2012-Wetterphänomene Graubündens

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Untervazer Burgenverein Untervaz
Texte zur Dorfgeschichte
von Untervaz
2012
Wetterphänomene Graubündens
Email: [email protected]. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.
-22012
Wetterphänomene Graubündens
in: Bündner Kalender 2012. Seite 84-92.
S. 84:
1. Mikroklima in Graubünden Das Klima Graubündens ist sehr vielfältig.
Michael Sprenger u. Jan Sedlacek
Hierfür lassen sich mehrere Gründe finden: Zum Einen erstreckt sich
Graubünden über den Alpenkamm hinweg von Süden (Puschlav und Bergell)
bis nach Norden (Prättigau und Surselva). Die Alpen trennen Nord- und
Südbünden nicht nur geographisch, sondern auch klimatisch. Die Südtäler wie
zum Beispiel das Puschlav und die Mesolcina sind vor allem durch das
Mittelmeer beeinflusst, die nördlichen Täler hingegen erfahren das Klima der
Alpennordseite. Als weiterer Grund kommen die grossen Höhendifferenzen
hinzu vom Misox auf ca. 300 m.ü.M. bis zum Piz Bernina auf über 4000
m.ü.M. Schliesslich weist die Alpenregion Graubündens eine sehr komplexe
Topographie auf - die Region wird nicht umsonst als der Kanton der 150 Täler
bezeichnet.
All diese Faktoren stellen Meteorologen und Klimatologen vor eine grosse
Herausforderung. Auf kleinstem Raum kann mediterranes auf arktisches Klima
treffen. Grono hält mit 41.5o C im Hitzesommer 2003 den derzeitigen HitzeRekord der Schweiz mit der höchsten von der Meteo-Schweiz je gemessenen
Temperatur. Bei den tiefsten Wintertemperaturen in der Schweiz werden
hingegen des öfteren Samedan und Buffalora genannt zusammen mit dem
Rekordhalter La Brévine im Jura.
Eine Besonderheit Graubündens ergibt sich durch die grossen inneralpinen
Täler, insbesondere das Engadin und Mittelbünden. Beide Regionen lassen sich
nur schwer in den Nord/Süd-Gegensatz einordnen. Findet man in den Alpen
und Voralpen, sowie auf der Alpensüdseite typische Niederschlagsmengen von
2000 mm pro Jahr, so liegen diese Werte mit 700 mm pro Jahr im Engadin viel
tiefer.
Dieses besondere Mikroklima der inneralpinen Täler erklärt sich durch die
grossräumige Wetterlage und die Besonderheit der Topographie. Die Schweiz,
-3und damit auch Graubünden, wird sehr häufig von Westen oder von Südwesten
her angeströmt. Diese Strömungen transportieren feuchte Luft gegen die Alpen.
Diese Feuchte regnet jedoch bereits im Norden oder im Süden aus das Engadin
und Mittelbünden werden abgeschirmt von den Niederschlägen und weisen
deshalb ein bedeutend trockeneres Klima auf.
Studiert man die Entwicklung des Niederschlags im letzten Jahrhundert, so
findet man keine signifikanten Veränderungen, sowohl in den inneralpinen
Tälern als auch in den anderen Regionen Graubündens.
Andere Klimagrössen, wie zum Beispiel die Temperatur, weisen jedoch
ähnliche Entwicklungen in verschiedenen Orten Graubündens auf. Die mittlere
Temperatur in Sils-Maria, Davos und Chur, wo lange Zeitreihen vorliegen,
nimmt seit 1900 stetig zu. In den drei obengenannten Orten haben sich alle vier
Jahreszeiten um ca. 0.2° C pro 10 Jahre erwärmt. Somit sind die mittleren
saisonalen Temperaturen seit 1900 um ca. 2° C gestiegen. Das erscheint wenig!
Dabei ist jedoch zu bedenken, dass es sich um mittlere Temperaturen handelt.
In einem konkreten Jahr kann die Temperaturveränderung viel grösser sein. In
den letzten 40 Jahren hat sich die Erwärmung sogar noch beschleunigt.
Beispielsweise wurden seit den 60er-Jahren keine sehr kalten Winter mehr
beobachtet. Trotzdem muss man bei der Interpretation vorsichtig sein: Dies
schliesst nämlich nicht aus, dass die Temperatur von Jahr zu Jahr beachtlich
schwankt.
Weitere Klimaindikatoren, die zwar nicht direkt gemessen, aber hergeleitet
werden können, deuten ebenfalls auf Veränderungen hin. So hat zum Beispiel
die Anzahl Frosttage an
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allen Bündner Messstationen ab- und die Anzahl der Sommertage
zugenommen. Besonders bedeutsam für Graubünden sind Veränderungen in
der Schneebedeckung. Als beliebte Wintersportregion ist Graubünden
angewiesen auf genügend Schnee. Beobachtungen der letzten 50 Jahre zeigen
jedoch einen Rückgang der Gesamtschneehöhe in Höhenlagen unter 2000
m.ü.M. Hinzu kommt eine Abnahme der Neuschneemenge in tieferen Lagen.
Neben diesen eher regionalen Charakteristiken des Klimas wird dieses durch
viele kleinräumige Wetterphänomene mitbestimmt. Eine wichtige Rolle spielen
lokale Windsysteme, zum Beispiel die zahlreichen Berg- und Talwinde, der
Maloja-Wind und der Föhn. Diese sollen im folgenden kurz vorgestellt werden.
-42. Kleinräumige Windzirkulationen
Die komplexe Topographie des Bündnerlandes verursacht verschiedene
kleinräumige Windzirkulationen. Die wichtigsten Systeme sind der Berg- und
Talwind, der Hangwind, und die katabatischen Winde. Letztere werden
manchmal auch als Fallwinde bezeichnet. Zum Teil wechselwirken diese
verschiedenen Windsysteme miteinander und es ergeben sich sehr komplexe
Zirkulationsmuster.
Man kann sich ein Tal vorstellen, zum Beispiel das Puschlav, und sich fragen,
wie sich die Winde darin im Laufe eines sonnigen Tages entwickeln. Kurz vor
Sonnenaufgang hat sich der höher gelegene Teil des Tals stärker abgekühlt als
der tieferliegende Teil oder die Valtellina.
Die kalte dichtere Luft im oberen Talbereich sinkt zu Boden und bildet ein
örtliches Hochdruckgebiet. Gleichzeitig befindet sich im wärmeren unteren
Talbereich ein lokales Tiefdruckgebiet. Dieser Druckunterschied verursacht
einen Bergwind am Talboden der Wind weht vom Gebirge her talauswärts. Im
Verlauf des Tages erwärmt sich der obere Teil des Tals stärker als die
tieferliegenden Regionen. Jetzt kehrt sich die Situation um: der Wind weht nun
talaufwärts. Man spricht von einem Talwind. Man kann sich leicht vorstellen,
wie sich im Kanton der 150 Täler zahlreiche solcher Berg- und Talwinde
ausbilden, und ein überaus komplexes, aber auch faszinierendes Windmuster
ergeben! Ein Beispiel eines Talwindes ist der Brüscha, den man im
Oberengadin findet. Dieser Talwind ist jedoch nicht sehr stark, da das
Oberengadin ein recht weites Tal ist. Stärkere Berg- und Talwinde findet man
im Bergell, das sich steil und eng zum Maloja-Pass hochzieht.
Die Berg- und Talwinde, die parallel zur Talachse wehen, werden von den
Hangwinden begleitet. Diese wehen senkrecht zur Talachse. Bei
Sonnenaufgang erwärmen sich die Bergspitzen, während das schattige Tal noch
immer kalt ist. Ein Hangwind vom Tal in Richtung Bergspitzen setzt ein.
-5Dieser Wind erreicht am Nachmittag seine maximale Geschwindigkeit. Vor
allem im Frühling, wenn die Bergspitzen noch mit Schnee bedeckt sind, kann
dieser Hangwind am Nachmittag recht stark werden. Gegen Abend und
während der Nacht ist der Talboden wärmer als die höheren Bergspitzen. Die
Situation hat sich umgekehrt und der Hangwind weht nun in Richtung Tal.
Eine eindrückliche Bestätigung dieser Hangwinde
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ergibt sich durch die Wolken, die manchmal an den Talhängen oder über den
Bergspitzen zu finden sind. Solange die Winde hangaufwärts wehen, kann es
zu Kondensation der Feuchte und somit zu Wolkenbildung kommen: die
Talhänge sind wolkenverhangen. Kehrt der Hangwind seine Richtung am
Abend aber um, setzt also ein Absinken entlang der Talhänge ein, so lösen sich
diese Wolken auf. Man beobachtet das oft: gegen Abend ist die Bewölkung
entlang der Talränder verschwunden.
Zum nächtlichen Hangwind gesellt sich noch ein zusätzlicher Wind, der
katabatische Wind oder Fallwind. Die Luft auf den Bergen kühlt am Abend
und in der Nacht ab und wird dadurch dichter und schwerer. Wegen dieser
grösseren Dichte fliesst sie dann den Hang hinunter, angetrieben durch die
Schwerkraft. Dieser Wind kann den nächtlichen Hangwind noch verstärken.
Die katabatischen Winde sind jedoch nicht nur ein nächtliches Phänomen.
Typische Regionen in denen sie auftreten sind Gletscher. Denn über den
Gletschern kühlt sich die Luft ständig ab und fliesst als Fallwind in Richtung
Tal. Deswegen weht meistens ein kalter Wind, wenn man sich nahe einer
Gletscherzunge befindet zum Beispiel im hinteren Val Roseg, das sich am Fuss
des Roseg- und Tschierva-Gletschers befindet, oder am unteren Ende des
Morteratsch-Gletschers.
Es gibt noch einige andere Windsysteme, die zwar nicht spezifisch für das
Bündnerland sind, aber dennoch oft auftreten. So sind die Thermikschläuche
«berühmt» bei Gleitschirm- und Segelfliegern. Dabei handelt es sich um lokale
Auftriebswinde, in denen die Flieger zu grossen Höhen aufsteigen können. Die
Stärke und genauen Orte, wo man diese Schläuche findet, sind eng verknüpft
mit der lokalen Topographie. Wichtig für die Ausbildung sind die
unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit denen sich zwei Regionen mit
verschiedener Oberflächenbeschaffenheit erwärmen. So erwärmt sich eine
Wasserfläche beispielsweise langsamer als eine Wiese und eine Wiese
-6langsamer als ein Fels. Oder eine Seite eines Bergkamms wird noch von der
Sonne erwärmt, während die andere Seite des Kamms bereits im Schatten liegt.
3. Der Maloja-Wind und die Maloja-Schlange
Im Sommer ist der Silvaplanersee ein beliebtes Ziel für Windsurfer. Dies
verdankt er vor allem dem Maloja-Wind, der vom Bergell her über die
Oberengadiner Seenplatte strömt. Er kann besonders im Juli bis Oktober
sturmähnliche Stärken annehmen. Erstaunen mag, dass der Maloja-Wind, unter
genau diesem Namen, bei Meteorologen weltweit bekannt ist so findet man
sogar einen Eintrag "Maloja-Wind" im Glossar der Amerikanischen
Meteorologischen Gesellschaft!
Was macht die Besonderheit des Maloja-Windes aus? Zunächst handelt es sich
bei diesem Wind um einen Wind, der einen ausgeprägten Tagesverlauf
aufweist: Aufkommen im Morgen und maximale Stärke am Nachmittag. Wie
oben beschrieben, wehen Winde mit einem derartigen Tagesverlauf in vielen
Gebirgstälern dies ist also nichts Besonderes. Ein genauerer Vergleich mit
anderen Berg- und Talwinden zeigt jedoch eine Besonderheit des MalojaWindes. Gewöhnlich strömt der Wind während des Tages in das Tal hinein und
in der Nacht kehrt sich die Strömung um. Nun treffen beim Maloja-Pass zwei
Täler zusammen: zum Einen das enge und steile Bergell, zum anderen das
weite und viel grössere Oberengadin. Man würde nun erwarten, dass während
des Tages der Wind von der weiten Engadiner Seenplatte Richtung MalojaPass weht, dass die Brüscha sich also bis zum Maloja-Pass hinzieht.
Tatsächlich ist es umgekehrt: Der Wind weht von der Passhöhe Richtung
Seenplatte. Diese Anomalität verleiht dem Maloja-Wind seine meteorologische
Bedeutung. Es handelt sich um einen umgekehrten Berg- und Talwind.
Eine Erklärung des Maloja-Windes war lange Gegenstand der Forschung.
Heute verstehen wir den Mechanismus recht gut. Kerngedanke ist, dass der
Wind thermisch angetrieben wird die Sonneneintrahlung ist also zentral bei
seiner Ausbildung und gleichzeitig braucht es eine ruhige
Hochdruckwetterlage. Unter diesen Bedingungen entsteht sowohl im
Oberengadin als auch im Bergell ein Talwind,
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das heisst ein Wind der talaufwärts gegen den Maloja-Pass strömt. Der Wind
aus dem Bergell ist stärker, unter anderem wegen der Steilheit und Enge des
-7Tals. Auf Passhöhe schiesst der Bergeller Wind über die Passhöhe hinaus
Richtung Oberengadin. Der schwächere Ast des Oberengadiner Talwindes, die
Brüscha, wird verdrängt, und am Boden spürt man den bekannten MalojaWind.
Die Richtigkeit dieser Erklärung widerspiegelt sich auch in der sogenannten
Maloja-Schlange, ein tiefliegendes Wolkenband, dass sich perlschnurartig vom
Maloja-Pass nach Nordosten erstreckt. Man kann sich nun vorstellen, dass im
Bergell eine eher feuchte Luftmasse vorhanden ist, die sich gerade bis zur
Passhöhe erstreckt. Bildet sich ein Maloja-Wind aus, strömt die Luft also das
Bergell hinauf und schiesst bei Maloja über den Pass hinaus, so bildet sich eine
Wolke, genauer die Stratocumulus-Wolke der Maloja-Schlange. Der
grundsätzliche Mechanismus ist seit langem bekannt: Feuchte Luft, die
aufsteigt, kondensiert und es bilden sich Wolkentröpfchen. Speziell bei der
Maloja-Schlange ist, dass diese Wolke sich beim Maloja-Pass vom Boden
abhebt, und gewissermassen über die Luftmassen des Oberengadins streicht.
-8Wie der Maloja-Wind, so ist auch die Maloja-Schlange ein Wetterphänomen,
das weltweit bekannt ist. So kann es geschehen, dass man in Kremling,
Colorado, plötzlich eine Maloja-Schlange vor sich sieht!
4. Der Churer Föhn
Neben dem Maloja-Wind ist der Rheintaler Föhn sicher das bekannteste
Windsystem Graubündens. Föhnströmungen findet man an zahlreichen Orten
in den Alpen. Die bekanntesten Stationen der Alpen sind Altdorf im Reuss-Tal
und Innsbruck im Inn-Tal. Jeder Ort weist seine Besonderheiten auf, die sich
auf die lokale Topographie zurückführen lassen. So schiesst zum Beispiel in
Altdorf der Föhn über den Gotthard-Pass (mit einer Passhöhe von 2200 m)
oder bei Innsbruck über den Brenner-Pass (1500 m). Für den Churer und
Rheintaler Föhn ist dies der San Bernardino Pass (2065 m). Bedeutung erlangt
der Föhn unter anderem für den Weinbau! Denn der Föhn, der «älteste
Bündner», sorgt für warme Temperaturen, welche die Weintrauben rascher
reifen lassen so zum Beispiel im Gebiet der Bündner Herrschaft mit den
Gemeinden Fläsch, Maienfeld, Malans und Jenins.
Neben vielen lokalen Besonderheiten des Föhns gibt es auch
Gemeinsamkeiten: So sind alle Föhne charakterisiert durch starke böige Winde,
durch eine starke Temperaturzunahme in den nördlichen Föhntälern und durch
eine ausgeprägte Trockenheit. Man sieht dies sehr schön, wenn man die
Messungen bei Chur betrachtet: Zum Beispiel setzen in Chur am 8. Dezember
2006 Windböen ein, die bodennahe Temperatur nimmt stark zu und die relative
Feuchte sinkt rapide ab. Besonders interessant ist, wie rasch der Wechsel
stattfindet. Innerhalb 30 Minuten oder weniger können die Werte riesige
Sprünge aufweisen. Offensichtlich vermag die Föhnluft die vorhandenen
Luftmassen der Täler schlagartig zu verdrängen! Die Messungen zeigen
weitere interessante Details: So schreitet der Föhn nicht geradlinig von Süd
nach Nord durch das Rheintal. Weiter im Norden, in Vaduz, setzt
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der Föhn ein, während in Chur noch Windstille herrscht! Dieses Verhalten des
Föhns ist durchaus typisch. Die meisten Föhntermine im Rheintal findet man in
Bad Ragaz, nämlich im Mittel ca. 86. Die entsprechenden Werte an anderen
Orten sind: Chur 78, Landquart 69, Vaduz 50. Grundsätzlich nimmt also die
Anzahl der Föhntermine entlang des Rheintals ab. Jedoch gibt es interessante
Abweichungen von dieser Regel, zum Beispiel Bad Ragaz. Natürlich ändert die
-9Zahl der Föhnstunden von Jahr zu Jahr beträchtlich. Jahreszeitlich gibt es
ebenfalls grosse Unterschiede. Man findet die meisten Föhnfälle im Frühling
(März, April) und im Herbst (November), während im Sommer Föhn eher ein
seltenes Ereignis ist.
Beim Föhn stellen sich verschiedene Fragen, zum Beispiel: Wieso ist die
Föhnluft so warm? Man kann sich leicht vorstellen, dass bei einer Anströmung
der Alpen von Süden her, die feuchte Luft am südlichen Alpenhang aufsteigen
muss wo soll sie sonst hin! Dabei nimmt die Temperatur der feuchten,
steigenden Luft um ca. 6.5° C pro 1000 m ab. Gleichzeitig kondensiert der
Wasserdampf während des Aufsteigens und Niederschlag setzt im Tessin und
in Südbünden ein. Strömt die Luft über den Alpenkamm oder über einen PassEinschnitt, zum Beispiel den San Bernardino-Pass, so steigt sie anschliessend
als trockene Luft in die nördlichen Täler hinab. Dabei nimmt die Temperatur
beim trockenen Absinken um ca. 10o C pro 1000 m zu, weil die kühlende
Wirkung der Verdunstung wegfällt und ist netto wärmer als sie es auf der
Alpensüdseite war. Diese Erklärung ist sehr einleuchtend! Heute geht man
jedoch davon aus, dass sie nur teilweise korrekt ist:
- 10 Unter anderem, weil es Föhn-Ereignisse gibt, bei denen es auf der
Alpensüdseite nicht regnet! Eine weitere Erklärung besagt, dass die Föhnluft
der nördlichen Täler gar nicht aus den bodennahen Schichten des Tessins oder
der Po-Ebene stammt, sondern, dass sie aus einer Höhe von ca. 2000-2500 m
herabsteigt und dann durch die Kompression beim Herabsteigen in die Täler
erwärmt wird ganz analog zur erwärmenden Kompression in einer
Fahrradpumpe!
Eine weitere Frage betrifft den Ursprung der starken, böigen Winde in den
Föhntälern, welche leicht 100 Kilometer pro Stunde überschreiten können.
Auch heute noch rätselt man über die genaue physikalische Ursache dieser
starken Winde. Zumindest kennt man den Lebenszyklus eines «typischen»
Föhn-Ereignisses recht gut. Häufig setzt Föhn ein, wenn sich grossräumig eine
Süd- bis Südwestströmung über den Alpen ausbildet. Die Wetterkarte zeigt die
Isolinien gleichen Drucks, die sogenannten Isobaren, die im wesentlichen
parallel zum Wind liegen. Nordwestlich der Schweiz befindet sich während
Föhn typischerweise ein Tiefdruck-Zentrum. Verbunden mit diesem ist eine
Kaltfront, die sich westlich der Schweiz befindet. Im Vorfeld dieser Front
bildet sich der Südwind aus und verursacht den Föhn man spricht von einem
präfrontalen Föhn. Erst wenn sich die Kaltfront weiter nach Osten verlagert
und so über die Schweiz hinwegzieht, endet der Föhn, und oft setzt gleichzeitig
Niederschlag ein. Das heisst, der Rheintaler Föhn darf nicht als isoliertes
Phänomen betrachtet werden, sondern ist verknüpft mit weiträumigen
Wetterphänomenen, welche zu höherem Druck auf der Alpensüdseite als auf
der Nordseite führen. Angetrieben durch dieses Druckgefälle mit vielen
verstärkenden Faktoren, setzt dann der
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Föhn ein. Verstärkend wirkt beispielsweise die «Kanalisierung» der Winde
entlang der Süd/Nord-orientierten Föhntäler. Das Vorbeiziehen von
Tiefdruckgebieten und von Kaltfronten führt typischerweise zum Südföhn, und
diese Passage unterliegt einem ausgeprägten saisonalen Zyklus: mit wenig
Tiefdruckgebieten im Sommer und bedeutend mehr in den anderen
Jahreszeiten.
Für den Föhn in Chur, im Rheintal und in Graubünden allgemein stellen sich
weitere besondere Fragen: Wie entstehen die wunderbaren Wolkenstrukturen?
Wieso bricht der Föhn in einigen Tälern durch, in anderen hingegen nicht?
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Wie oft ist der Föhn in den nördlichen Tälern mit Starkniederschlägen in den
Bündner Südtälern verbunden? Viele dieser Fragen sind auch heute noch
Gegenstand der Forschung, also über 100 Jahre nachdem Julius von Hann die
ersten Theorien des Föhns vorgestellt hatte. Ein paar Hinweise zu lokalen
Eigenheiten des Föhns mögen an dieser Stelle genügen. Bevor der Föhn in den
Tälern durchbricht, befindet sich dort eine eher kühle und windstille Luftmasse.
Diese Kaltluftseen der nördlichen Täler müssen vor dem Föhndurchbruch
entfernt werden. Ob dies gelingt, hängt wiederum sehr stark von der lokalen
Topographie ab zum Beispiel von der Tiefe und der geographischen
Ausrichtung der Täler. Zum Teil wird der Föhn am Gebirge umgeleitet, so zum
Beispiel in Sargans, wo der Ganzen zum Seez- und Rheintal-Ast des Föhns
führt, indem die Luft aus Chur und Bad Ragaz in beide Täler abgelenkt wird.
Dieser Mechanismus wirkt sicher auch in vielen lokalen Gebirgstälern
Graubündens. Schliesslich werden die Südwinde gezwungen anzusteigen,
wenn sie auf einzelne Gebirgsketten und Gipfel treffen. Dies führt zur
Ausbildung sogenannter Schwerewellen, also zu Auf- und
Abwärtsschwingungen der Luftmassen, die sich wellenartig fortsetzen. Die
genaue Lage der Wellen relativ zu den Tälern und Bergrücken entscheidet, ob
es zu einer lokalen Verstärkung oder Abschwächung der Föhnwinde kommt. In
- 12 ihrer schönsten Form sind diese Schwerewellen erkennbar in den typischen
Föhnwolken, die auch Föhnfische oder lateinisch Lenticularis-Wolken genannt
werden.
Auch heute wird der Föhn weiter beobachtet. Während MAP, einem
internationalen Forschungsprojekt mit Schwerpunkt "alpine Meteorologie",
war das Rheintal ein Gebiet von besonderem Interesse. Dort wurden zahlreiche
Messungen durchgeführt, zum Beispiel mit Ballonsonden und
Forschungsflugzeugen. Selbst mit diesem enormen Aufwand bleiben jedoch
einige grundsätzliche Fragen zum Föhn unbefriedigend beantwortet! Nicht
zuletzt bleibt auch die Frage, wieso viele Menschen mit Kopfweh und anderen
Beschwerden auf den Föhn reagieren das medizinische Föhnproblem.
5. Wieso gibt es in Graubünden im Winter selten Hochnebel?
Im Winter kommen viele Leute ins Bündnerland, um dem Nebelmeer des
Flachlands zu entfliehen und die Sonne zu geniessen. Aber wieso findet man
im Winter weniger Nebel in den Alpen als im Flachland? Nebel kann durch
verschiedene Mechanismen entstehen - für den Hochnebel im Schweizer
Flachland sind meist zwei Prozesse verantwortlich: Advektion («Windantrieb»)
und Strahlung.
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Beim advektiven Nebel handelt es sich um tiefe Wolken, die durch den Wind
getrieben werden. Diese kommen meistens von Westen, der
Hauptwindrichtung für Europa. Treffen diese Wolken auf den nördlichen
Alpenkamm, so können sie nicht über die Berge steigen: Sie sind blockiert.
Somit bleibt die Alpenregion, und Teile Graubündens, meistens verschont von
dieser Nebeldecke. Im Lee der Alpen, wird deswegen auch Nebel weniger oft
beobachtet als nördlich der Alpen.
Die Bildung von Strahlungsnebel hingegen ist lokaler als der advektive Nebel,
und ein Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren ist erforderlich. In einer
klaren Nacht strahlt die Erde Wärme ab und bildet eine sogenannte stabile
Grenzschicht. Das heisst die kalte Luft ist in Bodennähe konzentriert und liegt
unter der wärmeren Luft weiter oben. Durch ständiges Auskühlen wächst diese
kalte Schicht während der Nacht. Meistens in der zweiten Nachthälfte reicht
die kalte Grenzschicht bis in eine Höhe, bei der an der Obergrenze
Wasserdampf zu Wassertropfen kondensiert die Nebeldecke hat sich
ausgebildet. Damit es aber tatsächlich zum Strahlungsnebel kommt, müssen
- 13 noch weitere Bedingungen erfüllt sein. Es muss mehr oder weniger windstill
sein und es muss genügend Feuchtigkeit in der Luft vorhanden sein. Deshalb
beobachtet man beispielsweise öfters Nebel über Agrarland, wo mehr Wasser
vom Boden verdunstet und so die Luft feuchter macht, oder in Senken und
Niederungen, wie zum Beispiel dem Zürcher Unterland, wo schwächere Winde
wehen.
Beide Nebelarten können von der Sonne, der Strahlungsnebel auch durch Wind
aufgelöst werden. Sobald die Sonne auf die Nebeldecke scheint, vermischt sich
die Luft an der Nebelobergrenze mit der wärmeren und trockeneren Luft
darüber. Dadurch verdampfen die Wassertropfen und der Nebel löst sich an
seiner Obergrenze auf. Dieser Prozess wirkt kontinuierlich, und mit etwas
Glück löst sich
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so die ganze Nebeldecke im Lauf des Tages auf. Besonders im Winter kann der
Nebel jedoch recht beständig sein! Da im Winter nämlich die Sonne tiefer steht
als im Sommer, ist ihre Intensität schwächer und es fehlt ihr die Kraft, um den
Nebel vollständig aufzulösen. So kann der Nebel über längere Zeit das Wetter
bestimmen: mit grauer «Suppe» im Flachland und strahlend blauem Himmel in
den Bündner Bergen!
Wie oben beschrieben, weht nachts in den Bergen meistens ein Berg- und
Hangwind, welcher wegen der Schneedecke noch verstärkt wird (katabatischer
Wind). Diese Winde verhindern die Bildung von dickem und dichtem
- 14 Strahlungsnebel in vielen Alpentälern. Beobachten kann man jedoch
Strahlungsnebel auch in den Alpen, zum Beispiel im Herbst in der Nähe von
Flüssen, wo genügend Feuchtigkeit in der stabilen Grenzschicht vorhanden ist.
6. Starkniederschläge
Starkniederschläge sind Ereignisse, die oft mit hohen ökonomischen Kosten
einher gehen. Immer wieder wird auch Graubünden von solchen extremen
Ereignissen getroffen: zum Beispiel Klosters-Serneus (2005), Schlans (2002),
Puschlav (1987). Zum Teil versucht man in den betroffenen Regionen die
Gefährdung durch Hochwasser mit dem Bau von Staudämmen zu vermindern.
Im Bergell zählte man zum Beispiel im Zeitraum von 1659 bis 1956 über 20
Hochwasserkatastrophen. Deshalb baute man 1971 ein Rückhaltebecken,
welches mit einem Fassungsvermögen von 1.7 Mio. m3 die ärgsten
Hochwasser eindämmen soll.
Meteorologisch weisen Starkniederschläge auf der Alpensüdseite oft ein
ähnliches Bild auf zumindest trifft dies auf die grossräumige Strömung zu: Es
- 15 herrscht eine Südoder eine Südwestströmung, die feuchte Luft gegen die Alpen
bewegt. Diese Südströmung bleibt über längere Zeit stationär, das heisst die
Feuchtezufuhr auf die Alpen reisst nicht ab, sondern bleibt über diesen
Zeitraum bestehen.
Schliesslich ist wichtig, dass die Luftmassen bei ihrem Kontakt mit den Alpen
zum Aufsteigen gezwungen werden und sich so Wolken und Niederschlag
bilden. Wie gewaltig die Wassermassen sind, die bei der Südströmung gegen
die Alpen bewegt werden, lässt sich aus einer Abschätzung für die
Starkniederschläge vom Oktober 2000 erkennen. Innerhalb von fünf Tagen
wurde ungefähr ein Wasservolumen gegen die Alpen transportiert, das dem
Genfersee entspricht, wie aus einer Abschätzung des Bundesamtes für
Meteorologie und Klimatologie (Meteo-Schweiz) hervor geht. Nicht umsonst
spricht man in diesem Zusammenhang oft von atmosphärischen Flüssen, und
man kann sich leicht vorstellen, wie diese Wassernassen kleine Bäche wie die
Mera im Bergell zu reissenden Strömen anwachsen lassen.
Die Grosswetterlage mag für die ganze Schweiz dieselbe sein. Trotzdem sind
die Starkniederschläge oft in denselben Regionen vorzufinden, zum Beispiel im
Tessin oder in den Bündner Südtälern. Es sind lokale Besonderheiten, die
entscheiden, ob es zu einem Starkniederschlag in einer Region kommt oder
nicht. So ist zum Beispiel das Bergell ein sehr enges Tal, das sich steil bis zum
Malojapass
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hoch zieht. Die feuchten Luftmassen werden entlang dieses Tals kanalisiert und
regnen beim Aufsteigen aus. Verstärkend kann hinzukommen, dass lokale
Gewitterzellen ausgelöst werden und diese schauerartig zu besonders starkem
und lokalem Regen führen.
7. Wie wird das Bündner Klima in Zukunft?
Eine in den letzten Jahren oft gestellte Frage lautet: Wie entwickelt sich das
Klima in der Zukunft? Bevor wir diese Frage beantworten können, muss man
den wichtigen Unterschied zwischen Klima und Wetter verstehen. Bei den
Wettervorhersagen versucht man, das Wetter an einem bestimmen Ort zu einer
bestimmten Zeit vorherzusagen. Diese Vorhersage kann generell bis etwa eine
Woche im Voraus gemacht werden wobei es grosse Unterschiede in der
Qualität der Vorhersage geben kann je nach allgemeiner Wetterlage. Bei
- 16 saisonalen Vorhersagen wird meistens nur die Wahrscheinlichkeit angegeben,
ob ein Monat in näherer Zukunft wärmer oder kälter sein wird. Die örtliche und
zeitliche Information ist nicht mehr so genau definiert wie bei der
Wetterprognose. Bei den Klimaprojektionen schliesslich, das heisst bei der
Entwicklung des Klimas in der Zukunft, wird die örtliche und zeitliche
Auflösung noch unschärfer. Viele gesellschaftspolitische und technologische
Annahmen müssen erst getroffen werden. Zum Beispiel: Nimmt die
Bevölkerung zu oder ab? Werden neue energiearme Technologien entwickelt?
Diese und weitere Annahmen führen zu den grössten Unsicherheiten von
Klimaprojektionen.
In den letzten Jahren haben Wissenschaftler im EU-Forschungsprojekt
PRUDENCE Klimaprojektionen auf regionaler Ebene berechnet. Mehrere
Forschungsgruppen haben sich daran mit verschiedenen regionalen und
globalen Klimamodellen beteiligt. Für Graubünden sagen die Modelle eine
mittlere Erwärmung von 0.9o bis 3.4° C im Winter ab 1990 bis im Jahr 2050
voraus. Im Sommer ist die Erwärmung leicht höher mit 1.4° bis 4.9° C. Die
Niederschläge werden bis 2050 im Winter eher zu- und im Sommer eher
abnehmen. Dass auch in Zukunft Starkniederschläge wichtig sein werden, geht
aus dem «Klimabericht Kanton Graubünden» hervor. In dieser grundlegenden
Analyse wird festgestellt, dass in Nord- und Mittelbünden, sowie im Engadin
mit einer Zunahme von Tagen mit Starkniederschlägen zu rechnen ist. In den
Bündner Südtälern Puschlav und Bergell hingegen wird eher mit einer
Abnahme der Häufigkeiten gerechnet.
Extreme Klimaereignisse lassen sich für Graubünden nicht so einfach
voraussagen. Für die Schweiz erwartet man aber eine Zunahme von
Hitzeperioden, Trockenperioden und Starkniederschlägen.
8. Weiterführende Literatur
[1] Atmosphäre und Gebirge Anregung von ausgeprägten Empfindlichkeiten,
promet, Meteorologische Fortbildung, Deutscher Wetterdienst, 32 (1/2), 96 pp.,
2006
[2] Der Föhnfall vom 8. Dezember 2006 Eine Fallstudie, Arbeitsberichte der
Meteo-Schweiz, 234, 56 pp., 2011
- 17 [3] Extremereignisse und Klimaänderung, OcCC-Bericht (Beratendes Organ
für Fragen der Klimaänderung), 88 pp., 2003
[4] Föhnstudien, Michael Kuhn, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 504 pp.,
1989
[5] Klimaänderung in Graubünden - Folgen für Mensch, Umwelt und
Wirtschaft - Strategie zur Prävention und Schadenabwehr, Amt für Umwelt
Graubünden, 28 pp., 2003
[6] Klimabericht Kanton Graubünden, Arbeitsberichte der Meteo-Schweiz,
228,40 pp., 2009
Internet-Bearbeitung: K. J.
Version 04/2012
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