Auf dem Weg zu einem versöhnten Miteinander "Ach, würdet ihr doch heute auf seine Stimme hören!" (Psalm 95,7) Als mündige Christinnen und Christen schauen wir mit kritischem und beschämtem Blick auf das antijüdische Verhalten in Gegenwart und Vergangenheit und verpflichten uns zu dessen Überwindung. Die Unterschiede zwischen unseren Traditionen dürfen jedoch nicht verwischt, sondern müssen in Achtung voreinander erkannt werden. Die Zusage: "Ich will euer Gott sein, ihr sollt mein Volk sein" gilt für Jüdinnen und Christinnen, für Juden und Christen gleichermassen. So sind wir verbunden in der Verantwortung für Schöpfung und Mitwelt, im Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden für alle Menschen. Wir distanzieren uns von konstruierten Gegensätzen wie z.B.: "alter Bund - neuer Bund" "das Judentum, eine Religion des Gesetzes - das Christentum, eine Religion der Liebe" "der zornige, strafende Gott des Ersten Testaments der liebende, barmherzige Gott des Zweiten Testaments" "das frauenfeindliche Judentum - Jesus, der Frauenfreund" u.a. Wir verurteilen Schuldzuweisungen wie z.B.: "Juden sind schuld am Leiden und Tod Jesu". Wir sind darauf bedacht, antijüdische Klischees und die oft unbewussten Vorurteile zu überwinden. Wir lernen von der Feministischen Theologie, die seit langem in selbstkritischer, wissenschaftlich fundierter und dem jüdischen christlichen Dialog verpflichteter Weise auf dem Weg zu einem versöhnten Miteinander ist. Wir fordern einen differenzierten und sensiblen Umgang mit liturgischen und biblischen Texten und deren Auslegung in der kirchlichen Praxis und theologischen Wissenschaft. Unter dem Bogen des einen Bundes Diese Erklärung wurde ausgearbeitet von der Fachgruppe Kirche des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes SKF und vom SKF-Zentralvorstand gutgeheissen am 28. Oktober 1997. 4. Auflage September 1999 Mitträgerinnen: • Evangelischer Frauenbund der Schweiz EFS • Oekumenisches Forum Christlicher Frauen in Europa, Schweizer Komitee • SchweizerischesWeltgebetstagskomitee WGT Zu dieser Erklärung gibt es entsprechende Arbeitshilfen und Liturgievorlagen, die gratis bezogen werden können beim: Schweizerischen Katholischen Frauenbund SKF, Zentralsekretariat, Postfach 7854, 6000 Luzern 7. (Bitte adressiertes und frankiertes Rückantwortcouvert C5 beilegen). Auswege aus dem christlichen Antijudaismus Als Verband christlicher Frauen wollen wir unsere Haltung gegenüber unseren jüdischen Schwestern und Brüdern bedenken. Blick in die Vergangenheit Schon früh flossen antijüdische Inhalte in die christliche Tradition und in einige Schriften des Zweiten Testaments ein. Sie dienten der Abgrenzung und dem Selbstschutz der Christinnen und Christen während der ersten Jahrhunderte. Ignoranz und Überheblichkeit, begleitet von unhaltbaren Vorwürfen und theologischen Vorurteilen, führten in der späteren Geschichte bis in die Gegenwart zu Ausgrenzung, Vertreibung und Pogromen (gewaltsamen Ausschreitungen) an der jüdischen Bevölkerung. Sie bereiteten den Weg vor für den Antisemitismus und die Massenmorde in unserem Jahrhundert. Umkehr Als in der Nachfolge Christi stehende Menschen erkennen wir unseren Anteil an diesen Verbrechen. Wir nennen ihn beim Namen und bitten die Jüdinnen und Juden um Verzeihung. In Verantwortung und im Eingestehen unserer Mitschuld am Leidensweg der jüdischen Menschen bemühen wir uns, mit den antijüdischen Inhalten in Bibel und Liturgie offen und ehrlich umzugehen. Wir setzen uns ein für ein christliches Selbstverständnis, das ohne Überheblichkeit und Vereinnahmung gegenüber dem Judentum auskommt. Die Nachfolge Jesu darf keine antijüdische Botschaft enthalten. Bekenntnis zum Juden Jesus Historische Entwicklung Wir bekennen uns zu Jesus von Nazareth und stehen in seiner Nachfolge. Jesus ist als Jude geboren und gestorben. Seine Botschaft und sein Wirken waren geprägt von jüdischer Religiosität. Er setzte sich für die Befreiung der Armen, Unterdrückten und Rechtlosen ein. Sein Wirken war von einer Menschenliebe durchdrungen, an die wir anzuknüpfen versuchen. Zusammen mit seinen Jüngerinnen und Jüngern war Jesus in den damaligen jüdischen Traditionen verwurzelt. Sein Umgang mit der Tora (den 5 Büchern Mose) und den Propheten, sowie die Bergpredigt und die Gleichnisse waren Ausdruck seiner jüdischen Religiosität. Jesus hinterfragte kritisch Gesetze und Überlieferungen; damit stand er in der prophetischen Tradition Israels. Es handelte sich um innerjüdische Kritik, wenn er z.B. sagte: "Der Sabbat ist für den Menschen da und nicht der Mensch für den Sabbat" (Markus 2,27). Es war nicht seine Absicht, eine neue Religion zu gründen. Erst nach ungefähr hundert Jahren trennte sich das Christentum vom Judentum. Unter der römischen Fremdherrschaft bildeten sich in der Vielfalt des damaligen Judentums mehrere je anders gefärbte Befreiungsbewegungen. Mit Jesus entstand auf dem Boden der jüdischen Tradition eine Befreiungsbewegung, die sich einem radikalen Gewaltverzicht und der Parteinahme für die Ausgegrenzten verpflichtet fühlte. Gemeinsame Herkunft Unter dem gleichen Bogen Wie seine jüdischen Schwestern und Brüder gehörte Jesus zur Gemeinschaft des Bundes, den Gott mit dem Volk Israel geschlossen hatte. Im Ersten Testament lesen wir, dass dieser Bund immer wieder erneuert und bekräftigt wurde. Jesus hat diesen Bund nicht aufgehoben, sondern erweitert. Durch sein Wirken und seine Botschaft haben auch Menschen ausserhalb der jüdischen Tradition Anteil am Bund Gottes. In diesem Sinn stehen wir mit den jüdischen Frauen und Männern unter dem Bogen des einen Bundes. Das Christentum ist von seinem Ursprung her gezwungen, über seine Verwurzelung im Judentum und deren Bedeutung nachzudenken. Dies gilt nicht in gleicher Weise für unsere jüdischen Schwestern und Brüder. Sie können ihre religiösen Überzeugungen vertreten, ohne sich mit den christlichen Überlieferungen auseinanderzusetzen. Christinnen und Christen müssen sich aber bewusst werden, dass ausser der Heiligen Schrift auch die christliche Liturgie und die wichtigen Feste des Kirchenjahres aus der jüdischen Tradition gewachsen sind. Diese gemeinsame Herkunft wird bis heute vielfach vergessen oder bestritten. Das hat dazu geführt, dass das Christentum dem jüdischen Volk immer wieder zum verhängnisvollen Schicksal geworden ist.