3 Werkzeuge der Mathematik 3.1 Mengen (18.11.2011) Definition 3.1 Die Menge ∅ := {x ∈ M | x 6= x} heißt leere Menge. Definition 3.2 Es seien N und M Mengen. Wir definieren: M ⊂ N :⇔ (x ∈ M ⇒ x ∈ N ). und analog N ⊃ M :⇔ (x ∈ N ⇐ x ∈ M ). Wir sagen M ist Teilmenge1 von N . Zwei Mengen M und N heißen gleich wenn gilt M = N :⇔ (x ∈ M ⇔ x ∈ N ). Definition 3.3 Die Potenzmenge 2M von M ist die Menge aller Teilmengen von M , also 2M = {N | N ⊂ M }. Definition 3.4 (Operationen mit Mengen) Es seien N und M Mengen. a) Die Vereinigung von N und M ist M ∪ N := {x | x ∈ M ∨ x ∈ N } b) Der Durchschnitt zweier Mengen M und N ist M ∩ N := {x | x ∈ M ∧ x ∈ N } c) Das Komplement einer Menge N in M (oder die Differenz von M und N ) ist die Menge M \N := {x | x ∈ M ∧ x ∈ / N }. 1 Hier sei betont, dass die Bezeichnung M ⊂ N auch erlaubt, dass M = N ist Will man ausdrücken, dass M eine echte Teilmenge von N ist, d.h. M ⊂ N und M 6= N , gilt schreibt man M $ N . Das ist leider nicht einheitlich in der Literatur. In manchen Büchern und Vorlesungen werden die Symbole ⊆ (statt ⊂) bzw. ⊂ (statt und $) benutzt. 15 3 Werkzeuge der Mathematik d) Das geordnete Paar („Tupel“) zweier Objekte x, y ist das Objekt (x, y) mit der Eigenschaft (x, y) = (x′ , y ′ ) ⇔ x = x′ und y = y ′ . Insbesondere ist (x, y) 6= (y, x) falls x 6= y. Das kartesische Produkt zweier Mengen M, N ist die Menge M × N := {(x, y) | x ∈ M und y ∈ N }. Satz 3.5 Für Mengen M , N , L gilt: a) M \M = ∅, M \∅ = M . b) M ∩ M = M, M ∪ M = M . c) Kommutativität: M ∪ N = N ∪ M, M ∩ N = N ∩ M. d) Assoziativität: (M ∪ N ) ∪ L = M ∪ (N ∪ L), (M ∩ N ) ∩ L = M ∩ (N ∩ L). e) Distributivität: (M ∩ N ) ∪ L = (M ∪ L) ∩ (N ∪ L), (M ∪ N ) ∩ L = (M ∩ L) ∪ (N ∩ L). (M ∩ N ) × L = (M × L) ∩ (N × L) (M ∪ N ) × L = (M × L) ∪ (N × L). Definition 3.6 Zur Indexmenge I sei Mi für jedes i ∈ I eine Menge. a) Die Vereinigung der Mengen aus Mi , i ∈ I ist die Menge [ Mi := {x | ∃ i ∈ I mit x ∈ Mi }. i∈I b) der Durchschnitt einer der Mengen Mi , i ∈ I ist \ Mi := {x | ∀ i ∈ I gilt x ∈ Mi } i∈I Satz 3.7 Für die Teilmengen M, N bzw. Mi , i ∈ I einer Menge X gilt: a) X\(M ∩ N ) = (X\M ) ∪ (X\N ) X\(M ∪ N ) = (X\M ) ∩ (X\N ) de Morgansche Regel b) S T X\ Si∈I Mi = Ti∈I (X\Mi ) X\ i∈I Mi = i∈I (X\Mi ) 16 de Morgansche Regel 3 Werkzeuge der Mathematik 3.2 Abbildungen I (24.11.2011) Definition 3.8 (Abbildungen) Eine Abbildung f einer Menge M in eine Menge N ist eine Vorschrift, die jedem Element x ∈ M jeweils ein eindeutig bestimmtes Element y = f (x) ∈ N zuordnet. y = f (x) heißt Wert von f an der Stelle x. M heißt Definitionsbereich, N der Wertebereich von f . Schreibweise: f : M → N, x 7→ f (x) Bemerkung: Falls eine Vorschrift in dem Sinne nicht funktioniert, dass (i) nicht zu jedem x ∈ M ein Wert aus N zugeordnet wird, oder (ii) dass zu einem Wert x ∈ M mehr als ein Wert in N zugeordnet wird, so beschreibt diese Vorschrift keine Abbildung. Man sagt die Abildung ist nicht wohldefiniert2 Zwei Abbildungen f1 : M1 → N1 , f2 : M2 → N2 heißen gleich wenn gilt (i)M1 = M2 , N1 = N2 und (ii) f1 (x) = f2 (x) für alle x ∈ M1 = M2 . Ist beides erfüllt schreiben wir f1 = f2 . Definition 3.9 (Bild und Urbild) N ist die Menge a) Der Graph einer Abbildung f : M → Γf := {(x, f (x)) | x ∈ M } ⊂ M × N. b) Das Bild einer Teilmenge A ⊂ M unter f : M → N ist die Teilmenge f (A) := {f (x) | x ∈ A}. f (M ) heißt Bildmenge von M . c) Das Urbild einer Menge B ⊂ N ist die Teilmenge f −1 (B) := {x ∈ M | f (x) ∈ B}. d) Sei A eine Teilmenge von M . Dann nennt man f |A : A → N, x 7→ f (x) die Einschränkung von f auf A. Satz 3.10 Für jede Abbildung f : M → N und Teilmengen A, A1 , A2 ⊂ M , B1 , B2 ⊂ N gilt: (a) f −1 (B1 ∪ B2 ) = f −1 (B1 ) ∪ f −1 (B2 ) (b) f −1 (B1 ∩ B2 ) = f −1 (B1 ) ∩ f −1 (B2 ) 2 Ein etwas irreführender Sprachgebrauch, da es sich ja dann um garkeine Abbildung handelt 17 3 Werkzeuge der Mathematik (c) f (A1 ∪ A2 ) = f (A1 ) ∪ f (A2 ) (d) f (A1 ∩ A2 ) ⊂ f (A1 ) ∩ f (A2 ) (e) A ⊂ f −1 (f (A)) 18 3 Werkzeuge der Mathematik 3.3 Abbildungen II (25.11.2011) Definition 3.11 (Injektivität, Surjektivität, Bijektivität) Eine Abbildung f : M → N heißt (a) injektiv, wenn für alle x1 , x2 ∈ M gilt f (x1 ) = f (x2 ) ⇒ x1 = x2 . Eine äquivalente Definition ist: Zu jedem y ∈ N höchstens ein Element x ∈ M mit f (x) = y existiert. (b) surjektiv, wenn f (M ) = N . Eine äquivalente Definition ist: zu jedem y ∈ N mindestens ein Element x ∈ M mit f (x) = y existiert. (c) bijektiv, wenn f injektiv und surjektiv ist. Eine äquivalente Definition ist: zu jedem y ∈ N genau ein Element x ∈ M mit f (x) = y existiert. Eine weitere äquivalente Definition ist: es gibt eine Abbildung g : N → M so dass für alle x ∈ M und für alle y ∈ N gilt: g(f (x)) = x und g(f (y)) = y. Definition 3.12 (Verkettung) Die Verkettung oder Komposition der Abbildungen f : M → N und g : N → P ist die Abbildung g ◦ f : M → P, x 7→ g(f (x)). (Lies: g nach f .) Falls Definitionsbereich und Wertebereich gleich sind (also f : M → M ) schreiben wir auch f 2 statt f ◦ f . Die Abbildung idM : M → M , x 7→ x ist die identische Abbildung (auf der Menge M ). Definition 3.13 Ist f : M → N eine bijektive Abbildung. Dann gibt es genau eine Abbildung g : N → M mit der Eigenschaft f ◦ g = idN und g ◦ f = idM . Diese Abbildung heißt Umkehrabbildung oder Inverse von f und wird mit f −1 bezeichnet. Achtung: Eine Umkehrfunktion f −1 ist nur für bijektive Abbildungen definiert. Das Urbild f −1 (A) existiert für jede Abbildung f : M → N und jede Teilmenge A ⊂ N. Satz 3.14 Es seien f : M → N und g : N → P Abbildungen. a) Sind f und g beide injektiv, so ist g ◦ f injektiv. b) Sind f und g beide surjektiv, so ist g ◦ f surjektiv. c) Sind f und g beide bijektiv, so ist auch g ◦ f bijektiv und die Umkehrabbildung von g ◦ f ist f −1 ◦ g −1 . 19 3 Werkzeuge der Mathematik 3.4 Äquivalenzrelationen (1.12.2011) Definition 3.15 Eine Relation auf M ist eine Teilmenge R ⊂ M × M . Wir schreiben x ∼ y falls (x, y) ∈ R. Eine Relation auf M heißt a) reflexiv, falls für jedes x ∈ M gilt: x ∼ x b) symmetrisch, falls x ∼ y auch y ∼ x impliziert. c) transitiv, falls x ∼ y und y ∼ z auch x ∼ z impliziert. Ist eine Relation reflexiv, symmetrisch und transitiv, so nennt man sie Äquivalenzrelation. Wir lesen x ∼ y als „x ist äquivalent zu y bezüglich R“. Satz 3.16 Ist f : M → N eine Abbildung und sei eine Relation auf M durch x ∼ y :⇔ f (x) = f (y) erklärt, dann ist die Relation eine Äquivalentzrelation. Definition 3.17 Auf M sei eine Äquivalenzrelation erklärt. Zu x ∈ M heißt die Menge Kl(x) := {y ∈ M | x ∼ y}. Äquivalenzklasse von x. Satz 3.18 Für jede Äquivalenzrelation auf einer Menge M gilt: (a) x ∈ Kl(x) (b) x ∼ y ⇔ Kl(x) = Kl(y) (c) Kl(x) 6= Kl(y) ⇔ Kl(x) ∩ Kl(y) = ∅. Definition 3.19 Sei R eine Äquivalenzrelation auf der Menge M . Der Quotient M/R von M bezüglich R ist definiert als die Menge der Äquivalenzklassen von R, also M/R := {Kl(x) | x ∈ M }. 20 3 Werkzeuge der Mathematik 3.5 Mächtigkeit (2.12.2011) Definition 3.20 Zwei Mengen M und N heißen gleichmächtig, wenn es eine Bijektion f : M → N gibt. Sind zwei Mengen M und N gleichmächtig, so schreiben wir |M | = |N |. Ist M gleichmächtig mit der Menge {1, 2, . . . , n} so nennet man M eine endliche Menge und n die Mächtigkeit von M . Ist M gleichmächtig mit N so nennt man M abzählbar unendlich. Satz 3.21 Es sei X eine Menge. Die Relation auf 2X definiert durch M ∼ N ⇔ M gleichmächtig zu N ist eine Äquivalenzrelation. Korollar 3.22 Zwei endliche Mengen sind genau dann gleichmächtig, wenn Sie gleichviel Elemente haben. Satz 3.23 (Schubfachprinzip) Es seien M und N zwei endliche Mengen mit |M | = m > n = |N | und f : M → N eine Abbildung. Es gibt mindestens zwei Elemente m1 , m2 ∈ M mit f (m1 ) = f (m2 ). Satz 3.24 Es sei A eine n+1-elementige Teilmengen der Menge {1, 2, . . . , 2n}, dann gibt es zwei Zahlen a, b ∈ A so dass eine die andere teilt. Satz 3.25 (Satz von Cantor) Es gibt keine surjektive Abbildung f : M → 2M von einer Menge M auf ihre Potenzmenge. Korollar 3.26 2N ist nicht abzählbar. 21