Eltern in der Pflicht - erfolgreiche verhaltenstherapeutische Arbeit

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High-Functioning Autismus/Asperger-Syndrom
Dr. Bärbel Wohlleben, Dipl. Psych., PPT
Autismus Deutschland - Landesverband Berlin, e.V.
Vortrag Comenius-Schule 27.11.2012
Spektrum autistischer Störungen
• Frühkindlicher Autismus (Kanner)
– High-functioning Autismus
• Asperger-Syndrom
• Atypischer Autismus
Diagnostische Kriterien der
autistischen Störung n. DSM IV/ ICD 10
(1) Qualitative Beeinträchtigung der zwischenmenschlichen Beziehungen
eingeschränkter Blickkontakt, geringe sozio-emotionale
Gegenseitigkeit, fehlendes Verständnis für soziale Regeln und
Gruppennormen
(2) Qualitative Beeinträchtigung der verbalen und nonverbalen Kommunikation sowie der Phantasie
Fehlende Sprache bzw. Auffälligkeiten in Sprachentwicklung,
Echolalie, wortwörtliches Verstehen, kein Verstehen von Ironie,
Neologismen
(3) Deutlich beschränktes Repertoire von Aktivitäten
Stereotypien in Handlung und Spielverhalten, Ängste bei
Veränderungen, eingeschränkte aber sehr differenzierte
Interessensgebiete
•
Beginn der Störung vor dem 36. Lebensmonat
Diagnostische Kriterien
nach Gillberg u. Gillberg1989
Soziale Beeinträchtigung (extreme Ich-Bezogenheit)
(mindestens zwei der folgenden Merkmale):
· Unfähigkeit, mit Gleichaltrigen zu interagieren
· mangelnder Wunsch, mit Gleichaltrigen zu interagieren
· mangelndes Verständnis für soziale Signale
· sozial und emotional unangemessenes Verhalten
Eingeengte Interessen
(mindestens eines der folgenden Merkmale):
· Ausschluss anderer Aktivitäten
· repetitives Befolgen der Aktivität
· mehr Routine als Bedeutung
Repetitive Routinen
(mindestens eines der folgenden Merkmale):
· für sich selbst, in Bezug auf bestimmte Lebensaspekte
· für andere
Diagnostische Kriterien
nach Gillberg u. Gillberg1989
Rede- und Sprachbesonderheiten
(mindestens drei der folgenden Merkmale):
· verzögerte Entwicklung
· (oberflächlich gesehen) perfekter sprachlicher Ausdruck,
· formelle, pedantische Sprache manchmal ideosynkratische Begriffe
· seltsame Sprachmelodie, "fremder" Akzent, eigenartige Stimm- Merkmale
· beeinträchtigtes Verständnis, einschließlich Fehlinterpretationen von
wörtlichen/implizierten Bedeutungen
Nonverbale Kommunikationsprobleme
(mindestens eines der folgenden Merkmale):
· begrenzte Gestik
· unbeholfene/linkische Körpersprache
· begrenzte Mimik
· unangemessener Ausdruck
· eigenartig starrer Blick
Motorische Unbeholfenheit
· Mangelnde Leistung bei Untersuchung der neurologischen Entwicklung
Differentialdiagnose und Komorbiditäten
• Mentale Behinderungen
• Rett - Syndrom
• Sprachstörungen (bes. rezeptive Störungen)
• Genetische Erkrankungen (Tuberöse Sklerose, Fragiles-XSyndrom)
• Tiefgreifende Entwicklungsstörungen
– Sozial-emotionale Störungen
• Psychose / Schizophrenie
• Angst- und Zwangsstörungen
(nicht spezifiziert)
Diagnostik
• Entwicklungsgeschichte des Kindes
– (Semi-) standardisierte Fragebögen
• Beobachtung des Kindes in verschiedenen Situationen
– Beobachtungsskalen
• Autismusspezifische Diagnostik
– Verfahren zur Differentialdiagnostik
– Erfassung spezifischer Leistungen
• Entwicklungsdiagnostik
– Psychometrische Testverfahren
• Förder- und Prozessdiagnostik
– Spezielle Entwicklungsprofile und Vernetzung mit dem
pädagogischen und therapeutischen Umfeld
– Fähigkeits- statt defizitorientiertes Vorgehen
Diagnostik - Skalen
•
ADI-R (Autism Diagnostic Interview - Revised)
•
ADOS (Autism Diagnostic Observation Schedule)
Förderdiagnostik:
• PEP (Psycho-educational Profile)
ADI-R
•
Strukturiertes Interview,
bezogen auf die
charakteristischen Merkmale
des ICD 10/DSM IV:
– Wechselseitige soziale
Interaktionen, Sprache.
Kommunikation, Spiel und
eingeschränkte repititive und
stereotype Handlungsweisen
und Interessen betreffen
•
Mehrere Abschnitte:
– Hintergrundinfos, frühe
Entwicklungsgeschichte,
Verhalten des Kindes, früher
und jetzt, unspezifische
Verhaltensschwierigkeiten,
spezielle Fertigkeiten
•
Beispiele:
– Wiederholt er /sie manchmal die
letzten zwei Wörter, von dem was
sie gesagt haben
– Neigt er dazu die Dinge immer
wieder in derselben Art zu sagen
– Imitiert X Sie oder ahmt er/sie
andere Familienmitglieder nach
– Zeigt er/ sie Dinge, die ihn
interessieren
– Kann X z.B. finster dreinschauen,
oder schmollend, lachend oder
weinerlich
– Hatte X eine anklammernde
„Mama-Kind-Zeit“, Reaktionen bei
Verlassen des Raumes, Alter?
– Gibt es Dinge, die in einer ganz
bestimmten Art und Weise oder
Abfolge getan werden müsse
Beispiele für die Beobachtung mit ADOS
Autism Diagnostic Observation Scale
• Präverbal:
– Gestaltung von Situationen mit geteilter
Aufmerksamkeit (z.B. bewegliche Objekte)
– Gestaltung von wiederkehrenden Abläufen mit
Gegenständen (Luftballon)
– sozialen Abläufen (Guck-guck-Spiele)
– „Tu als ob“-Spiele (Geburtstagsparty mit Puppe)
• Verbal:
– Bildgeschichten
– Cartoons
– Fragen zur sozial-emotionalen Befindlichkeit,
Aktivitäten etc.
Neuropsychologische Erklärungsmodelle
• Theory of Mind (ToM)
– soziale Beeinträchtigungen und z.T. kommunikative
Schwierigkeiten
• Konzept der Exekutivfunktionen
– stereotype, repetitive Verhaltensweisen, sowie der Wunsch nach
Routine
• Konzept der schwachen zentralen Kohärenz
– Wahrnehmung von Stimuli eher detailbezogen und kontextfrei
Theory of Mind (ToM)
Was ist die “Theory of Mind”?
Es sind alle Fähigkeiten, die es ermöglichen
Gedanken, Überzeugungen, Wünsche und
Absichten anderer Menschen zu erkennen und zu
verstehen, deren Verhalten einzuschätzen und
vorhersagen zu können, was sie als nächstes tun.
Empathie
Autistische Kinder entwickeln ToM stark verzögert, die spezifischen Beeinträchtigungen in
der sozialen Kognition sind unabhängig vom intellektuellen Niveau zu sehen.
Probleme in der sozialen Wahrnehmung
•
•
•
•
Erkennen von Gefühlen
Empathie schwierig
Gruppennormen und -regeln nicht durchschaubar
Wenig intuitives Verständnis für unterschiedliche
Beziehungsebenen
• Täuschungen/ Unehrlichkeit nicht erkennen
• soziale Feinheiten werden nicht erkannt - “brutale”
Ehrlichkeit
der Stress sozialer Situationen
vermehrte Zwänge und Rituale
Beeinträchtigung der Exekutivfunktionen
– Arbeitsgedächtnis kleiner als Langzeitgedächtnis
• Möglichkeiten zur aktuellen
Informationsspeicherung, Pläne, Notizen, visuelle
Unterstützung
– Prioritäten müssen erarbeitet und kommuniziert
werden
– Rückzugs- und Ruhemöglichkeiten notwendig
Stress im Alltag
Konzept der schwachen zentralen
Kohärenz
Was ist die zentrale Kohärenz (ZK)?
ZK meint, dass ein Reiz kontextbezogen, global,
gestaltsmäßig erfasst und interpretiert wird, d.h. Reize
werden tendenziell stets im Kontext zu anderen Reizen
und Informationen wahrgenommen und verarbeitet.
Schwache zentrale Kohärenz:
Reize werden detailbezogen und kontextfrei
wahrgenommen – Verknüpfungen verschiedener
Einzelinformationen zu einem Ganzen fallen schwer
(keinen roten Faden finden, aber gute Detailwahrnehmung)
Hilfreiche Kommunikation
• Direkte Ansprache:
– „Ich möchte, dass Du solange sitzen bleibst, bis Du die Aufgaben
auf dem Blatt fertig gestellt hast.“ statt
– „Es wäre gut, wenn die Aufgaben noch fertig werden würden.“
• Konkrete Ansprache:
– „Kannst Du bitte Thomas, Claudia, Christian, Sven und Dir je eine
Kopie auf den Platz legen“ statt
– „Stell bitte sicher, dass jeder eine Kopie bekommt.“
• Vermeiden von Redewendungen und Anspielungen:
– „Ihr bringt mich auf die Palme!“,
– „Du stehst wohl auf dem Kabel“
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