Unterrichtsmaterialien - Museum für Kommunikation Nürnberg

Werbung
Fakt oder Fake?
Mediale Meinungsbildung zwischen Wahrheit und Lüge
Unterrichtsmaterialien zur Vor- und Nachbereitung
der KPZ-Veranstaltung
im Museum für Kommunikation, Nürnberg
0. Übersicht
 Lehrplanrelevanz
 Grundfragen, Lernziele
 Hinweis zum Umgang mit den Vorbereitungsmaterialen - Kommunikation mit
dem Museumspädagogen
1. Unterrichtsmaterialien zur Vorbereitung (1. Schulphase)
 Arbeitsblatt Kommunikationsstrategien in der Produktwerbung ausprobieren:
„Das kauf ich Dir ab!“
 Arbeitsblatt Textanalyse und Diskussion: Fakten und Fakes in der Werbung
 Arbeitsblatt „Kurzgeschichten im Kugellager“:
Die Mehrdeutigkeit und Vielschichtigkeit von Fotografien
2. Museumsbesuch (insgesamt 90 Minuten)
 Werbekampagne mit drei Models
für jeweils ein Produkt, eine Veranstaltung o. ä. (25 Minuten)
 Technische Möglichkeiten der Bildgestaltung (20 Minuten)
 Freiheit und Zensur bei der Textgestaltung (45 Minuten)
3. Unterrichtsmaterialien zur Nachbereitung (2. Schulphase)
 Arbeitsblatt Reportageprojekt:
Denis Diderot und Julian Assange - Brüder im Geiste der Aufklärung?
 Arbeitsblatt "Mit einem Historiker im Gespräch":
Wikipedia als Informationsquelle?
 Arbeitsblatt Rechercheprojekt:
Alles nur gelogen! Berühmte Fälle von Schwindelei in den Medien
4. Literatur
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Übersicht
Lehrplanrelevanz
HS Ku 9.5; RS D 10.4; Gym D 9.5 – 12.5; Inf 9.1
Grundfragen, Lernziele


Wo liegen in der Informationsgesellschaft die Grenzen zwischen seriösen Informationen, suggestiver Kommunikation oder gar bewusster Betrügerei?
Wie wird in den Medien Wirklichkeit vermittelt, wo bewusst inszeniert?
Diese zentralen Fragen zeigen, dass in der Mediengesellschaft visuelle und sprachliche Darstellungsformen von Informationen einer ständigen Kritik unterzogen werden
müssen. Oft ist es nicht ganz einfach, allgemein verbindliche ethische Kriterien zur
Beurteilung der Medienlandschaft zu finden. Spannend ist es jedoch in jedem Fall,
die Grauzone zwischen Fakten und Fakes auszuloten.
Ein Besuch im Museum für Kommunikation und eine Auseinandersetzung mit der Frage „Fakt oder Fake?“ ermöglicht grundlegende Erfahrungen, wenn es um den eigenen Informationsbedarf und die zur Verfügung stehenden Informationsquellen bzw.
Medientypen und deren Informationswert geht.
Hinweise für die Lehrkraft zum Umgang mit den Vorbereitungsmaterialien
Die Arbeitsblätter ermöglichen die Vorbereitung auf einzelne Schwerpunkte der pädagogisch betreuten Museumsveranstaltung.
> Informieren Sie bitte den Museumspädagogen unmittelbar vor Beginn der Museumsveranstaltung im Beisein der Klasse, wie Sie sich auf die Veranstaltung vorbereitet
haben. Dadurch lässt sich festlegen, wie die Ergebnisse der Vorbereitungsphase im
Museum aufgegriffen und näher beleuchtet werden können.
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Vorbereitung Arbeitsblatt 1 (Fakt oder Fake?)
► Kommunikationsstrategien in der Produktwerbung ausprobieren: „Das kauf ich Dir ab!“
Jahrgangsstufe: 9 - 12
Fach: Deutsch, Kunst
Material: diverse von den Jugendlichen frei bestimmbare oder von der Lehrkraft vorgegebene Alltagsgegenstände, A2-Papier und Filzstifte; von der Lehrkraft vorgegebenes, beliebig wählbares aktuelles Werbeplakat
Zeitaufwand: 90 Minuten
Ablauf:
In den ersten 20 Minuten erfolgt die exemplarische Betrachtung eines von der Lehrkraft vorgegebenen Werbeplakates.
Dabei werden folgende Fragen an das Plakat gestellt:
 Welchen ersten Eindruck vermittelt das Werbeplakat?
 Wie ist das Plakat aufgebaut?
 In welchen Farben ist das Plakat gestaltet?
 Welche Bedeutung haben evtl. Textbestandteile?
 Welche „Botschaft“ hat das Plakat insgesamt?“
 Ist die Plakatwerbung gelungen oder nicht?
Die Antworten aus der gemeinsamen Betrachtung werden an der Tafel dokumentiert.
Die Jugendlichen arbeiten dann in sechs Kleingruppen von vier bis fünf Personen. Die
Kleingruppen schlüpfen in die Rolle von Marketingstrategen und erarbeiten in etwa
25 Minuten anhand folgender Leitfragen eine Werbekampagne für bestimmte Produkte:
 Wie sieht unser Model für die Werbekampagne aus? Warum wurde es ausgewählt?
 Welcher Slogan gehört zu unserer Werbekampagne?
 Wie sähe eine Plakatwerbung aus (grafische und visuelle Gestaltung)?
 Wie sähe ein Storyboard zu einem Werbespot aus?
Bei der Auswahl der Produkte gibt es folgende zwei Verfahrensweisen: Entweder
werden die Produkte von der Lehrkraft ausgewählt – so dass die SchülerInnen sich
spontan mit (ggf. ungewohnten) Objekten auseinandersetzen – oder die Jugendlichen bringen die Objekte selber mit.
In den anschließenden 25 Minuten präsentieren die Gruppen der Reihe nach ihre
Werbekampagne; die jeweils zuhörenden Jugendlichen kommentieren und bewerten die Kampagnen und übernehmen die Rolle einer Jury.
Im Rahmen dieser Übung erfahren die SchülerInnen auf handlungsorientierte Art und
Weise, inwiefern es bei Werbekampagnen auf ein kreatives „Jonglieren“ mit Fakten
und Fakes ankommt, wobei in einer anschließenden Reflexionsphase (etwa 20 Minuten) folgende Fragen thematisiert werden:
 Was macht gute Werbung aus?
 Mit welchen Werbestrategien kann ich den potentiellen Kundenkreis verführen?
Wichtige Stichworte aus der Diskussion werden an der Tafel dokumentiert.
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Vorbereitung Arbeitsblatt 2 (Fakt oder Fake?)
► Textanalyse und Diskussion: Fakten und Fakes in der
Werbung
Jahrgangsstufe: 10 - 12
Fächer: Deutsch, Kunst
Material: mindestens 7 Computer mit Internetzugang, Drucker, Stifte, Papier
Zeitaufwand: wahlweise 45 oder 90 Minuten
Ablauf:
Vorinformation / Einstimmung:
Unter dem Titel „X für U – Bilder, die lügen“ wurde 1998 eine Wanderausstellung der
Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Zusammenarbeit
mit der Bundeszentrale für politische Bildung präsentiert.
Im Zeitraum von 1998 – 2010 war die Ausstellung bisher in 20 deutschen und europäischen Städten zu sehen und diskutiert die Manipulation von und mit Bildern in unterschiedlichen alltäglichen Zusammenhängen.
Aufgaben:
I. Bearbeiten Sie nach der Lektüre des unten stehenden Textes die folgenden Fragen
(Frage 1 und 2 in Einzel- bzw. Frage 3 in Kleingruppenarbeit;
insgesamt 30 oder 60 Minuten):
1. Welche Kernaussagen zum Thema „Werbung“ enthält der Text?
2. Was sind Ihrer persönlichen Ansicht nach die Kennzeichen für „gute Werbung“?
3. Recherchieren Sie am Computer zu beiden Arbeitsaufträgen Beispiele für
Werbekampagnen, die Ihnen als Argumentationshilfe dienen! Dokumentieren
Sie die Beispiele in Ausdrucken!
II. Diskutieren Sie ihre Ergebnisse abschließend im Plenum
(insgesamt 15 oder 30 Minuten)
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Text für Textanalyse
„W“ wie Werbung
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Die Welt der Werbung ist in vieler Hinsicht eine Welt der Bilder. Werbung erzeugt
Wunschbilder und bedient die Vorstellungswelten der Konsumenten, sie will ein spezifisches Produktimage schaffen und legt Wert auf hohe visuelle Attraktivität. Die Werbebotschaft soll Bedürfnisse wecken und den Betrachter zum Kauf eines Produkts
veranlassen. Um dies zu erreichen, bedient sich ihre Sprache einprägsamer, oft bildhafter Formulierungen. Auch die Verwendung von Bildmotiven dient diesem Ziel. Bilder sind in der Werbung auch deshalb so wichtig, weil die Werbebotschaft innerhalb
kürzester Zeit übermittelt werden muss. Der beiläufige Blick des Passanten oder Fernsehzuschauers ist das Höchstmaß an Aufmerksamkeit, das ein Werbeplakat oder –
spot erwarten kann. 1,5 bis 2,5 Sekunden sind erforderlich, um ein Bild mittlerer Komplexität aufzunehmen, in der gleichen Zeit verarbeitet das menschliche Gehirn zehn
Wörter.
Daher ist in der Werbung die bildliche Informationsvermittlung der sprachlichen überlegen. Bilder wirken emotionaler, prägen sich besser ein und sind weniger leicht zu
durchschauen. Diese Faktoren machen sie zu wirksamen Mitteln der Verhaltenssteuerung. Wissenschaftliche Untersuchungen haben die Wirkung kompletter Anzeigen mit
der Wirkung der gleichen Anzeige ohne Text verglichen. Selbst wenn der Textanteil
überwiegt, dominiert in der Gesamtwirkung fast immer das Bild. Ob die Werbebotschaft eindringlich gestaltet ist und nachhaltig wirkt, hängt entscheidend davon ab,
inwieweit es gelingt, sie in Bilder zu fassen, Texte durch Bilder zu ersetzen, mit ihnen zu
ergänzen oder Texte visuell attraktiv, Bildern ähnlich zu gestalten. Bilder werden entsprechend kunstvoll arrangiert, heute häufig digital bearbeitet und mit Hilfe des
Computers montiert. Auf diese Weise können Bildinhalt und –gestaltung optimal auf
den jeweiligen Werbezweck ausgerichtet werden.
Die Vermittlung visueller Erlebnisse ist zentral für die emotionale Ansprache der Konsumenten. Farben, Bilder, Sprache, gegebenenfalls Musik werden mit dem jeweiligen
Produkt zu einer Einheit verknüpft. Der Betrachter soll die darin vermittelten – in der
Regel positiven Stimmungen und Gefühle mit dem Produkt assoziieren.
Bilderwelten in der Werbung prägen Kaufentscheidungen, greifen Sehnsüchte auf
und lenken sie auf die beworbenen Produkte. Es ist sinnvoll, sich hin und wieder zu
vergegenwärtigen, welche Assoziationen Werbung erzeugt, welches Weltbild sie
vermittelt. Ihre Themen sind Aspekte des Lebens, die auf den ersten Blick banal anmuten, wie die Frage nach der richtigen Zahnpasta, dem attraktivsten Duft oder
dem schnittigsten Auto.
Wenn Werbung eindeutig der Zweck zugrunde liegt, ein Produkt begehrenswert zu
machen, welcher Maßstab ist dann an die Verwendung von Bildern zu legen? Dokumentarische Authentizität kann in diesem Fall nicht das Kriterium sein. „Werbung
verspricht, was sie nicht halten kann. Auf jeden Fall trägt sie zu dick auf!“ resümiert
der Kunsthistoriker Beat Wyss. Der Konsument ist sich in der Regel bewusst, dass die
Welt der Werbung weniger eine Welt der wirklichkeitsnahen Bilder als vielmehr der
kalkulierten Trugbilder ist. Ihre Verführungskraft zielt auf das Unbewusste. Wie wirksam
Werbung ist, veranschaulichen eindrucksvoll die Erfolgszahlen geglückter Kampagnen und die Wachstumszahlen dieser Wirtschaftsbranche. Werbung lügt aber nur
dann, wenn wir ihr glauben.
(Quelle: Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hg.);
X für U. Bilder, die lügen (Ausstellungskatalog); Bonn 2003 (3. Auflage); S. 74)
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Vorbereitung Arbeitsblatt 3 (Fakt oder Fake?)
► „Kurzgeschichten im Kugellager“:
Die Mehrdeutigkeit und Vielschichtigkeit von Fotografien
Jahrgangsstufe: 9 - 12
Fächer: Deutsch, Kunst
Material: 4 Digitalkameras, Computer mit Drucker, Stifte, Schreibpapier; 8 von der
Lehrkraft vorbereitete Aufgabenkärtchen mit Arbeitsanweisungen zu „MiniGeschichten“
Zeitaufwand: 90-135 Minuten
Ablauf:
Bei dieser Methode werden zunächst vier Kleingruppen á sechs Personen gebildet
(Variationen bei anderen Klassenstärken sind möglich).
Jede Kleingruppe bekommt von der Lehrkraft zwei Kärtchen mit Arbeitsanweisungen
zu „Mini-Geschichten“, die jeweils in Form eines lebenden Bildes im Klassenzimmer, im
Schulhaus oder auf dem schulnahen Freigelände dargestellt werden sollen:
1. Die letzte Stunde fällt wegen Hitzefrei aus.
2. Eine Schülergruppe demonstriert vor dem Lehrerzimmer.
3. Eine verletzte Schülerin / ein verletzter Schüler wird mit Erster Hilfe versorgt.
4. Ein Streit wird geschlichtet.
5. Es wurde Feueralarm ausgelöst.
6. Der Direktor kommt zum Unterrichtsbesuch.
7. Bei klirrender Kälte ist die Heizung ausgefallen.
8. Es ist Freistunde – und keine Vertretungslehrkraft kommt.
Dabei werden fünf Jugendliche DarstellerInnen vom sechsten Gruppenmitglied „in
Szene gesetzt“ bzw. mit der Digitalkamera fotografiert. Wichtig ist, dass die Jugendlichen auf klare ausdrucksstarke Gestik und Mimik sowie die Einbeziehung der Umgebung achten und dabei möglichst wenige Requisiten verwenden. Den Inhalt der
Szene behält jede Gruppe für sich.
Anschließend werden die insgesamt 8 Fotos am PC auf A4-Format ausgedruckt.
Dann bekommt jede der Kleingruppen jeweils die Fotos, die von anderen Gruppen
aufgenommen wurden:
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Kleingruppe A bekommt die Fotos von Kleingruppe B, C und D
Kleingruppe B bekommt die Fotos von Kleingruppe A, C und D
Kleingruppe C bekommt die Fotos von Kleingruppe A, B und D
Kleingruppe D bekommt die Fotos von Kleingruppe A, B und C
Innerhalb jeder Kleingruppe werden dann reihum gemeinsam sechs Kurzgeschichten
zu den sechs Bildern verfasst. Das funktioniert so: Jedes Gruppenmitglied bekommt
zunächst ein Foto, für das innerhalb von fünf Minuten ein Einstieg in die Geschichte
(egal wie lang) verfasst wird. Nach fünf Minuten reicht jedes Gruppenmitglied im Uhrzeigersinn das Foto weiter – es wird von jedem an der jeweiligen Geschichte weitergeschrieben. Nach fünf Minuten erfolgt ein weiterer Wechsel. Dies wiederholt sich so
lange, bis nach 6x5 Minuten alle Bilder einmal durchzirkuliert und das Ende der jeweiligen Geschichte formuliert worden ist.
Nach Abschluss des gemeinsamen Schreibprozesses werden die im Schreibprozess
entstandenen Geschichten untereinander und mit der tatsächlichen Arbeitsanweiwww.kpz-nuernberg.de
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... Vorbereitung Arbeitsblatt 3 (Fakt oder Fake?)
sung (Kärtchenvorgabe, s. o.!) der jeweiligen Fotogruppe verglichen. Mit dieser Methode lassen sich dann folgende Fragen thematisieren:
-
Wie eindeutig bzw. wie mehrdeutig ist das dargestellte Geschehen?
Wie unterschiedlich können Geschichten sein, die sich mit Bildern in Verbindung bringen lassen – und woher rührt diese Unterschiedlichkeit jeweils, wenn
wir uns einzelne Bildbestandteile ansehen?
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Museumsbesuch Phase 1 (Fakt oder Fake?)
Werbekampagne mit drei Models
für jeweils ein Produkt oder eine
Veranstaltung
(25 Minuten)
WAS? - Objekte oder Museumseinheit: lebensgroße Fotografien der drei individuell
gekleideten Jugendlichen Anna, Henri und Marian
WIE? - Aktion: personale Anleitung, kreatives Gestalten, Experimentieren (in Kleingruppen); moderierte Reflexion zu den Arbeitsergebnissen (im Plenum)
WOW! - Erfahrung: Die Jugendlichen erfahren die Mehrdeutigkeit von Personenabbildungen und lernen das Manipulations- bzw. Suggestionspotential der Werbung
kennen.
Anna, Henri und Marian, drei lebensgroß fotografierte individuell gekleidete Jugendliche, präsentieren sich im Museum von ihrer modischen Seite. Für welche Produkte,
Veranstaltungen oder Ideen könnten die drei jeweils als Werbemodels auf einem
Plakat auftreten? Dieser zentralen Frage gehen wir in Kleingruppen nach und stoßen
dabei auf die Mehrdeutigkeit von Bildern und auf kreative Werbestrategien. Entsprechende Arbeitsergebnisse werden auf Kärtchen notiert und gemeinsam diskutiert.
Während des Experiments versetzen sich die Schülerinnen und Schüler in die Rolle
von Werbefachleuten: Indem sie die Grundidee für eine fiktive Werbekampagne
entwickeln, erklären und begründen sie, wie diese Werbekampagne kommunikationstechnisch funktioniert.
Interessant wird sein, wie breit die Streuung bei den fixierten Stichworten ist – und wie
gut wir mit werbestrategischem Ideenreichtum unsere Kunden täuschen können!
Im Anschluss an die Reflexionsphase zu dieser spielerisch-handlungsorientierten
Übung untersuchen wir zentrale Ausstellungseinheiten zur visuellen und schriftlichen
Kommunikation.
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Museumsbesuch Phase 2 (Fakt oder Fake?)
Technische Möglichkeiten der
Bildgestaltung (20 Minuten)
WAS? - Objekte oder Museumseinheiten: Computerstation zum Thema „Bilderflut“,
manipulierter Berlin-Stadtplan, google-maps-Abbildung zum Staatsgebiet von Nordkorea, Vulkanausbruch auf Island im April 2010 („Aschemonster“)
WIE? - Aktion: personale Vermittlung, gemeinsames Ausprobieren an der Computerstation
WOW! - Erfahrung: Die Jugendlichen erkennen und bewerten alltägliche Manipulationsstrategien im Bereich der Werbung, der Politik sowie im Umgang mit privatem Fotomaterial.
Zunächst erörtern wir im gemeinsamen Gespräch an einem Monitor die computertechnischen Möglichkeiten der Bildgestaltung. Dabei lassen sich drei Aspekte gesondert analysieren:
1. Inwiefern ist der Bildausschnitt bei einer abgebildeten Person von Bedeutung? Was
verstehen wir unter Ganzfigur, ¾-Bild, Halbbild, Brustbild, Porträt, Anschnitt oder Close
up? Am Beispiel eines Gemäldes, das Napoleon zeigt, lassen sich diese Fragen beantworten. Die weitere Diskussion führt dann insbesondere zu manipulativen Absichten bei der Bildausschnittswahl – insbesondere im Bereich der Propaganda sowie der
tendenziösen Berichterstattung. Dabei wird deutlich, dass Bildredakteure und Fotografen durch die Auswahl des Bildausschnitts die Wahrnehmung des Betrachters in
entscheidendem Maße prägen. Auch bei Facebook-Porträtotos oder der Suche
nach idyllischen oder romantischen Urlaubsfotomotiven spielt der Bildausschnitt eine
entscheidende Rolle.
2. Was geschieht mit dem Gesichtsausdruck, wenn die Stellung der Augen, der Stirnhöhe und die Mundgröße durch entsprechende Computerprogramme variiert werden?
Hier werden am Beispiel eines Comicfigurenporträts „kosmetische“ Methoden der
Bildgestaltung visualisiert, wie sie beispielsweise im Bereich der Modefotografie oder
der Covergestaltung alltäglich sind.
3. Welche Rolle spielt die Kameraperspektive im Hinblick auf die Bildaussage im Bereich der Werbung, der Propaganda oder in Spielfilmen?
Zunächst richtet sich unser Blick dabei auf zwei Porträtfotografien in der Ausstellung:
Ein attraktiver Mann, den die Kamera von unten im sogenannte Low-Angle-Shot aufnimmt, wirkt im Auge des Betrachters heroisch, mächtig oder wie ein siegesgewisser
Sportler. Eine attraktive junge Frau, die die Kamera von oben im sogenannten HighAngle-Shot aufnimmt wirkt dagegen mit ihrem nach oben gerichteten Blick verführerisch. In der Bildpropaganda – dies zeigen unter anderem Beispiele aus der Geschichte – werden Diktatoren bevorzugt aus der Untersicht und das „geführte“ Volk
in der Draufsicht abgelichtet. In Westernfilmen wird der Revolverheld kurz vor dem
Showdown im Low-Angle gezeigt – der einsame, von allen verlassene Sheriff z. B. wird
dagegen in der High-Angle-Perspektive abgebildet.
Anschließend untersuchen wir im Zusammenhang mit einer weiteren Ausstellungseinheit im Bereich der visuellen Kommunikation die Manipulation von Landkarten und
Stadtplänen. Ein DDR-Stadtplan von Berlin, auf dem der Westteil der Stadt lediglich
wie eine große unbebaute Freifläche erscheint, ist dabei ein Originalobjekt, das auf
eine lange „Tradition“ der Stadt- und Landkartenmanipulation verweist. Aktuelle Beispiele werden während des Ausstellungsbesuches online veranschaulicht.
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Museumsbesuch Phase 3 (Fakt oder Fake?)
Freiheit und Zensur bei
der Textgestaltung
(45 Minuten)
WAS? - Objekte oder Museumseinheiten: Wikipedia-Station, Originalexemplar aus
Denis Diderots Enzyklopädie, Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Weltkarte zum Thema Pressefreiheit, im Iran zensiertes Exemplar der Zeitschrift „The Economist“, Wanddarstellung zum Berufsfeld JournalistIn, Internet-Rechercheraum
WIE? - Aktion: personale Vermittlung; personale Anleitung, Gruppenarbeit (vertiefende Recherche)
WOW! - Erfahrung: Die Jugendlichen erwerben Kenntnisse zu Zensurbestrebungen,
Propagandamaßnahmen und zu Fragen journalistischer Berichterstattung in Geschichte und Gegenwart.
Zunächst widmen wir uns zwei – auf den ersten Blick – völlig verschiedenartigen Objekten: Einem Computerbildschirm und einer Lexikonreihe aus dem 18. Jahrhundert.
Hier geht es um Wikipedia und Denis Diderots Enzyklopädie.
Was bedeutet eigentlich Wiki-pedia – und was sind Enzyklo-pädien? Welche spannenden Parallelen zwischen beiden Nachschlagewerken ergeben sich in kulturgeschichtlicher und medienkritischer Hinsicht? Wie nutzen wir selber die beiden im Museum vorgestellten Quellen?
Der Begriff Wikipedia setzt sich aus „Wiki“ (hawaiisch für „schnell“) und „Encyclopedia“ (englisch für Enzyklopädie) zusammen – also „schnelle Bildung“!
Die online-Enzyklopädie Wikipedia hat mit dem Phänomen „Web 2.0“ zu tun – d. h.
eine aktive Mitwirkung an der Gestaltung der Enzyklopädie ist möglich. Im Zusammenhang mit Wikipedia werden sich also – gerade für die „Generation copy and
paste“ – Fragen nach der Inhaltskontrolle in einem demokratischen Medium sowie
nach der Qualität und Herkunft von Informationen stellen.
Die in Diderots Enzyklopädie gesammelten Fakten sollten in der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts aufklärerische „Erleuchtung“ bewirken. Diderot versammelte deshalb
zusammen mit Jean Baptiste le Rond d’Alambert etwa 140 fachkundige Autoren aus
ganz Europa um sich, die gemeinsam versuchten, das „verzweigte“ Wissen der
Menschheit, festzuhalten und in strukturierte Zusammenhänge zu bringen.
Bald musste Diderot allerdings feststellen, dass weltumspannendes Wissen nicht zwischen zwei Buchdeckel passt und so war der ehrgeizige Denker schließlich nach 21
Jahren Arbeit immer noch unzufrieden mit dem in seinen Augen unstrukturierten, 28bändigen Ergebnis.
Das Vorhaben von Diderot entpuppte sich im absolutistischen Frankreich des 18.
Jahrhunderts als nicht ganz ungefährlich. Immer wieder standen die Bände der aufklärerischen „Encyclopédie“ auf dem Index von Staat oder Kirche und brachten Diderot sogar Gefängnisstrafen ein.
Das Thema Zensur begegnet uns auch noch beim weiteren Gang durch die Ausstellung: In Deutschland wurde die Entwicklung einer freien Presse lange durch Zensurwww.kpz-nuernberg.de
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... Museumsbesuch Phase 3 (Fakt oder Fake?)
maßnahmen von staatlicher Seite beeinträchtigt – erst mit dem Grundgesetz (Artikel
5) wird die Pressefreiheit in Deutschland festgeschrieben. Dies dokumentiert ein entsprechendes Objekt in der Ausstellung. Dass (mitunter erhebliche) Pressezensur weltweit ein aktuelles Thema ist, verdeutlichen demgegenüber zwei weitere Ausstellungsobjekte: eine Weltkarte zum Thema Pressefreiheit und eine im Iran zensierte
Ausgabe des Wirtschaftsmagazins „The Economist“.
Über diese einschlägigen Dokumente zur Geschichte der Medienzensur wird abschließend der Bogen geschlagen zum Berufsbild des Journalisten. Anschaulich erfahrbar wird dieses Thema durch eine großflächig bebilderte Wandtafel, auf der sich
Journalistinnen und Journalisten der Nürnberger Nachrichten schlaglichtartig zu ihrer
täglichen Arbeit äußern. Inwiefern das Berufsbild JournalistIn ein besonders spannendes und oft mit schwierigen Entscheidungen behaftetes ist, lässt sich hier sehr gut
thematisieren – denn: Einerseits sollen JournalistInnen kritisch sein gegenüber den
Quellen, die verarbeitet werden, und außerdem unabhängig von Interessen, die
„von außen“ kommen. Auch Neutralität gehört zum professionellen Anspruch. Andererseits stellen sich u. a. immer wieder die folgenden Fragen: Wie vertragen sich Objektivität und Leidenschaft beim Schreiben? Oder: Wenn ein Journalist in seinen Texten etwas vermittelt, bildet er dann immer eine sachlich objektive „Brücke“ zwischen
dem eigentlichen Ereignis und dem Leser?
Am Schluss des Museumsrundgangs machen sich die Jugendlichen an Computerterminals mit einschlägigen Fällen von Presseschwindel und manipulierter Berichterstattung vertraut.
Der große Mondschwindel: The Great Moon Hoax (dt. Der große Mond-Schwindel)
war eine Artikelserie, die1835 in der „New York Sun“ erschien und über die Entdeckung von Leben auf dem Mond berichtete. Der Herausgeber der „Sun” verkündete,
dass sein Blatt die höchste Auflage aller Zeitungen weltweit habe. Viele konkurrierende Verleger druckten die Serie eilig nach. Erst dann räumte die „Sun” die Fälschung ein, die Öffentlichkeit reagierte größtenteils amüsiert.
Jessica Lynch: Die 19jährige US-Soldatin Jessica Lynch kam 2003 während ihres Einsatzes im Irak von der Wegstrecke ab und geriet so mit ihrer Einheit in einen Hinterhalt, bei dem es zu einem Feuergefecht kam. Kurz darauf erschienen Presseberichte,
in denen Lynch zur Heldin erklärt wurde, die bis zur letzten Patrone kämpfend zahlreiche Iraker getötet habe. Ferner sei sie während ihrer Gefangenschaft misshandelt
und möglicherweise sogar vergewaltigt worden. Die dramatischen TV-Bilder der Befreiungsaktion durch eine US-Spezialeinheit sorgten für großes Aufsehen – bis der
Schwindel aufflog.
„Das Wunder von Wien“: Der österreichische Fernsehsender ORF hat die FußballEuropameisterschaft 2008 in einem gefakten Kurzfilm festgehalten: Der Film erinnert
den Zuschauer zurück an die entscheidenden Spiele, die Österreich zum Europameister gemacht haben sollen und fängt die Emotionen der österreichischen Fans nach
den damaligen Spielen ein. Österreich spielt in der Vorrunde gegen Polen und Kroatien, kämpft sich in der „Doku“ sensationell ins Finale durch und feiert – natürlich getragen von der Euphorie der Fans – auch hier einen knappen Erfolg. Am Ende ist Österreich Europameister.
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Nachbereitung Arbeitsblatt 1 (Fakt oder Fake?)
► Reportageprojekt: Denis Diderot und Julian Assange Brüder im Geiste der Aufklärung?
Jahrgangsstufe: 10 - 12
Fächer: Deutsch, Geschichte
Material: Computer mit Internetzugang, Stifte, Schreibmaterialien
Zeitaufwand: 45 Minuten oder mehr; ggf. Projektarbeit
Ablauf:
Vorinformation:
Der Wikileaks-Chef Julian Assange wurde Ende 2010 von der SZ als „Aufklärer im
Tarnanzug“ bezeichnet.
Mit der Ankündigung „Aufklärer oder Internet-Terrorist?“ widmete sich der TV-Sender
3sat etwa zeitgleich der Person Julian Assange. Argumentiert wurde auch hier mit
metaphorischem Bezug auf das Zeitalter der Aufklärung:
„Bringt er [Assange] Licht ins Dunkel oder hat er Geheimnisverrat begangen? Ist Wikileaks Gefahr oder Segen für die Demokratie? Im Weißen Haus sucht man fieberhaft
nach einem Grund für eine Auslieferung von Amerikas Staatsfeind Nummer 1, Julian
Assange.“
Aufgabe:
Denis Diderot und Julian Assange: Brüder im Geiste der Aufklärung?
Sammeln und dokumentieren Sie Informationen zur gemeinsamen Diskussion dieser
Frage! Orientieren Sie sich dabei an folgenden Teilfragen:
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Worin besteht die Bedeutung der beiden Personen?
Durch welche Tätigkeiten wurden sie bekannt?
Welche Ziele verfolg(t)en beide?
Welche „Gegenspieler“ und welche „Verbündete“ hatten bzw. haben beide?
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Nachbereitung Arbeitsblatt 2 (Fakt oder Fake?)
► Mit einem Historiker im Gespräch:
Wikipedia als Informationsquelle?
Jahrgangsstufe: 10 - 12
Fächer: Deutsch, Geschichte, Informatik
Material: Computer mit Internetzugang, ggf. Beamer; Stifte, Schreibmaterialien
Zeitaufwand: 90 Minuten
Ablauf:
Aufgaben:
Bearbeiten Sie nach der Lektüre des unten stehenden Textes die beiden folgenden
Fragen (in Gruppenarbeit):
1. Ermitteln Sie die Kernthesen des Autors!
2. Diskutieren Sie untereinander, inwiefern sich die Meinung des Autors über Wikipedia mit Ihren eigenen Erfahrungen deckt!
3. Präsentieren Sie Ihre Ergebnisse aus Frage 2 im Plenum und veranschaulichen
Sie Ihre Position über geeignete Beispiele auf Wikipedia-Seiten!
Wortbedeutungen:
 Austrofaschisten: Die Austrofaschisten waren die Anhänger einer politischen Bewegung im Österreich der 1930er Jahre. Sie orientierten sich
am italienischen Faschismus und strebten eine diktatorische Regierung
gemäß dem Führerprinzip an.
 mokant: spöttisch, bissig, sarkastisch
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... Nachbereitung Arbeitsblatt 2 (Fakt oder Fake?)
Text für Textanalyse
Je umstrittener, desto besser – Was taugen die Geschichtsartikel der OnlineEnzyklopädie Wikipedia?
Ein Gespräch mit dem Historiker Peter Haber
(http://www.zeit.de/2010/28/Wikipedia-Daten, 23.08.10,
Quelle: DIE ZEIT, 08.07.2010 Nr. 28)
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DIE ZEIT: Herr Haber, nutzen Sie Wikipedia für Ihre Arbeit?
Peter Haber: Ja, oft – und gerne.
ZEIT: Hegen Historiker da keine Vorbehalte?
Haber: Doch. Viele Kollegen sind sehr skeptisch. Es wird allerdings kaum über das Thema gesprochen.
ZEIT: Weil man nur ungern zugibt, bei Wikipedia nachgelesen zu haben?
Haber: Auch. Zugleich ist der Blick in die Wikipedia heute so selbstverständlich wie der Griff
zum Brockhaus.
ZEIT: Wobei das nicht dasselbe ist. Sonst hätten Sie an der Universität Wien nicht ein Forschungsseminar Wikipedia und die Geschichtswissenschaften geleitet. Wodurch unterscheidet sich Wikipedia von herkömmlichen Enzyklopädien?
Haber: Sie bietet mehr. Zum Beispiel Einträge zu aktuellen Fragen. Und als Historiker stößt man
auf Bilder, die man sonst in keinem Lexikon findet. Vor allem aber kann man ein Thema aus
verschiedenen sprachregionalen Blickwinkeln betrachten. Mit wenigen Klicks lassen sich die
deutsche, die französische und die englische Seite, je nach Sprachkenntnis auch andere Versionen, vergleichen. Das ist sehr aufschlussreich.
Ein schönes Beispiel ist das Stichwort Kalter Krieg. Der deutsche Eintrag zeigt die Blockkonfrontation anhand einer nüchternen Karte. Die englische Seite betont das Ende des Kalten Krieges: Man sieht ein Foto von US-Präsident Ronald Reagan und KPdSU-Chef Michail Gorbatschow bei einer Unterhaltung am Kamin. Die russische Version ist mit einer Tabelle aufgemacht, ganz im alten Geist – sie zählt die Mitglieder der beiden Blöcke auf, wobei die östliche
Spalte mit drei Punkten endet, nach dem Motto: »Unser Block« war oder ist unendlich groß.
Solche Ländervergleiche, die viel über nationale Mentalitäten und Ressentiments verraten,
sind natürlich auch mit herkömmlichen Lexika möglich, aber wer hat schon neben dem neuesten Brockhaus gleich die Britannica zur Hand oder ein aktuelles russisches Lexikon!
ZEIT: Lassen sich nationale »Stile« erkennen?
Haber: Schwer zu sagen. Uns ist aufgefallen, dass die englischen Einträge oft besser strukturiert
sind als die deutschen. Häufig sind sie auch länger.
ZEIT: Weil es mehr englische User gibt?
Haber: Und weil viele Einträge in der englischen Wikipedia älter sind als die in der deutschen
Version. Generell gilt: Personen- und Ereignisartikel sind anfälliger für nationale Einfärbungen.
Wir haben das anhand des Eintrages zu Engelbert Dollfuß, einem führenden Austrofaschisten
der Zwischenkriegszeit, untersucht. Der Mann war sehr klein – was in der englischen Wikipedia
ausführlich und in mokantem Ton beschrieben wird. Dollfuß, kann man hier lesen, sei in Anlehnung an Metternich »Millimetternich« genannt worden. In der deutschen Fassung wird die
Körpergröße nur am Rande erwähnt, obwohl der Text viel länger ist. Epochenbezeichnungen
oder abstrakte historische Begriffe sind für solche Verzerrungen weniger anfällig.
ZEIT: Der häufigste Vorbehalt gegen Wikipedia lautet, man könne sich auf das Prinzip Selbstkontrolle durch die Nutzer nicht verlassen. Sind Ihnen viele faktische Fehler untergekommen?
Haber: Wir haben nur kleinere Schnitzer entdeckt, so wie sie sich in jedem Buch und jeder
Enzyklopädie finden. Eine andere Beobachtung halte ich dagegen für sehr viel wichtiger –
dass die Schwächen der Wikipedia ausgerechnet dort liegen, wo viele ihre größte Stärke
vermuten: Sie eignet sich nicht besonders gut dafür, sich einen ersten Überblick über ein
komplexes Thema zu verschaffen.
ZEIT: Wie kommt das?
Haber: Es ist eine höchst anspruchsvolle Aufgabe, auf knappem Raum in ein geschichtswissenschaftliches Thema einzuführen. Solche Beiträge eignen sich nicht dafür, kooperativ verfasst zu werden.
ZEIT: Weil die Texte dadurch, dass mehrere Autoren beitragen und ergänzen und korrigieren,
zu wuchern beginnen?
Haber: Ja. Allerdings gibt es auch hier Unterschiede. Zum bloßen Faktensammeln braucht
man keine historische Ausbildung. Daher sind die meisten biografischen und Ereigniswww.kpz-nuernberg.de
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Lemmata wunderbar. Um aber einen komplexen Begriff aufzubereiten, benötigt man Fachwissen. Schauen Sie sich etwa den Eintrag zur Aufklärung an. Schon die Tatsache, dass man
es sowohl mit einem philosophischen Begriff als auch mit einer Epochenbezeichnung zu tun
hat, wird nicht ausreichend reflektiert. Ohne Vorwissen ist man da verloren. Ähnlich schwach
ist der Artikel zum Frühmittelalter: Da stimmt zwar jeder Unterpunkt, aber der Zusammenhang
fehlt. Solche Texte sollte man nicht unbedingt Schülern oder Studienanfängern als Basiswissen
vorsetzen.
ZEIT: Worauf muss ein geschichtsinteressierter Nutzer achten? Woran kann er Verlässlichkeit
und Qualität ablesen?
Haber: In der Regel sind Einträge dann korrekt und von guter Qualität, wenn sie schon älter
sind und viel an ihnen herumkorrigiert worden ist. Das kann man nachvollziehen, wenn man
sich in die sogenannten Metadaten begibt, über die Reiter, die sich oben auf jeder Seite finden. Interessant ist zum einen die Versionsgeschichte, in der man verfolgen kann, wie der Text
über die Monate bearbeitet worden ist.
Zum anderen lohnt der Blick auf die Diskussionsseite. Hier sieht man schnell, wo die heiklen
Punkte liegen. Manchmal ist diese Diskussion allerdings so ausufernd, dass man sie nicht mehr
überblicken kann – zu Che Guevara erstreckt sie sich in der englischen Version über fast 900
Seiten.
ZEIT: Wer sind die Menschen, die auf Wikipedia schreiben und debattieren?
Haber: Es gibt weniger aktive Teilnehmer, als man denkt oder sich erhofft hat, das ist mittlerweile allgemein bekannt: Wikipedia ist keine große soziale Bewegung. Zu fast allen Themen
bilden sich kleine Gruppen um ein paar Power-User. Da die meisten anonym bleiben, lassen
sich nur vage Aussagen darüber treffen, wer dahintersteckt. Es handelt sich ganz offensichtlich um Leute mit guter Bildung und mit viel Zeit. Vor drei Jahren habe ich an der Universität
Basel einen Kurs gegeben: Schreiben für Wikipedia. Da haben wir uns auch einzelne Autoren
angeschaut. Die meisten waren schon etwas älter und haben mit großer Ernsthaftigkeit ihr
Wissen geteilt.
ZEIT: Gibt es Versuche von Rechtsradikalen, Wikipedia-Einträge zu entern?
Haber: Dazu wurde von Neonazis offenbar immer wieder aufgerufen. Bei viel genutzten Einträgen zur NS-Geschichte haben diese Leute aber keine Chance, da die allgemeine Aufmerksamkeit hier sehr hoch ist. Gerade bei umstrittenen und sensiblen Themen treten daher
selten Verzerrungen auf. Der Eintrag zum Thema Faschismus etwa dürfte kaum problematische Aussagen enthalten, da hier das Korrektiv recht gut funktioniert. Bei einzelnen NSBiografien ist schon mehr Vorsicht geboten. Generell ist bei Randthemen die Gefahr größer,
dass Fehler und Fehleinschätzungen stehen bleiben.
ZEIT: Müssten da die Berufshistoriker nicht ein wachsames Auge auf Wikipedia haben und sich
einmischen?
Haber: Auf jeden Fall sollten sich Historiker mehr darum kümmern. Schließlich entsteht hier und
nicht in teuren, dickleibigen Aufsatzbänden das populäre Geschichtswissen von morgen.
ZEIT: Wie unterscheidet sich die Diskussion auf Wikipedia vom Fachdiskurs?
Haber: Den meisten Zuspruch auf Wikipedia haben zeithistorische Themen, was in der Fachwissenschaft nicht unbedingt der Fall ist. Auch fließt viel »Erfahrungswissen« und »Betroffenheit«
mit ein, was in der historischen Zunft bekanntlich nicht gern gesehen ist. Vor allem aber dominieren im Netz die Personen- und die Ereignisgeschichte, denn hier liegen die Stärken von
Wikipedia. So kehrt mit modernsten Kommunikationsmitteln eine von der Geschichtswissenschaft längst ad acta gelegte Form der historischen Betrachtung zurück: Große Männer machen große Geschichte.
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Nachbereitung Arbeitsblatt 3 (Fakt oder Fake?)
► Rechercheprojekt: Alles nur gelogen!
Berühmte Fälle von Schwindelei in den Medien
Jahrgangsstufe: 9 - 12
Fächer: Deutsch, Geschichte, Kunst
Material: Computer mit Internetzugang, ggf. Beamer, Drucker, Stifte, Schreibmaterial
Zeitaufwand: 45 Minuten oder im Rahmen einer beliebig lange dauernden Projektarbeit
Ablauf:
Vorinformation:
Der „Great Moon Hoax“ aus dem 19. Jahrhundert gilt als der erste neuzeitliche Presseschwindel, eine Medieninszenierung um die im Golfkrieg 2003 kämpfende USSoldatin Jessica Lynch wurde wenig später aufgedeckt, der Film „Das Wunder von
Wien“ machte Österreich zum Fußball-Europameister 2008.
Aufgabe:
Recherchieren Sie in Kleingruppen weitere Beispiele und benennen Sie, welche Fakten und welche Fakes dort jeweils eine Rolle spielen!
Hier ein paar Anregungen:
1. Die Machart von gegenwärtigen TV-Doku-Soaps
2. Die „Hitler-Tagebücher“ von 1983
3. Die Geschichte des palästinensischen Jungen Mohammed Al Durah aus dem
Jahr 2000
4. Das mobile Labor zur Herstellung biologischer Waffen, wie es der ehemalige
US-Außenminister Colin Powell in seiner Präsentation vor den Vereinten Nationen im Februar 2003 beschrieben hat (in Zusammenhang mit der DokumentaArbeit „Phantom Truck“ von Inigo Manglano-Ovalle, 2007)
Dokumentieren Sie die Ergebnisse Ihrer Arbeit in einer dem vorgegebenen Zeitrahmen angemessen Form.
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Literatur
Bojanowski, Axel; Es führt ein Weg nach nirgendwo. Seit es Landkarten gibt, werden
sie gefälscht – auch in Zeiten von Satelliten und Google gibt es noch versteckte Orte;
in: SZ vom 10. Dezember 2008.
Fieberg, Klaus; Das Wikipedia-Dilemma. Informationsfreiheit ohne Qualitätsgarantie?;
in: Praxis Geschichte 4/2009; S. 16 – 21.
Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hg.); X für U. Bilder, die lügen
(Ausstellungskatalog); Bonn 2003 (3. Auflage)
Hollstein, Hans; Zeitungsenten. Kleine Geschichte der Falschmeldungen; Stuttgart
1991.
Jaschniok, M.; Wikipedia und ihre Nutzer. Zum Bildungswert der Online-Enzyklopädie;
Marburg 2007.
Mayer, Horst Friedrich; Die Entenmacher. Wenn Medien in die Falle tappen; Wien
1998.
Paul, Gerhard; Das Jahrhundert der Bilder. Die visuelle Geschichte und der Bildkanon
des kulturellen Gedächtnisses; in: ders. (Hrsg.); Das Jahrhundert der Bilder. Band II:
1949 bis heute; Göttingen 2008; S. 14 – 39.
Pentzold, C.; Wikipedia – Diskussionsraum und Informationsspeicher im neuen Netz;
München 2007.
Schuler, Thomas; „Realität, die nicht verschwindet“ – Amateurbilder und Laienberichte sind weltweit Teil der Berichterstattung geworden; in: SZ vom 21.10.08.
Tempel, Ursula; „Internet-Detektive“. Ein Methodentraining zur „information-literacy“;
in: Praxis Geschichte 4/2009; S. 12 – 15.
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