4 Kanalcodierung Durch das Kinderkriegen und -aufziehen erlangt man Lebensklugheit. Ellen O’Grady Wenn bei einer Übertragung festgestellt wird, dass die Qualität nicht den Anforderungen entspricht, existieren grundsätzlich mehrere mögliche Gegenmaßnahmen; es kann jedoch bereits vor ihrer Betrachtung festgehalten werden, dass diese einerseits unterschiedlich »sinnvoll« sind und dass andererseits nicht allgemeingültig angegeben werden kann, welche Maßnahmen im Einzelfall das beste Ergebnis mit dem geringsten Aufwand liefern. • Bei Betrachtung des für die Übertragungsqualität maßgeblichen SignalRausch-Abstands ergibt sich als erster Ansatz eine Erhöhung der Sendeleistung. Während dies auf den ersten Blick »theoretisch« nahe liegend ist, zeigt sich bei Betrachtung der Realität, dass diese Maßnahme in den meisten Systemen aus Gründen der Implementierbarkeit nicht oder nur in sehr begrenztem Maße möglich ist. Andererseits sind auch andere Aspekte zu berücksichtigen, die eine (nennenswerte) Erhöhung der Sendeleistung mit sich bringen würde: – Störungen von anderen Systemen oder auch von anderen Funkstrecken im eigenen Systemen werden zunehmen. – Bei zunehmender Aussteuerung von Baugruppen wie Verstärkern und Mischern werden gegebenenfalls die Arbeitspunkte stärker in nichtlineare Bereiche der Kennlinie verschoben, sodass die Verzerrungen zunehmen. – In den Betriebsgenehmigungen sind maximale Werte der Sendeleistung sowie von Nebenaussendungen (die mit steigender Sendeleistung ebenfalls zunehmen) vorgegeben, die eine Anhebung der Sendeleistung begrenzen. 147 • Ebenfalls aus dem Signal-Rausch-Abstand ergibt sich der zweite Ansatz: Verringerung des Rauschens beziehungsweise der Störeinflüsse allgemein. In einem optimal ausgelegten System kann davon ausgegangen werden, dass dieser Aspekt bereits berücksichtigt wurde und eine weitere Verbesserung entweder gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erreichbar wäre. Dies gilt insbesondere auch für das thermische Rauschen, das prinzipiell in allen Systemen vorhanden ist. • Die beiden bisher vorgestellten Ansätze zielen auf die Therapie der Fehlerursache ab. Alternativ ist aber auch eine Behandlung der Auswirkungen möglich. Das bedeutet, dass das Vorhandensein von Übertragungsfehlern im ersten Schritt als Tatsache hingenommen wird; durch den Einsatz von geeigneten Maßnahmen können deren Auswirkungen jedoch beseitigt werden. Diese »Maßnahmen« werden hier unter dem Begriff Kanalcodierung zusammengefasst und in diesem Kapitel vorgestellt. Bild 4.1 zeigt idealisiert den Einsatz der Kanalcodierung im Rahmen eines Nachrichtenübertragungssystems. Hierbei wird der eigentlich gestörte Kanal von Kanalcodierer und -decodierer »eingerahmt« und bildet zusammen einen im Idealfall(!) störungsfreien Kanal. In der Praxis führt jedoch die Kanalcodierung »lediglich« zu einer mehr oder minder starken Reduzierung der Fehlerrate des Kanals, wobei diese Reduzierung typisch im Bereich von mehreren Größenordnungen liegt. »störungsfreier« Kanal Störungen Quelle Bild 4.1 Kanalcodierer Kanal Kanaldecodierer Senke Kanalcodierung Der NTG-Empfehlung 0104 von 1982 kann folgende Definition entnommen werden: »Bei der Kanalcodierung handelt es sich um die Codierung der zu übertragenden Wörter in Codewörter, die den Übertragungseigenschaften des Nachrichtenkanals angepasst sind. Ziel der Kanalcodierung ist es, die Wörter gegen Übertragungsfehler zu sichern. Die Kanaldecodierung ist die Decodierung der empfangenen – gegebenenfalls fehlerhaften – Codewörter 148 mit dem Ziel, Übertragungsfehler zu erkennen und gegebenenfalls zu korrigieren.« Das Ziel der Codierung zur Fehlererkennung beziehungsweise Fehlerkorrektur ist die Suche nach Methoden zur Übertragung von Informationen von der Quelle zur Senke mit einem Minimum an Fehlern – im Idealfall fehlerfrei. Die Kanalcodierung basiert auf der Informationstheorie, und eine im Abschnitt 2.4 vorgestellte Größe spielt hier eine große Rolle: die Kanalkapazität C ∗ . Shannon hat gezeigt, dass für den Fall, dass die Übertragungsrate geringer als die Kanalkapazität ist, die Fehlerrate mit Hilfe einer geeigneten Codierung und Modulation prinzipiell beliebig klein gemacht werden kann (Shannonsches Codierungstheorem). Auf der anderen Seite führt die Anwendung von fehlererkennender beziehungsweise fehlerkorrigierender Codierung bei einer Übertragungsrate oberhalb der Kanalkapazität im Allgemeinen zu einer Verschlechterung des Fehlerverhaltens. Im Rahmen der hier vorgestellten Betrachtung wird die Vorwärts-Fehlerkorrektur (Forward Error Correction, FEC) ausführlicher behandelt. Dabei wird davon ausgegangen, dass bei der Übertragung Fehler auftreten, sodass sendeseitig Redundanz zugesetzt wird, mit deren Hilfe empfangsseitig Fehler erkannt beziehungsweise korrigiert werden können. Alternativ hierzu kann eine nachträgliche Fehlerkorrektur (Backward Error Correction, BEC) vorgenommen werden, für die sich die Bezeichnung Mehrfachübertragung oder auch Automatic Repeat Request (ARQ) eingebürgert hat. Ein spezieller Aspekt ist vorhanden, wenn das Auftreten von Fehlern subjektiv keine Rolle spielt, da diese von der signaleigenen Redundanz »maskiert« werden. Dies ist jedoch kein Thema der Kanalcodierung und wird deshalb hier nicht weiter behandelt. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass die zu übertragenden Informationen »schützenswert« und nicht redundant sind – dies wird gegebenenfalls durch den Einsatz von Quellencodierung erreicht. Bei der Wahl der Kanalcodierung ist auch die Zusammenarbeit der Codierung mit der Modulation zu beachten, wobei dies insbesondere bei Verwendung von höherwertigen Symbolen von Bedeutung ist. Die wichtigste Variante hierbei ist die trellis-codierte Modulation. Ein wesentlicher, zu berücksichtigender Punkt ist weiterhin die Art des Übertragungskanals. Hierbei sind vor allem die folgenden Kanalmodelle von Interesse, deren charakteristische Eigenschaften im Abschnitt 2.3 erläutert wurden. 149