Stellungnahme

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22. März 2011
Trägerübergreifende Behandlung und Rehabilitation von
Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit
psychischen Beeinträchtigungen
Positionspapier zur Konvergenz des SGB VIII und SGB IX
erarbeitet durch den DVfR-Ausschuss Psychische Behinderungen.
Vorgelegt werden
eine Kurzfassung, eine Langfassung und ein Anhang.
Mitglieder des Ausschusses:
Dr. Matthias Albers, Gesundheitsamt Kreis Mettmann
PD Dr. Robert Bering, Vorsitzender des Arbeitsausschusses, Alexianer Krefeld GmbH
Jürgen Bernhardt, Berufsbildungswerk Neumünster
Ursula Clahsen, Deutsche Rentenversicherung Rheinland, Düsseldorf
Univ.-Prof. Dr. Gerd Lehmkuhl, Universität zu Köln
Matthias Gasche, AHG Gesundheitszentrum, Düsseldorf
Dr. Harry Fuchs, Düsseldorf
Dr. Matthias Hammer, Bundesverband RPK, Stuttgart
Gudrun Hofmann-Artus, Berufsförderungswerk, Köln
Klaus Jansen, Kölner Verein für Rehabilitation, Köln
Dagmar Lorré-Krupp, Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Düsseldorf
Dr. Hermann Mayer, Klinik Hochried, Murnau
PD Dr. Michael Kölch, Universität Ulm
Georg Krug, Landschaftsverband Rheinland
Heinz Dieter Schilson, Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion NRW, Düsseldorf
Friederike Steier-Mecklenburg, berufliches Trainingszentrum Köln
Ulrich Theißen, Deutsche Rentenversicherung Rheinland, Düsseldorf
Dr. Bernhard van Treeck, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Nordrhein, Köln
Siegfried Wurm, AOK Rheinland/Hamburg, Düsseldorf
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Wegweiser
An der Behandlung und Rehabilitation von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen
(KJjE) sind unterschiedliche Leistungsträger und Leistungserbringer beteiligt. Die vorgelegte
Stellungnahme macht Vorschläge, wie die trägerübergreifende Behandlung und
Rehabilitation von KJjE mit psychischen Beeinträchtigungen verbessert werden können.
Diese Vorlage besteht aus einer Kurzfassung (A), einer Langfassung (B) und einem
Anhang (C). In der Langfassung wird die Ausgangslage beschrieben (B.1).
Epidemiologische Aspekte psychischer Störungen bei KJjE werden zusammengefasst und
der Sachstand aus Sicht der Leistungsträger rekapituliert. Im Abschnitt Brückenschlag (B.2)
wird erläutert, wie sich unterschiedliche Altersstufen und die Besonderheiten der Jugendhilfe
nach § 35a SGB VIII auf die Problemstellung teilhabezentrierter Rehabilitation auswirken.
Zur trägerübergreifenden Leistungsoptimierung (B.3) wird die Notwendigkeit beschrieben,
Konvergenzen aus dem SGB IX und aus dem SGB VIII umzusetzen; diskutiert werden dann
repräsentative Fallbeispiele. Im Anhang (C) sind Teilhabepläne vorgelegt, wie sie für die
Umsetzung der trägerübergreifenden Leistungsoptimierung erforderlich sind.
Die Stellungnahme hat somit folgendes Inhaltsverzeichnis:
TRÄGERÜBERGREIFENDE
BEHANDLUNG
UND
REHABILITATION
VON
KINDERN,
JUGENDLICHEN UND JUNGEN ERWACHSENEN MIT PSYCHISCHEN BEEINTRÄCHTIGUNGEN 1
A. KURZFASSUNG ................................................................................................................................ 3
B. LANGFASSUNG ................................................................................................................................ 8
B.1 AUSGANGSLAGE.............................................................................................................................. 8
B.1.1 Ausgangslage aus epidemiologischer und klinischer Sicht .............................................. 8
B.1.1.1 Epidemiologie psychischer Störungsbilder bei KJjE................................................... 8
B.1.1.2 Funktionsniveau, Kontextfaktoren und Störungsbilder .............................................. 9
B 1.1.3 Bedarfe / Behindertenorientierung ................................................................................. 11
B.1.1.4 Behandlung / Rehabilitation in psychiatrischen Kliniken für KJjE ........................ 13
B.1.2 Ausgangslage aus Sicht der Leistungsträger ................................................................. 16
B.1.2.1 Jugendhilfeträger ................................................................................................................. 16
B.1.2.2 Gesetzliche Krankenversicherung .................................................................................. 18
B.1.2.3 Rentenversicherung ............................................................................................................ 20
B.1.2.4 Bundesagentur für Arbeit .................................................................................................. 21
B.1.3 Rechtliche Grundlagen aus Sicht des SGB IX ................................................................ 23
B.1.3.1 Übergreifendes Recht des SGB IX ................................................................................ 23
B.1.3.2 Auswirkungen der UN-Behindertenrechtskonvention .............................................. 27
B.1.3.3 Auswirkungen auf die Versorgung ................................................................................. 29
B.2 BRÜCKENSCHLAG .......................................................................................................................... 29
B.2.1 Brückenschlag über verschiedene Altersstufen .............................................................. 29
B.2.2 Wege im Versorgungssystem an Fallbeispielen ............................................................. 33
B.3 TRÄGERÜBERGREIFENDE LEISTUNGSOPTIMIERUNG ......................................................................... 35
B.3.1 Leistungsoptimierung aus Sicht des SGB IX .................................................................. 35
B.3.2 Entscheidungsprozesse im Antragsverfahren nach § 35a SGB VIII .............................. 39
B.3.3 Abgrenzung SGB XII / SGB VIII ...................................................................................... 41
B.4 LITERATURVERZEICHNIS UND ABKÜRZUNGEN .................................................................................. 43
ABKÜRZUNGEN .................................................................................................................................. 46
C. ANLAGEN ........................................................................................................................................ 47
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A. Kurzfassung
Ausgangslage
Etwa 6 % aller Kinder unter 18 Jahren weisen eine behandlungsbedürftige psychische
Störung auf. 1 Im Folgenden sind aus klinischer Sicht die wichtigsten der verschiedenen
Störungsbilder auch mit ihren Kennziffern aus dem internationalen Diagnoseschlüssel ICD10 bezeichnet, weil dieser in der deutschen Praxis noch immer den Ausgangspunkt aller
medizinischen Intervention bildet. 2 Unabhängig davon ist jedoch die Behandlung und
Rehabilitation von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis zum 27. Lebensjahr
(KJjE) immer auch darauf ausgerichtet, ein verbessertes psychosoziales Funktionsniveau mit
dem Ziel einer Förderung der Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe am Leben
in der Gesellschaft aufzubauen. Dies verlangt den Behandlern eine breitere Perspektive ab,
für welche die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und
Gesundheit (ICF) der WHO zur Verfügung steht.
Bei Patienten in diesen Altersgruppen dominieren hyperkinetische Störungen (ICD-10Kategorie F9), Essstörungen (F5.*), neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
(F4), Persönlichkeitsstörungen (F6.*) bzw. die im Vorfeld bei KJjE häufig diagnostizierten
Erkrankungen aus den Kapiteln der Entwicklungsstörungen (F8) und der Verhaltens- und
emotionalen Störungen (F9), aber auch schizophrene und schizotype Störungen (F2.*) sowie
Abhängigkeitserkrankungen (F1.*) kommen vor.
Darüber hinaus sind komorbide psychische Störungen bei einfachen wie auch bei komplexen
Behinderungen (z. B. Hörstörungen) besonders zu beachten. Für die Zukunft ist zu
berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in § 10 SGB IX vorschreibt, Leistungen zur Teilhabe
und Rehabilitation und Leistungen der Krankenbehandlung (vgl. § 27 SGB IX) am
individuellen Leistungsbedarf orientiert „funktionsbezogen“, d. h. anhand des bio-psychosozialen Modells der ICF festzustellen. Seit 2007 ist die adaptierte englische Version der ICF
für Kinder und Jugendliche (ICF-CY) veröffentlicht. Derzeit werden KJjE mit psychischen
Störungen in mehr als 700 Praxen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
ambulant behandelt. Gleichzeitig ist festzustellen, dass in den vergangenen Jahren die
Krankenhausbehandlungsdauer bei stationär behandelten Patienten im Durchschnitt von ca.
150 Tagen auf jetzt ca. 40 Tage reduziert worden ist. Einrichtungen und Dienste zur
Rehabilitation von KJjE sind nicht flächendeckend und bedarfsgerecht vorhanden.
An der Versorgung sind als Leistungsträger insbesondere die Jugendhilfeträger, die
gesetzliche Krankenversicherung, die gesetzliche Rentenversicherung und die
Bundesagentur für Arbeit beteiligt. Mit Bezug auf die AWMF-Leitlinien zur stationären
Rehabilitation in der Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und
Jugendalter ist die wichtige Unterscheidung zwischen Krankenhausbehandlung und
medizinischer Rehabilitation in dieser Altersgruppe besonders deutlich zu machen.
Die Sozialgesetzgebung sieht u. a. folgende Zuständigkeiten vor: Gemäß § 35a SGB VIII
haben KJjE, die von einer seelischen Behinderung bedroht sind, einen Anspruch auf
1 Die Angabe kann wohl auch für den Personenkreis der jungen Erwachsenen übernommen werden.
2 In der ICD-10 werden vielfach mehrere Unterarten einer Störung codiert – siehe die Ordnungszahl(en) hinter dem Punkt nach der Kapitelziffer. Gilt eine hier gemachte Aussage für alle diese
Störungsvarianten zugleich, wird im Folgenden nur die Kapitelziffer angeführt. Gelten die Aussagen
zumindest für mehrere – aber nicht für alle – Unterarten einer Störung, so hat es sich hierfür
eingebürgert, nach dem Punkt die Kennzeichnung mit einem Stern anzufügen.
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Eingliederungshilfe zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Diese Leistungen der
Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII werden abgegrenzt von den Leistungen der
Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für diejenigen KJjE, bei denen z. B. zur psychischen
Störung eine geistige und/oder eine körperliche Behinderung hinzutritt. Seit dem Inkrafttreten
des SGB IX am 1.7.2001 umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe sowohl im
Rahmen der Sozialhilfe wie auch der Jugendhilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zum
einen Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX und zum anderen für KJjE
insbesondere die in § 54 Abs. 1 Nrn. 1–5 SGB XII genannten Leistungen. Nach § 53 Abs. 4
SGB XII gelten für die im Rahmen der Eingliederungshilfe zu erbringenden Leistungen zur
Teilhabe gemäß den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX die Vorschriften des Neunten
Sozialgesetzbuchs. Insbesondere sind dabei die Teilhabeziele (§§ 1, 4 SGB IX)
entscheidend zur Feststellung des individuellen funktionsbezogenen Leistungsbedarfs (§ 10
SGB IX). Es gelten die Regelungen zur Zuständigkeitsklärung zwischen den beteiligten
Leistungsträgern (§ 14 SGB IX), aber auch Teile des Leistungserbringungsrechts aus dem
SGB IX müssen – soweit nämlich in den Sozialgesetzbüchern VIII und XII keine
abweichenden Regelungen enthalten sind – angewandt werden (insbesondere §§ 17, 19
SGB IX). Jungen Volljährigen sind über die Eingliederungshilfe des SGB XII hinaus Hilfen für
die Persönlichkeitsentwicklung nach dem Jugendhilferecht, hier: § 41 SGB VIII, zu
gewähren.
Ziel und Aufgabe aller Leistungen zur Rehabilitation ist vor allem die positive Einwirkung auf
die als Folge der Krankheit eingetretenen oder drohenden Beeinträchtigungen der Teilhabe
am Leben in der Gesellschaft (vgl. §§ 1ff. SGB IX).
Das am 24.2.2009 in Deutschland durch einfaches Gesetz in Kraft getretene
„Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen“ (UN-BRK) verpflichtet dazu, die volle Verwirklichung aller Menschenrechte
und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen, ohne jede Diskriminierung auf
Grund der Behinderung, zu gewährleisten und zu fördern. Die Umsetzung der UN-BRK setzt
für die Früherkennung von Teilhabestörungen von KJjE, die durch psychische Störungen
begründet sind, neue Maßstäbe.
Brückenschlag
Die trägerübergreifende Behandlung und Rehabilitation von KJjE wird in diesem
Positionspapier aus der Sicht des bio-psycho-sozialen Modells der ICF betrachtet. Hierbei
wird auf Unterschiede zwischen Erwachsenen und KJjE geachtet. Der zentrale
Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen besteht zum einen darin, dass bei Umsetzung
der trägerübergreifenden Behandlung und Rehabilitation von KJjE die Zeitachse zu
berücksichtigen ist. Es handelt sich hierbei um (1) den Übergang von der Jugendhilfe zum
Hilfesystem bei Erwachsenen, (2) die Störungsspezifität bei psychischen Beeinträchtigungen
im Kindes- und Jugendalter, (3) die speziellen Kontextfaktoren Schule, Familie und Peer
Groups sowie (4) die verschiedenen Einrichtungen, die an der Behandlung und
Rehabilitation von KJjE beteiligt sind. Zum anderen ergeben sich nicht unerhebliche
Schnittstellenprobleme daraus, dass die Beteiligten in verschiedenen „Rechtskreisen“
handeln, d. h. aus der Umsetzung des Rechts auf Förderung der Entwicklung und auf
Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit (§ 1 SGB
VIII) und der des Rechts auf Förderung von Selbstbestimmung und auf gleichberechtigte
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie auf Vermeidung von Benachteiligungen (§ 1
SGB IX). Da die Abgrenzung der Leistungen einzelner Versorgungssysteme selbst für
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Fachkräfte kaum zu überschauen ist, führt diese Situation in der Praxis dazu, dass die
Leistungen häufig nicht eingefordert werden oder ggf. zwar eingefordert, mangels
Koordination, Kooperation der Träger bzw. wegen fehlender Konvergenz der Leistungen
jedoch nicht realisiert werden, obwohl Leistungsbedarf besteht.
Leistungsoptimierung durch Konvergenz zwischen SGB VIII und
SGB IX
Um Übersichtlichkeit herzustellen, ist es zielführend, sich insbesondere mit zwei
Fallkonstellationen auseinander zu setzen: In der ersten Gruppe ist eine Diagnose ärztlich
oder vom approbierten Psychotherapeuten gestellt worden. In der zweiten Fallkonstellation
sind Auffälligkeiten bisher ausschließlich im Bereich der Schule oder der Jugendhilfe
aufgetreten, d. h., Maßnahmen sind getroffen worden, ohne dass eine medizinische
Diagnose (ICD-10) gestellt worden ist. Für beide Fallgruppen gibt dieses Positionspapier
Instrumente an die Hand, welche die trägerübergreifende Koordination von
Teilhabeleistungen verbessern können.
Dies ist hilfreich, da es zwischen den einzelnen Rehabilitationsträgern oft zu
Abgrenzungsschwierigkeiten kommt (vor allem zwischen den Leistungsträgern Jugendhilfe,
Sozialhilfe und gesetzliche Krankenversicherung). Dieses gilt insbesondere dann, wenn
Teilhabeleistungen in mehreren Behandlungs-/Entwicklungsphasen notwendig sind und
diese Leistungen aufeinander abgestimmt werden müssen.
Fallkonstellation 1
Begründet die psychische Störung des KJjE bereits Leistungen nach dem SGB V, ist in der
Regel der behandelnde Vertragsarzt/Krankenhausarzt derjenige, der den gesamten
Lebenshintergrund (somit die Kontextfaktoren) seines Patienten erfasst und den Anstoß für
eine rehabilitationsträgerübergreifende Teilhabebedarfsplanung geben kann. Er soll den
Betroffenen und ggf. seine Eltern über geeignete Leistungen zur Teilhabe beraten, im Fall
des Verdachts auf einen Bedarf an Leistungen zur Teilhabe bei der Antragstellung
Unterstützung geben oder Beratung durch eine gemeinsame Servicestelle oder eine
sonstige Beratungsstelle für Rehabilitation veranlassen (vgl. § 61 Abs. 1 SGB IX, § 4 Abs. 3
der Gemeinsamen Empfehlung „Frühzeitige Bedarfserkennung“ vom 16. Dezember 2004).
Außerdem kann der Arzt den Teilhabebedarf der GKV oder jedem anderen
Rehabilitationsträger mit Einwilligung des Betroffenen bzw. der Erziehungsberechtigten
melden (vgl. § 3 der Gemeinsamen Empfehlung zur Verbesserung der gegenseitigen
Information und Kooperation aller beteiligten Akteure nach § 13 Abs. 2 Nr. 8 und 9 SGB IX
vom 22. März 2004). Ergänzend hierzu ist anzumerken, dass der Arzt aus
datenschutzrechtlichen Gründen (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I) z. B. das Jugendamt nur
einschalten darf, wenn der betroffene Jugendliche (ab 15 Jahre im Rahmen des § 36 SGB I)
bzw. der gesetzliche Vertreter des Kindes/Jugendlichen dem ausdrücklich zustimmt. Eine
Ausnahme gilt allerdings bei Kindeswohlgefährdung (vgl. § 8a SGB VIII).
Unabhängig davon können sich auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung
Anhaltspunkte für einen möglichen Teilhabebedarf des Kindes/Jugendlichen ergeben (z. B.
durch Zwischenberichte bei Anträgen auf Verlängerung der Krankenhausbehandlung,
Entlassungs- oder sonstigen Arztberichten). In diesen Fällen prüft die gesetzliche
Krankenversicherung den Rehabilitations- und Teilhabebedarf (vgl. § 8 Abs. 1 SGB IX).
Hierzu bedient sie sich u. a. des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung. Ist
daraufhin ein Teilhabebedarf anzunehmen, so erfolgt in Abstimmung mit dem betroffenen
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Menschen und unter Beteiligung des behandelnden/verordnenden Arztes (ggf. auch der
Beratungsstelle) die Abklärung des Teilhabebedarfs (vgl. auch § 4 Abs. 1 der Gemeinsamen
Empfehlung zur Verbesserung der gegenseitigen Information und Kooperation aller
beteiligten Akteure nach § 13 Abs. 2 Nr. 8 und 9 SGB IX vom 22. März 2004). Wird bei der
Prüfung ein trägerübergreifender Teilhabebedarf festgestellt, so informiert der
verantwortliche Rehabilitationsträger (in der Regel die gesetzliche Krankenversicherung)
gemäß der unter Federführung der BAR erarbeiteten Gemeinsamen Empfehlung
„Teilhabeplan“ die anderen voraussichtlich zu beteiligenden Träger über die Absicht, einen
Teilhabeplan zu erstellen oder einen vorhandenen Teilhabeplan fortzuschreiben bzw.
anzupassen. Im Rahmen dieser Abstimmung informiert er die mitbeteiligten
Rehabilitationsträger über seine Vorstellungen zu geplanten Teilhabe- und
Rehabilitationsleistungen, macht also die für deren Mitwirkung notwendigen Angaben. Die
beteiligten Rehabilitationsträger i. S. des § 6 SGB IX (z. B. auch das Jugendamt) teilen
ihrerseits die eigenen Vorstellungen über die durchzuführenden Leistungen zur Teilhabe
unverzüglich dem verantwortlichen Rehabilitationsträger mit (vgl. §§ 3 und 6 der
Gemeinsamen Empfehlung „Teilhabeplan“). Dadurch können die Leistungen aufeinander
abgestimmt werden. (Für den Bereich der psychisch kranken Kinder/Jugendlichen wurde ein
zielgerichteter Teilhabeplan-Vordruck als Muster entworfen. Er und ein Erläuterungsblatt sind
im Anhang der Langfassung als Anlagen I bis III beigefügt.)
In der Praxis wirkt sich das Verfahren am Beispiel der gesetzlichen Krankenversicherung
und des Jugendamts wie folgt aus: Die gesetzliche Krankenversicherung (als aktuell
leistungserbringender Rehabilitationsträger) zeigt dem Jugendamt den Teilhabebedarf an.
Das Jugendamt prüft sein Leistungsspektrum und veranlasst entsprechende Maßnahmen
(z. B. Unterbringung in einem Jugenddorf). Der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde
Einrichtung, die Krankenkasse und das Jugendamt stimmen sich nun wegen eines nahtlosen
Übergangs der Leistungen und wegen des Trägerwechsels zügig ab. Sind gleichzeitig auch
z. B. Leistungen der Bundesagentur für Arbeit notwendig, wird dieser Leistungsträger
ebenfalls in den Teilhabeplan eingebunden. Die Abstimmung erfolgt dann zwischen drei
Rehabilitationsträgern. Mit diesem Procedere ist die Schnittstelle zwischen gesetzlicher
Krankenversicherung, Jugendhilfe und ggf. Bundesagentur für Arbeit überwunden. Aus
datenschutzrechtlichen Gründen (§ 35 SGB I) haben die Rehabilitationsträger dabei
besondere Vorschriften zu berücksichtigen. Dieses gilt insbesondere für die Anzeige des
Teilhabebedarfs beim anderen Rehabilitationsträger. In der Regel muss hier die
Einverständniserklärung eines Erziehungsberechtigten vorliegen.
Fallkonstellation 2
Treten bei einem Kind/Jugendlichen Auffälligkeiten auf, die (noch) nicht durch eine
medizinische Diagnose bestätigt sind, können nach § 3 der Gemeinsamen Empfehlung zur
Verbesserung der gegenseitigen Information und Kooperation aller beteiligten Akteure nach
§ 13 Abs. 2 Nr. 8 und 9 SGB IX Teilhabeleistungen durch unterschiedliche Beteiligte unter
Berücksichtigung
des
informationellen
Selbstbestimmungsrechts
und
der
datenschutzrechtlichen Bestimmungen angeregt werden. Zu diesen Personengruppen
gehören Ärzte und Angehörige von anderen Gesundheitsberufen, Beratungsstellen oder
sonstige Institutionen. Wenn diese eine (drohende) Behinderung wahrnehmen, sind
nichtärztliche Angehörige von Gesundheitsberufen zudem nach § 61 Abs. 2 SGB IX
verpflichtet, die Personensorgeberechtigten auf die Behinderung und auf die
Beratungsangebote durch Ärzte und Beratungsstellen für Rehabilitation hinzuweisen. Wird
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die Auffälligkeit von einem anderen als dem Arzt festgestellt, soll dieser gemäß § 3 der
Gemeinsamen Empfehlung den behandelnden Arzt informieren. Dieser prüft den
Teilhabebedarf und informiert über den sog. „Muster-Vordruck 60“ die Krankenkasse (vgl. §
6 Rehabilitations-Richtlinie). Hinsichtlich des weiteren Vorgehens im Detail zwischen den
Rehabilitationsträgern wird auf die Langfassung verwiesen.
Wie kommt es nun im Antragsverfahren nach § 35a SGB VIII zu einer Entscheidung?
Die Kontaktaufnahme mit der Jugendhilfe und Antragstellung erfolgt, wenn der
beeinträchtigte Jugendliche noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat und psychische
Störungen vorliegen.
Neben der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft kann die Jugendhilfe auch
•
•
•
für die medizinische Rehabilitation,
für heilpädagogische Leistungen etc. und
für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z. B. Einstieg in das Berufsleben)
zuständig sein.
Wenn ein Antrag vorliegt, erfolgt das Prüfverfahren in Verbindung mit § 14 SGB IX: Ist die
Zuständigkeit gegeben, beginnt die Sachverhaltsaufklärung ggf. unter Einbeziehung eines
Gutachtens. Erst wenn der Behandlungs- und Teilhabebedarf festgestellt worden ist, können
die Entscheidungsprozesse beim Jugendhilfeträger auf den Weg gebracht werden. Nach
einer Zwischenauswertung erfolgt entweder der Bewilligungsbescheid oder die Ablehnung.
Zeichnet sich eine Bewilligung ab, ist eine fachliche Stellungnahme einzuholen. Der
Bewilligung folgt die Erstellung eines Hilfeplanes. Wird zusätzlich eine geistige und/oder
körperliche Beeinträchtigung mit akutem Hilfebedarf diagnostiziert, so ist eine Prüfung der
vorrangigen Zuständigkeit des örtlichen/überörtlichen Sozialhilfeträgers gem. § 10 SGB VIII
notwendig. Für eine genauere Beschreibung der Abläufe wird auf die Langfassung und auf
deren Anhang verwiesen.
Schlussfolgerung
Die Schlussfolgerung ist, dass Betroffene und ihre Angehörigen die beklagten Probleme der
Versorgung von KJjE (nur) bei konsequenter Anwendung des geltenden Rehabilitations- und
Teilhaberechts eindämmen können. Da der Gesetzgeber den Rehabilitationsträgern mit dem
Leistungserbringungsrecht des SGB IX die gemeinsame Verantwortung sowohl für die
Gestaltung
der
Versorgungsinhalte, für die Gewährleistung
bedarfsgerechter
Versorgungsstrukturen als auch für die Steuerung des Rehabilitationsverfahrens zugeordnet
hat, sind insbesondere sie aufgerufen, ihren Pflichten zur Koordination und Kooperation,
aber auch zur Herstellung der Konvergenz der Leistungen nachzukommen. Diese Pflichten
werden insbesondere durch die von der Bundesrepublik Deutschland mit der Ratifikation der
UN-BRK eingegangenen Verpflichtungen gerade gegenüber psychisch kranken und geistig
behinderten Menschen (siehe insbesondere Art. 19 und 26 UN-BRK) ausdrücklich
unterstrichen.
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B. Langfassung
B.1 Ausgangslage
Im Folgenden wird die Ausgangslage aus epidemiologischer und klinischer Sicht sowie aus
Sicht der Leistungsträger beschrieben. Das Anforderungsprofil der Trägerübergreifenden
Behandlung und Rehabilitation von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen (KJjE)
mit psychischen Beeinträchtigungen wird vor dem Hintergrund folgender These dargestellt:
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit psychischen Störungen benötigen
Versorgungsstrukturen, die über Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung
hinausgehen und die Teilhabeleistungen der Jugendhilfe und anderer Rehabilitationsträger
einbeziehen.
B.1.1 Ausgangslage aus epidemiologischer und klinischer Sicht
M. Kölch, G. Lehmkuhl, H. Mayer und B. van Treeck
B.1.1.1 Epidemiologie psychischer Störungsbilder bei KJjE
Die steigenden Zahlen von Kindern, die von psychischen Störungen betroffen sind, stellen
neue Herausforderungen an Prävention, Behandlung und Rehabilitation in der kinder- und
jugendpsychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosomatischen Versorgung. Nach
den neuesten repräsentativen epidemiologischen Erhebungen in Deutschland durch das
Robert-Koch-Institut (KIGGS-Survey; www.kiggs.de) leiden ca. 6 % aller Kinder unter 18
Jahren unter einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung; weitere 22 % leiden unter
psychischen Auffälligkeiten (Ihle et al., 2002, 2004; Holling et al., 2007). Die
epidemiologischen Studien zeigen zudem einen Anstieg der kinderpsychiatrischen
Morbidität.
Kinder- und jugendpsychiatrische Störungen gehen auf eine multifaktorielle Ätiologie zurück.
So spielen eine gestörte Homöostase zwischen Resilienz- und Belastungsfaktoren,
genetische Faktoren, Bindungsstile sowie Sozialisationserfahrungen eine wichtige Rolle
(Kölch et al., 2008; Rutter et al., 2007; Schmidt et al., 2007, 2008; Wüthrich et al., 1997). Zu
den sozialen Risikofaktoren zur Entwicklung einer psychischen Störung gehören z.B.
psychische
Störungen
der
Eltern,
aktualisierte
Familienkonflikte,
niedriger
sozioökonomischer Status sowie dysfunktionale Abweichungen von der sog.
Standardfamilie. Bei Vorliegen von drei der aufgezählten Risikofaktoren zeigen 30,7% und
bei vier Risikofaktoren sogar 47,7% aller betroffener Kinder eine psychische Störung
(Meltzer et al., 2000, 2003). Kinder- und jugendpsychiatrische Störungen erschweren,
verzögern oder verhindern physiologische Entwicklungsschritte und können damit
Funktionseinschränkungen über die gesamte Lebensspanne hinweg zur Folge haben. Die
volkswirtschaftliche Last psychischer Gesundheitsprobleme und der Nutzen einer adäquaten
Behandlung, um die Folgekosten einzudämmen, sind gut belegt (Scott et al., 2001).
Das Grünbuch zur psychischen Gesundheit der Europäischen Kommission (2005) macht
deutlich, dass selbst eine überschaubare Anzahl von Kindern und Jugendlichen mit
behandlungsbedürftigen psychischen Störungen exponentiell steigende Ausgaben
verursacht. Auch in der Bundesrepublik entstehen Folgekosten im Bildungssystem, in der
Arbeitswelt, im Bereich der Justiz und vor allem an der Schnittstelle zur Jugendhilfe.
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B.1.1.2 Funktionsniveau, Kontextfaktoren und Störungsbilder
Die Behandlung und Rehabilitation von KJjE ist darauf ausgerichtet, ein verbessertes
psychosoziales Funktionsniveau aufzubauen (Kölch et al., 2007, 2008). Die International
Classification of Functioning, Disability and Health, ICF (2005) verwendet hierfür den
Aktivitäts- und Teilhabebegriff, dem es jedoch an Operationalisierung und
Standardisierungen für psychisch kranke Minderjährige fehlt. Die Auswirkungen psychischer
Störungen bei KJjE wirken sich insbesondere in den Bereichen der Familie, der Betreuungsund Ausbildungsstätten sowie im sozialen Umfeld (z.B. Peer Group) aus (vgl. Kölch 2007).
Um diesen Lebensraum zu beschreiben, hat die ICF den Begriff der Kontextfaktoren
eingeführt. Kontextfaktoren können sich bei der Bewältigung von psychischen
Beeinträchtigungen als Förderfaktoren oder als Barrieren auswirken. Aus diesem Grunde
kommt der Verfügbarkeit von Leistungen vor Ort bei KJjE eine besondere Rolle zu. Für KJjE
bedeutet Behinderung aufgrund einer psychischen Störung, dass sie am Absolvieren
altersgemäßer Entwicklungsschritte oder -aufgaben gehindert werden. Solche
Entwicklungsaufgaben können der Schulbesuch, die Integration in ein soziales Netz, aber
auch der Berufseinstieg mit dementsprechender Ausbildung sein. Für die Behandlung und
Rehabilitation haben somit die Schulen und die Übergänge von Schule zum Beruf eine
besondere Bedeutung. Bei einer Vielzahl von Störungen bei KJjE besteht die Gefahr einer
Chronifizierung. Das gilt insbesondere für psychisch kranke junge Erwachsene ohne
Schulabschluss, die einen besonderen Rehabilitations-/ Teilhabebedarf aufweisen. Wir
sehen, dass die Einschränkungen von Aktivität und Teilhabe bei KJjE durch psychische
Störungen insbesondere aus dem Blickwinkel der Kontextfaktoren Familie, Schule,
Ausbildungsstätte und den Peer Groups zu sehen ist.
Während die ICF die bio-psycho-sozialen Zusammenhänge aus dem Blickwinkel funktionaler
Einschränkungen klassifiziert, stellt die International Classification of Diseases der
Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) Symptome psychischer Störungen in den Mittelpunkt.
Seit ihrer Einführung 2005 stellt die ICF ein umfassendes Denkmodell dar, wie alle wichtigen
Faktoren, die erkrankte und behinderte KJjE betreffen, umfassend dargestellt werden
können. Die ICF und die ICD stehen komplementär zueinander, wobei Überlappungen
gegeben sind. So erfasst die ICD-10 innerhalb der multiaxialen Diagnostik (in Achse 6) in der
globalen
Beurteilung
des
psychosozialen
Funktionsniveaus
die
wichtigen
Beeinträchtigungen. Sie ist weniger differenziert als die ICF, hat aber den Vorteil, dass es
ICD-10-bezogen Publikationen zu den Funktionsniveaus gibt. Die ICF erfasst so genannte
mentale Funktionsschädigungen; die Items weisen durchaus Parallelen zur Symptomebene
der ICD auf.
In der Übergangsphase, in der es für die ICF keine validen Studien gibt, die die
Teilhabestörungen bei KJjE innerhalb der Kinder- und Jugendpsychiatrie beschreiben, macht
es Sinn, die Achse 6 der ICD-10 zu verwenden. Für die Zukunft ist allerdings das gültige
Recht zu berücksichtigen: Der Gesetzgeber schreibt in § 10 SGB IX für die Leistungen zur
Teilhabe und Rehabilitation vor, dass der individuelle Leistungsbedarf „funktionsbezogen“,
d. h., orientiert an der ICF festzustellen ist. Dies gilt nach § 27 SGB IX nicht nur für
Leistungen zur Rehabilitation der Krankenversicherung, sondern ausdrücklich auch bei
Leistungen der Krankenbehandlung. Danach ist zumindest innerhalb der Rehabilitation die
Vorgabe klar, dass die Teilhabestörung im Vordergrund steht. Um die Anwendung der ICF
möglich zu machen, sind verschiedene Institutionen tätig, so genannte ICF Core Sets zu
entwickeln und in Studien zu validieren.
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Die WHO hat eine ICF-Checkliste herausgegeben (www.dimdi.de), deren Teile 2 und 3 im
Rahmen der Feststellung des individuellen Bedarfs an Rehabilitations- und
Teilhabeleistungen als Mindestanforderungen im Sinne eines Assessments zur
Identifizierung von Beeinträchtigungen der Aktivitäten und Leistungen bzw. beeinflussender
Umweltfaktoren gelten können. Bisher besteht die Schwierigkeit, dass Validierungsstudien
zur Anwendung der ICF bei psychischen Störungen in keiner hinreichenden Form vorliegen.
Eine Adaption der ICF für Kinder und Jugendliche liegt erst seit 2007 in englischer Sprache
vor. Änderungen wurden insbesondere in Bezug auf die Spezifizierung einiger Items
vorgenommen (vgl. Kelley & Bering, 2011). Hierbei musste insbesondere die Frage der
adäquaten Entwicklung von KJjE berücksichtigt werden, so dass bis zum aktuellen Zeitpunkt
nur vereinzelte Arbeiten zur Validierung vorliegen.
Im Folgenden werden daher einige psychische Störungen nach ICD-10 aufgeführt, die nach
den Leitlinien zur Diagnostik und Therapie psychischer Störungen im Säuglings-, Kindesund Jugendalter (2007) eine besondere klinische und epidemiologische Relevanz haben und
Teilhabestörungen begründen:
Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (F1)
Hierbei handelt es sich um eine Gruppe verschiedener Störungen, deren Schweregrad von
einer akuten Komplikation und schädlichem Gebrauch von Substanzen bis hin zu
psychotischen Störungen oder schweren Abhängigkeitssyndromen reicht. Die aufgrund der
Teilhabestörungen meist notwendige Rehabilitationsbehandlung soll sich möglichst eng an
die vorausgegangenen Entzugsbehandlungen anschließen. Wichtige therapeutische Ziele
sind die Erarbeitung von Strategien zur Erreichung der Abstinenz, die schulische bzw.
berufliche Teilhabe und die soziale (Re)-Integration.
Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen (F2)
Bei der Early-Onset-Schizophrenia liegt der Beginn der Erkrankung vor dem 18. Lebensjahr,
bei der Very-Early-Onset-Schizophrenia sogar vor dem 13. Lebensjahr. Prognostisch
ungünstig ist ein früher Krankheitsbeginn mit Chronifizierungstendenz, wobei wegen des
komplizierten und häufig chronisch werdenden Verlaufs integrative Behandlungsprogramme
immer erforderlich sind. Viele Patienten sind nach Abschluss der stationären
Akutbehandlung sowie der anschließenden teilstationären oder rehabilitativen Versorgung
weiterhin von psychischer Behinderung bedroht. In der Regel ist dann eine
Wiedereingliederungshilfe nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) erforderlich,
die auch über das 18. Lebensjahr hinaus reicht.
Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen (F4)
Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen beruhen in der Regel auf Konflikten,
reaktiven
Belastungsmomenten
oder
speziellen
Varianten
individueller
Abwehrmechanismen. Zu dieser Gruppe gehören phobische Störungen (F40), Angst- (F41),
Zwangs- (F42), Belastungs- und Anpassungsstörungen (F43), sowie dissoziative (F44) und
somatoforme Störungen (F45). Für KJjE haben diese Störungen insbesondere eine große
Bedeutung in der ambulanten Versorgung.
Essstörungen (F 50.0)
Ein hoher Anteil der im Jugendalter beginnenden Essstörungen chronifiziert. Aus diesen
Gründen sind Rehabilitations- bzw. Teilhabeleistungen in jenen Fällen erforderlich, in denen
ambulante oder stationäre Krankenbehandlung nicht zu einer ausreichenden Stabilisierung
11
der Symptomatik und der Lebenssituation führt und keine Reintegration in das Lebensumfeld
ermöglicht, welches vor Beginn der Erkrankung bestand.
Persönlichkeitsstörungen (F60, F61)
Auch wenn die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung in der Adoleszenz aufgrund der noch
vorhandenen Entwicklungspotentiale zurückhaltend gestellt werden sollte, liegt doch ein
deutliches Kontinuum zwischen dem Verhaltensmuster in Kindheit und Jugend und dem des
Erwachsenenalters vor, so dass aus klinisch-praktischen Erwägungen die Diagnose einer
Persönlichkeitsstörung in der späten Adoleszenz durchaus sinnvoll ist. Insbesondere bei
chronifizierten, die Entwicklung massiv beeinträchtigenden Verläufen sind Jugendhilfe- und
Rehabilitations-/Teilhabemaßnahmen stets indiziert.
Hyperkinetische Störung (F90.0)
In Abhängigkeit von Schweregrad und Verlauf sind bei ausgeprägten Hyperkinetischen
Störungen neben Krankenbehandlung auch langfristige Hilfen notwendig, die eine
Kooperation mit der Jugendhilfe nötig machen und die Hilfe zur Erziehung bzw.
Eingliederungshilfe entsprechend § 27 bzw. § 35a nach SGB VIII erfordern. Liegen darüber
hinaus noch weitere komorbide Störungen vor, z. B. im Sinne von affektiven oder
Persönlichkeitsstörungen, so sind spezifische Rehabilitations-/Teilhabeleistungen indiziert,
um Belastungs- und Berufsfähigkeit zu gewährleisten.
Darüber hinaus sind komorbide psychische Störungen bei einfachen und komplexen
Behinderungen zu berücksichtigen. Exemplarisch sei hier auf schwere Hörschädigungen
eingegangen, die eine Hochrisikogruppe für psychische Störungen darstellt. Prävalenzraten
psychiatrischer Störungen schwanken von 15 - 54 % und sollen 33 - 42,2 % unter Schülern
in Hörgeschädigtenschulen betragen (Übersicht bei Jahn und Schepker, 2002). Hintermair
(2005) kommt in einer Studie mit Müttern (N=213) und Vätern (N=213) von Kindern in
deutschen Hörgeschädigtenschulen zu einer 2.5fach erhöhten Prävalenzrate psychischer
Störungen. Im Bereich der emotionalen Probleme zeigt sich sogar eine 4.3fache Erhöhung
der Prävalenz. Ein weiterer relevanter Bereich ist der sexuelle Missbrauch von
hörgeschädigten Kindern und Jugendlichen. Nach internationalen Studien liegt die
Schätzung zum Ausmaß sexueller Gewalt an gehörlosen Mädchen und Jungen bei ca. 50%
bzw. ca. 40 % (s. Dietzel, 2004).
Hinweis: In den Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im
Säuglings-, Kindes- und Jugendalter (DGKJP, 2007) findet sich ein eigenes Kapitel zur
Rehabilitation. Neben einer Definition psychosozialer Rehabilitation im Kindesalter werden
die entsprechenden diagnostischen Maßnahmen nach der ICF dargestellt. Darüber hinaus
wird in der Leitlinie eine multiaxiale Bewertung vorgenommen, sowie alterspezifische
Hinweise für Leistungen zur Teilhabe im Vorschulalter, Schulalter und nach abgeschlossener
Schulzeit und Berufsschulpflicht. Darüber hinaus finden sich Hinweise auf Einrichtungen,
Kostenträger und Antragstellung, speziell für das Kindes- und Jugendalter, sowie
Besonderheiten bei der ambulanten schulischen sowie stationären medizinischen
Rehabilitation.
B 1.1.3 Bedarfe / Behindertenorientierung
Ein wesentliches Merkmal einer demokratischen, solidarischen und freiheitlichen
Gesellschaftsordnung ist die Inklusion ihrer Bürger. Zur Behindertenorientierung wird im 13.
Kinder- und Jugendbericht (BMFSFJ, 2009) aus Sicht der Bundesregierung explizit Stellung
12
genommen. Das inklusive Aufwachsen in der Gemeinde (Community Care) und eine
individuell benötigte Unterstützung (Supported Living) sind Herausforderungen, welche die
Verpflichtung und Aufgabe einer sozialen Gemeinschaft, alle Menschen in vergleichbarer
Weise von Geburt an bis ins Alter am Leben in allen gesellschaftlichen Bereichen aktiv zu
beteiligen, begründet.
Zahlreiche empirische Befunde (Gularnik, 2001; Sarimski, 2008) zur Entwicklung von
Kindern mit Behinderungen zeigen, dass diese in inklusiven Settings Stärken im Bereich der
Kompetenzentwicklung aufbauen, die sich in vielen Bereichen (unter anderem sprachlich,
kognitiv, soziale Kontakte betreffend etc.) feststellen lassen. Dies gilt auch unabhängig vom
Schweregrad der Behinderung. Inklusion bedeutet also Bereicherung und Beanspruchung
für beide Seiten, ebenso wie Teilhabe allen Abhängigkeitsstrukturen und der Isolation
widerspricht.
Es sind die besonderen Bedarfe zur Behandlung von psychischen Störungen bei komplexen
Behinderungen zu berücksichtigen. Derzeit gibt es z. B. nur sehr wenige ambulant
psychotherapeutisch Tätige mit Gebärdensprachkompetenz, deren Kapazitäten jedoch
bereits ausgelastet sind. In der Behandlung von gemischt hörend-gehörlosen Systemen ist
zudem der Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern erforderlich, deren Kosten aufgrund
des SGB IX von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen werden müssen.
Durch den Einsatz von Dolmetschern wird die problematische Doppelrolle des
Behandelnden als Therapeut und Dolmetscher verhindert.
Die Prozesse eines Supported Living von Menschen mit Behinderung in Familie, Schule, am
Arbeitsplatz und in der Freizeit stehen demnach solange kritisch auf dem Prüfstand, solange
nicht gesichert ist, dass die spezifische Bedürfnis- und Fähigkeitsstruktur jedes einzelnen
Menschen mit Behinderung darin Berücksichtigung findet und die Betroffenen dies in einem
fortlaufenden Dialog thematisieren, der für sie relevant ist. An diesen Vorgaben zur
Behindertenorientierung muss sich der Ist-Zustand unseres Systems von Rehabilitation und
Leistungen zur Teilhabe von KJjE messen lassen. Studien zur Bestandsaufnahme der
psychischen Gesundheit in Europa belegen, dass europaweit jährlich 31,1 % der
Bevölkerung an psychischen Störungen leiden (Berger et al., 2005). Die Mehrheit der
psychischen Störungen hat ihren Beginn in der Kindheit oder im Jugendalter. Nur eine
Minderheit der psychisch kranken Menschen erhält eine adäquate leitliniengerechte
Behandlung. Defizite bestehen kurativ vor allem im Bereich der ambulanten fachärztlichen
Versorgung. Bei vielen Patienten mit unbehandelten psychischen Störungen chronifizieren
diese und entwickeln sich Beeinträchtigungen der Teilhabe und ihrer Aktivitäten. Bei der
Mehrzahl psychisch kranker Menschen ist zumindest temporär vom Vorliegen einer
seelischen Behinderung und einem Bedarf an Rehabilitationsleistungen auszugehen. In der
Folge kommt es bei psychischen Beeinträchtigungen bei KJjE zu gestörter Lernfähigkeit,
unzureichender sozialer Entwicklung und zu einer negativ beeinflussten schulischen
Entwicklung sowie zu Beeinträchtigungen der Teilhabe am Arbeitsleben. Fehlende
frühzeitige Hilfen in funktionierenden und vernetzten Hilfesystemen behindern die
Entwicklung in Richtung eines selbstbestimmten Lebens mit Teilhabe an allen für KJjE
wichtigen Lebensbereichen. Der Hilfebedarf kann sich dabei z. B. in der Familie, in der Peer
Group und/oder in der Schule bzw. im Lehrbetrieb manifestieren.
Aufgrund des sektorisierten Versorgungssystems gibt es vielfältige Überschneidungen in den
Tätigkeitsbereichen der verschiedenen Fachdisziplinen, Leistungsangebote und
Leistungsträger und damit verbunden Abgrenzungsprobleme. Störungen in der
13
Kommunikation und nicht ausreichende Kooperation zwischen Institutionen, aber auch
konkurrierende Einrichtungs- bzw. Trägerinteressen erschweren eine bedarfsgerechte
Erbringung von Leistungen zur Teilhabe bzw. die kurative Behandlung.
Aufgrund der Komplexität von psychischer Störungen bei KJjE ist es notwendig, die Akteure
in Pädiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie -psychotherapie, Erwachsenenpsychiatrie
und -psychotherapie, Jugendhilfe, Schule und Familie sowie medizinischer, beruflicher und
sozialer Rehabilitation bedarfsgerecht in einer effektiven Versorgungsplanung so
zusammenzuführen, dass KJjE nicht zwischen den beteiligten Institutionen hin und her
gereicht werden oder Behandlungen bzw. Teilhabeleistungen gar ganz unterbleiben. Es
besteht Handlungsbedarf in Bezug auf eine verbesserte regionale Zusammenarbeit in
Netzwerken, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen mit komplexen Störungen in
akuten Krisen und Notsituationen. Damit das funktionieren kann, bedarf es der Entwicklung
von kriteriengeleiteten, trennscharfen Definitionen der einzelnen Leistungen. Derzeit gibt es
viele Unschärfen und Überschneidungen, die eine Vernetzung der Behandlungsmodule
erschweren und die im Einzelfall sogar verhindern, dass ein zuständiger Leistungsträger
gefunden werden kann.
B.1.1.4 Behandlung / Rehabilitation in psychiatrischen Kliniken für KJjE
Aktuell wird die kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung der skizzierten Störungsbilder
in Deutschland nach dem Postulat „ambulant vor stationär“ mit mehr als 700 Praxen für
Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie geleistet. Durch das Modell der
sozialpsychiatrischen Praxen auf der Basis der so genannten Sozialpsychiatrie-Vereinbarung
kann ein Arzt mit qualifizierten Mitarbeitern sein Versorgungspotential mindestens
verdreifachen. Trotzdem ist die ambulante Versorgung der psychisch kranken KJjE noch
längst nicht ausreichend, bzw. regional sehr unterschiedlich entwickelt. Auch die Anzahl der
Plätze im stationären Bereich ist äußerst inhomogen verteilt. Zudem bestehen regional
bedingte
Versorgungslücken
für
besondere
Patientengruppen
(z. B.
Abhängigkeitserkrankungen, forensische zu behandelnde Patienten, chronisch schwer
psychiatrisch Erkrankte z. B. mit Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis etc.).
Wohnortnahe medizinische Rehabilitationseinrichtungen für psychisch kranke KJjE gibt es
kaum.
Gleichzeitig
ist
festzustellen,
dass
in
den
vergangenen
Jahren
die
Krankenhausbehandlungsdauer bei stationären Patienten dramatisch sinkt, von früher ca.
150 Tagen auf jetzt ca. 40 Tage. Bei einigen Störungen lässt sich durch verbesserte
ambulante Maßnahmen zwar eine stationäre Behandlung ohne Nachteile für Patienten
verkürzen. Bei einem kleineren Teil ist aber dieser Abfall der Behandlungsdauer mit einem
„Drehtüreffekt“ verbunden, also vermehrten Phasen der Rehospitalisierung. Die Indikation für
kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung erfordert in den meisten Fällen eine
Planungsvoraussicht, die weit über den stationären Aufenthalt hinaus geht, aber auch im
Bereich der ambulanten Behandlung eine Vernetzung mit anderen Hilfestrukturen
erforderlich macht. Es werden bei vielen Patienten langfristige Planungen nötig, die auch den
rehabilitativen Bereich einschließen. Es besteht ein großer Bedarf an rehabilitativen
Jugendhilfeleistungen – zwischen 11 und 25% der stationär kinder- und jugendpsychiatrisch
behandelten Patienten brauchen im Anschluss an ihren Aufenthalt in der kinder- und
Jugendpsychiatrie eine stationäre Jugendhilfemaßnahme (Presting et al., 1998).
14
Die Informationen zur Beschreibung des Aufgabenbereiches und des Stellenwerts der
stationären Rehabilitation sind in Textauszügen aus den Leitlinien pädiatrische Rehabilitation
entnommen (vgl. Stationäre Rehabilitation in der Psychiatrie, Psychosomatik und
Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter, im Folgenden AWMF, 2010). Es erscheint eine
Gegenüberstellung der Krankenhausbehandlung mit der Rehabilitation sinnvoll, weil
zunehmend KJjE in Rehabilitationskliniken aufgenommen werden, die einen
akutmedizinischen Behandlungsbedarf aufweisen.
Krankenhausbehandlung
Krankenhausbehandlung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und
Psychosomatik umfasst auf der Grundlage einer umfassenden multiaxialen Diagnostik einen
ärztlich geleiteten Gesamtbehandlungsplan, der individuell auf den Patienten und seine
Störung abgestimmt ist und im Behandlungsprozess regelmäßig überprüft und modifiziert
wird. Darin werden sowohl ärztlich-psychotherapeutische als auch die Maßnahmen des
multiprofessionellen Teams geplant, inklusive der Beiträge des kinder- und
jugendpsychiatrisch geschulten pädagogisch-pflegerischen Personals. Leistungsträger von
Krankenhausbehandlung sind nach § 39 SGB V die Krankenkassen oder bei nicht
Versicherten die örtliche Sozialhilfe. Der Anspruch auf Leistungen begründet sich durch
Einweisung eines niedergelassenen Arztes oder notfallmäßige Aufnahme und Diagnose des
aufnehmenden Arztes sowie Aufnahmemitteilung des Krankenhauses.
Rehabilitation
Es gibt bei KJjE eine gleichrangige Zuständigkeit der GKV und der Rentenversicherung als
Träger von Rehabilitationsleistungen. Die Leistungszuständigkeit der Rentenversicherung für
Kinder von rentenversicherten Eltern nach § 31 Abs. 1 Ziffer 4 SGB VI setzt voraus, dass
durch die Heilbehandlung voraussichtlich eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit
beseitigt oder eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt
werden kann (medizinische Voraussetzungen). Nach § 40 Abs. 2 SGB V werden stationäre
Rehabilitationsbehandlungen für Kinder in der gesetzlichen Krankenversicherung bewilligt,
wenn eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht und eine ambulante
Rehabilitationsbehandlung nicht möglich oder hinreichend zielführend ist. Die stationäre
Rehabilitationsbehandlung verfolgt das Ziel, einer drohenden Behinderung vorzubeugen, sie
nach Eintritt zu beseitigen, zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Sie schließt
auch Behandlungsmaßnahmen ein, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Bei den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation handelt es sich immer um Formen
rehabilitativer Behandlung mit umschriebener Behandlungsdauer, die sich im Wesentlichen
nur in der Frage des Leistungsträgers unterscheiden. Sie können somit gleichermaßen in
gemeinsamen Gruppen- und Behandlungsstrukturen in den Rehabilitationskliniken
durchgeführt werden.
Nachbetreuung in einem regionalen Netzwerk
Kliniken, speziell Kinderkliniken, egal ob pädiatrische, kinder- und jugendpsychiatrische oder
sozial- pädiatrische Einrichtungen, sind in einem ständigen Entwicklungsprozess begriffen,
der sich an den Bedürfnislagen der aufgenommenen Patienten, an regionalen
Besonderheiten in der Versorgung und den Möglichkeiten des Gesundheitsmarktes
orientiert. Das können Akutkliniken sein, ebenso Rehabilitationskliniken, Sozialpädiatrische
15
Zentren oder auch Zusammenschlüsse von niedergelassenen Ärzten mit Institutionen des
Gesundheitswesens. Idealerweise arbeiten Akutpsychiatrie und psychiatrische Rehabilitation
mit Tagesklinik und Ambulanz in einem Zentrum zusammen. Wenn dies ein regionales
Zentrum ist, sollte der Einzugsbereich mindestens 30 km erfassen. Völlig anders sind die
Voraussetzungen in Ballungsräumen, wo Wettbewerb und in der Regel ausreichende
alternative Möglichkeiten den Markt bestimmen. Das Konzept, das einem Zentrum für
Kinder, Jugendliche und Familien zu Grunde liegen kann, hat zwei Schwerpunkte:
Die Versorgung von KJjE in interdisziplinären Kooperationen an einem Zentrum, das
wiederum mit anderen, für die Versorgung wesentlichen Fachdiensten regional und
überregional zusammenarbeitet.
Der Aufbau von Versorgungsformen in einer Region (nicht in Ballungsräumen) in Prävention,
Kuration, Rehabilitation über Sektorengrenzen hinaus.
Im Mittelpunkt der Versorgung stehen drei Bereiche: Prävention, Kuration und Rehabilitation.
Alle Bereiche sind einem öffentlichen Markt überlassen, der dazu führt – wie es bereits im
13. Kinder und Jugendbericht (2009) veröffentlicht wurde – dass es eine Menge an
Angeboten bundesweit gibt, diese häufig aber nicht vernetzt, oft nicht langfristig finanziert
und nur selten im Outcome wissenschaftlich evaluiert sind. Trotzdem sollte es in einer
Region möglich sein, die wichtigsten Versorgungsaufgaben aufzulisten, mit den Anbietern in
Kontakt zu treten, um zu versuchen, Angebot und Abläufe zu strukturieren. Im Vordergrund
sollten dabei – wie bei allen institutionellen Hilfsangeboten für Kinder und Jugendliche – die
Erkenntnisse aus dem Gesundheits-Survey (KIGGS-Survey; www.kiggs.de) stehen. Dies
betrifft neben der Zunahme eher somatisch-chronischer Erkrankungen (zum Beispiel
Adipositas, Asthma bronchiale, Neurodermitis) vor allem die Zunahme psychischer und
psychosomatischer Krankheitsbilder.
Der Aufbau eines integrativen Konzeptes für die Versorgung einer Region bedeutet, dass es
in einer Einrichtung Übergänge zwischen den einzelnen Bereichen gibt. In der Regel ist bei
Aufnahme des Patienten in die Fachklinik klar, welcher Station er zugeordnet wird, dennoch
sind bei individuellem Bedarf klare Übergänge möglich. Ein Patient kann von der Tagesklinik
(Kinder- und Jugendpsychiatrie) in die Reha-Klinik wechseln, ein Patient kann aus der RehaKlinik in die Ambulanz (Kinder- und Jugendpsychiatrie) wechseln. Bei Notwendigkeit können
Übergänge auch zwischen Heimatschule und Krankenhausschule stattfinden. Ebenso kann
der Patient außerhalb des Zentrums in kooperierenden Institutionen weiter betreut werden.
Kooperationen bestehen dabei mit Schulen, mit der Jugendhilfe, mit Beratungsstellen und
mit Fachtherapeuten, die sich regelmäßig in Fort- und Weiterbildungen passend zum
Konzept beraten und schulen. Für Jugendliche und junge Erwachsene kommen hierfür auch
die Berufsförderungswerke und die Berufsbildungswerke in Frage.
Insgesamt ist ein sehr umfangreicher Informationsaustausch notwendig, der sinnvolle
Abläufe sicherstellt. Berücksichtigt wird in diesem Zusammenhang auch ein effektiver
Personaleinsatz: Personelle Ressourcen werden integrativ geplant und deren Einsatz, auch
aus wirtschaftlichen Gründen, kontrolliert. Gemeinsamer Austausch von Information sowie
gemeinsame Fort- und Weiterbildungen der Kooperationspartner können den Einstieg bilden
und
die
Strukturen
eines
hoch
leistungsfähigen
Netzwerks
fördern.
16
B.1.2 Ausgangslage aus Sicht der Leistungsträger
G. Krug, H. D. Schilson, U. Theißen, B. van Treeck und S. Wurm
An der Behandlung und Rehabilitation von KJjE sind in unserem gegliederten System
unterschiedliche Leistungsträger beteiligt. Im Verhältnis zur Behandlung Erwachsener gibt es
Parallelen aber auch grundsätzliche Unterschiede hinsichtlich der Zuständigkeit von
Rehabilitationsträgern. Analog zur Hilfe für Erwachsene ist – bei Teilhabebedarf immer in
Verbindung mit dem SGB IX – bei KJjE die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für
Leistungen nach dem SGB V und die Gesetzliche Unfallversicherung für das umfassende
Leistungsspektrum bei Arbeits- und Wegeunfällen nach dem SGB VII zuständig. Die
Rentenversicherungsträger sind für KJjE im Rahmen der Kinderheilbehandlung nach § 31
Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI zuständig, wenn diese Leistungen über rentenversicherte
Eltern beantragt werden. Abweichungen von der Leistungsträgerschaft bei Erwachsenen
leiten sich für KJjE mit psychischen Störungen aufgrund von rechtlichen Besonderheiten aus
dem SGB VIII ab: Gemäß § 35a SGB VIII haben seelisch behinderte KJjE und solche, die
von einer seelischen Behinderung bedroht sind, einen Anspruch auf Eingliederungshilfe zur
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. In den Fällen, in denen zur psychischen Störung eine
geistige und/oder eine körperliche Behinderung hinzu treten, sind die Zuständigkeiten
unterschiedlicher Rehabilitationsträger abzugrenzen. Im Folgenden werden die Leistungen
der Jugendhilfe am Beispiel der Versorgungsstrukturen in NRW beleuchtet und es wird das
Bild der Ausgangslage aus Sicht der Kranken- und Rentenversicherung sowie der
Bundesagentur für Arbeit (BA) dargestellt.
B.1.2.1 Jugendhilfeträger
Die öffentliche Jugendhilfe als Rehabilitationsträger leistet für KJjE Eingliederungshilfe nach
§ 35a SGB VIII, wenn eine seelische Behinderung droht oder besteht, die eine Abweichung
vom lebensalterstypischen Zustand von mehr als 6 Monaten bedeutet und die Teilhabe am
Leben in der Gemeinschaft beeinträchtigt ist. Für junge Volljährige ist die Hilfe in Verbindung
mit dem § 41 SGB VIII (Hilfe für junge Volljährige) zu gewähren. Darüber hinaus wird seit
Einführung des SGB IX am 01.07.2001 die Hilfe in Verbindung mit dem § 14 SGB IX
erbracht.
Die Jugendhilfe bietet Hilfen im ambulanten sowie im teil- und vollstationären Rahmen für
u. a. psychisch beeinträchtigte Kinder, Jugendliche und junge Volljährige an. Diese dürfen
jedoch bei der Erstantragstellung das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Im
Folgenden ist dazu Tabelle 1 zusammengestellt, die ambulante, teil- und vollstationäre Hilfen
aufführt.
17
Tabelle 1: Ambulante und Teil-/ Vollstationäre Hilfen nach § 35a SGB VIII.
A. Ambulante Hilfen
Hilfe:
Personenkreis
Ergänzende Erläuterungen
Erziehungsbeistandschaft
Kinder und Jugendliche
Hilfe für Eltern/leichtes
Störungsbild
Soziale Gruppenarbeit
Kinder und Jugendliche/ junge Hilfe für das Kind,
Volljährige in seltenen Fällen
Jgdl./vorrangiger Altersbereich
bis 13 Jahre/leichtes
Störungsbild
Tagesgruppen
Kinder und Jugendliche
vorrangiger Altersbereich bis 13
Jahre/leichtes bis mittleres
Störungsbild
Integrative
Kindertageseinrichtungen
Kinder im Kindergartenalter
alle Störungsbilder
Betreutes Wohnen in einer
eigenen Wohnung über flexible
Stundenangebote
Jugendliche und junge
Volljährige
keine oder nur minimale
medizinische
Behandlungsbedürftigkeit, hoher
Grad an Selbständigkeit ist
Voraussetzung
Heilpädagogische Angebote
Kinder/Jugendliche/junge
Volljährige
Der Personenkreis lebt entweder
im Elternhaus bzw. in
Einrichtungen, die kein eigenes
heilpädagogisches Angebot
haben
Hilfe:
Personenkreis
Ergänzende Erläuterungen
Betreutes Wohnen
ältere
Wohnraum ist i.d.R Eigentum
der Einrichtung/ ggf. eigene
Wohnung
B. Teil- und vollstationäre Hilfen
Jugendliche/Volljährige
Fünf-Tagesgruppe
Angebot meist nur für jüngere
Kinder
Leichtes bis mittleres
Störungsbild
Sozialpädagogische
Lebensgemeinschaften
Pflegefamilien/Kinder und
Jugendliche
Leichtes bis mittleres
Störungsbild, Gruppenkontext
kontraindiziert
Unterbringung in Einrichtung der
Jugendhilfe mit spezifischem
Angebot für seelisch
Beeinträchtigte
Kinder/Jugendliche und junge
Volljährige
alle Grade an Störungsbildern;
ggf. auch sehr hoher
Betreuungsbedarf
Der Antrag auf Hilfe gemäß § 35a SGB VIII kann mündlich oder schriftlich gestellt werden.
Derzeit erhalten z. B. in NRW ca. 6.800 Kinder, Jugendliche und junge Volljährige
Eingliederungshilfe durch die Jugendhilfe aufgrund einer zumindest drohenden seelischen
Behinderung. In den letzten 5 Jahren sind die Fallzahlen pro Jahr kontinuierlich um ca. 10%
angestiegen. In ca. 75% der Fälle werden ambulante Hilfen gewährleistet. Bei den
betroffenen Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen wurden vorrangig folgende
Störungsbilder diagnostiziert: ADS, ADHS, Autismus, Psychosen, Persönlichkeitsstörungen,
Phobien, Essstörungen und Suchterkrankungen. Parallel zum Anstieg der kinder- und
jugendpsychiatrischen Morbidität zeigt sich, dass die Dauer der Maßnahmen auch im
Bereich der Jugendhilfe sinkt. Die Diskussionen um den § 35a, die „Kostenexplosion“ und
18
Fragen der Standardisierung der Einschätzung von Teilhabebeeinträchtigungen haben
deutlich gemacht, dass auch im Bereich der Jugendhilfe Allokationsfragen wichtiger werden
(Fegert et al., 2007).
Die Umsetzung der Jugendhilfe unterliegt allerdings lokalen Besonderheiten, so dass von
sehr unterschiedlichen Gegebenheiten im Bundesgebiet auszugehen ist. Die Dunkelziffer der
Fälle, die Leistungen erhalten, wie auch derer, die Leistungen beantragen könnten, ist
schwer einzuschätzen.
B.1.2.2 Gesetzliche Krankenversicherung
Im Leistungsrecht der Gesetzlichen Krankenversicherung finden sich die Grundsätze des
Vorrangs von ambulanter vor stationärer Hilfe, von Rehabilitation vor Pflege sowie das
Prinzip „vorbeugen vor heilen“.
Im Einzelnen kennt das SGB V folgende Leistungen:
•
•
Ambulante kurative ärztliche Behandlung, auch vertragsärztliche Behandlung genannt
(einschließlich
Maßnahmen
der
psychosomatischen
Grundversorgung
und
Arzneimitteltherapie, z.B. mit Psychopharmaka),
Ambulante Richtlinien-Psychotherapie
Psychotherapeutische Maßnahmen können zu Lasten der Krankenversicherung im
Grundsatz nur durch approbierte Ärzte und Psychologen mit einer psychotherapeutischen
Zusatzausbildung in einem anerkannten Psychotherapieverfahren durchgeführt werden. Die
Gegebenheiten zur Indikation und Durchführung von Psychotherapie sind in der Richtlinie
des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie
(Psychotherapie-Richtlinie), in Kraft getreten am 10.12.2009, geregelt.
•
Heilmittel – Ergotherapie – Physiotherapie
Zu den Heilmitteln gehören die so genannten therapeutischen Dienstleistungen. Von
besonderer Bedeutung für psychisch Kranke ist hierbei die Beschäftigungs- und die
Arbeitstherapie (Ergotherapie). Daneben gibt es die psychisch-funktionelle Behandlung
durch Ergotherapeuten. Sie dient der gezielten Therapie krankheitswertiger Störungen der
psychosozialen und sozioemotionalen Funktionen und den daraus resultierenden
Fähigkeitsstörungen. Sie umfasst insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung und
Stabilisierung der psychischen Grundleistungsfunktionen wie Antrieb, Motivation,
Belastbarkeit, Ausdauer, Flexibilität und Selbstständigkeit in der Tagesstrukturierung, aber
auch die Förderung von sozialen Kompetenzen sowie die Verbesserung von Selbst- und
Fremdwahrnehmung. Die Verordnung von Ergotherapie kann bei der Erstverordnung und
zwei Folgeverordnungen jeweils maximal zehn Einheiten umfassen. Darüber hinaus ist bei
psychischen Störungen auch eine Langfrist-Verordnung möglich, die aber eine
weiterführende psychiatrische Diagnostik voraussetzt.
•
Häusliche Krankenpflege (einschließlich der häuslichen Krankenpflege psychisch
Kranker) und Ambulante Soziotherapie
Soziotherapie erhalten gemäß § 37a SGB V Versicherte, die wegen schwerer psychischer
Erkrankung nicht in der Lage sind, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen
selbstständig in Anspruch zu nehmen. Ein Anspruch auf Soziotherapie besteht, wenn
dadurch Krankenhausbehandlung vermieden bzw. verkürzt wird oder wenn die gebotene
Krankenhausbehandlung nicht ausführbar ist. Die Soziotherapie umfasst die im Einzelfall
19
erforderliche Koordinierung der verordneten Leistungen sowie Anleitung und Motivation zu
deren Inanspruchnahme. Der Anspruch besteht für höchstens 120 Stunden innerhalb von
drei Jahren je Krankheitsfall.
•
•
•
•
Haushaltshilfe,
Teilstationäre und stationäre Krankenhausbehandlung (sofern ambulante Behandlung
nicht ausreicht und nicht Teilhabeziele im Vordergrund stehen),
Behandlung in Psychiatrischen Institutsambulanzen,
Behandlung
gemäß
den
Sozialpsychiatrievereinbarungen
in
Kinderund
Jugendpsychiatrischen Praxen
Die psychiatrischen Institutsambulanzen, geregelt in § 118 SGB V, sind Ambulanzen
psychiatrisch-psychotherapeutischer Krankenhäuser bzw. der Abteilungen zur Sicherstellung
einer ambulanten Versorgung für schwer psychisch kranke Menschen, bei denen einerseits
in der Regel langfristige, kontinuierliche Behandlung medizinisch notwendig ist und
andererseits mangelndes Krankheitsgefühl, mangelnde Krankheitseinsicht und/oder
mangelnde Impulskontrolle der Wahrnehmung dieser kontinuierlichen Behandlung
entgegenstehen. Das Leistungsangebot der Institutsambulanz ist eine multiprofessionelle
Komplexleistung und umfasst das gesamte Spektrum psychiatrisch-psychotherapeutischer
Diagnostik und Therapie.
•
•
•
Ambulante oder stationäre medizinische Rehabilitation in Einrichtungen, mit denen ein
Versorgungsvertrag mit der GKV besteht,
Prävention und Patientenschulungen und
Interdisziplinäre Früherkennung und -förderung
Bei der stationärer Rehabilitation für KJjE ist zu berücksichtigen, dass eine gleichrangige
Zuständigkeit von GKV und RV besteht. Gemeinsame Ausführungen u. a. auch Definitionen
zur Rehabedürftigkeit, -fähigkeit und -prognose können z. B. dem Gemeinsamen
Rahmenkonzept der GKV und gesetzlichen Rentenversicherung für die Durchführung
stationärer medizinischer Leistungen der Vorsorge und Rehabilitation für Kinder und
Jugendliche der BAR (2008) entnommen werden.
Durch die Früherkennung und Frühförderung bei Kindern (§ 43a SGB V i.V.m. § 30 SGB IX)
können viele Folgeschäden vermieden und Störungen, die die Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft negativ beeinflussen, kompensiert werden. Ziel der Frühförderung ist das
Erreichen der Schulfähigkeit. Deshalb ist diese Leistung auch bis zum erstmaligen
Schuleintritt begrenzt. Die Versorgung im Rahmen der Frühförderung erfolgt durch
Komplexleistungen. Komplexleistungen sind Leistungen verschiedener Sozialleistungsträger,
die zur Deckung eines individuellen Therapiebedarfs gebündelt und durch ein
multiprofessionelles Team (Arzt, Psychologe, Heilpädagoge, Physiotherapeut und
Logopäde) erbracht werden. Bei der Frühförderung wird dieser Therapiebedarf durch
medizinische/medizinisch-therapeutische Leistungen als auch durch heilpädagogische
Leistungen gedeckt. Kostenträger sind dann meist die Krankenkassen und die
Sozialhilfeträger; diese teilen sich die Kosten anteilig. Die Komplexleistung wird durch den (in
der Regel) behandelnden Kinderarzt angeregt. Die Diagnostik und die auf einen
Behandlungsplan aufbauende Therapie erfolgt dann in der Frühfördereinrichtung.
20
B.1.2.3 Rentenversicherung
Psychosomatische und psychomotorische Störungen sowie Verhaltensstörungen können
eine Indikation für eine stationäre Kinderheilbehandlung der Rentenversicherung darstellen.
Bei KJjE verfolgt die Rentenversicherung mit der Leistungsbewilligung das Ziel, durch
Wiederherstellung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit eine erfolgreiche (Re-)
Integration in Schule und Alltag zu erreichen. Damit soll der Eintritt in das Erwerbsleben
überhaupt ermöglicht werden. Die gesetzliche Grundlage hierfür ist § 31 Abs.1 Nr.4 SGB VI.
In den Richtlinien für Kinderheilbehandlungen (KiHB-Richtlinien) werden Voraussetzungen
und Leistungsumfang konkretisiert.
Zuständigkeiten und Voraussetzungen
Es gibt bei KJjE eine gleichrangige Zuständigkeit der GKV und der
Rentenversicherungsträger als Träger von Rehabilitationsleistungen. In jedem Fall müssen
Rehabilitationsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und eine positive Rehabilitationsprognose vorliegen.
Rehabilitationsbedürftigkeit
Ihre Beurteilung erfolgt aus der zusammenfassenden Bewertung aller sozial-medizinisch
relevanten Kriterien. Rehabilitationsbedürftigkeit kann angenommen werden, wenn
Folgeschäden einer Erkrankung drohen bzw. bereits eingetreten sind, die ambulante
ärztliche Krankenbehandlung nicht ausreicht, um Schädigungen mit daraus resultierenden
Beeinträchtigungen der Aktivitäten und Teilhabe zu beseitigen oder zu vermindern,
Leistungen zur Krankheitsbewältigung und zur Unterstützung des Krankheitsmanagements
erforderlich sind.
Rehabilitationsfähigkeit
•
•
•
•
Es müssen allgemeine Kriterien erfüllt sein, z. B.
ausreichende körperliche und psychosoziale Belastbarkeit,
Voraussetzungen für aktive, entwicklungsgemäße Mitarbeit,
soziale Integrationsfähigkeit.
Rehabilitationsprognose
Schwere, Dauer, Verlaufsform und Risikofaktoren müssen berücksichtigt werden. Die
Komplexität aller körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren und deren wechselseitige
Rückwirkung sind entscheidend für die Prognose.
Neben den medizinischen Voraussetzungen wird geprüft, ob zumindest ein Elternteil die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Leistung des Rentensicherungsträgers
erfüllt, d. h. ob ausreichende Beitragsleitungen zur Rentenversicherung vorliegen.
Bewilligungsverfahren
Voraussetzung für die Bewilligung einer Rehabilitationsleistung ist immer eine Antragstellung
durch einen versicherten Elternteil. Die Anregung zur Antragstellung erfolgt i.d.R. durch den
betreuenden Kinder- oder Hausarzt. Wird der Antrag bei einem Rentenversicherungsträger
gestellt, entscheidet dieser über die medizinischen und versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen. Ist das Ergebnis positiv, werden die Eltern hierüber und über die
ausgewählte Rehabilitationseinrichtung informiert.
21
Die
Leistungen
zur
medizinischen
Rehabilitation
von
KJjE
durch
die
Rentenversicherungsträger können nur stationär erbracht werden. Die Kosten für eine
Begleitperson können übernommen werden, wenn das Lebensalter des Kindes
(Vorschulalter) oder die besondere Art der Erkrankung eine Begleitung durch einen Elternteil
erforderlich macht.
Umfang und wesentliche Inhalte
Zum Leistungsumfang gehören ärztliche und nicht ärztliche Therapie, Pflege und Versorgung
mit Medikamenten, Gesundheitsförderung, Unterkunft und Verpflegung in geeigneten
Rehabilitationseinrichtungen sowie Reisekosten und sonstige notwendige Nebenkosten (§ 5
Abs. 1 KiHB-Richtlinien).
Der Umfang der zu erbringenden Leistungen orientiert sich an den störungsbedingten
Beeinträchtigungen und am individuellen Leistungsvermögen des Kindes/Jugendlichen. Dies
bezieht sich sowohl auf die Anzahl der Rehabilitationstage (4-6 Wochen) als auch auf Art
und Umfang der zu erbringenden therapeutischen Leistungen. Kinder und Jugendliche
benötigen eine Adaptationsphase nach dem Wechsel aus dem häuslichen Milieu in eine
Rehabilitationseinrichtung. Die Therapiedichte kann nicht so hoch wie bei Erwachsenen sein,
Freiräume sind zu gewährleisten. Sowohl die Untersuchungen als auch die Therapien sind in
der Regel zeitaufwändiger als bei Erwachsenen.
Schulische Betreuung wird in Form eines sog. Überbrückungsunterrichts gewährleistet.
Dieser umfasst insgesamt mindestens 10 Wochenstunden in den Fächern Deutsch und
Mathematik und einem dritten Fach. Der Unterricht soll in das interdisziplinäre
Gesamtkonzept eingebunden sein. Das pädagogische Personal arbeitet hinsichtlich
Verhaltensbeobachtungen, Aufdeckung von Schulleistungsstörungen etc. eng mit dem
Rehabilitationsteam zusammen.
Richtungsweisend für die in der Rehabilitation tätigen Sozialmediziner/innen und das
Rehabilitationsteam sind das Ausmaß der gesundheitlichen, sozialen und schulischen
Beeinträchtigung sowie die daraus mittel- oder langfristig resultierende Gefährdung der
Erwerbsfähigkeit. Die Ärzte und das übrige Rehabilitationsteam müssen neben der zur
Rehabilitation führenden Erkrankung alle körperlichen und psychischen Einschränkungen
bzw.
Fähigkeitsstörungen
berücksichtigen
und
die
Änderung
eines
gesundheitsgefährdenden Lebensstils sowie die Krankheitsbewältigung unterstützen. Die
Einbeziehung des sozialen und schulischen Umfeldes ist bei der Therapieplanung
erforderlich.
B.1.2.4 Bundesagentur für Arbeit
Berufswegeplanung und Berufsorientierung
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) begleitet und unterstützt den Übergang Jugendlicher von
der Schule auf den Arbeitsmarkt sehr nachhaltig. Die Aktivitäten beginnen schon in der
Schule, spätestens zwei Jahre vor Ende der Schulzeit; sie enden erst mit der tatsächlichen
Integration in Arbeit. Die Begleitung des Übergangsprozesses beginnt zunächst mit der
Information der Jugendlichen und – vor allem auch – der Eltern. Es sind viele allgemeine
Informationen über den Arbeitsmarkt, über Branchen, über die Ausbildungssituation sowie
über Berufe, berufliche Anforderungen und auch über das Arbeitsleben, etwas treffender
ausgedrückt: über die Welt der Arbeit. Konkret werden hierzu insbesondere
22
Elternveranstaltungen, Informationsabende sowie Unterrichtung der Schüler in den Klassen
wie auch Einzelgespräche angeboten.
In einem weiteren Schritt werden in Kooperation mit der Schule Projekte unternommen, um
Berufe und Arbeitswelt erlebbar zu machen. Dies ist das wichtige Feld der
Berufsorientierung. Hier werden den Jugendlichen die Berufe in pädagogisch aufbereiteter
Form näher gebracht, vielfach auch ergänzt mit Besichtigung realer Betriebe und auch mit
Betriebspraktika.
Die Berufsorientierung ist die wesentliche Voraussetzung für eine fundierte und tragfähige
Berufswegeplanung. Früher wurde die Berufswahl als die erste große „Lebensentscheidung“
bezeichnet. Trotz vieler Veränderungen und Neujustierungen in unserer Gesellschaft ist es
jedoch dabei geblieben, dass die Berufswahl immer noch eine schwierige und weit reichende
Entscheidung ist. Unter bestimmten Aspekten ist sie noch schwieriger geworden. Deshalb
müssen die jungen Menschen Vor- und Nachteile abwägen können, um sich für oder gegen
einen Beruf entscheiden zu können: Berufstätigkeiten, Verdienstmöglichkeiten, Arbeitszeiten,
physische und psychische Anforderungen, unterschiedliche Wettbewerbssituationen und
vieles mehr sind dabei wesentlich. Die Berufswelt ist in den letzten Jahren zunehmend
abstrakter und anonymer geworden; Berufsbezeichnungen verraten immer weniger von den
hauptsächlichen Tätigkeiten und den Aufgaben, von körperlichen Anstrengungen und
seelischen Belastungen. Ein Großteil der Veränderungen bei den Berufen geht auch auf das
Konto der Globalisierung; dieser Prozess ist noch nicht zu Ende. Deshalb wurden zusammen
mit
den
Schulen
und
freien
Bildungsträgern
zahlreiche
zusätzliche
Berufsorientierungsmöglichkeiten kreiert und werden angeboten. Als Beispiele seien erwähnt
die Module von „Zukunft fördern“ oder auch das Organisieren von „Schülerfirmen“, in denen
trotz Simulation Arbeitswelt authentisch erlebt werden kann.
Parallel zu allen Aktionen der Berufsorientierung werden den Jugendlichen auch
diagnostische Angebote gemacht, um Leistungsstärken, Fähigkeiten und auch Neigungen
ausmachen zu können. Insbesondere ist hier die psychologische Eignungsuntersuchung zu
nennen. Aber auch praktische Erprobungen in verschiedenen Berufen oder Berufsfeldern
spielen eine zunehmend größere Rolle. Wichtig ist es jedoch, dass die Jugendlichen nicht
nur Testergebnisse zur Kenntnis nehmen, sondern dass sie sich ihrer Fähigkeiten bewusst
werden. Es geht also um den eigenständigen Übersetzungsprozess von Fähigkeiten auf
Berufsanforderungen. Dieser Prozess wird mit individuellen Beratungsgesprächen
unterstützt und gesteuert. Selbstlern-Arbeitsmaterialien begleiten zusätzlich den
Berufsfindungsprozess.
Frühzeitiges Erkennen psychischer Probleme
In dem zuvor dargestellten Regelwerk der Berufswegeplanung und Berufsorientierung
befinden sich auch psychisch behinderte Jugendliche, die jedoch als solche überwiegend
nicht oder erst sehr spät erkannt werden. In aller Regel wird die Berufswahl ohne
Berücksichtigung der vorliegenden psychischen Probleme getroffen. Die Gründe hierfür
dürften vielfältig sein; die nötige Sensibilität zum Erkennen derartiger Erkrankungen oder
Behinderungen müsste jedoch im vorberuflichen Bereich verankert sein. Psychische
Behinderungen werden dann auffällig, wenn es um die Umsetzung der
Berufswahlentscheidung geht. Dies kann bei Aufnahme einer Ausbildung sein, stellt sich
häufig aber auch als eine noch nicht ganz stabile „Berufsreife“ dar und erfordert dann eine
spezifische Vorgehensweise im Rahmen der Berufsvorbereitung. In beiden Fällen stellt sich
23
dann das große Problem, dass die Berufswahlentscheidung, wenn sie einmal getroffen
wurde, zumindest kurzfristig einer Revision nicht zugänglich ist. Berufswahlentscheidungen
sind auch vom Zeitgeist getragen und mehr oder weniger zwangsläufig karrierebetont. Dabei
ist es unerheblich, ob es an der eigenen Einsichtsfähigkeit fehlt oder an der des
„mitberatenden Umfeldes“ in Form von Freunden, Angehörigen etc. Es ist deshalb eminent
wichtig, dass schon im Vorfeld der Berufswahl Erkenntnisse zusammengetragen werden, die
Signale geben in Richtung des Vorliegens psychischer Probleme.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Wenn es Hinweise auf das mögliche Vorliegen einer psychischen Behinderung gibt, dann
kann die BA als beruflicher Rehabilitationsträger agieren. Ansprüche auf Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben stehen auch den Menschen zu, denen eine Behinderung droht.
Im Rahmen der beruflichen Rehabilitation gibt es dann vielfältige Hilfsangebote, mit denen
die Arbeitsmarktfähigkeit behinderter Menschen hergestellt und gesichert werden kann. Es
gibt Einrichtungen und Dienste für Teilhabeleistungen und viele wohnortnahe
behinderungsspezifische Hilfepakete gerade auch für psychisch behinderte junge Menschen.
Wie oben schon ausgeführt, ist der Prozess der Berufswahl ein außerordentlich wichtiges
Stück Lebensplanung, die nicht nur eine richtige, sondern auch eine behinderungsgerechte
Weichenstellung erfordert. Die „Justierung für die Zukunft“ darf kein Zufallsprodukt von
Wunschträumen und Realitäten werden; sie muss auch aus gesellschaftlicher Sicht in voller
Verantwortung für den behinderten Menschen getroffen werden. Deshalb ist es wichtig, so
früh wie möglich den Weg für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erkennen.
Für junge erwachsene Patienten kann der Berufseinstieg eine Hürde darstellen. Das SGB III
stellt die gesetzliche Grundlage für Maßnahmen zum Berufseinstieg auch psychisch kranker
Jugendlicher und junger Erwachsener dar.
B.1.3 Rechtliche Grundlagen aus Sicht des SGB IX
H. Fuchs
B.1.3.1 Übergreifendes Recht des SGB IX
Zur Realisierung des Rechts auf Teilhabe besteht im deutschen Sozialrecht mit dem SGB IX
für das gegliederte Sozialleistungssystem ein für alle Rehabilitationsträger einheitlicher und
gemeinsamer Rahmen, der sich hinsichtlich der Definition des Teilhabebegriffs an der ICF
der WHO orientiert. Dort wird Teilhabe als Einbezogensein in eine Lebenssituation definiert.
Für die verspätete Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen, die mangelnde
Durchgängigkeit und Homogenität zwischen ambulanter und stationärer Akutversorgung
einerseits und ambulanter und stationärer Rehabilitation andererseits, aber auch für die
Schnittstellenprobleme zwischen medizinischer, beruflicher und sozialer Rehabilitation wurde
zu allen Zeiten das rechtlich und administrativ gegliederte Sozialleistungsträgersystem
verantwortlich gemacht. Zur Beseitigung dieser Probleme entwickelt der Gesetzgeber mit
dem SGB IX das Recht der Rehabilitation und Teilhabe behinderter und chronisch kranker
Menschen unter Beibehaltung des gegliederten Systems weiter und fasst es in einem
übergreifenden Buch des Sozialgesetzbuchs zusammen (vgl. BT-Drucks. 14/5074, S. 92).
Dazu werden die verschiedenen Rehabilitationsträger auf der Grundlage harmonisierter
Rechtsvorschriften verpflichtet, zielgerichtet zusammenzuarbeiten. Das SGB IX soll ebenso
bereichsübergreifend wirksam werden wie die Regelungen des Ersten, des Vierten und des
24
Zehnten Sozialgesetzbuches (vgl. BT-Drucks. 15/4575, S. 21; BT-Drucks. 14/5074, S. 94).
Leistungen und Verfahren der medizinischen Rehabilitation können damit bei allen
Rehabilitationsträgern nur im Kontext des SGB IX gestaltet werden. Selbst wenn das für
einen Rehabilitationsträger geltende spezifische Recht vom SGB IX abweichende
Bestimmungen enthält (siehe § 7 Satz 2 SGB IX), sind diese im Lichte des SGB IX
auszulegen.
Das SGB IX bildet einen gemeinsamen Rahmen für das gesamte Recht der Leistungen zur
Rehabilitation und Teilhabe. Der Gesetzgeber erwartet, dass die Rehabilitationsträger auf
der Basis dieses gemeinsamen Rechtsrahmens durch Koordination, Kooperation und
Konvergenz eine einheitliche Praxis der Rehabilitation und Behindertenpolitik gewährleisten.
Er geht dabei von einer weitgehenden Einheitlichkeit des Leistungsrechts aus (s. dazu BTDrucks. 14/5074, S. 100). Der behinderte, pflegebedürftige oder chronisch kranke Mensch
soll – völlig losgelöst von der Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers und unabhängig von
der Ursache für den individuellen Rehabilitationsbedarf – aus gegebenem Anlass von jedem
zuständigen Rehabilitationsträger die nach Art, Umfang sowie Struktur- und Prozessqualität
gleich wirksame und bedarfsgerechte Rehabilitationsleistung erhalten.
Zielorientierung der Rehabilitation
Als die für alle Rehabilitationsträger einheitliche Leistungsvoraussetzung gestattet § 4 Abs. 2
Satz 1 SGB IX die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe – einschl. der medizinischen
Rehabilitation – ausschließlich zur Erreichung der in § 4 Abs. 1 SGB IX genannten Ziele, die
für die medizinische Rehabilitation durch § 26 Abs. 1 SGB IX weiter konkretisiert werden.
§ 26 Abs. 1 SGB IX übernimmt die Zieldefinitionen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB IX und
stellt mit der Aufnahme der Definition aus dem Präventionsbereich des § 3 – „Behinderungen
einschl. chronischer Krankheiten“ – klar, dass die auf Selbstbestimmung und Teilhabe am
Leben in der Gesellschaft ausgerichtete, übergeordnete Zielsetzung des § 1 SGB IX für alle
Teilhabeleistungen (§§ 4, 5 SGB IX) und damit selbstverständlich auch für die medizinische
Rehabilitation von Menschen mit chronischen Krankheiten gilt, bei denen eine
Teilhabebeeinträchtigung bereits eingetreten ist oder droht. Ein mit dem SGB IX eng
verbundener Paradigmenwechsel besteht darin, dass danach nicht mehr Art und Schwere
einer Erkrankung, sondern Art und Ausprägung der durch die Krankheit verursachten
Beeinträchtigung von Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, d. h., die Krankheitsfolgen, die
Indikation für den Anspruch auf Rehabilitationsleistungen bilden.
Ziel der Rehabilitation von KJjE ist demnach einerseits die Einwirkung auf die eingetretene
oder drohende Beeinträchtigung der Teilhabe, andererseits aber auch die Vermeidung von
Sozialleistungen (vgl. unter B.1.1.5 – Rehabilitationsbehandlung). Spezifisches Ziel für KJjE
ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX die ganzheitliche Förderung der persönlichen Entwicklung
und der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie die Chance der Verwirklichung oder
Erleichterung einer möglichst selbständigen und selbstbestimmten Lebensführung.
Bedarfsorientierung der Rehabilitation
Alle Rehabilitationsträger haben nach § 10 SGB IX die individuell erforderlichen Leistungen
funktionsbezogen zu erfassen und schriftlich so zusammenzustellen, dass sie nahtlos
ineinander greifen. Nach § 27 SGB IX gilt diese Regelung ausdrücklich auch bei Leistungen
der Krankenbehandlung, d. h., nicht nur bei den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
sondern bei allen Leistungen der Krankenkassen nach dem SGB V.
25
Mit der Verpflichtung, den individuellen Leistungsbedarf „funktionsbezogen“ festzustellen,
orientiert
der
Gesetzgeber
das
Feststellungsverfahren
(Begutachtung
durch
Sachverständige, § 14 Abs. 5 SGB IX) ausdrücklich an der Philosophie der ICF der WHO
und an der darin enthaltenen Kategorisierung der Teilhabebeeinträchtigungen. Diese
Verpflichtung beinhaltet, alle Teilhabebeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen (insbes.
auch Familie, Schule) unabhängig von der Zuständigkeit und der Leistungsverpflichtung des
aktuell tätigen Rehabilitationsträgers sozialrechtsübergreifend und vollständig zu erheben.
Somit ist schon beim erstmaligen Tätigwerden eines Rehabilitationsträgers nicht nur der
gesamte Leistungsbedarf aller Rehabilitationsträger zu erfassen, sondern es muss auch
geklärt werden, welche Teilhabebeeinträchtigungen in Bereichen bestehen, in denen keine
Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers besteht (z. B. Schule). Artikel 26 Abs. 1 Buchst. a
der UN-BRK unterstreicht somit die Vorgaben des § 10 SGB IX mit der Verpflichtung, die
Leistungen auf eine „multidisziplinäre Bewertung der individuellen Bedürfnisse und Stärken“
zu basieren. Diese umfassende Feststellung ist Grundvoraussetzung für die Koordination
und Kooperation aller Akteure (sogenanntes Teilhabemanagement), insbesondere auch mit
Bezug zum Schulbereich.
Im Übrigen sind alle Rehabilitationsträger nach § 8 SGB IX verpflichtet, bei jeder Gewährung
von Leistungen wegen einer Behinderung auch zu prüfen, ob diese Leistungen zur Teilhabe
voraussichtlich erfolgreich sind. Dies wirkt sich insbesondere auf die Leistungsgewährung
nach dem SGB V aus, weil alle diese Leistungen bei chronisch kranken Menschen durchweg
„unter Berücksichtigung einer Behinderung oder einer drohenden Behinderung beantragt
oder erbracht werden“ und zwar unabhängig von der Entscheidung über diese Leistungen
selbst (vgl. auch § 2a SGB V).
Verfahren insbesondere die Krankenkassen nach diesen Vorschriften, dann ist
gewährleistet, dass (nicht nur bei chronisch kranken Menschen, sondern generell) die durch
Krankheit verursachten Teilhabebeeinträchtigungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt
wahrgenommen werden, die erforderlichen Präventions-/Rehabilitationsleistungen zum
frühestmöglichen Zeitpunkt bereitgestellt und ausgeführt werden sowie die
teilhabeorientierten Rehabilitationsziele nach §§ 1, 4 Abs. 1, 26 Abs. 1 SGB IX erreicht
werden.
Teilhabemanagement
Die §§ 8, 10, 11, 14 und 22 SGB IX enthalten ein umfassendes Teilhabemanagement, das
die frühzeitige Feststellung einer drohenden oder eingetretenen Behinderung, eine
trägerübergreifende, teilhabeorientierte Feststellung des Leistungsbedarfs, zügige
Verwaltungsverfahren, zeitnahe Entscheidungen sowie die nahtlose Leistungsausführung
gewährleisten soll. Zudem: Das zum Persönlichen Budget nach § 17 SGB IX in den §§ 3 und
4 BugetV geregelte Budgetverfahren folgt den Vorschriften zum Teilhabemanagement
exemplarisch und kann als deren Konkretisierung für die Praxis – auch außerhalb des
Budgetverfahrens – verstanden werden.
Kern des Teilhabemanagements ist die Feststellung des individuellen funktionsbezogenen
Leistungsbedarfs (nicht der „Leistungen“; denn die Leistungsentscheidung ist unverändert
hoheitliche Aufgabe jedes einzelnen Trägers) unabhängig von Zuständigkeit und
Leistungsverpflichtung des aktuell tätigen Trägers. Bei einigen Trägern wird erkennbar noch
immer nicht hinreichend zwischen der vom Gesetzgeber gewollten, übergreifenden
Bedarfsfeststellung und der individuellen Entscheidungsverantwortung des zuständigen
26
Trägers i.S.d. SGB X differenziert; das führt weiterhin zu Doppel- oder
Parallelbegutachtungen mit z. T. unterschiedlichen Ergebnissen, die gerade durch das SGB
IX beseitigt werden sollten. Dies ist eine der Ursachen für die im Sinne Leistungsberechtigter
noch immer zu beklagenden Schnittstellenprobleme des gegliederten Systems.
Zügige und nahtlose Leistungserbringung
Die Rehabilitationsträger sind nach § 10 Abs. 1 SGB IX zur zügigen Leistungserbringung
verpflichtet und haben das Verfahren entsprechend dem jeweiligen Bedarf durchgehend zu
sichern. Dazu hat der Rehabilitationsträger nach Antragseingang die Zuständigkeit innerhalb
von zwei Wochen zu klären und innerhalb von drei Wochen (bei Einholung eines Gutachtens
innerhalb von zwei Wochen nach Gutachteneingang) über die beantragte Leistung zu
entscheiden. Die Fristen beginnen unabhängig von der Vollständigkeit des Antrages. Die
entscheidungsreife Vervollständigung des Antrages ist nach §§ 10, 22 SGB IX Aufgabe der
Träger selbst.
Persönliches Budget
Der Berechtigte hat nach § 17 SGB IX das Recht, seine budgetfähigen Leistungen (d. s.,
neben den Leistungen zur Teilhabe und Rehabilitation aller Rehabilitationsträger, z. B auch
die gesundheitlichen Leistungen nach dem SGB V) – zu unterscheiden von den sonstigen
Vorschriften über die Leistungsausführung und abweichend von der üblichen Praxis der
Träger – in einem Persönlichen Budget zusammenzufassen, die Leistungen als
Geldleistungen aus einer Hand, d. h., von einem Träger, zu beziehen und die Ausführung
der Leistungen in eigener Verantwortung zu organisieren (vgl. van Treeck et al., 2009).
Dieses Instrument zur Förderung der Selbstbestimmung – im Bedarfsfall mit Assistenz –
könnte auch bei KJjE zur Problemlösung in der Versorgung beitragen.
Geeignete Rehabilitationseinrichtungen
Die
Rehabilitationsträger
dürfen
zur
Ausführung
der
Leistungen
nur
Rehabilitationseinrichtungen und -dienste heranziehen, die „geeignet“, nach § 19 Abs. 4 Satz
1 SGB IX sogar „am besten geeignet“, sind (vgl. § 17 Abs.1 SGB IX). Zur Ausführung von
Rehabilitationsleistungen geeignet sind dabei solche Einrichtungen und Dienste, die nach
ihrer Struktur- und Prozessqualität die Gewähr dafür bieten, dass die auf Selbstbestimmung
und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ausgerichteten, individuellen Rehabilitationsziele
von chronisch kranken Menschen in dieser Einrichtung mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit erreicht werden können. Danach besteht ein unmittelbarer
Zusammenhang
zwischen
Teilhabebeeinträchtigung,
Rehabilitationszielen
(Reha/Teilhabeprognose) sowie Eignung der Rehabilitationseinrichtung und deren Qualität.
Organisation der Versorgung
Die Rehabilitationsträger haben nach § 19 Abs. 1 SGB IX gemeinsam darauf hinzuwirken,
dass die fachlich und regional erforderlichen Rehabilitationsdienste und -einrichtungen in
ausreichender Zahl und Qualität zur Verfügung stehen. Und nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX
haben die Rehabilitationsträger in gemeinsamen Empfehlungen zu regeln, in welchen Fällen
(Zielgruppen) und in welcher Weise (Konzepte/Leitlinien) notwendige Leistungen zur
Teilhabe angeboten werden. Danach ist es gemeinsame Aufgabe der Rehabilitationsträger,
einerseits Gegenstand, Umfang und Ausführung der erforderlichen Leistungen zur Teilhabe
(§ 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX) zu definieren und andererseits die zu deren Ausführung
erforderlichen Versorgungsstrukturen sicherzustellen (§ 19 SGB IX).
27
Da in keinem der für die Rehabilitationsträger geltenden spezifischen Gesetze dazu
abweichende Regelungen enthalten sind, handelt es sich um für alle Träger geltendes
einheitliches Leistungserbringungsrecht. Mit Blick darauf, dass bisher weder zwischen den
Trägern gemeinsam abgestimmte Definitionen zu Gegenstand, Umfang und Ausführung von
Rehabilitationsleistungen für KJjE mit psychischen Beeinträchtigungen existieren, noch, dass
regional die fachlich erforderlichen Rehabilitationsdienste und
-einrichtungen in
ausreichender Zahl und Qualität vorhanden sind, besteht insoweit erheblicher
Handlungsbedarf bei allen an der Versorgungsstrukturentwicklung beteiligten Akteuren zur
Beseitigung dieser Defizite.
B.1.3.2 Auswirkungen der UN-Behindertenrechtskonvention
Das am 24.3.2009 in Deutschland durch einfaches Gesetz in Kraft getretene
„Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen“ (im Folgenden UN-BRK) verpflichtet dazu, die volle Verwirklichung aller
Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede
Diskriminierung auf Grund von Behinderung zu gewährleisten und zu fördern. Dazu sind alle
mit der UN-BRK unvereinbaren Handlungen und Praktiken zu unterlassen. Es ist dafür zu
sorgen, dass staatliche Behörden und öffentliche Einrichtungen im Einklang mit diesem
Übereinkommen handeln. Zudem sind alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der
Diskriminierung aufgrund von Behinderungen durch Personen, Organisationen oder private
Unternehmen zu ergreifen. Danach sind nicht nur die Rehabilitationsträger, sondern auch
alle Rehabilitationsdienste und -einrichtungen verpflichtet, ihr Handeln in
Übereinstimmung mit den Bestimmungen der UN-BRK zu gestalten und Diskriminierungen
behinderter Menschen zu unterlassen.
Ziel der UN-BRK ist die „vollständige und wirksame Partizipation und Inklusion in der
Gesellschaft“. In über 40 Artikeln beschreibt die BRK dazu jeweils eine Zielbestimmung zu
jedem wichtigen Lebensbezug behinderter Menschen. Ist diese Zielbestimmung im
Alltagsleben nicht verwirklicht, könnte dies eine Diskriminierung bedeuten, die der Betroffene
nicht hinnehmen muss. Er kann die Diskriminierung auf dem Rechtsweg feststellen lassen
und ihre Beseitigung einfordern.
Die in Artikel 3 des Übereinkommens enthaltenen Grundsätze
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner individuellen Autonomie,
einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner
Unabhängigkeit
Nichtdiskriminierung
volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft
Achtung der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und Akzeptanz dieser
Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit
Chancengleichheit
Zugänglichkeit
Gleichberechtigung von Mann und Frau
Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen und die
Achtung
des Rechts auf Wahrung der Identität
sind zugleich zielführende Grundsätze für das Recht und die Praxis der deutschen
Rehabilitation. Sie unterstreichen die auf Förderung der Selbstbestimmung, Teilhabe am
28
Leben in der Gesellschaft und Vermeidung von Benachteiligungen ausgerichteten
Bestimmungen des SGB IX, das von einigen Rechtsanwendern bis heute eher partiell, von
anderen fast gar nicht umgesetzt wird. Die UN-BRK wird zu einer Überprüfung und
Angleichung der Sozialgesetzbücher und letztlich zu einer konsequenten Anwendung des
Teilhaberechts führen.
Artikel 19 UN-BRK: Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft
Hiernach ist das Recht aller behinderten Menschen sicher zu stellen, mit gleichen
Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben. Dafür ist u. a. zu
gewährleisten, dass
•
Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren
Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben – und nicht
verpflichtet sind, besondere Wohnformen zu nutzen. Demnach verstößt die an § 13
Abs. 1 Satz 4 SGB XII anknüpfende gegenteilige Praxis im Bereich der Sozialhilfeträger
gegen die Menschenwürde und kann unter Bezugnahme auf die UN-BRK jederzeit auf
dem Rechtsweg angegriffen werden.
•
Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen
Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen, einschl. der persönlichen
Assistenz, haben – auch in ländlichen Gebieten. Das bedeutet, dass die heutigen
Beratungs- und (Unterstützung-)/Versorgungsstrukturen im kommunalen Sozialraum zu
einem Netzwerk von familiären, nachbarschaftlichen, ehrenamtlichen und professionellen
Hilfen weiterzuentwickeln sind, welches behinderten Menschen den Raum zu
eigenverantwortlicher Gestaltung ihrer Lebensumstände lässt und ihre Selbstbestimmung
fördert.
Soweit professionelle Hilfen notwendig sind, müssen sich diese ohne Brüche in dieses
Netzwerk einfügen. Der Vorrang ambulanter vor stationären Leistungen ist selbstverständlich
und eine Folge von Normalität, Inklusion und Subsidiarität.
Gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit müssen auf der
Grundlage der Gleichberechtigung auch Menschen mit Behinderung zur Verfügung stehen
und ihren Bedürfgesellschaftspolitischen und strukturellen Rahmenbedingungen für die
Zugänglichkeit aller z. B. kultureller, sportlicher oder sonstiger gesellschaftlichen Angebote
für behinderte Menschen sowie die Sicherstellung der realen Teilhabemöglichkeit z. B. durch
entsprechende Leistungen (beispielsweise nach §§ 55 ff SGB IX).
Artikel 26: Habilitation und Rehabilitation
Hiernach sind u.a. wirksame und geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit
Behinderungen in die Lage zu versetzen, ein Höchstmaß an Unabhängigkeit, umfassend ihre
körperlichen, geistigen, sozialen und beruflichen Fähigkeiten zu entwickeln sowie die volle
Einbeziehung in die Teilhabe am Leben in die Gesellschaft zu erlangen. Zu diesem Zweck
sind umfassende Habilitations- und Rehabilitationsdienste und -programme, insbesondere
auf dem Gebiet der Gesundheit, der Beschäftigung, der Bildung und allgemeiner
Sozialdienste zu organisieren, zu stärken und zu erweitern. Diese müssen so gemeindenah
wie möglich, auch in ländlichen Gebieten, zur Verfügung stehen.
Die Bundesrepublik ist hier eine unmittelbare Organisationsverpflichtung eingegangen, die
allerdings durch § 19 SGB IX auf die Rehabilitationsträger delegiert ist, die diesen
Organisationsauftrag im Benehmen mit Land und/oder Bund auszuführen haben. Nach § 12
29
Abs. 2 SGB IX sollen die Träger dazu eine regionale Arbeitsgemeinschaft bilden, die nach
§ 88 Abs. 1 SGB X haushaltsfähig ist. Diese seit neun Jahren bestehende gesetzliche
Verpflichtung ist bisher nicht umgesetzt worden.
Der Organisationsauftrag umfasst im Lichte der UN-BRK nicht mehr nur – wie es manche
Rehabilitationsträger sehen – den Sicherstellungsauftrag der rehabilitativen Versorgung im
engeren leistungsrechtlichen Sinne, sondern alle notwendigen Habilitations- und
Rehabilitationsdienste und -programme i.S.d. Artikels 25, wozu u. a. auch die schon zu
Artikel 19 erwähnten, umfassenden Netzwerke im kommunalen Sozialraum gehören.
B.1.3.3 Auswirkungen auf die Versorgung
Die noch immer von den Betroffenen und ihren Angehörigen beklagten und in der
Beschreibung der Ausgangssituation reflektierten Probleme der Versorgung von KJjE
können bei konsequenter Anwendung des geltenden Rehabilitations- und Teilhaberechts
weitgehend ausgeräumt werden (vgl. Fuchs, 2008). Da der Gesetzgeber den
Rehabilitationsträgern mit dem Leistungserbringungsrecht des SGB IX die gemeinsame
Verantwortung sowohl für die Gestaltung der Versorgungsinhalte, der Gewährleistung der
bedarfsgerechten Versorgungsstrukturen als auch das Rehabilitationsverfahren zugeordnet
hat, sind insbesondere sie berufen, ihren Pflichten zur Koordination und Kooperation, aber
auch zur Herstellung der Konvergenz der Leistungen nachzukommen. Diese Verantwortung
wird insbesondere durch die von der Bundesrepublik Deutschland mit den Artikeln 19 und 26
der UN-BRK eingegangenen Pflichten gerade für psychisch kranke und geistig behinderte
Menschen hier ausdrücklich unterstrichen.
B.2 Brückenschlag
M. Albers und R. Bering
B.2.1 Brückenschlag über verschiedene Altersstufen
Die DVfR hat – unter Mitwirkung vieler Autoren der vorgelegten Stellungnahme – 2009 ein
Modell der trägerübergreifenden Versorgung vorgelegt, das Funktionen darstellt, die für die
Behandlung und Rehabilitation von psychischen Störungen erforderlich sind (siehe
http://www.dvfr.de/nc/stellungnahmen; Bering, 2010). Um eine Kompatibilität mit dem biopsycho-sozialen Modell der ICF herzustellen, wurden die erforderlichen Behandlungs- und
Teilhabeleistungen für Erwachsene mit psychischen Störungen aus der Sicht eines
personenzentrierten und trägerübergreifenden Ansatzes beschrieben. Bei der speziellen
Beschreibung der trägerübergreifenden Behandlung und Rehabilitation von KJjE müssen
jedoch Besonderheiten einkalkuliert werden. Die Besonderheiten resultieren aus der
Berücksichtigung unterschiedlicher Altersgruppen. Dieses ist aus drei Gründen relevant:
Es treten – entsprechend des Status‘ der psychologischen Entwicklung – bestimmte
Störungen altersspezifisch auf bzw. können ineinander übergehen.
Mit zunehmendem Alter nimmt auch die aktive Rolle des Rehabilitanden/ Patienten zu:
während bei Vorschul- und Grundschulkindern ein Zugang zu medizinischen und anderen
Hilfen in der Regel über die Erziehungsberechtigten erfolgt, können Jugendliche auch aktiv
derartigen Hilfen aufsuchen.
Im Verlauf der Entwicklung variieren die zu berücksichtigenden Kontextfaktoren wie Familie,
Kindergarten, Schule/ Ausbildungsstätte sowie die Peer Groups.
30
Die Leistungserbringer für die Behandlung und Rehabilitation von KJjE sind auf die
lebensaltersspezifischen Aspekte der Entwicklung bzw. Entwicklungsverzögerung (im Falle
der Störung) ausgerichtet; im Gegensatz hierzu orientiert sich die Hilfe für Erwachsene an
wesentlich statischeren Modellen. Mit anderen Worten: Behandlung und Rehabilitation eines
7-jährigen Autisten unterliegen anderen Erfordernissen und Rahmenbedingungen als die
Behandlung und Rehabilitation eines Jugendlichen mit einer Persönlichkeitsstörung, der sich
beruflich orientieren muss. Somit spielen die Altersstufen eine besondere Rolle. Für die
weiteren Ausführungen ist die Schlussfolgerung daraus zu ziehen, dass bei der Behandlung
und Rehabilitation von KJjE die Zeitachse von verschiedenen Altersstufen wesentlich zu
berücksichtigen ist. Aus diesem Grunde zeigt Abbildung 1 vier unterschiedliche Ebenen – auf
die verschiedenen Altersstufen abgestimmt.
Alter Einrichtung Kontextfaktor Störungsbild Hilfe
Schnittstellen bei der Behandlung und Rehabilitation von
Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Jugendhilfe
Hilfe im Erwachsenenalter
Hyperkinetische Störungen (F9)
Schizophrene Störungen (F2.*)
Essstörungen (F5.*)
Autismus
Abhängigkeitserkrankungen (F1.*)
Affektiven Störungen (F3.*)
Kindergarten
Schule
Persönlichkeitsstörungen (F6.*)
Ausbildung
Peer Group
Familie
Klinik für KJP
Rehabilitationskliniken
Praxen für KJP
Pädiater
Schulförderung
4 Lbsj.
Jugenddorf
Arbeitsagenturen
Berufsförderungswerke
Berufsbildungswerke
Psychiatrie
18. Lbsj. 21. Lbsj. 27. Lbsj.
Abbildung 1: Behandlung und Rehabilitation von KJjE
Zur Darstellung kommen also vier Ebenen: Hierbei handelt es sich um (a) die (Jugend-)Hilfe,
um (b) das Störungsbild und (c) um die Kontextfaktoren sowie (d) um die Einrichtungen.
Beim Schnittstellenmanagement des Leistungsträgers, Leistungserbringers gemäß
individuellem Behandlungs- und Teilhabebedarf sind insbesondere die Altersstufen
maßgebend: Der Behandlungs- Teilhabebedarf variiert in Abhängigkeit von der Altersstufe.
Es handelt sich hierbei um (1) den Übergang von Jugendhilfe zum Hilfesystem bei
Erwachsenen, (2) um die Störungsspezifität bei psychischen Beeinträchtigungen im Kindesund Jugendalter, (3) um die speziellen Kontextfaktoren Schule, Familie und Peer Groups
sowie (4) um die verschiedenen Einrichtungen, die an der Behandlung und Rehabilitation
von KJjE beteiligt sind.
Da KJjE mit psychischen Störungen Versorgungsstrukturen benötigen,
Teilhabeleistungen aller Rehabilitationsträger einbeziehen, kommt es darauf an, wie
•
•
•
•
die
Krankenbehandlung – SGB V
Medizinische Rehabilitation – SGB VI, SGB V
Teilhabe am Arbeitsleben (oder Ausbildung) – SGB II, SGB III, und
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft – SGB VIII/ SGB XII
auf den unterschiedlichen Ebenen koordiniert werden.
Hierbei ist zu bedenken, dass die Hilfen zur Eingliederung nach § 35a SGB VIII gegenüber
der Eingliederungshilfe gemäß § 53 SGB XII zusätzlich zum rehabilitativen Ansatz noch
normative Ziele der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung verfolgen. In der Regel sind
an jeder Schnittstelle Übergänge vom System eines in den des anderen Leistungsträgers zu
berücksichtigen. Das Folgende spezifiziert die Relevanz der unterschiedlichen Ebenen:
31
Ebene 1: Die Jugendhilfe ist altersbegrenzt
Wir haben zu berücksichtigen, dass die Jugendhilfe endlich ist. Hier gilt im Regelfall das 18.
Lebensjahr (Lj.), für Erstanträge auf Hilfe zur Erziehung/in begründeten Einzelfällen das
vollendete 21. Lj., für seelisch Behinderte oder davon Bedrohte das 21. Lj. für Erstanträge
auf ambulante/ teil- und vollstationäre Eingliederungshilfe sowie das 27. Lj. als maximales
Enddatum für diesen Personenkreis im Rahmen der Jugendhilfe. Bei einem weiterhin
bestehenden Hilfebedarf greift die Sozialhilfe. D. h. mit spätestens der Vollendung des 27. Lj.
ist die Schnittstelle zum Versorgungssystem der Erwachsenen zu berücksichtigen. Die
stationären Leistungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie enden bereits mit dem 18. Lj., die
ambulanten mit dem 21. Lj.
Ebene 2: Störungen sind altersabhängig
Für das Zusammenspiel von Leistungsträgern und Leitungserbringern ist zu berücksichtigen,
dass die
Eignung einer Maßnahme entscheidend vom psychischen Störungsbild abhängig ist.
Fachleute sehen bei der Vielzahl von psychischen Störungsbildern insbesondere spezielle
Erfordernisse im Schnittstellenmanagement von
•
•
•
•
•
Hyperkinetischen Störungen (F9),
Essstörungen (F5.*),
Persönlichkeitsstörungen (F6.*) bzw. ihrer Vorläufer aus den Kapiteln F8 und F9,
Schizophrenen u. schizotypen Störungen (F2.*) und
Abhängigkeitserkrankungen (F1.*).
Die Leistungsträger müssen sich nicht nur auf unterschiedliche störungsspezifische
Behandlungs- und Rehabilitationsziele einstellen; sie müssen auch unterschiedliche
Altersstufen berücksichtigen, wenn Krankenbehandlung und Teilhabeleistungen sinnvoll
koordiniert sein sollen.
Ebene 3: Kontextfaktoren sind altersabhängig
Bei der trägerübergreifenden Leistungsoptimierung ist zu berücksichtigen, dass
Teilhabeleistungen auf die speziellen Kontextfaktoren bei Kindern und Jugendlichen
abgestimmt sein müssen. Teilhabeleistungen können in der Familie, in der Schule oder in
Verbindung mit Peer Groups sinnvoll eingesetzt sein – oder nicht. Familiäre Verhältnisse
können stark variieren. Die Erziehungsberechtigten verfügen über die Erziehungsvollmacht,
solange keine akute Gefährdung für Kinder und Jugendliche das Eingreifen des
Jugendamtes erfordert. Die Schule besitzt eine Sonderposition, da Schulen mit dem
Bildungsmonopol ausgestattet sind. Somit sind sowohl die Erziehungsberechtigten als auch
die Schule mit besonderen Rechten ausgestattet, die bei der Behandlung und Rehabilitation
von Minderjährigen stets zu berücksichtigen sind. Unter Peer Groups verstehen wir die
Faktoren, die über Freundeskreise, Vereine, Internet usw. auf Heranwachsende einwirken.
Es handelt sich um ein offenes System, das gegebenenfalls schwer beeinflussbar ist. Diese
Kontextfaktoren beeinflussen altersabhängig jedoch die individuelle Entwicklung nicht
unwesentlich. Während in jungen Jahren die Einflusssphäre der eigenen Familie überwiegt,
spielen bei jungen Erwachsenen die Peer Groups eine besondere Rolle. Das gilt
32
insbesondere für solche KJjE, die in so genannten sozialen Brennpunkten aufwachsen und
keine ausreichende Unterstützung im Elternhaus erfahren.
Ebene 4: Institutionen sind auf unterschiedliche Altersgruppen eingerichtet
Auf der Seite der Leistungserbringer sind unterschiedliche Institutionen mit unterschiedlichen
personellen und strukturellen Voraussetzungen erforderlich. Hierzu gehören
•
•
•
•
•
Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie des Kinder- und Jugendalters,
Praxen für Psychiatrie und Psychotherapie des Kinder- und Jugendalters,
Berufsbildungswerke
andere Einrichtungen der Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen
und im Übergang zur Hilfe für Erwachsene die Berufsförderungswerke,
die sich in Aufgabengebieten, personellen und strukturellen Merkmalen oft stark
unterscheiden.
Zugleich sind ebenso (störungsbezogen) abgestimmte Maßnahmen
•
•
•
der Schule (z.B. als sonderpädagogische Förderung in der Regelschule),
der Erziehungshilfe (z.B. Förderung der Erziehungskompetenz der Eltern durch die so
genannte sozialpädagogische Familienhilfe) oder
der speziellen pädagogischen Hilfeleistung zu berücksichtigen (z.B. flexible
Erziehungshilfe oder Erziehungsbeistandschaft, die als Leistungen der Jugendhilfe auch
ohne die Feststellung einer Behinderung erbracht werden können).
Bei Kindern, die schon im Vorschul- oder Schulalter eine Tendenz zu Behinderungsrisiken
aufweisen, die sich im schulischen Rahmen äußert, kann das Förderschulverfahren
eingeleitet werden. Die Zuordnung zu einer Förderschule für soziale und emotionale
Entwicklungsoder
für
Lernförderung
beruht
auf
der
Feststellung
eines
sonderpädagogischen Förderbedarfs durch die Schulaufsicht. Ein Verfahrensbestandteil ist
dabei auch die schulärztliche Untersuchung. Die Feststellung des Förderbedarfs setzt jedoch
nicht zwingend die Diagnose einer medizinischen Störung voraus. An den Besuch der
Förderschule kann sich noch ein Berufsorientierungsjahr bzw. Berufsgrundschuljahr
anschließen, bevor ein Leistungsträger der Rehabilitation wie die Agentur für Arbeit erstmals
angegangen werden müsste. Besonderes Augenmerk liegt im Anschluss an die Beschulung
auf den Leistungen zur Teilhabe an Bildung und Arbeitsleben, mit dem Ziel einer möglichst
nahtlosen, erfolgreichen beruflichen und sozialen Integration in die Gesellschaft.
Die Durchführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für (psychisch) behinderte
Menschen ist vom Gesetzgeber in §§ 33 ff, SGB IX geregelt. Diese „Leistungen werden
durch Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke und vergleichbare Einrichtungen der
beruflichen Rehabilitation ausgeführt“ (§ 35 (1), SGB IX). Für die hier i. d. R. erforderliche
Erstausbildung existiert ein bundesweites Netz von etwa 50 Berufsbildungswerken (BBW)
mit „rund 13000 Ausbildungsplätzen und einer Vielzahl von weiteren Plätzen in
vorbereitenden
Maßnahmen“
(Bundesministerium
für
Arbeit
und
Soziales,
„Berufsbildungswerke“). In BBW können psychisch behinderte und von Behinderung
bedrohte junge Menschen eine Abklärung von Eignung und Neigung, Berufsvorbereitung
und Berufsausbildung erfahren. In einem ganzheitlichen Ansatz sind diese beruflichen
Förderangebote verknüpft mit begleitenden psychologischen und pädagogischen
Bemühungen, insbesondere zur Stabilisierung und zur intensiven Förderung der
psychosozialen Kompetenzen (Bernhardt, 2003).
33
Werden Leistungen von der Jugendhilfe erbracht, ist neben den Erziehungsberechtigten
auch die fallführende Person nach dem SGB VIII zu berücksichtigen; und im
sonderschulpädagogischen Bereich handelt es sich z. B. oft um die zuständige Lehrkraft.
B.2.2 Wege im Versorgungssystem an Fallbeispielen
In der Berücksichtigung des „Schnittstellenmodells“ für KJjE gibt es die Erfahrung, dass die
Schulzeit im Regelfall weitgehend ohne Kontakte zum medizinischen Versorgungssystem
durchlaufen wird. Wenn nicht schon bei den Vorsorgeuntersuchungen im Vorschulalter
(Pädiater) oder anlässlich der Einschulungsuntersuchung entsprechende Feststellungen
getroffen wurden, kommt es außer bei der sog. „J 1“ im 12.-14. Lebensjahr, die von weniger
als 30% der Jugendlichen in Anspruch genommen wird, oft bis weit nach Erreichen der
Volljährigkeit nicht mehr zu einem Arztkontakt mit Möglichkeiten einer systematischen
Erfassung des Gesundheitszustandes. Oft werden psychische Störungen nicht als solche
benannt, sondern werden vom Erziehungs- und Lehrpersonal in Kindergärten und Schulen
als Erziehungs- und Lernschwierigkeit bezeichnet, auf die die Verantwortlichen mit
pädagogischen Interventionen reagieren.
Somit muss – im Unterschied zur Versorgung von Erwachsenen – bei psychischen
Beeinträchtigungen von KJjE grundsätzlich zwischen zwei Fallkonstellationen unterschieden
werden:
Es ist eine Diagnose gestellt worden und seitens der Krankenkasse werden geeignete
Maßnahmen zur Erfassung eines Rehabilitations-/Teilhabebedarfes angestoßen (siehe
Fallbeispiel 1).
Hilfebedarfe sind bisher ausschließlich im Bereich Schule, Ausbildung oder Freizeitbereich
aufgetreten, ohne dass schon das Vorliegen einer psychischen Störung erwogen oder das
Vorliegen einer (drohenden) seelischen Behinderung festgestellt wurde (siehe Fallbeispiel 2).
Zwei Fallbeispiele sollen diese beiden „Versorgungswege“ verdeutlichen:
Fallbeispiel 1 (kein Systemwechsel erforderlich)
Einige Monate nach dem Wechsel auf die weiterführende Schule zieht sich ein 11-jähriges
Mädchen zunehmend zurück und vernachlässigt ihre bisherigen sozialen Kontakte, die
schulischen Leistungen lassen deutlich nach. Sie entwickelt einen ausgeprägten
Waschzwang, den sie aber nur im Verborgenen ausübt. Nachdem sich auch nach einer
längeren Eingewöhnungsphase und mehreren Gesprächen der Eltern mit der
Klassenlehrerin nichts ändert, wird eine Vorstellung beim Schulpsychologischen Dienst
veranlasst. Hier fallen sofort die durch das ständige Waschen stark geröteten Hände auf,
und
das
Mädchen
berichtet
darauf
angesprochen
zögernd
von
seinen
Verschmutzungsängsten. Den Eltern wird geraten, sie bei einem Facharzt für Kinder- und
Jugendpsychiatrie vorzustellen; es wird eine Verhaltenstherapie eingeleitet und relativ bald
kommt es zu einem Rückgang der Zwangshandlungen und geringerem
Vermeidungsverhalten gegenüber den Mitschülern. Wegen anhaltender Zwangsgedanken
bleibt allerdings die Besserung der schulischen Leistungen begrenzt, so dass eine
tagesklinische Behandlung eingeleitet wird. Ein Teilhabebedarf wird dort festgestellt und dem
Jugendhilfeträger angezeigt.
Zu sehen ist an diesem Fallbeispiel, dass die Einbindung medizinischer Leistungen durchaus
maßgeblich für das Fallmanagement ist.
34
Fallbeispiel 2 (Systemwechsel erforderlich)
Bereits in der Kindertagesstätte fällt ein 4-jähriger Junge durch aggressives Verhalten
gegenüber anderen Kindern und Missachtung der von den Erzieherinnen gesetzten Grenzen
auf. Der Mutter wird geraten, sich an die Erziehungsberatungsstelle zu wenden. Darauf
meldet diese ihr Kind bei einer anderen Einrichtung an. Hier zeigt sich das gleiche Problem.
Bei der Schuleingangsuntersuchung wird eine Zurückstellung erwogen. In der Grundschule
kommt es zu erheblichen Problemen, in der dritten Klasse wird er beim
Schulpsychologischen Dienst vorgestellt und das Verfahren zur Feststellung eines
sonderpädagogischen Förderbedarfs eingeleitet. Die Empfehlung lautet integra-tive
Beschulung auf der Hauptschule; er erhält Förderunterricht und eine Freizeitbegleitung
durchs Jugendamt. Bald entwickelt sich schulvermeidendes Verhalten, auch der Kontakt
zum Freizeitbegleiter bleibt sporadisch. Die Maßnahme wird vom Jugendamt wegen
mangelnder Mitwirkung eingestellt. In der 7. Klasse wird wegen anhaltenden Fehlens eine
Vorführung durch das Ordnungsamt veranlasst, aber ohne nachhaltige Wirkung. Er wird
einer Förderschule für emotionale Entwicklung zugewiesen. Nur für kurze ist der
Schulbesuch regelmäßiger. Das Abgangszeugnis 9. Klasse holt er nicht ab. Nach einem
heftigen Streit zieht er bei seiner Mutter aus und wohnt für einige Jahre bei Freunden und
Bekannten, bis er dort nicht mehr beherbergt wird. Mit Hilfe der Wohnungslosenhilfe stellt er
schließlich einen Antrag auf SGB II Leistungen und wird im Alter von 21 Jahren auf
Erwerbsfähigkeit untersucht. Hier wird erstmals eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert,
rückblickend wird eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung verbunden mit einer Störung des
Sozialverhaltens angenommen. Das Vorliegen einer wesentlichen Behinderung nach SGB
XII wird festgestellt. Es wird angestrebt, Teilhabeleistungen anzustoßen, um die Integration
in Arbeit, Beruf und Gesellschaft auf Dauer zu sichern. Die Sozialarbeiterin hat ihm geraten,
einen Antrag auf Teilhabebedarf zu stellen.
Das zweite Fallbeispiel macht deutlich, dass eine verspätete Einbindung von
Teilhabeleistungen im Sinne des SGB IX dazu führen kann, dass die Beteiligung der
Jugendhilfe nicht mehr greift. Zu erwähnen ist, dass es sich bei Teilhabeleistungen nicht
immer um medizinische Rehabilitationsleistungen handeln muss, sondern auch um
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und/oder um Leistungen zur Teilhabe am Leben in
der Gemeinschaft handeln kann. Hierzu wäre es erforderlich, dass z. B. die Lehrer oder der
schulpsychologische Dienst effektiv darüber in Kenntnis gesetzt werden und so einen Antrag
auf Teilhabeleistungen veranlassen bzw. auf den Weg bringen können.
Bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen (KJjE) muss das DVfR-Modell der
trägerübergreifenden Versorgung von 2009 (http://www.dvfr.de/nc/stellungnahmen/) um
bestimmte Segmente erweitert werden, da altersgruppenspezifisch differenzierte psychische
Störungen und unterschiedliche Versorgungsstrukturen auf Seite der Leistungsträger und
Leistungserbringer zu beachten sind. Die trägerübergreifende Behandlung und Rehabilitation
von KJjE ist aus Sicht des bio-psycho-sozialen Modells der ICF zu bertrachten. Hierzu
gehören insbesondere die Einbindung der Jugendhilfe, der Bildungssysteme
(Schule/Ausbildung), der Familie und von Peer Groups in die Behandlungs- und
Rehabilitationskonzepte einer trägerübergreifenden Versorgung. Grundsätzlich zu
unterscheiden sind zwei Fallkonstellationen: In der ersten Gruppe ist eine Diagnose ärztlich
oder vom approbierten Psychotherapeuten gestellt worden; die Krankenversicherung leitet
geeignete Maßnahmen zur Erfassung eines Rehabilitations-/Teilhabebedarfes ein. In der
zweiten Fallkonstellation sind Auffälligkeiten bisher ausschließlich im Bereich der Schule
35
oder der Jugendhilfe aufgetreten. Maßnahmen sind getroffen worden, ohne dass eine
medizinische Diagnose gestellt worden ist. Für beide Fallgruppen werden Instrumente
angeboten, die die trägerübergreifende Koordination von Teilhabeleistungen verbessert.
B.3 Trägerübergreifende Leistungsoptimierung
H. Fuchs, G. Krug und S. Wurm
B.3.1 Leistungsoptimierung aus Sicht des SGB IX
An der Behandlung und Rehabilitation von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen
(KJjE) sind unterschiedliche Leistungsträger und Leistungserbringer beteiligt, die in
unterschiedlichen Büchern (SGB V, VI, VIII, IX, XII und III) unserer sozialen Gesetzgebung
geregelt sind. In der Folge kommt es oft zu Abgrenzungsschwierigkeiten, vor allem zwischen
den Leistungsträgern Jugendhilfe, Sozialhilfe und gesetzliche Krankenversicherung (GKV).
Dieses gilt insbesondere dann, wenn Teilhabeleistungen in mehreren Phasen notwendig
sind und diese Leistungen aufeinander abgestimmt werden müssen. In der Regel besteht
dann
ein
Teilhabebedarf
(§
4
SGB
IX),
der
speziell
zugeschnittene,
rehabilitationsträgerübergreifende Teilhabeleistungen erfordert.
Da schon die Abgrenzung der Leistungen einzelner Versorgungssysteme für Fachkräfte
kaum zu überschauen ist, führt diese Situation in der Praxis dazu, dass die Leistungen
häufig nicht eingefordert werden. Hier besteht ein dringender Aufklärungsbedarf. Um für die
Leistungsoptimierung die Übersicht zu bewahren, orientieren sich die Verfasser an den
beiden Fallbeispielen (s.o.). Für beide Fallbeispiele gilt, dass eine Schädigung psychischer
Funktionen (Fallbeispiel: 1 Waschzwang; Fallbeispiel 2: Impulsstörung) zu einer erheblichen
Beeinträchtigung der Aktivität und Teilhabe im familiären, schulischen und sozialen Umfeld
geführt hat. Während sich im ersten Fallbeispiel der Kontextfaktor Schule günstig ausgewirkt
hat, um die psychische Störung mindestens zu erkennen, kollidiert im zweiten Fallbeispiel
das Anforderungsprofil „Schule“ mit der psychischen Grundstörung. Wie sähe das
Fallmanagement im Optimalfall aus? Dies wird zunächst in Anwendung auf das erste
Fallbeispiel untersucht:
Behandlungs- und Teilhabebedarf wurde ärztlich festgestellt (Fallbeispiel 1)
In diesem Fall hat ein Kinder- und Jugendpsychiater, ein approbierter Kinder- und
Jugendpsychotherapeut oder ein auf dem Gebiet von Kindern und Jugendlichen geschulter
Arzt eine psychische Störung und einen Teilhabebedarf festgestellt.
Die GKV wird unterrichtet und kann nach folgendem Modus reagieren: Begründet die
psychische Störung des KJjE bereits Leistungen nach dem SGB V, ist in der Regel der
behandelnde Vertragsarzt/Krankenhausarzt derjenige, der den gesamten Lebenshintergrund
(Kontextfaktoren)
seines
Patienten
erfasst
und
den
Anstoß
für
einen
rehabilitationsträgerübergreifenden Teilhabebedarf geben kann. Er soll den Betroffenen und
ggf. seine Eltern über geeignete Leistungen zur Teilhabe beraten, bei Verdacht auf einen
Bedarf an Leistungen zur Teilhabe bei der Antragstellung unterstützen oder eine Beratung
veranlassen (vgl. § 4 Abs. 3 der Gemeinsamen Empfehlung „Frühzeitige Bedarfserkennung“;
http://www.bar-frankfurt.de/Gemeinsame_Empfehlungen.bar vom 16.12.2004). Außerdem
kann der Arzt den Teilhabebedarf der GKV oder jedem anderen Rehabilitationsträger mit
Einwilligung des Betroffenen bzw. der Erziehungsberechtigten melden (vgl. § 3 der
Gemeinsame Empfehlung zur Verbesserung der gegenseitigen Information und Kooperation
36
aller im Einzelnen beteiligten Akteure nach § 13 Abs. 2 Nrn. 8 und 9 SGB IX vom 22. März
2004; http://www.bar-frankfurt.de/Gemeinsame _Empfehlungen.bar). Ergänzend hierzu ist
anzumerken, dass aus datenschutzrechtlichen Gründen (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I) der
Arzt z. B. das Jugendamt nur einschalten darf, wenn der betroffenen Jugendliche – ab 15
Jahre im Rahmen des § 36 SGB I – bzw. der gesetzliche Vertreter des Kindes/Jugendlichen
dem ausdrücklich zustimmt. Eine Ausnahme gilt allerdings bei Kindeswohlgefährdung (vgl.
§ 8a SGB VIII).
Unabhängig davon können sich auch bei der GKV Anhaltspunkte für einen möglichen
Teilhabebedarf des Kindes/Jugendlichen ergeben (z.B. Zwischenberichte bei Anträgen auf
Verlängerung der Krankenhausbehandlung, Entlassungs- oder sonstige Arztberichte). In
diesen Fällen prüft die GKV den Rehabilitations- und Teilhabebedarf (vgl. § 8 Abs. 1 SGB
IX). Hierzu bedient sie sich u.a. des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
(MDK). Ist daraufhin ein Teilhabebedarf anzunehmen, erfolgt in Abstimmung mit dem
betroffenen Menschen und unter Beteiligung des behandelnden/verordnenden Arztes (ggf.
auch der Beratungsstelle) die Abklärung des Teilhabebedarfs (vgl. auch § 4 Abs. 1 der
Gemeinsamen Empfehlung zur Verbesserung der gegenseitigen Information und
Kooperation aller beteiligten Akteure nach § 13 Abs. 2 Nr. 8 und 9 SGB IX vom 22. März
2004, http://www.bar-frankfurt.de/Gemeinsame_Empfehlungen.bar).
Wird bei der Prüfung ein Teilhabebedarf festgestellt, für den Teilhabeleistungen eines
anderen Rehabilitationsträgers (z. B. des Jugendamtes) in Betracht kommen, so informiert
die Krankenkasse (oder der Rehabilitationsträger, der den Teilhabebedarf festgestellt hat)
unverzüglich alle für die Deckung des Teilhabebedarfs in Betracht kommenden
Rehabilitationsträger.
Auf
der
Grundlage
des
vom
aktuell
federführenden
Rehabilitationsträger festgestellten individuellen Leistungsbedarfs (§ 10 SGB IX, vergl.
B.1.3.1 - Bedarfsorientierung) haben alle Rehabilitationsträger die nach dem für sie
geltenden Recht erforderlichen Leistungen funktionsbezogen zu erfassen und schriftlich so
zusammenzustellen, dass sie nahtlos ineinander greifen. Die Leistungen werden
entsprechend dem Verlauf der Rehabilitation angepasst. Sie sollen dem
Leistungsberechtigten auf Dauer die individuelle, umfassende Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft ermöglichen – und zwar zügig, wirksam und auf wirtschaftliche Weise (§ 10
Abs. 1 SGB IX). Der jeweils zuständige Leistungserbringer hat die Leistungen so umfassend,
vollständig und in gleicher Qualität zu erbringen, dass gleichzeitige Leistungen eines
anderen Rehabilitationsträgers nicht erforderlich werden (§ 4 Abs. 2 SGB IX).
In der „Gemeinsamen Empfehlung Teilhabeplan“ der Bundesarbeitsgemeinschaft für
Rehabilitation (http://www.bar-frankfurt.de/Gemeinsame_Empfehlungen.bar) ist vorgegeben,
in welchen Fällen und in welcher Weise die Klärung der im Einzelfall anzustrebenden Ziele
und Leistungsbedarfe schriftlich festzuhalten ist. Hierzu bedient man sich eines individuellen
Teilhabeplans. Er dient insbesondere dem Ziel einer besseren Leistungsverzahnung
zwischen den Rehabilitationsträgern. Da die Feststellungen an Entwicklungen anzupassen
sind, ist ggf. auch der Teilhabeplan fortzuschreiben.
Der individuell zu erstellende Teilhabeplan, der sich an der ICF orientiert, enthält Angaben
vor allem zu
•
•
•
den Schädigungen,
den Beeinträchtigungen der Aktivitäten und/oder Teilhabe,
den vorhandenen Ressourcen,
37
•
•
•
•
•
•
•
•
den person- und umweltbezogenen Kontextfaktoren,
den zu berücksichtigenden besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung
bedrohter Frauen und Kinder,
den leistungsbezogenen Zielen und Wünschen des betroffenen Menschen,
den Gründen für die Erforderlichkeit der Leistungen,
Zielen, Art, Umfang und inhaltlicher Ausgestaltung der vorgesehenen Leistungen,
voraussichtlichem Beginn, Dauer der vorgesehenen Leistungen und Ort ihrer
Durchführung,
der Sicherstellung von organisatorischen und zeitlichen Abläufen (insbesondere bei
verzahnten und sich überschneidenden Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe)
sowie
den beteiligten Rehabilitationsträgern und sonst noch zu beteiligenden Dritten.
Der verantwortliche Rehabilitationsträger (in der Regel die GKV) unterrichtet die anderen
voraussichtlich beteiligten Träger über die Absicht, einen Teilhabeplan zu erstellen oder
einen vorhandenen Teilhabeplan fortzuschreiben bzw. anzupassen. Im Rahmen der
Abstimmung gibt er den mitbeteiligten Rehabilitationsträgern seine Vorstellungen über die
geplanten Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe bekannt und macht die für deren
Mitwirkung notwendigen Angaben. Die mitbeteiligten Rehabilitationsträger (z. B. auch das
Jugendamt) teilen ihrerseits eigene Vorstellungen über die durchzuführenden Leistungen zur
Teilhabe unverzüglich dem verantwortlichen Rehabilitationsträger mit (vgl. §§ 3 und 6 der
Gemeinsamen Empfehlung). Dadurch können die Leistungen aufeinander abgestimmt
werden.
Vordruckmuster dieses Teilhabeplanes sind auf der BAR-Homepage unter dem Link
http://www.bar-frankfurt.de/upload/Vordruckmuster_Teilhabeplan_84.pdf zu finden. Speziell
für den Bereich der psychisch kranken Kinder/Jugendlichen wurde von der Arbeitsgruppe ein
zielgerichteter Teilhabeplan-Vordruck entworfen. Er ist als Anlage I bis III einschließlich des
Erläuterungsblattes hier beigefügt.
In der Praxis wirkt sich das Verfahren am Beispiel der GKV und Jugendamt wie folgt aus:
Die GKV (als aktuell leistungserbringender Rehabilitationsträger) zeigt dem Jugendamt auf
der Grundlage seiner Bedarfsfeststellung nach § 10 SGB IX den Teilhabebedarf an. Das
Jugendamt prüft sein Leistungsspektrum und veranlasst entsprechende Maßnahmen (z. B.
Unterbringung in ein Jugenddorf). Der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Einrichtung,
die Krankenkasse und das Jugendamt stimmen sich wegen eines nahtlosen Überganges der
Leistungen und wegen des Trägerwechsels zügig untereinander ab.
Sind gleichzeitig auch z. B. Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) notwendig, so wird
diese ebenfalls in den Teilhabeplan eingebunden. Die Abstimmung erfolgt dann zusammen
mit der GKV und dem Jugendamt. Mit diesem Procedere wird die Schnittstelle zwischen
GKV, BA und Jugendhilfe überwunden.
Für eine Anzeige von Teilhabebedarf sind datenschutzrechtliche Gründe zu beachten (§ 35
SGB I). Dieses gilt insbesondere für die Anzeige des Teilhabebedarfs beim anderen
Rehabilitationsträger (Anlage I). Bei Punkt 5 des Teilhabeplans I dürfen nur Daten in Bezug
auf Krankheit/Behinderung an den Jugendhilfeträger bzw. sonstigen Rehabilitationsträger
übermittelt werden, die der Sachaufklärung dienen. Dabei sollten die Informationen (Fakten)
auf das unbedingt Notwendige reduziert werden (z. B.: „Seit ... in stationärer Behandlung in
der ...-Einrichtung; Adresse mit dortigem Ansprechpartner“). Nicht übermittelt werden dürfen
38
dagegen Daten, die anamnestische Inhalte z. B in Bezug auf die Personensorgeberechtigten
haben. Arztberichte etc. dürfen bei der Anzeige des Teilhabebedarfs gegenüber dem
anderen Rehabilitationsträger nicht beigefügt werden.
Unter Punkt 7 sollte aufgeführt sein, dass ein trägerübergreifender Teilhabebedarf in Bezug
auf die Kontextfaktoren gesehen wird. Auf Einzelheiten darf wegen des Datenschutzes hier
auch nicht eingegangen werden. Ausnahmen zu den datenschutzrechtlichen Regelungen
kommen lediglich zum Tragen, wenn prognostisch eine Kindeswohlgefährdung besteht.
Diese muss jedoch in der Anzeige des Teilhabebedarfs (Anlage I) beschrieben werden (z.B.
„Kindeswohlgefährdung kann aufgrund der vorliegenden Informationen nicht ausgeschlossen
werden“).
Behandlungs- und Teilhabebedarf wurde nicht medizinisch festgestellt (Fallbeispiel 2)
Es stellt sich jetzt die Frage, wie die zügige Gestaltung eines Teilhabeplanes zu regeln ist,
wenn Auffälligkeiten aufgetreten sind und eine medizinische Diagnose zunächst nicht
gegeben ist. In diesem Fall ist zu berücksichtigen, dass für die Erkennung des Behandlungsund Teilhabebedarfes den Funktionsträgern der Schule, der Beratungsstellen usw. eine
besondere Bedeutung zukommt, um die Erkennung zu ermöglichen. Erst wenn ein Antrag
nach §§ 35a SGB VIII gestellt wurde, ist der Weg zur Erstellung eines Teilhabeplanes offen.
Nach § 3 der Gemeinsamen Empfehlung zur Verbesserung der gegenseitigen Information
und Kooperation aller beteiligten Akteure nach § 13 Abs. 2 Nr. 8 und
http://www.bar9 SGB IX
vom
22.
März
2004,
nachzulesen
unter
frankfurt.de/upload/Gemeinsame_Empfehlung_Information_Kooperation_81.pdf,
können
Leistungen zur Teilhabe (hier: medizinische Rehabilitationsleistungen und Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben) durch unterschiedliche Personengruppen unter Berücksichtigung
des
informationellen
Selbstbestimmungsrechts
und
der
datenschutzrechtlichen
Bestimmungen angeregt werden. Zu diesen Personengruppen zählen neben den
behandelnden Ärzten auch z.B. Werks- bzw. Betriebsärzte, Psychotherapeuten und
Psychologen.
Angehörige anderer Gesundheitsberufe (z.B. Sozialarbeiter) informieren gemäß § 3 der
Gemeinsamen Empfehlung den behandelnden Arzt, der wiederum bei Verdacht auf den
Teilhabebedarf über Muster-Vordruck 60 der Krankenkasse den Bedarf anzeigt oder bei der
vermeintlichen Zuständigkeit von anderen Rehabilitationsträgern bei diesen die
Teilhabeleistungen
beantragt.
Beratungsdienste/-stellen
von
Einrichtungen,
Behindertenverbänden etc. informieren den nach ihrer Meinung zuständigen
Rehabilitationsträger oder die gemeinsame Servicestelle der Rehabilitationsträger in ihrer
Region.
Ergeben sich bei einem Rehabilitationsträger Anhaltspunkte für einen möglichen
Teilhabebedarf, führt dieser umgehend eine entsprechende Prüfung im konkreten Fall durch.
Ist daraufhin Teilhabebedarf anzunehmen, erfolgt in Abstimmung mit dem betroffenen
Menschen und unter Beteiligung des behandelnden/verordnenden Arztes und/oder des
Betriebs-/Werksarztes, ggf. auch der Suchtberatungsstelle, die Abklärung des
Teilhabebedarfs auch mit Berücksichtigung des arbeits- und berufsbezogenen Umfelds. In
diesen Fällen wird das Verfahren durch einen Antrag des Versicherten und einen durch den
Betriebs-/Werksarzt bzw. behandelnden/verordnenden Arzt erstellten Befundbericht, ggf. mit
Sozialbericht, eingeleitet (§ 4 der Gemeinsamen Empfehlung). Hinsichtlich des weiteren
Vorgehens
wird
auf
die
Ausführungen
zum
Fallbeispiel
1
verwiesen.
39
B.3.2 Entscheidungsprozesse im Antragsverfahren nach § 35a SGB VIII
Erst
wenn
der
Behandlungsbedarf
festgestellt
worden
ist,
können
die
Entscheidungsprozesse beim Jugendhilfeträger auf den Weg gebracht werden; hier ist
ausschließlich das zuständige Jugendamt befugt, den Teilhabebedarf zu klären. Dies
veranschaulicht Abbildung 2. Die Kontaktaufnahme mit der Jugendhilfe und eine
Antragstellung erfolgt, wenn der beeinträchtigte Jugendliche noch nicht das 21. Lj. vollendet
hat und psychische Störungen der Art vorliegen, wie sie zum Teil (s.o.) hier beschreiben
sind.
Neben der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft kann die Jugendhilfe auch für die
medizinische Rehabilitation, so z. B. für heilpädagogische Anwendungen etc., zuständig
sein. Ebenfalls kann es in Einzelfällen auch eine Zuständigkeit zur Teilhabe am Arbeitsleben
geben. Daraus folgt, dass die Jugendhilfe auch hier Maßnahmen-Kostenträger sein kann für
Angebote, die einen Einstieg in das Berufsleben ermöglichen sollen.
Im Folgenden werden die Abläufe verkürzt unter Berücksichtigung der Abbildung 2
dargestellt. Wenn ein vollständiger Antrag vorliegt, erfolgt das Prüfverfahren in Verbindung
mit § 14 SGB IX. Ist die Zuständigkeit gegeben, beginnt die auf die Eingliederungshilfe
bezogene Sachverhaltsaufklärung ggf. unter Einbeziehung eines Gutachtens. Nach einer
Zwischenauswertung erfolgt entweder der Bewilligungsbescheid oder die Ablehnung.
Zeichnet sich eine Bewilligung ab, so ist eine fachliche Stellungnahme einzuholen. Der
Bewilligung folgt die Erstellung eines Hilfeplanes.
Wird zusätzlich eine geistige und oder körperliche Beeinträchtigung mit akutem Hilfebedarf
diagnostiziert, wird eine Prüfung der Vorrangigkeit des örtlichen/überörtlichen
Sozialhilfeträgers gem. § 10 SGB VIII notwendig.
40
Entscheidungsprozess und Hilfeplanung §§ 35a und 36 SGB VIII
Antrag
Personensorgeberechtigter oder
Hinweis Dritter
Geht an den zuständigen Regionalbezirk und dortige Fallvorstellung
Bei Vorliegen eines vollständigen Antrages
Prüfverfahren gem. § 14 SGB Abs.1 SGB IX* :
Einschätzung, Sichtung vorh. Unterlagen
Informationsbereiche abklären, Kollegiale Beratung
Einladung zum Erstgespräch mit dem Ziel offene Fragestellungen zu klären, notwendige Unterlagen und ggf. Stellung eines Antrages
Nicht zuständig:
Weiterleitung des Antrages
an den zuständigen
Rehabilitationsträger gem.
§14 Abs.2 SGB IX
Sachverhaltsklärung:
Problemanalyse
Kontext
Entwicklungsbefund
seel. od. drohende
seel. Behinderung?
Je nach Einzelfall:
Herstellung von Kontakten
- Schulbericht
- Fachärzte
- Kinder- u. Jugendpsychiatrie (insbes.
bei stationären Maßnahmen)
Beauftragung des Wahlgutachters
Zwischenauswertung/ Vorstellung im
Team und Beratung:
HPG
Beschluss:
Bewilligung
Ablehnung
Bewilligung
Ablehnung
MaßnahmenPlanung
andere erzieherische Hilfe
indiziert
Leistunganbieter
- Fachliche Stellungnahme und Vorschlag
- Betroffenenbeteiligung:
Ist der Prozess verstanden?
Sind die Interessen deutlich?
Eltern/Kinder
Ablehnungsbescheid
Hilfeplan  Behandlungsplan
 Fortschreibung
* Aus Sicht des LJA Rhld. liegt dann ein vollständiger Antrag vor, wenn
alle Daten zum Personenstand und vorliegende Unterlagen (Vorberichte, Ablehnungsbescheide, Gutachten etc.) eine Prüfung i. Sinne des
§ 14 SGB Abs.1 SGB IX ermöglichen.
Abbildung 2: Entscheidung und Hilfeplanung gemäß §§ 35a und 36 SGB VIII
41
B.3.3 Abgrenzung SGB XII / SGB VIII
Mit Einfügung des § 35a in das SGB VIII haben die Träger der Jugendhilfe neben den Hilfen
zur Erziehung für seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Kinder
und Jugendliche nun auch alle Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 54, 56, 57 SGB
VIII für sie zu erbringen. Seitdem beklagen die Betroffenen erhebliche Abgrenzungs- und
Schnittstellenprobleme, insbesondere zwischen den Trägern der Kinder- und Jugendhilfe,
aber auch den Trägern der Krankenversicherung. Als Ursache dafür wird von verschiedenen
Akteuren die nicht präzise Eingrenzung des § 35a SGB VIII auf die seelische Gesundheit
gesehen. Zudem sei bezüglich des Bedarfs eine Unterscheidung der Erziehungshilfen von
Eingliederungshilfeleistungen (Hilfe bei Behinderung) kaum möglich. Mit Blick auf die UNBRK sei ohnehin eine inklusive Lösung notwendig.
Wissenschaftliche Untersuchungen, aber auch das BMFSFJ konstatieren auf diesem
Hintergrund „kostenstrategische Verhaltensweisen“ der Jugendhilfeträger dahingehend,
„zeit- und kostenintensive Prüfungen der Unzuständigkeit“ mit der Folge von
„Zuständigkeitsstreitigkeiten
und
Leistungsverzögerungen
zu
Lasten
der
Leistungsberechtigten“ in den Vordergrund zu stellen. Aus dem Bereich der Kommunalen
Spitzenverbände wird zudem die Tendenz beobachtet, dass sich die Träger der Jugendhilfe
(unverändert) nicht als Rehabilitationsträger verstehen. Das werfe auch im Einzelfall die
Frage auf, ob seelisch behinderte Kinder in gleicher Weise bedarfsgerecht i.S.d. SGB IX
versorgt werden, wie dies mit der bei den Trägern der Sozialhilfe in diesem Bereich
vorhandenen der Fall ist.
Der Deutsche Bundestag hat auf diesem Hintergrund schon im Gesetzgebungsverfahren
zum SGB IX im Jahr 2000 und seitdem erneut verschiedentlich nach Lösungen für diese
Problematik gesucht. Aktuell schlägt die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Weiterentwicklung der
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen“ zur „Inklusion von jungen Menschen
mit Behinderungen“ vor dem Hintergrund der BRK vor, die so genannte „Große Lösung“
umzusetzen und die Gewährung von Eingliederungshilfeleistungen für KJjE im SGB VIII
zusammenzuführen.
Das BMFSFJ stellt auf diesem Hintergrund drei Optionen zur Neuordnung der
Zuständigkeiten vor: Alleinzuständigkeit der Sozialhilfe; Alleinzuständigkeit der Jugendhilfe;
Punktuelle Bereinigung einzelner Schnittstellen. Es spricht einiges dafür, dass die „Große
Lösung“ ein geeigneter rechtlicher Rahmen für eine Lösung im Sinne des Inklusionsansatzes
der UN-BRK sein kann. Ungeklärt bliebe jedoch weiterhin die Unterscheidung zwischen
erzieherischem und behinderungsbedingtem Bedarf, dessen Klärung mit Blick darauf, dass
nur ein Teil der KJjE beide Leistungsbedarfe aufweist, weiterhin notwendig bleibt. Im Übrigen
bestehen
entgegen
der
Auffassung
der
Arbeitsgruppe
der
Arbeitsuns
Sozialministerkonferenz der Länder auch erhebliche Kostenprobleme, zumal mit Blick
darauf, dass sich durch die Zuständigkeitsverlagerung in einigen Ländern für die Kommunen
neue Aufgaben ergeben können, die nach dem Konnexitätsprinzip von den Ländern
auszugleichen wären. Aus diesen und anderen Gründen stehen jedenfalls derzeit die
Lösungsvorschläge mit allem Für und Wider nebeneinander.
Geht man von den Hauptkritikpunkten der Betroffenen und ihren Angehörigen aus – die von
der zuvor referierten Fachdiskussion im Kern geteilt werden –, liegen die Ursachen für die
vorhandenen Probleme im wesentlichen bei der streitigen Zuständigkeit und der
unterschiedlichen Praxis der Beurteilung des Bedarfs an Hilfen bei Behinderung und bei der
daran anknüpfenden Leistungspraxis.
42
Eine Lösung – die nicht nur als Bereinigung einzelner Schnittstellen verstanden werden kann
– könnte auch verfahrensrechtlicher Art sein:
•
•
•
•
alleinige leistungsrechtliche Zuständigkeit der Jugendhilfe bis zum Eintritt in das
Berufsleben
vom Eintritt in das Berufsleben an alleinige leistungsrechtliche Zuständigkeit der Träger
der Sozialhilfe
in allen Fällen Feststellung des Bedarfs durch den zuständigen Träger
in allen Fällen gemeinsames Bedarfsfeststellungsverfahren und Abschluss einer für alle
Beteiligten verbindlichen Zielvereinbarung i.S.v. §§ 3, 4 BudgetV zu den benötigten und
zu bewilligenden Leistungen
Kostenregelung pro rata temporis nach dem Verhältnis der tatsächlich erbrachten Leistungen
An der Behandlung und Rehabilitation von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen
(KJjE) sind unterschiedliche Leistungsträger und Leistungserbringer beteiligt, die in
unterschiedlichen Büchern (SGB V, SGB VI, SGB VIII, SGB IX/XII und SGB III) unserer
Sozialgesetzgebung geregelt sind.
Nach § 3 der Gemeinsamen Empfehlung zur
Verbesserung der gegenseitigen Information und Kooperation aller beteiligten Akteure nach
§ 13 Abs. 2 Nr. 8 und 9 SGB IX können Leistungen zur Teilhabe durch unterschiedliche
Personengruppen unter Berücksichtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts
und der datenschutzrechtlichen Bestimmungen angeregt werden. Zu diesen
Personengruppen zählen neben den behandelnden Ärzten auch z.B. Werks- bzw.
Betriebsärzte, Psychotherapeuten und Psychologen. In unserer Stellungnahme haben wir
unterschiedliche Wege skizziert, wie auf der Grundlage der datenschutzrechtlichen
Bestimmungen und auf der Grundlage des SGB IX der Teilhabebedarf bei KJjE angezeigt
werden kann. Erst wenn der Behandlungs- bedarf festgestellt worden ist, können die
Entscheidungsprozesse beim Jugendhilfeträger auf den Weg gebracht werden. Den
Teilhabebedarf klärt das zuständige Jugendamt. Wenn ein vollständiger Antrag vorliegt,
erfolgt das Prüfverfahren in Verbindung mit § 14 SGB IX. Der Bewilligung folgt die Erstellung
eines Hilfeplanes. Wird zusätzlich eine geistige und oder körperliche Beeinträchtigung mit
akutem Hilfebedarf diagnostiziert, ist eine Prüfung der Vorrangigkeit des
örtlichen/überörtlichen Sozialhilfeträgers gem. § 10 SGB VIII notwendig.
43
B.4 Literaturverzeichnis und Abkürzungen
Albers M, Bering R, Bredenbeck C, Chrusz D, Fasshauer K, Gasche M, Gerke U, von Lutzau
HR, Schartmann D, Schmidt-Rüther I, Schilson D, Steier-Mecklenburg F, Striening F,
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46
Abkürzungen
BA
Bundesagentur für Arbeit
BudgV
Budgetverordnung zu § 17 SGB IX
BMFSFJ
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
DGPPN
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
DVfR
Deutsche Vereinigung für Rehabilitation e. V.
GKV
Gesetzliche Krankenversicherung
GRV
Gesetzliche Rentenversicherung
ICD-10
International Classification of Diseases der Weltgesundheitsorganisation
ICF
International Classification of Functioning, Disability and Health
ICF-CY
Youth
International Classification of Functioning, Disability and Health - Children and
KiHB
Kinderheilbehandlung
KJjE
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene
MDK
Medizinischer Dienst der Krankenversicherung
SGB
Sozialgesetzbuch
UN-BRK
Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen
WHO
Weltgesundheitsorganisation
47
C. Anlagen
C.1 Erläuterungen zur Handhabung des dreiteiligen Vordruckes
zum Teilhabeplan
Gemäß der „Gemeinsamen Empfehlung Teilhabeplan“ (zu § 13 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX) sind
die Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, dass die im Einzelfall erforderlichen
rehabilitationsträgerübergreifenden Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe für behinderte
oder von Behinderung bedrohte Menschen nahtlos, zügig und „wie aus einer Hand“ erbracht
werden.
Zur Erreichung dieses Ziels wurde der dreiteilige Vordruck zur Umsetzung des
Teilhabebedarfs entworfen.
Der Vordruck Teil I ist von dem Rehabilitationsträger auszufüllen, der bei dem Betroffenen
aufgrund von Mitteilungen der behandelnden Ärzte oder aufgrund von Entlassungsberichten
etc. einen rehabilitationsträgerübergreifenden Teilhabebedarf feststellt.
Die Notwendigkeit des Gebrauchs dieses Vordrucks kann z. B. dann gegeben sein, wenn zur
Deckung des Teilhabebedarfs mehrere Rehabilitationsträger zu beteiligen sind bzw. wenn
neben medizinischen Rehabilitationsleistungen auch Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben (§ 33 SGB IX) oder zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 55 ff. SGB
IX) notwendig werden.
Bei dem Vordruck Teil I handelt es sich um eine „Bestandsaufnahme“, die der
verantwortliche Träger – ggf. zusammen mit dem Betroffenen – durchführt. Unter
Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Vorschriften des SGB werden hier u. a. aktuell
bereits bewilligte, laufende oder abgeschlossene Leistungen, die mit dem noch bestehenden
Teilhabebedarf in Verbindung stehen könnten, vermerkt, unter Abschnitt 7 der vom
leistenden Rehabilitationsträger festgestellte Teilhabebedarf aufgeführt und ggf. bestehende
Bedürfnisse und Wünsche des Betroffenen festgehalten.
Der Vordruck Teil II wird den beteiligten Rehabilitationsträgern vom verantwortlichen RehaTräger zusammen mit dem Vordruck Teil I zugeleitet. Aufgrund des Vordruckes Teil II hat der
angeschriebene Rehabilitationsträger den Teilhabebedarf im Rahmen seines
Leistungsspektrums zu prüfen und die Ergebnisse seiner Leistungsprüfung auf dem
Vordruck Teil II zu vermerken bzw. zu erläutern. Anschließend ist der Vordruck Teil II an den
ersten Rehabilitationsträger zurückzusenden.
Auf dem Vordruck Teil III fasst der verantwortliche (= erste) Rehabilitationsträger die eigenen
und die aufgrund der Rückmeldungen gewonnenen Informationen zusammen und koordiniert
die erforderlichen Leistungen trägerübergreifend. Anschließend stellt er über Vordruck Teil III
dem Betroffenen und den am Rehabilitationsprozess Beteiligten diese Informationen zur
Verfügung.
Die Zusendung der Vordrucke erfolgt schriftlich über die Post bzw. per Fax. Eine Kopie des
ausgefüllten Vordrucks verbleibt jeweils in den Leistungsakten.
48
C.2 Vordrucke Teilhabeplan I, Teilhabeplan II und Teilhabeplan III
Teilhabeplan - Teil I
Teilhabeplan für
Name, Vorname
Datum der Erstellung
Versichertennummer
1
Angaben zur Person
Name, Vorname
Geburtsdatum
Geburtsname
Telefon (Vorwahl/Ruf-Nr.)
Straße, Hausnummer
Fax
Postleitzahl, Ort
E-Mail
Staatsangehörigkeit
Geschlecht
männlich
ggf.
Aufenthaltsgenehmigung
bis
weiblich
ggf. Aufenthaltsort
Familienstand (falls kein Kind/Jugendlicher)
ledig
verheiratet
geschieden
verwitwet
eingetragene Lebenspartnerschaft
49
erlernter Beruf
zuletzt ausgeübte Tätigkeit
2
arbeitslos seit
Erziehungsberechtigter/Betreuer/Bevollmächtigter
Name, Vorname
Telefon
Nr.)
Straße, Hausnummer
Telefax
Postleitzahl, Wohnort
E-Mail
Betreuungsverhältnis
Eingeleitet am
Betreuungsverhältnis eingeleitet durch
Aktenzeichen
3
(Vorwahl/Ruf-
Behandelnde Ärzte
Name
Telefon
Nr.)
(Vorwahl/Ruf-
Telefon
Nr.)
(Vorwahl/Ruf-
Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort
Name
Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort
4
Aktuelle Leistungen, die mit dem bestehenden Teilhabebedarf in Verbindung
gebracht werden können (bewilligt, laufend, abgeschlossen)
Art der Leistung
Zeitraum
Ort
50
Einrichtung
Reha-Träger
5
Art der Krankheit/Behinderung und Angaben zur Notwendigkeit von
Teilhabeleistungen unter Berücksichtigung der schulischen/beruflichen/privaten
Situation
6
Bedürfnisse und Wünsche der Betroffenen/des Betroffenen in Bezug auf die
Leistungen zur Teilhabe
7
Nicht nur vorübergehende alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivitäten
und/oder Teilhabe
A - D A = keine Beeinträchtigungen, B = Schwierigkeiten (verlangsamt, mit Hilfsmitteln), C
= personelle Hilfe nötig, D = nicht durchführbar
Lernen
und
Wissensanwendung
(z. B.
Zuschauen,
Zuhören,
elementares
Lernen,
Wissensanwendung)
Allgemeine Aufgaben und Anforderungen (z.
B. Einzel-/Mehrfachaufgaben übernehmen, tägliche
Routine durchführen, mit Stress/psychischen Anforderungen umgehen)
Kommunikation
(z. B.
Unterhaltungen
führen,
Mitteilungen
schreiben,
Kommunikationsgeräte
benutzen
können)
Selbstversorgung
(z. B. Wechsel der Körperhaltung,
und
Tragen,
Handgebrauch
Armgebrauch, Gehen, Treppensteigen
Sitzen, Bücken, Stehen)
Häusliches Leben (z.
(z. B. Kontakte
aufnehmen,
Beziehungen
aufbauen/aufrecht erhalten)
Bedeutende
Mobilität
Interpersonelle
8
Aktivität
(z. B.
Ankleiden/Auskleiden,
Nahrungsaufnahme)
Hygiene,
B. Haushaltsführung)
(z. B.
Schulbildung, Ausbildung, Arbeit und
Beschäftigung)
Lebensbereiche
Art der beantragten/vorgesehenen Leistungen und zuständiger Reha-Träger
Art der Leistung
Anschrift des Reha-Trägers
Reha-Träger
Aktenzeichen
51
Art der Leistung
Reha-Träger
Anschrift des Reha-Trägers
9
Sonstiges (z. B. weiterer Verfahrensgang)
10
Teilhabeplan wurde erstellt von
Aktenzeichen
Name
Telefon
Anschrift/Institution
Fax/E-Mail
11
Erklärung der Betroffenen/des Betroffenen
Änderungen gegenüber den gemachten Angaben werde ich unverzüglich mitteilen. Ich
nehme zur Kenntnis, dass die personenbezogenen Daten unter Berücksichtigung des § 35
SGB I und den Vorschriften der geltenden Datenschutzgesetze erhoben werden. Ich stimme
der Datenweitergabe - auch im Falle der Anpassung und Fortschreibung des Teilhabeplanes
- an die Beteiligten zu.
Unterschrift
Betroffenen
der
Betroffenen/des Anlagen
52
Teilhabeplan II
Datum
12.10.2011
Teilhabeplan - Teil II - für
Versichertennummer:
Sehr geehrte Damen und Herren,
für Herrn
ist ein Teilhabeplan zu erstellen. Weitere von hier für erforderlich gehaltene
Leistungen zur Teilhabe bitten wir zu prüfen (siehe auch Teil I Ziffer 8 des beigefügten
Teilhabeplans). Wir bitten zunächst um unverzügliche Mitteilung Ihrer Vorstellungen zu den
vorgesehenen Leistungen zur Teilhabe gemäß § 6 Abs. 2 der Gemeinsamen Empfehlung
„Teilhabeplan“ auf dem beigefügten Vordruck (Teil II).
Sofern im weiteren Verfahren von Ihnen Leistungen zur Teilhabe bewilligt oder abgelehnt
werden, bitten wir um Übersendung der Bescheide.
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Teilhabeplan (Teil I)
Vordruck (Teil II)
Anlage
53
Absender:
Teilhabeplan - Teil II
AOK Rheinland/Hamburg
Die Gesundheitskasse
Teilhabeplan für
Name der Betroffenen/des Betroffenen
Versichertennummer
Angaben des beteiligten Reha-Trägers zu vorgesehenen Leistungen zur Teilhabe
1
Art, Umfang und Ziel der Leistungen:
2
Voraussichtlicher Beginn, Dauer und Ort der Leistung:
3
Sonstige Hinweise:
54
4
Leistungen zur Teilhabe kommen zur Zeit nicht in Betracht, weil:
5
Ansprechpartner
Name
Telefon
Anschrift
Fax, E-Mail
Anlagen
Unterschrift
Teilhabeplan II
Teilhabeplan III
55
Datum
12.10.2011
Teilhabeplan - Teil III - für
Versichertennummer:
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit übersenden wir Ihnen den Teilhabeplan für Herrn
weiteren Veranlassung.
Mit freundlichen Grüßen
Teilhabeplan
Anlage
zur Kenntnis und ggf.
56
Teilhabeplan - Teil III
Teilhabeplan für
Name der Betroffenen/des Betroffenen
Versichertennummer
Teilhabeplan
Zeitraum
Leistungen (einschließlich Art, Umfang, Form, Dauer und Ort)
Reha-Träger
Leistungen vorgesehen
Zeitraum
Aktenzeichen
Leistungen bewilligt
Leistungen (einschließlich Art, Umfang, Form, Dauer und Ort)
Reha-Träger
Leistungen vorgesehen
Zeitraum
Reha-Träger
Aktenzeichen
Leistungen bewilligt
Leistungen (einschließlich Art, Umfang, Form, Dauer und Ort)
Aktenzeichen
57
Leistungen vorgesehen
Zeitraum
Leistungen bewilligt
Leistungen (einschließlich Art, Umfang, Form, Dauer und Ort)
Reha-Träger
Leistungen vorgesehen
Aktenzeichen
Leistungen bewilligt
Ansprechpartner des koordinierenden Reha-Trägers
Name
Telefon
Straße und Hausnummer
Fax
Postleitzahl Ort
E-Mail
Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift
Teilhabeplan III
0221-8096318 Krug
0211-82250 Wurm
58
C.2 Medizinische Rehabilitation und Krankenhausbehandlung
Tabelle: Stationäre Rehabilitationsbehandlung versus akut stationäre Krankenhausbehandlung
Krankenhausbehandlung
Stationäre RehabilitationsBehandlung (a und b)
Im Vorfeld festgelegtes Behandlungsziel
Vorgegebener Zeitrahmen, vor Aufnahme
konzeptionell festgelegt
Medizinische Diagnostik
Festgelegtes Behandlungsprogramm
vorwiegend im Gruppensetting
Nein
Ja
Nein
Ja
Nicht begrenzt, ggf. in
Kooperation mit anderen
Leistungsanbietern, auch
für somatische
Begleiterkrankungen
Sollte vor Beginn abgeschlossen
sein, lediglich
Rehabilitationsspezifische
Ergänzungen
Nein
Ja
Exakt auf die Einzelperson zugeschnittenes
Behandlungssetting mit sehr
Ja
individualisierten Zielen und Maßnahmen
der Behandlung
Nein
Möglichkeit der Arbeit mit geschlossenen
Gruppen (zeitgleiche Aufnahme und
Entlassung)
Nein
Ja
Durchgängige, pflegerische/pädagogisch
Einzelbetreuung möglich
Ja
Nein
Ja
Nein
Akutaufnahme im Notfall möglich
Ja
Nein
Entscheidung über stationäre Aufnahme
und Auswahl der Klinik
Patient und Eltern
Einweisender Arzt/Facharzt
für KJPP in der
aufnehmenden Klinik, bei
Notfällen Wohnort
(Pflichtversorgungsgebiet)
Entlassbericht mit sozialmedizinischer
Beurteilung regelhaft an Leistungsträger
Nein
Gesetzlich festgelegte Zielparameter
Förderung des Funktionsniveaus
Förderung der Gesundheit und der (späteren) Schul- und
Erwerbsfähigkeit
Besondere Sicherheitsvorkehrungen
möglich (Eigen- und Fremdgefährdung)
Leistungsträger, Wunsch- und
Wahlrecht im Gesetz festgelegt,
abschließende Prüfung durch den
aufnehmenden Arzt
Ja
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