GESUNDHEITSFAKTEN Mai 2000 2/2000 Gericht zeigt dem Bewertungsausschuß Grenzen auf Mit einem gut begründeten Beschluß ganz auf der Linie des Bundessozialgerichtes (BSG) zu den Befugnissen des Bewertungsausschusses hat das Sozialgericht Hannover festgestellt, daß der durch die Laborreform zum 1. Juli 1999 eingeführte Wirtschaftlichkeitsbonus rechtswidrig ist. Dieser stelle keine Gebühren dar und sei systemfremd. Auch greife er in die Berufsausübungsfreiheit der Ärzte ein und bedürfe einer ausdrücklichen Ermächtigung im Gesetz, die nicht vorliege. Eine solche Maßnahme sei damit der Regelungskompetenz des Bewertungsausschusses entzogen. Mit Beschluß vom 14. März 2000 stellte das Sozialgericht Hannover im Wege der einstweiligen Anordnung fest, die Einführung des Wirtschaftlichkeitsbonus (EMB-Nr. 3452) sei rechtswidrig, da eine hinreichende gesetzliche Ermächtigung fehle. Unter Hinweis auf ein ähnlich gelagertes Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) aus dem Jahre 1996 wird darauf verwiesen, daß mittelbare Auswirkungen auf den berufsrechtlichen Status der Laborärzte bewirkt und deren Rechte aus Art. 12, Abs. 1 GG berührt würden. Als gesetzliche Grundlage für die Neuregelung des Kapitels O des EBM, hier bezogen auf den Wirtschaftlichkeitsbonus, reichten die Bestimmungen des § 87 Abs. 2a SGB V nicht aus. Weitgehende Eingriffsrechte ins Honorarsystem - aber kein genereller Freibrief Zwar habe nach diesen Bestimmungen der Bewertungsausschuß ein sehr weitgehendes Eingriffsrecht in die Berufsausübungsregeln der Vertragsärzte. Erwähnt werden unter Berufung auf Urteile des BSG, u.a. vom 8. März 2000, als zulässige Maßnahmen - die Zusammenfassung ärztlicher Leistungen zu Leistungskomplexen auf den Behandlungsfall bezogene Bewertungen für Leistungen, die üblicherweise von Hausärzten erbracht werden Abstaffelungsregelungen die Festlegung von Obergrenzen für eine Menge von Leistungen oder Gruppen von Leistungen, die von einer Arztpraxis zu einem bestimmten Zeitraum abgerechnet werden können die Einführung von Teilbudgets die Einführung von Praxis- und Zusatzbudgets All diesen für rechtmäßig gehaltenen Regelungen sei gemeinsam, daß in verschiedenen Formen die Menge der von einem Arzt im Quartal bzw. pro Behandlungsfall abrechenbaren ärztlichen Leistungen begrenzt werde. Eine vergleichbare Regelung finde sich in der durch die Neufassung des Kapitels O des EBM geschaffene Laborgrundgebühr (EBM-Nr. 3450). Diese sei, ebenso wie die Festlegung eines DM-Betrages für die eigentliche Laborleistung außerhalb der ärztlichen Leistungen nicht zu beanstanden. Wirtschaftlichkeitsbonus ist systemwidrig, da leistungsfrei Anders sei dies jedoch bei dem neugeschaffenen Wirtschaftlichkeitsbonus. Das Gericht bestätigte damit erneut die in letzter Zeit wiederholt niedergelegten höchstinstanzlichen Tendenzen, die Allmacht des Bewertungsausschußes zu begrenzen und für systemfremde und schwerwiegende Eingriffe in das Recht der Berufsausübung eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zu fordern, wie es rechtsstaatlichen Prinzipien entspricht. In erfrischender Deutlichkeit stellt es klar, es handle sich beim Wirtschaftlichkeitsbonus - nicht um eine ärztliche Leistung nicht um die Vergütung einer besonderen Prüfung, ob Laboruntersuchungen notwendig sind oder nicht, da dies bereits durch die Laborgrundgebühr abgegolten sei um nichts anderes als eine Prämie dafür, daß Laborleistungen über ein bestimmtes Maß hinaus nicht erbracht oder veranlaßt werden. Dem ist voll inhaltlich zuzustimmen und nichts weiter hinzuzufügen. Belohnt wird nämlich mit dem Wirtschaftlichkeitsbonus das Unterlassen von Laboruntersuchungen, was dem Sozialgesetzbuch fremd ist. Das Gericht stellt klar, daß der Bewertungsaussschuß nur Regelungen treffen darf, die ihrer Art nach denjenigen gleichen, die in § 87 Abs. 2a SGB V aufgeführt sind. Die Bestimmungen des § 87 SGB V sind keine Generalklausel in dem Sinne, daß sie den Bewertungsausschuß ermächtigen, jede beliebige Regelung zu treffen, sofern sie nur etwas mit der Honorierung der Vertragsärzte zu tun hat. Umdenken nötig Gegen den Beschluß des Sozialgerichtes ist Beschwerde beim Landessozialgericht zulässig. Parallel dazu läuft das Hauptsacheverfahren; mit einer Entscheidung wird im Sommer dieses Jahres gerechnet. Auch dagegen sind Rechtsmittel möglich, so daß noch einige Zeit ins Land gehen wird, bis eine letztinstanzliche Entscheidung vorliegt. Dennoch sollten der Bewertungsausschuß und insbesondere die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als Erfinder des Wirschaftlichkeitsbonus auf der Grundlage dieses gut begründeten Beschlusses prüfen, ob an dem Konzept der Honorierung der Unterlassung von Leistungen festgehalten werden soll. Dies insbesondere auch deshalb, weil man ja auch selbst von der Reaktion überrascht wurde – Rückgang der veranlassten Laborspezialuntersuchungen um über 40 % - und schon zum 1. Januar bzw. 1. April dieses Jahres gravierende Nachbesserungen vornehmen mußte. Bei dieser Gelegenheit sollte außerdem endlich das Thema Koppelungsgeschäfte – ein Hauptgrund für die Laborreform – ernsthaft angegangen werden. Durch die seit Jahren von allen Experten geforderte Direktabrechnung der Laborgemeinschaft mit der KV könnte diese Frage deutlich entschärft und einer Lösung zugeführt werden. Warum die KBV dies dennoch nicht tut, sollte die Kassen und das aufsichtsführende Bundesgesundheitsministerium nachdenklich machen und veranlassen, aktiv zu werden. Welche Interessen verhindern die Einführung offenkundiger Maßnahmen zur Unterbindung oder zumindest Erschwerung von Kopplungsgeschäften? Mit Hilfe der Labordiagnostik dem Holzbock zu Leibe rücken Die Lyme-Borreliose - obwohl seit über 100 Jahren bekannt - wurde erst in den letzten 20 Jahren beschrieben: Bereits 1880 wurde das Bannwarth-Syndrom beschrieben, ohne dass die Ursache dieser Erkrankung (lymphozytäre Hirnhautentzündung) bekannt war. Mitte 1970 gab es einen größeren Infektionsausbruch in Lyme (USA). Als Erreger konnte eine neue Spirochäten-Art isoliert werden: Borrelia burgdorferi. Dieser Erreger wird durch Zecken (im Volksmund „Holzbock“) übertragen. Als ursächliche Erreger der Lyme-Borreliose sind heute drei Spezies der Borrelien bekannt, die ein ähnliches klinisches Bild verursachen: - Borrelia burgdorferi sensu stricto, - Borrelia garinii und -Borrelia afzelii. Die Zecke - ein Überträger von Infektionskrankheiten Zecken sind Überträger von verschiedenen Infektionskrankheiten: Lyme-Borreliose, FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis = Virus), Ehrlichiose und einiger anderer Erkrankungen. Der Durchseuchungsgrad der Zecken mit den verschiedenen Erregern ist sehr unterschiedlich; die Durchseuchung mit Borrelien wird mit 20-50 % je nach Region angegeben. Als sicher kann gelten, daß in Deutschland jede 5. Zecke mit einem Borrelien-Erreger infiziert ist und diesen bei einem Biß übertragen kann. Aufgrund der Bißhäufigkeit des Holzbockes sind saisonale Häufigkeiten zu beobachten: Am häufigsten werden Infektionen im Frühjahr beobachtet, wenn die Nymphen, d.h. junge Zecken beißen. Beliebte Aufenthaltsorte für Zecken sind buschige Wald- und Wegränder, Laub- und Nadelwälder, vor allem lichte Gehölze mit Unterholz sowie Parkanlagen und Gärten mit Büschen und Sträuchern als Unterholz. Die Zecken befinden sich je nach Stadium bis in einer Höhe von einem Meter an Gräsern, Farnen und niedrigen Zweigen. Der Befall erfolgt deshalb beim erwachsenen Menschen meistens in Beinhöhe. Klinik der Lyme-Borreliose Die Lyme-Borreliose wird als der "große Immitator" bezeichnet, weil sie viele andere Krankheiten nachahmen kann, was die Diagnose erheblich erschwert. 1. Stadium I - Stadium der lokalisierten Infektion Bei einer erfolgten Infektion bildet sich nach wenigen Tagen bis einigen Wochen eine von der Bißstelle ausgehende und sich auf die Umgebung konzentrisch ausdehnende Hautrötung: Erythema migrans als Hauptsymptom dieses Stadiums. Das betroffene Hautareal kann schmerzhaft oder überempfindlich erscheinen. Die Hauterscheinung bildet sich meist zurück oder kann über Wochen persistieren (Erythema chronicum migrans). Ein allgemeines Krankheitsgefühl mit Abgeschlagenheit, leicht erhöhter Temperatur und regionaler Lymphknotenschwellung kann bereits bei der lokalisierten Infektion vorliegen. Allerdings tritt dieses Erythema migrans nicht in allen Fällen auf, bzw. wird häufig übersehen. Bei einer fehlenden Ausheilung, d.h. einer schwachen Immunantwort des Körpers, kann die Krankheit in das Stadium II übergehen. 2. Stadium II - Stadium der dissiminierten Infektion Dem Stadium II geht eine Besiedlung der Haut, des zentralen und peripheren Nervensystems des Herzens sowie des Bewegungsapparates mit Borrelien voraus. Wochen bis Monate nach dem Zeckenbiß ist das Krankheitsbild geprägt von anhaltenden Schmerzen. Folgende klinische Erscheinungsbilder werden Wochen bis Monate nach dem Zeckenbiß beobachtet: - Dermatologische Manifestation: - Lymphozytom, gutartige Infiltrate in die Haut - sekundäre Erythema migrans Läsion - Neurologische Erscheinungsbilder - Hirnhautentzündung, Garin-Bujadoux-Bannwarth Syndrom - Hirnnervenlähmung - Kardiale Manifestation Entzündung des Herzens - Ophtalmologische Manifestation - Entzündung am Augenhintergrund - Regenbogenhautentzündung - Bindehautentzündung - Rheumatologische Erscheinungsbilder - Muskelschmerzen - Gelenkschmerzen - Gelenkentzündungen Bei nicht ausheilender Infektion tritt über Jahre die Infektion in das Stadium III über. 3. Stadium III - Stadium der persistierenden Infektion Das chronische Krankheitsbild tritt Monate bis Jahre nach der Infektion in Erscheinung und ist vor allem durch die pathognomonische Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA) als Hautmanifestation und durch rheumatologische Beschwerden in Form von Gelenkentzündungen unterschiedlicher Lokalisation gekennzeichnet. Als rheumatologische Manifestationen treten Arthritis und entzündliche Reaktion im Muskel auf. Dermatologische Manifestationen werden in Form einer Akrodermatitis chronica atrophicans (Synonym Herxheimer-Krankheit) beobachtet. 4. Spätfolgen Als finale Spätfolgen der Borrelieninfektionen werden ähnliche Symptome wie bei der Syphilis beschrieben, d.h. Entzündungen des Herzmuskels, geistige Umnachtung u.a.. Therapie Im Gegensatz zu viralen Erkrankungen kann die Borrelien-Infektion relativ wirkungsvoll durch eine antibiotische Therapie behandelt werden. Allerdings muß eine Therapie sehr hoch dosiert über einen Zeitraum von mindestens 14 Tagen erfolgen, um die Infektion unter Kontrolle zu bringen. Die Dosierungen müssen relativ hoch gewählt werden, da Borrelien tief ins Gewebe eindringen, ferner in das Zentralnervensystem einschließlich der Augen und Sehnen. Vier verschiedene Arten von Antibiotika werden zur Behandlung von Borreliose verwendet: Tetracycline, Penicilline, Cephalosporine und Erythromycin. Eine unmittelbare Kontrolle, ob die Therapie erfolgreich war, ist durch kein Diagnostikum sicher nachweisbar. Es empfiehlt sich eine langfristige Kontrolle. Die Diagnostik einer frischen Borreliose-Infektion erscheint relativ einfach. Sofern ein Erythema migrans auftritt, kann relativ sicher auf eine Borrelien-Infektion geschlossen werden und eine Antibiotika-Therapie eingeleitet werden. Aufgrund des heutigen Kostendruckes im Gesundheitswesen erfolgt dies immer häufiger in der Annahme, eine einfache Antibiotika-Therapie bedeute eine sichere Elimination der Borrelien. Allerdings ist, wie erwähnt, in einer nicht unerheblichen Anzahl von Infizierten mit sogenannten „Therapie-Versagern“ bei einer einmaligen Antibiotika-Therapie zu rechnen. Dies führt dazu, daß die Borrelien-Infektion in das Stadium II bis III übergeht und langfristig zu sehr hohen Kosten führt. Daher ist zu fordern, daß jeder Verdacht auf eine Borrelien-Infektion mit Hilfe eines serologischen Labortests abgesichert wird. Mit Hilfe eines Labortests vor Beginn und nach Beendigung der Therapie kann sehr einfach überprüft werden, ob sie erfolgreich war oder eine zweite Antibiotika-Therapie angezeigt ist. ****************************************** Herausgeber: VDGH Verband der Diagnostica-Industrie e.V. (Dierk Meyer-Lüerßen) Münchener Straße 49, D-60329 Frankfurt am Main Telefon: (069) 23 02 67, Telefax: (069) 23 66 50, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.vdgh.de. Diese Publikation wurde auf sauerstoffgebleichtem Papier gedruckt. Reprofähige Abzüge der Abbildungen können bei der Geschäftsstelle des VDGH angefordert werden und sind außerdem auch im Internet sowie auf Diskette erhältlich.