Wenn der Vater mit dem Kinde

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26. Jahrgang . Nummer 1 . September 2003
„Wenn der Vater mit dem Kinde...“
Bedeutung der Vater-Kind-Beziehung für die Entwicklung psychischer Störungen
von Mädchen und Jungen
2
„Heile heile Segen, sieben Tage Regen...“
Schmerz bei Kindern – mehr als nur ein akutes Problem?
5
Die Schizophrenie des Kindes- und Jugendalters
6
Wie Patienten zu Fakiren werden
Psychologische Schmerztherapie am Beispiel der Rheumatologie
9
Das Kompetenznetz Demenzen
14
Betrieblich Suchtprävention
Projektergebnisse
16
Gewalt in der Psychiatrie
Eine interne Bestandsaufnahme
20
Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung psychisch Kranker
Gesetzgebung und Praxis in den Mitgliedsländern der Europäischen Union
21
„Wieder-klar-denken-können“
Computergestütztes Training kognitiver Defizite bei schizophren Erkrankten
25
Was kommt nach der Klinik?
Die komplementäre psychiatrische Versorgung in Mannheim
27
Der Sucht auf der Spur
Biochip-Untersuchungen bieten erste Hinweise auf Kandidatengene
31
Autorinnen und Autoren
32
Impressum
9
„Wenn der Vater mit dem Kinde.......“
Bedeutung der Vater-Kind-Beziehung für die Entwicklung
psychischer Störungen von Mädchen und Jungen
ein Drittel der Zeit, die Mütter für ihre Kinder
aufwendeten, für ihre Kinder verfügbar, so liegt
diese Zahl nach US-amerikanischen Angaben
heute durchschnittlich bei 67 % und an Wochenenden sogar bei 87 % (Cabrera et al.,
2000). Mit ihren jüngeren Kindern verbringen
Väter heute im Mittel zwischen 2.8 und 4.9
Stunden täglich (mit einem deutlichen Gipfel am
Wochenende) (Pruett, 1998). Allerdings fungieren Väter weiterhin ganz überwiegend nur als
Mithelfer bei der Betreuung ihrer Kinder; nur in
dringenden Fällen sind sie dazu bereit, die
alleinige Verantwortung für ihr Kind zu übernehmen.
Wandel der Vaterrolle
In den letzten 20 Jahren hat sich in den westlichen Industrienationen ein tiefgreifender Wandel der Rolle des Vaters und der Vorstellungen
von Vaterschaft vollzogen (Fthenakis, 1999). Im
Gefolge der gesellschaftlichen Veränderungen
familiärer Lebensformen wird heute erwartet,
dass Väter vermehrt Aufgaben in der Versorgung, Betreuung und Erziehung ihrer Kinder
übernehmen und neue Formen einer engagierten Vater-Kind-Beziehung entwickeln. Viele
junge Eltern bemühen sich inzwischen, berufliche und familiäre Aufgaben partnerschaftlich zu
verteilen und die Verantwortung für ihr Kind
gemeinschaftlich zu tragen. Mit dem Wandel im
Elternverhalten hat sich auch das väterliche
Rollenverständnis verändert. Die „neuen Väter“
zeichnen sich dadurch aus, dass sie dem
familiären Zusammenleben und den damit
verknüpften Werten eine höhere Bedeutung
beimessen. So berichten Väter, die sich an der
Betreuung und Erziehung ihrer Kinder aktiv
beteiligen, dass sie eine intensivere Beziehung
zu ihren Kindern aufgebaut haben und die
Teilhabe an deren Entwicklung eine Bereicherung ihres Lebens darstellt.
Empirische Vaterforschung
In gesellschaftlichen Traditionen verwurzelt, war
Sozialisations- und Familienforschung über
lange Zeit auf die Rolle der Mutter als Erziehungs- und Betreuungsperson konzentriert. Aus
wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht
galt sie als die „primäre“ Bezugsperson des
Kindes und maßgebliche Repräsentantin der
Elternschaft. Erst allmählich entwickelte sich in
Forschung und Öffentlichkeit ein Bewusstsein
für die Bedeutung des Vaters und seiner Rolle
in der Entwicklung des Kindes (bezeichnenderweise zunächst aufgrund von Überlegungen zu
den Folgen der Vaterdeprivation).
Allerdings entspricht das tatsächliche Verhalten
der Väter häufig nicht den hochgesteckten
Erwartungen (Lamb, 1997). Noch immer
verbringen Väter deutlich weniger Zeit mit ihren
Kindern als Mütter und engagieren sich auch
nur in Teilbereichen elterlichen Handelns stärker als früher. Während Mütter neben der
Pflege eher Schutz-, Beaufsichtigungs- und
Betreuungsfunktionen übernehmen, konzentrieren sich Väter auf spielerische Aktivitäten.
Verstärkten Niederschlag findet die veränderte
Vaterrolle zudem allein in den ersten Lebensjahren des Kindes und bei der Gruppe der
Männer, die zum ersten Mal Vater werden. Mit
fortschreitendem Alter des Kindes und ab der
Zweitvaterschaft lassen die väterlichen Betreuungsaktivitäten jedoch offensichtlich wieder
nach.
Seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts
haben sich zahlreiche empirische Untersuchungen mit der Frage beschäftigt, wie Väter die
Entwicklung ihrer Kinder beeinflussen und ob
sich der väterliche vom mütterlichen Einfluss
unterscheidet. Die Ergebnisse dieser Forschung
lassen sich nach Lamb (1997) in fünf Punkten
zusammenfassen:
1. Väter und Mütter nehmen in sehr ähnlicher
Weise Einfluss auf die Entwicklung ihrer
Kinder. Unterschiede zwischen den Eltern
sind weitaus weniger bedeutsam als die
Ähnlichkeiten zwischen ihnen. Allgemein
von Bedeutung für eine positive Entwicklung des Kindes sind elterliche Wärme, Fürsorge und Nähe, unabhängig davon, ob
diese Eigenschaften von Müttern oder Vätern verwirklicht werden.
2. Im Zusammenhang mit der späteren Entwicklung des Kindes stehen nicht so sehr
bestimmte Eigenschaften von Vätern oder
das Ausmaß der mit ihren Kindern verbrachten Zeit als vielmehr die Qualität der
Beziehung zwischen Vätern und Kindern.
3. Dyadischen Beziehungen innerhalb der
Familie kommt häufig weniger Bedeutung
Verschiedene Statistiken und empirische Erhebungen liefern Belege für ein neues Verständnis
von Vaterschaft in der jungen Vatergeneration.
So ist die Zahl der Väter, die an der Geburt
ihres Kindes teilnehmen, rapide angestiegen
und liegt inzwischen bei fast 90 % (Werneck,
1998). Im Vergleich zu früheren Generationen
hat die Erziehungsbeteiligung der heutigen
Väter in Zwei-Eltern-Familien um 30 % und ihre
Verfügbarkeit insgesamt um die Hälfte zugenommen. Waren Väter vor 30 Jahren noch ca.
2
zu als Merkmalen des gesamten Familiensystems.
Deshalb
sind
Vater-KindBeziehungen immer im Familienkontext zu
sehen. Dabei zeigt sich, dass ein förderlicher Einfluss des Vaters nicht nur mit einer
vertrauensvollen Vater-Kind-Beziehung einher geht, sondern zumeist auch mit einer
positiven Partnerbeziehung und weiteren
günstigen Merkmalen der Familie.
4. Väter übernehmen multiple Rollen innerhalb
der Familie. Ihr Einfluss auf die Entwicklung
ihres Kindes wird dadurch bestimmt, wie gut
es ihnen gelingt, diese verschiedenen Rollen auszufüllen.
5. Individuelle und kulturelle Werte entscheiden darüber, was ein erfolgreicher Vater ist;
eine zeitlich und kulturell übergreifende Definition der Vaterrolle, an der Väter und Mütter sich orientieren können, gibt es nicht.
tionen, Aufwachsen in benachteiligten familiären Lebensverhältnissen). Dazu begleitet sie
eine Kohorte von 384 Familien in der Entwicklung ihres erstgeborenen Kindes von der Geburt
bis in die Adoleszenz. In regelmäßigen Abständen wurden umfangreiche Erhebungen durchgeführt, die vom frühen Säuglingsalter (3 Monate) bis zum Alter von 15 Jahren alle wichtigen
Stadien der kindlichen Entwicklung einschließen. Das diagnostische Instrumentarium der
Studie umfasst neben klassischen Verfahren
der Entwicklungs-, Verhaltens- und Familiendiagnostik auch moderne Methoden der Interaktionsdiagnostik. Dazu wurden zu allen Erhebungszeitpunkten
Verhaltensbeobachtungen
von Eltern-Kind-Paaren (Mutter-Kind und VaterKind) in standardisierten Interaktionssituationen
videografisch aufgezeichnet.
Erste Ergebnisse
Erste Auswertungen, die sich mit der VaterKind-Interaktion im Kleinkindalter befassen,
zeigen, dass das väterliche Steuerungsverhalten in der Interaktion mit "schwierigen" (verhaltensauffälligen) 2-Jährigen vom Geschlecht des
Kindes beeinflusst wurde: Gegenüber auffälligen Mädchen verhielten sich die Väter deutlich
restriktiver (d. h. reagierten häufiger negativ
oder abwertend und schränkten ihr Kind öfter
unangemessen ein) als gegenüber auffälligen
Jungen. Keine Geschlechtsunterschiede ergaben sich dagegen im Umgang mit unauffälligen
2-Jährigen (Abbildung 1).
Forschungsdefizit
Während die Vaterforschung bezogen auf die
normale Entwicklung des Kindes inzwischen
ihren Rückstand weitgehend aufgeholt hat,
befindet sich die Untersuchung der Rolle des
Vaters bei der Entstehung von Störungen der
kindlichen Entwicklung noch ganz am Anfang
(Phares, 1996). Noch immer steht die MutterKind-Beziehung im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses, wenn es darum geht, Ursachen, Folgen und Begleitumstände von Störungen der kindlichen Entwicklung aufzuklären. Die
sich in dieser Selektivität manifestierende
Tendenz, vor allem die Mütter für Störungen der
Entwicklung ihrer Kinder verantwortlich zu
machen und die Rolle der Väter zu ignorieren,
ist verschiedentlich heftig kritisiert worden
(Caplan, 1989; Phares, 1992). Die Untersuchung des väterlichen „Anteils“ an der Entstehung psychischer Fehlentwicklungen von Kindern leistet einen wichtigen Beitrag zur Überwindung dieses Forschungsdefizits und somit
zugleich zu einer weiteren wissenschaftlichen
Emanzipation der Vaterrolle.
Restriktives Verhalten (sek.)
Abb. 1: Psychische Auffälligkeit und Geschlecht des Kindes:
Zusammenhang mit dem restriktiven Steuerungsverhalten des Vaters
Forschungsprojekt
In einem von der DFG geförderten Forschungsprojekt verfolgt die Arbeitsgruppe Neuropsychologie des Kindes- und Jugendalters das Ziel, zu
einem besseren Verständnis der Rolle des
Vaters und der eigenständigen Bedeutung der
Vater-Kind-Beziehung für die Entwicklung
psychischer Störungen von Mädchen und
Jungen beizutragen. Bei diesem Vorhaben
stützt sich das Projekt auf das umfangreiche
Datenmaterial einer prospektiven Längsschnittstudie zur Entwicklung von Risikokindern
(Mannheimer Risikokinderstudie, Laucht et al.,
2002). Diese Studie befasst sich mit der Entstehung und dem Verlauf von Entwicklungs- und
Verhaltensstörungen bei Kindern, deren Entwicklung durch frühe Belastungen gefährdet ist
(Schwangerschaftsund
Geburtskomplika-
80
70
Interaktion
p = .029
60
50
40
30
20
Jungen
Mädchen
10
0
Psychisch
unauffällig
Psychisch
auffällig
In den Abbildungen 2 und 3 ist der Verlauf
externaler und internaler Auffälligkeiten (oppositionelles, aggressives und hyperaktives Verhalten bzw. ängstlich-depressives Verhalten) von
Jungen und Mädchen über das Alter von 2 bis 8
Jahren dargestellt.
3
Abb.2: Verlauf externaler Symptome von 2 bis 8 Jahren: Einfluss der väterlichen Supportivität im Alter von 2 Jahren
Summe externaler Symptome
Mädchen
Jungen
3
3
2,5
2.5
2
*
**
n.s
1,5
n.s
n.s
.
n.s
2 Jahre
4 1/2 Jahre
2
1.5
1
1
0,5
0.5
0
0
2 Jahre
4 1/2 Jahre
8 Jahre
Vater supportiv
8 Jahre
Vater wenig supportiv
Abb: 3: Verlauf internaler Symptome von 2 bis 8 Jahren: Einfluss der väterlichen Supportivität im Alter von 2 Jahren
Summe internaler Symptome
Mädchen
Jungen
4
4
3.5
n.s
n.s
n.s
n.s
+
+
2 Jahre
4 1/2 Jahre
8 Jahre
3.5
3
3
2.5
2.5
2
2
1.5
1.5
1
1
2 Jahre
4 1/2 Jahre
8 Jahre
Vater supportiv
Vater wenig supportiv
In Abhängigkeit davon, ob Väter sich in der
Interaktion mit ihren 2-Jährigen mehr oder
weniger supportiv (unterstützend, lobend,
anregend) verhielten, variierte die Zahl der
kindlichen Auffälligkeiten zu den drei untersuchten Zeitpunkten mit 2, 4 ½ und 8 Jahren. Im
Vergleich zu Kindern supportiver Väter wiesen
Kinder, deren Väter wenig unterstützend mit
ihnen interagierten, deutlich mehr Symptome
auf. Dieser ungünstige Verlauf ließ sich bei
beiden Geschlechtern und unabhängig von der
Art der Symptomatik beobachten. Im Alter von 2
Jahren waren Mädchen wenig unterstützender
Väter signifikant häufiger external auffällig als
die Vergleichsgruppe. Dieser Unterschied
vergrößerte sich im Alter von 4 ½ Jahren, war
aber im Alter von 8 Jahren nicht mehr signifikant. Ähnliche Unterschiede bestanden auch
bei den Jungen, verfehlten aber das statistische
Signifikanzniveau. Ein vergleichbares Verlaufsmuster ließ sich bezüglich internaler Auffälligkeitennachweisen, wobei die Unterschiede bei den
Jungen deutlicher ausgeprägt waren als bei den
Mädchen. Allerdings waren sie in keinem Fall
statistisch signifikant. Die Ergebnisse sprechen
dafür, die Bedeutung des frühen väterlichen
Interaktionsverhaltens für die Entwicklung
späterer Verhaltensauffälligkeiten von Kindern
geschlechtsspezifisch zu betrachten. Offensicht-
lich scheinen Väter in dieser Entwicklungsphase
eher bereit zu sein, einen "schwierigen" Sohn
zu akzeptieren als eine "schwierige" Tochter.
Aus mehreren Studien ist bekannt, dass sich
Väter im Spiel mit ihren Söhnen und Töchtern
schon frühzeitig sehr unterschiedlich verhalten.
Allerdings wurden diese Unterschiede festgestellt, ohne eine mögliche Verhaltensproblematik des Kindes zu berücksichtigen. Unsere
Ergebnisse können ein Hinweis darauf sein,
dass sich Väter in ihrem frühen Interaktionsverhalten
an
traditionellen
Geschlechtsrollenstereotypen
orientieren.
Danach wären die Verhaltensauffälligkeiten
eines 2-jährigen Kindes mit dem väterlichen
Stereotyp von Weiblichkeit weniger vereinbar
als mit ihrem männlichen Rollenverständnis.
Patricia Trautmann-Villalba, Manfred Laucht
(Literatur bei den Autoren)
4
Heile heile Segen, sieben Tage Regen ....
Schmerz bei Kindern – mehr als nur ein akutes Problem?
gemacht haben, zu dauerhaften Veränderungen
in der Schmerzverarbeitung kommt. Dies untersuchen wir derzeit am ZI.
Wer erinnert sich nicht an diesen oder einen
ähnlichen Spruch, mit dem man in der Kindheit
getröstet wurde, wenn man einmal Schmerzen
als Folge von kleineren Verletzungen oder auch
mal Bauch- oder Kopfschmerzen hatte. Diese
akuten Schmerzen, die fast jedes Kind kennt,
sind meist von kurzer Dauer. Im Gegensatz
dazu leidet ein beträchtlicher Anteil von Kindern
jedoch an immer wiederkehrenden Schmerzen,
hier spricht man von einem chronischen
Schmerzproblem. Je nach Studie sind zwischen
fünf und fünfzig Prozent der Kinder von wiederkehrenden bzw. chronischen Schmerzen betroffen. Vor allem Kopfschmerzen und Migräne
sowie wiederholt auftretende Bauchschmerzen
zählen mit einer Prävalenz von je etwa 10 % zu
den häufigsten Schmerzsyndromen im Kindesalter, wobei die Häufigkeit in den letzten Jahren
deutlich zugenommen hat. Weitere Krankheiten,
die bei Kindern mit häufigen Schmerzerfahrungen verbunden sind, sind z. B. chronische
juvenile Arthritis und Schmerzen in Folge einer
Krebserkrankung. Auch handelt es sich bei
einem großen Teil der Betroffenen nicht um
eine vorübergehende Erkrankung: So leiden 40
bis 60 % der Kinder und Jugendlichen mit
chronischen Kopfschmerzen im Kindesalter
auch als Erwachsene noch unter denselben
Beschwerden.
Über die Schmerzverarbeitung, das subjektive
Schmerzerleben und die Schmerzbewältigung
von Kindern besteht bisher nur unzureichendes
Wissen. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass Kinder ihre Schmerzen nicht so
ausdrücken und beschreiben können wie Erwachsene. Auch mangelt es noch an speziellen
Erhebungsinstrumenten für Kinder. Ein wichtiger Aspekt für den Umgang mit Schmerz
scheint zu sein, was Kinder bei ihren Eltern
beobachten: Wie gehen Mutter und Vater mit
Schmerzen um? Versuchen sie ihre Schmerzen
aktiv zu bewältigen und weiter ihren Alltagstätigkeiten nachzukommen oder reagieren sie
eher hilflos und passiv? Das Kind beobachtet
dieses Verhalten und entwickelt durch Lernen
am Modell sein eigenes Schmerzbewältigungsverhalten. Wie wir in eigenen Studien zeigen
konnten, scheinen besonders Kinder von
Schmerzpatienten bezüglich ihres Schmerzbewältigungsstils viel von ihren Eltern zu übernehmen.
Ein ganz wichtiger Faktor ist, wie Eltern konkret
auf Schmerzverhalten ihres Kindes reagieren.
Wenn dem Kind sehr viel Aufmerksamkeit und
Zuwendung geschenkt wird, wenn es Schmerzen zeigt, und wenn das Kind in solchen Situationen von unangenehmen Verpflichtungen
(Hausaufgaben, im Haushalt helfen etc.) befreit
wird, kann dies dazu beitragen, dass Schmerzverhalten gelernt wird und so dazu führen, dass
sich ein chronisches Schmerzproblem entwickelt. Das soll natürlich nicht bedeuten, dass
Eltern Kinder bei akuten Schmerzen nicht
trösten und unterstützen sollen – entscheidend
ist, dass Aufmerksamkeit und Zuwendung nicht
ausschließlich dann gezeigt werden, wenn das
Kind Schmerzen äußert.
Schmerz gleich Schmerz ? - Was ist anders
als bei Erwachsenen?
Eine wichtige Frage, die erst in den letzten
Jahren Beachtung gefunden hat, ist, ob
Schmerzen von Kindern und Erwachsenen
gleich erlebt werden. Mögliche Unterschiede im
Erleben von Schmerz könnten sich dadurch
ergeben, dass sich das kindliche Nervensystem
noch in Entwicklung befindet, aber auch durch
eine unterschiedliche subjektive Bewertung der
Schmerzen.
Hinsichtlich des ersten Punktes ging man in der
Pädiatrie bis in die 70er Jahre sogar davon aus,
dass Neugeborene und Säuglinge aufgrund
ihres noch undifferenziert entwickelten Nervensystems gar keine Schmerzen empfinden
können. Heute weiß man, dass dies nicht
zutrifft. Im Gegenteil: Die Schmerzschwellen bei
Früh- und Neugeborenen scheinen niedriger
und die Schmerzreaktionen stärker ausgeprägt
zu sein als bei Jugendlichen und Erwachsenen.
Es stellt sich deshalb die Frage, ob es bei
Frühgeborenen, die in ihren ersten Lebenswochen aufgrund intensivmedizinischer Versorgung schon vielfältige Schmerzerfahrungen
Was bedeuten wiederkehrende Schmerzen
für die betroffenen Kinder?
Rezidivierende Schmerzen stellen für Kinder
und für ihre Familien eine große Belastung dar:
Kinder werden durch ihre chronischen Schmerzen oft daran gehindert, ihren normalen Alltagsaktivitäten wie Schulbesuch und Freizeitgestaltung nachzugehen, Eltern reagieren zumeist mit
großer Sorge auf die Schmerzen ihres Kindes.
Es gibt Untersuchungen, nach denen Kinder mit
regelmäßigen Schmerzerfahrungen ängstlicher
5
Kognitiv-verhaltenstherapeutisch orientierte
Kurzzeitintervention für Kinder
Am Anfang steht zumeist eine ausführliche und
verständliche Information von Kind und Eltern
über das jeweilige Schmerzproblem und seine
möglichen Ursachen. Es hat sich als sinnvoll
erwiesen, dass das Kind während der Behandlung Häufigkeit und mögliche Auslöser seiner
Schmerzen mit einem Schmerztagebuch aufzeichnet. Dabei lernt es, sein eigenes Verhalten
in Schmerz-, Stress- und anderen relevanten
Situationen genau zu beobachten. Dies ist eine
wichtige Voraussetzung dafür, ungünstige
Verhaltensweisen erkennen und ändern zu
können. Wichtige weitere Bausteine stellen
Schmerz- und Stressbewältigungstechniken
dar. Hierbei sollen ungünstige Gedanken der
Kinder in Stress- und Schmerzsituationen
identifiziert und so verändert werden, dass sie
einer aktiven Bewältigung dienen („Ich kann
selber etwas gegen meine Schmerzen tun!“).
Bewährt hat sich als aktive Bewältigungsmaßnahme auch das Erlernen eines Entspannungsverfahrens wie der progressiven Muskelrelaxation nach Jacobsen oder dem Autogenen Training. Diese Verfahren können je nach Alter der
Kinder mit Imaginationsübungen und Suggestionen kombiniert werden. Aufgrund der erläuterten Bedeutung des Elternverhaltens sollte auch
dieses in der Behandlung berücksichtigt werden. Ziel ist es dabei, den Eltern zu vermitteln,
dass ihr Kind bei Schmerzen möglichst seine
normalen Aktivitäten beibehalten soll. Ganz
wichtig ist zu vermitteln, dass Maßnahmen wie
Ruhe und Auszeit bei akuten Schmerzen sinnvoll, jedoch bei wiederholt auftretenden
Schmerzen nicht angebracht sind.
und depressiver sind und über mehr erlebte
Stresssituationen berichten als ihre gesunden
Altersgenossen.
Wie lassen sich Schmerzen im Kindesalter
behandeln?
Eine frühzeitige Intervention bei Schmerzen im
Kindesalter ist von großer Bedeutung, denn die
Annahme, das sich das Schmerzproblem einfach „auswächst“, ist - wie oben schon erwähnt häufig
falsch.
Neben
medizinischpharmakologischen
Maßnahmen
gehören
Verfahren aus der Verhaltenstherapie und
-medizin zu den Standardverfahren. Besonders
erfreulich ist, dass Kinder von verhaltenstherapeutischen Programmen sogar noch mehr
profitieren als Erwachsene. Die verhaltenstherapeutischen Verfahren lassen sich in zwei
große Gruppen unterteilen: Biofeedbackverfahren und kognitives Schmerz- und Stressbewältigungstraining. Ein spezielles Therapieprogramm zur Behandlung kindlicher Kopfschmerzen ist beispielsweise von der Arbeitsgruppe um
Prof. Dr. Birgit Kröner-Herwig an der Universität
Göttingen aus dem Amerikanischen adaptiert
worden und wird erfolgreich eingesetzt. Unsere
eigene Arbeitsgruppe hat zur Behandlung
rezidivierender Bauchschmerzen ein Therapieprogramm entwickelt, das sich durch ein intensives Elterntraining auszeichnet. Anzumerken
ist, dass alle bislang verfügbaren Behandlungsprogramme nach dem Vorbild von entsprechenden Programmen für Erwachsene entwickelt wurden. Inwieweit sich deren Effizienz
noch verbessern lässt, wenn verstärkt kindgerechte Maßnahmen integriert werden, ist Gegenstand der laufenden Forschung.
Katrin Zohsel, Johanna Hohmeister
Die Schizophrenie des Kindes- und Jugendalters
Ab dem 13. Lebensjahr findet man allerdings
einen kontinuierlichen Anstieg der Erkrankungsrate. Ca. 0.07 % der Jugendlichen erkranken an
einer Schizophrenie. Die Angaben über die
Geschlechterverteilung in der Erkrankungsrate
schwanken zwischen einer gleich häufigen
Anzahl beider Geschlechter bis zu einer zweifach höheren Rate männlicher Patienten.
Prävalenz
Weltweit erkrankt rund 0.7-1 % der Bevölkerung
an einer schizophrenen Psychose. Die Schizophrenie tritt selten vor dem 12. Lebensjahr auf.
Frühere Studien, die höhere Fallzahlen auch bei
vorpubertären Kindern beschrieben, waren
durch diagnostische Unschärfen geprägt. Insbesondere autistische Störungen ließen sich
nicht so eindeutig von kindlichen Formen der
schizophrenen Psychose unterscheiden, was
heutzutage durch exaktere Diagnosekriterien
besser gelingt. Prävalenzraten für kindliche
Schizophrenien liegen nach aktuelleren Untersuchungen im Bereich von 1 von 10000 Kinder.
Obwohl das Vollbild der schizophrenen Psychose am häufigsten zwischen dem 20. und 28.
Lebensjahr auftritt, beginnen die ersten, funktionell bedeutsamen Prodromalsymptome oft
schon im jugendlichen Alter. Infolge dessen
6
beeinflusst die Schizophrenie massiv die frühe
akademische und soziale Entwicklung der
jungen Patienten, die sich in dieser Lebensphase meist noch in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung befinden, in der Regel keine
finanzielle Absicherung besitzen und deren
Suche nach einer festen Partnerschaft oder
Gründung einer eigenen Familie gerade bevorsteht. Daher ist die Früherkennung und optimale Behandlung dieser jungen Patienten eine
große Herausforderung an alle professionellen
Helfer. Es ist erforderlich, dass ein Team von
Fachleuten, zu denen Ärzte, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Pädagogen und RehaBerater gehören, ein gemeinsames Behandlungskonzept erstellt und die Patienten über
einen längeren Zeitraum begleitet.
testen Sinne als atrophisch zu wertenden
Substanzminderungen schizophrener Gehirne
werden bei älteren Patienten mit chronischem
Krankheitsverlauf in stärkerer Ausprägung
gefunden, was auf einen krankheitsassoziierten
Prozess des Hirnumbaus hinweist und damit die
Hypothese einer zeitlich begrenzten neuronalen
Hirnentwicklungsstörung, z. B. auch infolge
perinataler toxischer, traumatischer oder infektiöser Hirnschädigungen, eher unwahrscheinlich
macht. Ein solch fortlaufender Prozess, insbesondere bei chronischem oder rezidivierendem
Krankheitsverlauf, könnte die Zunahme von
Defektsymptomen bzw. Negativ-Symptomen
(Sprachverarmung, Motivations- und Antriebsminderung, Affektverflachung, Gedächtnisstörungen) bei einem Teil der Patienten erklären.
In einer Verlaufsstudie früh erkrankter schizophrener Patienten konnte eine Progression der
Hirnatrophie bereits schon im jugendlichen Alter
festgestellt werden, insbesondere bei den
jugendlichen Patienten mit Zunahme der Negativ-Symptomatik im gleichen Zeitraum.
Ätiologie
Die Kenntnisse zur Ätiologie der Schizophrenie
entstammen im Wesentlichen der Forschung an
erwachsenen Patienten. Man geht dabei von
einem Kontinuum der kindlichen bis zur erwachsenen Schizophrenie aus, so dass beide in
ihrer Ätiologie nicht getrennt betrachtet werden.
Die Hypothesen zur Ätiologie beruhen auf
epidemiologischen, morphologischen, neurochemischen und psychopharmakologischen
Befunden. Kurz zusammengefasst handelt es
sich um eine überwiegend polygenetisch determinierte Erkrankung (70-80 % hereditär). Es
wurden eine Reihe möglicher Kandidatengene
gefunden, deren Funktionen auf Proteinebene
zur Zeit untersucht werden. Im Gegensatz zur
früheren Dopaminhypothese wird nun die Rolle
mehrerer Transmittersysteme bei der Entstehung und Ausprägung der Schizophrenie postuliert. Nach den letzten genetischen und proteinanalytischen Ergebnissen kommt dabei dem
glutamatergen System eine besondere Bedeutung zu. Aus dem Wirkprofil moderner Antipsychotika lässt sich zudem eine dopaminergeserotonerge Fehlregulation vermuten. Intensiv
wird derzeit auch die Funktion von funktionell
relevanten Polymorphismen eines Enzyms
(COMT) des Dopaminabbaus untersucht. Ein
Zusammenhang eines dieser Polymorphismen
(COMT Val[158] Met) mit den exekutiven Funktionen im Bereich der Sprache und Aufmerksamkeit wurden für schizophrene Patienten
belegt.
Manifestation
Nach dem Konzept der Vulnerabilität wirken
biologische und psychosoziale Risikofaktoren
additiv hinsichtlich Manifestation der Psychose.
So ist anzunehmen, dass die besonders schnell
wechselnden sozialen Rollen und Anforderungen während der pubertären Entwicklung in
Einklang mit den hormonell eingeleiteten Hirnreifungsprozessen eine erhöhte Vulnerabilität
des adoleszenten Gehirns hervorrufen. Dieses
Zusammenwirken könnte die deutliche Zunahme der Prävalenzrate schizophrener Psychosen
im jugendlichen Alter erklären. Als weiterer
Risikofaktor kann der Konsum von Cannabis
oder anderen Drogen in manchen Fällen den
Ausbruch der akuten Psychose triggern. Viele
der in den letzten Jahren in der Kinder- und
Jugendpsychiatrie des ZI behandelten jugendlichen Patienten mit schizophrener Psychose
wiesen einen komorbiden Cannabiskonsum auf.
Bei wiederholtem Konsum, auch unter Schutz
antipsychotischer Medikation, kam es in der
Regel zu einem Rezidiv psychotischer Symptome. Obwohl es noch nicht eindeutig wissenschaftlich geklärt ist, inwieweit der Konsum von
Cannabis nicht nur den zeitlichen „Ausbruch“,
sondern auch die Entstehung der Schizophrenie
beeinflusst, besteht jedoch kein Zweifel an der
grundsätzlich bedrohlichen Allianz. Für die
Behandlung Jugendlicher ist die Berücksichtigung eines möglichen Drogenkonsums von
großer Bedeutung.
Die gefundenen hirnmorphologischen Auffälligkeiten sind zahlreich und spiegeln zum Teil
auch Epiphänomene wieder. Konsistent ist aber
die Befundlage hinsichtlich einer Reduktion
grauer Hirnsubstanz und im gleichen Maße eine
Volumenzunahme der inneren Liquorräume. Je
nach vertretener Theorie werden strukturellen
Veränderungen in Bereichen des Thalamus,
Hippocampus,
Temporallappens,
frontalen
Kortex und der entorhinalen Region eine besondere Relevanz zugeschrieben. Die im wei-
Diagnostik
Die Diagnose einer Schizophrenie erfolgt nach
den ICD-10 oder DSM-IV-Kriterien, die sich nur
hinsichtlich des Zeitkriteriums unterscheiden. So
7
sung für die Behandlung schizophrener Psychosen unter 18 Jahren. Dieser Missstand lässt
sich durch verschiedene Umstände erklären,
u. a. ist die geringe Anzahl schizophrener
Jugendlicher seitens der Umsatzerwartungen
der Pharmaunternehmen nur von geringer
Bedeutung und Studien bei Kindern sind vermehrten rechtlichen Auflagen und ethischen
Bedenken unterworfen. Dennoch wird von den
amerikanischen und europäischen Gesundheitsbehörden allgemein eine Intensivierung
von kontrollierten Studien bei Kindern gefordert.
Als Anreiz hierfür erhalten die Pharmaunternehmen die Aussicht auf eine Verlängerung der
Lizenzfristen für ihre bislang schon erfolgreich
verkauften Produkte. Zur Zeit läuft eine multizentrische Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit von Risperidon bei jugendlichen Patienten
mit Schizophrenie, in der die Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik des ZI das leitende
Prüfzentrum ist.
wird in der ICD-10 die Diagnose bereits bei
Bestehen der Symptome über einen Monat
gestellt, während im DSM-IV eine Dauer von
mindestens 6 Monaten gefordert wird. Für
Kinder und Jugendliche gibt es keine gesonderten Diagnosekriterien, da das klinische Bild im
wesentlichen dem der Erwachsenen entspricht.
Für die Symptomerfassung und -quantifizierung
werden strukturierte und semistrukturierte
Interviews und Beurteilungsbögen (z. B. Interview for Childhood Disorders and Schizophrenia
[ICDS] bei Kindern, Schedule for Affective
Disorders and Schizophrenia for School-Aged
Children [K-SADS] bei Jugendlichen) verwendet. Essentieller als beim Erwachsenen ist beim
kindlichen Patienten die Befunderhebung mit
Hilfe externer Informationsquellen, besonders
von Eltern und Lehrer.
Die Differenzialdiagnose der früh beginnenden
Schizophrenie kann mitunter Probleme bereiten, da Kinder und Jugendliche häufiger einen
ausgeprägten Anteil affektiver Auffälligkeiten
aufweisen. Dadurch wird die Abgrenzung zu
den bipolaren affektiven Psychosen, insbesondere zur manischen Episode mit psychotischen
Symptomen, erschwert. Auch wenn man die
Patienten auf der symptomatischen Ebene
während der primären Krankheitsphase ähnlich
behandelt, unterscheiden sich die Vorgehensweisen in der Langzeitbehandlung erheblich,
weshalb die exakte Diagnose möglichst frühzeitig gestellt werden sollte. Eine Reihe weiterer
Störungsbilder, u.a. Asperger-Störung, dissoziative und Zwangsstörungen, sind mit in die
Differenzialdiagnose einzubeziehen. Die Erfassung komorbider Symptome oder Störungen
(z. B. Drogenkonsum, Störung des Sozialverhaltens oder depressive Symptome) ist letztendlich
für die Ausarbeitung eines optimalen Behandlungskonzeptes erforderlich.
Dosierungen der Medikamente sind dem körperlichen Entwicklungsstand der Jugendlichen
anzupassen. Bei schon „ausgewachsenen“
Jugendlichen entsprechen die Dosierungen
aber denen des Erwachsenenalters. Allerdings
ist in mehreren Kasuistiken über eine höhere
Bereitschaft von Jugendlichen zur Entwicklung
von Nebenwirkungen unter neuroleptischer
Behandlung berichtet worden. Ein vorsichtiges
Eindosieren der Medikation und eine engmaschige Kontrolle häufiger oder schwerwiegender
Nebenwirkungsrisiken ist zu beachten.
Während die medikamentöse Behandlung den
Hirnstoffwechsel normalisieren und damit die
Kernsymptome der Schizophrenie reduzieren
soll, sollen die übrigen sozialpsychiatrischen,
verhaltenstherapeutischen und rehabilitativen
Maßnahmen der Wiederaufnahme einer adäquaten sozialen und akademischen Entwicklung
dienen. Diese Maßnahmen sollten möglichst
früh nach Remission der akuten Symptome
einsetzen und lange Zeit über den akuten
Zustand hinaus fortgeführt werden. Die
Reintegration der jugendlichen schizophrenen
Patienten in normale Lebens- und Bildungsabläufe wirkt der Entwicklung einer stärkeren
Negativ-Symptomatik entgegen, erhöht deren
Kooperationsbereitschaft mit den medizinischen
und sozialen Helfern und schützt sie vor Krankheitsrückfällen. Bei der Reintegration jugendlicher Patienten gelten allerdings die gleichen
Regeln wie bei der Eindosierung der Medikation: Eine langsame, stufenweise Anpassung der
Anforderungen ist nötig, um die Patienten nicht
unnötigen Belastungen, die wiederum krankheitsfördernd wären, auszusetzen. Hierfür
wurden z. B. spezielle berufsvorbereitende
Förderlehrgänge für psychisch erkrankte Jugendliche und junge Erwachsene in Bildungs-
Therapie
Die Behandlung kindlicher oder jugendlicher
schizophrener Patienten stützt sich dabei auf
die Grundprinzipien einer modernen psychiatrischen Behandlung:
a) Neuroleptische Medikation,
b) sozialpsychiatrische Interventionen,
c) verhaltenstherapeutische
Ansätze
zur
Reduktion bestehender Negativ-Symptome,
d) psychoedukatives Training für den Patienten und dessen Angehörigen, in der Regel
die Eltern,
e) Einleitung rehabilitativer Maßnahmen.
Das Spektrum der neueren, oft wirksameren
und besser verträglicheren Antipsychotika wird
vom Kinder- und Jugendpsychiater im Rahmen
eines
„off-label-“Gebrauches
angewendet.
Bislang besteht für keines der neueren, sogenannten atypischen Antipsychotika, die Zulas8
zentren etabliert. Beim Internationalen Bund
(IB) in Mannheim wurde vor über 10 Jahren ein
solcher Lehrgang in Zusammenarbeit mit dem
Arbeitsamt Mannheim und dem ZI ins Leben
gerufen und in dieser Zeit mehr als 100 erkrankten Jugendlichen und jungen Erwachsenen der
Weg in eine berufliche Ausbildung geebnet. Für
die medizinische, psychologische und soziale
Betreuung von Jugendlichen bedarf es eines
guten Feingefühls, einer gewissen Umsicht und
Geduld. Der zum Teil noch nicht sehr reif handelnde, fühlende und denkende Jugendliche
erfordert eine Gratwanderung zwischen rein
krankheitsgebundenem Vorgehen und pädagogischer Steuerung und Beratung mit dem Ziel
diesen zunehmend zum selbstverantwortlichen
„Manager“ seiner oft langwierigen Erkrankung
zu machen. Mit nicht immer kalkulierbaren
Handlungen der Jugendlichen, die letztendlich
dann doch jugendtypisch sind, muss gerechnet
werden, so werden Medikamente im Urlaub
oder bei geplanten Partybesuchen mal weggelassen, ein „Joint“ mit Freunden geraucht oder
Alkohol zusammen mit den Medikamenten
eingenommen. Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme unter Antipsychotika oder Potenzstörungen werden oft nicht angesprochen, führen
aber häufig zum eigenverantwortlichen Absetzen der Medikamente. Ein direktes Ansprechen
und Ernst nehmen solcher Probleme bewahrt
die Compliance der Patienten.
Wie Patienten zu Fakiren werden Psychologische Schmerztherapie am
Beispiel der Rheumatologie
Trotz der beeindruckenden Erfolge der Pharmaforschung in der Rheumatologie und einer
relativ großen Anzahl verschiedenartiger Basisund Schmerzmedikamente, die Krankheitssymptome reduzieren, persistieren bei vielen Patienten Schmerz, Beeinträchtigung, Verstimmung, mangelnde Belastbarkeit und geringe
Lebensqualität. Nebenwirkungen der Basismedikamente und nichtsteroidale Antirheumatika
(NSAR) führen nicht selten zu einem NonCompliance-Problem (Gotzsche, 1989). Es ist
daher nicht überraschend, dass viele RAPatienten die Methoden der Verhaltensmedizin
nutzen. Eine Studie (Astin et al., 1999), in der
über eine Patientenbefragung die Häufigkeit
von verhaltensmedizinischen und alternativmedizinischen
Behandlungsverfahren
erfasst
wurde, wies nach, dass 46 % der Patienten, die
sich in rheumatologischer Behandlung befanden, nicht medikamentöse Therapieverfahren
anwenden. Dabei sind die am häufigsten von
Arthritis-Patienten genutzten Behandlungsverfahren sogenannte im angloamerikanischen
Sprachraum bezeichnete Mind-Body-Therapien,
definiert als psycho-soziale Methoden zur
Gesundheitserhaltung (Eisenberg et al., 1998).
Im Unterschied zu den Methoden der Alternativmedizin, bei denen ein wissenschaftlicher
Effektivitätsnachweis noch aussteht, sind MindBody-Therapien als multimodale verhaltenstherapeutische Methoden in ihrer Effektivität für
Arthritis-Patienten nach strengen wissenschaftlichen Kriterien evaluiert worden. Eine multimodale Verhaltenstherapie besteht aus einer
Kombination von Patientenschulung, Entspannungsverfahren (z. B. Progressive Muskelrelaxation), Biofeedback zur Reduktion der Muskelspannung sowie kognitiver Verhaltenstherapie
(z. B. kognitive Umstrukturierung, Schmerzverarbeitung). Über den Wissenserwerb hinaus
sind Entspannung und Biofeedback, operantund kognitiv-verhaltenstherapeutische Schmerztherapie essentiell für die Basistherapie der
Rheumapatienten (Raspe, 1996), da nichtmedizinische Ursachen eine bedeutende Rolle
hinsichtlich der Morbidität, Behinderung und
auch der Mortalität spielen (Neville et al., 1995,
Ramos-Remus et al., 2000).
Prognose
Die Prognose der schizophrenen Psychose ist
trotz verbesserter Therapiemethoden nur bei
einem kleinen Teil der Patienten günstig. Je
stärker ausgeprägt eine Negativ-Symptomatik
bei Erkrankungsbeginn besteht, je häufiger
Rezidive auftreten und möglicherweise, je
länger unbehandelte Krankheitsphasen andauern, desto ungünstiger entwickelt sich der
Krankheitsverlauf. Daher werden im Rahmen
des
Kompetenznetzwerkes
Schizophrenie
Anstrengungen unternommen, kindliche und
jugendliche Populationen, die ein erhöhtes
Erkrankungsrisiko aufweisen, frühzeitig vor
Erstmanifestation der akuten Psychose zu
charakterisieren und, im Sinne einer Präventionsmaßnahme, mit Medikamenten oder verhaltenstherapeutischen Programmen zu behandeln.
Athanasios Maras
Impressum
Herausgeber: Zentralinstitut
für Seelische Gesundheit
Patientenschulung
Die Patientenschulung „Arthritis Self-Management Programm (ASMP)“ ist seit 1977 in den
USA ein obligater Therapiebaustein zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen. Mit
diesem Programm konnte eine Reduktion von
68159 Mannheim, J 5
Redaktion: Dr. Marina Martini
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: 0621/17 03-742, -749
Telefax: 06 21/17 03-755
E-Mail: [email protected]
Internet: http://www.zi-mannheim.de
Nachdruck nur mit Genehmigung
9
Schmerz und Depression bei Erhöhung der
physischen Aktivität erreicht werden, obwohl die
medikamentöse Behandlung unverändert war
(Lorig et al., 1983). Diese Effekte waren weder
über rheumatologische Vorträge (Kaye & Hammond, 1978), noch ein krankheitsspezifisches
Handbuch (Vignos et al., 1976) oder schriftliche
Materialien, die die Patienten mit nach Hause
bekamen (Lorish et al., 1985) zu erzielen. Erst
die Gruppendynamik, die unter den Teilnehmern im Seminar entsteht, führt dazu, dass der
Wissenserwerb zu Veränderungen im Erleben
und Verhalten führt. Die Deutsche Gesellschaft
für Rheumatologie (DGfRh) entwickelte seit
1989 diagnosespezifische Patientenschulungsprogramme für Patienten mit rheumatoider
Arthritis (RA) (Lange et al., 1988), systemischem Lupus erythematodes (Thieme et al.,
1996), Fibromyalgie (Brückle et al., 1998),
Vaskulitis und juveniler RA, da nachgewiesen
werden konnte, dass individualisierte Patientenschulung höhere Effekte als standardisierte
Patientenschulung erbringt (Lorish et al., 1985).
Die Patientenschulungsprogramme der DGfRh
umfassen 5-6 Module, die sich mit Hilfe von
standardisierten Materialien mit den Themen:
Diagnostik, medikamentöse, physio- und ergotherapeutische sowie psychologische Behandlung der rheumatischen Erkrankung beschäftigen. Alle Programme verfolgen die Methodik
der themenzentrierten Interaktion. Rheumatologen und Psychologen, Physio- und Ergotherapeuten führen die Patientenschulung gemeinsam in ambulanten Kleingruppen durch. Die
Kompetenz zur Durchführung der Patientenschulung erlangen die sog. Trainer in einem von
der DGfRh zertifizierten Train-the-TrainerSeminar. Der Erkenntnisgewinn durch die
Patientenschulung führt zur Erhöhung des selfcare-behaviors im Sinne der Erhöhung der
Selbsteffizienz (Lorig et al., 1993), der Verbesserung des psychologischen Status im Sinne
der Reduktion der affektiven Verstimmung
(Langer & Birth, 1988; Lamparter-Lang, 1989;
Lindroth et al., 1989; Lorig et al., 1985, 1987)
und Verbesserung des Gesundheitsstatus
durch den Aufbau von Gesundheitsverhalten
mittels Kenntnis um schubauslösende Bedingungen sowie zur Erhöhung der Compliance,
die sich in der regelmäßigen Medikamenteneinnahme und der eigenverantwortlich durchgeführten Krankengymnastik sowie in der Zunahme des Gelenkschutzverhaltens (Wetstone et
al., 1985; Lindroth et al., 1989) zeigt. Dies trägt
letztlich zu einer Kostensenkung im Gesundheitswesen bei (Lorig et al., 1996). In der Patientenschulung kommt es daher wesentlich
darauf an, Grundüberzeugungen der Patienten
über die Kontrollierbarkeit ihrer Leiden zu
fördern (Basler, 1992).
Entspannung und Biofeedback
Ausgehend vom Teufelskreis Schmerz – Spannung- Stimmung - Schmerz sind muskuläre
Verspannungen
bei
vielen
chronischen
Schmerzsyndromen von großer Bedeutung. Die
progressive Muskelrelaxation nach Jacobson,
das Autogene Training nach J. H. Schulz sowie
die Rückmeldung der Muskelspannungswerte
mittels EMG (EMG-Biofeedback) gelten als die
wichtigsten Verfahren zur Veränderung psychophysiologischer Reaktionsmuster. Als Therapieziel wird eine Reduktion der symptomspezifischen Hyperreagibilität sowie die Löschung der
situativ und stressbedingten Auslösung der
psychophysiologischen Reaktion angestrebt.
Entspannungsund
Biofeedbackverfahren
werden folglich im Sinne einer Stressbewältigungsmaßnahme vermittelt. Nach nur acht
Sitzungen sind signifikante Therapieerfolge zu
verzeichnen (Flor et al., 1996).
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Schmerztherapie
In Übereinstimmung mit dem kognitivverhaltensorientierten Modell von Schmerz, das
die Bedeutung kognitiver, affektiver und verhaltensbezogener Faktoren sowie von sensorischen Aspekten für das Schmerzerleben hervorhebt,
beinhalten
kognitiv-verhaltensorientierte Schmerzbehandlungsprogramme in
der Regel mehrere therapeutische Verfahren,
deren Fokus auf einer der drei Ebenen des
Schmerzerlebens liegt. Der Schwerpunkt der
kognitiv-verhaltenstherapeutischen Schmerztherapie liegt auf der Vermittlung der Bewältigungsfertigkeiten, die es dem Patienten ermöglich
sollen, effektiver mit seinen Schmerzen umzugehen. Dies soll durch eine Veränderung der
schmerzauslösenden und - aufrechterhaltenden
Kognitionen und Emotionen erreicht werden.
Die Modifikation schmerzrelevanter Überzeugungen des Patienten wird sowohl durch kognitive Strategien wie die kognitive Umstrukturierung und Problemlösetraining, durch die Aneignung neuer Schmerzbewältigungsstrategien wie
Entspannung,
Aufmerksamkeitsumlenkung,
Vorstellungsbilder etc. als auch durch die unmittelbare Erfahrung der Beeinflussbarkeit des
Schmerzerlebens, die wiederum die Selbstwirksamkeitserwartung des Patienten fördert, angestrebt. Die Therapieziele bestehen in der Reduktion von Gefühlen der Hilflosigkeit und
Unkontrollierbarkeit (Flor et al., 1992).
Operant-verhaltenstherapeutische Schmerztherapie
Zugrunde liegt das operante Schmerzmodell,
das davon ausgeht, dass Schmerz zwar ursprünglich reflexhaft auftritt, aber zunehmend
durch entsprechende Verstärkerbedingungen
10
psychologischen Schmerztherapie erreichte
Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung
über ein Zeitraum von 12 Monaten stabil bleibt,
tendieren RA-Patienten zu einer Verringerung
der erreichten Therapieeffekte, wie Schmerzreduktion und psychologischer Verstimmung,
nach Behandlungsabschluss. Die höhere Rückfallgefährdung der RA- und OA-Patienten erklärt
Bradley mit der Erfahrung der progressiven
Veränderungen an Gelenken und Synovia.
Deshalb, so fordert Bradley, sollte eine größere
Anstrengung darauf verwendet werden, Patienten mit RA und OA zu helfen, sich an die Veränderungen anpassen zu können, die bedingt
durch die Progression der Erkrankung nach
Behandlungsabschluss auftreten werden.
Neben diesen interessanten Überblicksarbeiten
finden sich in der Literatur zur Effektivität der
psychologischen Schmerztherapie bei RA drei
Metaanalysen (Mullen et al., 1997, SuperioCabuslay et al., 1996; Astin et al., 2002). Mullen
et al. (1997) analysierten 15 Studien. Sie kamen
zu dem Schluss, dass psychoedukative Interventionen zu einer Verbesserung der Ergebnisse bei RA- und OA-Patienten beitragen können,
obwohl sie feststellten, dass die Effektstärken
(0.20 für Schmerzintensität, 0.27 für Depression, 0.09 für Beeinträchtigung) relativ klein
waren. Eine 1996 veröffentlichte Metaanalyse
(Superio-Cabuslay et al., 1996) verglich in
kontrollierten, randomisierten Studien die Effektstärken von Patientenschulungsprogrammen (N=19) und von NSAR-Therapien (N=28).
Die gewichtete mittlere Effektstärke der
Schmerzintensität
nach
Patientenschulung
betrug 0.17 und 0.66 nach NSAR-Therapie, die
Effektstärke der Funktionsfähigkeit nach Patientenschulung 0.13 und 0.34 nach NSARTherapie, die Effektstärke der Anzahl schmerzhafter Gelenke nach Patientenschulung 0.34
und 0.43 nach NSAR-Therapie. Da die Patienten, die an dem Patientenschulungs-programm
teilnahmen, auch Medikamente erhielten,
repräsentieren die angegebenen Patientenschulungseffektstärken über eine medikamentöse Behandlung hinausgehende zusätzliche
Effekte. Wenn die medikamentöse Behandlung
mit der Patientenschulung kombiniert wird,
erhöhen sich die Behandlungseffekte hinsichtlich der Schmerzintensität um 25.8 %, die der
Funktionsfähigkeit um 38 % und die der Anzahl
schmerzhafter Gelenke um 79 % im Unterschied zur NSAR-Behandlung an sich. Astin et
al. (2002) untersuchten die Effizienz der psychologischen Schmerztherapie bei RA. Einschlusskriterien für die in die Metaanalyse
einbezogenen Studien waren: Randomisierung,
Warte-Liste-Bedingung oder Kontrollgruppen,
die eine gewohnte Behandlung erfuhren, Publikation in einer wissenschaftlichen Zeitschrift mit
operant kontrolliert wird (Fordyce, 1976). Positive (z.B. übermäßige Aufmerksamkeit des
Partners auf den gezeigten Schmerz) oder
negative Verstärkung (z.B. Vermeidung unangenehmer Aktivitäten) führen zu vermehrtem
Schmerzverhalten, zu einer übermäßigen
Wahrnehmung der Schmerzintensität, die mit
der Entwicklung des Schmerzgedächtnisses
einhergeht (Flor, 2002) sowie mit einer Einschränkung der Aktivität, die sekundär physische Probleme, wie Muskelverspannung und
Immobilität zur Folge haben.
Die Hauptziele einer operanten Schmerztherapie sind daher (a) der Abbau von Schmerzverhalten und (b) der Aufbau von gesundem bzw.
schmerzinkompatiblem Verhalten nennen. Zum
Erreichen dieser Therapieziele kommen ausschließlich Strategien operanten Lernens in
Betracht, wie die systematische positive Verstärkung von gesundem Verhalten, Ausbleiben
der positiven Verstärkung von Schmerzverhalten, zeit- statt schmerzkontingente Planung von
Aktivitäts- und Ruhephasen sowie der Medikamenteneinnahme. Ein wichtiger Bestandteil des
Programms sind definierte physiotherapeutische
Übungen zur Wahrnehmungsschulung und
Steigerung der Aktivität. Die primären Therapieziele sind die Veränderung des Aktivitätsniveaus, des Vermeidungsverhaltens und der
Medikamenteneinnahme. (Flor & Birbaumer,
1994; Thieme et al., 2003). Die Reduzierung
der Schmerzintensität ist nicht als primäres
Therapieziel definiert worden (Fordyce et al.,
1985).
Wirksamkeit der Schmerztherapie
Rheumatoide Arthritis
Verschiedene Übersichtsarbeiten zur Effektivität
psychologischer Schmerztherapie bei RA zeigen trotz unterschiedlicher methodischer Qualität der Arbeiten positive Ergebnisse in der
Schmerzreduktion (McCraken, 1991; Parker et
al., 1993). Bradley und Alberts (1999) schlussfolgern, dass kognitiv-verhaltenstherapeutische
Intervention „gut-begründete“ Schmerzverarbeitungsstrategien repräsentieren. Keefe und Van
Horn (1993) heben hervor, dass zwar kognitivverhaltenstherapeutische
Interventionen
in
kurzer Zeit Schmerz und Beeinträchtigung
reduzieren können, dass aber die Notwendigkeit besteht, effektive Strategien zur Rückfallprävention zu identifizieren, da die Mehrheit der
Studien eine Aufrechterhaltung der Therapieziele und -erfolge in der 8-Monatskatamnese nicht
demonstrieren konnte. Bradley (1994) differenziert zwischen Patienten mit chronischem
Rückenschmerz und Patienten mit RA bzw.
Osteoarthritis (OA). Während bei Patienten mit
chronischem Rückenschmerz, die mit Hilfe der
11
Wiederaufnahmehemmer, die direkt oder indirekt Auswirkungen auf die HPA-Achse haben
sollen, mit dem Ziel, über die Regulation der
HPA-Achse die Hauptsymptome des FMS, wie
Schmerz, Schwäche, Schlafstörungen und
psychologischen Stress zu beeinflussen (Crofford, 1996). Die nicht-pharmakologischen
Behandlungsmethoden des FMS umfassen vor
allem die kognitiv-verhaltenstherapeutische
Schmerztherapie, Patientenschulung, Physiotherapie sowie Akupunktur. Studien zur Effektivität kognitiv - verhaltenstherapeutischer Behandlungsprogramme konnten eine Veränderung schmerzbezogener Kontrollüberzeugungen und Selbstinstruktionen nachweisen, die
wiederum mit einer Reduktion der Schmerzintensität und der Funktionsbeeinträchtigung
sowie einer Verbesserung der emotionalen
Befindlichkeit einhergingen (Nicassio et al.,
1997; Nielson et al., 1992; Okifuji & Turk, 1999).
Begutachtung, ein Behandlungsverfahren, das
über die einfache Informationsvermittlung
hinausgeht und separate Daten zur Patientenbeschreibung. Von 64 Studien gingen 24 in die
Metaanalyse ein. Signifikante Effektstärken
wurden unmittelbar nach der Therapie für die
Schmerzintensität (0.22), die Funktionsbeeinträchtigung (0.27), den psychologischen Status
(0.15), Schmerzbewältigung (0.46) und Selbsteffizienz (0.35) gefunden. In der 8,5Monatskatamnese fanden sich ebenfalls signifikante Effektstärken für schmerzhafte Gelenke
(0.33), den psychologischen Status (0.30),
Schmerzbewältigung (0.52). Schmerzintensität
und Beeinträchtigung sowie die Selbsteffizienz
waren über die Zeit nicht stabil.
Die Ergebnisse der Metaanalysen, deren gute
Ergebnisse stellvertretend auch für zahlreiche
deutsche Therapiestudien angesehen werden
können, zeigen die Bedeutsamkeit psychologischer Interventionen in der multidisziplinären
Behandlung der RA.
Eine Meta-Analyse (Rossy et al., 1999) von 49
FMS-Behandlungsstudien
untersuchte
die
Effizienz von pharmakologischen im Vergleich
zu nicht-pharmakologischen Therapieformen
(kognitiv-verhaltenstherapeutischen Schmerztherapie und Physiotherapie) hinsichtlich 4
Kriterien: physischer Status, subjektiv geschilderte FMS-Symptome, psychologischer Status
und Funktionsfähigkeit in alltäglichen Belastungssituationen. Dabei fanden sich bei den
kontrollierten Studien mit Antidepressiva signifikante Verbesserungen hinsichtlich des körperlichen Zustandes und der subjektiv geschilderten
FMS-Symptome. Alle Studien zur kognitivverhaltenstherapeutischen
Schmerztherapie
wiesen signifikante Verbesserungen in allen vier
Kriterien auf im Unterschied zur Physiotherapie
(primär krankengymnastischen Übungen), die
keine signifikanten Verbesserungen der Funktionsfähigkeit erreichte. Die kognitiv-verhaltenstherapeutische Schmerztherapie scheint daher
bezüglich der Verbesserung der subjektiv
geschilderten FMS-Symptome effektiver zu sein
als pharmakologische Therapien. Ein ähnlicher
Trend fand sich in Bezug auf die Funktionsfähigkeit. Auch hier zeigte sich die kognitivverhaltenstherapeutische Schmerztherapie den
pharmakologischen Therapieformen überlegen.
Diese Meta-Analyse legt nahe, dass eine optimale Therapie für FMS den Schwerpunkt auf
die kognitiv-verhaltenstherapeutische Schmerztherapie legen sollte. Zusätzlich zur psychologischen Schmerztherapie sollte die medikamentöse Behandlung zur Beeinflussung der Schlafsymptomatik einbezogen werden.
Fibromyalgie-Syndrom
Das FMS ist das rheumatische Krankheitsbild,
das sowohl hinsichtlich der Ätiopathogenese als
auch der Therapie am ungeklärtesten ist. Der
FMS-Patient befindet sich in der Situation, nicht
nur akzeptieren zu müssen, dass die Ursache
seiner Erkrankung durch seinen Arzt nicht
geklärt werden kann, sondern auch hinnehmen
zu müssen, dass es weder eine medikamentöse
noch chirurgische oder anderweitig medizinische Behandlungsmöglichkeit für ihn gibt. Die
sofortige Akzeptanz dieser sowohl für den Arzt
als auch für den Patienten schwierigen Situation
wäre ein Ausdruck der Hilflosigkeit, Resignation,
schließlich der Depression. Daher ist es nicht
verwunderlich, dass FMS-Patienten versuchen,
alles zu unternehmen, um Behandlungsmöglichkeiten für sich zu finden. Die Folge sind eine
hohe Anzahl von Arztbesuchen. Die Kosten für
das Gesundheitswesen hinsichtlich der Häufigkeit der Arztbesuche sind in Großbritannien und
den USA erfasst worden. Der durchschnittliche
Jahresbetrag pro FMS-Patient betrug im Jahr
1996 $ 2247 (Wolfe et al.,1996), im Vergleich
zur Rheumatoiden Arthritis mit einem Betrag
von $ 1372 (Cooper, 2000) im selben Jahr.
Ausgehend von den erfolgreichen therapeutischen Interventionen bei chronischem Rückenschmerz und RA, die die Krankheitsaktivität
beeinflussen und damit zur Reduktion der
Kosten im Gesundheitswesen beitragen, wurden auch für das FMS unterschiedliche Behandlungsstrategien entwickelt und auf ihre
Effizienz geprüft. Die Pharmakotherapie des
FMS umfasst neben NSAR, Muskelrelaxantien
sowie trizyklische Antidepressiva und Serotonin-
Eine unkontrollierte Studie (Okifuji & Turk, 1999)
zur Effektivität einer ambulanten interdisziplinären Behandlung mit kognitiv-verhaltens12
therapeutischem Schwerpunkt an 67 FMSPatienten wurde über einen Zeitraum von vier
Wochen mit insgesamt 18 Sitzungen zu je 90
Minuten durchgeführt. Es zeigten sich signifikante Verbesserungen in der Schmerzstärke,
Beeinträchtigung, Lebenskontrolle, der affektiven Verstimmung, der Depression, der wahrgenommenen physischen Beeinträchtigung und
auch hinsichtlich des zuwendenden Verhaltens
der Bezugsperson. Klinisch signifikante Verbesserungen in der Schmerzreduktion, die über
den Reliabilitäts-Veränderungs-Index (Jacobson
et al., 1984) erfasst wurden, fanden sich bei
42 % der Stichprobe und konnten auch über 6
Monate aufrechterhalten werden.
Therapieerfolg
Als Prädiktoren für den Therapieerfolg bei
verschiedenen Schmerzsyndrome finden sich
für die operante Schmerztherapie eine hohe
Schmerzintensität, hohe Beeinträchtigung und
Kooperationsbereitschaft der Partner. Für das
Biofeedback konnten Flor & Birbaumer (1993)
nachweisen, dass Patienten mit einer ausgeprägten Hyperreagibilität schmerzrelevanter
Muskeln weniger von der EMG-BiofeedbackBehandlung profitierten als Patienten, die
weniger reagibel sind. Für die kognitive Therapie wurden die Dauer der Zeit seit der Diagnosestellung, individuelle Verarbeitungsressourcen, maladaptives und adaptives Schmerzverarbeitungsverhalten (Sinclair & Wallston, 2001)
sowie das familiäre Umfeld (regiert es überkontrolliert, desorganisiert, oder bestrafend), des
weiteren kognitive Verarbeitungsstrategien und
negatives Denken als Prädiktoren erfasst.
Dabei korrelierte die Abnahme des negativen
Denkens mit der Reduktion der Depression
(Tota-Faucette et al., 1993).
Eine eigene kontrollierte Studie zur Effektivität
einer stationären operant-verhaltenstherapeutischen Schmerztherapie (Thieme et al., 2003)
mit 61 FMS-Patienten wurde über einen Zeitraum von fünf Wochen mit täglicher Intervention
zu je 90 Minuten durchgeführt und gegen ein
medizinisches Standardprogramm, bei dem
eine medikamentöse Behandlung (Antidepressiva) mit physiotherapeutischen Methoden,
insbesondere Entspannungsübungen kombiniert wurden. Noch nach 15 Monaten zeigten
sich für die operant-verhaltenstherapeutische
Schmerztherapie signifikante Verbesserungen
mit hohen Effektstärken in der Schmerzintensität (2.14), Beeinträchtigung (2.50), affektive
Verstimmung (1.74) sowie in den Verhaltensvariablen, wie Schmerzverhalten (1.66), zuwendenden Partnerreaktionen (0.69), Medikamenteneinnahme (0.90), Schlafverhalten (0.86) im
Unterschied zum Standardprogramm. Die
operante Schmerztherapie reduzierte die Anzahl der Arztbesuche um 53.5 % (ES=1.16) und
die Anzahl der Krankenhaustage um 80.3 %
(ES=0.70) verglichen mit dem Zeitpunkt vor der
Therapie. Diese Veränderungen führten zu
einer Kostenreduktion von $ 3933 pro Patient
pro Jahr bzgl. der Krankenhauskosten und zu
einer Reduktion von $ 1840 pro Patient pro Jahr
bzgl. der Kosten der Arztbesuche. Im Unterschied dazu kam es bei der Gruppe mit dem
medizinischen Standardprogramm zu einer
Zunahme der Anzahl der Arztbesuche um
32.2 % und der Anzahl der Krankenhaustage
um 80.2 %. Die Gruppe mit dem medizinischen
Standartprogramm zeigte einen signifikanten
Kostenzuwachs von $ 1905.50 pro Patient pro
Jahr bzgl. der Krankenhauskosten und $ 442
pro Patient pro Jahr bzgl. der Kosten der Arztbesuche. Klinisch signifikante Verbesserungen
in der Schmerzreduktion, die über den Reliabilitäts-Veränderungs-Index erfasst wurden, fanden sich bei 65 % der Stichprobe und konnten
auch über 15 Monate aufrechterhalten werden.
Zusammenfassung
Mit einem zunehmend besseren Verständnis
des Phänomens Schmerz ist die Entwicklung
zahlreicher neuer medizinisch-somatischer
sowie verhaltensmedizinischer Interventionen
einhergegangen. Metaanalysen weisen die
Rolle und die Bedeutsamkeit der psychologischen Schmerztherapie innerhalb eines interdisziplinären Therapieansatzes nach. Es bleibt
allerdings festzustellen, dass über differentielle
Indikationen und Effizienz noch wenig bekannt
ist. Die Identifikation von weiteren therapiespezifischen Indikationskriterien bleibt zukünftiger
Forschung vorbehalten. Aber auch die Umsetzung der bisherigen Forschungsergebnisse
sowie die Integration der hochwertigen Therapieprogramme ist in Deutschland nur in Ausnahmefälle gelungen. So stellte das Rheumaforschungszentrum, Berlin (Zink et al., 2001) in
ihrer bundesweiten Kerndokumentation fest,
dass nur 0.3 % der Rheumapatienten eine
psychologische Schmerzbehandlung erfahren,
im Unterschied zu den USA, wo 62 % der
Patienten systematisch erlernen, mit der Krankheit zu leben. Am Zentralinstitut für Seelische
Gesundheit wird in naher Zukunft dieser Forschungs- und Versorgungsbereich zunehmend
ausgebaut.
Kati Thieme
(Literatur bei der Autorin)
13
Das Kompetenznetz Demenzen
Fach- und Hausärzte, Industrieunternehmen
und die Deutsche Alzheimergesellschaft.
Im Februar 2002 startete das Kompetenznetz
Demenzen. Es ist eines von zur Zeit 16 Kompetenznetzen in der Medizin, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert
werden. Die zunächst vorgesehene Förderung
beträgt fünf Jahre mit einer Zwischenbegutachtung nach 2,5 Jahren. Demenzen sind eines der
größten Probleme mit denen sich das Gesundheitssystem heute und in Zukunft in Anbetracht
der steigenden Lebenserwartung und der
starken Altersabhängigkeit von Demenzen
auseinandersetzen muss. Zur Zeit lässt sich bei
Demenzen das Fortschreiten der Symptome
verzögern und der Krankheitsverlauf positiv
beeinflussen, eine Heilung ist jedoch in den
meisten Fällen nicht möglich. Therapien der
Zukunft werden ihre Grundlage im zunehmenden Verständnis der unterliegenden Pathophysiologie haben. Es ist bekannt, dass die Entstehung nicht löslicher Proteinkomplexe, bestehend aus Aß1-42, Synuclein oder Tau-Protein
sowohl bei der Alzheimer Demenz, aber auch
bei anderen Demenzen, wie der LewyKörperchen Demenz und der frontotemporalen
Demenz eine entscheidende Rolle spielt. Hieraus ergeben sich eine Reihe von vielversprechenden therapeutischen Ansätzen auf molekularer Ebene, die jedoch zur Zeit noch nicht zur
Verfügung stehen.
Ziele
Das Kompetenznetz Demenzen verfolgt mehrere Ziele. Es soll bundeseinheitliche Richtlinien
für die Diagnostik und Therapie demenzieller
Erkrankungen entwickeln, die rasche Etablierung neuer Therapieformen ermöglichen, den
Austausch zwischen Wissenschaftlern und
Praktikern ermöglichen und ein Höchstmaß an
Versorgungsqualität für betroffene Patienten
sicherstellen.
Ein vertikales Netz soll aufgebaut werden, das
pflegende Angehörige, Hausärzte, Nervenärzte,
Allgemeinkrankenhäuser, psychiatrische Kliniken und Universitätskliniken, aber auch die
allgemeine Öffentlichkeit umfasst und das die
Kommunikation und den lückenlosen Informationsfluss zwischen diesen Bereichen sicher
stellt. Hier wurde bereits ein Modellprojekt in
Niedersachsen durchgeführt, das zunächst die
hausärztliche Versorgung in unterschiedlichen
Versorgungsregionen (Stadt, Land) erfassen
und Optimierungsmöglichkeiten aufzeigen soll.
Dieses vertikale Netz wird durch eine sich im
Aufbau befindende Infrastruktur im Bereich der
Informationstechnologie erweitert. Das Kompetenznetz hat zur Zeit eine vorläufige Homepage,
die unter http://www.kompetenznetz-demenzen.de aufgerufen werden kann. Ebenfalls unter
dieser Adresse wird die endgültige Homepage
in kurzer Zeit zu finden sein. Hier sollen niedergelassenen Ärzten, aber auch pflegenden
Berufen und Angehörigen, aktuelle Informationen schnellstmöglich zur Verfügung gestellt
werden und es wird die Möglichkeit geben sich
mit Fragen an Experten zu wenden. Auf den
internen Seiten der Homepage wird den Mitgliedern des Kompetenznetzes eine Kommunikationsplattform geboten, die schnellstmöglichen Informationsaustausch zwischen den
beteiligten Zentren ermöglicht. Schließlich wird
mit Hilfe eines Pseudonymisierungsdienstes,
der von der ebenfalls BMBF geförderten Telematikplattform zur Verfügung gestellt wird, die
elektronische Dateneingabe erfolgen, so dass in
Zukunft ganz auf gedruckte CRFs verzichtet
werden kann. So wird eine möglichst rasche
elektronische Datenauswertung ermöglicht.
Organisationsstruktur
Im Kompetenznetz Demenzen sind bundesweit
14 universitäre Einrichtungen zusammengeschlossen, die führend auf dem Gebiet der
Demenzforschung sind.
Mit Prof. Dr. Dr. Fritz A. Henn als Sprecher
befindet sich die Leitung des Kompetentnetzes
am Zentralinstitut in Mannheim. Hier ist Sitz der
Zentrale in der die organisatorischen Belange
des Netzes geklärt werden. Die Zentrale des
Kompetenznetz Demenzen ist Schnittstelle für
den internen und externen Datenaustausch. Sie
ist zum einen verantwortlich für alle Netzübergreifenden Aktivitäten: Planung, Konzipierung und Durchführung in enger Kommunikation
mit den Kompetenznetz-Teilnehmern (Synchronisierung der Abläufe). Zum anderen ist sie
verantwortlich für die Sicherstellung eines
reibungsfreien Informationsflusses innerhalb
des Netzes und steht als Ansprechpartner für
alle Interessierte außerhalb des Netzes zur
Verfügung.
Forschungsprojekte
Die Forschungsprojekte des Kompetenznetzes
Demenzen sind in drei Module unterteilt:
Ebenfalls am Kompetenznetz beteiligt sind
Allgemeinkrankenhäuser,
niedergelassene
14
E3 wird eine zentrale DNA Datenbank für Demenzen etabliert, um so genetische Risikofaktoren für verschiedene Demenzformen zu identifizieren und daraus resultierend pharmakogenetische Faktoren zu detektieren, die in Zukunft
bei der Behandlung eine wichtige Rolle spielen
könnten. Zusammenfassend sieht das Kompetenznetz Demenzen seine Aufgabe darin die
Versorgung Demenzkranker zu verbessern,
indem diagnostische Methoden verbessert,
Therapien optimiert und in unserem Gesundheitssystem Strukturen etabliert werden, die
möglichst kurze Wege von der ersten Verdachtsdiagnose bis zur spezifischen Behandlung und optimalen langfristigen Versorgung
gewährleisten. Hierbei kommt neuen Methoden
aus der Informationstechnologie eine entscheidende Rolle zu, da sie die Möglichkeit schnellster Informationsvermittlung und Zugang zu
einem großen Publikum bieten.
Modul E1: Früherkennung und Diagnostik
Leitung in Erlangen, Prof. Dr. Johannes Kornhuber
Im Rahmen dieses Moduls werden mit standardisierten Methoden verschiedene diagnostische
Untersuchungen durchgeführt, die psychometrische Verfahren, biochemische Marker und
bildgebende Verfahren einschließen. Ziel ist es,
Standards zu definieren, die eine Grundlage für
bundesweit einheitliche Untersuchungsmethoden bilden können und zur Verbesserung der
Diagnostik früher Formen von Demenzen beitragen können. Zusätzlich soll bei leichter
kognitiver Störung die prädiktive Wertigkeit der
diagnostischen Verfahren für die Vorhersage
einer späteren Demenzerkrankung bestimmt
werden. Untersucht werden neurochemische
Demenzmarker im Blut und Liquor, wobei den
Tau-Proteinen und den ß-Amyloiden eine
besondere
Rolle
zukommt.
Kernspintomographisch werden neben einer anatomischen
Untersuchung auch eine Volumetrie und eine
Spektroskopie durchgeführt. Die neurochemisch
und kernspintomographisch erhobenen Befunde
werden dann mit den psychometrischen Testvariablen korreliert. Weiteres Ziel der umfangreichen Testungen ist der Vergleich verschiedener
Testverfahren und die Empfehlung möglichst
einfacher und präziser diagnostischer Instrumente für die Praxis.
Das Kompetenznetz Demenzen hat aktuell
einen Verein gegründet, der in das Vereinsregister Mannheim als e. V. eingetragen ist. Dies
schafft eine gute Grundlage, um das Kompetenznetz Demenzen auch nach der Förderung
des BMBF weiterführen zu können.
Petra Hubrich
Modul E2: Therapie
Leitung in Berlin, Prof. Dr. Isabella Heuser
Hier wird eine Therapiestudie bei Demenzpatienten und bei Patienten mit leichter kognitiver
Störung durchgeführt, die synergistische Effekte
zwischen zwei etablierten medikamentösen
Therapien, Galantamin und Memantine, nachweisen soll. Untersucht werden soll insbesondere, ob bei Patienten mit leichter kognitiver
Störung durch eine frühzeitige Behandlung die
Konversionsrate zur Demenz statistisch signifikant reduziert werden kann. Für diese Studie
wurde eigens eine Firma für das Monitoring und
die Qualitätssicherung akquiriert. Außerdem soll
eine nationale Infrastruktur etabliert werden, die
als Plattform für die rasche und effektive Durchführung von Phase 2- und 3-Studien dienen
kann.
Kompetenznetz Demenzen
Geographische Verteilung der beteiligten
Universitäten
Modul E3: Epidemiologie und Genetik
Leitung in Bonn, Prof. Dr. Wolfgang Maier
Im Modul E3 wird die Früherkennung und
hausärztliche Versorgung von Demenzkranken
an sechs beteiligten Standorten im Längsschnitt
erfasst. Studien zeigen, dass Hausärzte die
Demenz oder Frühsymptome einer Demenz zu
selten diagnostizieren. Daher werden alle
Patienten zwischen 75 und 89 Jahren, die den
Hausarzt konsultieren, gefragt, ob sie an der
Studie teilnehmen wollen und nach 18 und 36
Monaten nachuntersucht. Ebenfalls im Modul
15
Betriebliche Suchtprävention
Projektergebnisse
pekte zu Suchtmitteln, der betrieblichen Suchtprävention, als auch epidemiologische Daten
erfasste.
In der letzten Ausgabe von „ZI Information
aktuell“ gaben wir einen Überblick über die
historische Entwicklung der betrieblichen
Suchtprävention bis heute. Wir berichteten über
den gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstand und hielten fest, dass nach wie vor
großer Bedarf an der weiteren Erforschung der
Epidemiologie von Substanzkonsum in Betrieben und der Evaluation der Belastungsfaktoren
am Arbeitsplatz besteht. Wie bereits angekündigt, wollen wir nun Ergebnisse einer Fortbildungsmaßnahme in einem großen Chemieunternehmen präsentieren.
Ziel der Interventionsmaßnahme war die Vermittlung theoretischer Informationen zu Sucht
und betrieblicher Suchtprävention und die
praktische Erarbeitung von Gesprächsführungskompetenzen im Umgang mit suchtmittelauffälligen Auszubildenden. Ein Schwerpunkt
wurde hierbei entsprechend der Altersklasse
auf Designer- und illegale Drogen gelegt. Dies
geschah mit der Absicht, Personen, die im
direkten Kontakt mit Auszubildenden stehen, zu
befähigen, Jugendliche frühzeitig auf negative
Konsequenzen ihres Konsumverhaltens aufmerksam zu machen und die Inanspruchnahme
entsprechender inner- und außerbetrieblicher
Hilfsmaßnahmen zu fördern.
Entsprechend dieser Zielsetzung ergaben sich
verschiedene Themenschwerpunkte. Tabelle 1
gibt einen Überblick über die vermittelten Themen und die angewandten Methoden.
Methodik
Im Rahmen einer Pilotstudie haben wir in einem
großen Chemieunternehmen eine Fortbildungsmaßnahme für Führungskräfte zur betrieblichen Suchtprävention bei illegalen Drogen
mit Schwerpunkt Designerdrogen (Partydrogen,
synthetische Drogen) durchgeführt und evaluiert. Weiterhin haben wir Informationen zu
Einstellungen der Teilnehmer zur betrieblichen
Suchtprävention sowie zum Kenntnisstand zum
Versorgungssystem Sucht erhoben. Dieser
Ansatz soll im folgenden Beitrag genauer beschrieben und ausgewählte Ergebnisse berichtet werden.
Evaluation
Ein Feedbackbogen, der von den Teilnehmern
im Anschluss an die Durchführung der
Workshops ausgefüllt wurde, erfasst Informationen zum Informationsgehalt, zur Verständlichkeit des Inhalts, zur Präsentation der Inhalte,
zur Anwendbarkeit/Praxisbezug, zur Miteinbeziehung der Teilnehmer, zur Übereinstimmung
mit den eigenen Erwartungen und zur Arbeitsatmosphäre. Die Teilnehmer gaben hierbei eine
anonyme Bewertung ab.
Stichprobe
Es nahmen insgesamt 53 Führungskräfte an
der Untersuchung teil. Hiervon hatten 41 eine
der bis dato angebotenen Weiterbildungen zur
Suchtprävention besucht und 12 hatten bisher
noch nie an Seminaren bzw. Fortbildungen zum
Themengebiet betriebliche Suchtprävention
teilgenommen.
In einem weiteren Fragebogen wurde darüber
hinaus erfasst, welche Einstellungen die Mitarbeiter im Hinblick auf die Themen Sucht und
Suchtprävention vertreten, wie sie sich im
Umgang mit einem suchtmittelauffälligen Mitarbeiter verhalten würden, welchen Stellenwert
sie Maßnahmen der betrieblichen Suchtprävention einräumen und welche Informationen über
die Häufigkeit dieses Problems im Betrieb ihnen
vorliegen. Auch wurde die persönliche Betroffenheit erfasst. Statistisch wurden die Ergebnisse auf Ordinalniveau mit dem Chi-Quadrat-Test
überprüft.
Interventionsmaßnahme
Die Fortbildung wurde als eintägiger Workshop
durchgeführt. Die Zielgruppe waren Ausbilder
im kaufmännischen, technischen und chemischen Bereich, für welche die Teilnahme an der
Veranstaltung Pflicht war. Der Workshop wurde
in der Zeit von Oktober bis Dezember 2001 an
insgesamt vier Terminen mit jeweils 10-12
Teilnehmern durchgeführt. Direkt im Anschluss
an die Durchführung wurden die Teilnehmer
gebeten einen kurzen Fragebogen zur Evaluation der Interventionsmaßnahme auszufüllen.
Nach Abschluss aller Termine erhielten die
Teilnehmer sowie weitere kaufmännische
Mitarbeiter des Unternehmens, die nicht an
dieser Weiterbildungsmaßnahme teilgenommen
hatten, einen ausführlichen Fragebogen, der
verschiedene Einstellungs- und Verhaltensas-
Ergebnisse
Den eigenen Suchtmittelkonsum bezeichneten
insgesamt 29 AusbilderInnen als mäßig, wobei
es hier keine signifikanten Unterschiede zwi
schen den Seminarteilnehmern und den NichtTeilnehmern gab. Völlig suchtmittelfrei zu leben
16
Methode
Einführung in die „Betriebsvereinbarung Sucht“ durch die
Sozialberatung des Unternehmens
Vorstellung der Abhängigkeitskriterien nach ICD-10
Überblick über stoffgebundene Abhängigkeiten
Entwicklung der Abhängigkeit
Vermittlung eines Modells der Abhängigkeitsentwicklung;
suchtstabilisierende Faktoren
Überblick präventiver Maßnahmen
Vorstellung des Versorgungsnetzwerks Sucht;
Präventive Maßnahmen der Arbeitsorganisation und die Rolle
des Vorgesetzten
Gemeinsame Erarbeitung der Ziele eines solchen Gesprächs
und Vorstellung eines Gesprächsmodells anhand eines Beispiels; Erarbeitung eines Leitfadens für ein Erstgespräch
anhand von praktischen Fallbeispielen in Kleingruppen
Vorstellung der Veränderungsphasen bei Drogenmissbrauch
und
Theoretische Einführung in die Gesprächsführungskompetenz;
Vorstellung verschiedener Kategorien von Widerstand und
Erarbeitung von Lösungsstrategien in Kleingruppen; Rollenspiele vor der Gruppe zur Anwendung der verschiedenen Strategien
gaben neun Teilnehmer an. Unter den Seminarteilnehmern waren zwei abstinente Alkoholabhängige, zwei weitere Seminarteilnehmer
schätzten ihren eigenen Suchtmittelkonsum als
kritisch ein. Suchtmittelkonsum im Dienst verneinten die meisten Befragten. Darüber hinaus
waren die meisten der Befragten eindeutig der
Meinung, dass Suchtmittel nicht in die Betriebskantine gehören. Weiter geht aus den Ergebnissen hervor, dass Suchtmittelauffälligkeiten
wohl relativ lange von Vorgesetzten und Kollegen gedeckt werden.
satz zu lediglich 44 % der Seminarteilnehmer.
Zwei Drittel der Nicht-Seminarbesucher waren
dementsprechend dann auch der Meinung,
dass Gespräche mit Mitarbeitern, die im Zusammenhang mit Suchtmittelmissbrauch auffällig geworden waren, eher von Fachleuten
geführt werden sollten. Darüber hinaus waren
Nicht-Seminarbesucher eher der Meinung, dass
man Suchtmittelmissbrauch erst beweisen
können müsse, bevor man diesen bei einem
Mitarbeiter ansprechen könne.
Ein weiterer Schwerpunkt der Fragebogenaktion waren die bisherigen Aktivitäten der Ausbilder im Bereich betrieblicher Suchtprävention.
Hierbei zeigte sich, dass die Ausbilder, die
bisher kein Seminar besucht hatten, eher der
Meinung waren, dass man bei Suchtmittelproble-
Interessanterweise herrschte bei den Personen,
die bisher kein Seminar besucht hatten die
Meinung vor, dass Suchtkranke für die Entstehung Ihrer Abhängigkeit hauptsächlich selbst
verantwortlich wären. Demgegenüber war der
überwiegende Teil der Seminarteilnehmer der
Ansicht, dass dies höchstens teilweise zuträfe
(Abbildung 1). Mit Bezug auf das Trinkverhalten
im Rahmen einer Alkoholabhängigkeitserkrankung herrschte in beiden Gruppen eindeutig die
Meinung vor, dass ein kontrolliertes Trinken für
einen Alkoholabhängigen nicht möglich ist,
sondern dass nur absolute Alkoholabstinenz
erfolgversprechend ist. Bei der Frage, ob die
Teilnehmer schon einmal mit Suchtmittelproblemen konfrontiert worden waren, gaben die
meisten Teilnehmer an, schon einmal im privaten Umfeld und auch direkt bei Kollegen konfrontiert worden zu sein. Auf die Frage nach
dem Umgang mit Mitarbeitern mit Suchtmittelproblemen ergaben sich folgende Ergebnisse:
Insgesamt sprachen sich beide Gruppen für
eine direkte Konfrontation zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern mit Suchtmittelproblemen
aus. 80 % der Nicht-Seminarteilnehmer gaben
an, niemals Gespräche über Suchtmittelprobleme mit ihren Mitarbeitern zu führen, im Gegen-
Abbildung 1: „Was denken Sie über
Alkoholismus/Suchtmittelabhängigkeit?“
Ein Suchtkranker ist für die Entstehung seiner
Krankheit letzlich selbst verantwortlich
70,00%
60,00%
50,00%
40,00%
30,00%
20,00%
10,00%
0,00%
Kein Seminar besucht
tz
u
zu
p < 0,05, Chi-Wert: 10,87
17
ga
rn
ich
en
ig
zu
w
tri
fft
tri
fft
tri
fft
vo
ll z
u
Seminar besucht
fft
Umgang mit schwierigen Gesprächssituationen
te
ils
Verständnis der Ambivalenz im
Veränderungsprozess
tri
4
zu
Vermittlung der Kompetenzen zur
Durchführung eines Erstgesprächs
bei Verdacht auf Suchtmittelkonsum
fft
3
tri
2
Ziel
Vermittlung der Rahmenbedingungen betrieblicher Suchtprävention
Informationsvermittlung zum
Abhängigkeitssyndrom
lic
h
Block
1
Ziele und Methoden der Interventionsmaßnahme zur betrieblichen Suchtprävention
zi
em
Tabelle 1:
Wert: 8,25) und auch ganz ohne Beratung
würden sie es ebenfalls häufiger probieren.
men von Mitarbeitern abwarten sollte, ob sich
die Probleme nicht von selbst lösen. Auch
waren Nicht-Seminarbesucher eher der Überzeugung, man solle Mitarbeiter mit Suchtmittelproblemen einfach an andere Arbeitsplätze
versetzen.
Weiterhin fragten wir die Ausbilder, welche drei
Weiterbildungsthemen sie sich für ein zusätzliches Seminar am meisten wünschen würden.
Vorherrschend waren bei beiden Gruppen die
Themen „Umgang mit Mitarbeitern in Krisensituationen“ und „Stressbewältigung“. Die NichtSeminarbesucher wünschten sich darüber
hinaus als drittes Thema „Psychische Erkrankungen“ und die Seminarteilnehmer „Gesprächsführung“.
Auf die Frage, an wen sich die Ausbilder im
Falle von einem Suchtmittelproblem bei einem
Mitarbeiter wenden würden, um weitere Hilfestellungen zu bekommen, gaben beide Gruppen
an, sich eher an ihren Vorgesetzten, als an die
Personalabteilung zu wenden. An den Personalrat sowie an den betrieblichen Suchthelfer
würden sich wiederum eher diejenigen Mitarbeiter wenden, die ein Seminar besucht haben.
Interessant war, dass eine ganze Anzahl von
Nicht-Seminarbesuchern auf keinen Fall den
Betriebsarzt einschalten würden (p < 0,1, Chi-
Tabelle 2:
Eine weitere wichtige Fragestellung waren
mögliche Hinderungsgründe für Vorgesetzte,
Mitarbeiter mit Suchtmittelproblemen anzusprechen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 zusammengestellt (hier im Vergleich zur Erhebung von
Fuchs et al., S. 219 [13]).
„Nennen Sie die drei wichtigsten Hinderungsgründe
für Vorgesetzte, Mitarbeiter mit Suchtmittelproblemen
anzusprechen.“
Item
Fuchs und Rummel,
Landesbank Berlin
n = 377
Eigene Untersuchung
Chemieunternehmen
Mangel an Beweisen
Hemmung und Peinlichkeit
Angst vor Reaktionen des Mitarbeiters
44 %
36 %
34 %
30 %
38 %
74 %
Mangelnde Information über Sucht
Zeitmangel
Gleichgültigkeit
Befürchtung, dem Mitarbeiter zu schaden
28 %
22 %
16 %
13 %
47 %
17 %
4%
10 %
eigener Alkoholkonsum
mangelnde Unterstützung der eigenen
Vorgesetzten
Angst, sich unbeliebt zu machen
mangelnde Unterstützung der eigenen AG
9%
8%
2%
25 %
8%
0%
17 %
30 %
besucher Ihre Mitarbeiter auch seltener über
Fortbildungsmöglichkeiten zum Thema Sucht
informierten.
Interessanterweise meinten Nicht-Seminarbesucher Suchtmittelprobleme etwas besser
erkennen zu können als Seminarbesucher
(statistisch nicht signifikant), allerdings fühlten
sich diese dann wiederum unsicherer im Umgang mit Mitarbeitern, die ein Suchtmittelproblem haben (siehe Abbildung 2). Über das Versorgungssystem „Sucht“ waren Seminarbesucher erwartungsgemäß besser informiert. NichtSeminarbesucher sprachen insgesamt seltener
über Sucht mit Mitarbeitern (p < 0,05, Chi-Wert:
10,19), obwohl sie davon ausgehen, Suchtprobleme gut zu erkennen. Die Betriebsvereinbarung Sucht wurde signifikant häufiger von
Seminarbesuchern gekannt und diese hielten
sich auch signifikant häufiger an diese. Darüber
hinaus wurde deutlich, dass die nicht Seminar-
Bei der Frage nach den betrieblichen Belastungen wurden die Mehrkosten durch Leistungsminderung von beiden Gruppen eher als mittel
eingestuft, wie auch die Mehrkosten durch
materielle
Schäden
infolge
von
Fehlern/Fehlverhalten. Eine weitere Frage betraf
den Imageverlust einer Firma durch Mitarbeiter
mit Suchtmittelproblemen, der insgesamt als ein
eher weniger gravierendes Problem eingestuft
wurde. Die Frage nach dem Sicherheitsrisiko
durch Mitarbeiter mit Suchtmittelproblemen
wurde von beiden Gruppen mit einem eher
hohen Risiko eingeschätzt. Dies galt auch für
18
die Kosten, die durch Fehlzeiten entstehen. Von
den Nicht-Seminarbesuchern wurde die Störung
des Betriebsfriedens durch Suchtmittelprobleme
sowie die Belastung durch Suchtmittelprobleme
für den Betrieb insgesamt interessanterweise
höher eingeschätzt.
Eine weitere Fragestellung ergab die Notwendigkeit individuell an den jeweiligen Betrieb
adaptierter Fortbildungsveranstaltungen hin. Wir
fragten nach Hinderungsgründen für Vorgesetzte, Suchtmittelauffälligkeiten überhaupt anzusprechen und fanden in einem Chemieunternehmen im Vergleich zu der Untersuchung von
Fuchs und Rummel [2] zur gleichen Frage in
einer Landesbank ein deutlich unterschiedliches
Antwortprofil. Diese Unterschiede lassen sich
am
ehesten
durch
unterschiedliche
innerbetriebliche Strukturen, aber gerade auch
durch einen unterschiedlichen Kenntnisstand
zum Thema betriebliche Suchtprävention bei
den Führungskräften und Mitarbeitern der
jeweiligen Betriebe erklären. Hier zeigt sich
unseres Erachtens auch die Notwendigkeit von
individuell an den jeweiligen Betrieb adaptierten
Fortbildungsveranstaltungen, um den jeweiligen
strukturellen Unterschieden im Rahmen einer
Fortbildung gerecht werden zu können. Auch
informieren Führungskräfte ohne Fortbildung
zum Thema „Sucht“ ihre Mitarbeiter weniger
über Fortbildungsmöglichkeiten in diesem
Bereich. Es zeigt sich, dass mit dem Versorgungssystem „Sucht“ vertraute Vorgesetzte
eher den Weg zum betrieblichen Suchthelfer
oder zum Betriebsarzt finden.
Die Evaluation der Fortbildungsseminare erfolgte anonym mit Schulnoten, wobei die Seminar
besucher insgesamt durchweg gute bis sehr
gute Bewertungen abgaben.
Abbildung 2: „Bitte beschreiben Sie Ihre „Aktivitäten“ im Rahmen der betrieblichen
Suchtprävention.“ Item 1
Ich fühle mich sicher im Umgang mit Mitarbeitern,
die Suchtprobleme haben
60,00%
50,00%
40,00%
Kein Seminar besucht
30,00%
Seminar besucht
20,00%
10,00%
0,00%
trifft voll
trifft trifft teils trifft
trifft gar
zu
ziemlich
zu
wenig zu nicht zu
zu
p < 0,01, Chi-Wert: 11,91
Diskussion
Ein wichtiges Ergebnis ist, dass die Interventionsmaßnahme bei den Führungskräften eine
gute bis sehr gute Akzeptanz erreichte, und
dies, obwohl es sich um eine Pflichtveranstaltung handelte. Tatsächlich waren die Seminare
unübersehbar von einem großen Interesse der
Teilnehmer getragen. Die Bedeutung von
Fortbildungen im Bereich Betriebliche Suchtprävention wird weiterhin dadurch unterstrichen,
dass viele Führungskräfte zu irgendeinem
Zeitpunkt in ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem
Thema Sucht bei Mitarbeitern schon konfrontiert
worden waren und damit ein akuter Handlungsbedarf bestand.
Inhaltlich muss sicherlich in Seminaren zum
Thema „betriebliche Suchtprävention“ ein
größeres Augenmerk auf die Früherkennung
und Frühintervention von Mitarbeiten mit
Suchtmittelproblemen und der daraus resultierenden Folgeschäden gerichtet werden, wie
bereits von Schantz und Kollegen [3] empfohlen. Es zeigt sich, dass Substanzkonsum immer
noch zu lange von Vorgesetzten gedeckt wird
und damit auch eine im Frühstadium möglicherweise erfolgreichere Therapie nicht in Gang
kommt. Themen, die darüber hinaus noch
vertieft werden müssen, sind der Umgang mit
Mitarbeitern in Krisensituationen, die Gesprächführung mit suchtmittelauffälligen Mitarbeitern
und die Anwendung geeigneter Copingstrategien bei Stressfaktoren am Arbeitsplatz. Um die
Akzeptanz und die Verbreitung der Seminarinhalte im Betrieb noch zu verbessern, sollten
Seminare wiederholt stattfinden. Die regelmäßige Wiederholung ist wegen der Personalfluktuation nötig, um neue Mitarbeiter möglichst bald
zu informieren und ermöglicht bei bereits geschulten Mitarbeitern eine Vertiefung bzw.
Auffrischung der Inhalte. Zudem unterliegen
auch die Strategien der Suchtprävention und behandlung einer stetigen Erneuerung und
Anpassung an die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen, was über regelmäßig
stattfindende Seminare zeitnah umgesetzt
werden kann.
Die Untersuchung gibt einen Hinweis darauf,
dass Führungskräfte, die bisher keine Seminare
zum Thema „Sucht“ besucht haben, weniger für
Suchtmittelauffälligkeiten bei Mitarbeitern sensibilisiert sind. Sie sind häufig nicht oder nur
schlecht über die „Betriebsvereinbarung Sucht“
und die Möglichkeiten deren Umsetzung informiert, weisen Defizite im Bereich Gesprächsführungskompetenz
mit
suchtmittelauffälligen
Mitarbeitern auf und kennen außerdem die
Hilfs- und Behandlungsangebote im Versorgungssystem Sucht weit weniger, so dass
Interventionen bei Betroffenen seltener stattfinden. Das alleinige Implementieren einer „Betriebsvereinbarung Sucht“ reicht also unseren
Daten zufolge nicht aus, sondern sollte immer
auch begleitet sein von entsprechenden Seminaren zu ihrer praktischen Umsetzung.
Bernhard Croissant, Sabine Löber
(Literatur bei den Autoren)
19
Gewalt in der Psychiatrie
Eine interne Bestandsaufnahme
Verwandt wurde ein von der Arbeitsgruppe
„Gewalt in der Psychiatrie“ des Hauses konzipierter Fragebogen, der 18 zum Teil unterteilte
Fragen vorgab.
Bisher war es in psychiatrischen Kliniken eher
üblich, aggressive Patientenübergriffe gegen
Klinikmitarbeiter als hinzunehmendes Arbeitsplatzrisiko zu behandeln und wenig dagegen zu
tun. Dabei zeigen einerseits epidemiologische
Untersuchungen, dass bei bestimmten psychiatrischen Krankheitsbildern das Risiko einer
aggressiven Handlung im Vergleich zur gesunden Bevölkerung leicht bis mäßig erhöht ist
(1,2) und andererseits interne Erhebungen des
Gemeindeunfallversicherungsverbandes Westfalen-Lippe, dass Patientenübergriffe knapp 40
% der Unfallmeldungen aus psychiatrischen
Kliniken ausmachen (3). Das Thema Gewalt in
psychiatrischen Kliniken ist bisher in der
deutschsprachigen Literatur sehr wenig beachtet und untersucht worden (4,5,6,). Dies ist
möglicherweise ein Beleg für das bisher wenig
ausgebildete Problembewusstsein und Ausdruck fehlender oder wenig suffizienter Gewaltmanagementstrategien in den einzelnen Häusern. Erst in letzter Zeit ist ein zunehmendes
Interesse an diesem Thema zu verzeichnen (3),
wobei deutlich wird, dass trotz zunehmendem
Interesse
weitgehend
Handlungskonzepte
fehlen und selten ausgearbeitete Richtlinien
zum Umgang mit Gewalt bzw. zu Prävention
oder Nachsorge der Opfer zur Verfügung stehen.
Ergebnisse
149 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gaben den
vollständig ausgefüllten Fragebogen ab. Davon
waren 61 % Frauen und 39 % Männer; 54,4 %
gehörten dem Pflegepersonal an, 30,2 % waren
Ärzte oder Psychologen; 15,4 % definierten sich
als „sonstiges“ Personal.
Mit 44 % war die größte Gruppe der Befragten
30-39 Jahre alt, die Gruppe der 40-49-Jährigen
war mit 31 % am zweithäufigsten vertreten.
35 % der Befragten gaben an, mehr als 12
Jahre im Berufsfeld beschäftigt zu sein, 34 %
beschreiben eine Berufserfahrung zwischen 5
und 12 Jahren, 31 % gaben eine Berufserfahrung unter 4 Jahren an. Die Ergebnisse im
Einzelnen: Item Subjektive Belastung:
• 40,3 % der Antworter erleben sich „vereinzelt
übermäßig belastet“, 28,9 % erleben sich „öfter im Jahr“ übermäßig belastet, 5,4 % gaben
an, sich wöchentlich „übermäßig belastet“ zu
fühlen.
• Verbaler Aggression oder Androhung von
Gewalt waren 25,5 % während eines Jahres
öfter, 34,2 % vereinzelt ausgesetzt. 9,5 %
waren wöchentlich verbalen Aggressionen
ausgesetzt.
• Aggressive körperliche Übergriffe (z. B.
Kratzen, Schlagen, Beißen, Spucken, Weggestoßen werden) erlebten 32,4 % gelegentlich, 16,2 % öfter im vergangenen Jahr. 0.7 %
erlebten wöchentlich solche Übergriffe
(n=4,1). 42,6 % erlebten nie körperliche Patientenübergriffe.
• 72,3 % gaben an, im Hinblick auf den Umgang mit aggressivem Patientenverhalten
nicht ausreichend ausgebildet zu sein.
Item Belastungsquellen:
• Als eindeutig am meisten belastende Situation wurden aggressive Übergriffe von Patientenseite genannt (70 Nennungen). Als zweithäufigste Belastungsquelle wird eine eingeschränkte Personaldecke mit Überlastung der
Mitarbeiter genannt. Erst danach rangieren
suizidale Syndrome und psychotische Krankheitsbilder einschließlich der BorderlinePersönlichkeitsstörung.
Item Umgang mit Belastungsquellen:
• Als bevorzugte Strategie des Umgangs mit
Belastungsquellen wird der verbale Aus-
Um hier einen eigenen Ansatz zu finden und um
ein eigenes Gewaltmanagement zu etablieren
wurde im Zentralinstitut für Seelische Gesundheit im Jahr 2002 eine große anonymisierte
Mitarbeiterbefragung mit dem Ziel durchgeführt,
festzustellen, in wievielen Fällen Mitarbeiter im
Jahr zuvor Opfer aggressiver Patientenübergriffe geworden sind und welche Erfahrungen hier
gemacht wurden.
Methode
Befragt wurden alle Mitarbeiter des Zentralinstitutes für Seelische Gesundheit, die in Kontakt
mit Patienten kommen bzw. sich als solche
Personen definieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Zentralinstitut vier unterschiedliche Kliniken (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinik für Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie und Psychotherapie, Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin,
Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin), daneben aber auch einen großen Forschungs- sowie einen Verwaltungsbereich
beinhaltet.
20
tausch mit Kollegen und anderen vertrauten
Personen genannt. An zweiter Stelle rangiert
der Wunsch nach Entwickeln und Anwenden
eines Konzeptes für den Umgang mit Belastungsquellen.
• Nur 52,2 % der Mitarbeiter melden einen
tatsächlich erfolgten Übergriff, eine Unfallmeldung wird extrem selten ausgefüllt, obwohl bei 34% Verletzungen körperlicher Art
aus einem Übergriff resultierten.
• 55,3 % berichten, dass sie an ihrem Arbeitsplatz ein Konzept vermissen, welches ihnen
allgemein Sicherheit im Umgang mit Patienten vermittelt.
• 52,1 % sind der Ansicht, dass sich vorhandene Konzepte nicht zum Umgang mit aggressiven Patienten eignen.
• 88,8 % der Antworter wünschen sich dezidiert ein solches Konzept.
Item Reaktion auf Übergriff:
• Als häufigste Reaktionen auf Übergriffe
werden Betroffenheit (64,3 %), Beängstigung
(41,3 %) und Wut (35 %) genannt, weniger
Enttäuschung oder Gereiztheit.
Item Folgen der Belastung:
• Von den 59 betroffenen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern berichten 57,7 % über wiederholte und sich aufdrängende Erinnerungen, welche wenige Tage andauern; 5,2 % gaben an,
noch über ca. 6 Wochen unter sich aufdrängenden Erinnerungen zu leiden.
• Etwas weniger (26) berichten über wiederholte, belastete Träume sowie (30) über Einund Durchschlafstörungen, auf das Belastungsereignis hin auftretend.
Item Gewünschte Verbesserungen:
• Am häufigsten wird ein besserer Personalschlüssel gewünscht, am zweithäufigsten
Fortbildungen, v. a. zum Umgang mit Aggression (Schulungen in Deeskalationstechnik, Konfliktmanagement, Selbstverteidigungstechnik)
für die Abwehr/den Umgang mit aggressiven
Übergriffen ausgebildet zu sein,
• 88,8 % der Antwortenden sich ein Konzept im
Umgang mit aggressiven Patienten wünschen.
Die Arbeitsgruppe „Gewalt in der Psychiatrie“
erarbeitet derzeit ein für alle Kliniken des Hauses durchführbares und lernbares Konzept zum
Umgang mit Gewalt bzw. zu Präventionsstrategien und Nachsorgestrategien für Betroffene.
Das Konzept beinhaltet:
• Regeln zu Dokumentation und Analyse von
aggressiven Übergriffen
• Verpflichtung zu regelmässigen Schulungen
zu Präventions- und Deeskalationstechniken
• Erlernen von Techniken zum Selbstschutz
bei körperlichen Übergriffen
• Nachbetreuung betroffener Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter
• Qualitätskontrolle und -sicherung
Hierbei kann auf das in der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik (KJP) bereits erfolgreich etablierte Gewaltmanagement und Weiterbildungssystem (Keitel u. Ritter) zurückgegriffen werden, welches neben einer theoretischen
Auseinandersetzung mit Gewalt auch das
Erlernen von ausschließlich Gewalt abwehrenden Selbstverteidigungstechniken vorsieht. In
den bisher in der Arbeitsgruppe durchgeführten
Diskussionen haben sich auch auf Grund der
positiven Vorerfahrungen im Bereich der KJP
Kenntnisse in Selbstverteidigung als wesentlicher, selbstsicherheitsfördernder Punkt herausgestellt. Wir beabsichtigen, hier im Sinne eines
lernenden Systems vorzugehen und auf die
bereits bestehende Kompetenz in der KJP
einerseits und auf die im Haus zweifelsohne
bestehende Kompetenz in Gesprächstechnik,
Umgang mit Patienten und Gewalt aufzubauen,
um in gemeinsamer Arbeit das existierende
Expertenwissen zu verbessern, zu vermehren
und weiterzugeben. Es ist beabsichtigt, das zu
entwickelnde Ausbildungsmodul „Gewaltprävention und –management“ für alle Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter im pflegerischen und ärztlichen
Bereich, analog zur Ausbildung in Notfallmedizin, einzuführen.
Schlussfolgerungen
Die Erhebung belegt eindrucksvoll, dass
• mehr als ein Viertel der Mitarbeiter (27,1 %)
häufiger (wöchentlich oder monatlich) mit aggressiven verbalen Äußerungen konfrontiert
sind,
• die meisten MitarbeiterInnen (72,3 %) der
Meinung sind, nicht oder nicht ausreichend
Peter Hofmann
(Literatur beim Autor)
Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung psychisch Kranker
Gesetzgebung und Praxis in den Mitgliedsländern der Europäischen Union
Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung
sind zentrale Themen ärztlicher Ethik und
psychiatrischer Praxis, die seit mehr als 100
Jahren kontrovers diskutiert werden. Die ge21
setzlichen Grundlagen zu diesen Maßnahmen
sind vor dem Hintergrund unterschiedlicher
psychiatrischer Versorgungssysteme und verschiedener kultureller und gesetzlicher Traditionen in den einzelnen europäischen Ländern
sehr heterogen. Zwangsmaßnahmen in der
Psychiatrie stehen grundsätzlich in einem
tripolaren Spannungsverhältnis, das aus folgenden Eckpunkten besteht:
Studie und Methode
Aus diesem Grund hat die Europäische Kommission (Health and Consumer Protection
Directorate/Public Health) eine systematische
Untersuchung der gesetzlichen Regelungen
und der Unterbringungspraxis in den 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Auftrag
gegeben. Ziel war die Analyse gegenwärtiger
Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Gesetzgebung und Praxis. Die Studie wurde unter
Leitung der beiden Autoren am Zentralinstitut
für Seelische Gesundheit vom 01.10.2000 bis
zum 01.01.2002 durchgeführt.
1. Sicherung grundlegender Patientenrechte
2. Sicherheitsbedürfnis der Öffentlichkeit
3. Behandlungsbedürftigkeit des Patienten
Die starke Betonung der Menschenrechte hat
sich in den letzten vierzig Jahren in der Psychiatriegesetzgebung in einer verstärkten Anstrengung niedergeschlagen, grundlegende Patientenrechte zu sichern, um Zwangsmaßnahmen in
der psychiatrischen Behandlung zu reduzieren
und einer stärkeren Kontrolle zu unterwerfen.
Die Zurückdrängung medizinisch- paternalistischer Ansätze, die die Behandlungsbedürftigkeit von krankheitsuneinsichtigen Patienten
betonen, hat in den letzten fünfzehn Jahren in
vielen Ländern Europas zu erheblichen Änderungen der Unterbringungsgesetze geführt, mit
dem Ziel, Zwangseinweisungen und Zwangsbehandlungen einzuschränken und eine freiwillige, wo immer möglich ambulante und konsentierte Behandlung zu fördern (Curran 1978).
Trotz dieser fortschrittlichen Bestrebungen der
Gesetzgeber finden sich in einigen Ländern
aber entgegen der ursprünglichen Intention
steigende Zahlen für Zwangseinweisungen
(Wall et al. 1999, Darsow-Schütte und Müller
2001). Neben Konflikten zwischen Behandlungsbedürftigkeit und Patientenrechten gibt es
außerdem Stimmen, die dem das Gefährlichkeitskriterium, das in vielen modernen Psychiatriegesetzen als eine Voraussetzung zur
Zwangsunterbringung eingeführt wurde - und
dessen Einführung als progressiv galt, weil es
die Zwangsunterbringung erschweren sollte ein Potential der Reaktivierung des Stereotyps
vom „gefährlichen psychisch Kranken“ zuschreiben (Phelan und Link 1998). Diese Konfliktfelder spielen auch beim Integrationsprozess
der Europäischen Union eine Rolle, in der die
Tendenz zur Harmonisierung der Gesetzgebung und somit auch der Psychiatriegesetze
zunimmt. Voraussetzung für solche Bestrebungen ist die systematische Analyse der gesetzlichen Grundlagen in den EU-Mitgliedstaaten
sowie deren Bewertung im Hinblick auf die
Praxis. Bisher liegen in dem hier diskutierten
Problemfeld jedoch nur unstrukturierte Vergleiche einzelner Länder vor (Laffont und Priest
1992, Legemaate 1995, Forster 1997, Röttgers
und Lepping 1999, Van Lysbetten und Igodt
2000) und auch valide epidemiologische Daten
sind europaweit sehr rar (Riecher-Rössler und
Rössler 1993).
Die Arbeitsweise sah die Implementierung eines
Netzwerkes von Experten aus jedem der 15
Mitgliedsländer der EU vor, die entsprechende
Informationen und Daten aus ihren Heimatländern lieferten. Für diesen Zweck wurde ein
umfangreicher Fragebogen entwickelt und ein
schriftliches Leitfadeninterview mit den Experten
durchgeführt. Die Daten wurden von der Studienzentrale am ZI ausgewertet. Die Ergebnisse
hinsichtlich der Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Mitgliedstaaten wurden in tabellarischer Form sowie einer strukturierten Synopsis dargestellt. Auf einer gemeinsamen
zweitägigen Konferenz mit den Experten am 16.
und 17. November 2001 im Zentralinstitut
erfolgte die Klärung offener Fragen und die
allgemeine Diskussion der Ergebnisse. Der
ausführliche
Schlussbericht
wurde
am
15.05.2002 der Europäischen Kommission
übergeben und wurde vom Projektträger in
vollständiger Form ins Internet gestellt.
http://europa.eu.int/comm/health/ph_projects/20
00/promotion/fp_promotion_2000_frep_08_en.p
df).
Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Untersuchung zeigt, dass die gesetzlichen
Regelungen und deren praktische Umsetzung
in den Mitgliedsländern der EU ausgesprochen
heterogen sind. Auch die interne rechtliche
Position des Patienten in einem Zwangsunterbringungsverfahren unterscheidet sich in den
einzelnen Ländern deutlich und es ist deshalb
nicht verwunderlich, dass auch die Zwangseinweisungsraten und -quoten stark voneinander
abweichen.
Mit Ausnahme Griechenlands und Spaniens
verfügen alle anderen EU Länder über eigenständige
(Psychiatrie-) Gesetze,
die
die
Zwangsunterbringung psychisch Kranker regeln. Die meisten dieser Gesetze sind nach
1990 in Kraft getreten, was verdeutlicht, dass
die Psychiatriegesetzgebung in den EU Ländern als politische Aufgabe wahrgenommen
wird.
Bezüglich der Kriterien für Zwangsunterbringungen kann man die EU Länder in drei Grup22
pen einteilen. In Österreich, Belgien, Frankreich,
Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden
muss immer das Kriterium der Eigen- und/oder
Fremdgefährdung erfüllt sein. In einer zweiten
Gruppe von Ländern reicht die unbedingte
Behandlungsnotwendigkeit einer psychischen
Erkrankung aus (Italien, Spanien und Schweden). Die dritte Gruppe umfasst Länder, in
denen entweder eine unbedingte Behandlungsnotwendigkeit
oder
alternativ
das
Gefährlichkeitskriterium vorliegen muss. Dieses
Vorgehen findet sich in Dänemark, Finnland,
Griechenland, Irland, Portugal und Großbritannien.
Nur in wenigen nationalen Gesetzen existieren
Ausführungen zu bestimmten Diagnosen, bei
denen eine Zwangsunterbringung gerechtfertigt
ist. In Dänemark findet sich die Formulierung,
dass sich die gesetzlichen Regelungen auf
Psychosen oder psychische Erkrankungen vom
Schweregrad einer Psychose beziehen und in
einigen deutschen Landesunterbringungsgesetzen werden diagnostische Kategorien erwähnt,
allerdings in einer so allgemeinen Form, dass
eine Beschränkung der Zwangsunterbringung
auf bestimmte Krankheitsbilder nicht möglich ist.
Einen konkreten Bezug zu Diagnosen geben
das britische und das irische Gesetz im Hinblick
auf die Persönlichkeitsstörungen. In Irland ist
die Zwangsunterbringung bei dieser Diagnose
ausgeschlossen - in Großbritannien nur dann
erlaubt, wenn mit der Unterbringung eine Aussicht auf Besserung verbunden ist. In allen
anderen Ländern finden sich keine detaillierten
Ausführungen zu Diagnosen.
Neben dem regulären Standardverfahren der
Zwangsunterbringung sind mit Ausnahme von
Dänemark, Finnland und Irland in allen anderen
Ländern auch Notfallverfahren vorgesehen, die
einen verkürzten Ablauf und die Möglichkeit der
vorläufigen oder fürsorglichen Zurückhaltung
beinhalten. Die Zeitspannen der fürsorglichen
Zurückhaltungen variieren erheblich und reichen von 24 Stunden bis zu zehn Tagen. Die in
der Praxis in allen Ländern zahlenmäßig häufige Anwendung des Notfallverfahrens geht mit
einer Reduzierung des Schutzes der Patientenrechte einher. Aus der psychiatrischen Perspektive ist jedoch plausibel, dass Notfallverfahren
dominieren, da die Zwangseinweisung eine
ultima ratio der Krisenintervention ist. Zukünftige
Gesetzesreformen sollten sich deshalb stärker
auf die Notfalleinweisung konzentrieren und für
dieses Verfahren einen hinreichenden Schutz
der Patientenrechte gewährleisten.
Heterogen sind auch die Bestimmungen zur
ärztlichen Begutachtung. Bemerkenswert ist,
dass in sechs Ländern der EU das Zeugnis
eines Allgemeinarztes für eine Zwangseinweisung ausreichend sein kann. Eine Harmonisierung der europäischen Unterbringungsgesetze
hätte hier einen wichtigen Anknüpfungspunkt
zur Definition allgemeiner Qualitätsstandards.
Einige nationale Gesetze nehmen auch Stellung
zu
spezifischen
Behandlungsmaßnahmen.
Diese Bestimmungen sind ausgesprochen
heterogen und erscheinen mehr von Erwägungen politischer Korrektheit denn von Erfahrungen des psychiatrischen Alltags geprägt, etwa
wenn sich in fünf Ländern detaillierte Regelungen zur Psychochirurgie finden. Dagegen wird
die Behandlung mit Psychopharmaka nur in den
Gesetzen von vier Ländern angesprochen.
Auch die Regelungen für besondere Zwangsmaßnahmen wie z. B. Fixation und Isolation
während einer Unterbringung sind in den EU
Ländern unterschiedlich ausgestaltet. Nur in
fünf Ländern (Österreich, Dänemark, Deutschland, Niederlande und Schweden) finden sich
detaillierte Bestimmungen zu Situationen, in
denen der Einsatz solcher Maßnahmen gestattet ist - die übrigen Gesetze enthalten hierzu
keine Ausführungen.
Auch die Analyse der praktischen Durchführung
einer stationären Zwangsbehandlung ergibt
erhebliche Unterschiede zwischen den EU
Ländern. Die Tendenz zur Differenzierung der
früher üblichen Gleichsetzung von Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung bildet sich
bisher nicht in allen Mitgliedstaaten ab. Eine
grundsätzliche Unterscheidung von Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung findet sich
nur in den einschlägigen Gesetzen von Österreich, Dänemark, Deutschland, Luxemburg,
Niederlande, Schweden und Großbritannien,
die übrigen acht Mitgliedstaaten nehmen eine
solche explizite Trennung nicht vor.
Unterschiedlich sind auch die Bestimmungen
über die Anordnung der Zwangsunterbringung.
In Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland,
Griechenland, Italien, Niederlande, Portugal und
Spanien erfolgt die Anordnung der Zwangsunterbringung durch eine unabhängige, nicht
medizinische Instanz. In den restlichen Mitgliedstaaten verbleibt die Anordnung der Zwangsunterbringung innerhalb der medizinischen Verantwortung (Dänemark, Finnland, Irland, Luxemburg, Schweden und Großbritannien).
Die im Regelverfahren gesetzlich vorgesehene
Maximaldauer der Unterbringung variiert erheblich und reicht von sieben Tagen (Italien) bis zu
neun Monaten (Finnland).
Ein wichtiger Aspekt bei Zwangsunterbringungen ist die Nachbehandlung einschließlich
eventueller Möglichkeiten einer ambulanten
Zwangsbehandlung. Hier ergibt die Analyse ein
deutliches Defizit in den meisten nationalen
Gesetzen. Nur in sechs Ländern wird die
23
Weiterbehandlung nach Beendigung der
Zwangsunterbringung überhaupt und in eher
allgemeiner
Form
thematisiert
(Belgien,
Deutschland, Luxemburg, Portugal, Schweden,
Großbritannien). Die Gesetze sind also ganz auf
die stationäre Behandlung zentriert und reflektieren nicht das zunehmend geänderte Versorgungsangebot, in dem ambulante und teilstationäre Behandlung in der Gemeinde den Vorrang
vor stationären Behandlungsmaßnahmen hat.
Möglichkeiten einer ambulanten Zwangsbehandlung, die z. B. in den Gesetzen der USA
weit verbreitet sind, sehen nur vier EU Länder
vor (Belgien, Luxemburg, Portugal, Schweden).
Bezüglich der bei Zwangsunterbringungen
erhobenen Diagnosen zeigt sich in allen Ländern ein Überwiegen der diagnostischen Gruppen F0 bis F3 und darunter wiederum eine klare
Dominanz der schizophrenen Psychosen.
Hinsichtlich des Unterbringungskriteriums, der
über die Unterbringung entscheidenden Instanz
und der inneren rechtlichen Position des Patienten im Unterbringungsverfahren ergeben sich
bei der Diagnosenverteilung in den Ländergruppen keine signifikanten Unterschiede.
Bei der Geschlechtsverteilung ist auffällig, dass
sich in Ländern, die an der Behandlungsbedürftigkeit ausgerichtete Unterbringungskriterien haben, eine weitgehend ausgeglichene
Geschlechtsverteilung zwangsuntergebrachter
Patienten findet. Länder, in denen obligat das
Gefährlichkeitskriterium vorausgesetzt wird,
zeigen ein signifikantes Überwiegen der Männer.
Der internen rechtlichen Stellung des Patienten
im Zwangsunterbringungsverfahren wird in den
EU-Ländern zunehmend Beachtung geschenkt,
die gesetzlichen Regelungen sind aber auch
diesbezüglich noch recht heterogen. Nur in
sechs Ländern (Österreich, Belgien, Dänemark,
Irland, Niederlande, Portugal) hat der Patient
obligatorisch einen Rechtsbeistand während
des Verfahrens. Regelungen für Situationen, in
denen das Recht auf freie Kommunikation
eingeschränkt werden darf, existieren nur in fünf
Ländern und bezüglich potentieller Einschränkungen des Besuchsrechts verfügen nur sieben
Länder über detaillierte gesetzliche Bestimmungen. Das Fehlen gesetzlicher Vorschriften zu
diesen Aspekten bedeutet nicht, dass im praktischen Vollzug der Zwangsunterbringung solche
Grundrechte nicht doch vorübergehend eingeschränkt werden müssen. Zum besseren Schutz
der Patientenrechte wären diesbezüglich klare
Regelungen in allen EU Ländern wünschenswert.
Fazit
Alles in allem zeigt die Analyse, dass die gesetzlichen Regelungen und die Praxis der
Zwangsunterbringung in den EU-Mitgliedsländern ausgesprochen heterogen sind. Einfache Kategorisierungen der Regelungen etwa in
eine legalistische oder medizinische Ausgestaltung der Unterbringungsgesetze bilden die
Komplexität der Verhältnisse nur ungenügend
ab und können allenfalls einen Hinweis auf eine
gewisse Ausrichtung des Gesetzes geben.
Insbesondere ist auch eine unidirektionale
Beeinflussung der Praxis der Zwangsunterbringung durch Gesetze nicht anzunehmen. Neben
den gesetzlichen Regelungen der Zwangsunterbringung sind unterschiedliche nationale
Behandlungskulturen, unterschiedliche gesellschaftspolitische
Einstellungen
gegenüber
psychisch Kranken, der Ausbau des Versorgungssystems und auf regionaler Ebene auch
administrative Besonderheiten und Verfahrensabläufe und weitere Faktoren für die erheblichen Unterschiede in den Unterbringungsraten
und -quoten verantwortlich. Der Eu-weiten
Vereinheitlichung von Gesetzgebung und Praxis
stehen somit hohe Hürden entgegen.
Die Häufigkeit von Zwangsunterbringungen
variiert in den EU Ländern erheblich. Die jährlichen Unterbringungsraten (Episoden stationärer
Zwangsunterbringung pro 100.000 Einwohner)
reichen von 6 in Portugal bis 218 in Finnland.
Die Unterbringungsquoten (Anteil der Zwangseinweisungen an allen stationären Behandlungsepisoden) liegen in einer Spannweite von
3,2 % in Portugal bis zu 30 % in Schweden. In
einigen Ländern findet sich in den letzten Jahren eine Zunahme der Unterbringungsraten
(Deutschland, Frankreich, England, Österreich,
Finnland). Die Unterbringungsquoten zeigen
aber in diesen Ländern keinen signifikanten
Anstieg, so dass die gestiegenen Unterbringungsraten wesentlich durch veränderte Behandlungsstandards wie verkürzte Verweildauer
und häufigere Rehos-pitalisierungen mit Zunahme der Behandlungsepisoden insgesamt
erklärt werden können. Eine relative Zunahme
von Zwangseinweisungen war entgegen einschlägiger Publikationen, die aus gestiegenen
absoluten Unterbringungsraten auf eine Zunahme von Zwang in der Psychiatrie schließen,
in keinem Mitgliedstaat festzustellen.
Eine vergleichbare Studie über die gesetzlichen
Regelungen hinsichtlich der Unterbringung und
Behandlung psychisch kranker Straftäter in den
EU-Mitgliedstaaten wird gegenwärtig unter
Leitung der Autoren durchgeführt.
Harald Dreßing, Hans Joachim Salize
(Literatur bei den Autoren)
24
„Wieder-klar-denken-können“
Computergestütztes Training kognitiver Defizite bei schizophren Erkrankten
dieser Übungsaufgabe 40 Paare vorgegeben.
Bei der anschließenden Auswertung durch den
PC interessieren für die Beurteilung von Leistungsstand und Übungsfortschritt sowohl die
Anzahl richtiger Antworten als auch die Bearbeitungszeit. Beim zweiten Illustrationsbeispiel
geht es um Rechenfertigkeiten. Cogpack enthält
eine ganze Reihe von Rechenaufgaben in
unterschiedlicher Gestaltung. Hierzu gehört
auch das Kettenrechnen. Beispiel: "93 + 4 − 29
=.....". Der Proband soll die rechte Seite der
Gleichung ergänzen, also die Lösung angeben.
Nach der Eingabe erhält er umgehend optisch
und akustisch eine Rückmeldung im Sinne von
"richtig" bzw. "falsch". Bei diesem Übungsteil
werden 20 Einzelaufgaben vorgegeben. Wieder
interessieren bei der Auswertung die Anzahl
richtiger Antworten und die Bearbeitungszeit.
Keine technische Entwicklung hat unser Leben
während der letzten 10 bis 15 Jahre in dem
Maße geprägt, wie die Einführung des Computers. Auch im Bereich der Psychiatrie haben
diese Produkte ihren Einzug gehalten. Neben
einer vielfältigen Verwendung, ähnlich der in der
Organmedizin, stehen die Geräte hier für eine
spezielle Aufgabe zur Verfügung. Gemeint ist
ihr Einsatz in der psychiatrischen Behandlung
und Rehabilitation.
Die Idee
Mit Bezug auf diesen Einsatzbereich haben wir
in der Abteilung Evaluative Psychiatrie ein
computergestütztes Trainingsverfahren aufgebaut und evaluiert, das dazu beitragen soll,
krankheitsbedingte kognitive Defizite bei psychisch Kranken mit chronifizierten Verläufen
und hier insbesondere bei schizophrenen
Patienten zu reduzieren. In Hinblick auf das
Defizitspektrum dieser Patientengruppen sollte
ein Trainingsprogramm in Softwareform zur
Anwendung kommen, das mit einer größeren
Zahl unterschiedlicher Übungsaufgaben einen
breiten Bereich von Zielfunktionen anspricht.
Hierzu gehören: Aufmerksamkeit, Vigilanz,
Wahrnehmung, Reaktion, Gedächtnis, Konzeptbildung, Rechnen und logisches Denken.
Weiterhin sollte der Ablauf des PC-gestützten
Trainings auf den einzelnen Patienten abgestellt
werden. Im Sinne eines individualisierten Ansatzes wird daher bei bestehenden Defiziten in
einer bestimmten Übungsaufgabe gezielt, d. h.
über Aufgabenwiederholungen trainiert, während bei einer guten Leistung bereits während
des ersten Trainingsdurchgangs eine Aufgabe
nicht erneut vorgegeben wird.
In das von uns zusammengestellte Trainingsprogramm wurden insgesamt 70 Übungsaufgaben aus Cogpack aufgenommen. In Form von
sogenannten „Olbrich-Serien“ sind diese nach
dem Prinzip von Funktionswiederholung und
Schwierigkeitssteigerung aneinandergereiht. So
ist etwa die Funktion „Konzentration“ das vorrangige Trainingsziel in den 16 Aufgaben 1-3, 68, 29-31, 34-36, 58-59 und 62-63 der Gesamtserie. Dabei nimmt die Schwierigkeit der Bearbeitung von einer Aufgabengruppe zur nächsten
zu. Jede Übungsaufgabe wird unmittelbar nach
dem Training ausgewertet. Abhängig von der
Art der Aufgabe wird dabei die Güte der gezeigten Leistung als Prozentanteil richtiger Antworten bzw. die Bearbeitungszeit (als Perzentilwert
in Bezug auf vorhandene Standardwerte) ermittelt. Unter Berücksichtigung dieses Auswertungsergebnisses gestaltet sich der weitere
Trainingsablauf für diese Aufgabe wie folgt:
Die Umsetzung
Im Hinblick auf den genannten breiten Bereich
an Zielfunktionen haben wir als Übungsmaterial
unseres Trainingsprogramms das auf dem
Markt erhältliche Softwareprogramm „Cogpack“
von K. Marker herangezogen, da es eine Vielzahl von Aufgaben mit inhaltlich unterschiedlicher Ausrichtung enthält. Beispielhaft sollen
zwei Aufgaben aus Cogpack kurz dargestellt
werden:
•
•
•
Bei der Aufgabe "Vergleiche" hat der Proband
per Tastendruck zu entscheiden, ob es sich bei
einem auf dem Bildschirm dargestellten Paar
von Zeichen um identische (+ Taste) oder
disparate (− Taste) Elemente handelt. Beispiel:
"bddbdb" und "bddbdd". Bei einer falschen
Antwort erfolgt seitens des Computers akustisch
eine Fehlermeldung. Insgesamt werden bei
•
25
Im Falle eines Deckeneffekts (Prozentsatz
richtiger Antworten ≥ 90 bzw. Perzentilwert
≤ 30) wird die Übungsaufgabe nicht noch
einmal vorgegeben.
Unterhalb des Deckeneffekts wird die
Aufgabe in der nächsten Trainingssitzung
wiederholt.
Wir gehen von einem Übungsfortschritt aus,
wenn es jetzt zu einer Erhöhung des Prozentanteils (bzw. Verringerung des Perzentilwerts) um mindestens 10 Punkte kommt.
In diesem Fall wird für die betreffende Übungsaufgabe das Training beendet.
Bei fehlendem Übungsfortschritt wird die
Aufgabe in einer weiteren Trainingssitzung
erneut vorgegeben.
Der Trainingsablauf, den ein Patient in einer
Übungsaufgabe zeigt, wird in Protokollen festgehalten.
Trainingsergebnis für den Bereich der Gedächtnisfunktionen.
Tab. 1: Ergebnisse computergestützten
Trainings bei schizophren Erkrankten
Die Evaluation
Das hier beschriebene PC-gestützte kognitive
Training wurde am Zentralinstitut für Seelische
Gesundheit in Mannheim zunächst auf einer
Station mit vorwiegend schizophrenen Patienten mit chronischen Krankheitsverläufen eingesetzt. Es ist inzwischen Teil der Standardbehandlung für eine Reihe von Stationen. Das
Training findet im Gruppenformat in einem mit
vier Computern ausgerüsteten Arbeitsraum
statt. Pro Woche sind fünf Sitzungen von ca.
einer Stunde Dauer angesetzt. In einer Trainingssitzung steht die Bearbeitung von 4 bis 6
Übungsaufgaben an. Bei dieser Sitzungsfrequenz benötigt man - unter Berücksichtigung
von Aufgabenwiederholungen - für das Durchlaufen des gesamten Trainingsprogramms etwa
sechs Wochen. Nicht wenige Patienten beenden (aus unterschiedlichen Gründen) früher
ihren Klinikaufenthalt. Nach unseren Erfahrungen profitieren auch sie vom Training, sofern sie
mindestens ein Drittel der 70 Übungsaufgaben
der "Olbrich-Serie" absolviert haben.
Bei der
Evaluation des Trainingsansatzes
wurde von uns als Erfolgsmaß der Übungsfortschritt herangezogen, definiert als Verbesserung von mindestens 10 % (siehe oben) bei
erneuter Bearbeitung einer Übungsaufgabe. In
den Analysen wurden Übungsfortschritte getrennt für acht Funktionsbereiche ermittelt. Für
schizophren Erkrankte sind die Ergebnisse in
der folgenden Tabelle zusammengefasst. Dabei
ist z. B. der Wert für den Funktionsbereich
Konzentration so zu verstehen, dass von den
16 Aufgaben, die das Programm zu diesem
Bereich enthält, im Mittel 71 % einen Übungsfortschritt , d. h. Leistungsverbesserungen im
Zuge des Trainings der Patienten aufwiesen.
Funktionsbereich
Konzentration
Reaktion
Verarbeitungsleistung
Strategisches
Vorgehen
Gedächtnis
Rechnerische
Fertigkeiten
Logische Denken
Sprache
% Aufgaben (M)
mit Übungsfortschritt
71 %
81 %
69 %
Zahl (N)
ausgewerteter
Patienten
1463
1143
1143
nicht darstellbar
(Ausw.fehler)
55 %
71 %
1171
1028
899
84 %
68 %
720
381
Die Innovation
Das Innovative an der Einführung des Computers in das Training schizophren Erkrankter und
anderer psychiatrischer Patientengruppen ist
unseres Erachtens darin zu sehen, dass dieser
Ansatz einige spezifische Vorteile bietet, die
etwa die traditionellen Papier-Bleistift-Verfahren
nicht besitzen.
So hat der Therapeut am Ende einer Übungssitzung einen unmittelbaren und leichten Zugang zu den Trainingsergebnissen des Patienten. Auch ist es möglich, einzelne Übungsaufgaben inhaltlich und hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades zu modifizieren und so dem Defizitspektrum der Patienten besser anzupassen.
Des Weiteren entlastet der Computer den
Therapeuten, insbesondere in Gruppensitzungen bei der Trainingsdurchführung, weil er
einen Teil der Funktionen des Übungsleiters
übernehmen kann. Während des Trainings
kann das Gerät dem Patienten über den Bildschirm und auf akustischem Wege bei der
Bearbeitung einer Übungsaufgabe Hilfestellung
bieten, zur Adäquatheit seiner Antworten
Rückmeldungen geben und gegebenenfalls
dazu auffordern, mit dem Training fortzufahren.
Ein nicht zu unterschätzender Vorteil PCgestützter Verfahren betrifft schließlich den
Motivationsaspekt. Durch die Aufnahme von
Video-Spiel-Elementen in ein Softwareprogramm können Compliance und positive emotionale Prozesse wie Neugier und Vergnügen
erheblich gefördert werden. Ein therapeutisch
bedeutsamer Gesichtspunkt gerade bei Patienten mit einer schizophrenen Erkrankung, deren
Krankheitsbild häufig durch eine anhaltende
Anhedonie-Symptomatik geprägt ist.
Robert Olbrich
Die Tabelle enthält nicht nur Trainingsergebnisse des Zentralinstituts in Mannheim. Zahlreiche
psychiatrische Kliniken führen ein PC-gestütztes
kognitives Training mit dem von uns entwickelten, individualisierten Ansatz durch und haben
uns die Trainingsdaten ihrer Patienten zu Auswertungen zugesandt. Die Zahlen in der Tabelle
beziehen sich auf die Patienten mit der ICD-10
Diagnose einer Schizophrenie in unserem
Datenpool mit Stand August 2001. Zu diesem
Zeitpunkt war uns Datenmaterial aus etwa 110
psychiatrische Einrichtungen zugegangen.
Die Ergebnisse zeigen, dass es bei den schizophrenen Patienten in nahezu allen trainierten
Funktionsbereichen im Mittel zu Leistungsverbesserungen bei mehr als 2/3 der Übungsauf
gaben kam. Bemerkenswert, wenn auch nicht
unplausibel angesichts der Diagnose der Patienten, ist das vergleichsweise bescheidene
Das Projekt erhielt beim Lilly Schizophrenia
Awards 2002 den Ehrenpreis des Schwerpunkts
Kognition: „Wieder-klar-denkenkönnen“.
26
Was kommt nach der Klinik?
Die komplementäre psychiatrische Versorgung in Mannheim
Gemeindepsychiatrie, nach heutigem Verständnis definiert, meint Rehabilitation und spezifische (Re-)Integration von überwiegend chronisch psychisch erkrankten Menschen in der
Gemeinde. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus
der Tatsache, dass Personen mit psychischen
Erkrankungen oft Einbußen und Beeinträchtigungen ihrer Fähigkeiten erleiden, derentwegen
sie in unterschiedlichem Umfang und verschiedener Art der Unterstützung bedürfen. Außerdem sind sie immer noch stigmatisiert und der
Gefahr der Isolierung oder Ausgliederung aus
ihrem gewohnten Lebensumfeld ausgesetzt.
Ihrem berechtigten Verlangen nach Selbstbestimmung und nach Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft wird Rechnung getragen durch das
Vorhalten eines Hilfesystems, das ausreichende
Ressourcen in gut zugänglichen Diensten
umfasst.
Dieses Hilfs- und Unterstützungssystem wird
ganz überwiegend von nicht-ärztlichen Mitarbeitern getragen. Ärzte sind darin nur in geringer
Zahl und meist in beratender sowie koordinierender Funktion tätig. Therapie in kassenrechtlicher Form ist die Ausnahme. Die Betreuungsteams bestehen in wechselnder Zahl und Zusammensetzung u. a. aus Sozialarbeitern,
psychiatrischen Fachpflegekräften, Psychologen, Ergotherapeuten, Arbeitserziehern, Freizeit- und Familientherapeuten.
Betreutes Wohnen
Komplementäre Wohnformen sind ein Kernelement der psychiatrischen Versorgung für Menschen mit chronisch psychischen Störungen,
die ohne ein solches Angebot überwiegend in
klinischer Langzeitbetreuung verbleiben müssten und damit von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen wären. Im Verlauf
der Zeit haben sich strukturelle und organisatorische Differenzierungen entwickelt, die unterschiedliche Einschränkungen der Selbständigkeit und Abstufungen der Betreuungsintensität
berücksichtigen und sich gliedern lassen in:
• Therapeutische Wohnheime
- Übergangswohnheime
- Langzeitwohnheime
- (Außen-)Wohngruppen
• Therapeutische Wohngemeinschaften
• Betreutes Einzel- oder Paarwohnen
• Gastfamilien
• Pflegeheime
Die Abteilung Gemeindepsychiatrie, von Beginn
an in die Planung des ZI einbezogen, und dort
seit 1975 fest eingerichtet, beschäftigt sich
beratend und koordinierend mit der außerklinischen Versorgung psychisch kranker Menschen
in konkreter Praxis und evaluierender Forschung. Sie ist aus einer 1969 gebildeten
Arbeitsgruppe – damals die erste Einrichtung
dieser Art in der Bundesrepublik – hervorgegangen. Ihr Arbeitsfeld entspricht im Wesentlichen dem Auf- und Ausbau sowie der begleitenden Forschung der außerklinischen psychiatrischen Versorgung, dem sogenannten komplementären System. In diesem Artikel werden
die Versorgungsmöglichkeiten für erwachsene
psychiatrische Patienten beschrieben, deren
Krankheitsverlauf längerfristige fachliche Begleitung erfordert. Forschungsaspekte und das
Versorgungssystem von Personen mit Suchtkrankheiten sind nicht in die Darstellung einbezogen.
In therapeutischen Wohnheimen leben psychisch Kranke, die keine Behandlung mehr in
der Klinik brauchen, aber krankheitsbedingt
noch intensiver fachlicher Betreuung bedürfen.
Bei umfassender, aber nicht überversorgender
Hilfe, die tagsüber und zumeist auch während
der Nacht zur Verfügung steht, muss die Aufmerksamkeit aller in der Betreuung Tätigen
stets auf medizinische, soziale und berufliche
Rehabilitationspotenziale gerichtet sein. Wird
dieser Grundsatz vernachlässigt, so schwindet
das Ziel der Förderung von höchstmöglicher
Autonomie und Selbstversorgung zum Nachteil
des Betreuten aus dem Blickfeld.
Zeitgemäße Konzepte von Wohnheimen für
psychisch Kranke müssen personen- und nicht
einrichtungszentriert auf die Angleichung an
normale Lebensverhältnisse der psychisch
Gesunden ausgerichtet sein. So sind heute nur
noch Heimgrößen von 15 bis 30 Plätzen zu
vertreten, aufgeteilt in Untergruppen von 3 bis
maximal 8 Plätzen. Größere Einheiten erschweren oder verhindern ein Lebensumfeld, in dem
Komplementäre Einrichtungen und Dienste
Der komplementäre Bereich der psychiatrischen
Versorgung, der in seiner heutigen Ausformung
erst im Rahmen der Psychiatriereform der
letzten 30 Jahre entstanden ist, umfasst Einrichtungen, Fachdienste und Initiativen, die der
psychiatrischen Vor- und Nachsorge dienen. In
orientierender Übersicht handelt es sich um
• Betreutes Wohnen
• Arbeitsintegration
• Freizeitclubs und Tageszentren/
Tagesstätten
• Ambulante Beratung und Betreuung
• Sonstiges
27
Wohlbefinden und Zufriedenheit entstehen
können. Einzelzimmer und für alle nutzbare
Aufenthalts- und Wirtschaftsräume sind als
Standard zu fordern, ebenso Angebote für die
Einübung lebenspraktischer Fähigkeiten, die
Teilnahme am öffentlichen Leben, Möglichkeiten von Arbeit oder Beschäftigung sowie von
Freizeitgestaltung. Milieu und Unterstützung im
Wohnheim dienen der Vorbeugung sozialer
Isolation. Sie sollen die Verbindung zum kommunalen Leben erhalten oder herbeiführen und
eine Stabilisierung der Lebensverhältnisse, die
Zunahme von Selbstbestimmung und eine
Verbesserung der persönlichen Lebensqualität
fördern.
rung in der Rekrutierung von sogenannten
Gastfamilien gefunden. Es ist ein meist von
einem Familienpflegeteam einer psychiatrischen
Klinik begleitetes Versorgungsmodell, das
bisher nur an einzelnen Standorten verwirklicht
wurde.
Therapeutische Wohnheime als Oberbegriff
sind in Übergangswohnheime mit mittelfristiger
Aufenthaltsdauer (1 bis etwa 5 Jahre) und
Langzeitwohnheime aufgeteilt. Letztere, eingerichtet für Personen mit eingeschränktem Rehabilitationspotenzial oder wenig günstigem
Entwicklungsverlauf der Erkrankung, bieten,
wenn erforderlich, einen lebenslangen Aufenthaltsort, an dem ohne zeitlichen Druck und
ohne überfordernde Therapieprogramme noch
Lernerfahrungen und Lebensentfaltung stattfinden können.
Entwickeln sich die Fähigkeiten zu autonomer
Lebensführung nur unvollständig oder in Teilschritten, bieten sogenannte Außenwohngruppen mit geringerem fachlichen Betreuungsumfang ein passendes Umfeld. Der Bezug besteht
institutionell noch zum Heim, die Art der Lebensführung ähnelt aber mehr der in einer
Wohngemeinschaft.
Arbeitsintegration und Integrationsfachdienst
Generell gilt, dass der Aufbau einer komplementären Versorgung im Arbeitsbereich bisher
wenig zureichend gelungen ist. Diese ungünstige Situation hat sich noch durch eine Verschlechterung der Wirtschaftslage und Veränderungen der Arbeitsabläufe in Richtung größerer Komplexität verschärft. Dabei und daher
sind psychisch Kranke überdurchschnittlich oft
arbeitslos und schwer zu vermitteln. Wie im
Wohnbereich gibt es auch im Arbeitsbereich
unterschiedliche Formen von Angeboten, die
sich gliedern lassen in:
• Werkstatt für behinderte Menschen
• Selbsthilfefirmen/Integrationsfirmen
• Zuverdienstprojekte
• Rehabilitationseinrichtung für psychisch
Kranke
Die größte Zahl langfristiger Arbeits- und Beschäftigungsangebote auf dem geschützten
Arbeitsmarkt findet sich in Werkstätten für
Menschen mit Behinderung. Die ehemalige
Bezeichnung „Werkstatt für Behinderte (WfB)“
ist 2001 mit Wirkung des SGB IX in „Werkstatt
für behinderte Menschen (WfbM)“ umbenannt
worden.
Die WfbM ist eine Einrichtung zur Eingliederung
Behinderter in das Arbeitsleben. Zur Erfüllung
dieses Auftrags ist sie in einen Eingangs- und
Berufsbildungsbereich sowie einen Arbeitsbereich unterteilt. Außerdem stehen begleitende
psychosoziale und psychiatrisch-krankenpflegerische Dienste zur Verfügung, deren Mitarbeiter
sich um krankheits- und behindertenabhängige
Sonderbelange der Werkstattbeschäftigten
kümmern.
In Mannheim gibt es 145 Plätze in 5 Therapeutischen Wohnheimen, 30 Plätze in Wohngemeinschaften und 80 Plätze in Apartments oder
eigener Wohnung. Die Abteilung Gemeindepsychiatrie berät bei Aufnahme und Betreuung in
allen Einrichtungen des betreuten Wohnen und
hat die Fachverantwortung für 20 Plätze in
Wohngemeinschaften und eigener Wohnung.
Therapeutische
Wohngemeinschaften
und
betreutes Einzel- und Paarwohnen sind für
psychisch kranke Menschen vorgesehen, die
ihren Lebensbereich zwar weitgehend selbständig gestalten können, aber immer noch in
unterschiedlichem Ausmaß der psychosozialen
(Nach-)Betreuung bedürfen. Inhalte der Betreuung sind persönliche Hilfen bei der Krankheitsbewältigung, bei Konfliktlösungen und Unterstützung im Bereich der Arbeit, der Aus- und
Fortbildung sowie der Freizeit. Das Ziel der auf
durchschnittlich ein bis drei Jahre angelegten
Betreuung durch Fachkräfte – meistens Sozialarbeiter/-pädagogen und psychiatrische Fachpflegekräfte besteht in einer Förderung der
sozialen und beruflichen Eingliederung. In
Wohngemeinschaften leben drei bis fünf Personen im eigenen Zimmer, Küche und Sanitärbereich werden gemeinsam genutzt. Betreutes
Einzel- und Paarwohnen ist für solche Personen
geeignet, für die das Leben in einer Gruppe
eine Überforderung darstellt oder die allein
leben wollen.
Die WfbM erfüllt zwei Funktionen. Erstens dient
sie mit dem Berufsbildungsbereich der beruflichen Rehabilitation. Zweitens ermöglicht sie
durch den sich zeitlich anschließenden Arbeitsbereich vielen behinderten Menschen eine
langjährige Teilnahme an der Arbeitswelt, von
der sie ohne WfbM ausgeschlossen wären.
Ist nach Absolvierung des Berufsbildungsbereichs eine Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt oder in eine weiterführende berufliche
Das Anfang des 20. Jahrhunderts intensivierte
Prinzip der Familienpflege hat seine Erneue28
Trainingsmaßnahme oder Ausbildung, z. B in
einem Berufsförderungswerk, nicht möglich,
kann der Behinderte auf einen Dauerarbeitsplatz in den Arbeitsbereich wechseln. Die
monatliche Grund-Entlohnung ist vielfach gering
(meist zwischen 50 und 200 Euro), so dass oft
noch Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem
Bundessozialhilfegesetz erforderlich ist. Der
Behinderte erwirbt sich allerdings einen Anspruch auf Altersrente. Primär wurden in den
Werkstätten geistig Behinderte beschäftigt, seit
den 80er Jahren sind für psychisch Behinderte
eigene Zweigstellen oder eigene Werkstätten,
vor allem in Ballungsgebieten, aufgebaut.
ineinandergreifende Kostenübernahme durch
Krankenkasse, Rentenversicherung und Arbeitsverwaltung. Das Antragsverfahren und die
auf ein bis zwei Jahre begrenzte Rehabilitationsdauer sind an ein aufwändiges Gutachtenverfahren und Berichtwesen mit günstiger
Ergebnisprognose gebunden. Hiermit limitieren
enge Zugangskriterien die Möglichkeit der
Inanspruchnahme für einen erheblichen Teil
psychiatrischer Langzeitpatienten. Immerhin ist
mit der RPK erstmals die Finanzierung der
Rehabilitation für psychisch Kranke sozialrechtlich der Rehabilitation somatisch Kranker angeglichen.
Ein Angebot, das dem freien Arbeitsmarkt noch
am nächsten steht, sind Selbsthilfefirmen, heute
häufig als Integrationsfirmen bezeichnet. Ihr Ziel
ist es, für psychisch Kranke Arbeitsplätze mit
branchenüblichem Tariflohn zu schaffen, wobei
jedoch Rücksicht auf individuelle Belastungsgrenzen zu nehmen ist. Diese Beschäftigungsform ist für solche Personen geeignet, die in
einer Werkstatt für behinderte Menschen unterund auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überfordert sind.
In Mannheim gibt es seit 1996 zehn solcher
RPK-Plätze, die in ein Übergangswohnheim
integriert sind. Die ärztliche Leitung der RPK
liegt in den Händen der Abteilung Gemeindepsychiatrie. Des Weiteren gibt es eine Werkstatt
für psychisch behinderte Menschen und eine
Selbsthilfefirma. Die Abteilung Gemeindepsychiatrie berät den Sozialdienst der WfbM bei der
Betreuung der Rehabilitanden und ist Mitglied
im Fachbeirat der Selbsthilfefirma und der
WfbM.
Zuverdienstprojekte, wie beispielsweise Entrümpelungsdienste oder Secondhandläden,
ermöglichen psychisch behinderten Menschen,
ihr häufig geringes Einkommen durch stundenweisen Arbeitseinsatz etwas aufzubessern.
Neben dem materiellen Anreiz sind solche
Beschäftigungen oft eine wichtige Hilfe zur
sinngebenden Tagesstrukturierung und Förderung sozialer Kontakte. Sie lassen sich aber
auch als Vorbereitung oder zur Überbrückung
von Wartezeit auf berufliche Rehabilitationsmaßnahmen nutzen.
Freizeitclubs und Tageszentren/Tagesstätten
Für Freizeitclubs existieren unterschiedliche
Bezeichnungen, die geschichtlich oder aus
bestimmter Sicht ableitbar sind. Am häufigsten
ist immer noch die Bezeichnung ‚Patientenclubs’ zu finden, obwohl die Besucher sich an
diesem Ort selbst nicht als Klienten/Patienten
erleben und meistens die Freizeitgestaltung
Hauptinhalt der Treffen ist, weshalb hier die
Bezeichnung Freizeitclub gewählt wird. Der
Ausdruck Kontaktclub ist missverständlich und
weniger gebräuchlich, obwohl gesellige Begegnung ein weiteres Hauptanliegen der Besucher
ist. Freizeitclubs, meist jede Woche oder alle
vierzehn Tage zu fester Zeit für ein bis drei
Stunden geöffnet, sind seit den 60er Jahren an
vielen Orten verwirklicht. In geselliger Runde
und freiwilliger Teilnahme bieten sie ohne viel
professionelle Eingriffe, oft tatkräftig und aktivierend unterstützt von Bürgerhelfern, einen schützenden Ort der freien Aussprache, des Verständnisses und der Hilfe füreinander und ein
Übungsfeld sozialen Verhaltens. Wenn gewünscht, können sich die Clubbesucher von
einem Sozialarbeiter, Psychologen oder Arzt
beraten lassen. Der Club hat engere Verbindung zum normalen Leben als zu psychiatrischen Institutionen und fördert die Teilhabe an
Geselligkeit, gelegentlich auch die Integration in
die Gemeinde. Träger der Clubs sind oft psychosoziale Hilfsvereine oder Selbsthilfeinitiativen.
1986 schuf die Bundesarbeitsgemeinschaft für
Rehabilitation als Zusammenschluss der
Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger
die
Empfehlungsvereinbarung
Rehabilitationseinrichtung für psychisch Kranke
und Behinderte (RPK). Durch sie soll der
Mangel eines geeigneten Angebots für die
Arbeitsintegration chronisch psychisch Kranker
und Behinderter verringert werden. Die
Verbindlichkeit der Vereinbarung der RPK ist
gering, da sie gesetzlich nicht verankert ist.
Modellhaft sollte in jedem Bundesland eine
derartige Einrichtung mit 50 Plätzen entstehen,
bisher ist es aber nur in acht Bundesländern zu
solchen Einrichtungen gekommen. Mittlerweile
sind verstreut jedoch auch kleinere Abteilungen,
teilweise auch mit ambulanten Plätzen ausgestattet, aufgebaut, womit die Forderung eines
gemeindenahen Angebots etwas stärker
berücksichtigt ist. Insgesamt beläuft sich die
Zahl der RPK-Plätze in der gesamten
Bundesrepublik auf ca. 800. Das RPK-Konzept
enthält eine Vernetzung medizinischer und
beruflicher
Rehabilitation
sowie
eine
Für Tagesstätten oder Tageszentren, in die
Freizeitclubs integriert sein können, ist die
Finanzierung in den deutschen Bundesländern
29
unterschiedlich geregelt und damit auch die
Palette ihrer Angebote. Die Notwendigkeit von
Tagesstätten wird allgemein akzeptiert. Sie ist
insbesondere für solche Kranke wichtig, die
alleine, bei Angehörigen oder auch in betreuten
Wohngemeinschaften
ohne
Beschäftigung
leben. Für diesen Personenkreis besteht bei
mangelnder Aktivierung und fehlender Außenanregung die Gefahr einer zunehmenden
Isolierung mit der möglichen Folge einer Zustandsverschlechterung und Notwendigkeit der
(Re-)Hospitalisierung. Eine festgelegte Organisationsstruktur von Tagesstätten mit einheitlichem Angebot gibt es nicht. In Abhängigkeit
regionaler Unterschiede wird auch eine völlige
Übereinstimmung solcher Einrichtungen weder
notwendig noch wünschenswert sein. Psychiatrische Tagesstätten unterstehen dem Prinzip
der Offenheit und der leichten, möglichst kostenfreien Zugänglichkeit für alle psychiatrisch
erkrankten Personen, außer es liegt ein Suchtleiden vor. In der Realität hat sich herausgestellt, dass es ein Angebot ist, das vor allem von
chronisch psychisch Kranken in Anspruch
genommen wird. Eine regelmäßige Teilnahme,
auch wenn sie im Auge zu behalten ist, sollte
nicht zwingend sein. Allerdings sollten Tagesstätten wenigstens an allen Werktagen durchgängig und für einige Stunden möglichst auch
an Wochenenden und Feiertagen geöffnet sein.
Die Kontakt-, Beratungs- und Betreuungsangebote sollen für psychisch Kranke und Behinderte leicht zugänglich sein und möglichst tagsüber
und auch nachts zur Verfügung stehen. Das
sozialpsychiatrische Zentrum ist als Antwort auf
die Notwendigkeit einer krankenorientierten
außerstationären Versorgung durch Fachpersonal zu verstehen. Die ärztliche Versorgung
erfolgt gesondert.
In Mannheim gibt es eine Tagesstätte mit zwei
Standorten in Mannheim-Mitte und MannheimSüd sowie fünf Freizeitclubs für verschiedene
Altersstufen. Die Abteilung Gemeindepsychiatrie bietet in Kooperation mit der Tagesstätte
Mannheim-Mitte einen „Sonntag-Brunch“ an
und hat die Fachverantwortung für vier Freizeitclubs und die darin tätigen freiwilligen Bürgerhelferinnen.
Ambulante Beratung und Betreuung
Ein allein für psychisch kranke und behinderte
Menschen geschaffener Fachdienst ist der
Sozialpsychiatrische Dienst, der allerdings in
den einzelnen Bundsländern unterschiedlich
aufgebaut und organisiert ist. Die Aufgaben
umfassen das Angebot sozialer Hilfe und nachgehender sowie vorbeugender und aufsuchender Betreuung psychisch kranker und behinderter Menschen. In einigen Diensten gehört ein
Arzt zum multiprofessionellen Team, das sich
ansonsten aus Sozialarbeitern, wahlweise
psychiatrischen Krankenpflegekräften und/oder
Psychologen zusammensetzt. In den nördlichen
Bundesländern sind die Sozialpsychiatrischen
Dienste Teil des öffentlichen Gesundheitswesens, damit steuerfinanziert und meist den
Gesundheitsämtern zugeordnet. In den südlichen Bundesländern haben die Sozialpsychiatrischen Dienste eigene Träger - oft sind dies
Wohlfahrtsverbände – und hauptsächlich den
Charakter von psychiatrischen Spezialdiensten,
überwiegend unter der Leitung der Berufsgruppe der Sozialarbeiter/-pädagogen. Ärzte in
Diensten an Gesundheitsämtern sind häufig mit
Begutachtungen in Unterbringungsverfahren
nach dem PsychKG des jeweiligen Bundeslandes betraut. Zur Durchführung medizinischer
Behandlungsleistungen sind Ärzte grundsätzlich
in keiner der verschiedenen Organisationsformen berechtigt, wohl aber zur Beratung, Information und Entwicklung von Lösungsvorschlägen von Problemen und Krisen, die aus psychischen Erkrankungen erwachsen.
In Mannheim ist ein Vertreter der Abteilung
Gemeindepsychiatrie Mitglied im Vorstand des
Sozialpsychiatrischen Dienstes.
Das Angebotsspektrum reicht vom alleinigen
Freizeitclub bis zu einer Skala differenzierter
Aktivitäten, die auch Arbeitsangebote und eine
umfassende Einbeziehung der Bürgerhilfe
enthalten.
Unerlässliche Elemente einer Tagesstätte sind:
• Hilfen zur Alltagsgestaltung und Tagesstrukturierung,
• Hilfen zum Erhalt und Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen,
• Arbeits- und beschäftigungstherapeutische
Angebote,
• Hilfen zur Sicherung rechtlicher und materieller Ansprüche.
Bezüglich personeller Ausstattung sollten neben
professionellen Betreuern freiwillige Helfer mit
dem Einsatzschwerpunkt im aktivierenden und
kommunikativen Bereich vertreten sein.
Mit der Tagesstätte sind die Begriffe sozialpsychiatrisches, psychosoziales oder gemeindepsychiatrisches Zentrum verbunden. Das sozialpsychiatrische Zentrum ist in seiner theoretischen Konzeption mit einer Beratungs- und
Betreuungsfunktion ein umfassendes Gebilde,
das eigene Bausteine enthält, die örtlich versammelt oder auch räumlich voneinander
getrennt ihren Standort haben können.
Sonstiges
Zur
gemeindepsychiatrischen
Versorgung
gehören noch viele regionale und lokale Angebote, deren Einzeldarstellung den gegeben
Rahmen überschreiten würden. Zur Orientie-
Bei diesen Bausteinen handelt es sich um
Kontakt- und Beratungsstellen, Tagesstätten
sowie Initiativen im Bereich Wohnen und Arbeit.
30
rung sind Verbindungen zu kommunalen Ämtern (z. B. Sozialdezernat/Sozialamt) und Behörden (z. B. Betreuungsbehörde, Vormundschaftsgericht) wie auch die Zugehörigkeit zu
(Förder-)Vereinen und verschiedenen Gremien
(z. B. Sitz in Beiräten) zu nennen. Wichtig sind
konstruktive Kontakte zu Psychiatrischen Kliniken und den Niedergelassenen Nervenärzten.
Nicht flächendeckend, aber an vielen Orten gibt
es Selbsthilfegruppen für Psychiatrie-Erfahrene
und Angehörige, Psychoseseminare und Patientenfürsprecher oder Beschwerdestellen. In
Mannheim sind alle aufgeführten Angebote
vorhanden.
Der Sucht auf der Spur
Biochip-Untersuchungen bieten erste
Hinweise auf Kandidatengene
Sucht ist eine komplexe Erkrankung mit einer
starken genetischen Komponente. Wir gehen
davon aus, dass die Alkoholabhängigkeit eine
polygenetische Erkrankung ist, bei der also
nicht nur ein einzelnes Gen, sondern eine
Vielzahl von Genen zum Krankheitsverlauf
beitragen. Fragt man Suchtforscher nach ihrer
Meinung, wie viel Gene letztendlich bei der
Ätiologie von Suchterkrankungen involviert sind,
reichen die Schätzungen von 30 bis 150 Gene.
Wie kann die Forschung heute diese Kandidatengene identifizieren?
Schlussbemerkung
In den letzten Jahren ist eine Verlagerung der
Sichtweise von der institutionszentrierten zur
personenzentrierten Versorgung in Gang gekommen, deren praktische Umsetzung, bedingt
durch unterschiedliche Problembereiche, allerdings auf erhebliche Schwierigkeiten stößt.
Beteiligt sind hieran vor allem sozialpsychiatrisch versierte Fachleute im Austausch mit
Angehörigen und psychiatrischen Langzeitpatienten, von denen sich ein Teil selbst als Psychiatrie-Erfahrene bezeichnen. Mit dieser Benennung drücken sie ihre eigene Kompetenz
hinsichtlich ihrer psychischer Störungen und
den in der Psychiatrie gewonnenen Erfahrungen aus. Gelingt ein respektvoller Umgang der
in der Psychiatrie Tätigen mit den Erkrankten
und deren Angehörigen, resultiert daraus eine
Wendung von einer früher eher paternalistischen zu einer heute eher Autonomie achtenden Haltung. In Verbindung mit diesem Wechsel ist verständlich, dass sich zunehmend
Betroffene wie Kunden in einem Dienstleistungssystem bewegen möchten. Grundsätzlich
ist eine Entwicklung der Versorgung, zu der die
erkrankte Person und ihre Angehörigen Stellung
nehmen und Vorstellung äußern können zu
begrüßen. Eine platte Analogie zum Prinzip
Kunde-Dienstleistung greift aber zu kurz, denn
bei den meisten versorgungsbezogenen Aktivitäten geht es nicht allein um die Weitergabe von
Sachkompetenz, sondern auch um den Aufbau
einer Beziehung. Nur wenn diese grundsätzlich
positive Qualität gewinnt, sind günstige Folgen
zu erwarten. Auch die Meinung „Betroffene“
haben von vornherein mehr recht als „irgendwelche Experten“ verhindert eine Kooperation,
in der die Beteiligten zu einer gemeinsam
anerkannten Position kommen.
Neben dem klassischen, hypothesengeleiteten
Ansatz, der seit einigen Jahrzehnten in dem
Suchtforschungsbereich verfolgt wird, kam
durch die Entschlüsselung des menschlichen
Genoms (als Genom bezeichnet man die Gesamtheit aller Gene eines Organismus), aber
auch der Genome unterschiedlicher Tierspezies, eine neue Dimension zur Identifikation von
sogenannten Kandidatengenen in Betracht.
Man kann heute in einem hypothesenfreien
Ansatz im Tiermodell mit modernen molekulargenetischen Methoden Kandidatengene identifizieren. Ein Ansatz, der in vielen Laboratorien
weltweit zur Zeit benutzt wird sind Biochips.
Was ist ein Biochip?
Peter Gebicke-Härter hat bereits in der ZI
Information aktuell 2/2001 über den Einsatz von
DNA Chips bei psychiatrischen Erkrankungen
berichtet. Ein Biochip ist eine kleine Glasplatte,
z. B in Form eines Objektträgers, auf dem kleine
Tropfen einer DNA-Lösung aufgebracht werden.
Jeder einzelne Tropfen enthält Moleküle von
nur einer ganz bestimmten DNA. Diese DNA
repräsentiert ein Teilstück eines bestimmten
Transkripts, also letztendlich eines bestimmten
Gens und dient als Sonde. Ein Chip ist mit
vielen Tausenden dieser verschiedenen DNASonden bestückt und erkennt somit eine Vielzahl von Genen. Der Chip wird für ein Hybridisierungsexperiment eingesetzt. Dabei lagern
sich sogenannte „copy“-DNAs (cDNA) an die
exakt passenden Sonden auf dem Chip. Zu
diesem Zweck ist es nötig, die Gesamtheit aller
Transkripte aus erkranktem und gesundem
Gewebe zu isolieren und in cDNAs umzuschreiben. Auf einem Chip werden dann die cDNAs
von zwei zu untersuchenden Proben aufgebracht. Die eine Probe stammt z. B. von einem
gesunden (Kontroll-)Individuum (Versuchstier),
während die zweite Probe dem Hirn eines
erkrankten (z. B. alkoholabhängigen) Ver-
Burkhardt Voges, Jens Bullenkamp
31
einem anderen, deutlich kostengünstigeren
Verfahren herzustellen. Damit steht die Affymetrix-Chiptechnologie als Serviceplattform
anderen Arbeitsgruppen des Instituts zur Verfügung.
Rainer Spanagel, Peter Gebicke-Haerter
suchstiers entnommen wird. Die cDNAs aus
beiden Proben werden mit unterschiedlichen
Fluoreszenzfarbstoffen markiert. Nach Bindung
(Hybridisierung) dieser gefärbten DNAs an die
Sonden auf dem Chip kann man durch Sichtbarmachung (Scanning) der Farbstoffe ein
Muster aufleuchtender Sonden erkennen. Das
Muster, das sich beim Scanning des einen
Farbstoffs zeigt, unterscheidet sich hier und da
vom Muster, das beim Scanning des anderen
Farbstoffs sichtbar wird. Diese Unterschiede
geben Hinweise auf die Gene, die in dem
suchterkrankten Hirn hoch bzw. herunterreguliert sind.
Autorinnen und Autoren
Dr. Jens Bullenkamp ([email protected]), Stellvertr. Leiter der Abteilung
Gemeindepsychiatrie
Dr. Bernhard Croissant ([email protected]), komm. Ltd. Oberarzt der Klinik
für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin
Seit zwei Jahren benutzen wir diese Technik in
der Abteilung Psychopharmakologie um Kandidatengene bei Alkoholabhängigkeit zu identifizieren. Im Rahmen seiner Doktorarbeit hat
Fernando Leonardi die sogenannte AffymetrixChiptechnologie am ZI etabliert und die genomische Antwort nach freiwilliger Alkoholaufnahme in Ratten bestimmt. Das Gewebematerial stammte von verschiedenen alkoholpräferierenden Ratten-Zuchtlinien die über ein Jahr die
freie Wahl zwischen Wasser und verschieden
konzentrierten Alkohollösungen hatten. Es
wurden Gehirnproben von diesen alkoholabhängigen Ratten entnommen und die genomischen Veränderungen im Vergleich zu gesunden Tieren mit Hilfe der Affymetrix-Chips identifiziert. Die jetzt vorliegenden Ergebnisse müssen noch mit quantitativer PCR abgesichert
werden. Sobald das Projekt abgeschlossen und
in einem internationalen Fachjournal veröffentlicht ist, wird auch hier im ZI aktuell über die
Ergebnisse berichtet. Soviel jedoch vorweg: es
zeigt sich, dass die Gene, die in den verschiedenen alkoholpräferierenden Rattenlinien im
Vergleich zu den Kontrolltieren herauf- oder
herunterreguliert sind, nicht identisch sind.
Zudem findet man unterschiedliche Expressionsmuster nach freiwilligem Alkoholkonsum,
wenn man verschiedene Hirnregionen separat
untersucht. Diese Ergebnisse untermauern die
Vorstellung, dass Alkoholabhängigkeit einzelne
Bereiche des Gehirns in unterschiedlicher
Weise erfasst, und dass sie durch unterschiedliche Genotypen verursacht werden kann.
Die Affymetrix-Chiptechnologie ist als „state-ofthe-art“-Technologie sowohl im Humanbereich
(z.B. in post-mortem Gewebe), als auch in
Maus- und Ratten-Untersuchungen ideal einsetzbar. Es handelt sich aber um ein sehr
teueres Verfahren. Pro Chip fallen Kosten um
die 800 € an, aussagekräftige Experimente
können daher leicht einen fünfstelligen Eurobetrag kosten. Angesichts dieser Situation hat die
Abteilung Psychopharmakologie die Voraussetzungen geschaffen, selbst DNA-Chips nach
Priv.-Doz. Dr. Harald Dreßing ([email protected]), Leiter des Bereichs Forensische
Psychiatrie
Prof. Dr. Peter Gebicke-Haerter ([email protected]), Wissenschaftlicher Mitarbeiter
der Abteilung Psychopharmakologie
Dr. Peter Hofmann ([email protected]), Oberarzt der Klinik für Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin
Johanna Hohmeister ([email protected]), Wissenschaftliche Mitarbeiterin
am Lehrstuhl für Neuropsychologie
Dr. Petra Hubrich ([email protected]),
Koordination Kompetenznetz Demenzen
Dr. Manfred Laucht ([email protected]),
Leiter der Arbeitsgruppe Neuropsychologie des
Kindes- und Jugendalters
Dipl.-Psych. Sabine Löber ([email protected]), Wissenschaftliche Mitarbeiterin
der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin
Dr. Athanasios Maras ([email protected]), Wissenschaftlicher Mitarbeiter
der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
des Kindes- und Jugendalters
Prof. Dr. Robert Olbrich, emeritiert
Priv.-Doz. Dr. Hans J. Salize ([email protected]), Leiter der Arbeitsgruppe Versorgungsforschung
Prof. Dr. Rainer Spanagel ([email protected]), Leiter der Abteilung Psychopharmakologie
Dr. Dipl.-Psych. Kati Thieme ([email protected]), Wissenschaftliche Mitarbeiterin
der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
des Kindes- und Jugendalters
cand. psych. Patricia Trautmann-Villalba ([email protected]), ehemals Arbeitsgruppe
Neuropsychologie des Kindes- und Jugendalters
Priv.-Doz. Dr. Burkhardt Voges ([email protected]), Leiter der Abteilung Gemeindepsychiatrie
Dipl.-Psych. Katrin Zohsel ([email protected]), Wissenschaftliche Mitarbeiterin
des Lehrstuhls für Neuropsychologie
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