): • Meningitis • Hörsturz • Scharlach • Mumps • Diphterie • Otosklerose • Unfall • Umwelteinflüsse (z.B. Lärm) • Lärmschwerhörigkeit • Altersschwerhörigkeit Soziale und psychologische Folgen: Viele Hörgeschädigte haben keine klare, deutliche Aussprache. Aber das bedeutet jetzt nicht, dass sie deswegen weniger intelligent sind! Es hängt mit der Sprachentwicklung aus ihrer Kindheit zusammen. Je früher die Hörschädigung bemerkt wird, desto besser kann die Sprachentwicklung bei einem hörgeschädigten Kind gefördert werden. Deshalb ist es oft sehr wichtig, dass die Hörschädigung eines Kindes bzw. Säuglings so früh wie möglich bemerkt wird, um sofort mit der Sprachförderung zu beginnen. Ein hörendes Baby nimmt sofort von Geburt an die ersten Höreindrücke auf und lernt das Sprechen. Es hat somit eine „normale“ Sprachentwicklung. Ein hörgeschädigtes Baby nicht. Dadurch kann es die Sprache nicht sofort erlernen und ist aus diesem Grund bei der normalen Sprachentwicklung benachteiligt. Erst wenn die Eltern festgestellt haben, dass ihr Kind schlecht hört, kann die Entwicklung gezielt gefördert werden. Die Anfangsphase ist aber bereits „verloren“. Dadurch erfolgt oft die schlechtere Aussprache. Gefühle werden oft in einer bestimmten Tonlage bzw. Lautstärke wiedergegeben. Ein Hörbehinderter kann jedoch die unterschiedlichen Laute nicht unterscheiden. Dies führt oft zu Missverständnissen. Auch kann er diese Tonlagen oder Lautstärken oft nicht wiedergeben, da ihm für sich die akustische Rückkopplung fehlt, was wiederum zu weiteren Missverständnissen führen kann. Ein Schwerhöriger bzw. Gehörloser bekommt von seinem Umfeld akustisch wenig mit (z. B. Nachrichten im Radio oder TV, Fachbegriffe bzw. Fremdwörter und deren Bedeutung). Er versteht oft nur das, was man ihm direkt sagt. Es ist aber leider sehr häufig der Fall, dass die hörende Person unbewusst mit einem Hörgeschädigten eine einfache, kindhafte Sprache verwendet. Die Folge daraus ist, dass das Allgemeinwissen der Hörgeschädigten manchmal viel geringer ist, als die von einem Normalhörenden. Deshalb werden Hörgeschädigte oft für dumm gehalten. Für den © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Hörbehinderten ist es sehr peinlich, wenn er wegen seinem geringeren Wissen ausgelacht wird. Das kann zu Minderwertigkeitskomplexen, Depressionen oder sogar zu Persönlichkeitsstörungen führen. Die Hörschädigung ist eine unsichtbare Behinderung, deshalb wird sie auch häufig ungewollt übergangen. Ein Hörgeschädigter wird manchmal dumm angeredet (»Bist du taub oder was?«), wenn er das Gesagte nicht verstanden hat. In Extremfällen wird er sogar angeschrien. Oft wird ein Hörgeschädigter auch einfach für unhöflich angesehen, weil er nicht antwortet und man vergisst, dass er einen möglicherweise nur einfach nicht gehört hat. Generell gibt es häufig folgendes zu beobachten: hochgradig Hörgeschädigte bis Gehörlose Menschen, die gebärden, also die Gebärdensprache benutzen, verwenden oft auch in der Lautsprache die andere, dem Gefühl der „Normalhörenden“ nach, eingeschränkte Grammatik der Gebärdensprache. Nicht selten besteht ein eingeschränktes Gefühl für die Nuancen der verschiedenen grammatikalischen Redewendungen. Oft ist auch zu beobachten, dass Hörgeschädigte aus dem ständigen Gefühl heraus, nicht alles mitzukriegen, anfangen, vieles auf sich zu beziehen. Beispielsweise wenn ein Hörgeschädigter in einer Gruppe feststellt, dass andere der Gruppe sich „leise“ unterhalten, stellt sich bei vielen das Empfinden, dass über ihn selbst geredet würde, weil man ja wisse, dass er das nicht mitbekomme. Für die Hörenden ist es dagegen oft das Problem, da man die Hörbeeinträchtigung nicht sieht, verschwindet das schnell aus dem bewussten Umgang mit dem Hörbehinderten und die Gruppenmitglieder denken nicht daran, dass der Hörgeschädigte die nebenbei geführten Unterhaltungen nicht mitbekommt. Schwerhörige haben oft Orientierungsprobleme. Sie wissen nicht, ob sie sich der hörenden oder gehörlosen Welt zuordnen sollen. Diese Unsicherheit kann zu Einsamkeit oder dem Gefühl von Ausgeschlossenheit führen. Häufig wollen sie nicht mit den Gehörlosen in einen Topf geworfen werden und nicht mit Gebärden und schlechter Aussprache „auffallen“. . Die Kommunikation wird immer öfter zu einer großen Kraftanstrengung, viele wollen und können sie nicht mehr leisten. Die Folgen sind gravierend: im Gespräch mit anderen Menschen will man dabei sein und bleibt doch "außen vor"... man hat das Gefühl, ausgegrenzt zu sein...Selbstzweifel stellen sich ein...man zieht sich aus sozialen Kontakten zurück...Einsamkeit und Selbstisolation... Der permanente Balanceakt zwischen der Angst, etwas nicht mitzukriegen und dem Aufwand, alles verstehen zu wollen, kostet viel Kraft. Und wieder Denkanstösse medizinisch-biologisch-psychisch? Aussenohr - Mittelohr – Innenohr – Nervenbahnen/Hörzentrum-Knochenleitung Was ist mit dem Gleichgewichtssinn? © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop http://www.earaction.bayern.de/ohr/pic/ohr_legende.jpg So hören wir: Die Ohrmuschel fängt den Schall auf; er wird durch den Gehörgang geleitet und versetzt das Trommelfell in Schwingungen. Die winzigen Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel nehmen die Schwingungen auf. Der Steigbügel ist der kleinste Knochen des Menschen und nur halb so groß wie ein Reiskorn. Er überträgt die Schwingungen auf das ovale Fenster der Ohrschnecke, die mit Flüssigkeit gefüllt ist. In ihr wandert die Schallwelle die Vorhoftreppe empor und die Paukentreppe wieder zurück; am runden Fenster erfolgt der Druckausgleich. Je nach Frequenz des Geräusches werden Haare (Zilien) verschiedener Reihen von Haarzellen auf der Basilarmembran im Schneckengang bewegt; sie lösen damit Reizfolgeströme (kleine Ionenströme) aus. Die etwa 20.000 Sinneszellen mit den Zilien und deren Einbettung auf der Basilarmembran sowie die Deckmembran bilden das Cortische Organ. Dort wird also die Schallenergie in elektrische Energie umgewandelt. Der Hörnerv leitet die Reizfolgeströme zur Hirnrinde: wir hören. Der Mensch hört Töne von etwa 16 Hz bis 16 000 Hz. 1 dB Pegeländerung ist gerade noch hörbar. Das Ohr ist das empfindlichste Sinnesorgan des Menschen. Bei mittleren Frequenzen und Pegeln ergibt ein Pegelunterschied von 10 dB eine Verdoppelung oder Halbierung des Lautstärkeeindrucks. Definition aus dem Wikipedia: Eine Schwerhörigkeit kann ihre Ursache im gesamten Bereich der Hörorgane haben. Dazu zählen das Außenohr mit der Ohrmuschel und dem Gehörgang, das Mittelohr, die Hörschnecke, weiter der Hörnerv und die Hörbahn bis zur Hörrinde im Gehirn. Je nach Sitz der Ursache werden eine Schallleitungsschwerhörigkeit (abgekürzt SLS) bei Störung im Außen- und Mittelohr, eine © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Schallempfindungsschwerhörigkeit (SES oder IOS für Innenohrschwerhörigkeit) bei Störung in der Hörschnecke, eine neurale Schwerhörigkeit (bei Störungen des Hörnerven) und für den Bereich der Hörbahn im Gehirn eine zentrale Schwerhörigkeit unterschieden. Als Kombinierte Schwerhörigkeit wird die Kombination von SLS und IOS bezeichnet. Durch permanente Überbeschallung können die Sinneszellen des Gehörs dauerhaft irreparabel beschädigt werden. Die beiden Bilder von Ising, Kruppa zeigen die Zilien in intakter und zerstörter Form. Drei Reihen intakter Zilien der äußeren Haarzellen (5µm = 0,005 mm) Quelle: Ising, Kruppa. Zilienverwüstung nach Überlastung mit Impulsschall Quelle: Ising, Kruppa. Ganz grob unterschieden kann man sagen, für die Hörbehinderung spielen 2 Kriterien die Rolle: 1. der Verlust der Hörfähigkeit nach Lautstärke – in Dezibel (db) 2. der Verlust der Hörfähigkeit nach Frequenzen Formen der Hörbehinderung: Altersschwerhörigkeit: Ungefähr ab dem 50. Lebensjahr verschlechtert sich die Funktion der Sinneszellen im Innenohr, wobei hohe Töne stärker betroffen sind als tiefe Töne. Das ist ein schleichender Prozess, weshalb er von dem Betroffenen meist nicht selbst festgestellt wird. Bis zu einer gewissen Lautstärke hören die Betroffenen besser, aber gleichzeitig werden lautere Töne häufig als unangenehm wahrgenommen. Die Altersschwerhörigkeit ist meistens gut mit einem Hörgerät auszugleichen. Schalleitungsschwerhörigkeit: Die Übertragung zum Innenohr kann z.B. durch Verwachsungen oder andere Erkrankungen gestört sein. Manchmal funktioniert dabei die Knochenleitung sehr gut. Auch diese Art der Schwerhörigkeit ist i.d.R. Mit Hörgeräten gut ausgleichbar. Diese Art von Schwerhörigkeit kann in jedem Lebensalter auftreten. © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Kombinierte Schwerhörigkeit: Alters- und Schalleitungsschwerhörigkeit können gemeinsam in unterschiedlichen Stärken und Ausprägungen auftreten. Hier gilt es, die ideale Hörverstärkung zu finden. Lärmschwerhörigkeit: Sie zählt in Deutschland seit langem zu einer der häufigsten Berufserkrankungen! In den Anfangsstadien werden die hohen Töne schlechter gehört, später auch die mittleren Töne. Hörsturz: Wenn Sie plötzlich oder innerhalb weniger Stunden auf einem oder gar beiden Ohren schlechter oder gar nichts hören, ist das ein Fall für den Arzt. Die Ursachen spielen sich meinst im Innenohr ab. Bei zeitnaher Behandlung gibt es häufig gute Heilungschancen. Es ist ein gängiger Irrtum, dass sich bei einer zunehmenden Hörbehinderung das Hörvermögen über alle Frequenzen gleichermassen verschlechtert – in der Regel hat sogar jede einzelne Frequenz „ihren individuellen Hörverlust“ - mindestens jedoch die Frequenzen eines Frequenzbereichs. Charakteristisch für eine Altersschwerhörigkeit ist beispielsweise als erstes eine schleichende Verschlechterung in den hohen Frequenzen. Ein ebenso gängiger Irrtum ist es, dass eine Hörverschlechterung immer linear ist. Charakteristisch für Innenohrschwerhörigkeiten ist es zum Beispiel, dass man erst eine „Grundverstärkung“ um z.B. 35 db braucht, bevor man überhaupt anfängt zu hören und dann aber das Hörvermögen überproportional ansteigt. Beispiel: wenn ich das perfekte Gehör hätte, würde ich einen Ton, je lauter er wird, genau in dem gleichen Masse lauter hören. Das heisst, das ideale Hörvermögen wäre die Winkelhalbierende in einem Diagramm mit einer Skala von 0-140 db auf beiden Achsen. Eine Achse zeigt die tatsächliche Lautstärke eines Tons und die andere Achse die Lautstärke mit der er wahrgenommen wird. Ein Hörbehinderter mit 35 db als Hörschwelle fängt erst bei 35 db an, den Ton wahrzunehmen (darunter hört er nichts) und dann mit zunehmender Lautstärke steigt die Wahrnehmungsfähigkeit überproportional an, bis zur asymptotischen Annäherung an die Winkelhalbierende beim Erreichen der Schmerzgrenze. Das bedeutet, dass ein modernes Hörgerät diesen Ton je nach dessen Lautstärke unterschiedlich verstärken muss. Aber für jede Frequenz können unterschiedliche Hörkurven vorliegen. Das hieße, dass jede Frequenz ihrer jeweiligen Lautstärke entsprechend unterschiedlich verstärkt werden müsste – und das in Echtzeit! Die modernen Geräte können bis zu 7 bis sogar 9 unterschiedliche Frequenzbereiche gleichzeitig unterschiedlich verstärken. Schon allein diese Anforderung macht deutlich, dass ein Hörgerät kaum ein natürliches, normales Hören vollständig abbilden kann. Mittels modernster Technik ist es auch möglich, per Frequenzmodulation Frequenzen, die ein Hörgeschädigter gar nicht (mehr) hören kann, in Frequenzen umzuwandeln, die für ihn hörbar sind. Das erzeugt natürlich ein verzerrtes Hörergebnis, aber es gehen auch weniger Informationen verloren. Dazu kommt, dass bei den meisten Hörgeschädigten auch die Diskriminationsfähigkeit eingeschränkt ist, also die Fähigkeit, bestimmte Dinge zu unterscheiden und herauszufiltern, wie Sprache aus einem Lärmpegel an Störgeräuschen. Ein weiteres Problem ist häufig der Distanzverlust – für Hörgeschädigte gehen oft mit zunehmender Entfernung die gewünschten © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Hörinformationen verloren. Deshalb finden in den modernen Hörsystemen oft mehrere Richtmikrofone ihren Einsatz. Auch für das Richtungshören ist die richtige Anpassung an das jeweilige Hörvermögen des rechten bzw. linken Ohres enorm wichtig. Das Richtungshören ist für das räumliche Wahrnehmungsvermögen von entscheidender Bedeutung. Hörgerätetypen: • • • • • • • HdO-Geräte (hinter dem Ohr Geräte) IdO-Geräte (die Geräte werden vollständig in der Ohrmuschel oder dem Gehörgang getragen. So kann die Ohrmuschel an der Schallaufnahme direkt teilnehmen.) Concha-Geräte (diese Geräte füllen die Ohrmuschel teilweise auf und ragen meist noch in den Gehörgang hinein. Gehörgangsgeräte (sie verschwinden vollständig im Gehörgang und werden mit einem durchsichtigen Nylonfaden rausgeholt. I.d.R. Wird das komplette Gerät getauscht. Offene Versorgung (EinTeil der Technik wird direkt ins Ohr gesetzt – der andere Teil sieht weiter aus wie ein Hörgerät – es sind keine Ohrpassstücke mehr notwendig. Hörbrille (für Brillenträger, welche gleichzeitig Hörgeräte brauchen) Cochlea-Implantat (Implantat direkt in den Ohrknochen) Für Hörgeschädigte ist es wichtig, folgendes Urteil zu kennen: Bundessozialgericht - B 3 KR 20/08 R - Urteil vom 17.12.2009 Vereinfacht gesagt, müssen danach von den Krankenkassen die Hörgeräte bezahlt werden, welche notwendig sind, um bestmöglich an ein natürliches Hörvermögen ranzukommen. Deshalb ist es bei der Beantragung wichtig, dass neben der ärztlichen Verordnung durch den behandelnden Arzt der Akustiker mit Hilfe ausführlicher Tests dieses darstellt. Es ist zu empfehlen, die ganze Palette an Hörtests (Tonaudiogramm, Test des Sprachverständnisses UND Test des Sprachverständnisses bei Störgeräuschen) für verschiedene Hörgeräte durchzuführen und zu dokumentieren. Beispielsweise wird ein Gerät zum „Kassensatz“ gemessen, dasjenige, mit welchem der Hörverlust am besten ausgeglichen wird und eines dazwischen. Mit den entsprechenden Audiogrammen ist es normalerweise kein Problem, nachzuweisen, dass das ideale Gerät die bestmöglichen Erfolge erzielt und dennoch oft noch ein Rest an Hörminderung bleibt, der nicht ausgeglichen werden kann. Sind mehrere der Hörgeräte gleichermassen geeignet, den Hörverlust weitestgehend auszugleichen, ist es natürlich nur recht und billig, den Anbieter zu wählen, der bei diesen Geräten das günstigste Preis-Leistungsverhältnis anbietet. Ich empfehle auch, sich die Testergebnisse vom Akustiker und den entsprechenden Anpassbericht vom behandelnden Arzt bestätigen zu lassen, bevor der Antrag auf Kostenübernahme gestellt wird. Über die sonstigen aktuellen Hilfsmittel, die auch zu den angepassten Hörhilfen passen, weiss der Akustiker i.d.R. am besten Bescheid. Bei Berufstätigen empfehle ich ggfs. die Einbindung der entsprechenden technischen Berater beim Integrationsamt. Auch die RehaDat ist eine gute Informationsquelle. © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Ein Hörverlust kann durchaus beim jeweiligen Amt für Familie und Versorgung zu einer Anerkennung einer Behinderung führen. In der Arbeitsmedizinischen Vorsorge-Verordnung (früher: Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit) sind Tabellen aufgeführt, in denen die Zuordnung des Grades des Hörverlusts ermittelt werden kann. http://www.schwbv.de/pdf/gdb_tabelle.pdf Die Sprache selbst besteht aus den stimmhaften Vokalen und den eher tonlosen Konsonanten, die in höheren Frequenzen gehört werden. Wichtig ist es daher, in den Bereichen zwischen 2.000 und 4.000 Hertz gut zu hören. Dann kann das menschliche Gehör leicht solche Laute wie B, F und M unterscheiden, die beispielsweise den Worten Butter, Futter und Mutter ihre Bedeutung geben. Gelingt das nicht, weil das Gehör in diesen Bereichen nur noch eingeschränkt funktioniert, muss das Gehörte aus dem Zusammenhang entschlüsselt werden. Das ist nicht immer einfach, denn auch die übrigen Worte des Sprachschatzes bestehen überwiegend aus Konsonanten. Es ist auch ein weitverbreiteter Irrglaube, dass man alles vollständig von den Lippen ablesen könne. Jeder Buchstabe/Laut hat ein charakteristisches Mundbild, aber manche lassen sich kaum unterscheiden. So werden viele ausgesprochene Laute wie M, L, O in der Regel gut verstanden. Aber es gibt auch Laute, die nicht mit dem Mund geformt, sondern aus dem Hals gesprochen werden und die Hörbehinderte daher nicht ablesen können, wie z.B. G, K, R. on reiig auen önnen ur el onen ippen ab eleen eren (Von dreißig Lauten können nur elf von den Lippen abgelesen werden) So hört beispielsweise ein Schwerhöriger. Auch ähneln sich dadurch viele Worte, bei denen man es so nicht vermuten würde: Reifen – Greifen Freunde – Freude backen – packen Juni – Juli Kampf – Krampf Organ – Orkan gejagt – gesagt Dreißig – fleißig, weiß ich, weiß nicht Staat – Stadt, statt Beet – Bett Achtzig – hat sich, macht sich © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Die folgende Grafik verdeutlicht das. http://www.fgh-info.de/typo3temp/pics/75879ec1b9.png Symptomverlauf – Phasen des Tinnitus Akutphase Die Akutphase eines Tinnitus beläuft sich auf den Zeitraum vom ersten Auftreten des Symptoms bis zu maximal sechs Wochen. Wenn der Tinnitus von einem Hörsturz oder Schwindelgefühlen begleitet ist, sollte man umgehend in eine Klinik/zu einem Arzt. Ansonsten sollten Sie Ihren HNOArzt oder Hausarzt aufsuchen, der dann die nötigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen einleitet! Subakutphase Diese Übergangsphase im Zeitraum von sechs Wochen bis zu drei Monaten nach dem erstmaligen Auftreten der Ohrgeräusche bezeichnet man als Subakutphase. Erst hier zum Arzt zu gehen, ist viel zu spät! Zu diesem Zeitpunkt sind in der Regel bereits alle diagnostischen und schulmedizinischen Maßnahmen/Möglichkeiten abgeschlossen, so dass viele Patienten mit der Tatsache konfrontiert sind, dass der Behandlungserfolg nur unzureichend ist. © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Diese Erkenntnis führt häufig zu einer weiteren Verunsicherung und Verschlimmerung der Symptomatik. Betroffene entwickeln eigene Verhaltensweisen, um Ihre Lebenssituation zu verbessern, die nicht selten zum Gegenteil führen (z. B. Vermeidung größerer Geräuschkulissen u.ä.). Das Hören bekommt eine zunehmend wichtige Funktion für die Patienten, den Reaktionen des Gehörs wird immer mehr Aufmerksamkeit entgegen gebracht. Ein Teufelskreis beginnt: Der Patient konzentriert sich immer mehr auf das Ohrgeräusch (Fokussierung), wodurch die Störung durch das Ohrgeräusch immer weiter zunimmt. Dem muss man entgegenwirken, um eine Defokussierung vom Ohrgeräusch zu erreichen, bis hin zum totalen Überhören der Ohrgeräusche. Chronische Phase Unter einem chronischen Tinnitus versteht man eine Symptomatik, die bereits länger als 3-6 Monate besteht und medikamentös oder operativ nicht behandelbar ist. Auch in dieser Phase steht die Defokussierung von den Ohrgeräuschen im Mittelpunkt. Allerdings belasten in vielen Fällen nicht nur die Ohrgeräusche, sondern auch vielfältige Sekundärsymptome, die durch Ohrgeräusche ausgelöst wurden und zur Verschärfung der Situation beitragen, wie z.B. Schlafstörungen, Depressionen, Spannungskopfschmerz, psychogener Schwindel etc. In dieser Phase angelangt, resignieren viele Betroffene („da kann man nichts mehr machen“). Aber: mit der richtigen Behandlung können ca. 80% der betroffenen Patienten gut mit dem Ohrgeräusch leben. Sie haben dann einen sog. kompensierten Tinnitus. Hyperacusis Unter Hyperacusis versteht man eine Störung, die häufig mit Tinnitus einhergeht. Es handelt sich hier um eine Geräuschempfindlichkeit, die unabhängig von der Hörfähigkeit besteht. Ein Phänomen, das für die Betroffenen den Eindruck erweckt, mehr und besser zu hören. Geräusche oder Musik in einer ganz normalen Lautstärke werden als unangenehm laut und sogar belastend empfunden. In Extremfällen wird schon das Rauschen einer Klimaanlage oder auch die eigene Stimme als quälend empfunden. Bei der Hyperacusis handelt es sich um ein vorübergehendes Phänomen, das durch eine Desensibilisierung gegenüber Geräuschen durch psychoakustische Reize behandelbar ist. Phonophobie Im Gegensatz zur Hyperacusis besteht die Phonophobie nicht in einer generellen Störung der Geräuschempfindlichkeit, sondern bezieht sich vielmehr auf einzelne Schallereignisse. Wie z.B. bei der Flugangst handelt es sich hierbei eher um ein psychologisches Problem, bei dem GeräuschErleben mit bestimmten Negativ-Erfahrungen in Verbindung gebracht wird. So können Menschen, die z.B. in Folge eines Konzertbesuches einen Tinnitus bekamen, Aversionen oder gar Ängste gegenüber solchen Konzertbesuchen entwickeln und diese meiden. In diesen Fällen ist eine verhaltenstherapeutische Vorgehensweise sinnvoll, die anstelle der Vermeidung der Situation die schrittweise Gewöhnung daran zum Ziel hat, um den Ängsten entgegenzuwirken. Denkanstoss & Übung: Problematik fühlbar machen und Verständnis erzeugen mit einer Übung über aktives Zuhören → dieser Konzentrationsaufwand muss von Hörbehinderten den ganzen Tag geleistet werden. Wenn auch noch von den Lippen abgelesen werden muss, steigert sich dieser Konzentrationsaufwand noch einmal massiv. Das macht deutlich, wie wichtig eine gut ausgeleuchtete Umgebung für Hörbehinderte ist. © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Gehörlose haben neben dem Ablesen die Gebärdensprache DGS. Die Deutsche Gebärdensprache (abgekürzt DGS) ist die visuell-manuelle Sprache, in der gehörlose und schwerhörige Personen in Deutschland untereinander kommunizieren. Die Wörter der Sprache nennen sich Gebärden. Die rechtliche Anerkennung der DGS in Deutschland erfolgte 2002 mit dem Behindertengleichstellungsgesetz (§ 6 BGG). Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) Unter LBG verstehen wir die Lautsprache (also normales Sprechen) mit Mundablesen + Mimik + Gebärde Fingeralphabet Das Fingeralphabet – also das Buchstabieren einzelner Wörter mit den Fingern – dient häufig zur Unterstützung einzelner nicht verstandener Wörter. Mit dem Fingeralphabet-Generator auf dieser privaten Seite können Sie Wörter im Fingeralphabet anschauen: http://www.typolis.de/hear/index.htm Das folgende Bild zeigt die Zuordnung von Symbolen zur Darstellung zu den einzelnen Zeichen des Fingeralphabets. http://de.wikipedia.org/w/index.php? title=Datei:Handshape_equiv2.png&filetimestamp=20101204191049 © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Es gibt nationale Unterschiede bei den Gebärdensprachen – aber die Unterschiede sind bei weitem nicht so groß wie bei den gesprochenen Sprachen. Gestuno (auch bekannt als International Sign oder International Sign Language)setzt sich als Abkürzung aus GESTure (engl. Geste, Gebärde) und UNO (United Nations Organisation) zusammen. Die Gebärdensprachen sind sich jedoch untereinander häufig ähnlicher als die verschiedenen Lautsprachen. Auf internationalen Veranstaltungen kommt zunehmend die sogenannte internationale Gebärdensprache zum Einsatz. Diese im Entstehen begriffene Gebärdensprache entwickelt sich durch Konventionen verschiedener länderspezifischer Gebärden nach pragmatischen Aspekten. Tipps zum guten Umgang mit Hörgeschädigten in Alltag und Beruf: Gespräch: • Ziehen Sie erst die Aufmerksamkeit des Hörbehinderten auf sich bevor Sie mit ihm ein Gespräch starten. Z.B. indem Sie ihn an Schulter oder Hand anstupsen, winken oder ein anderes vereinbartes Signal verwenden. • Finden Sie heraus, wie der Hörbehinderte Sie versteht: wenn ein Gebärdendolmetscher anwesend ist, sprechen Sie trotzdem mit dem Behinderten, nicht mit dem Dolmetscher. Verwenden Sie offene Fragen um festzustellen, ob Sie korrekt verstanden wurden. • Wenn der Hörbehinderte von den Lippen abliest, vermeiden Sie eine Blockierung des Sichtkontaktes, benutzen Sie kurze Sätze, sprechen Sie langsamer und geduldig. Vermeiden Sie es, im Dialekt zu sprechen. Achten Sie auf einen freien Blick auf das Mundbild (Achtung – Bartträger!) und sorgen Sie für eine gute Beleuchtung. Verwenden Sie aber keine übertrieben deutliche Aussprache, sonst wird das Mundbild verzerrt. • Die Doppelbelastung von Ablesen und Verstehen wollen benötigt hohe Konzentration. Dauert diese Belastung längere Zeit (längeres Gespräch, Vortrag, Schule/Uni), schalten hochgradig Schwerhörige und Gehörlose nach einer gewissen Zeit häufig ab. Sie sind einfach zu k.o. um von den Lippen abzulesen und gleichzeitig zu interpretieren, wie das gesprochene Wort heißen könnte. • Unterstreichen Sie Ihre Worte mit Gestik und Mimik. Scheuen Sie sich nicht, den Hörbehinderten zu fragen, ob er Ihnen einfache Gebärden zeigt. • Stellen Sie sicher, dass der Behinderte das Thema kennt und mitbekommt, wenn ein Themenwechsel stattfindet. Bitten Sie ihn, die Kernpunkte zu wiederholen, wenn Sie sicherstellen wollen, dass Sie verstanden wurden. Seien Sie bereit, gegebenenfalls zu wiederholen und umzuformulieren. • Machen Sie Gebrauch von Hilfsmitteln und schriftlichen Kommunikationsmedien. Haben Sie notfalls Papier und Bleistift dabei. Verwenden Sie wo es geht Grafiken. • Achten Sie gegenenfalls mit darauf, wenn der Behinderte gerufen wird, z.B. beim warten auf ein Taxi, etc. • Stellen Sie sich so hin, dass der Hörbehinderte kein Gegenlicht hat, wenn er von Ihren Lippen ablesen muss. • Rufen Sie sich diese Hinweise immer wieder ins Gedächtnis, insbesondere wenn dem Betroffenen die Hörbehinderung nicht anzusehen und auch kaum anzumerken ist. © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Meetings und Präsentationen • Stellen Sie möglichst Stichworte/Unterlagen im vorhinein zur Verfügung, das ermöglicht die thematische Orientierung zwischendurch. Bevorzugen Sie ruhige und gut ausgeleuchtete Meetingsräume. • Überlassen Sie dem Hörgeschädigten die Wahl des Sitzplatzes, so dass eine individuell optimale Positionierung zum Sprecher und Gebärdendolmetscher möglich ist. • Das Wissen, dass ein Protokoll erstellt werden wird, erlaubt es dem Hörbehinderten, die Konzentration auf den Redner zu fokussieren. • Wenn möglich und notwendig, nutzen Sie Gebärdendolmetscher und technische Hilfsmittel (auch Mikrofone und Lautsprecher) • Vermeiden Sie es, ohne Sichtkontakt zum Hörbehinderten zu sprechen – beispielsweise wenn Sie auf ein Flipchart schreiben. • Verwenden Sie möglichst viele visuelle Hilfsmittel und Verdeutlichungen in Ihren Vorträgen. • Achten Sie besonders darauf, dass Vorbereitendes Material und wichtige Informationen z.B. Termin-/Ortsänderungen, etc. den Behinderten auch erreichen – wie auch mindestens ale organisatorisch relevanten Informationen. • Wenn Themensprünge vorkommen, zeigen Sie das dem Behinderten an, Helfen Sie in Diskussionen gegebenenfalls den Sprecher zu identifizieren. Achten Sie auf einen disziplinierten Diskussionsverlauf, bei dem immer nur einer zu einem Zeitpunkt spricht. Bremsen Sie schnelle Sprecher ein, wiederholen Sie Fragen und Aussagen aus dem Plenum. • Auch ein Gebärdendolmetscher kann nicht alle Inhalte vollumfänglich darstellen, schon deshalb ist es wichtig, einen Protokollanten zu haben. Arbeitsplatz: • Weisen Sie dem Hörbehinderten keinen Arbeitsplatz zu, bei dem er Dinge „hinter seinem Rücken“ nicht sehen kann. • Platzieren Sie ihn so, dass er nicht erschrecken kann, wenn er jemanden nicht kommen sieht. • Sorgen Sie für einen gut ausgeleuchteten und schattenfreien Arbeitsplatz. • Stellen Sie sinnvolle Hilfsmittel zur Verfügung, wie z.B. Mikrofone, Induktionsschleifen, Hörverstärker fürs Telefon, Lichtsignale/Lichtsignalanlagen, barrierefreies Internet, etc. • Bieten Sie dem Team die Möglichkeit, den richtigen Umgang mit dem Hörbehinderten zu lernen und evtl. auch wichtige Gebärden. • Binden Sie ihn ins Team ein und erläutern Sie gegebenenfalls, worum es gerade ging/gehen soll. • Regeln Sie für Notfälle/Evakuierungen die Vorgehensweise, die sicherstellt, dass der Hörgeschädigte entsprechend unterstützt wird. Zu guter Letzt – einiges aus meiner persönlichen Erlebenswelt: Ich selbst bin zu früh auf die Welt gekommen und von Geburt an „hochgradig, an Taubheit grenzend schwerhörig“. Heute könnte das problemlos mit einem Screening welches auch mit © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Säuglingen durchgeführt werden kann, festgestellt werden. Zu meiner Zeit dauerte es aber drei Jahre, bis mein behandelnder Arzt überzeugt werden konnte, dass ich weder geistig zurückgeblieben noch sprachbehindert sei, sondern schlicht und ergreifend einfach nicht richtig hören könnte. So erhielt ich mit knapp dreieinhalb Jahren mein erstes Hörgerät und entdeckte eine völlig neue Welt. Meine ersten Schritte raus aus dem Hörstudio in das weihnachtliche Stuttgart mit etwas völlig Neuem – nämlich Weihnachtsmusik – werde ich nie vergessen! Ich höre vielleicht Musik nicht so wie ein Hörender, aber ich weiss, was mir gefällt und es war sehr schön als Kind, die Zauberflöte zu hören und auch die Musik zum Dschungelbuch. Dem grossartigen Engagement meiner Eltern, meiner Akustiker und Logopäden ist es zu verdanken, dass ich in einem jahrelangen Prozess sprechen lernte. Dadurch dass ich schon sehr früh lesen lernte und immer ermutigt wurde, viel zu lesen, konnte ich meinen großen Wortschatz aufbauen. Ich wurde zur Selbstständigkeit ermutigt und hatte dennoch die Gewissheit, behütet zu sein. Ich habe einiges an Höhen und Tiefen erlebt: Diskriminierung auf der einen Seite und Unterstützung auf der anderen. Ich wäre ohne diese Erfahrungen nicht da, wo ich heute bin – dafür bin ich zutiefst dankbar! Ein Erlebnis in meiner Ausbildungszeit hat mir den Unterschied zwischen meinem täglichen Erleben und einer Umwelt, die eben darüber nicht Bescheid weiss, deutlich gemacht. Bei einem Praktikum bekam ich einen Platz in einem kleinen Büro an einem Schreibtisch mit dem Rücken zur Tür und schönem Blick aus dem Fenster. Eines Tages sprach mich eine Kollegin darauf an, dass die Meinung geäussert wurde, ich sei unhöflich. Ich fiel „aus allen Wolken“ aber eine Erklärung war schnell gefunden: die Kollegen grüssten alle sehr freundlich „die Neue“ wenn sie auf dem Weg zu ihrem Büro an meinem vorbeiliefen und bekamen nie eine Antwort. Ich hatte sie nicht gesehen und schlichtweg nichts gehört! Noch am gleichen Tag stand mein Schreibtisch mit Blick zur Tür... Was ich auch spannend finde, bei der ständigen Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Hörhilfen höre ich mit jedem Hörgerät, welches ich neu bekomme, etwas, das ich vorher noch nie so gehört habe. Besonders intensiv ist die Erinnerung daran, als ich am Morgen nach einer Anpassung von neuen Geräten (meine ersten digitalen Geräte) mich im Schlafzimmer umschaute nach dem komischen Geräusch, das da war – bis mir klar wurde, dass ich mich zum ersten Mal in aller Ruhe selbst atmen hörte! Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass es viel Mut kostet, sich als Betroffener ganz zu öffnen, zu erklären, wie schwierig es ist, den Alltag zu meistern, wenn man doch gerade immer „gut klarkommen“ möchte, und wie viel Überwindung, um Hilfe zu bitten. An dieser Stelle möchte ich aber den Betroffenen Mut machen – tut es! Es ist eine sehr schöne Erfahrung, wenn daraus Verständnis entsteht und die benötigte Hilfe gerne gegeben wird. Der Umgang mit einem hörbehinderten Menschen ist für einen Hörenden vielleicht nicht einfach. Aber bedenke, dass es für einen Hörbehinderten noch viel schwieriger ist! Ingrid Adlkofer © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Einige nützliche Informationsquellen, Links und Quellenangaben: Interessantes: aktuelle REHACARE (Oktober 2012) hat den Schwerpunkt Hörbehinderung http://www.rehacare.de/cipp/md_rehacare/custom/pub/content,oid,28938/lang,1/ticket,g_u_e_s_t/~/ Schwerpunkt_Hörbehinderung.html Urteil zur Kostenübernahme von Hörgeräten: http://www.anhaltspunkte.de/zeitung/urteile/B_3_KR_20.08_R.html Kommentare dazu: http://www.123recht.net/article.asp?a=55157 Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft der Hörgeschädigten zum Festbetragsgruppensystem für Hörhilfen - Inkrafttreten des neuen Festbetrags für an Taubheit grenzende Patienten ab 1. März 2012 http://www.deutsche-gesellschaft.de/ueber-uns/aktuelles/anhaenge/dgstellungnahmefestbeträge120515final.pdf Sendung zum Tag der Gehörlosen - „Welt ohne Töne“ (z.t.auf Schwiizerdütsch, aber mit deutschen Untertiteln ;-) ) http://www.sonntag.ch/index.php?uid=20&cmd%5Beshop%5D%5B98%5D%5Bartnr%5D=av445 Artikel zum Thema Hörbehinderung und Beruf – Selbstständigkeit trotz Hörbehinderung http://www.hoerbehindertenselbsthilfe.de/index.php/wir-in-der-dhs/dhs-mitgliederzeitschrift/forumartikelverzeichnis/108-hoergeschaedigt-und-selbststaendig?showall=1 Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke http://www.bagbbw.de/service/lexikon/eintraege/hoerbehinderung/ Hörbeispiele: http://www.phonak.com/ch/b2c/de/hearing/understanding_hearingloss/how_hearing_loss_sounds.ht ml http://www.german.hear-it.org/Wie-ist-es-einen-Tinnitus-oder-Horschaden-zu-habenHörtest: http://www.phonak.com/ch/b2c/de/hearing/recognizing_hearingloss/hearingtest.html http://www.german.hear-it.org/Hortest http://www.hoertest-per-telefon.de http://www.earaction.bayern.de/hoertest/index.htm http://starkey.de/hoerverlust/hoertest Newsletter: Starkey.de und german-hear-it.org bieten interessante Newsletter an. © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Beratung (Stuttgarter Raum): • • • • • Expertentelefon: Mittwochs 14 und 16 Uhr. Je nachdem, ob es um gesundheitliche oder eher technische Fragen geht, kann man mit einem HNO-Arzt (Tel. 0800 - 0112 113) oder einem Hörgeräte-Akustiker (Tel. 0800 - 0112 112) sprechen. Die Experten informieren und beraten – ehrenamtlich und gebührenfrei. Integrationsfachdienst Stuttgart: 0711/23924-87 Monika Ringelhan [email protected] Integrationsamt Stuttgart (Karlsruhe): Roland Bittlingmeyer 0721/8107-906 Diakonie Stuttgart: http://www.diakonie-wuerttemberg.de/rat-und-hilfe/menschen-mit-behinderung/beratungfuer-hoergeschaedigte/ansprechpartnerinnen/ Schwerhörigenseelsorge Darmstadt: http://www.hoerpohrtal.de/shs-darmstadt.html Literatur / Informationen: Hörfibel – Der Ratgeber: Dr. med. Jörg Lutz http://www.hoerfibel.de http://www.rwb-essen.de/index.php?id=587 http://www.phonak.com/ch/b2c/de/home.html (gute Informationssammlung des Hörgeräteherstellers) http://www.typolis.de/hear/index.htm Reha: Baumrainklinik - Bad Berleburg http://www.helios-kliniken.de/klinik/bad-berleburg-baumrainklinik.html Bosenberg-Kliniken - St. Wendel http://www.bosenberg-kliniken.de/Themen/Medizin/Hals-Nasen-Ohrenheilkunde/uebersicht.aspx Kaiserberg-Klinik - Bad Nauheim http://www.median-kliniken.de/median-kliniken/rehabilitationskliniken/median-kaiserberg-klinikbad-nauheim Reha-Zentrum für Hörgeschädigte – Rendsburg http://www.hoergeschaedigt.de Helios Klinik am Stiftsberg – Bad Grönenbach http://www.helios-kliniken.de/klinik/bad-groenenbach-klinik-am-stiftsberg/fachabteilungen.html Tinnitus-Zentren: http://www.tinnitus-centrum.de - Stuttgart http://www.kulm.medigreif-inselklinikum.de – Heringsdorf (Usedom) http://www.gesundheitsklinik.com/de/index.php – Hamburg http://www.habichtswaldklinik.de – Kassel Wilhelmshöhe http://www.paracelsus-kliniken.de/roswitha-klinik.html Bad Gandersheim http://www.charite.de/hno/tinnitus/ - Berlin http://www.tinnitusclinic.de – Prien http://www.t-t-z.de – Düsseldorf © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012 Vom Hören können – Umgang mit Hörbehinderung Workshop Kommunikation / Hilfen: http://www.tess-relay-dienste.de https://www.tess-kom.de/homepage/ http://www.hoerhelfer.de Selbsthilfe / Organisationen: http://www.taubenschlag.de http://www.schwerhoerigen-netz.de http://www.gehoerlosen-bund.de http://www.hoerbehindertenselbsthilfe.de http://www.deutsche-gesellschaft.de http://www.fgh-info.de http://dcig.de http://www.tinnitus-liga.de http://www.spreadthesign.com/de/ Quellen: Es liegt an der Natur der Dinge, dass nicht einer alles weiss und viele schon richtig Gutes zum Thema geschrieben haben. Zu meinen eigenen Erfahrungen mit einer lebenslangen, an Taubheit grenzenden hochgradigen Schwerhörigkeit habe ich im Internet recherchiert. Die Bilder sind alle mit Herkunftsangaben/-Link versehen. Ansonsten stammen die Informationen zum Grossteil aus der Broschüre „Hörfibel“ welche ich jedem, der sich übersichtlich informieren möchte nur ans Herz legen kann und aus der sehr gut gemachten privaten Webseite http://www.typolis.de Weitere Informationen, insbesondere zu den Umgangsempfehlungen mit hörgeschädigten Menschen stammen auch aus den internationalen Seiten der Diversity-Community der IBM. Sollten Bedenken hinsichtlich möglicher Copyrightverletzungen bestehen, bitte ich um Kontaktaufnahme zur Klärung. Ich hoffe, dieser kurze Workshop konnte Ihnen einen kleinen Eindruck vom Hören verschaffen. Haben Sie den Mut, einen Hörgeschädigten anzusprechen, wenn Sie eine Frage haben, die meisten werden sich über Ihr Interesse freuen und Ihnen gerne zu ihren Erfahrungen berichten. :-) Monika Hannig. Die Ohren sind Kanal und Straße durch die die Stimme zum Herzen kommt. Yvain Chretien du Troye © Monika Hannig, Konzernschwerbehindertenvertretung IBM in Deutschland Oktober 2012