ZKZ 30088 www.sparkasse.de Heft 6 | Dezember 2016 / Januar 2017 ÖSTERREICH Attraktiver Standort vor der Haustür ARGENTINIEN Mit neuer Politik zu mehr Wachstum SAMBIA Aufstrebender Musterschüler aus Afrika Das Magazin der Sparkassen-Finanzgruppe für internationale Märkte INDIEN MIT TEMPO IN DIE ZUKUNFT Indien vereint Tradition und Moderne – und dank kluger Reformen wächst die Wirtschaft des Landes enorm. Eine Schwesterzeitschrift von PROFITS, dem Unternehmermagazin der Sparkassen-Finanzgruppe EDITORIAL Wachstumsmotor Indien 2017 wird ein spannendes Jahr für die Weltwirtschaft. Die Karten diesseits und jenseits des Atlantiks werden gerade neu gemischt. Noch ist offen, was der Weltwirtschaft daraus an Impulsen und Hindernissen erwächst. Wird der neue US-Präsident Donald Trump eine protektionistischere Politik machen als Barack Obama? Immerhin sind die USA Deutschlands wichtigster Exportmarkt. Mehr als 1,5 Millionen deutsche Jobs hängen am US-Geschäft. Spannend wird auch, welchen Brexit-Kurs die britische Premierministerin Theresa May verfolgt. Und wird die EU das Embargo gegen Russland lockern? Belebende Impulse täten der Weltwirtschaft gut. Laut der WelthandelsThomas Stoll, Chefredakteur [email protected] organisation WTO ist der globale Handel 2016 so langsam gewachsen wie seit 2009 nicht mehr. Doch es gibt auch noch Wachstumsmotoren, zum Beispiel Indien. Der Internationale Währungsfonds IWF erwartet für den Subkontinent 2017 ein Plus von 7,5 Prozent – kein anderes größeres Schwellenland kann da mithalten. Und das ist erst der Anfang: Indiens Regierung macht Ernst mit wichtigen Reformen. An erster Stelle steht eine neue landesweite Steuer, die den bunten Flickenteppich an regionalen und lokal erhobenen Steuern weitgehend ersetzen soll. Auf diese Weise erhält Indien endlich einen seit Jahrzehnten überfälligen Binnenmarkt. Zudem wirbt die Regierung eifrig mit attraktiven Konditionen um deutsche Mittelständler. In unserer Titelstory stellen wir ab Seite 10 diese Entwicklungen vor. Sparkassenkunden sind beim Markteintritt in Indien nicht auf sich allein gestellt. Wir begleiten Sie bei Ihrem Engagement. Unsere Experten im S-CountryDesk und vor Ort im German Centre von BayernLB und LBBW in Delhi warten auf Sie. Sprechen Sie uns einfach an! Eine gewinnbringende Lektüre wünscht Thomas Stoll 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 3 6|2016 In Indien sind robuste Lkw wie die von Daimler im Moment sehr gefragt. Kein Wunder, denn das Wirtschaftswachstum des Subkontinents ist enorm. [Seite 10] 6|2016 Alpines Büro. Österreich bemüht sich um innovative Firmen und Startups. [Seite 16] INHALT NAMEN & NACHRICHTEN 6 Trump schafft Unsicherheit Der Wahlsieg von Donald Trump könnte sich negativ auf die USKonjunktur und den bilateralen Handel auswirken. 7 Teurere Büros in Stockholm Während die Mietpreise in London und Istanbul sinken, werden Büros in Stockholm teurer. 8 Die Politik schafft Fakten Die Wirtschaftskrise in den meisten Ländern der GUS-Region klingt zwar ab, doch der politische Einfluss Russlands nimmt stark zu. RUBRIKEN 3 Editorial 5 Impressum 50 Kolumne Interkulturelles 4 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 TITELGESCHICHTE 10 Vorturner der Nation Indien, das Land des wirtschaftsfreundlichen Premiers Narendra Modi, glänzt mit den höchsten Wachstumsraten unter allen größeren Schwellenländern. Nun hofft der boomende Subkontinent auf eine umfassende Steuerreform. LÄNDER & REGIONEN 16 Arbeiten in den Bergen Österreich lockt neben Startups auch forschungsintensive Firmen an, denen attraktive steuerliche Anreize winken. 19 Bolívars traurige Erben Im aktuellen Bonitätsranking des US-Fachmagazins „Institutional Investor“ ist Venezuela einer der großen Verlierer. 20 Ungleiche Nachbarn Der Südkaukasus eignet sich als Drehscheibe für die gesamte Region. Georgien steht wirtschaftlich aktuell deutlich besser da als Armenien und Aserbaidschan. 24 Die Musterschüler Sambias Wirtschaft wächst jährlich um rund 5 Prozent. Das bietet deutschen Firmen Chancen. 26 Neustart am Rio de la Plata Ausländische Investoren sollen Argentiniens Wirtschaft beflügeln. Der wirtschaftsfreundliche Kurs der Regierung macht Mut. BRANCHEN & MÄRKTE 29 Heilende Kräfte Die Ausfuhrquote der deutschen Medizintechnik-Branche beträgt fast 65 Prozent. Größter Abnehmer sind die Vereinigten Staaten. IMPRESSUM Wissen ohne Grenzen. Viele deutsche Firmen forschen im Ausland. [Seite 35] Herausgeber und Verlag: Deutscher Sparkassen Verlag GmbH, 70547 Stuttgart, Telefon: +49 711 782-0 Chefredakteur: Thomas Stoll Stv. Chefredakteur: Ralf Kustermann Art Director: Joachim Leutgen Redaktionsleitung: Gunnar Erth, Telefon: +49 711 782-12 72, Fax: +49 711 782-12 88, E-Mail: [email protected] Chefin vom Dienst: Antje Schmitz Bildredaktion: Gabriele Forst Layout und Grafik: Glückert Graphic Design, Köln 32 Echte Traumwelten Viele internationale Hotel- und Restaurantketten bewegen sich auf Wachstumskurs – und benötigen eine hochwertige Ausstattung. Hier können auch deutsche Unternehmen zum Zuge kommen, vor allem, wenn sie schon vor Ort präsent sind. AUSSENHANDEL & INVESTITIONEN 35 Forschen in der Fremde Deutschlands innovative Unternehmen forschen immer häufiger im Ausland. Vor allem Europa, die USA und Asien stehen im Fokus der Mittelständler. 38 Baggern im Norden Skandinavier veranstalten ihre Messen bevorzugt an außergewöhnlichen Orten abseits der klassischen Messegelände. STEUERN & RECHT 40 Kein Pardon an der Grenze Die Volksrepublik China gilt als risikoreicher Handelspartner mit hohen Zollhürden. Doch da das Land ein wichtiges Exportziel ist, müssen sich deutsche Firmen den Problemen stellen. LÄNDERPORTRÄTS 42 Belarus Alexander Lukaschenko regiert das Land autokratisch. Er bleibt Russland eng verbunden, bemüht sich aber auch um bessere Beziehungen zum Westen. 46 Nigeria Das afrikanische Land bekommt Korruption und Inflation nicht in den Griff. Die Arbeitslosigkeit bleibt hoch, die Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise. Autoren dieser Ausgabe: Peter Borstel, Eli Hamacher, Brigitte Hild, Manfred Kurz, Derek Lee, Ernst Leiste, Christine Mattauch, Eva Neuthinger, Jochen Schmidt, Birga Teske, Veronika Wengert Inhalt: Trotz sorgfältiger Bearbeitung keine Gewähr. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit Erlaubnis der Redaktion. Diese Publikation enthält keine Finanzanalysen bzw. Informationen mit Empfehlungen nach § 34b WpHG. Nachdruck oder sonstige Wiedergabe nur mit schriftlicher Erlaubnis des Deutschen Sparkassenverlags. Anzeigenverkauf: Deutscher Sparkassen Verlag GmbH, Anneli Baumann, Telefon: +49 711 782-12 78, Fax: +49 711 782-20 80, E-Mail: [email protected] Druck: M. P. Media-Print Informationstechnologie GmbH, 33100 Paderborn Bezug: Diese Zeitschrift kann direkt vom Verlag bezogen werden. Dabei gelten folgende Konditionen: Bezugspreis jährlich 65,88 € (jeweils inkl. 7 % MwSt.). Das Abo verlängert sich automatisch um ein weiteres Kalenderjahr, wenn nicht drei Monate vor Ablauf des Kalenderjahres gekündigt wird. Abo-Hotline: Telefon: +49 711 782-11 30, E-Mail: [email protected] Artikel-Nummer: 330 220 569 ISSN 0936-5400 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT Foto: Elmia Wood, Mauritius Raus ins Freie. Elmia Wood, die weltgrößte forstwirtschaftliche Messe, findet im schwedischen Wald statt. [Seite 38] 5 NAMEN & NACHRICHTEN CHARTS & TRENDS Höher, schneller, weiter im Export Protektionistisch. Trump will mehrere Handelsabkommen aufschnüren. Die deutschen Ausfuhren und ihre Bedeutung für das Bruttoinlandsprodukt sind in den letzten Jahren gestiegen. Fast jeder zweite Euro hängt am Export. Hauptziel ist Europa … Deutsche Exporte nach Erdteilen 2015. Sonstige 13 Afrika 24 Amerika Trumps Wahlsieg wirft viele Fragen auf 157 Asien 197 Gesamtexporte 1 196 Milliarden Euro Europa 805 Quelle: Destatis … größter Boom in Asien … Entwicklung der Ausfuhren auf den Kontinent in den letzten Jahren. 179 168 120 197 113 2008 2009 2011 2013 Angaben in Milliarden Euro. Quelle: Destatis 2015 … bei einer allgemein steigenden Exportquote Anteil der Ausfuhren und Importe am BIP. 50 Prozent des BIP 45 40 35 30 25 2000 2003 2006 2009 2012 2015 Exportquote Importquote Quelle: Destatis, BMWI Handel. Der Wahlerfolg des künftigen US-Präsidenten Donald Trump kann dem deutsch-amerikanischen Handel 2017 schaden. „Die Verunsicherung ist sehr groß“, sagt Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. „Trumps außenwirtschaftliches Programm macht keinen Mut, denn er hat sich wiederholt für neue Zölle ausgesprochen.“ Die deutschen US-Exporte gaben von Januar bis September gegenüber dem Vorjahr um 6,3 Prozent auf knapp 80 Milliarden Euro nach. Die Zurückhaltung vieler US-Kunden sei auch auf den harten Wahlkampf zurückzuführen, so Treier. Die Helaba senkte bereits ihre BIP-Wachstumsprognose für die USA im Jahr 2017 nach Trumps Wahlsieg von 2,5 auf 2,2 Prozent. Hermesdeckungen werden einfacher Unterstützung auf Auslandsmessen Sicherheit. Der Bund hat die Einbeziehung von ausländischen Zulieferungen in die Hermesdeckung vereinfacht. Im neuen System „49 Plus“ können Exportgeschäfte mit einem Auslandsanteil von bis zu 49 Prozent ab sofort ohne nähere Begründung abgesichert werden. Exportgeschäfte mit einem höheren Anteil können im Einzelfall ebenfalls hermesgedeckt werden, wenn sie mit dem im Inland verbleibenden Anteil zum Beispiel in besonderem Maße der Schaffung und dem Erhalt von Jobs dienen. Präsenz. 2017 will das Bundeswirtschaftsministerium deutsche Mittelständler durch 239 Gemeinschaftsstände auf Messen in rund 50 Ländern unterstützen. Allein 87 Beteiligungen werden in Südost- und Zentralasien organisiert, davon 45 in China und Hongkong, berichtet der Messeverband Auma. Mit 34 Messen ist auch wieder Russland stark vertreten. Neben den kostengünstigen Ständen in den German Pavilions erhalten die Firmen organisatorische und technische Unterstützung. m i de 6 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 dih de auma de he a a de Fotos: ddpa Images, Huber Images 6|2016 NAMEN & NACHRICHTEN Stockholm wird zum teuren Pflaster Immobilien. Die Büromieten in Stockholm lagen im dritten Quartal 2016 um 29 Prozent über dem Vorjahreswert. Keine andere von 110 untersuchten Großstädten weltweit erzielte ein so hohes Büropreiswachstum, konstatiert die Immobilienberatung JLL in ihrem aktuellen Global Office Index. Auf den Folgeplätzen lagen Oakland/East Bay an der US-Pazifikküste, Buenos Aires und Dubai. Berlin kam auf den sechsten Platz mit einem Jahresplus von 15 Prozent. Günstiger werden zurzeit vor allem Büros in London und Istanbul. In Istanbul hatten die Terroranschläge für Verunsicherung unter den Mietern gesorgt. Der Rückgang in Großbritannien hatte lokale Gründe und war bisher nicht auf das Brexit-Votum zurückzuführen, so die Immobilienexperten. Für das Gesamtjahr 2016 geht JLL von einem globalen Mietpreisanstieg um 3 Prozent aus. 2017 dürfte sich das Plus eher um 2 Prozent bewegen. de Die interessante Zahl Italiens Winzer haben 2015 50 000 000 000 Liter Wein gekeltert - ein Fünftel der Weltproduktion Quelle: Istat Piratenangriffe lassen stark nach Mehr Risiken für Großbritannien Bedrohung. Die Zahl der weltweit gemeldeten Piratenüberfälle ist im 3. Quartal 2016 auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren gefallen. Insgesamt wurden zwischen Januar und September 111 Schiffe geentert, fünf entführt, zehn beschossen und fünfzehn Angriffe abgewehrt, berichtet die International Chamber of Commerce. Die Küste Nigerias war der größte Brennpunkt der Gewalt mit 26 Prozent aller Vorfälle, gefolgt von Indonesien, Malaysia, Guinea und der Elfenbeinküste. Abschwung. Der Brexit wirft seine Schatten voraus. „Obwohl die britische Wirtschaft recht widerstandsfähig ist, steigt das Risiko schon jetzt, sowohl im Inland als auch für Exporteure aus dem Ausland“, analysiert Kreditversicherer Euler Hermes. Die Profitabilität der Firmen auf der Insel gerate zunehmend unter Druck und die Zahlungsmoral leide. Der Kreditversicherer Coface hat die Bewertung des Landes im Oktober auf A3 herabgestuft. „Der Brexit ist das größte Problem Europas“, so Coface. icc erman de co ace de eu erhermes de EU will Steuertransparenz schaffen Reform. Die EU-Kommission hat Ideen zu einer einheitlichen EU-Unternehmensbesteuerung vorgelegt. Aktuell gibt es große Unterschiede. Gefragt. Wer ein Büro in Stockholm mieten will, muss tiefer in die Tasche greifen. Die Höhe der Steuersätze sollen die Länder weiter selbst festlegen. Vereinheitlicht werden sollen bis 2020 die Vorschriften, welche Unternehmenswerte in welcher Höhe abgeschrieben werden können, welche Ausgaben abgesetzt und Gewinne besteuert werden. 38,00 Frankreich 29,83 Deutschland Großbritannien 20,00 Polen 19,00 16,47 24,44 15,39 22,00 0 Slowakei Bulgarien 18,51 31,40 Italien 26,35 10,00 4,50 Unternehmensebene Anteilseignerebene Unternehmensbesteuerung in der EU in Prozent. Quelle: Bundesfinanzministerium 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 7 6|2016 6|2016 NAMEN & NACHRICHTEN [ Konjunktur GUS ] Die Politik schafft Fakten Wende. Die Wirtschaftskrise klingt in den meisten Ländern der Region ab. Der konjunkturelle Silberstreif fehlt zwar noch, doch es gibt wegweisende politische Entwicklungen. D ie Rezession hielt 2015 fast alle Länder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) fest im Griff. Im Sog der Großmacht Russland, deren Wirtschaftsleistung preisbereinigt um 3,7 Prozent eingebrochen ist, mussten auch die Ukraine, Moldau und Belarus einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verkraften. Auch Turkmenistan, Georgien, Kasachstan und Aserbaidschan erlebten einen Wachstumseinbruch – teils hervorgerufen durch die sinkenden Rohstoffpreise, teils durch fehlende Konsum- und Investitionsgüternachfrage sowie ausbleibende Transferleistungen der Expats aus Russland. Ukraine wächst wieder 2016 verharrt die Wirtschaft von Belarus und Russland weiter in der Rezession, während die Ukraine wieder leicht ins Positive dreht. Usbekistan 5,7 Tadschikistan 5,2 Turkmenistan 4,7 Georgien 3,4 Armenien 3,0 Kirgistan 2,4 Moldau 1,7 Ukraine 1,5 Kasachstan 0,5 Tiefpunkt fast überall erreicht Für Kasachstan und Aserbaidschan dürfte sich die Rezession bis ins Jahr 2017 erstrecken. In der Summe sank 2015 der Gesamtoutput in den GUS-Ländern – Russlands Anteil daran liegt bei mehr als 70 Prozent – preisbereinigt um 2,6 Prozent. Keine Region der Welt schnitt schlechter ab. Symptome waren sich rapide entwertende Währungen, Kapitalflucht und schmelzende Fremdwährungsreserven. Bei der überwiegenden Anzahl der Länder scheint der Tiefpunkt erreicht oder durchschritten, der Adaptionsprozess an eine Welt billigerer Rohstoffe abgeschlossen. Wenn sich die Rohstoffpreise nicht massiv erholen, ist trotz der 8 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 Russland –0,9 Belarus –2,4 Aserbaidschan –2,8 BIP-Wachstum in Prozent. Quelle: BayernLB wirtschaftlichen Orientierung an China schwer vorstellbar, woher die Triebkräfte für einen nennenswerten Anstieg der realen Wachstumsraten kommen sollen. Verkrustete, teils korrupte bürokratische Systeme, ein Hang zu Wirtschaftsinterventionismus, eine verbesserungswürdige Infrastruktur und Unsicherheit über die weitere politische Marschrichtung trüben die Standortbedingungen. Die vergangenen Monate brachten aber auch wichtige Erkenntnisse. Zunächst verleitet der triumphale Sieg der Regierungspartei „Einiges Russland“ bei den Parlamentswahlen zur Annahme, die zunehmend autoritäre Herrschaft Putins werde kaum noch angefochten. Bei den Präsidentschaftswahlen 2012 war es noch zu massiven Protesten gekommen. Nun deuten Lethargie und der geringe Stimmenanteil der wenigen Oppositionsparteien auf eine Zementierung des Status quo hin. Ebenfalls zu einer überraschend reibungslosen Fortschreibung autoritärer Herrschaft kam es nach dem Tod des Potentaten Islom Karimow in Usbekistan. Sein designierter Nachfolger hat sich den Ruf erworben, über eine ähnlich harte Hand zu verfügen. In der Region gibt es kaum noch Beispiele funktionierender Demokratien, zumal sich in der Ukraine sowie in Georgien Macht und Einfluss zunehmend auf die Oligarchie konzentrieren. os au ent a tet usehends seine a te ominan Die wichtigsten Länder der GUS in Zahlen Russland dominiert die Region, auch wenn 2015 und 2016 das BIP zurückging. Einwohner Russland Gebhard Stadler, BayernLB Während innenpolitisch autoritäre Herrschaft konsolidiert wird, mündet der Verfall der Rohstoffpreise in einen außenpolitischen Bedeutungsverlust der Region. Insbesondere die zentralasiatischen Länder verschwinden zusehends von der Landkarte westlicher Politik. Zudem ist fraglich, ob der lange Atem, welcher zur Stabilisierung der Ukraine nötig sein wird, vom Tandem aus EU und USA erbracht werden kann. Vielen Staaten der GUS bleibt nur die Reorientierung Richtung Moskau oder Peking. Foto: Stadler Eine Region kapselt sich ab Der Konfrontationskurs zum Westen hat sich auch in der russischen Gesellschaft in den letzten Monaten zementiert. Eine Kursumkehr ist unwahrscheinlich, zumal viele Unternehmen in der EU und den USA auf eine Lockerung der Wirtschaftssanktionen drängen. Dies dürfte beim künftigen US-Präsidenten Donald Trump, dem eine gewisse Nähe zu Putin nachgesagt wird, nicht vollends auf taube Ohren stoßen. Eine komplette Restitution der Vorkrisenverhältnisse scheint aber mittelfristig kaum möglich. Es verfestigt sich der Eindruck einer ökonomisch angeschlagenen, an wirtschaftlicher Zusammenarbeit interessierten, sich politisch und gesellschaftlich aber vom Westen abkapselnden Region, in der Moskau alte Dominanz entfaltet. Gebhard Stadler BIP Doing-Business-Index 143,5 1326 40 Ukraine 42,6 91 80 Usbekistan 31,0 66 87 Kasachstan 17,7 184 35 Belarus 9,5 55 37 Aserbaidschan 9,4 54 65 Einwohner in Millionen; BIP 2015 in Mrd. USD; Rang im Doing-Business-Index. Quellen: BayernLB, IWF, Weltbank Schlechter Kurs Russland dreht ins Plus Russland erzielt geringere Erlöse für sein Öl – auch wegen des Wechselkurses. Die Wirtschaft des wichtigsten GUSLandes wird 2016 wieder wachsen. 120 6 100 4 80 2 60 40 20 01/14 Wechselkurs RUB/USD Preis Ölsorte Ural in USD Quelle: Thomson Reuters Datastream 0 –2 –4 2013 2014 2015 2016* 2017* BIP-Wachstum Leistungsbilanzsaldo * = Prognose; Angaben in Prozent. Quellen: BayernLB, IWF Russland dominiert eindeutig den Warenverkehr Deutsche Ausfuhren in die GUS in Millionen Euro in der ersten Jahreshälfte 2015. 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 9 6|2016 TITELGESCHICHTE [ Indien ] Für Daimler ist Indien ein sehr wichtiger Markt. Die Schwaben bauen dort robuste Busse und Lkw. Kräftig auf Achse Reform. Gut zwei Jahre nach Narendra Modis Erdrutschsieg hofft Indiens Wirtschaft auf das Meisterstück des umtriebigen Premiers: eine historische Steuerreform. Davon würden auch deutsche Firmen profitieren. iermal ist Adarsh Mehta in diesem Jahr schon um die Welt geflogen. Eigentlich. Die Myriaden an Meilen hat der gebürtige Inder ausschließlich auf der Strecke Köln – Delhi – Köln gesammelt. Das ist seine Rennstrecke, seitdem Mehta 2015 im Abstand von einem Monat zwei Firmen gründete. Die deutsche in Köln beheimatete Testtailor GmbH prüft mit einer Crowdtesting-Plattform die Leistungsfähigkeit von Websites. Die indische Firma entwickelt Software für deutsche Kunden. Der 42-Jährige, der seit 20 Jahren in Köln lebt und sein Deutsch mit dem Anschauen von Talkshows trainiert hat, will vom Besten aus beiden Welten profitieren: „Die Deutschen haben ein viel besseres Qualitätsverständnis als die Inder. Da müssen wir lernen.“ Aber die Inder seien schnell in der Umsetzung, sie würden auch mal spontan etwas ausprobieren und nicht alles im Vorfeld zerreden: „Und verglichen mit Deutschland sind die Löhne deutlich niedriger.“ Für einen Informatiker mit vier bis fünf Jahren Erfahrung zahlt der Gründer umgerechnet 1000 bis 1500 Euro im Monat. 10 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 Foto: Xxxx Xxxx Xxxx Xxxx Foto: Getty Images V 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 11 TITELGESCHICHTE [ Indien ] Indien ist obenauf Goa mit der höchsten Wirtschaftskraft Die BIP-Entwicklung der vier BRIC-Staaten im Vergleich. Bundesstaaten mit dem höchsten Pro-Kopf-BIP. 8 Angaben in Prozent Goa 4 903 Delhi 4 4 812 Sikkim 0 3 861 Chandigarh 3 433 –4 2011 Indien 2012 China 2013 Russland 2014 Brasilien 2015 2016 2017 Quellen: ADB, GTAI Mehta hat sich von der Aufbruchsstimmung in seiner Heimat anstecken lassen. Das Land des wirtschaftsfreundlichen Premiers Narendra Modi glänzt mit den höchsten Wachstumsraten unter allen größeren Schwellenländern und hat sogar China abgehängt. Kampagnen wie „Make in India“ und „Make in India Mittelstand“, mit denen Modi die Industrialisierung des Landes fördern und ausländische Investoren locken will, zeigen erste Erfolge. Laut einer Schätzung der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung haben sich die Direktinvestitionen 2015 im Vergleich zum Vorjahr auf 59 Milliarden US-Dollar fast verdoppelt. Unternehmer loben vereinfachte und schnellere Abläufe dank Digitalisierung im Steuer- und Bankenwesen und machen Verbesserungen in der Infrastruktur aus. Foto: Getty Images Kaum noch Beschränkungen für Investoren Für Dirk Matter, Geschäftsführer der Indo-German Chamber of Commerce in Düsseldorf, sind unter Modi wichtige Fortschritte erzielt worden: „Indien muss sich mit seinen Regelungen für Investoren nicht verstecken. Nur noch in wenigen Sektoren wie bei Versicherungen und Banken gibt es Obergrenzen für ausländische Firmen. In wichtigen Branchen wie Maschinenbau, Automotive oder Chemie können deutsche Firmen 100 Prozent des Kapitals halten.“ Zudem existiere kein Joint-Venture-Zwang. Die ganz großen Reformen blieben bislang allerdings aus, da Modi im Oberhaus keine Mehrheit besitzt. Doch jetzt kommt Bewegung in das Land mit seinen gut 1,2 Milliarden Einwohnern. Drei Buchstaben elektrisieren die Wirtschaft: GST. Die Abkürzung steht für die Goods and Services Tax, ein bahnbrechendes Gesetz. Indien will mit der GST zum 1. April 2017 eine einheitliche Mehrwertsteuer einfüh12 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 Puducherry 3 143 Angaben für 2014 in US-Dollar. Quelle: Statisticstimes ren und einen gemeinsamen Markt schaffen. Bisher ist der Subkontinent, dessen Fläche zehnmal so groß wie Deutschland ist, überzogen mit einem Dickicht aus Zoll-, Steuer- und Transportabgaben, die jeder der 29 Bundesstaaten selbst festgelegt hat. Hinzu kommen Steuern und Abgaben auf Bundesebene. Klaus Maier, Geschäftsführer der Maier+Vidorno GmbH, der Mittelständler bei der indischen Markterschließung in Indien berät (siehe Interview), sieht als Vorteil, dass „der grenzüberschreitende Warenaustausch entbürokratisiert und beschleunigt wird“. Die Hauptstadt Delhi mit Gurgaon, Noida, Ghaziabad und Faridabad gehört zu den vier wichtigs- Starke Helfer beim Markteintritt Helfer. Eine Reihe von Dienstleistern unterstützt deutsche Mittelständler bei ihren Indien-Geschäften. Erste Anlaufstelle ist meist die Deutsch-Indische Handelskammer mit sechs Büros in Indien und einem Verbindungsbüro in Düsseldorf. www.indien.ahk.de. Das German Centre Delhi.Gurgaon vermietet Büros und bietet Serviceleistungen rund um Markteintritt und Tagesgeschäft. www.gurgaon.germancentre.com. Indien-Spezialist Maier+Vidorno bietet Marktanalysen, berät bei Firmengründung und Personalsuche und verwaltet Vertriebsgesellschaften. www.maiervidorno.de. Seit 2015 unterstützt die indische Botschaft mit dem Programm „Make in India Mittelstand“ deutsche Firmen auf ihrem Weg auf den Subkontinent. Im Fokus stehen Unternehmen aus Branchen wie Maschinenbau, erneuerbare Energien und Automotive. www.makeinindiamittelstand.de. Ein ausführliches Verzeichnis von Dienstleistern findet sich unter www.indienaktuell.de/marktplatz. Foto: Xxxx Xxxx Xxxx Xxxx ten Wirtschaftsregionen des Landes. Die anderen drei sind Kolkata im Osten, Chennai, Bengaluru und Hyderabad im Süden sowie Mumbai, Pune, Ahmedabad im Westen. Laut Schätzung der Indo-German Chamber of Commerce haben sich 14 Prozent der 1800 deutschen Betriebe in der Hauptstadtregion angesiedelt. Ein Viertel aller ausländischen Direktinvestitionen floss im abgelaufenen Finanzjahr in diese Region. Noch stärker steht nur Mumbai da mit einem Anteil von 35 Prozent. Wer im Einzugsgebiet der Hauptstadt mit insgesamt 55 Millionen Einwohnern arbeitet, braucht gute Nerven. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO war Delhi 2015 die Stadt mit der höchsten Luftverschmutzung. Der Verkehr ist oft so dicht, dass Mitarbeiter von Firmen nicht selten vier Stunden für Hin- und Rückfahrt in Kauf nehmen. Zu ihnen gehört auch Jochen Landes, Chef von TII India. Zu der Firma gelangt man nach längerer Irrfahrt durch ein dünn besiedeltes Industriegebiet. Der Spezialist für Schwerlasttrailer hat nach der Übernahme des Herstellers Tratec einen Transporter für die Flügel von Windrädern für den lokalen Markt entworfen. Das Kalkül: Bis 2020 will die Regierung die Windkraftkapazität um 60 Gigawatt aufstocken. Entsprechend groß ist der Bedarf an Fahrzeugen, die die Flügel von der Fabrik an ihr Ziel bringen. Zweiter wichtiger Wachstumstreiber sei die Infrastruktur, so Landes. Um die schweren Lasten von A nach B bringen zu können, hat TII einen modularkonfigurierbaren Trailer im Programm. „German Engineering – Make in India“, mit dieser Strategie will TII India den Markt erschließen. Gleichzeitig lässt der asienerfahrene Manager keinen Zweifel daran, wie steinig der Weg in Indien ist. Die Bürokratie sei ausufernd, die Mitarbeitersuche mühselig, das Finden von qualifizierten Zulieferern ebenfalls. Landes’ Faustformel lautet: 50 – 10 – 1. Aus einer Gruppe von 50 Mitarbeitern und Lieferanten kommen zehn in die engere Auswahl, einer bleibt übrig. Aber der sei dann auch gut, unterstreicht der Physiker. In der Cyber City sind Firmen gut aufgehoben Für seinen Einstieg auf dem Subkontinent hat sich Unternehmer Adarsh Mehta die Cyber City in Gurgaon im Südwesten der Hauptstadt ausgesucht. Seit 2007 ist das auf ehemaligem Ackerland erschlossene Areal fest in der Hand bekannter Industriefirmen und Dienstleister, unter ihnen Siemens, BMW und Lufthansa. 150 000 Menschen arbeiten hier. Drei Gasturbinenkraftwerke versorgen die gläsernen Bürotürme mit Strom. Metrostationen verbinden seit 2013 die Cyber City mit dem Zentrum der Hauptstadt, der Indira Gandhi International Airport ist nur zehn Kilometer entfernt. Dies sind Pluspunkte, von denen auch Jana Helbig, Geschäftsführerin des German Centre Delhi.Gurgaon profitiert. Das von BayernLB und Landesbank Baden-Württemberg betriebene Center unterstützt deutsche Firmen in Indien, von der Marktanalyse über Vermietung von Büros bis zum Aufbau eigener Produktionsstätten. Auf zwei Etagen mit 4300 Quadratmetern vermietet Helbig, die ihre Doktorarbeit über deutsche Mittelständler in Indien schrieb, Büroflächen vom Einzelschreibtisch im Großraumbüro bis zum Office Indiens Premier Narendra Modi für 50 Mitarbeiter. Die Mieter nutzen gemeinsam die 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 13 TITELGESCHICHTE [ Indien ] Infrastruktur aus Telekommunikation, Konferenzund Besprechungsräumen, einem Café und profitieren vor allem vom Networking untereinander. Ein kleiner Belegungsplan an Helbigs Schreibtisch nennt bekannte Namen: Kuka, Rational, Ferrostaal und, ganz neu, Leica. Indien habe zwar nicht so eine große Anziehungskraft wie China, sagt Helbig. „Nichtsdestotrotz bietet der Subkontinent aufgrund seines großen, stetig wachsenden Binnenmarkts sowie zahlreicher Produktionsstätten internationaler Konzerne Chancen und attraktive Marktbedingungen für deutsche Firmen.“ Wirtschaftswachstum ist Pflicht SAP-Mitarbeiter in der Electronic City in Bengaluru. Gutes Personal ist oft schwer zu finden, aber relativ günstig. Autos sind eher weniger gefragt Maschinen dominieren die deutschen Ausfuhrgüter nach Indien. Sonstige Kfz und -Teile Mess-/Regeltechnik Elektrotechnik 32,9 Maschinen 17,9 Chemische Erzeugnisse 26,1 6,5 6,8 9,8 Angaben in Prozent. Quelle: GTAI 14 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 Mag Indien China beim Wachstum abgehängt haben, so zeigt der Blick auf einige Fakten, wie groß dennoch der Vorsprung der Volksrepublik ist. Mit knapp 8000 Dollar lag das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt in China 2015 fast fünfmal höher als in Indien. Im Ease-of-Doing-Business-Index, mit dem die Weltbank misst, wie einfach es ist, Geschäfte zu machen, rangiert das demokratisch regierte Indien an 130. Stelle von 189 Ländern, während das autoritär gelenkte China Platz 84 belegt. Immerhin profitiert Indien von einer viel jüngeren Bevölkerung. Die „demografische Dividende“ kann das Land allerdings nur dann ausspielen, wenn es über Wachstum gelingt, die vielen Menschen zu ernähren und auszubilden. Noch immer leben Millionen Inder in tiefster Armut, haben keinen Zugang zu Strom und Wasser. Erst im Herbst 2016 sorgte eine Studie für Schlagzeilen, wonach 83 Millionen Kinder gar nicht zur Schule gehen, zumeist weil sie arbeiten müssen. Umso wichtiger ist es, dass Modis Konjunkturprogramme greifen. Doch das wird dauern. Dass in Indien nur Erfolg haben kann, wer einerseits typisch deutsch hartnäckig, andererseits typisch indisch geduldig und findig ist, weiß Oliver Mirza nur zu genau. Für den Bielefelder Backspezialisten Dr. Oetker baute der Sohn eines Inders und einer Deutschen im 6000 Kilometer entfernten Delhi das Indien-Geschäft auf. Schnell wurde klar, dass der Einstieg mit Dr.-Oetker-Klassikern wie Backmischungen für Schwarzwälder Kirschtorte oder Käsekuchen nicht gelingen kann – denn dafür benötigt man Quark und Sahne, die es vor Ort nicht gibt. Die importierten „Vitalis“ -Flocken mit Schokolade mutierten in der indischen Hitze zu klebrigen Brocken. Dr. Oetker zog die Reißleine und entschied sich für einen Zukauf. Fotos: Laif, Maier Die Deutschen erwarben 2008 das indische Familienunternehmen Fun Foods, das Dressings, Brotaufstriche und Soßen produzierte. Dr. Oetker passte zudem die eigenen Sortimente an, nahm etwa die Eier aus dem Kuchen, brachte Innovationen wie Mayonnaise mit dem bei Indern beliebten TandooriGeschmack auf den Markt, verkleinerte Verpackungen und etablierte behutsam auf allen Produkten Dr. Oetker als Dachmarke mit Fun Foods als Submarke. 2015 sind die Westfalen in die Fernsehwerbung eingestiegen, um noch mehr Kunden zu erreichen. Immerhin gibt es im Land zwölf Millionen Tante-EmmaLäden, über die 90 Prozent des Verkaufs laufen. Bei der stark wachsenden Bevölkerung mit einer konsumfreudigen Mittelschicht rechnet sich Dr. Oetker beste Chancen aus. Gerade erst wurde für 30 Millionen Euro ein neues Werk in Betrieb genommen. Der Umsatz mit den Markenprodukten hat sich seit 2009 auf 20 Millionen Euro verzehnfacht und soll sich bis 2020 mehr als verdoppeln. Noch besser könnte es mit einer einheitlichen GST laufen. Mirza ist überzeugt: „Die Harmonisierung wird den Geschäftsalltag entbürokratisieren und die Distribution deutlich erleichtern, weil nicht mehr an jeder Grenze eines Bundesstaates ein Sales-Tax-Officer mit endlosen Formalitäten die Fahrer aufhält.“ Experten gehen davon aus, dass die GST das Bruttoinlandsprodukt um ein bis zwei Prozentpunkte steigern könnte. Sonia Prashar, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Indo-German Chamber of Commerce (IGCC), stellt ein steigendes Interesse an dem Subkontinent fest. Sollte die GST wie geplant im April 2017 kommen, könnte dies ein Grund sein, warum sich potenzielle Investoren das Land genauer anschauen würden. Doch auch dann werde das Tempo verhalten sein. „Indiens Stärke und Problem ist die Demokratie. Deshalb geht es bei uns nicht so schnell wie in China, sondern nur in kleinen Schritten voran“, so Prashar. Zur IGCC kommen deutsche Firmen auch, wenn sie Probleme etwa mit Regulierungen oder Importzöllen haben. Die Kammer und auch die deutsche Botschaft bringen diese Anliegen bei den Ministerien zur Sprache. Dieser Fast-Track-Mechanismus habe sich sehr gut bewährt, unterstreicht Prashar. Etwas skeptisch blickt sie dagegen auf die vielen Initiativen, die Modi angestoßen habe. „Fast zu viele“, findet sie. Jetzt müsse man abwarten, welch positiven Einfluss sie auf die Effizienz hätten. Ohne Geduld geht es nicht in Indien, daran wird auch der reformfreudige Premier nichts ändern. Eli Hamacher Klaus Maier, Geschäftsführer des Indien-Dienstleisters Maier+Vidorno GmbH „Indiens Steuersystem wird einfacher und transparenter“ AUSSEN WIRTSCHAFT: Wie hat sich das Interesse deutscher Mittelständler an Indien seit Modis Amtsübernahme verändert? Maier: Nach den Flautejahren von 2011 bis 2014 zieht das Interesse wieder an. Hinzu kommt, dass die Regierung bei öffentlichen Ausschreibungen eine inländische Wertschöpfung von bis zu 40 Prozent vorschreibt. AW: Was ist seit dem Amtsantritt besser geworden? Maier: Noch sind es nur viele kleine Änderungen, sei es, dass Genehmigungen schneller erteilt oder bürokratische Abläufe vereinfacht werden. Dank der Schwarzgeldinitiative der Regierung sind viele Schlupflöcher geschlossen worden. Der große Wurf, sei es beim Steuersystem oder bei der Ausbildung, ist aber noch nicht gelungen. AW: Wie werden Unternehmen von der Goods and Services Tax profitieren? Maier: Das gesamte Steuersystem wird einfacher und transparenter. Wie in der EU werden Unternehmer dann grenzüberschreitend in allen 29 Bundesstaaten ihre Waren transportieren können. Aber es dauert sicher zwei bis drei Jahre, bis alle Vorteile zum Tragen kommen. AW: Wird diese Steuer zum 1. April 2017 kommen? Maier: Vor einem Vierteljahr hätte ich Nein gesagt. Jetzt bin ich unsicher. Die Regierung macht unglaublich Druck. Wenn es klappt, ist das klar ein Verdienst Modis. AW: Wird ein vereinfachtes Steuersystem Auswirkungen auf deutsche Neuansiedlungen haben? Maier: Die positive Wahrnehmung Indiens wird sich im Ausland definitiv verstärken. Und diese Signalwirkung wird auch das Investitionsverhalten positiv beeinflussen. AW: Wo lauern die Fallstricke für Indien-Newcomer? Maier: Viele Unternehmen bereiten sich schlecht vor. Für eine intensive Marktrecherche und die Ausarbeitung eines passenden Geschäftsmodells braucht man sechs bis zwölf Monate. Und man muss sehr genau prüfen, mit wem man in enge Geschäftsbeziehungen tritt. 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 15 LÄNDER & REGIONEN [ Österreich ] Arbeiten in den Bergen Standort. Viele deutsche Investoren schätzen die steuerlichen Schmankerl, die Österreich im Forschungsbereich bietet. Zudem will sich Wien als Drehscheibe für Startups etablieren. H err Kommerzialrat, Frau Magister oder Herr Hofrat – die Österreicher nutzen ihre Titel gern und reichlich: Fast 900 Amts- und Berufstitel können in der Alpenrepublik vor oder hinter den Nachnamen gestellt werden. Die Wirkung ist nicht zu unterschätzen. „Oft jedoch werden österreichische Besonderheiten nicht berücksichtigt, etwa die Verwendung von Titeln, speziell im Osten des Landes“, sagt Steffen Lenke. Der Abteilungsleiter bei der Deutschen Handelskammer in Österreich (DHK) kennt die Stolperfallen für deutsche Investoren: „Österreich wird 16 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 oft nicht als eigenständiger Markt wahrgenommen, sondern als 17. Bundesland.“ Dabei mangele es häufig schon an Grundkenntnissen etwa von der geografischen Lage der österreichischen Bundesländer und größeren Städte. Lenke: „Für deutsche Firmen ist es von Vorteil, in Österreich präsent zu sein. Wer seine Bestandskunden regelmäßig besucht, drückt Wertschätzung aus.“ Es komme nicht gut an, wenn man dem österreichischen Geschäftspartner das Gefühl vermittle, man würde den österreichischen Markt „von Deutschland aus mitbearbeiten“. Österreich bemüht sich aktiv um deutsche Investoren, vor allem aus dem Landessüden – mit Erfolg: Gegenwärtig sind etwa 5000 Unternehmen mit deutscher Beteiligung in der Alpenrepublik aktiv. Diese schaffen, laut Statistik Austria, 280 000 Arbeitsplätze. Vor allem der Einzelhandel boomt: Die Rewe-Tochter Billa ist die führende Supermarktkette, die AldiTochter Hofer beliebtester Discounter im Nachbarland. Die ausschlaggebenden Standortfaktoren sind meist geografische Nähe und Sprachgleichheit. Zudem könnten laut Lenke Unter- Foto: Mauritius 6|2016 Starkes Personal Stabiles Wachstum EU-Länder mit der höchsten Arbeitsproduktivität je Beschäftigten. Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts Österreichs. Irland 180,6 Luxemburg 1,5 1,6 167,0 0,9 Belgien 128,5 Österreich 115,0 Frankreich 114,3 0,4 0,3 2013 2014 2015 2016 2017 In Indexpunkten 2015. EU-Durchschnitt = 100. Quelle: Wurostat Angaben in Prozent. 2016 und 2017 Prognose. Quelle: GTAI nehmen eine Forschungsprämie für jene Aufwendungen beantragen, die in Forschung und Entwicklung (F&E) investiert werden. Dieser Anreiz kann in Höhe von zwölf Prozent der Aufwendungen für F&E geltend gemacht werden und wird dem Abgabenkonto als Cash-Prämie gutgeschrieben, selbst bei negativem Steuerergebnis. Unabhängig davon gibt es eine umfangreiche Projektförderung für F&E-Vorhaben. heim, BMW und Bosch. Der deutsche Mittelstand, wie Otto Bock Healthcare, Trumpf und Bionorica, trägt ebenfalls zu den F&E-Ausgaben in Österreich erheblich bei, sagt Bachleitner. Der Experte nennt Zahlen: Die Töchter internationaler Unternehmen haben dieses Jahr rund 1,72 Milliarden Euro für F&E ausgegeben. Ein Sechstel der österreichischen Aufwendungen für F&E stammt aus dem Ausland. Einer der großen Investoren ist Infineon. Zwar produziere der Münchner Halbleiterkonzern in vielen Ländern, sagt Unternehmenssprecher Gregor Rodehüser: „Entscheidend ist jedoch die Hohe Forschungsquote Die Maßnahmen tragen Früchte: Die Forschungsquote hat sich in den vergangenen 20 Jahren auf mehr als drei Prozent verdoppelt. Zum Vergleich: In der EU liegen die Ausgaben für F&E bei gut 2 Prozent. Die ersten Plätze belegen Finnland, Schweden und Dänemark, gefolgt von Österreich und Deutschland, so die Zahlen von Eurostat. „Am Anstieg der Forschungsquote zeigt sich die Dynamik Österreichs“, sagt Bernhard Bachleitner, der bei der österreichischen Ansiedelungsagentur Austrian Business Agency (ABA) für Süddeutschland zuständig ist (siehe Interview). Die forschungsstärksten Unternehmen in Österreich seien Tochterniederlassungen deutscher Konzerne wie Boehringer Ingel- Das Gewand im Kasten Austriazismen sind Begriffe, die für das österreichische Deutsch typisch sind – etwa 7000 sind gebräuchlich. Eine Kostprobe. Deutschland Österreich Vergütung Abgeltung Brückentag Fenster-/Zwickeltag Zahlendreher Ziffernsturz Gerichtsvollzieher Exekutor Treppenhaus Stiegenhaus Raumpflegerin Bedienerin Schrank Kasten Kleidung Gewand Neuer Wein Sturm Eisbein Stelze Quelle: AUSSEN WIRTSCHAFT Nähe zum Kunden und vor allem zu Wissensträgern.“ Daher nehme Österreich, neben Deutschland, eine herausragende Stellung ein. Bei Infineon Technologies Austria sind unter den 3500 Mitarbeitern aus 60 Nationen fast 1400 Forscher tätig. Die meisten arbeiten am Standort Villach, der den Schwerpunkt Energieeffizienz hat. In Linz wird vorwiegend zum Thema Radar geforscht, während in Graz Sicherheitstechnologien im Mittelpunkt stehen. Wo die Möglichkeit besteht, nehme Infineon die Forschungsprämien für F&E in Anspruch. Aufgrund der im internationalen Vergleich hohen Löhne heben sich diese Vorteilseffekte zum Teil allerdings auf. 2015 hat Infineon Technologies Austria für F&E rund ein Viertel des Gesamtumsatzes in Höhe von 1,4 Milliarden Euro aufgewendet. Diese Quote veranlasste das österreichische Wirtschaftsmagazin „Trend“ dazu, Infineon als das „forschungsstärkste Unternehmen Österreichs“ zu bezeichnen. Das niedersächsische Healthcare-Unternehmen Otto Bock hat Österreich ebenfalls längst für sich entdeckt. Dies begründet Chief Technology Officer (CTO) Hans Dietl so: Die Infrastruktur, Kooperationen mit Universitäten, hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Nachwuchs hätten dazu beigetragen, dass der Standort Wien innerhalb der Firmengruppe das Zugpferd für Innovationen im Unternehmen sei. „Wien bietet uns die nötige Nähe zu Forschungseinrichtungen und Kliniken und ist ein attraktiver Standort für High Potentials“, sagt Dietl. Von den 660 Mitarbeitern in Wien sind rund ein Drittel im F&EBereich tätig. Das Ausbildungsniveau sei hoch, und arbeits6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 17 LÄNDER & REGIONEN [ Österreich ] rechtlich gebe es ein günstigeres Umfeld als in Deutschland. Potenziellen deutschen Investoren empfiehlt Dietl, auf die spezifisch passende Infrastruktur zu achten, so wie für Otto Bock die maßgeblichen Forschungseinrichtungen. Wien lockt mit gutem Leben Vor allem Wien gibt sich als überaus attraktiver Standort für F&E mit über 1000 privaten und öffentlichen Forschungsstätten, die 35 000 Menschen beschäftigen. Hinzu kommt eine hohe Lebensqualität, die von Kunst, Kultur, Heurigen-Lokalen und schmackhaften Mehlspeisen geprägt wird. In Wien verdichtet sich seit einigen Jahren auch eine rege StartupKultur, die in Fachkreisen als sehr agil und innovativ gilt – und sich als zentrale Drehscheibe für Startups in Europa etablieren möchte. „Wien versucht sich, wie Berlin auch, einen Namen als Placeto-be für Startups zu erarbeiten“, sagt DHK-Experte Lenke. Traditionell werbe Wien mit seiner geografischen Lage und der Nähe zu den Märkten Ost- und Südosteuropas. Diese beiden Vorteile haben Die Startups Wiens sind kreativ – wie Reinhold Baudisch und Michael Doberer mit dem Portal Durchblicker.at. 18 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 bislang rund 300 multinationale Großkonzerne, darunter Henkel, in den Großraum Wien gezogen. Die meisten Investoren in Österreich sind allerdings eher kleine und mittelständische Betriebe. Chancen im Startup-Bereich gibt es auch für deutsche Investoren: „Österreich verfügt über eine pulsierende Gründerszene und positioniert sich zunehmend als Gründerland“, sagt Bachleitner. Er nennt konkrete Fördermaßnahmen: Ein Startup-Paket, das Förderungen und Entlastungen im Umfang von 185 Millionen Euro vorsehe, wurde von der österreichischen Regierung gemeinsam mit der dortigen Gründerszene erarbeitet. Hinzu kämen ein Business-Angel-Fonds sowie die SeedFinanzierung der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH (AWS), einer Tochter der Förderbank der Republik Österreich, die mit jeweils 20 Millionen Euro dotiert würden. Bachleitner nennt weitere Anreize: Eine neue Risikokapitalprämie fördere Beteiligungen an innovativen Startups. Dabei würden kumulierte Investitionsbeiträge von bis zu 250.000 Euro pro Jahr unterstützt. Das englischsprachige Onlineportal für die Startup-Szene „Tech Cocktail“ hat Wien auf Rang sechs der „zehn beliebtesten StartupStädte weltweit“ platziert. Als Gründe werden die vielen kreativen Köpfe genannt, die hier leben, aber auch das „ideale Startup-Ökosystem“ der Stadt: Erschwingliche Co-Working-Spaces, Unternehmergeist, Investoren und das „Pioneers“-Festival mit 2500 teilnehmenden Startups, das als das größte Event seiner Art in Mitteleuropa gilt – hier treffen Startups und Investoren in der Hofburg aufeinander. Veronika Wengert Bernhard Bachleitner, Direktor für Süddeutschland der Austrian Business Agency (ABA) „Ein Top-Standort für Life Sciences“ AUSSEN WIRTSCHAFT: Österreich ist einer der wichtigsten Auslandsstandorte für F&E-Investitionen deutscher Firmen. Warum? Bachleitner: Österreich bietet deutschen Mittelständlern, die hier forschen, hervorragende Rahmenbedingungen. Maßgeschneiderte Innovationsförderungen, Fachkräfte und mehr als 50 BranchenCluster vernetzen Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft optimal. Ein Meilenstein, von dem Unternehmen nun noch mehr profitieren, ist die Erhöhung der Forschungsprämie auf zwölf Prozent. AW: In welchen Bereichen wird besonders intensiv geforscht? Bachleitner: Österreich ist ein europäischer Top-Standort für Life Sciences. Das Land ist in den Zukunftsfeldern der Biotechnologie und Medizintechnik sowie der Krebsforschung besonders stark. Boehringer Ingelheim investiert derzeit in die biopharmazeutische Produktion am Standort Wien. AW: Gibt es weitere Beispiele? Bachleitner: Auch Smart Grids, also intelligente Stromnetze, ergänzen die traditionell starken Bereiche wie Maschinen- und Fahrzeugbau, Umwelttechnologien, innovative Werkstoffe und die Metallindustrie, die als exportorientierte Technologiegeber auftreten. [ Länderbonitätsranking ] LÄNDER & REGIONEN Schweden ist der Gewinner Deutschland verbessert sich um einen Platz, Schweden klettert sogar um drei Ränge. Land Aktuell Rang 3/16 Schweiz 1 1 Deutschland 2 3 Norwegen 3 2 Schweden 4 7 Luxemburg 5 5 Kanada 6 8 USA 7 4 Singapur 8 6 Dänemark 9 10 10 9 Niederlande Quelle: Institutional Investor Bolívars traurige Erben Krisenstimmung. Von Rang 95 auf 162: Venezuela stürzte im Länderbonitätsranking des US-Fachmagazins „Institutional Investor“ in fünf Jahren auf einen der hinteren Plätze ab. Fotos: Bachleitner, ddp Images, dpa Picture Alliance D ie Zeitschrift fragt alle sechs Monate Volkswirte von rund 100 international tätigen Banken, wie sich die Risikolage von 179 Staaten entwickelt. Die Rangliste gilt als eines der besten Konjunkturbarometer der Welt. In Europa ist Großbritannien der größte Verlierer des aktuellen Rankings. Das Königreich gab zwar nur um zwei Plätze nach und liegt weiterhin auf einem guten 15. Rang; ein Minus um 3,1 Bewertungspunkte auf einer Skala von 0 bis 100 bedeutet aber die größte Verschlechterung unter den Top-40-Ländern – eine Folge des Brexit-Votums. Sorgen in Europas Süden Weitere Risiken in Europa gibt es vor allem im Süden: Spanien, Italien und Griechenland wurden von den Volkswirten schwächer bewertet. Insgesamt schneidet Westeu- ropa aber gut ab und macht die ersten fünf Plätze unter sich aus. Mit der Schweiz und Deutschland liegen zwei Stabilitätsanker vorn. Spannend wird die Frage sein, welchen Kurs die USA unter Präsident Donald Trump einschlagen werden; seine Ankündigung, Handelsabkommen zu kündigen oder neu zu verhandeln, könnte sich negativ auswirken. Im Süden Amerikas macht Argentinien einen Satz nach vorn: von Platz 129 auf 92. Das ist zwar weiterhin nur ein Platz im Mittelfeld, aber eine gewaltige Anerkennung für den Reformkurs unter Präsident Mauricio Macri. Das krisengeschüttelte Venezuela geht den entgegengesetzten Weg und stürzt auf Rang 162 ab. Die Opposition gegen den Präsidenten und ehemaligen Busfahrer Nicolás Maduro wächst. Venezuelas Wirtschaft ist wegen Ölpreisabsturz und Planwirtschaft ein gro- ßer Risikofaktor für die Region. Spitzenreiter der Region ist weiterhin Chile auf Rang 23. In Asien ist Singapur auf Platz 8 weiter das Maß aller Dinge. China hält sich stabil auf Rang 23. Besser wird insbesondere Südkorea beurteilt, während die Einschätzung für Japan diesmal um 1,5 Bewertungspunkte schlechter ausfällt. Das hohe Wirtschaftswachstum in der dynamischsten Region der Welt zeigt sich in der besseren Beurteilung einer Reihe südostasiatischer Staaten. Insbesondere in Vietnam, das jetzt auf Platz 70 liegt, sind nach Ansicht der Experten die Risiken deutlich gesunken. Gunnar Erth D O W N L O A D -T I P P Das Ranking erhalten Sie unter Suchcode A07A kostenlos hier: www.sparkassen-shop.de/verlag 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 19 6|2016 6|2016 LÄNDER & REGIONEN [ Kaukasus ] Öl und Gas haben Baku reich gemacht, doch jetzt wird die Wirtschaft diversifiziert. ASERBAIDSCHAN Ungleiche Nachbarn Einwohner: 9,5 Millionen BIP 2016: 60,7 Mrd. USD Wachstum 2016: –2,4 % Schnittstelle. Der Südkaukasus gilt als Drehscheibe zwischen Europa und Zentralasien. Wer hier Geschäfte macht, kann mehrere Märkte erschließen, auch Nahost oder Russland. S chwäbische Maultaschen, Balkan-Grillplatte und Elsässer Flammkuchen: Im Restaurant „Rainers“ verschmilzt halb Europa, zumindest aus kulinarischer Sicht. Die meisten Gäste von Rainer Kaufmanns Restaurant in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens, sind Einheimische. Die fünf Mitarbeiterinnen in der Küche musste er selbst ausbilden: „In Georgien gibt es handwerklich kaum qualifiziertes Personal, jedoch sehr viele Studienabgänger.“ Seit 25 Jahren pendelt Kaufmann zwischen seiner badischen 20 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 Heimat Bruchsal und Georgien, wo er sich die meiste Zeit des Jahres aufhält. Neben seinem Restaurant betreibt er einen CateringService, ein Hotel, ein Reisebüro und einen Verlag, in dem er die deutschsprachige „Kaukasische Post“ herausgibt. Zudem engagiert er sich im Vorstand der Deutschen Wirtschaftsvereinigung Georgien. Wer im Land investieren wolle, müsse wissen, dass man sich nicht unbedingt auf praktisch gut ausgebildete Mitarbeiter verlassen kann. „Die ersten Jahre sollte man verstärkt in Führungs- und Ausbil- dungspersonal vor Ort investieren“, rät Kaufmann, „da braucht man einen langen Atem.“ Das hat auch die Regierung erkannt und verspricht für 2017 „massive Reformen im Berufsschulwesen“. Georgien gibt sich offen Überhaupt gibt sich die Führung des kleinen Landes am Schwarzen Meer, das gerade mal so groß wie Bayern ist, seit Jahren äußerst reformfreudig: Die Wirtschaft wurde stark liberalisiert, das Land dadurch deutlich attraktiver für Investoren. Die Handelsbarrieren sind gering, das Einfuhrzollverfahren einfach und die Steuern niedrig. So gilt bei der Gewinnbesteuerung eine Flatrate von gerade mal 20 Prozent. Und bei Reinvestitionen, bei denen die Gewinne im Unternehmen verbleiben, könne die Steuer auch mal gänzlich wegfallen, sagt Kaufmann. „Georgien ist wirklich ein Steuerparadies.“ Zudem wurde die Bürokratie gestrafft: Moderne Verwaltungszentren mit One-Stop-Shops ermöglichen es, in kürzester Zeit eine Firma zu gründen. So viel Reformgeist zahlt sich aus: Im Doing-Business-Report 2017 der Weltbank belegt Georgien Rang 16 von 190 Ländern – und liegt einen Platz vor Deutschland. Beim Grad der Korruptionswahrnehmung, den Transparency International jährlich ermittelt, hat Georgien mit Rang 48 längst EU-Mitglieder wie Italien oder Ungarn eingeholt. Kaufmann: „Korruption sucht man heute vergeblich, zumindest auf der Ebene, dass Beamte überall die Hand aufhalten oder die Sanitätsinspektion zum Abkassieren ins Restaurant kommt.“ Oliver Regner, Geschäftsführer der Deutschen Wirtschaftsvereinigung Georgien: „Von solchen Werten profitieren deutsche Unternehmen unmittelbar, sei es bei der Unternehmensgründung oder beim alltäglichen Geschäftsgebaren.“ Speziell Deutschland genieße einen sehr guten Ruf, was man an einer wahren Fülle deutscher Produkte im Handel sehe. Vertrag mit EU gibt Impulse Georgien mit seinen 3,7 Millionen Einwohnern ist sehr stark vom Außenhandel abhängig. Der Handel mit den Nachbarländern Türkei und Armenien ist frei, ein Assoziierungsabkommen mit der EU seit Kurzem in Kraft. „Das Abkommen stellt hohe Ansprüche an die georgische Wirtschaft“, sagt Regner. Dass alle Standards nicht von heute auf morgen erfüllt würden, sei klar. „Die Ansprüche sind jedoch exakt im Sinne deutscher Unternehmer, die mit ihren qualitativ hochwertigen Angeboten nur auf Märkten bestehen können, die ebensolche verlangen anstelle von Massenwaren“, so Regner. Die Jahre, in denen Georgien ein zweistelliges Wirtschaftswachstum verzeichnete, sind allerdings gezählt. Als der Oppositionspolitiker Michail Saakaschwili nach der Rosenrevolution Anfang 2004 an die Macht kam, reformierte er den postsowjetischen Wirtschafts- und Verwaltungsapparat grundlegend. Das Wachstum Georgiens wurde erst 2008 durch den Krieg mit Russland gebremst: Moskau verhängte einen Importstopp. Der für Georgien sehr wichtige Weinbau, aber auch die Mineralwasser-Industrie mussten sich nach neuen Märkten umsehen. Nach Ende der Ära Saakaschwili 2013 haben sich Russland und Georgien zögerlich wieder angenähert. Die Frage um die umstrittenen Gebiete Abchasien und Südossetien ist jedoch offen. Nun wird Georgiens Wachstum erneut gebremst: Die wichtigen Abnehmer Russland, Ukraine und Aserbaidschan leiden unter einer Wirtschaftskrise. Das hat zu geringeren Geldüberweisungen georgischer Gastarbeiter in die Heimat geführt. Hinzu kommt die Abwertung der Landeswährung Lari, was die Nachfrage senkt. Dies spie- Spannungsgeladene Region am Rande Europas Foto: dpa/Picture Alliance Streit. So zerklüftet wie die Natur ist auch die politische Lage im Südkaukasus. Alle drei Märkte integrieren sich wegen der oft schwachen Infrastruktur nur schwer in internationale Wertschöpfungsketten. Die regionale Zusammenarbeit ist aufgrund politischer Auseinandersetzungen unzureichend. Die Gefahr eines Kriegs zwischen Armenien und Aserbaidschan wegen Berg-Karabach liegt weiter als Schatten auf der Region. Und Teile Georgiens haben sich nach bewaffneten Konflikten für unabhängig erklärt. 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 21 LÄNDER & REGIONEN [ Kaukasus ] gelt sich vor allem im Gebrauchtwagensektor wider, der zu Bestzeiten ein Fünftel der georgischen Gesamtexporte ausmachte und nun drastisch eingebrochen ist. Aufgrund der liberalen Handelsgesetze hatte sich Georgien zur Drehscheibe für Gebrauchtfahrzeuge, viele aus Deutschland, im Südkaukasus etabliert. Die sinkende Kaufkraft in Aserbaidschan setzte den Autohändlern stark zu. Überhaupt hat die Wirtschaft in Aserbaidschan schon bessere Zeiten erlebt: Der Reichtum des kleinen Landes am Kaspischen Meer basiert auf den üppigen Öl- und Gasvorkommen. Diese bilden den Grundpfeiler der aserbaidschanischen Wirtschaft und stellen 90 Prozent der Exporteinnahmen. Entsprechend hart trifft der niedrige Ölpreis auf dem Weltmarkt das Wirtschaftswachstum, das in diesem Jahr laut Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) ein Minus von 2,4 Prozent erreichen soll. Bereits im Frühjahr 2015 wurde die Landeswährung, der Aserbaidschan-Manat, um gut ein Drittel abgewertet, zum Jahresende folgte eine zweite Devaluationswelle von etwa 50 Prozent, als sich der Manat vom Dollar löste. Das Land belegt Rang 65 im Doing-Business-Report 2017. Frischer Wind in Baku Ungeachtet dessen führt die Regierung in Baku seit einigen Jahren Reformen durch, zu denen auch einfachere Verwaltungsprozesse gehören. Es ist leichter geworden, eine Niederlassung zu registrieren oder Geschäfte abzuwickeln. Ein Hindernis ist hingegen die Erhöhung der Einfuhrzölle, die den Binnenmarkt schützen soll, aber auch die Auflage für staat22 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 GEORGIEN Einwohner: 3,7 Millionen BIP 2016: 13,9 Mrd. USD Wachstum 2016: 3,4 % liche Stellen, keine eingeführten Waren zu erwerben. Dies kann zu einem Rückgang der Importe führen – auch für deutsche Anbieter. Aserbaidschan hat jedoch nicht nur Öl und Gas zu bieten, wie die Regierung in Baku gern betont. Die Wirtschaft wird diversifiziert: Informations- und Kommunikationstechnologien verzeichnen einen Aufschwung, ebenso die Agrar- und Nahrungsmittelindustrie. Ebenso offen zeigt sich die Regierung für Projekte im Bereich erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Überhaupt scheint Baku für solche Vorhaben ideal zu sein: Die starken Küstenwinde, die die Region prägen, verliehen der Metropole ihren Namen: „Stadt der Winde“, so nannten die alten Perser Baku einst. Georgien hängt Nachbarn ab Das reale Bruttoinlandsprodukt wird 2017 im Kaukasus wieder überall zunehmen. 6 Angaben in Prozent 4 2 0 –2 –4 2013 2014 2015 2016 Armenien Aserbaidschan Georgien 2016 und 2017 Prognose. Quelle: GTAI 2017 Ein rauer politischer Wind prägt Aserbaidschans Beziehungen zum Nachbarland Armenien: Die autonome Region Berg-Karabach, die beide Länder für sich beanspruchen, hat in der Vergangenheit zu erbitterten Kämpfen geführt. Die seit 1994 andauernde Waffenruhe wurde im vergangenen Frühjahr gebrochen, was mehrere Dutzend Opfer mit sich brachte. Nicht ganz unkompliziert ist auch die Nachbarschaft Armeniens zur Türkei, die sich strikt gegen eine internationale Anerkennung des Genozids an den Armeniern im Ersten Weltkrieg ausspricht. Die festgefahrene Situation hat dazu geführt, dass Armenien geostrategisch fast isoliert ist: Von vier Landesgrenzen sind zwei geschlossen, nach Aserbaidschan und in die Türkei. Warentransporte verlaufen auf dem Landweg über das nördlicher gelegene Georgien oder über den Iran im Süden. Viele ausländische Investoren erschließen sich dadurch neue Märkte im Nahen Osten. Wirtschaftlich ist Armenien allerdings stark von Russland abhängig: Beide Länder gehören, gemeinsam mit Belarus und Kasachstan, zur Eurasischen Wirtschaftsunion. Mehr als die Hälfte der ausländischen Direktinvesti- ARMENIEN Einwohner: 3,0 Millionen BIP 2016: 10,1 Mrd. USD Wachstum 2016: 3,2 % tionen stammt aus Russland, wo eine starke armenische Diaspora mit zwei Millionen Menschen lebt. Darunter sind viele Gastarbeiter, die Geld in die Heimat überweisen – angesichts der Wirtschaftskrise derzeit allerdings weniger. Als deutscher Vorzeigeinvestor in Armenien gilt das Familienunternehmen Cronimet aus Karlsruhe, das hier Kupfer und Molybdän fördert. 2004 wurde das vormals staatliche Bergwerk Kadscharan mehrheitlich übernommen. Mger Poloskov, der die Cronimet Mining AG vor Ort leitet, ermutigt potenzielle ausländische Investoren: „Armenien hat eine gute Infrastruktur, eine liberale und offene Wirtschaft, einen günstigen Rechtsrahmen und relativ niedrige Steuern“, fasst der TopManager die Vorzüge zusammen. Zudem gebe es Investitionsga- rantien und Unterstützung durch die Regierung. Armeniens bedeutendstes Kapital seien aber die vielen qualifizierten Fachkräfte. Im Doing-Business-Report 2017 der Weltbank belegt Armenien Rang 38. Eine Top-Position nimmt dabei der Bereich Unternehmensgründung ein, der Armenien weltweit Rang 5 einbringt. Das kleine Land im Südkaukasus will sich vor allem als Hightech-Standort profilieren: Seit Jahren verzeichnet der IT- und Kommunikationssektor steigende Umsätze, in den vergangenen neun Jahren sind mehr als 250 neue Branchenunternehmen entstanden. Auch bekannte Unternehmen wie Synopsys, Oracle und Microsoft betreiben Niederlassungen in Armenien. Zumindest für die IT-Branche gilt: Hier trifft sich nicht nur halb Europa, sondern die Welt im Kleinen – worauf das Kaukasus-Land ganz besonders stolz ist. Veronika Wengert Fotos: Getty Images, Huber Images, Scheuer „Drei Länder mit höchst unterschiedlichen Stärken“ AUSSEN WIRTSCHAFT: Welches Land im Südkaukasus bietet die besten Chancen? Scheuer: Alle drei Länder haben höchst unterschiedliche Stärken und Schwächen. So hat Georgien ein Assoziierungsabkommen mit der EU ausgehandelt, erhält dadurch besseren Zugang zum EU-Binnenmarkt und dürfte zudem in Kürze die visafreie Einreise in die EU für seine Bürger erreichen. Im Geschäftsklimaindex der Weltbank erreicht Georgien regelmäßig Spitzenplätze. Da haben die anderen Länder Nachholbedarf. AW: Inwiefern? Scheuer: Armenien hat sich der Eurasischen Wirtschaftsunion angeschlossen, orientiert sich stärker an Russland und ist durch seine politischen Konflikte mit der Türkei und Aserbaidschan stärker isoliert, konnte aber insbesondere im ITSektor Akzente setzen. Aserbaidschan geht einen Mittelweg zwischen der EU und der Eurasischen Union. Durch seinen Öl- und Gasreichtum ist es mit Abstand das wirtschaftlich stärkste Land. Über 80 Prozent des deutschen Handels mit der Region in Höhe von 3,9 Milliarden Euro entfallen auf Aserbaidschan. Alle drei Länder investieren derzeit stark in Verkehrsprojekte und die EnergieInfrastruktur. Auch der Agrarsektor und die Ernährungswirtschaft sind chancenreich. Der SüdkauAlbert Scheuer, kasus ist eine sehr fruchtbare Region. In Georgien Sprecher des hat zudem der Tourismus großes Potenzial. Arbeitskreises Südkaukasus im AW: Welche Tipps haben Sie für deutsche MitOst-Ausschuss, telständler mit Interesse an der Region? Vorstandsmitglied Scheuer: Es lohnt, sich unvoreingenommen vor HeidelbergCement Ort einen Eindruck zu verschaffen. Und es gibt Beispiele für erfolgreiche deutsche Investments in der Region, die sich studieren lassen. Der OstAusschuss hilft gern mit Kontakten vor Ort. 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 23 6|2016 LÄNDER & REGIONEN [ Sambia ] S eit gut einem halben Jahr hat Johannes Kurt eine neue berufliche Herausforderung fernab der Heimat in der sambischen Hauptstadt Lusaka. Er ist dort Repräsentant der Deutschen Industrie- und Handelskammer für das südliche Afrika. Und das Interesse an Sambia, der nach Südafrika und Angola drittgrößten Volkswirtschaft im südlichen Afrika, wächst. Kurt: „Die Gründung der AHK-Vertretung ist sehr begrüßt worden. Wir haben bereits eine Vielzahl von Anfragen zu Marktinformationen und Kontaktvermittlungen von deutschen, aber vor allem sambischen Unternehmen erhalten.“ Von 2010 bis 2014 erzielte das Land, das als politisch stabil gilt und eine junge, aber relativ gefestigte Demokratie aufweist, mit durchschnittlich 6,7 Prozent hohe reale Wachstumsraten. In den mehr als 50 Jahren seit der Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich gab es bislang keine gewaltsamen Auseinandersetzungen. Wirtschaftsfaktor Kupfer Nach Informationen des AfrikaVereins sind in dem Binnenstaat, der mehr als doppelt so groß wie Deutschland ist, 35 deutsche Firmen aktiv. Etwa BASF, das Frankfurter Ingenieurbüro Gauff Consultants und das Berliner Unternehmen Amatheon Agri, das 50 Millionen US-Dollar in die Sektoren Feldanbau, Viehzucht und Fleischverarbeitung investiert hat. Viele Mittelständler haben teils im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit attraktive Geschäftsnischen gefunden. Sambia ist Afrikas zweitgrößter Kupferproduzent und ungeachtet der aktuellen Preiskrise investieren die Minenbetreiber in die 24 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 Erschließung neuer Lagerstätten sowie die Minenmodernisierung. Für deutsche Firmen bieten sich dabei interessante Chancen, etwa bei effizienten Kälte- und Lüftungsanlagen, Aufzugs- und Fördertechnik oder Solar-Diesel-Hybridsystemen zur Energieversorgung. Der Vorsitzende des Afrika-Vereins, Stefan Liebing, schätzt die Perspektiven der sambischen Wirtschaft überaus positiv ein: „Neben dem Bergbau zählen die Bauindustrie, der Transport- und Kommunikationssektor, die Finanzwirtschaft und der Handel zu den Wachstumsstützen.“ Die wachsende kon- sumfreudige Mittelschicht sorge in den Ballungsräumen für eine rege wirtschaftliche Aktivität: „Die Nachfrage nach Wohn- und Bürokomplexen steigt, und in vielen Städten entstehen Shopping-Center. Eine wichtige Zukunftsaufgabe ist die Diversifizierung der Wirtschaft, um die Abhängigkeit vom Kupferbergbau zu reduzieren.“ Chancen für deutsche Firmen sieht Liebing vor allem bei Leistungen und Technologien zur Verbesserung der Infrastruktur oder der Wasserver- und -entsorgung. Großes Potenzial böte sich auch im Bereich erneuerbare Energien. Die Musterschüler Aufschwung. Sambias Wirtschaft soll bis 2020 jährlich um etwa 5 Prozent wachsen. Der afrikanische Binnenstaat bietet zahlreiche Chancen für den deutschen Mittelstand. Foto: Huber Images Bislang hängt viel an der Wasserkraft, langfristig soll aber mehr Solarenergie gewonnen werden. Gefragt sind auch Modelle für netzferne Regionen und die Selbstversorgung in Städten. Aufgrund der guten geografischen und klimatischen Bedingungen gelten auch die Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion als attraktiv. Das bestätigt auch Stephan Klosterkamp, Regionalgeschäftsführer Africa & Middle East der Claas KGaA mbH, eines weltweit führenden Herstellers von Landtechnik. Das Familienunternehmen aus dem westfälischen Harsewinkel ist seit über zehn Jahren in Sambia tätig und vertreibt dort über lokale Partner sein gesamtes Produktportfolio: „Die Landwirtschaft in Sambia wird zwar von kleinen Farmern dominiert, die ihren Mechanisierungsgrad schrittweise ausbauen, aber es gibt auch einzelne Großinvestoren.“ Land mit vielen Nachbarn Rund 15 Millionen Menschen leben in dem afrikanischen Binnenstaat, dessen Name sich vom Fluss Sambesi ableitet. Den Schlüssel zum Erfolg in Sambia sieht Klosterkamp im Training der Landwirte. In Kooperation mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unterstützt Claas ein deutsch-sambisches Agrartrainingszentrum: „So lernen die potenziellen Kunden, dass der Tipps für das Sambia-Geschäft Hilfe. Sambier sind gegenüber internationalen Managern sehr aufgeschlossen, viele haben im Ausland studiert oder gearbeitet. Auftritt. Die Geschäftskultur ist in Kommunikation und Kleidung sehr formell. Bei Geschäftsterminen ist nie Eile geboten, erst nach einem ausführlichen Gespräch über Themen wie die Familie oder die jüngsten sportlichen Highlights wird man zum Geschäft übergehen. Kontakte. Ein persönliches Netzwerk zu wichtigen Entscheidungsträgern und anderen Unternehmern ist wichtiger als ein technologisches Alleinstellungsmerkmal. Gute Möglichkeiten dazu bieten die Angebote des Afrika-Vereins. Politik. Insbesondere prominente Fürsprecher sind hilfreich. Ein Anruf aus einem Ministerbüro kann festgefahrene Situationen lösen. Sprache. Mit Englisch als Amtssprache fällt deutschen Unternehmern der Kontakt meist leichter als in französisch- oder portugiesischsprachigen Ländern. Tipp. Der Subsahara-Afrika-Blog der IHK Neuss bietet lesenswerte Publikationen rund um das interkulturelle Know-how. Momentan entsteht auch eine Neufassung des Länderprofils Sambia. Kaufpreis einer Maschine nur ein Element in der Gesamtbetrachtung ist und ein Qualitätsprodukt mit höherem Anschaffungspreis deutliche Produktivitäts- und Effizienzvorteile mit sich bringt.“ Newcomern in Sambia rät Klosterkamp: „Wagen Sie den Schritt in den Markt. Reisen Sie mehrfach in das Land, sprechen Sie mit Ihrem Kundensegment, nehmen Sie Kontakt auf mit Regierungsstellen, Banken und lokalen Verbänden.“ Bei Projektideen sollte der Aspekt berufliche Bildung, ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem deutsche Unternehmen verlässlich punkten könnten, unbedingt mit bedacht werden. Abschlüsse benötigen Zeit In jedem Fall sollte die nationale Investitionsagentur Zambia Development Agency (ZDA) konsultiert werden. Sie vermittelt Gespräche mit Ministerien und Regierungsbehörden. „Zudem unterstützt sie bei der Überwindung erster bürokratischer Hürden wie der Beantragung einer Arbeitserlaubnis oder der Unternehmensregistrierung“, so Liebing. Ein Investitionsschutzund ein Doppelbesteuerungsabkommen vereinfachten und sicherten die Geschäfte zwischen Sambia und Deutschland. Aber man sollte sich darauf einstellen, dass ein Vertragsabschluss eine lange Vorbereitungszeit braucht. Der Besuch von Fachmessen lohnt sich, wie der Agritech Expo Zambia, die vom 27. bis 29. April 2017 in Chisamba stattfindet, 60 Kilometer nördlich von Lusaka. Die Messe wird durch einen Gemeinschaftsstand deutscher Unternehmen im Rahmen des Auslandsmesseprogramms des Bundes gefördert. Ernst Leiste 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 25 6|2016 LÄNDER & REGIONEN [ Argentinien ] Im Hafen von Buenos Aires könnte bald deutlich mehr Betrieb herrschen. Neustart am Río de la Plata Neustart. Argentinien will die schweren Jahre hinter sich lassen. Der Kurs der neuen Regierung weckt dabei Hoffnungen. Ausländische Investoren sollen die Wirtschaft beflügeln. D as altehrwürdige ehemalige Hauptpostamt von Buenos Aires, heute das größte Kulturzentrum Lateinamerikas, erlebte Mitte September einen ungewöhnlichen Publikumszustrom. Argentiniens neuer Präsident, Mauricio Macri, hatte zum „1st Argentina Business & Investment Forum“ ins Centro Cultural Kirchner geladen; mehr als 1900 führende Manager von knapp 1000 Unternehmen aus 67 Ländern waren dem Ruf zu diesem „Mini-Davos“-Gipfel gefolgt. Unter ihnen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, 26 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 der vor Ort auf die erheblichen Investitionschancen für deutsche Firmen am Río de la Plata hinwies. Ein Beleg dafür ist der SiemensKonzern, der – wie der Vorstandsvorsitzende Joe Kaeser auf dem Kongress erläuterte – sein Argentinien-Geschäft bis 2020 verdoppeln will. Es geht dabei um ein Finanzierungs- und Investitionspotenzial von bis zu 5 Milliarden Euro in den Sektoren Energie, Transport und intelligente Städte. Als Tätigkeitsfelder nennt eine im Beisein von Minister Gabriel und Präsident Macri unterzeichnete Absichtserklärung die Verbesserung der Effizienz und des Betriebs des Energieerzeugungsnetzes, die Modernisierung der Bahninfrastruktur, Smart Grids sowie intelligente Verkehrssysteme. Die Bedingungen für einen Neustart am Río de la Plata sind so günstig wie lange nicht mehr. Nach Einschätzung von Carl Moses, seit 1989 Marktbeobachter von Germany Trade & Invest in Buenos Aires, hat sich Argentinien zum neuen Hoffnungsträger Lateinamerikas entwickelt. „Nach der Beilegung der Schuldenkon- flikte hat das Land nach 15 Jahren wieder Anschluss an die internationalen Finanzmärkte gefunden.“ Ganz ohne Reibungen verläuft die 180-Grad-Wende der Wirtschaftspolitik allerdings nicht. Die Wirtschaft steckt derzeit in einer Anpassungsrezession. Die Reformen schmerzen, tragen aber noch keine Früchte. Und das Staatsdefizit ist noch nicht im Griff. „Für 2017 ist aber ein kräftiger, auch von Exporten und Investitionen getragener Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von mindestens 3 Prozent zu erwarten“, so Moses. Foto: Mauritius Viele Hindernisse beseitigt Innerhalb weniger Monate hat der seit Dezember 2015 regierende liberal-konservative Staatschef Macri viele Hindernisse beseitigt, die Beschränkungen des Außenhandels und des Devisenverkehrs weitgehend aufgehoben, Exportsteuern abgeschafft und den Wechselkurs freigegeben. Die Deutsche Auslandshandelskammer in Buenos Aires spürt die Hoffnungen der Wirtschaft auf das neue Argentinien in Form steigender Anfragen. Als Pluspunkte im Standortwettbewerb nennt die AHK vor allem das Vorhandensein von qualifiziertem Personal, die solide Mittelschicht, das europäische Umfeld sowie das gute Ansehen deutscher Produkte. Sehr gute Geschäftschancen sieht Germany Trade & Invest für deutsche Firmen bei erneuerbaren Energien, im Bergbau, bei der Erschließung der immensen Schiefergasvorkommen in Patagonien, die das Energiedefizit decken und der Petrochemie eine neue Wachstumsbasis bringen sollen, und bei der Agroindustrie, die von Exportbeschränkungen befreit wurde. Richtig verhalten Vorsicht. Fettnäpfchen gibt es viele. Hier sind einige Tipps. Politik. Argentinier schimpfen gern über ihr Land. Aber von Ausländern hören sie das nicht gern. In den zwölf Jahren der Kirchner-Regierungen hat sich eine Polarisierung zwischen „Kirchneristen“ und „Anti-Kirchneristen“ herausgebildet. Aus diesen innenpolitischen Konflikten sollte man sich heraushalten. Falklands. Nie den Anspruch Argentiniens auf die Falklandinseln infrage stellen! Schon der britische Name „Falkland“ ist zu vermeiden; Argentinier sprechen von den Islas Malvinas. Fußball. Vor allem als Deutscher sollte man nicht in den Wunden der argentinischen Fußballseele stochern. Nicht über den Fußballheiligen Maradona lästern, trotz seiner Skandale. Vertrauen. Mit Argentiniern ist man schnell per Du. Man nennt sich gern beim Vornamen und ist gleich „Amigo“. Das sollte man aber nicht als Vertrauensverhältnis interpretieren. Das Spiel zwischen Nähe und Distanz hier richtig auszutarieren fällt Mitteleuropäern oft nicht leicht. Noch im Wellental 2017 soll das Bruttoinlandsprodukt Argentiniens wieder steigen. 2,9 2,8 1,2 0,5 – 1,0 2013 2014 2015 Angaben in Prozent. Quelle: GTAI 2016 2017 Vor allem durch neue Windkraft- und Solaranlagen soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von heute 2 bis 2025 auf 20 Prozent steigen, was 10 Gigawatt an Neukapazität entspräche. Nach der drastischen Erhöhung der Energiepreise sind zudem effiziente Lösungen für Firmen und Haushalte gefragt. Bei einer Stabilisierung der Weltmarktpreise dürften auch die Bergbauinvestitionen steigen. Gute Förderperspektiven bestehen vor allem für Kupfer, Gold, Silber, Lithium und Kaliumchlorid. Nachholbedarf sieht die GTAI auch bei der Modernisierung der Telekommunikationsbranche, in der 4G-Netze erst im Aufbau sind. Und im Rahmen des Infrastrukturprogramms der Provinz Buenos Aires sind Aufträge in den Sektoren Wasser, Kanalisation und Straßenbau zu erwarten. Ansatzpunkte für deutsche Mittelständler bieten sich nach Einschätzung des Wirtschaftsanwalts und Beraters Martin Jebsen, der in über 45 Jahren etliche deutsche Mittelständler bei der Ansiedlung in Lateinamerika betreut hat, ebenfalls in der Bauindustrie für Zulieferer moderner Produkte und Technologien. „Auch Software- und Beratungsunternehmen für technologiebasierte Problemlösungen, agroindustrielle und biotechnologische Betriebe sollten ihre Marktchancen sondieren.“ Zudem bestehe in Argentinien ein hoher medizinischer Standard, daher wachse die Nachfrage nach neuer Technik und neuen Produkten. Jebsen: „Viele Patienten lateinamerikanischer Länder kommen zur Behandlung nach Buenos Aires.“ Die Stadt biete sich auch als Drehkreuz für die spanischsprachigen Nachbarländer an. 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 27 LÄNDER & REGIONEN [ Argentinien ] Möglichkeiten, den Markt zu erkunden, gibt es reichlich, etwa durch den Besuch von Fachmessen, die teilweise auch im Rahmen des Auslandsmesseprogramms des Bundes gefördert werden. So etwa die internationale Wohnungsbau-Ausstellung Batimat Expovivienda, die für die Sparten Bautechnik, Baustoffe, Baumaschinen und Innenausbau Ende Juni 2017 in Buenos Aires stattfindet. Auch eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderte Geschäftsanbahnungsreise nach Argentinien vom 27. bis 31. März 2017 für Produkte und Dienstleistungen für die Erdöl- und Gasindustrie bietet Ansatzpunkte für deutsche Firmen der Energiewirtschaft sowie des Maschinen- und Anlagenbaus. Partner vor Ort sind wichtig Argentinien ist allerdings kein Billiglohnland. Es gelten auch nicht dieselben Regeln wie in Deutschland, obwohl der größte Teil Argentiniens im Vergleich zu anderen Ländern der Region sehr europäisch wirkt. Ein Partner vor Ort ist daher zur Marktbearbeitung unerlässlich, betont Berater Jebsen. Nicht unterschätzt werden sollten zudem die langwierigen bürokratischen Prozesse, die das Einplanen einer entsprechenden Vorlaufzeit notwendig machen. Auch wird Pünktlichkeit eher kleingeschrieben, vom deutschen Unternehmer aber erwartet – bei Terminen in Buenos Aires mit seinem Großraum von über 15,5 Millionen Einwohnern nicht immer leicht. Luft nach oben, um die Exporte an den Río de la Plata zu steigern, gibt es noch genug. Die deutschen Ausfuhren nach Argentinien sanken nach Daten des Statistischen Bundesamts im 1. Halbjahr 2016 um 2,1 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. Ins krisengeplagte Nachbarland Brasilien gingen immer noch mehr als dreimal so viele Waren. Immerhin: Im September beschloss der Interministerielle Ausschuss für Exportkreditgarantien, den seit Anfang 2002 bestehenden Deckungsausschluss für Geschäfte im öffentlichen Sektor aufzuheben. Voraussetzung für eine entsprechende Absicherung durch den Bund ist allerdings, dass Sicherheiten des argentinischen Finanzministeriums oder der Zentralbank vorliegen. Zudem wurden die Beschränkungen im privaten Sektor vollständig aufgehoben. Ernst Leiste Argentiniens Präsident Macri besuchte Kanzlerin Merkel im Juli im Kanzleramt. 28 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 Carl Moses, Korrespondent von Germany Trade & Invest für Argentinien, Bolivien, Paraguay und Uruguay „Argentinien kann zum Star werden“ AUSSEN WIRTSCHAFT: Wie stehen die Chancen für die deutsche Wirtschaft in Argentinien? Moses: Wenn Präsident Macri seinen Reformkurs durchhält, wird Argentinien in den nächsten Jahren der Star in Lateinamerika. Kein anderes Land hat so breit diversifizierte Ressourcen – nicht nur Rohstoffe sowie ein riesiges Agrar- und Energiepotenzial, sondern auch gut ausgebildete, kreative Menschen mit europäischen Wurzeln. AW: Wie können deutsche Unternehmen in Argentinien punkten? Moses: Indem sie die langfristigen Kostenvorteile und Produktivitätseffekte ihrer Angebote gut erklären und vor Ort Spitzenservice vor und nach dem Kauf anbieten. AW: Welche Tipps haben Sie für Argentinien-Newcomer? Moses: Der erste Weg sollte zur AHK führen. Wenn möglich, die Förderprogramme des Bundes für die Markterkundung nutzen. Für viele Branchen gibt es Fachmessen, bei denen man sich einen Überblick verschaffen kann. Zudem sind spezielle Dienstleistungen von Anwälten, Steuerfachleuten und anderen Beratern hilfreich. Auch wenn es oft nicht billig ist, würde ich daran nicht sparen. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen geht es kaum ohne einen lokalen Partner. [ Medizintechnik ] BRANCHEN & MÄRKTE Gesundheit. Der Export von Medizintechnik ist zwar stark reguliert, bietet aber kleinen und mittleren Firmen großes Potenzial. So gelingt der Einstieg in neue Märkte. Im Einsatz. Medizintechnikhersteller führen ihre Produkte bisweilen sogar bei Operationen vor. D ie Meyer-Haake GmbH in OberMörlen erzielt den größten Teil ihres Umsatzes im Export. Das Unternehmen bietet im Schwerpunkt Materialien und Geräte für die Wundversorgung und Radiochirurgie bis hin zu Einmalinstrumenten und Einweg-Urinalen an. Die Produkte werden in Deutschland hergestellt und über Handelsvertreter in zahlreiche Länder verkauft. „Wir sind regelmäßig auf Messen wie der Medica in Düsseldorf vertreten, auch im Ausland, etwa auf der Arab Health in Dubai“, erklärt Heike Jordan, Managing Director des Unternehmens. Kontaktpflege sieht die Firmenchefin als A und O für einen erfolgreichen Export. „Wir nehmen jedes Jahr an mehreren Unternehmerreisen teil, um unser Netzwerk auszubauen und um uns über die Marktbedingungen zu informieren“, sagt die Geschäftsführerin. Viele der Produkte sind erklärungsbedürftig. „Wir stehen mitunter mit im OP, um in der Praxis zu zeigen, wie die Kunden zum Beispiel mit den chirurgischen Instrumenten umzugehen haben“, so Jordan. Insbesondere Europa und die USA sind für die Firma wichtige Märkte. In den kommenden Jahren steht die Expansion nach China auf dem Plan. Lebenswichtiger Export Die meisten Anbieter von Medizintechnik leben vom Export. So entwickelte sich nach Angaben des Branchenverbands Spectaris in den letzten Jahren der Export der Branche besser als das Inlandsgeschäft. 9,9 Milliarden Euro Inlandsumsatz standen 2015 rund 17,6 Milliarden Euro Exporteinnahmen gegenüber. Die Ausfuhrquote der Branche beträgt beinahe 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 29 Fotos: ddp Images, Mauritius. Moses Heilende Kräfte 6|2016 BRANCHEN & MÄRKTE [ Medizintechnik ] 65 Prozent. Mehr als ein Sechstel der Ausfuhren gehen in die USA, vorn liegen ebenso EU-Länder wie Frankreich und Großbritannien. Auch China bietet Potenzial. „Allerdings reglementiert die Regierung hier stark und fördert zusehends lokale Anbieter“, erläutert Jennifer Goldenstede, Leiterin Außenwirtschaft und Exportförderung bei Spectaris (siehe Interview). Wer Medizintechnik exportiert, benötigt im Zielland eine Zulassung. In den USA wird der Markt Deutsche Medizintechnik ist weltspitze, doch Länder wie China schließen schnell auf. durch die U.S. Food & Drug Administration (FDA) reguliert. Germany Trade & Invest (GTAI) weist Normen und Standards – berei- Ziel, verstärkt lokale Firmen zu darauf hin, dass Hersteller und ten kleinen und mittleren Fir- fördern. Quantität und Qualität Händler ihr Geschäft anmelden men hohe Kosten und Mehrauf- der heimischen Produktion sollen und ihre Geräte registrieren las- wand. Die Hoffnung liegt auf dem verbessert sowie der Import redusen müssen. Erst dann können umstrittenen Transatlantischen ziert werden. Dazu veröffentlichte sie an Ausschreibungen teilneh- Freihandelsabkommen (TTIP). die Regierung eine lange Liste mit men. Informationen dazu liefert „Es muss das Ziel sein, über TTIP mehr als 100 Produkten der Medidas Bundesprojektregister. „Um zu erreichen, dass die gegensei- zintechnik sowie medizinischer eine Marktzulassung zu erhalten, tige Anerkennung bereits auf dem Verbrauchsmaterialien. Bis 2020 verlangen die USA oft teure Audits. heimischen Markt zugelassener sollen beispielsweise deutlich Mitarbeiter der Behörden kommen Medizinprodukte auf den jeweils weniger chirurgische Instrumente, in die Firma und prüfen die Rah- anderen erleichtert wird“, so Gol- Prothesen und selbst Watte eingemenbedingungen sowie die Quali- denstede. Der Ausgang der Ver- führt werden. Zum anderen kürzt tät der Produkte“, sagt Goldenstede. handlungen ist offen. die Regierung die GesundheitsbudWeit mehr Handelshemmnisse gets. Experten gehen davon aus, Vielfältige Handelsbarrieren als in den USA bestehen in Russ- dass sich der Markt erst in etwa land. Der Markt ist sehr reguliert zwei Jahren erholen wird. „Die Das Engagement kann sich den- und Zulassungen nur schwer zu zahlreichen neuen Bestimmungen noch lohnen. Denn der US-Markt erhalten. Seit Anfang 2015 hat die sowie die schwierige wirtschaftliist der größte weltweit. Der demo- russische Regierung zudem das che Lage erschweren den Export grafische Wandel vollzieht sich auch in den USA, die Bevölkerung wächst. Rund ein Drittel des Bedarfs der Vereinigten Staaten wird durch Importe gedeckt. Markt. Das sollten Firmen beachten, wenn sie nach China liefern wollen. Andererseits besteht aber auch ein hoher Wettbewerbsdruck. Made Unternehmer sollten bereits vor Ort gewesen sein, bevor sie sich den chinesischen Markt erschließen. Denn es warten viele Herausforderungen: Die in Germany hat zwar einen guten Zahlungsmoral gilt als schlecht, Fristen werden oft nicht eingehalten. Der Namen, doch auch die Hersteller Markt ist stark reguliert. Und in China ist es sehr schwer, bei Problemen zu aus den USA bieten Qualität an. seinem Recht zu kommen. Zudem wird man nicht den Markt als Ganzes ins Außerdem gibt es zahlreiVisier nehmen können. Besser ist es, sich im ersten Schritt auf eine chinesiche Handelsbarrieren. Gerade sche Region zu konzentrieren und hier mit einem Distributor zu arbeiten. sogenannte nichttarifäre Hemmnisse – wie etwa unterschiedliche 30 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 Fotos: Goldenstede, Mauritius Erfolgreich im Reich der Mitte nach Russland“, so Marion Lükemann, Expertin für den Export von Medizintechnik der GTAI. Solche wichtigen Informationen erhalten Firmenchefs beispielsweise von der GTAI. Aber auch von den Auslandshandelskammern, Verbänden wie Spectaris sowie dem Bundeswirtschaftsministerium. Unternehmen, die Unterstützung bei der Zusammenarbeit mit einer ausländischen Regierungsstelle benötigen, können sich an das Auswärtige Amt wenden. Die Mitarbeiter leiten die Anfragen an den richtigen Ansprechpartner in den Auslandsvertretungen weiter. Wichtige Vertriebspartner Für die Zulassungen und Genehmigungen benötigen Firmenchefs vor Ort oft einen Vertriebspartner. „Die Bestimmungen sind immer unterschiedlich. Gerade mittelständische Unternehmer sind deshalb hier auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Distributor angewiesen“, sagt Lükemann. Auf einen solchen Partner setzt die Firma Angiokard Medizintechnik in Friedeburg. Das Unternehmen wurde als Familienbetrieb 1987 gegründet, beschäftigt heute 160 Mitarbeiter. Einen Gefragte Güter Entwicklung des Medizintechnikexports. 30 20 10 0 2011 2012 2013 2014 Auslandsumsatz Inlandsumsatz Angaben in Milliarden Euro. Quelle: Spectaris 2015 großen Teil des Umsatzes erzielt es im Ausland. „Wir arbeiten hier mit in unserem Werk geschulten Exklusivhändlern zusammen, die unsere Kunden bestmöglich betreuen. Das sehen wir als einen wichtigen Erfolgsfaktor“, sagt Geschäftsführerin Ulrike Marczak. Wer sich Kontakte aufbauen will, sollte an Unternehmerreisen teilnehmen. Das Bundeswirtschaftsministerium organisiert diese regelmäßig. Vorab sollte der Unternehmer allerdings die Situation und den Bedarf im Zielland analysiert haben. „Es ist wichtig, früh einen genauen Plan zu haben, welche Ziele das Unternehmen mit dem Export erreichen will“, so Lükemann. Das erfordert Zeit für eine ausführliche Recherche – vor allem der Wettbewerbssituation: Die Produktlebenszyklen in der Branche sind kurz. Nach Angaben der GTAI erzielen Hersteller ein Drittel ihrer Einnahmen mit Produkten, deren Markteinführung nicht länger als drei Jahre zurückliegt. „Wer wachsen will, braucht Innovationen“, so Lükemann. Im Schnitt investiert die Branche rund 10 Prozent ihres Umsatzes in neue Produkte. Das ist nötig, denn die Konkurrenz schläft nicht. Die Unternehmen entwickeln mehr und mehr eigene Lösungen. Beispiel China: Die Medizintechnik wird hier in den kommenden Jahren schneller wachsen als der Weltmarkt. Buy-local-Vorgaben der staatlichen Krankenhäuser machen es gleichzeitig deutschen Firmen schwer, hier einzusteigen (siehe „Erfolgreich im Reich der Mitte“). Heike Jordan: „Wir entwickeln unser Angebot und unsere Produkte stetig weiter, um so wettbewerbsfähig zu bleiben“, sagt die Firmenchefin. Eva Neuthinger Interview mit Jennifer Goldenstede, Leiterin Export beim Verband Spectaris „Kuba und Iran stehen im Kurs“ AUSSEN WIRTSCHAFT: Exporteure von Medizintechnik müssen zahlreiche Regularien beachten. Welche Chancen bestehen für eine Harmonisierung? Goldenstede: Im TTIP-Abkommen ist ein Medizinprodukte-Anhang vorgesehen. Ziel ist es, die regulatorische Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA zu stärken. Wir sehen darin gute Chancen für einen Abbau der Handelshemmnisse. AW: Was ist wichtig, um in neuen Märkten Fuß zu fassen? Goldenstede: Unternehmer sollten sich systematisch über die Rahmenbedingungen im Land informieren. Die Registrierung im Land ist mitunter mit hohen Kosten verbunden. Der US-Markt beispielsweise ist zwar groß, aber die Markterschließung auch teuer. Mittelständler sollten es sich gut überlegen, ob sie hier einsteigen wollen. AW: Welche Regionen bieten gute Chancen für den Export? Goldenstede: Neben Europa, USA und China stehen vermehrt Kuba, Iran oder Ostafrika im Kurs. Unternehmer sollten sich ein Netzwerk mit Partnern im Land aufbauen. Die Reisen des Markterschließungsprogramms des Bundeswirtschaftsministeriums oder auch das Auslandsmesseprogramm des Bundes können wir dabei nur empfehlen. 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 31 Gastlichkeit. Viele Hotels im In- und Ausland haben eine hohe Investitionsbereitschaft. Wie Firmenchefs diverser Branchen als Zulieferer zum Zuge kommen. Echte Traumwelten E nde September eröffnete die Schweizer Gesellschaft Mövenpick am Roten Meer das Hotel „City Star Jeddah“ – das elfte Haus in Saudi-Arabien. Der Stil des Interieurs ist zeitlos elegant und europäisch. „Wir wollen aber auch durch einen modernen Charakter mit neuestem Stand der Technik überzeugen“, erklärt Andreas Mattmüller, Chief Operating Officer der Mövenpick Hotels & Resorts. In Paris eröffnete die Gruppe Pentahotels derweil ihr erstes Resort in Frankreich. Bis 2020 will sie 80 Hotels bauen. Weiteres Beispiel: Anfang 2018 wollen die Meininger Hotels in Mailand in zentraler Lage ein Haus mit 131 Zimmern und 500 Betten eröffnen. Branche im Wachstum Dies sind nur drei von mehreren Hundert Premieren, die zeigen: Die internationalen Hotel- und Restaurantketten bewegen sich auf Wachstumskurs. Im ersten Halbjahr erwirtschaftete die Hotelbranche hierzulande ein Umsatzplus von nominal 3,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Die robuste Konjunktur und die positive Konsumlaune sorgen für gute Stimmung im Gastgewerbe“, sagt Ernst Fischer, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Auch im Ausland steigen die Besucherzahlen von Hotels. Entsprechend engagiert zeigen sich 32 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 die Betreiber in puncto Neueröffnungen. Für Betriebe unterschiedlicher Branchen ergeben sich daraus Chancen als Zulieferer. „Beispielsweise bei technischen Ausstattungen wie der Klimatisierung, bei der Einrichtung von Fahrstühlen, Licht- oder IT- und Kommunikationstechnik arbeiten wir häufiger bei unseren Projekten im Ausland mit deutschen Firmen zusammen“, erklärt Stephan Langemeyer, Geschäftsführer Procurement Director der Im Nahen Osten werden zurzeit zahlreiche neue Luxusherbergen gebaut. Accor Purchasing Solutions GmbH, eines Mitglieds der Accor-HotelGruppe (siehe Interview). Der Einstieg ins Geschäft mit Unternehmen der Hotelbranche will aber gut vorbereitet sein. Denn der Bedarf ist sehr heterogen; er ist abhängig vom Konzept des Betreibers sowie der Zielregion. Und die Konkurrenz ist groß. Lokale Anbieter haben oft Heimvorteile. „In der Regel will der Gast ein Ambiente, das der Kultur des Landes entspricht“, so Langemeyer. Außerdem haben die Hoteliers strikte Auswahlkriterien für ihre Lieferanten und Dienstleister, etwa in Sachen Compliance. Das sollte aber nicht abschrecken. Denn in vielen Ländern boomt der Tourismus. Beispiel Mexiko: Das Land verzeichnet nach Angaben von Germany Trade & Invest (GTAI) exorbitant steigende Besucherzahlen. Betreiber von Hotels und Erlebniseinrichtungen investieren. Mexiko hält Platz 9 unter den meistbesuchten [ Hotelausstatter ] BRANCHEN & MÄRKTE Kreative und technisch hochwertige Lösungen sind bei der Ausstattung von Hotels besonders gefragt. Wichtige Messen Fotos: ddp Images, Huber Akquise. Vor allem drei Veranstaltungen der Branche sind einen Messebesuch wert. Hoga. In Nürnberg stellen vom 15. bis 17. Januar 2017 wieder 680 Aussteller mit Zielgruppe Hotellerie oder Gastronomie aus. Sie gilt als drittgrößte Fachmesse für das Gastgewerbe. www.hoga-messe.de Invest-Hotel. Die Messe findet jährlich in Posen statt, 2017 zwischen dem 2. und 5. Oktober, und lockt 17 000 Besucher an. Vorgestellt werden Einrichtungen von Hotel- und Badezimmern bis hin zur Ausrüstung von Konferenzräumen. www.investhotel.pl/en Igeho. 800 Aussteller präsentieren in Basel 70 000 Besuchern Küchentechnik, Restaurant- und Hotelbedarf sowie Speisen. Vom 18. bis 22. November 2017 ist es wieder so weit. www.igeho.ch Ländern. „Die Entwicklung eröffnet ein enormes Potenzial für Hotelausstatter, Reiseveranstalter und Logistikanbieter sowie für Unternehmen im Bereich der Infrastruktur“, kommentiert Florian Steinmeyer, GTAI-Experte in Mexiko-Stadt. Verschiedene Hoteliers in Mexiko haben Expansionspläne, vor allem in den Tourismushochburgen Quintana Roo, Los Cabos und Puerto Vallarta. „Aufstrebende Regionen sind auch die Bundesstaaten Queretaro im Zentrum des Landes und Jalisco im Westen“, so Steinmeyer. Die Hotelkette Grupo Posadas ist mit 101 Hotels der größte Betreiber, gefolgt von der spanischen RiuGruppe. Auch große Namen wie Hilton und Marriott sind mit Businesshäusern vertreten. Auf Expansionskurs steuert auch der Tourismus in Ägypten trotz der jüngsten Terrorängste. Der zuständige Minister des Landes prognostiziert 142 000 neue Hotelbetten für die kommenden Jahre. Vor allem die Urlaubsziele am Roten Meer und im Sinai sind beliebt. Bei der Ausstattung der Hotels spielt innovative Gebäudetechnik eine große Rolle. „Umweltund Energiethemen rücken stärker in das Bewusstsein. Im Tourismussektor gewinnen thermische Solaranlagen für das Heizen von Pools, für Wäschereien und sonstigen Wasserheizungsbedarf an Bedeutung“, erklärt Oli- ver Idem, GTAI-Experte in Kairo. 100 000 Hotelzimmer sollen bis 2019 auf solare Warmwasseranlagen umgestellt werden. Nächstes Beispiel China: Die internationalen Hotelketten expandieren, vor allem im Bereich der Luxusunterkünfte. In den Regionen Shenzhen, Schanghai und Sanya bestehen für die Hoteliers noch Wachstumspotenziale. Der Markt zeigt allerdings Sättigungstendenzen. Das Land verfügt bereits über fast 12 000 Häuser (siehe „Im Reich der Sterne“). Europa ist einfachster Markt Die Hürden für Exporteure sind daher in China hoch. Zumal die Regierung strikt das Ziel der Lokalisierung verfolgt. Heimische Anbieter kommen zuerst zum Zuge. Jedes dritte Hotel wird von einem Staats- und Kollektivunternehmen betrieben. Einsteiger in den Export sollten sich deshalb vorab einen Überblick über die Rahmenbedingungen verschaffen. Die Auslandshandelskammern beispielsweise informieren. Deutlich einfacher dürfte für deutsche Hotelausstatter eine Akquise innerhalb der europäischen Grenzen sein. Tischlermeister Thomas Fischer aus Bahretahl bei Dresden hat sich 2007 darauf spezialisiert, im eigenen Betrieb Schlafzimmer für Hotels zu fertigen. „Wir arbeiten vielfach mit internationalen Hotelketten 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 33 6|2016 BRANCHEN & MÄRKTE [ Hotelausstatter ] zusammen und erhalten auch Aufträge etwa in Österreich oder Belgien“, erklärt der Firmenchef. Das kommt nicht von ungefähr, denn Fischers Bornaer Hotel Concept GmbH mit zehn Mitarbeitern hat in der Branche einen Namen. Die Kunden nehmen oft von sich aus Kontakt mit ihm auf, wenn sie für ein neues Projekt besondere Wünsche haben. Um seinen Bekanntheitsgrad zu steigern, stellt der Unternehmer regelmäßig auf Messen aus – in der Regel im Inland. „Dorthin kommen auch die Hoteliers, um sich zu informieren“, so der Handwerkschef. Spezialisierung in der Nische Zu Fischers Auftraggebern zählen die Accor-Gruppe, Sheraton, Hilton Hotels und viele privat geführte 4-Sterne-Häuser. Sein Erfolgsrezept: Kein Entwurf und keine Fertigung sind standardisiert. „Wir entwickeln immer wieder neue Ideen und konzipieren Im Reich der Sterne Unter den Hotels in China dominieren Häuser mit drei Sternen. Ein Stern 125 Fünf Sterne 739 Drei Sterne Vier Sterne Zwei Sterne 5631 2361 Gesamtanzahl 11 687 2831 Quelle: GTAI/China National Tourism Administration individuelle Lösungen“, so Fischer. Der Handwerksbetrieb besetzt mit dieser Spezialisierung eine Nische und verschafft sich damit als mittelständisches Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil. Einen guten Namen in der Branche hat auch der Armaturen- und Brausenhersteller Hansgrohe aus Schiltach im Schwarzwald. Anfang dieses Jahres stattete er die Bäder des Pariser Designhotel „Les Bains“ aus, kurz zuvor lieferte er Armaturen und Brausen an das Schweizer Hotelresort „Frutt Family Lodge & Melchsee Apartments“ in den Alpen. Und auch das Kreuzfahrtschiff „Quantum of the Seas“ – nichts anderes als ein schwimmendes Hotel – erhielt im vergangenen Jahr Kabinenbäder aus dem Schwarzwald. Referenzen zählen im Ausland fast noch mehr als im Inland. Die Erfahrung kann Hans-Peter Proff bestätigen. Er ist Geschäftsführer der Firma Proffdesign Hotel- und Objektausstattung in Saarbrücken. „Mein Großvater gründete das Unternehmen bereits 1932“, erklärt Proff. Die Firma war bei der Ausstattung des „Mandarin Oriental“Hotels in Prag, des „Ritz Carlton“ in Montreal oder des „The Dolder Grand“ in Zürich involviert. Ein internationales Team und eigene Designer garantieren Qualität. „Unser Fokus liegt auf der Herstellung hochwertiger Hotelmöbel im Bereich der 3- bis 5-Sterne-Kategorien. Wir fahren gut damit“, erläutert Proff. Eva Neuthinger „Firmen mit lokalen Tochtergesellschaften haben gute Chancen“ AUSSEN WIRTSCHAFT: Welche Bedeutung haben deutsche Unternehmen für die Ausstattung Ihrer Hotels im Ausland? Langemeyer: Wir wollen bei Aufträgen das lokale Gewerbe und den regionalen Markt fördern. Firmen, die vor Ort einen Standort haben, zeigen sich meist flexibler als Exporteure. Deutsche Unternehmen haben im Ausland nur dort einen Wettbewerbsvorsprung, wo hohe Skaleneffekte oder technologischer Fortschritt Vorteile bringen. Gute Chancen haben Firmen, wenn sie durch im Ausland ansässige Tochtergesellschaften globale und lokale Pluspunkte verknüpfen. AW: Wie wählen Sie die Anbieter aus? Langemeyer: Wir haben strikte Auswahlkriterien für Lieferanten und Dienstleister. Sie verpflich- 34 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 Stephan Langemeyer, Geschäftsführer der Accor Purchasing Solutions GmbH ten sich dazu, unsere Nachhaltigkeits-, Corporate-Governance- und Ethikleitlinien einzuhalten, ebenso wie die nationalen Gesetze. Außerdem müssen sie hohe technische und qualitative Anforderungen erfüllen. Wir vergleichen in der Regel die Angebote von mindestens drei Anbietern. Bei besonders innovativen Anforderungen erwägen wir aber auch exklusive Partnerschaften. AW: Aus welchen Branchen und Gewerken sind besonders Leistungen gefragt? Langemeyer: Insbesondere bei spezifischen Leistungen wie Gebäudereinigung oder Wäscheversorgung ist die Nachfrage hoch, aber auch bei Lebensmitteln sowie technisch innovativen Ausstattungen. Weniger Bedarf haben wir bei Möbeln oder Dekoration, Bau und Design. [ Unternehmensstrategie ] AUSSENHANDEL & INVESTITIONEN Wissen kennt keine Grenzen. Immer mehr deutsche Firmen forschen im Ausland. Forschen in der Fremde Kreativ. Deutschlands Unternehmen sind innovativ – und das nicht nur im Inland. Europa, die USA und Asien stehen im Fokus der Mittelständler. Fotos: Langemeyer, Mauritius D eutsche Firmen geben knapp ein Drittel ihres Budgets für Forschung und Entwicklung (F&E) im Ausland aus. Und auch ein Fünftel ihrer Patente wird von Auslandstöchtern angemeldet, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ermittelt. Zwar spielen Großkonzerne bei dieser Entwicklung eine führende Rolle. Doch auch mittelständische Unternehmen sind fernab der Heimat innovativ – vor allem in Europa, den USA und Asien. Gemessen an den außerhalb Deutschlands angemeldeten Patenten ist China der größte Forschungs-Hub deutscher Firmen in Asien. Danach folgen Japan, Indien, Singapur und Korea. Vor allem in China und Indien wurden zuletzt zahlreiche Forschungsabteilungen eröffnet. „Die Entwicklung spiegelt die Größe des Absatzmarkts wider“, sagt Christian Rammer, Wissenschaftler am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Lokale Anpassung oft das Ziel Die Eröffnung einer F&E-Abteilung steht meist am Ende einer längeren Anlaufphase. „Zuerst konzentrieren sich die Firmen auf den Export, anschließend eröffnen sie eine Niederlassung vor Ort und stellen dann fest, dass sie ihre Pro- dukte den lokalen Bedürfnissen anpassen müssen“, erläutert Rammer. Meist würden dann für etwa ein Jahr Entwickler aus der Zentrale entsandt, bevor im Ausland eine eigene kleine F&E-Abteilung eröffnet wird. Nur selten dagegen falle die Entscheidung für einen Forschungsstandort aus strategischen Aspekten – etwa weil ein Land gute Rahmenbedingungen für die Forschung bietet. Umfragen zufolge hat Entwicklung im Ausland vor allem ein Ziel: die Akquise neuer Kunden. Auch die Anpassung der Produkte an lokale Bedürfnisse sowie die Senkung von Produktionskosten spielen eine große Rolle. Zwar gibt 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 35 6|2016 AUSSENHANDEL & INVESTITIONEN [ Unternehmensstrategie ] es in Asien eine schnell wachsende Mittelschicht, doch die Nachfrage nach deutschen High-End-Produkten ist eher gering. Gefragt sind einfache und günstige Lösungen, die an die klimatischen Bedingungen und regulatorischen Vorschriften angepasst sind. Da ist es oft einfacher, Anpassungen von lokalen Kräften vornehmen zu lassen. Die innovative Forschung hingegen bleibt meist in der Zentrale. „Es ist nicht einfach, eine F&E-Abteilung im Ausland zu managen“, sagt Audrey D’Souza, Regional Director der IndischDeutschen Handelskammer in Bengaluru. Zwar gebe es in Indien viele junge Talente. Doch diese benötigten gute Produktkenntnisse und persönliche Anleitung, um innovativ tätig werden zu können. Außerdem ist die Angst vor Wissensklau und Plagiaten groß. „Den deutschen Firmen liegt F&E sehr am Herzen“, sagt D’Souza, „sie überlegen es sich gut, bevor sie nennenswerte Teile auslagern.“ Dabei hat Indien in Sachen Forschung und Entwicklung viel zu bieten. Erstens gibt es gute Universitäten und Arbeitskräfte. Zweitens ist das Land in Bereichen wie Design und Software führend. Und drittens bietet das Milliardenvolk einen riesigen Absatzmarkt für sogenannte Frugal Innovation – für Ideen, die Produkte günstiger und leichter nutzbar machen. Gleichzeitig sind die Standort- und Personalkosten relativ niedrig. Völlig anders stellt sich Singapur dar: Der kleine Stadtstaat im südchinesischen Meer gilt als Handelsdrehscheibe in den Asean-Raum – und darüber hinaus. Viele ausländische Firmen unterhalten dort ihre Asien-Zentrale und betreiben Forschung und Entwicklung. Eine gute Infrastruk36 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 Patente am Fließband China dominiert die globale Statistik der Patentanmeldungen. 928 177 China 578 802 USA Japan Südkorea Deutschland 325 989 210 292 65 965 Zahl der 2014 angemeldeten Patente. Quelle: Wipo tur, ein hohes Bildungsniveau, politische Stabilität, Rechtssicherheit sowie eine große Offenheit gegenüber ausländischen Unternehmen und Arbeitskräften wiegen aus Sicht vieler Investoren die vergleichsweise hohen Kosten auf. „Die Forscherteams sind oft sehr international“, sagt Tim Philippi, Geschäftsführer der Deutsch-Singapurischen Industrie- und Handelskammer. Die Verbreitung der englischen Sprache, internationale Schulen und die gute Sicherheitslage machten Singapur zu Gerade in Hightech-Branchen profitieren deutsche Firmen sehr vom großen Know-how im Ausland. einem Magnet für ausländische Talente. Tatsächlich finden einige deutsche Firmen hier die Mitarbeiter, die sie in der Heimat erfolglos gesucht haben. „Es gibt in Singapur viele Design-Zentren und Experten für Prozessindustrie“, sagt Marion Sommerwerck, Sprecherin beim Industrieunternehmen Weidmüller. Weil solche Spezialisten in Ostwestfalen-Lippe rar sind, beschäftigt Weidmüller nun in Singapur zehn Entwickler. Gutes Personal in Japan Auch in Japan wird auf Spitzenniveau geforscht. In Bereichen wie Sensorik, Nanotechnologie und Robotik gilt der Inselstaat als führend. Vor allem deutsche Großkonzerne aus der Automobil- und Chemiebranche forschen in Japan, doch auch einige kleinere Adressen betreiben dort F&E. Darunter LP-Research, ein Start-Up, das Bewegungssensoren entwickelt. Der deutsche Co-Gründer Klaus Petersen ist mit seiner Standortwahl zufrieden. Zusammen mit zwei Partnern und 14 Angestellten betreibt er zwei Labore in Tokio und im chinesischen Guangzhou. Zwar seien die Gehaltsvorstellungen japanischer Forscher hoch, sagt Petersen, der an einer Tokioter Universität im Fach Robotik promovierte. Doch konnte er offene Stellen bisher problemlos mit internationalen Mitarbeitern besetzen. „Japans Infrastruktur ist gut, das Land ist politisch sehr stabil und die Lebensqualität hoch“, lobt Petersen. Zudem sei die Begeisterung für Innovationen groß. In China, wo LP-Research ebenfalls ein Labor unterhält, sei der Innovationstrieb der Bevölkerung sogar noch deutlich ausgeprägter, so Petersen. Angst Europa gerät ins Hintertreffen Nur die USA halten einigermaßen mit China bei der Zahl der Patentanmeldungen mit. 1000 Wertangabe in 1000 Patenten pro Jahr 800 600 400 200 0 1970 China 1980 USA Japan Korea 1990 2000 Europäisches Patentamt vor Wissensklau hat er nicht. „In China selbst finden inzwischen viele Innovationen statt“, sagt er. Ein Unternehmen, das besonders stark auf Forschung in China setzt, ist Altana. Der Spezialchemiehersteller aus Wesel beschäftigt weltweit 6000 Mitarbeiter, jeder sechste davon arbeitet im Bereich F&E. Etwa 50 Service- und Forschungslabore betreibt die Firma, zehn davon in Asien. Der 2014 Quelle: Wipo Schwerpunkt liegt auf China, doch auch in Indien, Japan, Korea und Singapur ist Altana vertreten. Vorstandsmitglied Christoph Schlünken sieht die Dezentralisierung der F&E als Chance. „Wir entwickeln individuelle Lösungen für Kunden rund um den Globus“, sagt er. Deshalb müsse Altana auch überall an neuen Ideen arbeiten. Um die Aufgaben der Standorte zu koordinieren, haben sich die Chief Technology Officer der einzelnen Geschäftsbereiche zu einem Gremium zusammengeschlossen. Außerdem tauschen sich die Mitarbeiter der F&E-Standorte über eine firmeneigene Online-Plattform zu aktuellen Forschungsthemen aus. Und innerhalb Asiens gibt es lokale Koordinatoren, die sich regelmäßig besprechen. Darüber hinaus richtet die Firma daheim alle zwei Jahre eine weltweite Konferenz zum Thema Innovation aus; die letzte wurde von rund 150 Mitarbeitern besucht. In einem ähnlichen Turnus findet eine vergleichbare Veranstaltung in Asien statt. Der hohe Aufwand zahlt sich aus. Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung zeigt: Deutsche Betriebe, die auch im Ausland forschen, erwirtschaften höhere Gewinne als ihre Wettbewerber. Und da Asien der Wachstumsmotor der Welt bleiben dürfte, könnten bald noch mehr Mittelständler in FernBirga Teske ost forschen. Fotos: Getty Images, Lim „Die strategische Standortwahl ist entscheidend“ AUSSEN WIRTSCHAFT: Rohde & Schwarz ist in Asien in der Forschung und Entwicklung sehr aktiv. Warum? Lim: Asien ist ein großer Wachstumsmarkt und wird es auf absehbare Zeit bleiben. Wir greifen hier neue Trends auf, kommunizieren diese an unsere Zentrale in München und können in der Produktentwicklung darauf eingehen. AW: Wo in Asien lassen Sie entwickeln? Lim: Wir beschäftigen Entwickler in Singapur, Korea, Indien und China. Singapur ist unser globaler Hub außerhalb Deutschlands, wo wir viele Kernaktivitäten, einschließlich Produktion, betreiben. Seit 2010 haben wir dort ein modernes F&E-Zentrum mit aktuell 150 Mitarbeitern. In den drei anderen Ländern arbeiten die Entwickler vor allem an Produktanpassungen. AW: Wie funktioniert der Austausch mit den Entwicklern in Deutschland? Boon Huat Lim, Geschäftsführer des Asien-Headquarters der Rohde & Schwarz GmbH & Co. KG Lim: Wir sprechen genau ab, welche Produkte wo entwickelt werden. Außerdem gibt es gemeinsame Projekte, für die Kollegen aus Singapur nach München entsandt werden und umgekehrt. Diese persönlichen Kontakte sind sehr wichtig. AW: Was gilt es noch zu beachten? Lim: Wenn man innovative F&E in Asien betreiben will, ist die Standortwahl entscheidend. Sie sollte nicht nur marktgetrieben, sondern strategisch langfristig ausgerichtet sein. Neben den Kosten ist entscheidend, ob man vor Ort die passenden Talente finden kann. 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 37 Baggern im Norden S kandinavier sind immer ein bisschen anders, auch im Messegeschäft: Den klassischen Beweis dafür liefert die seit 1975 ausgetragene weltgrößte forstwirtschaftliche Messe Elmia Wood in Schweden. Sie lädt alle vier Jahre nicht auf ein Messegelände ein, sondern in ein natürliches Umfeld – in einen Wald südlich von Jönköping. Dort können die über 500 Aussteller ihre Exponate in Aktion zeigen. In diesem ungewöhnlichen Umfeld entstehen manchmal ungeahnte Geschäftsmöglichkeiten, wie das Beispiel von Tommy Karlsson zeigt. Animiert von einem glimpflich verlaufenen Unfall, entwickelte der Tüftler einen hydraulischen Anbauprozessor für Traktoren, heute unter der Marke Hypro bekannt. 1987 hatte er das einzige vorhandene Exemplar auf der Elmia Wood ausgestellt. Bereits während der Messe verkaufte er den ersten Prozessor und in den Wochen danach gab es 14 weitere Bestellungen. 38 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 Tommy Karlsson erinnert sich besonders an eine spätere Auflage der Elmia Wood. „Ein Herr aus Portugal besuchte unseren Stand und schlug eine Präsentation in seinem Land vor. Dort sollten wir einen Prozessor mit Eukalyptusbäumen arbeiten lassen.“ Der Firmenchef persönlich übernahm die Vorführung, die ein Riesenerfolg wurde – und den Weg nach Südamerika frei machte. Mittlerweile hat die Firma Kunden in 32 Märkten, die vor allem durch die Messe in Jönköping gewonnen wurden. Hohe Qualitätsansprüche Ohnehin bieten schwedische Veranstaltungen gute Testmöglichkeiten für neue Produkte, da es sich um einen sehr reifen Markt handelt. Hier sind nur wirkliche Innovationen erfolgreich. Wenn ein Produkt hier Akzeptanz findet, wird es sich mit großer Wahrscheinlichkeit ebenso anderswo absetzen lassen. Mit dem Faktor Holz eng verbunden ist Papier. Die PulPaper, weltweit die wichtigste Messe für Zulieferer der Papierindustrie, findet im Frühsommer 2018 in Helsinki statt. Veranstalter des alle vier Jahre ausgetragenen Ereignisses ist Adforum, ein Joint Venture der Messegesellschaften Stockholmsmässan und Messukeskus aus Helsinki. Die grenzüberschreitende Kooperation zeigt, dass pragmatisch zusammengearbeitet wird, weil der recht kleine skandinavische Markt nicht überall Konkurrenz verträgt. Diese familiäre Atmosphäre spürte auch der Aussteller Richter Papiertechnologie aus Düren, ein Unternehmen, das in Deutschland seit vier Jahrzehnten besteht. „Nachdem wir eine finnische Fabrik in Karhula übernommen hatten, wollten wir im nordeuropäischen Markt noch bekannter werden“, argumentiert Geschäftsführer Dirk Richter. „Durch die erstmalige Beteiligung an der Foto: Elmia Wood Nordlicht. Die wichtigen skandinavischen Messen finden in Nischen statt. Meistens dort, wo einzelne Branchen große Bedeutung haben. [ Messen in Skandinavien ] AUSSENHANDEL & INVESTITIONEN PulPaper haben wir viele neue wertvolle Kontakte im finnischen Markt gewonnen.“ Ein wichtiger Grund, warum der deutsche Anbieter immense Aufmerksamkeit unter den 453 Ausstellern erhielt, waren Marketingaktivitäten rund um das Gelände. Generell läuft es seit einiger Zeit wieder richtig rund für die Messeausrichter. Beispiel Schweden, wo Stockholmsmässan pro Jahr rund 10 000 Aussteller und über eine Million Besucher begrüßt. In der schwedischen Hauptstadt sind die Verantwortlichen aktuell sehr zufrieden. „2015 ist für uns ziemlich gut gelaufen“, bilanziert Patric Sjöberg. „Der Messemarkt hat sich anscheinend langsam erholt“, argumentiert der CEO von Stockholmsmässan. Zuvor gab es einige Jahre, in denen sich Aussteller aufgrund der Konjunkturlage Zurückhaltung auferlegt hatten. 2016 stand dagegen im Zeichen des Aufschwungs. Wie in allen geraden Jahren war der Kalender in Stockholm prall gefüllt – mit großen Veranstaltungen, die im 2-Jahres-Rhythmus ausgerichtet werden. Dazu gehören die Baumesse Nordbygg und die Gastro Nord für den Hotel-, Restaurant- und Cateringsektor. Doch die positiven Signale gelten nicht für alle Branchen. Noch vor einem Jahrzehnt boomte der Bootsbau. Der eine oder andere russische Käufer zahlte sogar bar auf den Bootsmessen. Der Markt ist aber durch die Boomjahre gesättigt, es werden deutlich weni- Die wichtigsten Messen im Norden Insbesondere in Schweden steigen zahlreiche Großereignisse der Region. Ort Messe Branche Jahr Göteborg Elfack Elektrotechnik 2017 Göteborg Scanpack Verpackung 2018 Helsinki PulPaper Papierzulieferer 2018 Kopenhagen CIFF Mode 2017 Jönköping Elmia Wood Forstwirtschaft 2017 Jönköping Elmia Subcontractor Zulieferer 2017 Oslo Nor-Shipping Schiffstechnologie 2017 Stavanger ONS Offshore 2018 Stockholm Furniture Fair Möbelmesse 2017 Stockholm Nordbygg Bau 2018 Recherche: AUSSEN WIRTSCHAFT ger Jachten gebaut. Das hat Auswirkungen auf das Messegeschäft. Ohnehin ist der Bedarf in Skandinavien begrenzt – viele Veranstaltungen finden daher nur alle zwei, drei oder gar vier Jahre statt. Neben der klassischen Absatzfunktion fungieren die Veranstaltungen auch als Trendsetter – etwa die zweimal im Jahr steigende Modemesse CIFF in Kopenhagen. In Schweden sind Veranstaltungen im Möbel- und Lichtbereich im Trend. Die jährliche Stockholm Furniture & Light Fair steht für skandinavisches Design im Einrichtungsbereich: Es gibt in Schweden also noch weitaus mehr als das berühmte „Billy“-Regal. Maritimes Mekka Oslo In Norwegen stechen zwei Messen heraus, die eng mit der Wirtschaft des Landes verbunden sind. Im September schloss die OffshoreAusstellung ONS mit 1241 Ausstellern aus 40 Ländern und knapp 66 000 Besuchern. Die Messe in Stavanger litt in diesem Jahr allerdings ein wenig unter dem niedrigen Ölpreis. In Lilleström bei Oslo wird im Frühjahr 2017 die NorShipping ausgerichtet. Norwegen verfügt über die fünftgrößte Handelsflotte der Welt. Der maritime Cluster der Region Oslo gilt mit mehr als 1200 Unternehmen aus den verschiedensten Sektoren und fast 20 000 Arbeitsplätzen als einer der komplettesten weltweit. Kein Wunder also, dass da auch zahlreiche Anbieter aus Deutschland gute Geschäfte machen wollen: Auf der Nor-Shipping 2017 ist ein deutscher Gemeinschaftsstand mit 650 Quadratmeter Fläche geplant, der von der DeutschNorwegischen Handelskammer organisiert wird. Peter Borstel 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 39 6|2016 6|2016 STEUERN & RECHT [ Chinesischer Zoll ] Kein Pardon an der Grenze Regelungen. Für die Bundesrepublik ist China der viertwichtigste Absatzmarkt. Das Zollrecht der Volksrepublik ist daher für deutsche Firmen von erheblicher Bedeutung. E in guter Überblick über aktuelle Entwicklungen und Trends im chinesischen Zollrecht verschafft deutschen Exporteuren einen Vorteil bei der Gestaltung und Entwicklung ihrer Lieferkette. In jüngster Vergangenheit führte etwa die Insolvenz der Hanjin Shipping Co. Reederei zu Lieferengpässen im internationalen Warenverkehr. Viele Firmen bewerten zurzeit ihre Lieferbedingungen neu, um entsprechende Risiken zu minimieren. Derartige Anpassungen haben direkte Auswirkung auf das Zollrecht. Gleichzeitig nimmt laut WTO-Halbjahresbericht 2016 die globale protektionistische Stimmung zu, was die Zahl der Handelsrestriktionen im Welthandel erhöht. In einer zweiteiligen Serie untersuchen wir, welche Entwicklungen nach China liefernde Firmen im Blick haben sollten. SERIE: ZOLL IN CHINA Dokumentationspflichten Nicht tarifäre Hemmnisse Mit Chinas Zoll ist nicht zu spaßen. Das betrifft nicht nur die reinen Kontrollen, sondern auch die Dokumentation. Aufgrund ihrer komplexen „gewöhnlich“ – mit divergierenden regulatorischen Anforderungen Steuersätzen eingeordnet werden. wird die Volksrepublik regelmäßig Mit Wirkung zum 1. Oktober 2016 als risikoreicher Handelspartner wurde der Steuersatz bei „Highangesehen. Aus der letzten „PwC End“ von 30 auf 15 Prozent reduChina Customs and international ziert; der Steuersatz bei gewöhnliTrade“-Studie geht hervor, dass 71 chen Kosmetikprodukten beläuft Prozent der befragten Unterneh- sich auf null Prozent. men 2015 durch die chinesische Zollbehörde überprüft wurden; Sich wappnen lohnt sich bei 38 Prozent wurden Nacherhebungen angeordnet. Für einige Unternehmen sollten auf solche Firmen hatte die Überprüfung wei- Anpassungen reagieren, nicht nur ter gehende Konsequenzen, wor- um von Steuervorteilen zu profitieaus unter anderem eine Unterbre- ren, sondern auch, um etwa durch chung der Lieferkette resultierte. die Dokumentation der TarifieDamit es bei Prüfungen nicht rungsbegründung bei künftigen zu Feststellungen kommt, müs- Auseinandersetzungen mit der sen Unternehmen proaktiv han- Zollbehörde gewappnet zu sein. deln. Ein Beispiel: China kündigte Überraschend wurden Anfang Änderungen bei der Verbrauchs- 2016 weitere Anforderungen bei steuer für kosmetische Produkte Zollanmeldungen, denen Transan. Diese Erzeugnisse sollten in aktionen zwischen verbundenen zwei Kategorien – „High-End“ und Unternehmen zugrunde liegen, eingeführt. In der Zollanmeldung muss seither angegeben werden, ob es sich beim Transaktionspartner um eine verbundene Firma handelt, und gegebenenfalls, ob der Einfuhrpreis dem Fremdvergleichsgrundsatz aus zollwertrechtlicher Sicht entspricht. Steuerbehörden und Zollbehörden wenden unterschiedliche Regeln in Bezug auf die Festlegung des Fremdvergleichs an. Die Zollbehörden nutzen die sich aus dem WTO-Recht ergebenden Regeln zum Zollwert, wohingegen die Steuerbehörden überwiegend die OECD-basierten Verrechnungspreisregeln anwenden. Dies kann dazu führen, dass die Steuerbehörden einen Verrechnungspreis anerkennen, jedoch nicht die Zollbehörde – und umgekehrt. Fotos: Getty Images, Lee, Schmidt Mit zweierlei Maß gemessen Von den Unternehmen wird erwartet, dass sie sowohl den steuerrechtlichen als auch den zollrechtlichen Ansprüchen bezüglich des Fremdvergleichsgrundsatzes gerecht werden. Die Zollbehörden benötigen oft über die Verrechnungspreisdokumentation hinausgehende Informationen, um zum Beispiel Unterfakturierungen zwischen verbundenen Unternehmen auszuschließen. Ein Beispiel: Aus der Verrechnungspreisdokumentation für eine deutsche Vertriebsgesellschaft kann entnommen werden, dass der Nettogewinn aus ertragsteuerlicher Sicht oberhalb der als angemessen gesehenen Interquartilsbandbreite liegt. Aus ertragsteuerlicher Sicht liegt der Wert zwar außerhalb der Bandbreite, da die deutsche Gesellschaft jedoch ein höheres Ergebnis erzielt, ist das Risiko einer DIE AUTOREN Derek Lee ist Partner bei PwC im Bereich Customs & International Trade in Schanghai und Hongkong. Seit 1999 berät er international tätige Unternehmen. Jochen Schmidt ist seit 2006 für PwC tätig, seit 2010 als Partner. Er leitet deutschlandweit den Bereich Zoll-, Verbrauchsteuer und Außenwirtschaftsrecht. Anpassung im Rahmen einer Betriebsprüfung gering. Aus zollrechtlicher Sicht ist dies ebenfalls eine Indikation für eine Unterfakturierung. Eine Erhöhung des Verrechnungspreises würde zu einem geringeren steuerbaren Ergebnis führen und damit keinen Anreiz für die Finanzverwaltung bieten, eine Anpassung zu fordern. Allerdings führt die Erhöhung des Zollwerts zu einer Erhöhung des fälligen Zolls. Das Risiko, für fehlerhafte Anmeldungen belangt zu werden, steigt damit bedeutend. Um diesem Risiko zu begegnen, ist ein komplexes Vorgehen nicht zwingend notwendig. Eine Anpassung der Dokumentation an die zollwertrechtlichen Anforderungen erscheint aber auf jeden Fall lohnenswert. Eine weitere Entwicklung ist die chinesische Umsetzung der „Base Erosion and Profit Shifting“-Initiative (BEPS) der OECD. Ausgangspunkt war eine Reihe hochkarätiger Fälle von multinationalen Unternehmen, die Gestaltungsspielräume der Steuersysteme verschiedener Länder zur Steuervermeidung genutzt haben. Die OECD hat daher einen Aktionsplan veröffentlicht, zu dem die Volksrepublik China die öffentliche Mitteilung Nr. 42/2016 veröffentlichte. Dies erfordert wesentliche Änderungen des Steuerrechts. Eines der Ziele der BEPS-Initiative ist die Besteuerung am Ort der wirtschaftlichen Aktivität und der Wertschöpfung. So müssen multinationale Unternehmen mit Gesellschaften in China nun die „lokalspezifischen Vorteile“ im Land identifizieren, etwa die günstigeren Kostenfaktoren, Marktfaktoren und eine höhere Profitabilität. Darüber hinaus ergeben sich auch maßgebliche Änderungen im Zollwertrecht, denen jedoch weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird. Beispielsweise ergibt sich aus der öffentlichen Mitteilung Nr. 42 ein dreistufiger Ansatz bei der Verrechnungspreisdokumentation, bestehend aus dem sogenannten Master File, dem Local File und dem Special Issue File. Firmen müssen in diesem Zusammenhang detaillierte Informationen zur Konzernwertschöpfung vorhalten. Hieraus könnten sich Änderungen bei den Lizenzgebührenvereinbarungen ergeben. Dies ist von großer Bedeutung für den Zollwert. Aus der aktuellen „China Customs and international Trade“-Umfrage von PwC ergibt sich, dass bei 80 Prozent der befragten Unternehmen im Zuge zollwertrechtlicher Prüfungen Verrechnungspreisdokumentationen verlangt wurden. Durch die neuen Anforderungen an diese Dokumentation haben Chinas Zollbehörden zukünftig Einblick in ihnen vorher unbekannte Kennzahlen, die den der Zollwertbemessung zugrunde zu legenden Preis beeinflussen können. Derek Lee/Jochen Schmidt [email protected] 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 41 Belarus Kennzahlen Einwohner: 9,5 Millionen Fläche: 207 600 km2 Einwohner pro km : 46 2 BIP: 45 Mrd. EUR Warenimporte: 24 Mrd. EUR Wechselkurs: Währungsreserven: 22,1 BYR/EUR 3,8 Mrd. EUR Quellen: CIA Factbook, IWF Spagat. Der seit mehr als zwei Jahrzehnten autokratisch regierende weißrussische Präsident Lukaschenko bemüht sich um bessere Beziehungen zum Westen – ohne aber die engen Bande mit Russland zu kappen. Minsk will ein besseres Image Die Republik Belarus, auch Weißrussland genannt, wurde 1991 nach der Auflösung der Sowjetunion unabhängig. Die Urbanitätsrate beträgt fast 77 Prozent. Allein in der Hauptstadt Minsk lebt mit annähernd zwei Millionen Menschen jeder fünfte Bürger. Weißrussen bilden rund 84 Prozent der Bevölkerung, die größte Minderheit mit gut 8 Prozent 42 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 sind Russen. Staatssprachen sind Weißrussisch und Russisch als die dominierende Verkehrssprache. Das Bevölkerungswachstum ist bei 1,2 Kindern je Frau mit 0,2 Prozent pro Jahr rückläufig. Die Grenzen des Binnenstaats mit Russland und der Ukraine betragen jeweils mehr als 1000 Kilometer. Außerdem grenzt die Republik an Polen, Litauen und Lettland. Umweltschäden bestehen durch den intensiven Einsatz von Pestiziden im Agrarsektor. Südliche Landesteile sind zudem seit der Katastrophe von Tschernobyl kontaminiert. Der Staat Im März 1994, zwei Jahre und drei Monate nach der Unabhängigkeit, verabschiedete der Oberste Sowjet die neue Verfassung mit der Staatsform eines präsidialen Systems. Im Sommer 1994 fanden erstmals Präsidentschafts- Foto: dpa/Picture Alliance Das Land LÄNDERPORTRÄT wahlen statt, aus denen Alexander Grigorjewitsch Lukaschenko mit über 80 Prozent der Stimmen als Sieger hervorging. Er war mit dem Versprechen angetreten, die alte Nomenklatur aus ihren Positionen zu verdrängen, der Korruption ein Ende zu bereiten und eine neue Verwaltung zum Wohle der Bevölkerung aufzubauen. Im November 1996 ließ Lukaschenko ein Referendum abhalten, das ihm erweiterte Machtbefugnisse bescherte. Seither verfügt er über umfassende legislative Rechte. Dazu gehören präsidiale Dekrete, Erlasse sowie Gesetze. Mithilfe eines Referendums wurde zudem die Begrenzung auf zwei Amtszeiten des Präsidenten aufgehoben. Die Nationalversammlung besteht aus zwei Kammern: der Repräsentantenkammer mit 110 Abgeordneten und dem Rat der Republik mit 64 Mitgliedern. Die politische Lage Bei den Parlamentswahlen im September 2016 schafften erstmals seit zwölf Jahren zwei oppositionelle Kandidaten den Einzug ins Parlament. Die Mehrheit der Mandate ging an regimetreue Kandidaten. Obwohl einige Forderungen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit umgesetzt worden waren, bemängelte sie nach wie vor Inkorrektheiten und die fehlende Transparenz. Bereits ein Jahr zuvor hatte Lukaschenko mit 83,5 Prozent die Präsidentschaftswahl für sich entschieden. Die hauptsächlich außerparlamentarisch agierende Opposition ist nach Jahren massiver Repressionen geschwächt und zersplittert. Da sich die Regierung in Minsk um ein besseres Image im westlichen Ausland bemüht, gibt es immerhin erste Signale für einen weniger repressiven Umgang mit der Opposition. Die EU honorierte dies sowie die Vermittlerdienste bei den Verhandlungen im Ukraine-Konflikt mit einem Abbau politischer und wirtschaftlicher Sanktionen. Die Wiederannäherung an die EU brachte eine Neuauflage von Partnerprogrammen. Brüssel prüft auch eine neuerliche Vergabe von Förderkrediten durch die Europäische Investitionsbank. Außenpolitisch haben die Beziehungen zu Russland hohe Priorität. Dies schließt weitgehende Verträge mit der EU aus, etwa in Form eines Partnerschaftsabkommens einschließlich einer verstärkten Integration in die EU-Wirtschaft. Langzeitpräsident Alexander Lukaschenko (2. v. r.) ist seit der Staatsgründung im Amt – und möchte, dass sein Sohn (rechts) ihn eines Tages beerbt. Beitrag zum BIP Belarus verfügt über eine nicht zu unterschätzende Industrie. Primärsektor Sekundärsektor 9 42 Tertiärsektor 49 Angaben in Prozent. Quelle: CIA Factbook BIP pro Kopf Wachstumsschwäche und Abwertung der Währung führen zu Einbußen. 2014 2015 2016* 2017* 8038 5749 5090 5270 * = Prognose; Angaben in US-Dollar. Quelle: IWF Die Wirtschaft Lange hielt die Regierung am System einer zentralen Lenkungswirtschaft fest. Dabei greift der Staat in großem Umfang in die Preis- und Lohnbildung sowie in die Beschäftigungs- und Produktionsentscheidungen der Betriebe ein. Seit rund zehn Jahren sind vorsichtige Ansätze erkennbar, die Rahmenbedingungen für Unternehmen und Investoren zu verbessern. Diese Bestrebungen sind auch auf den wachsenden Einfluss des IWF zurückzuführen, der das Land seit Jahren finanziell fördert. Private Unternehmen tragen mittlerweile zu rund einem Drittel zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. In seinem im September erschienenen Bericht zur wirtschaftlichen Lage des Landes fordert der IWF zwar zusätzliche Reformen, er 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 43 6|2016 LÄNDERPORTRÄT [ Belarus ] honoriert aber auch die Anstrengungen der Regierung, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu erhöhen. Dazu gehören Wachstumsstrategien für die noch immer zahlreichen Staatsunternehmen, um deren Produktivität und Effizienz zu erhöhen. Generell ist aber zu beobachten, dass die Regierung Reformen nur in dem Maß vorantreibt, wie es zum Erlangen von IWF-Hilfsgeldern unabdingbar ist. Industrielle Güterherstellung prägt die Wirtschaftsstruktur. Der Agrarsektor trägt rund 9 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Beide Bereiche profitieren als Ersatzlieferanten von den Sanktionen, die Russland und die EU gegenseitig verhängt haben, wenngleich der steile Wirtschaftsabschwung in Russland die Konjunktur dämpft. Im Mai 2014 gründete Belarus zusammen mit Russland und Kasachstan die Eurasische Wirtschaftsunion, die eine enge Zusammenarbeit in den Bereichen Energiewirtschaft, Industrie, Landwirtschaft und Verkehrswesen zum Ziel hat. Weißrussland, das früher als Hightech- BIP-Wachstum Staatsschulden Von früher gewohnte Wachstumsraten werden nicht mehr erreicht. Fiskalreformen und Privatisierungen sollen die Staatsverschuldung begrenzen. 20 60 50 15 40 10 30 5 20 10 0 5 0 2014 2015 2016* 2017* 10 2014 2015 2016* Wachstum BIP Arbeitslosenquote Inflationsrate * = Prognose; Angaben in Prozent. Quelle: IWF Staatsverschuldung Haushaltssaldo * = Prognose; Angaben in Prozent des BIP. Quelle: IWF Abteilung der Sowjetunion galt, verstärkt aber auch seine Anstrengungen, die Abhängigkeit von Russland zu verringern. Engere Wirtschaftsbeziehungen werden sowohl mit der EU als auch mit China angestrebt, allerdings unter wohlweislicher Berücksichtigung der Erfahrungen im UkraineKonflikt. Für China ist Belarus ein wichtiger Baustein beim Aufbau der neuen Seidenstraße, mit der die Handelsbeziehungen mit der EU und den Wirtschaftsregionen auf dem Landweg intensiviert werden sollen. Die Konjunktur 2017* Der weltweite Wirtschaftsabschwung hat auch Belarus erfasst. Nachteilig wirkt sich darüber hinaus die starke Abhängigkeit von Russland aus, das bisher fast zwei Fünftel der weißrussischen Exporte abnahm und nun selbst eine schwere Krise durchläuft. Hinzu kam der Preisverfall mehrerer von Belarus exportierter Rohstoffe, darunter vor allem Ölprodukte und Kalidünger. Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von aktuell weniger als 6000 IM SPIEGEL DER KENNZAHLEN Kontrolliertes Land mit guten Bedingungen für Geschäftsstarts In den großen Wirtschaftsvergleichen belegt Belarus zumeist mittlere Plätze. Weißrussland ist eines von nur zwei europäischen Ländern, die die Heritage Foundation im Index der wirtschaftlichen Freiheit unter den unterdrückten Staaten einsortiert. Ursache sind staatliche Kontrollen auf vielen Gebieten. Institutionelle Reformen sind dringend notwendig. Im Corruption Perceptions Index befindet sich Weißrussland mit Rang 107 in unmittelbarer Nachbarschaft zu Argentinien und Ecuador. Im DoingBusiness-Report der Weltbank schneidet die Republik bei den Bedingungen des Geschäftsstarts und der Registrierung von Eigentum mit den Welträngen zwölf und sieben besser ab als zahlreiche Industriestaaten. Nachholbe- 44 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 darf herrscht in den Sektoren Kredite, Stromversorgung, Steuersystem und Insolvenzrecht. Dort existiert im Vergleich zu Ländern Europas und Asiens bei Zeitdauer und Kosten ein erheblicher Malus. Im Länderbonitätsranking des „Institutional Investor“ wird Belarus im letzten Drittel aufgeführt, liegt aber noch vor dem Nachbarn Ukraine. Rangliste Doing-Business-Report Platz Länderzahl 44 189 Index of Economic Freedom 157 186 Corruption Perceptions Index 107 168 Institutional Investor 132 179 Quellen: Weltbank, Heritage Foundation, TI, Institutional Investor Handel mit Deutschland Außenbilanz Stadtentwicklungsprogramme und auch das Seidenstraßenprojekt geben Hoffnung. Die unzureichende Diversifizierung der Wirtschaft reduziert die Exportchancen. 1,8 6 1,6 4 1,4 1,2 2 1,0 0 0,8 0,6 2 0,4 4 0,2 0 2014 2015 2016* 2017* 6 2014 2015 2016* 2017* Einfuhr Ausfuhr Saldo aus deutscher Sicht * = Prognose; Angaben in Milliarden Euro. Quelle: Destatis Handelsbilanz Leistungsbilanz Währungsreserven * = Prognose; Angaben in Milliarden US-Dollar. Quelle: IWF US-Dollar hat sich das Wohlstandsniveau im Vergleich zu 2014 deutlich verringert, vor allem wegen der Wachstumsschwäche und der Abwertung des BelarusRubels. Nach Angaben des IWF sank das reale BIP 2015 um fast 4 Prozent. Für dieses und das nächste Jahr wird ein weiterer Rückgang der realen Wirtschaftsleistung prognostiziert. Der IWF erwartet für die kommenden fünf Jahre ein durchschnittliches reales BIP-Wachstum von lediglich knapp 2 Prozent. Zu den Schwachstellen der Wirtschaft gehört seit Jahren die hohe Inflationsrate. Durch den Wegfall der Vorzugskonditionen für die Gas- und Öllieferungen aus Russland hat sich der Preisauftrieb in den letzten Jahren beschleunigt. 2014 lag die Teuerung im Jahresdurchschnitt bei 18,1 Prozent und 2015 bei 13,5 Prozent. In diesem Jahr dürfte der Preisanstieg rund 13 Prozent betragen. Die starke Abwertung der Landeswährung um jeweils ein Zehntel im vergangenen und im laufenden Jahr verteuert die Einfuhren. Bei den Energieimporten ist das Land mehr denn je von der Preisgestaltung Russlands abhängig. Die Arbeitslosenrate ist im inter- nationalen Vergleich sehr niedrig, aber durch die große Anzahl von Staatsbetrieben und den relativ hohen Anteil des wenig produktiven Primärsektors wenig aussagekräftig. Problematisch ist die hohe Verschuldung der Unternehmen, die sich auf das Vierfache ihrer gemeldeten Umsatzerlöse beläuft. Die starke Abwertung des Belarus-Rubels verteuert überdies die Rückzahlung von Devisenkrediten. Die Außenwirtschaft Fast zwei Fünftel der Exporte werden in Russland abgesetzt. Noch intensiver ist die Abhängigkeit bei den Importen, die 2015 zu 56 Prozent aus Russland stammten. Mit einem Anteil von 11 Prozent sind die Niederlande der zweitwichtigste Exportmarkt. Auf Deutschland entfielen bei den Exporten nur 4 Prozent. Unter den Lieferländern belegt die Bundesrepublik mit knapp 5 Prozent den dritten Platz. Insgesamt schrumpft der Außenhandel seit Jahren. 2016 sind Exund Importe weiter rückläufig. Negativ bemerkbar macht sich dabei die unzureichende Diversifizierung der Produktpalette bei den Ausfuhren. Geliefert wer- den vor allem verarbeitete Ölprodukte, Chemieerzeugnisse und Nahrungsmittel. Bei den Einfuhren dominieren Erdöl, Nahrungsmittel und chemische Produkte. Das Handelsbilanzdefizit liegt bei 2,5 bis 3 Milliarden US-Dollar. Anhaltend negativ ist die Leistungsbilanz. Wegen der relativ geringen ausländischen Direktinvestitionen ist Belarus dauerhaft auf den Beistand des IWF angewiesen. Im bilateralen Handel mit Weißrussland erzielt Deutschland kontinuierlich Überschüsse. Bei den deutschen Exporten dominieren Maschinen, chemische Erzeugnisse sowie Kfz und -Teile. Bei anstehenden Stadtentwicklungsprojekten bestehen Absatzchancen. Ansonsten ruhen die Hoffnungen auf Maßnahmen im Rahmen des Seidenstraßenprojekts. Der Finanzstatus Der IWF erwartet ab 2018 eine Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage. Als problematisch erweist sich der hohe Anteil der wenig wettbewerbsfähigen Staatsbetriebe bei der Verschuldung im Ausland. Der IWF fordert daher eine Bereinigung dieses Sektors. Vorerst wird aber nicht zuletzt wegen des abgewerteten BelarusRubels ein Anstieg der Auslandsverschuldung, gemessen am BIP und in US-Dollar, auf gut 80 Prozent bis 2019 erwartet. Durch den Abruf der vor allem vom IWF bereitgestellten Finanzmittel bleibt allerdings der Finanzstatus auf niedrigem Niveau stabil. Manfred Kurz Weitere Infos Repräsentanz der Deutschen Wirtschaft in Belarus Leiter: Wladimir Augustinski [email protected], www.belarus.ahk.de 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 45 Nigeria Kennzahlen Einwohner: 183 Millionen Fläche: 923 768 km2 Einwohner pro km : 2 BIP: Warenimporte: 198 380 Mrd. EUR 45 Mrd. EUR Wechselkurs: 345 NGN/EUR Währungsreserven: 19,5 Mrd. EUR Quellen: CIA Factbook, IWF Niedergang. Nigerias Regierung steht vor alten Problemen. Korruption, Inflation und Arbeitslosigkeit sorgen für Unzufriedenheit im Volk. Das von der Ölindustrie abhängige Land befindet sich in einer tiefen Wirtschaftskrise. Erneut im Krisenmodus Die Federal Republic of Nigeria ist der mit Abstand bevölkerungsreichste Staat Afrikas. Genaue Angaben sind allerdings wegen der unzureichenden Statistiken schwierig zu ermitteln. Jüngste Schätzungen gehen von 183 Millionen Menschen aus. Das jährliche Bevölkerungswachstum liegt bei fast 2,5 Prozent. Annähernd die Hälfte der Bürger lebt in Städten. 46 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 Der Niger, der das Land von Nordwesten durchfließt, fächert sich zu einem Delta auf, in dessen Einzugsgebiet große Erdölvorkommen lagern. 250 Volksgruppen mit 500 Sprachen leben in Nigeria. Das Land leidet seit Jahrzehnten unter ethnischen und religiösen Spannungen, die sich immer wieder in Gewalt entladen. Muslime stellen die Hälfte der Bevölkerung und leben vorwiegend im Landesnorden, Christen mit einem Anteil von 40 Prozent im Süden. Abuja in der Landesmitte ist die Hauptstadt. Mit 13 Millionen Einwohnern ist die Hafenstadt Lagos die größte Metropole. Amtssprache ist Englisch. Der Staat Am 1. Oktober 2015 beging Nigeria den 55. Jahrestag der Unabhängigkeit von Großbritannien. Während dieser Zeit stand es 29 Jahre unter Militärherrschaft: von 1966 Foto: Getty Images Das Land LÄNDERPORTRÄT bis 1979 und von 1984 bis 1999. Die Föderation besteht aus 36 Bundesstaaten sowie dem Bundesterritorium der Hauptstadt Abuja. Das Justizwesen ist gespalten in ein System allgemeinen englischen Rechts und die Scharia in zwölf nördlichen Bundesstaaten. Der Präsident besitzt als Staatsund Regierungschef weitreichende Vollmachten. Zusammen mit dem Vizepräsidenten wird er für vier Jahre vom Volk direkt gewählt. Die maximale Amtszeit beträgt acht Jahre. Präsident und Vizepräsident treten bei der Wahl zusammen als christliches und muslimisches Team an. Gesetzgebende Gewalt ist das als National Assembly bezeichnete ZweiKammer-Parlament, bestehend aus dem House of Representatives und dem Senat. Das Repräsentantenhaus umfasst 360 Abgeordnete, die in Wahlkreisen nach Mehrheitswahlrecht bestimmt werden. Dem Senat gehören 109 Mitglieder an, von denen jeweils drei in jedem der 36 Bundesstaaten sowie einer im Federal Capital Territory gewählt werden. BIP pro Kopf Beitrag zum BIP Die größte Volkswirtschaft Afrikas ist trotz ihrer Rohstoffe arm. Die ineffiziente Landwirtschaft beschäftigt 70 Prozent der Arbeitskräfte. 2014 3268 2015 2016* 2017* 2763 Primärsektor Sekundärsektor 21 20 2260 2200 Tertiärsektor 59 * = Prognose; Angaben in US-Dollar. Quelle: IWF Angaben in Prozent. Quelle: CIA Factbook kampf einen effektiveren Kampf gegen die Terrororganisation Boko Haram versprochen hatte. Zudem konnte er von der sich verschlechternden Wirtschaftslage profitieren. Pikant ist der Umstand, dass Buhari dieses Amt bereits von 1983 bis 1985 innehatte, als er sich durch einen Militärputsch an die Spitze des Staats gesetzt hatte. Die politischen Herausforderungen an die Regierung sind groß. Die enorme Korruption sorgt für eine sich ausweitende Spreizung der Einkommen und erhöht die Unzufriedenheit immer größerer Bevölkerungsteile. Der starke Rückgang der Öleinnahmen, die für 75 Pro- zent der Staatseinnahmen stehen, verstärkt diesen Trend. Engpässe in der Lebensmittelversorgung aufgrund fehlender Devisen und hohe Preissteigerungen wegen der starken Abwertung der heimischen Währung werden der Regierung ebenso angelastet wie die steigende Arbeitslosigkeit. Der Kampf gegen die Terrororganisation Boko Haram im Norden bringt nicht die versprochenen Ergebnisse. Zugleich häufen sich im Süden die Anschläge auf Einrichtungen der Ölindustrie durch Gruppen, die eine gerechtere Verteilung der staatlichen Öleinnahmen verlangen. Die politische Lage Die Wirtschaft Die Präsidentschaftswahlen 2015 waren insofern ein Novum, als noch nie zuvor ein amtierender Staatschef sein Amt bei einer Wahl verloren hatte. Der christliche Präsident Goodluck Jonathan hatte als Vizepräsident des vormaligen Präsidenten Umaru Yar’Adua nach dessen Tod im Mai 2010 das Amt übernommen und die Wahl 2011 gewonnen. Er verlor 2015 knapp gegen seinen Herausforderer Muhammadu Buhari. Der neue, muslimische Präsident erhielt dabei auch im christlichen Süden Zuspruch, nachdem er im Wahl- Nigeria verfügt über das höchste Bruttoinlandsprodukt (BIP) Afrikas und ist der mit Abstand bevölkerungsreichste Staat. Das Land besitzt reichhaltige Bodenschätze: gesicherte Reserven von 37 Milliarden Barrel Öl und Erdgasreserven von gut 5 Billionen Kubikmetern. Öl und Gas erzielen gut 90 Prozent der Exporterlöse und rund drei Viertel der Staatseinnahmen. Daneben werden noch weitere Rohstoffe gefördert, darunter Blei, Zink, Gold, Phosphat und Kohle. Dennoch zählt Nigeria mit einem Pro-Kopf-Einkommen Präsident Muhammadu Buhari. Schwerer Stand in der aktuellen Wirtschaftskrise. 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 47 6|2016 LÄNDERPORTRÄT [ Nigeria ] von weniger als 3000 US-Dollar zu den armen Ländern. Die Landwirtschaft beschäftigt 70 Prozent der Erwerbspersonen und generiert gut ein Fünftel des BIP. Alle Regierungen versuchen seit Jahren, sowohl die strukturschwache verarbeitende Industrie als auch die Landwirtschaft zu fördern, deren Produktion zu gering ist, um eine Eigenversorgung zu gewährleisten. So entfallen 15 Prozent der Importe auf Nahrungsmittel. Zu den generellen Mängeln der Wirtschaft zählen die schwache Infrastruktur, eine ineffiziente Verwaltung, zunehmender Protektionismus im Außenhandel und eine weitverbreitete Korruption. Ursprünglich war geplant, die Ölförderung von zwei auf vier Millionen Barrel pro Tag zu steigern. Die Produktion stagnierte in den letzten Jahren und fiel in diesem Jahr sogar auf 1,5 Millionen Barrel pro Tag. Das lag zum einen an den zu geringen Investitionen in der Ölwirtschaft, zum anderen an der Unsicherheit im Nigerdelta. Es wird von vielen kleinen Volksgruppen bewohnt, die die ihrer BIP-Wachstum Staatsschulden Nach hohem Wachstum ist das Land in eine Rezession abgerutscht. Auf Drängen des IWF muss der öffentliche Haushalt saniert werden. 20 20 15 15 10 10 5 5 0 0 5 2014 2015 2016* 5 2017* 2014 2015 2016* Wachstum BIP Arbeitslosenquote Inflationsrate * = Prognose; Angaben in Prozent. Quelle: IWF Staatsverschuldung Haushaltssaldo * = Prognose; Angaben in Prozent des BIP. Quelle: IWF Ansicht nach zu geringe Beteiligung am Ölreichtum kritisieren. Das führt seit Jahren zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht bis hin zu Entführungen von Arbeitskräften. Auch der Öldiebstahl aus den Pipelines ist weitverbreitet. Die Erdgasförderung entwickelt sich mit einem Anteil von 12 Prozent an den Exporterlösen zum zweiten Stützpfeiler der Wirtschaft. Verbesserte Chancen zur Vermarktung böten sich in Zukunft durch den Aufbau von Kapazitäten zur Verflüssigung von Erdgas. Die Konjunktur 2017* Nigeria rutschte 2016 nach vielen Jahren mit zum Teil zweistelligen realen Wachstumsraten in eine Rezession. Nach einem realen BIPWachstum von 2,7 Prozent im vergangenen Jahr ist 2016 mit einem Minus von 1,7 Prozent zu rechnen. Der IWF prognostiziert für 2017 unter der Annahme eines steigenden Ölpreises eine Stabilisierung der Wirtschaftslage, für die kommenden fünf Jahre aber nur ein gedämpftes Wirtschaftswachstum mit Raten bis 3,5 Prozent. IM SPIEGEL DER KENNZAHLEN Die Problembereiche werden immer zahlreicher In den wichtigsten Wirtschaftsranglisten liegt Nigeria auf den hinteren Plätzen. Das Entwicklungsland bietet im Doing-Business-Report der Weltbank ein schlechtes Bild. So schneidet es lediglich bei Kreditversorgung und Schutz von Minderheitsbeteiligungen noch verhältnismäßig gut ab. Gravierende Mängel gibt es in allen anderen Bereichen, etwa der Stromversorgung, dem Ablauf bei Baugenehmigungen, der Registrierung von Eigentum, der Umsetzung von Verträgen und im Steuersystem. Im Global Competitiveness Index des World Economic Forum sieht das Bild kaum besser aus. Dort mangelt es insbesondere bei den Faktoren Infrastruktur, Gesundheitswesen und Bildung. Positiv bewertet werden die Marktgröße 48 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 und mit leichten Abstrichen die Effizienz des Arbeitsmarkts. Ähnlich negativ wie bei vielen anderen afrikanischen Ländern wird die Korruptionsanfälligkeit von Transparency International bewertet. Im Länderbonitätsranking des „Institutional Investor“ belegt Nigeria bislang noch einen Mittelplatz, etwa gleichauf mit Argentinien. Rangliste Platz Länderzahl Doing-Business-Report 169 189 Global Competitiveness Index 124 140 Corruption Perceptions Index 136 168 90 179 Institutional Investor Quellen: Weltbank, WEF, TI, Institutional Investor Handel mit Deutschland Außenbilanz Wirtschaftskrise und Devisenknappheit beeinträchtigen den Güteraustausch. Der Verfall des Ölpreises wiegt schwer bei den Außenbilanzen. 4 40 3 30 2 20 1 10 0 0 1 10 2 3 2014 2015 2016* 2017* 20 2014 2015 2016* 2017* Einfuhr Ausfuhr Saldo aus deutscher Sicht * = Prognose; Angaben in Milliarden Euro. Quelle: Destatis Handelsbilanz Leistungsbilanz Währungsreserven * = Prognose; Angaben in Milliarden US-Dollar. Quelle: IWF Die Gründe für die Wirtschaftskrise resultieren zum überwiegenden Teil aus dem Verfall des Ölpreises, aber auch aus gravierenden strukturellen Problemen. Hatte nigerianisches Öl 2014 auf dem Weltmarkt noch gut 100 US-Dollar je Fass erzielt, waren es in diesem Jahr lediglich rund 40 US-Dollar. Die Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport haben sich von 76,5 Milliarden US-Dollar 2014 auf voraussichtlich nur noch 35 Milliarden US-Dollar in diesem Jahr reduziert. Die Inflation wächst zweistellig. In diesem Jahr werden gut 15 Prozent und im nächsten Jahr rund 17 Prozent Preissteigerung erwartet. Die expansive Haushaltspolitik der amtierenden Regierung verstärkt den inflationären Druck. Bei einer weiter kräftig steigenden Bevölkerungszahl wächst das Unzufriedenheitspotenzial in der Gesellschaft. Seit Jahren sinkt das Pro-Kopf-Einkommen. Besonders groß ist die Armut im Norden. Die Arbeitslosigkeit steigt, und die Unterbeschäftigung ist hoch. Nach offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei 12 Prozent. Wegen der umfangreichen Schattenwirtschaft dürfte sie aber deutlich höher sein. Die Wirtschaft leidet neben der geringen Produk- tivität im verarbeitenden Gewerbe unter weiteren Engpassfaktoren, insbesondere unter der mangelhaften Stromversorgung und der Verkehrsinfrastruktur. Außerdem dämpfen politische Instabilität, Kriminalität und Korruption die Investitionsbereitschaft. Dies gilt auch für das Engagement ausländischer Unternehmen. Die Ausschöpfung des wirtschaftlichen Potenzials bleibt unzureichend. Die Außenwirtschaft Im Gleichklang mit dem Ölpreisanstieg erzielte das Land über Jahre hohe Überschüsse in der Handels- und Leistungsbilanz. Mit dem Preisverfall seit 2014 endete diese Periode. Seit 2015 weisen beide Außenbilanzen Negativsalden auf. Der IWF erwartet mittelfristig zwar eine Stabilisierung, aber keine Überschussposition. Die Wirtschaft Nigerias ist stark von der Einfuhr von Maschinen, Fahrzeugen und Nahrungsmitteln und wegen nicht ausreichender Raffineriekapazitäten sogar von Treibstoffen abhängig. Um die Wirtschaftsstruktur zu verbessern, sollen nicht zuletzt auf IWF-Druck die Bereiche Landwirtschaft und Leichtindustrie gefördert werden. Im Handel mit Deutschland steht die Zusammenarbeit im Energiebereich im Fokus. Für 2016 und 2017 ist wertmäßig mit sinkenden Importen Deutschlands zu rechnen. Kein Wunder: 90 Prozent der Einfuhren entfallen auf Öl. Der Absatz deutscher Produkte leidet unter der Wirtschaftskrise, rückläufigen Investitionen und der Devisenknappheit Nigerias. Bessere Marktchancen erwarten Beobachter ab 2018. Gründe sind der wieder anziehende Ölpreis und die steigende internationale Unterstützung durch IWF, EU und China. Investitionen in die zu teuer produzierende Ölwirtschaft, in die Infrastruktur und zur Steigerung der Produktivität im Agrarsektor dürften im Vordergrund stehen. Der Finanzstatus Die Auslandsverschuldung hat sich in den vergangenen vier Jahren verdoppelt und liegt inzwischen bei 16 Milliarden US-Dollar. Nach Auflagen des IWF, der dem Land mit Hilfskrediten beisteht, sollen mit strengerer Kontrolle Haushaltsdisziplin und -transparenz vorangetrieben werden. Vor zehn Jahren konnte Nigeria durch ein Abkommen mit dem Pariser Club sowie dem Londoner Club seine Auslandsschulden schon einmal um 30 Milliarden US-Dollar reduzieren. Dafür praktizierte Nigeria eine mit dem IWF abgestimmte Wirtschaftspolitik, verbunden mit zahlreichen Auflagen. Angesichts steigender Auslandsschulden und rückläufiger Währungsreserven ist der Finanzstatus erneut sehr fragil. Manfred Kurz Weitere Infos GIZ-Büro Nigeria Landesdirektor: Thomas Kirsch [email protected], www.giz.de 6/2016 AUSSEN WIRTSCHAFT 49 KOLUMNE [ Argentinien interkulturell ] Müheloser Rollenwechsel Kollegen gelegt. Das Die deutsche Marketingzweitgrößte Land Südspezialistin verstand amerikas ist eine beziedie Welt nicht mehr. hungsorientierte Kultur, Mit mulmigem Gefühl in der persönliche Konwar sie zur Geschäftsreise nach Buenos Aires takte die Basis für gute aufgebrochen, denn Geschäfte bilden. Jeder Argentinier verfügt über bereits seit Monaten ein Netzwerk aus Angehatte sich die Koopehörigen, Geschäftspartration mit dem argennern und Freunden, auf tinischen Niederlasdas er in jeder Lebenssungsleiter schwierig lage zurückgreifen kann. gestaltet. Zentrale Vorgaben hatte er ignoriert, Unbezahlbar in einem Brigitte Hild, Going Global, München, unterstützt international tätige Firmen bei der telefonisch war er nicht Land, das seit Jahren Betreuung ihrer Auslandsmitarbeiter durch Informationen, Coaching und Beratung. erreichbar, und auf ihre politisch und wirtschaftunzähligen E-Mails lich mit Problemen hatte sie selten und nur äußerst nichts- kämpft. Alleine lässt sich da wenig aussagende Antworten erhalten. Doch nun richten, gemeinsam geht’s leichter. Oder saß sie einem charmanten, eloquenten wie es heißt: „It takes two to tango“. Gesprächspartner gegenüber, der ihre Ideen nicht nur vollkommen zu unter- Exzellente argentinische Tangotänzer stützen schien, sondern sie durch inte- wechseln auf dem Parkett übrigens ressante Anregungen und konstruktive mühelos die Rollen. Aus dem, der führt, Ergänzungen mit ihr weiterentwickelte. wird der, der geführt wird. Das gilt auch für die Geschäftsbeziehungen. Wer heute Nie käme es Argentiniern in den Sinn, zur hilft, braucht morgen Unterstützung – Klärung offener Fragen E-Mails zu ver- und erwartet, dass er sie bekommt. Nicht schicken oder einen heiklen Sachverhalt immer leicht für deutsche Firmen mit am Telefon klären zu wollen. Man setzt ihren Compliance-Regeln. Doch grundsich zusammen an einen Tisch. Mit ihrem sätzlich ergänzen sie sich gut: die deutBesuch hat die Marketingchefin daher sche Gründlichkeit und die argentinische den Grundstein für eine bessere Zusam- Gabe, mit Herzblut und Pragmatismus menarbeit mit ihrem argentinischen auch schwierige Situationen zu meistern. 50 AUSSEN WIRTSCHAFT 6/2016 Foto: Uwe Nölke 6|2016