V Vorlesung Klinische Psychologie und Psychotherapie I Wintersemester 2016-2017 Dr. Silke Behrendt V Vorlesung Zusammenfassung: Voriger Termin Lernpsychologische Grundlagen der Klinischen Psychologie 1. Lernpsychologische und kognitive Modelle und ihr Beitrag 2. zum Verständnis der Störungsentstehung und –aufrechterhaltung 3. zur Psychotherapie psychischer Störungen 2 V Vorlesung Das Programm & Die Lernziele Datum Inhalt der Veranstaltung 10.10.2016 Was ist Klinische Psychologie? – Einführung und Überblick über Konzepte, Modelle und Methoden 17.10.2016 Was sind psychische Störungen? Vom Symptom über das Syndrom zur Diagnose – Modelle und Methoden 24.10.2016 Epidemiologische Grundlagen 07.11.2016 Lerntheoretische Grundlagen und Störungslehre 14.11.2016 Biopsychologische Grundlagen 21.11.2016 Familiengenetische und entwicklungspsychologische Grundlagen 28.11.2016 Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell als ätiologisches Modell psychischer Störungen 05.12.2016 Was sind klinisch-psychologische Interventionsmethoden – Ein Überblick und eine Taxonomie 12.12.2016 Was sind klinisch-psychologische Interventionsmethoden - Was ist Kognitive-Verhaltenstherapie? 19.12.2016 Depressive Störungen: Nosologie, Ursachen und Behandlung 09.01.2017 Angststörungen: Nosologie, Ursachen und Behandlung 16.01.2017 Zusammenfassung/ Klausurvorbereitung 23.01.2017 Substanzstörungen: Nosologie, Ursachen und Behandlung 30.01.2017 Klausur Ziel 2: Kennenlernen wichtiger Grundlagen 3 V Vorlesung Ziele & Inhalt Biopsychologische Grundlagen 1. 2. 3. 4. 5. Anatomie und Funktion des Nervensystems Das autonome Nervensystem Kommunikationsnetzwerke Endokrinologische Grundlagen Immunologische Grundlagen Genetische Grundlagen -> Familiengenetik ← Kapitel 8 V Vorlesung Fragen: Biopsychologische Grundlagen Folgende Fragen sollten Sie am Ende der Veranstaltung beantworten können: 1. Was versteht man unter Biofeedback? 2. Inwieweit können Hormone direkte Verhaltenseffekte beim Menschen haben? 3. Was versteht man unter der zweiten Abwehrreihe des Immunsystems? 4. Kennen Sie einen Nachweis psychotherapeutischer Intervention auf das Immunsystem? V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Wozu brauchen wir biologische Grundlagen in der klinischen Psychologie? Wichtig Insbesondere für die Beurteilung von Ursachen (Ätiologie) sowie Entstehung und Verlauf (Pathogenese) unterschiedlicher Störungsbilder ist ein Gesamtverständnis der biopsychosozialen Zusammenhänge inzwischen unverzichtbar. Eine verstärkte Einbeziehung biologischer Mechanismen hat unmittelbare Implikationen für die PNS: Weiterentwicklung vorhandener sowie die Prüfung neuer Ansätze der • Rückenmarksnerven, Diagnostik, Prävention und Therapie. periphere Ganglien & Hirnnerven! V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Wozu brauchen wir biologische Grundlagen in der klinischen Psychologie? Wichtige Beiträge aus Neurowissenschaften und Biologie (Bsp.): • Welche Rolle spielen Hippocampus und Amygdala bei der Verarbeitung traumatischer Erfahrungen? • Wissen über vegetative Mechanismen der Angst -> Anwendung in Expositionsbehandlungen • Psychosozialer Stress und Immunparameter PNS: • Rückenmarksnerven, periphere Ganglien & Hirnnerven! V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Zentrales NS vs. Peripheres NS ZNS: • Gehirn & Rückenmark • Umgeben von Schädel & Wirbelsäule PNS: • Rückenmarksnerven, PNS:periphere Ganglien & Hirnnerven! • Rückenmarksnerven, periphere Ganglien & Hirnnerven! V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Zentrales NS Somatisches NS: • Kommunikation mit der Umwelt Vegetatives/autonomes NS: • Regulation der Organfunktion • Parasympathikus PNS: (Erholung) und • Rückenmarksnerven, Sympathikus periphere Ganglien & (Aktivierung, Hirnnerven! Mobilisierung) V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Die Graue und die Weiße Substanz GS: vorwiegend Nervenzellkörper WS: myelinisierte Leitungsbahnen des ZNS PNS: • Rückenmarksnerven, periphere Ganglien & Hirnnerven! V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Hin und weg vom ZNS: Afferenzen und Efferenzen • Somatisches NS • Vegetatives NS PNS: • Rückenmarksnerven, periphere Ganglien & Hirnnerven! V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Kreuz und quer durchs ZNS: Afferenzen und Efferenzen • Die Begriffe Afferenzen und Efferenzen werden auch innerhalb des ZNS verwendet • Verschaltung von Kerngebieten • Unterschied zwischen Nerven des PNS und PNS: Leitungsbahnen des ZNS • Rückenmarksnerven, periphere Ganglien & Hirnnerven! V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Die Orientierung bewahren… 2) Forel Achse (Zwischenhirn/Großhirn) Achsenbezeichnungen & Schichtlage im ZNS PNS: • Rückenmarksnerven, periphere Ganglien & Hirnnerven! 1) Meynert Achse (Rückenmark/Hirnstamm) V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Warum zwei Achsen? • Bei Primaten und Menschen ist die Neurachse nach frontal abgeknickt. PNS: • Rückenmarksnerven, periphere Ganglien & Hirnnerven! V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Hirnstamm & Hirnnerven 1. Myelenzephalon (Nachhirn) - Medulla oblongata - Formatio Reticularis (Regulation Atmung, Kreislauf, ARAS) 2. Mesenzephalon (Mittelhirn) - Substantia Nigra -> Dopaminproduktion 3. Metenzephalon (Hinterhirn) - Pons (z.B. Schlaf, Wachheit) - Zerebellum (koordinierte Bewegung) V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Hirnstamm & Hirnnerven 1. Myelenzephalon (Nachhirn) 2. Mesenzephalon (Mittelhirn) - Substantia Nigra -> Parkinson - 2. Dopaminerge Bahnen: Mesostriatales System: - Parkinson und motorische Auffälligkeiten bei Neuropleptikagabe - Mesolymbisches System: -> lymbisches System, wichtig für Motivation & Antrieb („Belohnungssystem“) -> Substanzstörungen 3. Metenzephalon V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Zwischenhirn (Dienzephalon) Zwischen Hirnstamm und Telenzephalon (Großhirn) • Thalamus: „Umschaltstelle“ sensorischer Erregungen zum Großhirn • Hypothalamus: Regulation der vegetativen Funktionen • Hypophyse: Hormonproduktion, Steuerung Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Telenzephalon (Endhirn) Aufgaben: Komplexe Leistungen des Gehirns • Willkürmotorik • Lernen • Sprechen • Problemlösen Wichtige Strukturen: • 2 Hemisphären • Vier Lobi pro Hemisphäre • Basalganglien • Limbisches System V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen Telenzephalon (Endhirn) 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Vier Lobi • Stirnlappen: Motorischer Kortex, Kontrolle und Koordination von vegetativen, affektiven und geistigen Funktionen • Scheitellappen: Somatosensorischer Kortex, Körpergefühl, Raumsinn, Sprache • Schläfenlappen: Auditorischer Kortex • Hinterhauptslappen: Visueller Kortex Basalganglien • Modulation des motorischen Systems, Auslösung von Bewegungen -> Morbus Parkinson V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen Telenzephalon (Endhirn) 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Limbisches System (Hippocampus, Amygdala, Nucleus accumbens) • Achtung: Weder anatomisch noch funktional ganz abgegrenzt! • Wichtige Strukturen: Amygdala (Mandelkern), Hippocampus, Gyrus conguli, Septum, Fornix • Aufgaben: Vegetative Steuerung, Denken, Lernen, Gedächtnis, Emotionsregulation, Motivationsregulation • -> Verbindung zum Hypothalamus V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Klinische Relevanz des Limbisches System (Hippocampus, Amygdala, Nucleus accumbens) • Hippocampus: deklaratives Gedächtnis und Lernvorgänge, Aggressions- und Motivationsverhalten • Reagiert sensibel auf Stresshormon Kortisol (relevant bei chronischem Stress oder Traumatisierung) • Amygdala: • Emotionen • Verbindung zu Hypothalamus und Hirnstamm -> Beteiligung an neuroendokriner und behavioraler Angst- und Stressreaktion • Emotionales Gedächtnis -> Erlernen von Angstreaktionen • Nucleus accumbens: gehört zum mesotelenzephalen Belohnungssystem -> Substanzabhängigkeit • Verbindung des limbischen Systems zum Hypothalamus: Psychosomatosen! V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 1. Anatomie und Funktion des Nervensystems Exkurs: Hirnregionen und die Entwicklung von Substanzstörungen am Beispiel des lateralen präfrontalen Kortex • Aufgabe: Zielaufrechterhaltung, Planen, Arbeitsgedächtnis, Inhibition • Top-Down Kontrolle bzgl. „Implicit Motivational Network“ (NAc, Amygdala, Striatum) • Annahme: Störungen führen zu verminderter Kontrolle bei Inhibition habitueller oder impulsiver Reaktionen -> dies trägt zu Konsumverhalten bei Substanzstörungen bei • Bei Personen mit Substanzstörung wurden Abweichungen in der Funktion des lateralen PFC beobachtet (Achtung: Meist Querschnittsbefunde!) Übersicht: Bühringer et al. (2008). Why people change? IJMPR. V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 2. Das autonome Nervensystem 2. Das autonome Nervensystem V Vorlesung Das autonome Nervensystem Sympathikus: Aktivierung (dominant bei Stress) Parasympathikus: Ruhe, Erholung (dominant bei Entspannung) Zweizellige Neuronenkette Präganglionär: • Nervenzellkörper im ZNS • Projiziert zum Ganglion Postganglionär: • Nervenzellkörper im Ganglion • Projiziert zum Endorgan Darmnervensystem: Glatte Muskulatur, sekretorische und endokrine Systeme V Vorlesung Das autonome Nervensystem Sympathikus: Aktivierung Parasympathikus: Ruhe Wirkt ergotrop (anregend) Wirkt trophotrop (hemmend) Steigerung von….. Senkung von…. Pulsfrequenz Pulsfrequenz Blutdruck Blutdruck Atemfrequenz Atemfrequenz Erweiterung von… Verengung von… Bronchien Bronchien Pupillen Pupillen Aber…. Aber…. Abnahme der Magen-DarmTätigkeit Zunahme der Magen-DarmTätigkeit Bsp.: Das Nebennierenmark ist eine sympathisch gesteuerte endokrine Drüse. Sie ist bedeutsam für das kardiovaskuläre Erkrankungsrisiko bei chronischem Stress. V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 2. Das autonome Nervensystem Anwendung im Klinischen Kontext: • Entspannungsverfahren • Biofeedback V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 2. Das autonome Nervensystem Anwendung im Klinischen Kontext: Biofeedback • Rational: Operante Modifikation autonomer Prozesse • Keine direkte Verbindung Kortex – autonom innervierte Organe • Aber: Anatomische Schnittstellen ermöglichen eine Beeinflussung von Organfunktionen (sowohl afferente als auch efferente Verbindungen) • Dies wird beim Biofeedback genutzt • Ziel: Physiologische Zustände werden wahrnehmbar gemacht und rückgemeldet. Dann lernen Menschen, diese Zustände zu beeinflussen (Trial and Error) V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 2. Das autonome Nervensystem Biofeedback: Ablauf Vorgänge zu denen man eigentlich keinen Zugang hat z.B. • Hauttemperatur • Hautleitwert • Elektroenzephalogramm • Blutdruck • Arteriendurchmesser • Muskelspannung werden gemessen und über einen Computer zurück gemeldet Im Folgenden soll versucht werden die Signale bewusst zu beeinflussen Anwendungsbeispiele: Inkontinenz, Epilepsie, Spannungskopfschmerz, Stressregulation oder → V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 2. Das autonome Nervensystem Biofeedback bei Migräne Abbildungen und Animationen von: www.ppp-dresden.de V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 2. Das autonome Nervensystem Biofeedback bei ADHS Hintergrund: Verschiedene Frequenzbänder der Hirnstromaktivität (Alpha, Beta, Theta, Delta) Kinder mit ADHS zeigen Veränderungen im spontanen EEG: Mehr Theta-Wellen, Verringerung der relativen Alpha und Beta-Aktivität Ziel des Biofeedback (Bsp.): Vermehrt schnelle EEG-Aktivität, langsame Aktivität unterdrücken, Reduktion der Aufmerksamkeitsdefizite Vorgehen: • Verschiedene Spiele am PC („Figur bewegen durch Denken“) • Visualisiertes Feedback (simultan) • Verstärkung durch das Spiel und z.B. durch Tokens Ergebnis: Verhaltenseffekte und anhaltende Normalisierung des spontanen EEG Lehrbuch, Kap. 23 V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 3. Endokrinologische Grundlagen V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 3. Endokrinologische Grundlagen • Hormone sind lösliche Stoffe, die die Funktion des Gehirn und der Organe regulieren • Ausschüttung der Hormone aus spezialisierten Drüsenzellen ins Blut -> Zellen des Organismus • Aufgaben der Hormone: Homöostase, Funktion der Neuronen, Reproduktion • Hormone haben meist mehr als eine Funktion • Die Hormonausschüttung wird z.B. bei Stress angepasst, um Schäden zu verhindern • Über- oder Unterproduktion von Hormonen als Stressfolge -> verschiedene Erkrankungen • Enge Verflechtung mit Nerven- und Immunsystem V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen Hormonrezeptoren 3. Endokrinologische Grundlagen • G-Protein-gekoppelte Rezeptoren • Rezeptoren in der Zellmembran (schnell) • aktivieren G-Proteine (G=Guanosintriphosphat) • G-Proteine aktivieren Effektorproteine (Ionenkanäle oder Second Messenger) • Z.B. Öffnen von Ionenkanälen oder Aktivierung von Kinasen V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen Hormonrezeptoren • Nicht G-Protein-gekoppelte Membranrezeptoren • Rezeptor in der Zellmembran • Z.B. Rezeptor-Thyrosinkinasen • Nach Bindung des Liganden wird Thyrosinkinase als 2nd Messenger aktiviert • Meist stimulierende metabolische Effekte (Doping) • Beispiel: Insulin, Insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor 3. Endokrinologische Grundlagen V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen Hormonrezeptoren 3. Endokrinologische Grundlagen Steroidrezeptoren • Steroide sind klein und fettlöslich • Rezeptor kann sich im Zytosol befinden (R1) • Nach Bindung wandert der Hormonrezeptorkomplex in den Zellkern (SRa3) ZYTOSOL • Rezeptor kann sich auch im Zellkern befinden (R2) • Bindet an DNS und verändert Eiweißsynthese (genomischer Effekt) • Aber auch nicht-genomische Effekte über Membranrezeptoren z.B. Freisetzung von GABA Kortisol V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 3. Anatomie und Funktion des Nervensystems Hormonachsen • Produktion und Freisetzung vieler Hormone erfolgt in „Hormonachsen“ • Afferente Nervenbahnen stimulieren hormonproduzierende Zellen im Hypothalamus • -> Releasing- und Inhibiting- Hormone werden freigesetzt • Diese gelangen in die Hypophyse und bewirken Produktion und Ausschüttung von Hormonen • -> Verteilung über den Blutstrom im Körper Raabe und Spengler, Front Psychiatry, 2013 V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 3. Anatomie und Funktion des Nervensystems Hormonachsen: Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden Achse (HHNA) Die Hormonkaskade: CRH: Corticotropin Releasing Hormon ACTH: Adrenocorticotropes Hormon Glukokortiokoide: Kortisol/Kortison Raabe und Spengler, Front Psychiatry, 2013 V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 3. Endokrinologische Grundlagen • Eine veränderte Funktion der HHNA-Achse kann krank machen • Psychische Belastung, Schmerz und Fehlernährung können zu einer Verstellung der CRH-ACTH-Kortisol-Achse führen -> erhöhte Anfälligkeit für psych. Störungen und körperliche Erkrankungen • CRH: Anxiogene Wirkung im ZNS -> Angststörungen, Depression • Zu viel/zu wenig Kortisol: Koronare Herzerkrankung, Hypertonie, metabolisches Syndrom • Andauernde Belastung -> erhöhte Krankheitsanfälligkeit durch erhöhte Kortisolspiegel • Zu geringe Kortisolproduktion & überschießende Aktivität des autonomen Nervensystems -> ungünstiger Verlauf bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen (z.B. Asthma, Neurodermitis) V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 3. Endokrinologische Grundlagen • Viele psychische Störungen sind begleitet von einer veränderten Funktion der HHNA-Achse (PTSD, Major Depression) • Die Veränderungen sind meist unter Aktivierung beobachtbar (-> eingeschränkte Information aus Fragebögen und Interviews) • Daher sind Tests wichtig, die physiologische und psychologische Vorgänge in Belastungssituationen messen können • Bsp: Trier Social Stress Test. Beispiele für Forschungsfragen: • Identifikation psychobiologischer Auffälligkeiten bei bestimmten Diagnosen unter Stress • Gibt es Subgruppen in einer Diagnosegruppe? -> Indikation? • Kann man Therapieeffekte auf psychophysiologischer Ebene feststellen? V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 3. Endokrinologische Grundlagen Biopsychosoziale Stressdiagnostik: Der Trier Sozial Stress Test (TSST) 15 Minuten: Vorbereitung, Vortrag und Rechenaufgabe vor einem Gremium • • • • Unkontrollierbarkeit der Situation Soziale Evaluation Videoaufzeichnung Stimmfrequenzanalyse V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 3. Endokrinologische Grundlagen Ein anders Beispiel: Oxytozin – Das „Kuschelhormon“ Oxytozin hat neben seiner Bedeutung für Geburt und Stillen eine herausragende Rolle in der sozialen Interaktion Im Tierversuch moduliert es soziales Bindungs- und Annäherungsverhalten Humanversuche schwierig da das Peptid die Blut-Hirn-Schranke nicht ohne weiteres passiert Der Saugrefelx eines Babys beim Stillen löst eine endogene Oxytozin Freisetzung bei der Mutter aus 30 Minuten nach dem Stillen konnte eine reduzierte endokrine Stressreaktion der Mütter nachgewiesen werden (Heinrichs et al, 2002) V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen Oxytozin - das Kuschelhormon 3. Endokrinologische Grundlagen • Trierer Sozial Stress Test • 50% in Begleitung des besten Freundes/Freundin • Intranasale Verabreichung von Oxytozin durch ein Peptid das die BlutHirnschranke passieren kann • oder ein Placebo V Vorlesung Oxytozin – das „Kuschelhormon“ Intranasale Verabreichung von Oxytozin durch ein Peptid das die Blut-Hirnschranke passieren kann 0-12 Geldwerte Punkte Vertrauensexperiment: mehr Vertrauen nach Oxytozingabe Risikoexperiment: keine signifikanten Unterschiede Oxytozin verstärkt das Vertrauen und mindert die Stressreaktion Kann man das nutzen? Biopsychologische Grundlagen 3. Endokrinologische Grundlagen Placebo Oxytozin V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 4. Immunologische Grundlagen V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 4. Immunologische Grundlagen Das Immunsystem schützt unseren Körper vor Eindringlingen und unkontrolliertem Zellwachstum Es kann in drei Abwehrreihen unterteilt werden: 1) Physische Barrieren 2) Angeborene Immunität 3) Adaptive Immunität Zentrale Bestandteile sind: Lymphatische Organe, Lymphsystem, Blut V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 4. Immunologische Grundlagen Die erste Abwehrreihe: Physische Barrieren Die unverletzte Haut • An der unverletzten Haut scheitern die meisten Erreger • Sie gelangen nicht ins Körperinnere und bleiben somit ungefährlich für den Organismus • Natürlich gibt es Ausnahmen z.B. den Erreger der Bilharziose: schistosoma haematobium V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 4. Immunologische Grundlagen Die erste Abwehrreihe: Physische Barrieren Die Schleimhäute • Lösliche Bestandteile in den Schleimhäuten z.B. Lysozyme oder Magensäure zerstören die Zellmembran von Bakterien • Das Nasenepithel und das Flimmerepithel verhindern das eindringen, bzw. sorgen für den Abtransport größerer Fremdstoffe V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 4. Immunologische Grundlagen Die zweite Abwehrreihe: Angeborene Immunität Krankheitserreger besitzen molekulare Strukturmerkmale „pathogen associated molecular pattern“ PAMP PAMP können durch spezifische Rezeptoren gebunden werden „pattern recognition receptors“ PRR PRR zirkulieren im Blut oder können in der „Zellmembran des Immunsystems“ eingebaut sein. Die bedeutendsten Zellen sind Phagozyten: • Monozyten • Granulozyten • Killerzellen • Makrophagen (im Gewebe) V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 4. Immunologische Grundlagen Die zweite Abwehrreihe: Angeborene Immunität Nach Bindung an den Rezeptor werden die Pathogene ins Zellplasma aufgenommen und verdaut (Phagozytose) Nach dem einige Pathogene aufgenommen wurden sterben sie ab, die Überreste sind als Eiter erkennbar • Makrophagen können Interleukin 1 aussenden um weitere Zellen anzulocken • Diese Zellen setzen Interleukin 2 frei, welches die „Fressaktivität“ der Makrophagen stimuliert • Die Botenstoffe des Immunsystems werden Zytokine genannt V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 4. Immunologische Grundlagen Die zweite Abwehrreihe: Angeborene Immunität Abwehr von körpereigenen Zellen • Killerzellen erkennen befallene oder entartete körpereigene Zellen • Erkennung und Bindung über Membranrezeptoren • Durch Einschleusung von Proteinen (Perforinen) wird eine Pore in die kranke Zelle gebrochen (tödlicher Kuss) • Die osmotische Barriere wird damit zerstört, die Zelle stirbt ab • Das Komplementsystem arbeitet ähnlich • Proteine im Blutserum spalten Proteine von Mikroorganismen und bereiten sie auf den Zugriff der Makrophagen vor V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 4. Immunologische Grundlagen Die zweite Abwehrreihe: Angeborene Immunität • Diese Immunabwehr besteht von Geburt an • Sie ist unspezifisch • Qualität, Geschwindigkeit und Effektivität werden durch wiederholte Konfrontation mit den selben Erregern nicht verbessert • Sie ist nicht adaptiv! V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 4. Immunologische Grundlagen Die dritte Abwehrreihe: Adaptive Immunität Beispiel für adaptive Immunität sind z.B. die Kinderkrankheiten (Masern, Röteln, Mumps) • Nach Erkrankung besteht eine Immunität bis ins hohe Alter • Lymphozyten bilden Gedächtniszellen • Ein Zweitkontakt löst umgehend eine spezifische Immunreaktion aus • B- und T- Lympthozyten bilden hochspezifische Zellrezeptoren für Teilbereiche der pathogenen Membran V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 4. Immunologische Grundlagen Die dritte Abwehrreihe: Adaptive Immunität B-Lympthozyten werden im Knochenmark gebildet T-Lymphozyten im Thymus V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 4. Immunologische Grundlagen Zytokine • • • • • Die Botenstoffe des Immunsystems werden Zytokine genannt Zytokine sind hormonartige Substanzen Dienen der Koordination des Immunsystems Zusammen mit Proteinen des Komplementsystems Sie dienen dem Austausch zwischen Zellen des Immunsystem und anderen Zellen u.a. des ZNS V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 4. Immunologische Grundlagen Psychoneuroimmunologie Wechselwirkung zwischen • Immunsystem und Nervensystem • Immunsystem und endokrinem System Schnittstellen sind z.B. • Thymus und Milz (Innervationen zum ANS) • Nebenniere und Hypophyse (Endokrinologische Komponenten) Kurzfristiger Stress erhöht die Anzahl an immunkompetenten Leukozyten Chronischer Stress ist mit immunsuppressiven Effekten assoziiert Loftis et al, (2010) V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 4. Immunologische Grundlagen Psychoneuroimmunologie Beispiele für die Assoziation zwischen psychosozialen Faktoren und der Funktion des Immunsystems: • Der Tod des Lebenspartners kann sich negativ auf die Teilungsfreudigkeit von Lymphozyten auswirken • Bei Pflegern von Alzheimer Patienten konnte eine schlechtere Kontrolle über virusinfizierte Zellen beobachtet werden • Monatelanger Prüfungsstress kann sich negativ auf die Wundheilung auswirken V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 4. Immunologische Grundlagen Psychoneuroimmunologie Beispiele für die Rolle von Lernprozessen für die Funktion des Immunsystems: • Experiment: Gesunde junge Erwachsene halten ein Brausebonbon zwischen den Lippen (an fünf aufeinander folgenden Tagen; Kontrollgruppe) • An vier Tagen: Zeitgleich Adrenalingabe -> verstärkte Zerstörung von Tumorzellen • 5. Tag: Brausebonbon + Placebo: -> verstärkte Zerstörung von Tumorzellen • Folgerung: Der NS (Bonbon) wurde zum CS • Menschen können Immunreaktionen lernen! V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen 4. Immunologische Grundlagen Psychoneuroimmunologie Psychologische Gruppentherapie in der Brustkrebsnachsorge (Spiegel et al, 1998) • 86 Patientinnen mit metastisierendem Brustkrebs • Onkologische Standardtherapie • Gruppe B 1x wöchentlich Gruppentherapie mit Selbsthypnose gegen Schmerzen • Gruppe A keine zusätzliche Behandlung V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen Zusammenfassung • Das Autonome Nervensystem, das immunologische und das endokrinologische System sind die drei großen Kommunikationsnetzwerke des Körpers • Sie spielen eine Rolle für menschliches Verhalten und auch bei der Entwicklung psychischer Störungen (z.B. Angststörungen) • Verhalten beeinflusst die Funktion der Systeme (z.B. reduzierte Immunabwehr nach dauerhafter Überlastung) • Psychische Prozesse wie klassische Konditionierung können die Systeme beeinflussen (Konditionierung einer Immunreaktion) V Vorlesung Biopsychologische Grundlagen Prüfungsfragen • Was ist Biofeedback und für welche Störungen wird es eingesetzt? • Sind Immunreaktionen konditionierbar? • Können Hormone Verhaltenseffekte bei Menschen haben? Nennen Sie ein Beispiel! • Geben Sie ein Beispiel für den Zusammenhang zwischen einer erhöhten oder reduzierten Aktivität der HPA-Achse und Erkrankungen bzw. psych. Störungen!