Wassersport_04_12_Layout 1 14.03.12 15:05 Seite 48 An Bord INTERCrui „Es muss nicht immer Stahl und Eisen sein“ Wie sagte doch einst der große deutsche Dichter Heinrich Heine: „Denk‘ ich an Deutschland in der Nacht . . .“. Umgekehrt könnte es heißen: „Denk‘ ich an Holland und den Bootsbau . . . dann denk‘ ich an Stahl und Eisen“. Doch das muss nicht immer so sein. „INTERBOAT“, eigentlich „GfK-Sloepen-Spezialist“ der Edelklasse, ansässig in Loosdrecht, Provinz Nord-Holland, hat den Kajütkreuzer „InterCruiser 35“ auf Kiel gelegt – und das mit beachtlichem Erfolg. Claus D. Breitenfeld unternahm einen ersten Probeschlag. W er nicht so genau hinschaut, dennoch auf holländischen Bootsbau fixiert ist, dem könnte man diesen Kajütkreuzer sicherlich auch als Stahlschiff „verkaufen“. Doch dagegen würde sich die Werft mit Vehemenz sträuben, schließlich ist man in Loosdrecht stolz darauf, seit fast zwei Jahrzehnten ausschließlich GfK-Boote zu bauen und davor als Importeur recht erfolgreich gewesen zu sein. Basis sind eigentl ich exklusive Sloepen gehobenen Niveaus, aber bereits das Modell „InterCruiser 34“, ein Retro-Look-Kabinenboot, ließ darauf schließen, dass in absehbarer Zeit noch einer draufgesetzt wird, was nun mit dem „InterCruiser 35“ zur vorzeigbaren Realität wurde. Etwa 180 bis 200 Schiffe, gesplittet in rund 20 Modelle, angefangen bei einer 48 WasserSport · 4/2012 Länge von 6,80 m bis zum hier vorgestellten Flaggschiff mit 10,75 m Länge ü. A., verlassen Jahr für Jahr die Werfthallen in Loosdrecht, gefertigt von ca. 55 Mitarbeitern. Und besonders stolz ist das Unternehmen darauf, dass alles von A bis Z in Eigenregie gefertigt wird. Begonnen bei der Konstruktion bis hin zur Verarbeitung der letzten Schraube, des Holzausbaues, des GfK-Finish, sämtlicher Installationen in Technik, Elektronik und Mechanik. Fahreigenschaften W irft man einen Blick auf die technischen Daten, in Sonderheit die Motorisierungs-Varianten, dann wird jedem Insider schnell klar, was die Werft mit diesem Schiff erreichen möchte. Nämlich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die Band- breite von 50 bis 272 kW (68 – 370 PS), macht verständlicher Weise nur Sinn, wenn die maximale Power auch genutzt werden kann. Voraussetzung dafür ist wiederum, dass der Rumpf für die unterschiedlichsten Fahrstile konzipiert wurde. Im Klartext: Die Einsatzmöglichkeit als Verdränger und Gleiter muss gegeben. Schließlich ist kaum anzunehmen, dass daran gedacht wurde mit diesem Schiff gegen reißende Stromschnellen anzukämpfen, im Eisbrecher-Einsatz zu arbeiten oder es eventuell als Hochseeschlepper zu missbrauchen. Die „mögliche“ Kraft kann daher nur einem Zweck dienen, nämlich dem des Gleitens ohne Wenn und Aber. Und dass das dies nicht fernab jeglicher Realität liegt, haben Rechenstudien der Werft bewiesen, die diesem InterCruiser eine maximale Geschwindigkeit von 33 km/h (knapp 18 kn) bescheinigen. Wassersport_04_12_Layout 1 14.03.12 15:07 Seite 49 B An ord uiser 35 Macht in jeder Fahrstufe eine gute Figur, der Interboat-Cruiser – das „Polyester-Stahlschiff“. Fotos: Breitenfeld/Werft Das geräumige Backsdeck. Salonimpressionen. Gelungene Kombination von Walnuss- und Eschenholz. Sauberste Verarbeitung, wohin man auch blickt. N ur zu gern möchte man sich die Mimik des parallel fahrenden Skippers vorstellen, der mit seinem reinrassigen Stahlverdränger ähnlichen Erscheinungsbildes, bis auf die letzte Rille ausgereizt, gerade `mal an der 16 km/h (8,6 kn)-Schallmauer kratzt, legt schließlich der InterCruiser-Rudergänger den Hebel auf den Tisch und das Schiff steigt aus dem Wasser, geht ins Gleiten über. Keine Frage, der Tag wäre gelaufen. Nachvollziehbar ist dieses Gefühl durchaus, allein das Erleben blieb der Testcrew versagt, hatte sich der Chronist doch mit der kleinsten, angebotenen Motorisierung zu begnügen, 50 kW (68 PS). Dennoch, auch damit mutieren künftige Eigner nicht zum Loser, schließlich entsprechen 14,2 km/h (7,7 kn) unter Volllast bei dieser Motorenkonfiguration und einem Testgewicht von mehr als ac ht Tonnen durchaus der Normalität. Dies spielt sich ab im Volllast-Drehzahlbereich von 2.900 U/min des Vetus-Deutz DT 4.70-Diesel. Geräuschentwicklung am Steuerstand unter Deck dabei lediglich wohltuende 71 dB(A), die Stimmband schonende Konversation zulässt. aum anzunehmen, dass Wasserwanderer permanent mit der maximalen Drehzahl unterwegs sein werden, gehen wir runter auf Kanalgeschwindigkeit von etwa 12 km/h (6,5 kn) und reduzieren die Drehzahl um ca. 750 U/min auf etwa 2.150. Das Phonmeter pendelt sich bei 66 dB(A) ein, am Ufer kommt davon wohl so gut wie gar nichts mehr an. Sauber und ohne nennenswerte Ruderkorrekturen verfolgt der InterCruiser den ihm vorgegebenen Kurs, Dank des lang durchgezogenen Kiels. Gut geschützt der rechtsdrehende Vierblatt-Bronze-Propeller von einer so genannten Hacke. K S chnelle Richtungsänderungen unter diesen Vorzeichen stellen weder Rumpf noch Rudergänger vor irgendwelche Probleme, ebenso souverän das Krängungsverhalten, das kaum der Rede wert ist. Sauber und plan auch die Drehkreise unter niedrigster Drehzahl von 900 U/min, die sich voraus und nach achtern, über Bb. und Stb. im Bereich von einer bis eineinhalb Bootslängen bewegen. Erstaunlich zudem, d ass hart gefahrene Kurven unter Volllast voraus auch nur unwesentlich mehr Platz einfordern. Mit zwei Bootslängen ist das Schiff einmal rum. Alles bestens. 쏅 Ausstattung & Verarbeitung L ässt der Betrachter Assoziationen hinsichtlich der bekannten Sloepen zu, 4/2012 · WasserSport 49 Wassersport_04_12_Layout 1 14.03.12 15:07 Seite 50 Die Pantry geschickt ins Layout integriert, mit allen Drum und Dran, was sich der Smutje wünscht. dann wird er mit Überraschungen beim InterCruiser 35 kaum konfrontiert werden, schließlich ist er dann perfektes Design, Finish in jeglicher Hinsicht und grundsolide Handarbeit gewohnt. Und auf nichts anderes brauchen sich künftige Eigner hier einzustellen. Topp-Verarbeitung, Liebe zu Detail, Technik vom Feinsten. Perfektes Tischlereikönnen spiegelt sich auch in der Verarbeitung der sämtliche r Lukenkanten und Holzleisten wider, so dass keine hässlichen Fronten zu sehen sind. Daher können wir uns in diesem Kapitel auf das Große und Ganze konzentrieren, ohne uns in Kleinigkeiten verzetteln zu müssen. m es noch einmal hervorzuheben, viel Wärme und Behaglichkeit vermittelt der saubere Holzinnenausbau des Testprobanden, eine kontrastreiche und dennoch harmonische Symbiose aus Walnuss- und Eschedekor, edel bis in die kleinste Phase. L-förmig angelegt, die Pantry an Bb. vor der geräumigen Eignerkabine mit freistehendem, französischen Bett, viel Stauraum in Schränken und Sideboards. Dreiflammiger Gaskocher, Mikrowelle, Rundspüle, Kühlschrank und ausreichend Arbeitsfläche stehen dem Smutje zur Verfügung. Gegen- U Zuverlässige Vetus-DeutzDiesel DT 4.70. 50 WasserSport · 4/2012 Dinette- und Salonbereich an Steuerbord. Die geräumige Eignerkabine im Vorschiff. über an Stb. nochmals jede Menge Stauraum. bsenkbar der Dinette-Tisch an Stb im höher liegenden Salon, der in dieser Kombination mit den gegeneinander stehenden Bänken zur Schlafstatt „+2“ wird. An Bb. das sich über die komplette Salonlänge erstreckende Sideboard, gefolgt vom Niedergang aufs Achterdeck. Gegen neugierige Blicke von außen schützen ringsherum Jalousien vor den seitlichen Schiebefenstern. Unter dem Salonboden leicht zugänglich der aufgeräumte Motorraum. Zwei Stuf en führen in den achterlichen Bereich. Dusche und Toilette teilen sich in separate Räume an Stb. und Bb. vor der kleinen Achterkabine, die auf den ersten Blick enger wirkt, als sie sich letztendlich präsentiert, da das geschickte Raumkonzept von versetzten Etagenbetten optimal den Platz zu nutzen weiß. Somit bleibt noch reichlich für Platz für Stauschränke und ein auf die Badeplattform führendes Flucht luk, das viel Licht in den Raum fallen lässt. roßzügig das Design auf dem Achterdeck mit dem zentralen, bestens bestücken, ergonomischen Erfordernissen angepassten Steuerstand im Carbonlook und G allen erforderlichen Kontroll-Instrumenten, hinter dem fünfteiligen Windschild, bestückt mit Parallel-Scheibenwischern und straff sitzender Persenning. Beste Rundumsicht ist von hier aus garantiert, optisch und fußfreundlich die Flexiteak-Aus- Bestens abzulesende Instrumente in Carbonlook-Umrandung. Geräumige Backskisten mit Innenleben. A Klar gegliederter Steuerstand, nach ergonomischen Vorgaben konzipiert. Wassersport_04_12_Layout 1 14.03.12 15:07 Seite 51 B An legeware, die sich auch auf der achterlichen Badeplattform wiederfindet, deren mittiger Zugang von geräumigen, gepolsterten Backskisten flankiert ist. reite Gangbords in Richtung Vorschiff, solide Festmacherbeschläge mit Springklampen, geräumiger, doppelter Ankerkasten mit elektrischer Winsch samt integrierter Gasflasche, Landanschluss, doppelreihige, stabile VA-Rehling und das op- B tisch perfekt zum Schiff passende, dicke Strukturtau als Scheuerleiste (bitte nicht zu wörtlich nehmen und immer gut abfendern), runden das elegante Erscheinungsbild dieses Schiffes wohltuen ab. 쏅 Zusammenfassung W er holländisches Flair sucht, sich aber nicht so recht mit Stahl ausein- ord andersetzen kann oder will, wer darüber hinaus – immer unter dem Aspekt der entsprechender Motorisierung – auch auf relative Schnelligkeit großen Wert legt, der kommt am „InterCruiser 35“ kaum vorbei. Ein durch und durch perfekt gestyltes Schiff in höchster Verarbeitungsqualität, solider GfK-Schiffsbaukunst und besten Fahreigenschaften. Claus D. Breitenfeld Breite Gangbords mit hoher Reling. Technische Daten Herstellerland: Holland Werft: Interboat Sloepen & Cruisers, Oud Loosdrechtsedijk 181, NL-231 LV Loosdrecht, Tel.: 0031-(0)-35-582 74 25, www.intercruiser.nl Boot: CE-Zertifizierungs-Kategorie „C“ () Länge ü. A. (m): 10,75 Rumpflänge (m): 10,25 Länge WL ca. (m): 9,75 Breite ü. A. (m): 3,65 Tiefgang ca. (m): 1,05 Freibord ca. (m): 1,10 Höhe ü. WL ca. (m): 2,49 Kabinenhöhe (m): Salon 2,05; Vorschiff 2,00; Nasszellen 2,15; achtern 1,72; Gewicht leer ca. (kg): 7.300 Testgewicht ca. (kg): 8.100 Baumaterial: GfK Rumpfform/Aufkimmung: GfK-„Knickspant Motorisierung Test kW (PS): 50 (68) Motorisierung von – bis kW (PS): 50 – 272 (68 – 370) Motorenart: Diesel-Innenborder Antriebsart: Welle Ø 30 mm Kraftstofftank (l): 400 - 600 Frischwassertank (l): 260 Fäkalientank (l): 60 Zuladung/Nutzlast (kg): Personen, zul. max.: 10 Schlafplätze: 4 + 2 Kabinen: 2 + Salon Preis ab €: 239.000,Testmotorisierung: Hersteller/Modell/Motorenart: Vetus-Deutz DT 4.70 Bauart/Zylinder: Reihen-4-Zylinder Leistung Kurbelwelle kW (PS): 50 (68) Leistung Propeller kW (PS): 49 (67) Drehmoment (Nm): 179 Hubraum (cm3): 2.290 Bohrung/Hub (mm): 90 x 90 Arbeitsweise: 4-Takt, Saugmotor Drehzahl, max. (U/min): 2.800 Kraftstoffart: Diesel Kraftstoffsystem: Direkteinspritzung Kühlkreise: 2 Generator (A): 90 Elektrik (V): 12 Gewicht (kg): 292 inkl. Getriebe Wellen-Ø (mm): 30 Propellergröße: 20 x 16“, Bronze, 4-Blatt, rechtsdrehend Motorendetails: Zulässige Krängung dauerhaft 25°, max. 5 Min. 30°; akustische Warnung für Öldruck und Motorüberhitzung; wasserdichtes Instrumentenpaneel mit 6 Signallampen; Drehzahlmesser, Betriebsstundenzähler, Voltmeter, flexible Motorstützen. Messwerte: Geschwindigkeit / Lautstärke U/min km/h (kn) dB(A)(4 (1 900 4,1 (2,2) 54 1.200 6,6 (3,6) 57 1.400 7,7 (4,2) 60 1.600 8,5 (4,6) 62 1.800 9,8 (5,3) 64 2.000 10,9 (5,9) 66 (6,6) 67 2.200(2 12,3 2.400 12,9 (7,0) 68 2.600 13,3 (7,2) 69 2.800 13,9 (7,5) 70 (7,7) 71 2.900(3 14,2 Testparameter: (1 = niedrigste Drehzahl; (2 = ökonomische Marschfahrt; (3 = Volllast; (4 = gemessen am Steuerstand inkl. Windund Wassergeräusche; nach ca. 15 – 20 sec. aus ruhender Position Volllast; Wind- und Wasser: 2 – 3; Drehkreise in Bootslängen über Stb. und Bb., voraus und nach achtern zwischen 1 und 1½ Bootslängen; schnelle Richtungs-Reaktion beim Umsteuern von Stb. nach Bb. und umgekehrt; Geschwindigkeitsmessung bei Wassertiefe von 1 – 3 m unter dem Kiel. Standardausstattung: Auszug aus Liste – Bordlader mit Umformer 2.000 W, Bugschraube 75 kgf, Ebersbächer-Warmluftheizung, Landanschluss, Cabrio-Persenning, 3 Scheibenwischer, Handankerwinde mit VA-Anker, Antifouling, 60l-Warmwasserboiler, Holzausbau nach Wahl, Freistehendes Bett im Vorschiff (2,00 x 1,50 m), 230-V-Steckdosen, elektrische Toilette. Mögliche Extras: Unter anderem Warm/ kalt-Außendusche, Sonderrumpffarbe, Heckquerstrahlruder, Kartenplotter, Raymarine Bidata, Radio-CD-TV, UKW-Funk, elektrische Ankerwinde, Massiv- oder FlexiTeak-Auslegung an Deck und Badeplattform, Verlängerung des Cabrioverdeck nach achtern übers Cockpit. 4/2012 · WasserSport 51