Mikroorganismen im Wasser J.J. Mattes Mikroorganismen: kleine, in der Regel nur mikroskopisch sichtbare Lebewesen • • • • Viren Bakterien Pilze Einzeller Viren • 30-300nm • Nukleinsäure (RNS/DNS) • Proteinkapsel • Werden in den Zielzellen passiv vermehrt • Erkrankung durch Viren: Infektion Rotavirus Viren im Wasser? • Mit dem Trinkwasser können humanpathogene Viren verteilt werden Herkunft: menschliche Ausscheidungen • Die Untersuchung von Wasser auf Viren ist keine Routineuntersuchung Bakterien • Procaryonten: – noch kein Zellkern, noch keine Mitochondrien • Größe: 0,5 bis 5 µm Bakterien im Lichtmikroskop • Gramnegative Stäbchenbakterien • Grampositive Kokken Bakterien: Vermehrung durch Zweiteilung führt zu exponentiellem Wachstum 35000 30000 25000 20000 KBE 15000 10000 5000 0 1 3 5 7 9 11 13 15 Durch rasche Vermehrung auf Nährböden entstehen Kolonien • 1mm Bakterien in Wasser Anlagen ? • Wasser ist ein hervorragendes Medium für Bakterien • Die Trinkwasserverordnung gibt Grenzwerte vor Pilze / fungi Pilze sind Eucaryonten: •Zellkern •Mitochondrien Pilze: • Sprosspilze (Hefen, yeast) • Einzelne Zellen, Kolonien ähnlich Bakterienkolonien • Schimmelpilze (mould) • Spezialisierte Zellen im Verbund, Kulturen mit typisch wolligem Aussehen Schimmelpilze • Aspergillus fumigatus Schimmelpilze mikroskopisch Aspergillus fumigatus: typische sporenbildende Köpfchen Pilze im Wasser? • Pilze kommen zwar in Wassersystemen vor • Die Pathogenität ist jedoch im Regelfall gering • Untersuchung von Wasser auf Pilze ist keine Routineuntersuchung Wimpern- und Rädertierchen Cryptosporidien Chlorresistente Enteritiserreger Milwaukee outbreak 1994 400.000 Erkrankte Hygiene im Trinkwasser Gesundheitsgefährdungen durch hygienisch ungeeignetes Wasser zur VDI 6023 J.Mattes Typhus in Neuötting • Nov. Dez. 1946 • Mai 1948 450 Fälle 31 Tote 1050 Fälle 97 Tote Ein großer Teil der Weltbevölkerung hat nur mit Mühen Zugang zu Trinkwasser Ein Drittel der Weltbevölkerung hat gar keinen Zugang zu gesundheitlich unbedenklichem Wasser Herbst 2005: Wasserstelle für eine 1500 Einwohner Siedlung in der Nähe von Kpalime / Togo. Folge: Typhus Gesundheitlich unbedenkliches Wasser bedeutet: • Mikrobiologisch unbedenklich: – frei von infektiösen Mikroorganismen • Chemisch unbedenklich : – keine toxische, – keine cancerogene, – keine mutagene Wirkung • Die Anforderungen sind in der Trinkwasserverordnung festgelegt Mikrobiologische Anforderungen aus der Trinkwasserverordnung • Keimzahl niedrig: unter 100 KBE/ml gemessen bei 20°C und bei 36°C • Keine Faekalindikatoren in 100ml : kein E.coli, keine Enterokokken • Keine Indikatoren für Kontakt mit Oberflächenwasser in 100ml : keine Coliformen, keine Clostridien Gesundheitsgefährdungen durch Mikroorganismen im Trinkwasser Im wesentlichen Infektionen: • • • • • Durchfallserkrankungen (Faekalkeime) Hepatitis (Faekalkeime) Haut / Wundinfektionen (z.B. Pseudomonas) Lungenentzündungen (Pseudomonas, Legionellen) Typhus Herkunft gesundheitsgefährdender Keime im Trinkwasser Faekalkeime • können über die Wassergewinnung eindringen, • werden über das Leitungssystem verbreitet, • vermehren sich aber nicht oder kaum im Netz Umweltkeime • gelangen über die Wassergewinnung/ Aufbereitung oder auch retrograd ins Netz • und können sich bei günstigen Bedingungen dort zu problematischen Keimzahlen vermehren Gesundheitsgefährdende Keime im Wasser • Eintrag durch Faekalien – – – – – – – – – – – – Vibrio cholerae Shigella Salmonella typhi Toxinbildende E.coli Campylobacter Hepatitis E Virus Hepatitis A Virus Norwalkviren Enteroviren Adenoviren Cryptosporidien Lamblien • Sekundäre Vermehrung im System – Pseudomonas aeruginosa – Aeromonas – Plesiomonas – Acinetobacter – Flavobakterium – Legionellen – Mycobakterien – Amöben Cryptosporidien Chlorresistente Enteritiserreger Typischer Wasserkeim : Pseudomonas aeruginosa •Haut – und Gehörgangsinfektionen •Wundinfektionen •Lungenentzündungen bei Immunschwäche •Antibiotikaresistenz ! Pseudomonaden und ähnliche Keime gelangen oft retrograd in die Installation • Der aus dem Hahn fließende Wasserstrahl verursacht eine Luftwalze an der Austrittsöffnung • Keimhaltige Aerosole, z.B. aus dem Abfluss, werden am Perlator niedergeschlagen • Dort finden die Bakterien an den großen Oberflächen der Ablagerungen „vorbereitete Biotope“ • Vom Perlator aus gelangen die Organismen gegen die Fließrichtung in die armaturnahe Installation Wasser aus der Leitung ist keimarm, aber nicht keimfrei In der Installation kann es zur Keimvermehrung kommen Keimvermehrung in Wasseraufbereitungsanlagen Rohwasser nach Enthärtung Nach Enthärtung, 2 Tage Stagnation Vermehrung von Bakterien in Wasserinstallationen Begünstigt durch Behindert durch • Stagnation • Temperaturen zwischen 15° und 40°C • Komplexe Leitungssysteme • Fe++, Phosphat • Raue Oberflächen • Temperaturen < 15°C • Die meisten relevanten Bakterien sterben bei Temperaturen >60°C ab • Hohe Fließgeschwindigkeiten • Glatte Oberflächen Biofilm: Ansiedelung von Mikroorganismen an Leitungs- und Behälterwänden Mikroorganismen bilden zusammen mit von ihnen ausgeschiedenen Eiweiß- und Zuckermolekülen sowie mit anorganischen Ablagerungen eine dichte Schicht Problem Wasserknappheit • ein zunehmender Teil der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu mikrobiologisch sicherem Trinkwasser Wegen: – Armut – Überbevölkerung in den Städten – Kriege, Unruhen Problem : alternde Installationen Das Leitungsnetz und angeschlossene Systeme / Anlagen schaffen künstliche Biotope zur Keimvermehrung Insbesondere bei Temperaturen zwischen 25° und 45°C Systemen mit geringem Durchfluß/Stagnation Systemen mit großer Oberfläche (Ionentauscher) Problem : Chlorzugabe schützt nicht immer vor Erregern im Wasser • Organischer Schmutzeintrag führt zur „Chlorzehrung“ • Zysten von Parasiten sind resistent gegen Chlor ( Cryptosporidien!) • Erreger, die in Amöben intrazellulär leben, sind vor Desinfektionsmitteln im Wasser weitgehend geschützt Problem : zunehmend infektanfällige Bevölkerung •Hohes Alter •Chronische Erkrankungen •Immunschwäche •Invasive medizinische Maßnahmen Folge: Infektionen mit weniger pathogenen Erregern gewinnen damit an Bedeutung Legionellen • Sommer 1976 Philadelphia Treffen der Amerikan. Legion, 4400 Teilnehmer • 221 Pneumonien, 34 Todesfälle • 1977 McDade im New England Journal Beschreibung des Erregers: Legionella pneumophila Legionella Erstbeschreibung 1977 Dokumentierte Legionellosen vor 1976 • 1943 febrile Soldier Fort Bragg (L.micadei) • 1959 scuba diver (L.bozemanii) • Outbreak 1965 in a psychiatric Hospital Washington DC 81 Cases 14 deaths (L.pneumophila ) Legionellose – bekannte Fälle • Niederlande 1999 • Blumenschau, 188 Fälle, Ursache:Whirlpool • Ohio 2001 • Automobilfabrik, Ursache: Kühlwasser • Murcia / Spanien 2001 • Supermarkt, 150 Fälle, Ursache: Kühlturm • Barrow / UK 2002 • Stadtsaal; verdächtigt: Klimaanlage • Koper / Slowenien 2002 • Hotel; Ursache: Warmwasser • Ulm 2011 : Kühlturm Legionellosen sind nicht selten • BRD: 6.000 – 10.000 Fälle/Jahr ( RKI-Schätzung , gemeldet werden ca 500 Fälle p.a. mit steigender Tendenz ) • USA: 2-15% aller CAP durch Legionella, Legionella gehört zu den 5 häufigsten Pneumonie Erregern ( Yu, Pittsburgh 1997 ) • nur 3% der Legionellosen korrekt diagnostiziert ( Marston, Pittsburgh, 1993 ) Legionellen • • • • • • Gramnegative Stäbchenbakterien Typische Umweltorganismen Nasskeime in fast jedem Süßwasser Bestandteile von Biofilm in Leitungen Temperaturoptimum 35-45°C Intrazellulär in Amöben Taxonomie : 46 Legionella-Spezies in 63 Serogruppen • Legionella pneumophila – Serotyp 1, Serotyp 2-14 • Andere Legionellen – L.micadei – L.bozemanii – L.longbeachae...... • Infektionen durch 17 dieser Legionellenarten beschrieben Erkrankungen durch Legionellen • Legionellose – – – – – Lungenentzündung mit hohem Fieber Risikofaktor: Raucher Hohe Sterblichkeit Hohe Dunkelziffer Geringer Manifestationsindex • Pontiac Fieber – Ähnlich grippaler Infekt – Hoher Manifestationsindex – Keine Todesfälle Legionellose Symptome • Inkubationszeit 2-10 Tage • Hohes Fieber • Husten, Atembeschwerden • Oft Durchfälle und Erbrechen • Kopfschmerzen, Verwirrtheit • Sterblichkeit bis zu 15-30% Legionellose Risikosituation • Rauchen • Höheres Lebensalter, • männliches Geschlecht • „recent overnight travel“ Legionellen Übertragungswege • Aerosole • Befeuchtungsanlagen ( auch in RLT ) • Kühltürme • Duschen, Schwimmbäder, Whirlpool • Attraktionsbrunnen • Aspiration • Trinkwasser ( insbes . Krankenhauspatienten ) Legionellen aus Kühltürmen seit 1978 beschrieben Legionellenrisiko in Leitungen – Stagnation, Blindleitungen – Überdimensionierte Leitungen, zu geringer Fluss – Leitungen mit Biofilm – Warmwasser zwischen 25°C und 50°C – Stagnation und Erwärmung von Kaltwasser Legionellenrisiko Boiler – Ältere, v.a. elektrisch beheizte Boiler – Schichtbildung mit Schichten < 55°C – Temperatur <60°C im Auslauf und < 55°C im WW Rücklauf – Hoher Ca++, Mg++ Gehalt, Sedimentbildung Legionellen in Wasser - Diagnostik • Standard ist die Kultur: – ISO Methode, relativ langwierig – u.U. Probleme bei Begleitflora – akkreditiertes Labor erforderlich! • Antigennachweis – nur Serogruppe 1, – wenig sensitiv • DNA-Nachweis – technisch aufwendig, – hochsensitiv, – u.U. schwierig zu interpretieren Legionella in Kultur Legionella pneumophila auf BCYE-α Agar