SPECIAL MESSTECHNIK Messverfahren Wolfgang Vogl; Markus Epp; Ines Daubek; Juri Koschelnik Automatische Messung der Bakterienbelastung Worum geht es bei der Bestimmung der Bakterienbelastung von Wasser? Warum macht man diese Untersuchungen und was wird untersucht? D ie bakterielle Belastung von Wasser spielt in verschiedenen Bereichen eine entscheidende Rolle. In Trinkwasser oder anderen Lebensmitteln kann eine bakterielle Kontamination unter Umständen binnen Stunden gesundheitliche Auswirkungen haben. Ist ein Trinkwassernetzwerk oder eine Charge Frischgemüse durch kontaminiertes Waschwasser verunreinigt, können sehr viele Konsumenten binnen kurzer Zeit betroffen sein (Bild 2). Auch im Prozesswasser oder in Kühlkreisläufen ist die mikrobiologische Wasserqualität von Bedeutung, u. a. bezüglich Bildung von Biofilm und Biokorrosion. Verschiedenste physikalische und chemische Qualitätsparameter des Wassers können über Sensoren und Messgeräte online bestimmt und überwacht werden. Derartige Onlinemessungen werden zur Qualitätsüberwachung aber auch zur Steuerung von Prozessen herangezogen. Gerade jener Parameter der, wenn erhöht, am schnellsten zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Verbrauchers führt, kann bisher nur über ein 24-stündiges Laborverfahren ermittelt werden und steht daher nicht zu Onlineüberwachung oder Prozessteuerung zur Verfügung. Als Weltneuheit steht nun seit kurzem das Messgerät ColiMinder der Firma Vienna Water Monitoring Solutions (VWM GmbH) zur Verfügung (Bild 1). Dieses misst die bakterielle Belastung von Wasser, nach einem neuen Verfahren, vollautomatisch und binnen 15 Minuten. Dieses Verfahren ist ein Meilenstein der Wassertechnologie und schließt die zeitliche Lücke der Überwachung. Nach mehrjähriger Entwicklung, einer 2-jährigen Phase von Feldtests sowie einer Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen hat das österreichische Unternehmen VWM GmbH dieses Messgerät im Januar 2016 auf dem International Water Summit 2016 (IWS) in Abu Dhabi der breiten Öffentlichkeit präsentiert. Die VWM GmbH war bereits im Vorfeld unter die Finalisten des Innovations-Wettbewerbes Innovate@IWS gereiht und wurde nach Präsentation der ColiMinder Messgeräte/Technologie von der hochkarätigen Jury zum „First Place Innovator in Industrial Water Sektor“ gekürt. 8 Was ist unter der mikrobiologischen Wasserqualität zu verstehen? Das deutsche Umweltbundesamt /1/ schreibt dazu: „In den letzten Jahren kam zu einer Vielzahl bekannter Krankheitserreger, die mit dem Trinkwasser in den menschlichen Körper gelangen können wie Salmonellen und Shigellen eine Reihe „neuer“ Erreger hinzu, zum Beispiel Campylobacter, EHEC-Escherichia coli und Noroviren. Sie gelangen vor allem aus menschlichen oder tierischen Fäkalien in die aquatische Umwelt. Diese Fäkalien enthalten neben Krankheitserregern zudem in der Regel eine größere Menge von Escherichia coli und anderen harmlosen Bakterien. Bei der routinemäßigen Überwachung der Trinkwasserqualität genügt es deshalb, nach diesen typisch fäkalen Organismen, also Escherichia coli oder Enterokokken in den Wasserproben zu suchen. Diese Bakterien nennt man deshalb „Anzeige- oder Indikatororganismen“. Falls z. B. in 100 Milliliter einer Wasserprobe das Bakterium Escherichia coli nicht nachweisbar wäre, so zeigte dies an, dass potenziell gefährliche Mikroorganismen nicht in Konzentrationen vorhanden sind, die eine Erkrankung auslösen könnten.“ Bild 2 Die bakterielle Kontamination von Trinkwasser kann gesundheitliche Auswirkungen haben. Die mikrobiologische Qualität des Wassers wird also mit Hilfe von Indikatororganismen bestimmt. In Europa wird dazu das E.coli Bakterium herangezogen, in den USA Coliforme Bakterien. Nachweis von Indikatorbakterien Bild 1 Das Messgerät ColiMinder misst die bakterielle Belastung von Wasser. Quelle: VWM GmbH 4/2016 Es gilt also festzustellen, ob in der Probe Indikatoren (Anzeichen) für fäkale Verunreinigungen zu finden sind, da eine Kontamination mit Fäkalien das Risiko mit sich bringt das neben den Indikatorbakterien, die selbst nicht schädlich sind, auch pathogene Keime in der Probe vorhanden sind. Traditionell wird dazu die Anzuchtmethode, d. h. die Kultivierung von Bakterien auf Nährmedien, verwendet. Grundsätzlich wird bei diesem Verfahren die Probe in einer Petrischale mit Nährlösung versetzt, und in einem Inkubator (einem Gerät, das die Umgebungstemperatur auf der für das Bakterienwachstum idealen Temperatur konstant hält) bebrütet. Nach 24 Stunden wird die Petrischale aus dem Inkubator genommen und nachgesehen, wie viele Bakterienkolonien entstanden sind. Die Anzahl der entstandenen Kolonien wird dann in Koloniebildenden Einheiten pro Probevolumen, üblicherweise 100 ml, (KBE/100 ml) angegeben. wwt-online.de Die mikrobiologische Standardmethode verwendet also das Wachstum der Bakterien als Mittel zu deren Nachweis und die entstandenen Bakterienkolonien sind mit freiem Auge sichtbar und zählbar. Diese Methode existiert seit ca. 150 Jahren und bildet die Basis für die entsprechenden Gesetzte und Vorschriften. Ende des 20 Jahrhunderts erschienen erstmals wissenschaftliche Publikationen /2/, die sich mit der Möglichkeit befassten, die bakterielle Belastung von Wasser auch direkt, also ohne die Kultivierung der Bakterien und der damit verbundenen Wartezeit, zu bestimmen. Als Messgröße wurde dabei die Stoffwechselaktivität, also die für die jeweiligen Mikroorganismen spezifische enzymatische Aktivität vorgeschlagen. Die Stoffwechselaktivität oder spezifische enzymatische Aktivität ist direkt mit dem Vorhandensein der jeweiligen Bakterien verknüpft, ist also eine Eigenschaft der Mikroorganismen selbst. Die in der Probe vorhandene bakterienspezifische enzymatische Aktivität stellt also eine ideale Messgröße dar, um die Belastung mit Indikatorbakterien zu bestimmen und hat gegenüber den klassischen Methoden den gravierenden Vorteil, dass nicht auf das Wachstum der Bakterien gewartet werden muss. Der Grad der bakteriellen Belastung des Wassers Quelle: wwt-Archiv kann damit erstmals quasi in Echtzeit bestimmt und auf eine eventuelle Verkeimung sofort reagiert werden. Auch die WHO erwähnte bereits im Jahr 2001 in ihrer Publikation: „Water quality: Guidelines, standards and health“ den Ansatz der enzymatischen Bestimmung der bakteriellen Belastung /3/. Bakterienkulturen zum Nachweis der Indikatorbakterien sind seit langem üblich und in Gesetzen und Richtlinien vorgeschrieben. Das Verfahren ist relativ aufwändig und arbeitsintensiv und wird daher in Zeitintervallen durchgeführt, die dem Risiko gerecht werden, aber Aufwand und Kosten in vertretbarem Rahmen halten. Der ColiMinder kann zwei Messungen pro Stunde durchführen und die Messdaten werden online übertragen und der zeitliche Ver- RECHERCHE in wwt-Fachartikeln mit mehr unter wwt-online.de SPECIAL MESSTECHNIK 9 SPECIAL MESSTECHNIK Messverfahren Bild 3 IDEXX-Quantitray-Tests zur Untersuchung von Wasser hinsichtlich der Belastung mit Indikatorbakterien. 48 Tests werden hier gezeigt – das entspricht der Anzahl der Messungen, die das Gerät je Tag ausführen kann. Bild 4 Gegenüberstellung der Methoden zur Beurteilung der bakteriellen Kontamination Bild 5 Onlinevisualisierung des Kontaminationsverlaufs eines Oberflächengewässers lauf der bakteriellen Belastung visualisiert (siehe Bild 5). Dies ermöglicht erstmals eine Prozesssteuerung auf Basis einer automatischen Messung was bisher wegen der langen Inkubationszeit der klassischen Methoden nicht möglich war. 10 Es gibt moderne Prozesse und Verfahren deren Performance mit der klassischen mikrobiologischen Methode gar nicht ausreichend überprüft werden können. z. B. Filtrationsverfahren mit mehreren Filtermodulen, deren Module aus verschiedenen Gründen (Lastausgleich, Regeneration, Rückspülvorgänge) mit hoher Taktrate – mehrmals pro Tag – zu und weg geschaltet werden. Um sicherzustellen, dass die jeweiligen Module in Ordnung sind und auch der Umschaltvorgang zu keiner bakteriellen Belastung führt, müsste eigentlich nach jedem derartigen Vorgang eine klassische mikrobiologische Untersuchung gemacht werden. Derartig häufige Messungen sind allerdings mit der klassischen Methode nicht mit vertretbarem Aufwand durchführbar. Durch automatisierte Messung und die kurze Messzeit ermöglicht das enzymatische Verfahren auch dynamische Prozesse zu überprüfen, kurze Kontaminationsspitzen zu identifizieren und eventuell auftretende Fehler zu erkennen (siehe Bild 6). Neben der Möglichkeit die mikrobiologische Belastung auch in dynamischen Prozessen zu überwachen und zu visualisieren bringt die Beobachtung des zeitlichen Verlaufs mikrobiologischer Kontamination noch einen weiteren Vorteil. Durch Beobachtung des zeitlichen Verlaufs kann extrapoliert, also eine Prognose abgegeben werden. Dies ermöglicht rechtzeitig präventive Maßnahmen einzusetzen und erhöht zusätzlich die Sicherheit des Gesamtsystems. Bisher sind Prozesse und Anlagen zur Eliminierung der mikrobiologischen Belastung so konstruiert und gesteuert, dass die Behandlungsprozesse den empirischen Vorgaben entsprechen, egal, wie hoch die effektive Belastung am Eingang des Prozesses ist. Die derzeitigen Prozesse z. B. zur Wasserbehandlung sind hinsichtlich der mikrobiologischen Belastung notwendigerweise relativ starr, da eine kontinuierliche Überwachungsmöglichkeit bis jetzt nicht zur Verfügung stand. Hier eröffnet das neue Messverfahren also Entwicklungs- und Einsparungspotenzial. Auch bei der Optimierung von Prozessen oder bei der Entwicklung neuer Wasserbehandlungsmethoden stellt die rasche Messung der bakteriellen Belastung ein wichtiges neues Werkzeug dar. Durch das abwechselnde Messen vor und nach einem Prozess oder in unterschiedlichen Stufen des Prozesses, kann dessen Wirkung sowie der Effekt von Veränderungen der Prozessparameter quasi in Echtzeit mit verfolgt werden. In Bild 7 ist dies anhand eines Flockungsprozesses dargestellt. Die neue Technologie kann also nicht nur bei der Optimierung bestehender Prozesse, sondern auch in der Entwicklung neuer nachhaltiger und sicherer Prozesse zur Wasseraufbereitung einen entscheidenden Beitrag leisten. Gegenüberstellung der Methoden Vergleicht man die klassische Anzuchtmethode mit der enzymatischen Methode, ist es wichtig das Ziel im Auge zu behalten, 4/2016 wwt-online.de SPECIAL MESSTECHNIK 11 SPECIAL MESSTECHNIK Bild 6 Verlauf der bakteriellen Kontamination vor und nach Beseitigung fehlerhafter Membranmodule Bild 7 Überwachung der bakteriellen Kontamination vor und nach dem Flockungsprozess Messverfahren welches darin besteht den Grad der fäkalen Verunreinigung der Probe mittels Indikatorkeimen zu bestimmen. Beide Methoden verfolgen dieses Ziel mit unterschiedlichen Mitteln, woraus sich eine unterschiedliche Perspektive ergeben kann. Bei der enzymatischen Methode tragen alle lebenden Zielorganismen, also alle die über einen Stoffwechsel verfügen, zur gemessenen Aktivität bei. Im Gegensatz dazu kann die klassische Methode nur eine Teilmenge, nämlich die der kultivierbaren Mikroorganismen erfassen. Das Verhältnis kultivierbarer Bakterien zu der Gesamtheit derer die über einen Stoffwechsel verfügen ist also verständlicherweise nicht konstant. Bakterien können unter bestimmten Umwelteinflüssen ihre Kultivierbarkeit verlieren, wobei sie dabei nicht sofort ihren Stoffwechsel einstellen und „sterben“, sondern in einen so genannten VBNC Zustand (Viable But Not Culturable) übergehen. Es wird darüber diskutiert, ob dieser Vorgang reversibel ist, jedenfalls ist klar, dass das Verhältnis zwischen kultivierbaren und Bakterien im VBNC-Zustand keine Konstante ist. Aus dieser Tatsache folgt, dass es keine allgemein gültige Korrelation zwischen der klassischen und der enzymatischen Untersuchungsmethode geben kann, was ja grundsätzlich kein Problem darstellen sollte, da das Ziel der Nachweis von Indikatorbakterien ist und dies mit beiden Methoden erreicht wird. Bild 7 zeigt die Ergebnisse einer Versuchsreihe bei der eine stark kontaminierte Probe über 3 Wochen parallel mit unterschiedlichen Methoden untersucht wurde. Der Nachweis von Indikatororganismen dient dazu, den Grad der fäkalen Verunreinigung zu ermitteln, da diese mit dem Risiko verbunden ist, dass auch pathogene Keime in der Probe vorhanden sind. Die eigentliche Frage lautet also: „Wie korreliert das Ergebnis der jeweiligen Nachweismethode mit dem tatsächlichen Risiko zu dessen Überwachung bzw. Vermeidung sie eingesetzt wird“? Diesbezüglich führt die VWM gemeinsam mit Universitäten gezielte Studien durch, um diese Korrelationen wissenschaftlich zu erarbeiten. Weitere Zielorganismen Mit dem Messgerät (ColiMinder) können, je nach verwendeten Reagenzien, die Aktivität der Fäkalindikatoren E.coli oder Coliforme Keime gemessen werden. VWM bietet zusätzlich auch Reagenzien zur Messung der Gesamtkeimzahl (ALP-Aktivität) an. Dieser Parameter gibt Auskunft über die enzymaBild 8 Vergleichsmessung dreier ColiMinder (Golf, Juliett, Kilo) mit Indexx und Petrifilm Quellen (7): VWM GmbH 12 4/2016 tische Aktivität aller lebenden Organismen in der Probe. Diese Messung ist sehr sensitiv und liefert sehr schnell, auch bei geringsten Belastungen einen eindeutigen Messwert. Gerade bei diesem Parameter wird deutlich, dass es nicht nur um den Absolutwert der mikrobiologischen Aktivität in der Probe geht, sondern dass die Information über den Verlauf der Belastung mindestens ebenso bedeutsam ist. Man stelle sich ein System vor, beispielsweise einen Kühlkreislauf, oder das Prozesswasser in der Lebensmittelverarbeitung. Man misst also die ALP Aktivität und erhält einen bestimmten Wert, liefert die detaillierte Laboruntersuchung das Ergebnis, dass m i k robiologisch a lles in O rd nung ist, kann davon ausgegangen werden, dass dies auch so bleibt solange der zeitliche Verlauf der enzymatisch gemessenen Aktivität im System konstant bleibt. Steigt die Aktivität in der Probe jedoch an, so ist dies ein Indiz dafür, dass im System etwas „wächst“, sinkt die mikrobiologische Aktivität dagegen über die Zeit oder auch abrupt ab, so ist davon auszugehen, dass die Lebensbedingungen für Mikroorganismen schlechter geworden sind, beispielsweise wenn Desinfektionsmaßnahmen ergriffen wurden. Bei dieser Art der Anwendung ist es unerheblich auf welchem Niveau sich diese Kontaminations-Timeline bewegt, im Kühlwasserkreislauf einer Raffinerie ist es mit Sicherheit höher als in einer Getränkeabfüllanlage, es geht primär um die Möglichkeit Veränderungen im System in „Echtzeit“ zu erkennen, um rechtzeitig und adäquat reagieren zu können. In folgenden Anwendungen wird der ColiMinder bereits erfolgreich eingesetzt: ❙❙ Oberflächengewässer – Monitoring (E.coli, ALP) ❙❙ Prozessmonitoring in Flockungsanlagen (E.coli) ❙❙ K läranlagenemission (E.coli) ❙❙ Überwachung der Desinfektion (Ozonierung) von Kläranlagenemissionen (E.coli) ❙❙ Überwachung von Aktivkohlefiltern (E.coli, ALP) ❙❙ Überwachung von Bewässerungswasser (E.coli) ❙❙ Waschwasser Überwachung in Erdbeerwaschanlage (E.coli, ALP) ❙❙ Qualitätsüberwachung Badewasser (E.coli, ALP) ❙❙ Belastungsverlauf Trinkwasserquelle (E.coli) ❙❙ Überwachung einer Ultrafiltrationsanlage (E.coli, ALP) ❙❙ Studie zur Verkeimung von Luftbefeuchtern (ALP). Weitere Literatur kann bei den Autoren angefordert werden. Die Autoren freuen sich auf Ihre Kontaktaufnahme. LITERATUR /1/http://www.umweltbundesamt.de/themen/ wasser/trinkwasser/trinkwasserqualitaet/ mikrobiologie /2/ Farnleitner et al., 2002; Fiksdal et al., 1994a; Fiksdal and Tryland, 2008; George et al., 2001 /3/ Water quality: Guidelines, standards and health – Chapter 13.4 Emerging Microbiological Methods – 13.4.1 Fast detections using chromomeric substances KONTAKT VWM GmbH Wolfgang Vogl Dorfstraße 17 · 2295 Zwerndorf, Österreich E-Mail: [email protected] www.v-w-m.at