Gruppenpraxis FachärztInnen für Medizinische und Chemische Labordiagnostik HERZLICH WILLKOMMEN Hygiene in der Arztpraxis Martina Müller Univ. Prof. Dr. Susanne Spitzauer 30.11.2016 Hygiene …die Lehre von der Gesunderhaltung des Menschen, betrifft alle Bereiche unseres Lebens. Sie wird aber besonders dort aktuell, wo die abzuwehrenden Schädlichkeiten den bereits geschwächten, also anfälligen Menschen treffen. Dies ist das Krankenhaus, aber auch die ärztliche Praxis. H. Flamm 2 Hygiene HYGIENEVERORDNUNG DER ÖSTERREICHISCHEN ÄRZTEKAMMER Die Links zu den Gesetzestexten finden Sie auch unter: http://www.ordibed.at/servicepoint 3 Allgemeines Verordnung der österreichischen Ärztekammer über die hygienischen Anforderungen von Ordinationsstätten und Gruppenpraxen Ziel: Schutz von Patienten, Ärzten und Ordinationspersonal Geltungsbereich: alle Arztordinationen in Österreich Zur Qualitätssicherung der österreichischen Arztordinationen Erstellung, Freigabe und Kundmachung der Verordnung: Experten der ÖÄK Die Verordnung wird alle 3 Jahre aktualisiert 4 Allgemeines Verantwortlich für den hygienisch einwandfreien Betrieb der Ordination ist der ordinationsführende Arzt (kann delegiert werden), in einer Gruppenpraxis wird dokumentiert, wer der Hygieneverantwortliche ist Verantwortlichkeiten für die Ausführung der Maßnahmen zur Hygiene schriftlich dokumentiert fachspezifische Empfehlungen auf der Homepage der Österreichische Ärztekammer 5 Allgemeines Abschätzung des Infektionsrisikos vornehmen Hygienemaßnahmen abhängig von: • Art der in der Ordination erbrachten Leistungen • Der Patientenfrequenz • Dem Gefährdungspotential besonderer Erkrankungen Definition eigens für jede Ordination Hygienepläne für: • Beratungsräume • Behandlungsräume • Sanitärräume • Lagerräume 6 Ordinationsmitarbeiter 1. 2. 3. 4. 5. Schulungen (bei Arbeitsantritt, regelmäßig und nach Bedarf) Infektionskrankheiten und ihre Verbreitung Infektionsrisiken Risiken im Zusammenhang mit Verletzungen Allgemeine Hygieneerfordernisse Spezielle Maßnahmen zur Hygiene in der Ordination (Aufbereitung von Medizinprodukten) 6. Verantwortlichkeiten und Vertretungsregelungen Schutzimpfungen (Hepatitis) müssen angeboten werden Ausstattung mit Arbeitskleidung und Schutzeinrichtungen 7 1. Infektionskrankheiten und ihre Verbreitung Als Infektionskrankheit werden alle durch den Kontakt mit Mikroorganismen ausgelösten Krankheiten bezeichnet. Krankheitserreger: • Bakterien (Salmonellen, TBC, MRSA,…) • Mykoplasmen (M. genitalium,...) • Pilze (Nagelpilz,…) • Viren (HIV, Hepatitis, Grippe, Röteln,…) • Protozoen (Amöben,…), Helminthen (Würmer) • Arthropoden (Zecken, Mücken,…) 8 1. Infektionskrankheiten und ihre Verbreitung Entstehung einer Infektionskrankheit: • Infektionsquelle – Infektionsweg – Infektionsziel • Manifeste Infektion: Aufnahme und Vermehrung eines Erregers • Latente Infektion: Erreger bleibt an Eintrittspforte liegen 9 1. Infektionskrankheiten und ihre Verbreitung Endogene Infektion: Verursacht durch patienteneigene Keime der Haut, des Darms,… Exogene Infektion: Verursacht durch andere Menschen, Tiere, Einrichtungsgegenstände, medizinisch-technische Geräte, Natur,… 10 2. Infektionsrisiken Offenes Infektionssystem: Erreger werden freigesetzt aus • Sputum, Speichel • Stuhl, Harn, Sekrete • Eiter • Hautschuppen Geschlossenes Infektionssystem: Erreger werden durch ein zusätzliches Ereignis abgegeben • Verletzung (Injektionskanüle, Koitus) • Stiche von Insekten, Zecken, Milben 11 2. Infektionsrisiken Für jede Ordination ist eine Bewertung des Infektionsrisikos vorzunehmen. Welche Übertragungswege gibt es? • Direkter Kontakt (z.B. über Hände) • Übertragung durch unbeabsichtigten Hautkontakt (Menschenansammlungen) • Über Tröpfchen (beim Sprechen, Niesen, Husten) • Kontakt mit Körperausscheidungen • Übertragung bei der Pflege (Versorgung/Pflege von Wunden, Wechsel von Inkontinenzmaterialien, Katheterpflege, Reinigungshilfe nach Ausscheidungen) 12 2. Infektionsrisiken Welche Faktoren begünstigen eine Infektion? • Geschwächte Immunabwehr, z.B. bei einer Chemotherapie • Chronische Erkrankungen • Diabetes mellitus • Harn- und Stuhlinkontinenz • Starke Bewegungseinschränkungen, z.B. Bettlägerigkeit, • Beeinträchtigung der Nahrungsaufnahme (z. B. Schluckstörungen, Ernährungssonde) • Chronische Hautläsionen/-veränderungen, Druckgeschwür • Ekzeme • Häufige und längere Krankenhausaufenthalte 13 3. Verletzung und Kontamination mit potentiell infektiösem Material mögliche Übertragung von Hepatitis B, Hepatitis C und HIV • Verhalten bei Nadelstichverletzungen: https://www.wien.gv.at/gesundheit/strukturen/hygiene/richtlinien.html • Unfallbericht an AUVA senden http://www.auva.at/unfallmeldung genauere Informationen siehe Workshop Blutabnahme (Fortbildungsakademie: www.labors.at/akademie ) 14 4. Allgemeine Maßnahmen zur Hygiene • • • • • • Handschuhe Evtl. Gesichtsmasken, Schutzbrille, Einmalschutzkleidung Beim Absaugen: immer Mund-Nasen-Schutz tragen Händedesinfektion, Händewaschen Flächendesinfektion, Flächenreinigung Instrumentenaufbereitung 15 4. Allgemeine Maßnahmen zur Hygiene Umgang mit infektiösen Patienten Patient: • Anlegen von Mund-Nasenschutz bei Atemwegsinfektionen • Patient nicht im Warteraum sitzen lassen, direkt ins Behandlungszimmer bringen Personal: • Schutzkleidung • Handschuhe • Mund-Nasenschutz 16 4. Allgemeine Maßnahmen zur Hygiene Umgang mit infektiösen Patienten Personal, nach der Behandlung: • Kleidungswechsel • Hygienische Händedesinfektion • Flächendesinfektion von Hand-Haut-Kontaktstellen • Desinfektion verwendeter Medizinprodukte (Stethoskop, Blutdruckmanschette,…) • Status des Impfschutzes überprüfen 17 4. Allgemeine Maßnahmen zur Hygiene Bei Erkrankung des Personals: • keine Patientenversorgung • Dauer der Infektiosität beachten Bei Rettungseinsatz: • Rettungspersonal über Infektiosität des Patienten informieren Festlegung im Hygieneplan Ggf. Meldepflicht beachten http://www.bmgf.gv.at/cms/home/attachments/1/1/7/CH1446/CMS1438684765066/liste_a 18 nzeigepflichtiger_krankheiten_in_oesterreich.pdf 4. Allgemeine Maßnahmen zur Hygiene Meldepflichtige Erkrankungen (durch den Arzt) Im Verdachtsfall z.B. • Bakterielle Gastroenteritiden (Samonella, Campylobacter, Yersinia) • Norovirus • Hepatitis A,B,C • Masern etc….. Im Erkrankungsfall z.B.: • Syphilis, Gonorrhoe • Diphterie, Scharlach, Röteln, Pertussis • Tuberkulose, Malaria etc…. 19 5. Spezielle Maßnahmen zur Hygiene in der Ordinationsstätte Hygieneplan Entwurf der ÖÄK Den Link zu einer Vorlage für den Hygieneplan finden Sie in der Hygieneverordnung unter folgendem Link: http://www.ordibed.at/servicepoint 20 5. Hygieneplan Reinigungs und Desinfektionsplan Handhygiene Routinemäßig gründliche Reinigung • laut Arbeitsanweisung (tägliche, wöchentliche, monatliche,… Reinigung) Bei wechselndem Reinigungspersonal • Reinigung wird dokumentiert und abgezeichnet Desinfektion der Einrichtungsoberflächen • regelmäßig und anlassbezogen bei Kontamination • Desinfektion des Bodens: anlassbezogen bei Kontamination 21 5. Hygieneplan Reinigungs und Desinfektionsplan Betrifft: Tische, Wände, Böden, Möbel, Geräte,… Geeignete Mittel je nach Herstellerinformationen Auswahl der Desinfektionsmittel • Expertisenverzeichnis der ÖGHMP http://www.ordibed.at/servicepoint • Desinfektionsmittel-Liste VAH (umfangreicher, aber kostenpflichtig) Angaben • Produktname • Einsatzbereich (Hände, Haut, Flächen, Instrumente) • Einwirkzeit • Wirkstoffbasis (Alkohol, Aldehyde,…) 22 5. Hygieneplan Reinigungs und Desinfektionsplan Wischdesinfektion Desinfektionsmittel auf die Oberfläche leeren, mit Einmallappen oder Papier fest wischen, einwirken lassen (mind. 30 Sek.) Wichtig zu beachten: • Handschuhe anziehen! (chem. Bestandteile schädigen die Haut) • Sprühen nur dort, wo wischen nicht möglich ist! (Benetzung nicht vollständig, Sprühnebel schlecht beim Einatmen) • • • • • Ohne mechanische Unterstützung keine sichere Wirkung! Desinfizierte Gegenstände nicht trockenwischen! (Einwirkzeit) Desinfektionsmittelflaschen verschließen! (Alkohol verdunstet) Umfüllen von Desinfektionsmitteln ist nicht zulässig! Verwendbarkeit nach dem erstmaligen Öffnen beträgt 3-6 Monate! (Herstellerangaben beachten) 23 5. Hygieneplan Reinigungs und Desinfektionsplan grobe Kontamination Schritt 1 Kontaminationsstelle absichern Selbstschutz: Handschuhe, evtl. Pinzetten, Besen Mit Desinfektionsmittel getränktem Zellstoff groben Schmutz aufnehmen und in Tonne für med. Abfall entsorgen Schritt 2 Saugfähiges Material auf die kontaminierte Stelle legen Mit Desinfektionsmittel vorsichtig tränken Einwirken lassen Schritt 3 Abdeckmaterial in Tonne für med. Abfall entsorgen Noch einmal mit Flächendesinfektion und Papier fest nachwischen 24 5. Hygieneplan Reinigungs und Desinfektionsplan Schutzmaßnahmen für Patientennahe Oberflächen und Instrumenten • Einmalauflagen auf Untersuchungsliegen, gynäkologischen Stuhl,… • Flächendesinfektion • Single use von Medizinprodukten: Einmalelektroden beim EKG, Einmalspekula, Einmalscheren, etc. • Instrumentenaufbereitung 25 6. Hygieneplan: Dokumentation Schulungsdokumentation: Wer? Wann? Reinigungs und Desinfektionsplan: Was? Wann? Wie? Womit? Wer? Entsorgungsplan: Wer? Was? Aufbereitungsplan: Wer? Was? Wie? Wann? 26 Händehygiene 27 Grundlagen Händehygiene Mikrobenflora der Hände: • Residente Flora = Standortflora (Staphylococcus epidermidis, Corynebakterien, Propionibakterien) • Transiente Flora = Kontaktkeime, Fremdkeime, die aus der Umgebung aufgenommen werden Hände können • Infektionsquelle • Keimvehikel sein 28 Verhinderung der Keimübertragung durch Hände 1. Berührungslose Techniken • Nicht-Kontamination wichtiger als Desinfektion = „non touch“Techniken • Handschuhe • Instrumente: Pinzette, Sonde,… • Ellbogen, Pedal, Sensor, Türöffner,… 2. Schmuck nicht zulässig • korrekte Durchführung der Händehygiene nicht möglich 3. Fingernägel • kurz, sauber, natürlich 4. Haare: lange Haare zusammenbinden, Berührung vermeiden 29 Händereinigung und -trocknung Hygienisches Händewaschen (kontaminierte Hände) • Kontaminationsfreies Bedienen der Armaturen • Hände vorsichtig und ohne Spritzen mit Seife waschen und abspülen (Hände tiefer als Ellenbogen halten -> Abtropfen über Finger) • Kontaminationsfreie Händetrocknung (Einmalhandtuch) 30 Händereinigung und -trocknung Chirurgisches Händewaschen (vor Eingriffen) • Unterarme freimachen • Hände und Unterarme gründlich mit Seife waschen • Nagelfalzreinigung mit Bürste oder Einmalreiniger • Abspülen mit Händen höher als Ellbogen (Abrinnen nicht über Finger!) • Trocknen mit Einmalhandtuch, beginnend an Finger, endend an Unterarmen 31 Händereinigung und -trocknung Geeignetes Reinigungsmittel: • Unverkeimte Flüssigseife, keine Stückseife Geeignete Händetrockeneinrichtung: • Einmalhandtücher in Spender • Geeigneter Rollhandtuchautomat • Kein Gemeinschaftshandtuch! • Kein Handfön! 32 Händedesinfektion Hygienische Händedesinfektion (zur Beseitigung transienter Keime und nach Patientenkontakt) • Alkoholisches Händedesinfektionsmittel aus Spender entnehmen, ohne Zuhilfenahme der Finger (Ellbogentechnik) • Portionsgröße: 3 ml • Einreibetechnik (siehe Folie Nr. 41) • Einwirkzeit (mind. 30 sek.) 33 Händedesinfektion Chirurgische Händedesinfektion • Hände müssen trocken sein • Alkoholisches, sporenfreies Einreibepräparat ohne Zuhilfenahme der Finger aus Spender entnehmen (Ellbogentechnik) • Mit richtiger Technik auf Händen und Unterarmen verteilen, verreiben • Einwirkzeit 3-5 Minuten, Hände müssen feucht bleiben -> immer wieder Händedesinfektionsmittel auftragen • Alkohol muss völlig verdunstet sein, bevor Handschuhe angezogen werden 34 Händedesinfektion Sonderfall „schmutzige und kontaminierte Hände“ • Unangenehme Situation vermeiden (präventiv Handschuhe anziehen!) • Desinfektionsmittel kann nicht in Blut oder Schmutzschicht eingehüllte Infektionserreger (HIV, Hepatitisviren,…) abtöten • verlängerten Keimkontakt auf Haut 35 Händedesinfektion Sonderfall „schmutzige und kontaminierte Hände“ Vorgehensweise: • Hände mit nassem Einmalhandtuch vorreinigen • Tuch kontaminationsfrei entsorgen • Hände unter fließendem Wasser ohne Verspritzen von Schmutz sorgfältig abspülen • Mit Einmalhandtuch gut trocknen, Tuch kontaminationsfrei entsorgen • Hände mit alkoholischen Präparat desinfizieren • Durchführung einer Wischdesinfektion des Waschbeckens 36 Handpflege mit Cremen Belastend für Hände: • Exzessives Bürsten • Zu heißes Wasser • Handfön • Mangelhaftes Abspülen und Trocknen • Alkohol auf nasse Hände • Alkohol mit Handtuch wegtrocknen (Verlust von Hautfetten) • Alkohol-nasse Hände in Latexhandschuhen (Schadstoffe gelöst) • Flächen-oder Instrumentendesinfektion ohne Handschuhe • Im Freien bei Kälte ohne Handschuhe 37 38 39 Workshop Händedesinfektion 1. Handschuhe anziehen 2. Händedesinfektion mit Fingerfarben 3. Handschuhe ausziehen 40 Workshop Ergebnis Lückenlose Händedesinfektion? Keine weißen Flecken? Richtiges Ausziehen der kontaminierten Handschuhe? Keine Farbspuren am Handgelenk? Dichtheit der Handschuhe? Keine Farbspuren unter den Handschuhen? 41 Gruppenpraxis FachärztInnen für Medizinische und Chemische Labordiagnostik LABORS.AT | www.labors.at