Schrittmacher für das schwache Herz

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Schrittmacher für das schwache Herz
Falten sind nur äußere
Zeichen des Alters. Doch
auch Organe wie das
Herz kommen in die Jahre – und werden damit
anfälliger. Wie bei Manfred S. (72): Eine neue
Prof. Dr. Christian Stief
Herzklappe und ein speAls Chefarzt im Münchner
zieller Schrittmacher haKlinikum Großhadern erlebe ben sein schwaches Herz
ich täglich, wie wichtig medizinische Aufklärung ist. Ge- wieder fit gemacht.
rade in höherem Alter rückt
das Thema Gesundheit immer mehr ins Zentrum des
Interesses. In einer Serie
möchten wir Ihnen darum
Krankheiten vorstellen, die
vor allem betagte Patienten
treffen. Im zehnten Teil geht
es um das alternde Herz und
seine Erkrankungen. Experte
des Beitrags ist Prof. Stefan
Sack, Chefarzt der Klinik für
Kardiologie, Pneumologie
und internistische Intensivmedizin am Klinikum
Schwabing der Städtischen
Kliniken München.
Stichwort:
das Herz
Das Herz ist der Motor des Blutkreislaufs: Der etwa faustgroße
Hohlmuskel liegt gut geschützt
und leicht nach links versetzt
unter dem Brustbein. Er ist von
einem Herzbeutel (Perikard) aus
Bindegewebe umhüllt. Die beiden Herzhälften bestehen jeweils aus einem Vorhof und einer Herzkammer. Diese sind jeweils durch Herzklappen miteinander verbunden, die wie ein
Ventil ein Zurückfließen des Blutes verhindern. Linke und rechte
Herzkammer werden von der
Scheidewand (Septum) getrennt. Über die Hohlvene fließt
sauerstoffarmes Blut aus dem
Körperkreislauf über den rechten Vorhof in die rechte Herzkammer. Von dort wird es durch
eine weitere Herzklappe (Pulmonalklappe) in die Lungenarterien gedrückt. Das in der Lunge mit Sauerstoff angereicherte
Blut durchfließt nun die linke
Herzhälfte. Über die Lungenvene strömt es durch den linken
Vorhof in die linke Herzkammer
und wird dort durch eine vierte
Herzklappe (Aortenklappe) in
die Aorta und damit in den Körperkreislauf gedrückt.
ae
17
VON STEFAN SACK
UND ANDREA EPPNER
Endlich hält das Herz wieder
mit, etwa beim Wandern. Drei
Stunden war Manfred S. neulich
unterwegs.
Diesmal
schaffte der 72-jährige Ottobrunner die Tour bei Bad Tölz
problemlos. Noch vor einem
Jahr hatte er nach einer Stunde abbrechen müssen.
Angefangen haben die Probleme vor gut vier Jahren.
Manfred S. fühlte sich nicht
mehr so leistungsfähig. „Ich
war immer sportlich aktiv“,
erzählt er. Beim Sport fiel ihm
die Veränderung auch zuerst
auf. Statt 200 Meter schaffte er
beim Schwimmen kaum mehr
50. Selbst Treppensteigen
wurde bald zum Kraftakt:
Manfred S. blieb die Luft weg,
sein Herz pochte wild.
Beim Arzt war schnell klar:
Der Rentner braucht eine
neue Herzklappe – die Aortenklappe war verengt. Sie ist
die größte der vier Herzklappen, die wie Ventile den Blutfluss steuern. Damit Blut vom
Vorhof in die Herzkammer
fließen kann, öffnet sich die
Vorhofklappe. Die große
Kammerklappe bleibt derweil
zu. Zieht sich die Herzkammer zusammen, schließt sich
die Vorhofklappe. Dann öffnet sich die Kammerklappe,
das Blut wird in die große
Körperschlagader gepumpt.
Bei Manfred S. ging das nur
noch schwer. Die Aortenklappe öffnete sich nur noch ein
Viertel so weit wie bei einem
Gesunden. Um das Blut durch
den schmalen Kanal zu pressen, musste die Herzkammer
härter arbeiten – zu viel für
Manfred S.’ Herz. Die Muskelkraft des Organs hatte bereits nachgelassen.
Eine Operation sollte dem
Rentner helfen: Die defekte
Herzklappe wurde durch eine
Bioprothese ersetzt. Mehrere
Drei Drähte für ein starkes Herz: Prof. Stefan Sack erklärt seinem Patienten Manfred S. (72) an einem Modell, wo die Elektroden des Dreikammerschrittmachers eingelegt werden.
FOTO: KLAUS HAAG
Stunden dauerte der schwere
Eingriff im Städtischen Klinikum München-Bogenhausen.
Bereits sieben Tage später
musste sich Manfred S. einer
zweiten Operation unterziehen. Er bekam einen Herzschrittmacher. Der Herzrhythmus war nach der Klappenoperation nicht mehr stabil. Offenbar waren spezielle
Nervenfasern (AV-Knoten)
verletzt worden, die den elektrischen Impuls vom Vorhof
auf die Herzkammer übertragen – eine Komplikation, die
sich bislang leider nicht ausschließen lässt. Etwa sechs
Prozent der Patienten trifft es.
„Der Chirurg kann den AVKnoten nicht sehen“, erklärt
Prof. Stefan Sack. Er ist Chefarzt der Klinik für Kardiologie
am Städtischen Klinikum
Schwabing in München und
betreut auch Manfred S.
Ein
Zweikammerschrittmacher, ein Herzschrittmacher mit zwei Elektroden,
sollte den Defekt bei Manfred
S. beheben. Dieser besteht aus
einem kaum eigroßen, flachen
Gerät, auch Aggregat genannt, das in die Brust eingepflanzt wird. Darin stecken
ein Akku und eine Art Minicomputer, der den Herzrhythmus aufzeichnet und elektrische Impulse erzeugt. Zwei
Drähte führen ins Herz: in
den rechten Vorhof und die
sich nicht wie erhofft erholt.
Dass sein Herz ihn erneut
im Stich lassen würde, bemerkte Manfred S. im Spätherbst 2011 im Fitness-Studio. „Bei der geringsten Belastung schoss mein Puls auf 120
bis 140 Schläge hoch“, erinnert er sich. Bald hatte er
Die beiden Herzkammern arbeiteten bei
Manfred S. nicht synchron – das Herz eierte.
rechte Herzkammer. Über die
Elektroden wird der Impuls
vom Vorhof an die Herzkammer übertragen. So überbrückt der Schrittmacher den
defekten Weg.
Auch bei Manfred S. funktionierte das zunächst gut.
Nachdem sich der Rentner
von den OPs erholt hatte,
fühlte er sich bald wieder leistungsfähiger. Er konnte wieder Sport treiben, ging sogar
Skilaufen. „Das ging ganz
gut“, sagt Manfred S. Die
neue Herzklappe funktionierte. Nur der Herzmuskel hatte
auch beim Treppensteigen
wieder Probleme, Luftnot
plagte ihn.
Erneut kam Manfred S. ins
Krankenhaus, wurde genau
untersucht. Den entscheidenden Tipp bekam er aber von
seinem Nephrologen, einem
Facharzt für Nierenheilkunde. Denn Manfred S. hat
nicht nur Probleme mit dem
Herz. Auch seine Nieren sind
seit Jahren geschädigt. Kurz
vor Manfred S.’ Termin hatte
der Nephrologe einen Vortrag von Prof. Sack über spezielle Herzschrittmacher ge-
hört. Diese können Patienten
mit einer schlechten Pumpfunktion des Herzens (Kardiomyopathie) helfen – wie
Manfred S.
Der bekam rasch einen Termin in Schwabing. Dort wurde zunächst der Herzschrittmacher getestet. Dieser speichert Informationen über den
Herzrhythmus, die der Arzt
mit einem kleinen Gerät, das
auf die Brust gelegt wird, lesen
kann. Es folgte eine genaue
Untersuchung, zu der auch eine Echokardiografie gehörte,
ein Ultraschall des Herzens.
Darin gut zu erkennen:
„Das Herz eierte“, sagt Sack.
Die beiden Herzkammern arbeiteten bei Manfred S. nicht
wie im gesunden Herzen synchron. Die linke Herzkammer
reagierte mit etwa 120 Millisekunden Verzögerung. Lösen
könnte das Problem ein spezielles Schrittmachersystem
mit einer dritten Elektrode.
Herzexperte Sack hat es einst
selbst mitentwickelt und 1998
erstmals implantiert. Das Problem damals: In die linke
Herzkammer kann man keine
Elektrode legen, Blutgerinnsel wären die Folge. Um diese
Herzkammer dennoch zu stimulieren, nähte Sack die
Elektrode von außen auf die
Herzwand – es funktionierte.
Die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) wurde
seither weiterentwickelt: Statt
über einen Schnitt zwischen
den Rippen, führt der Arzt die
dritte Elektrode heute meist
über die Schultervene ein und
näht sie in einem Gefäß auf
die Herzwand. Den Weg findet er unter dem Röntgengerät. Dazu bekommt der Patient Kontrastmittel gespritzt.
Das war bei Manfred S.
nicht möglich. Das Kontrastmittel hätte seine Nierenfunktion vollends zum Erliegen gebracht. Sack riet daher zur alten Technik: Über einen etwa
sieben Zentimeter langen
Schnitt an der linken Körperseite wurde die dritte Elektrode eingeführt und auf die
Herzwand genäht. Den Eingriff führten Sacks Kollegen in
der Herzchirurgie des Klinikums Bogenhausen durch.
Das Einstellen des Schrittmachers und die weitere Betreuung übernahm er selbst.
Dazu gehört auch die Auswahl der richtigen Medikamente, von denen Manfred S.
einige braucht. Der 72-Jährige, selbst Apotheker im Ruhestand, hat sie auf ein Blatt Papier geschrieben: Entwässernde Mittel, Blutdrucksenker,
Blutverdünner und mehr – es
ist eine lange Liste. „Ich hätte
nicht gedacht, dass ich einmal
selbst mein bester Kunde werden würde“, sagt Manfred S.
Doch er will nicht klagen:
Schon fünf Tage nach dem
Eingriff durfte er die Klinik
verlassen. „Da war es schon
wesentlich besser“, sagt er.
„Die Herzfunktion wird sich
in den nächsten Monaten weiter verbessern“, sagt Sack.
Von seinen Studien weiß er,
dass sich auch die Struktur
des Herzmuskels verändert.
„Das dauert sechs bis 12 Monate“, sagt er. Manfred S.
träumt schon wieder vom Skifahren. Zunächst geht es aber
ins Fitness-Studio. „Eben habe ich das medizinische Placet
bekommen“, sagt er.
Lesen Sie am kommenden Montag, 13. Juli, den elften Teil der Serie „Medizin im Alter“: Hilfe bei
schwer heilenden Wunden
Wenn der Motor des Kreislaufs langsam in die Jahre kommt
VON ANDREA EPPNER
Es schlägt Stunde um Stunde,
Tag und Nacht, ein Leben
lang: Das Herz ist der Motor
des menschlichen Körpers.
Pausenlos pumpt es das Blut
durch den Kreislauf der Gefäße – in Arme und Beine, Niere und Leber, Lunge und
Hirn. Jedes Organ, jede Zelle
wird nur dank seiner Arbeit
mit Sauerstoff und lebenswichtigen Nährstoffen versorgt.
Doch der Motor des Lebens ist nicht für die Ewigkeit
gebaut. „Der Dauerbetrieb
führt mit den Jahren zu einem
gewissen Verschleiß“, erklärt
Prof. Stefan Sack, Chefarzt
der Kardiologie am Städtischen Klinikum Schwabing
in München. Etwa an den vier
Herzklappen, die sich bei jedem Herzschlag öffnen und
schließen. Sie funktionieren
als Ventile, verhindern, dass
Blut zurückströmt. Schließen
sie nicht mehr richtig, lässt
damit auch die Leistung des
Motors nach: Er pumpt dann
bei jedem Herzschlag weniger
Blut durch den Kreislauf als
ein gesundes Herz. Der Patient leidet an einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz).
Eine defekte Herzklappe
ist nur eine mögliche Ursache
für ein schwaches Herz. Die
Pumpleistung
lässt
auch
nach, wenn der Herzmuskel
selbst schlechter mit Blut versorgt wird. Schuld daran sind
Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen. Mit den Jahren
entstehen immer mehr Eng-
Mini-Gerinnsel kosten
dem Herzen immer
mehr Pumpleistung
stellen. Wie in einem verkalkten Rohr lösen sich immer
wieder winzige Stückchen
der Ablagerungen. Diese Mini-Gerinnsel werden mit dem
Blutstrom mitgerissen, bis sie
in einem feineren Gefäß hängen bleiben – und dieses verstopfen. Das Herzmuskelgewebe, das es bis dahin mit
Blut versorgt hat, stirbt ab.
„Das ist aber ein sehr kleines
Areal“, sagt Herzexperte
Sack. „Das bemerkt der Patient nicht.“
Immer neue Mini-Gerinnsel rauben dem Herzen stetig
an Pumpkraft. „Das ist ein
schleichender Prozess“, sagt
Sack. Den Betroffenen fällt
kaum auf, dass ihre Leistungsfähigkeit immer weiter
nachlässt. Oft schieben sie
das einfach auf ihr Alter.
Doch um die sinkende Pumpkraft auszugleichen, muss das
Beim Dreikammerschrittmacher (oben und links) führen
drei Elektroden ins Herz. Die
erste misst die Frequenz des
Herzschlags am Sinusknoten
(1). Die zweite in der rechten
Herzkammer (2) und die dritte auf der Wand der linken
Herzkammer (3) synchronisieren die Arbeit der beiden
Herzkammern.
KLINIK/REPRO
Herz vor allem bei körperlicher Belastung öfter und
schneller schlagen. Mit der
Zeit kommen die Patienten
immer rascher an ihre Grenzen. „Irgendwann kommt der
Moment, dass man kaum die
Treppe hochkommt“, sagt
Sack.
Vorbeugen kann man, indem man die Gefäße möglichst gesund hält. Dazu sollte
man Gefäßkiller wie Rauchen
und Übergewicht meiden, zu
hohen Blutdruck konsequent
senken und den Körper in
Schwung bringen. Vor allem
Ausdauertraining wie Radfahren, Schwimmen oder
auch mal eine Einheit auf
dem Crosstrainer halten die
Herzgefäße jung.
Das senkt auch das Risiko
für einen Herzinfarkt. Nicht
selten ist eine Herzschwäche
Folge eines überstandenen
Herzinfarkts: Statt vieler kleiner ist es ein größeres Gerinnsel, das viel Herzgewebe zum
Absterben gebracht hat.
Genau wie der Mechaniker
den Fehler im Automotor
sucht, versucht daher auch
der Arzt die Ursache der
Herzschwäche zu finden –
und möglichst zu beheben: Ist
eine Herzklappe defekt, kann
man sie ersetzen. Oft erholt
sich das Herz dann wieder.
Anders ist das, wenn die
Herzschwäche Folge eines
Infarkts oder weiter fortgeschritten ist.
Dann setzt man meist auf
eine Kombination verschiedener Medikamente. Dazu
gehören entwässernde Mittel
(Diuretika). Sie wirken Wassereinlagerungen (Ödeme) in
Beinen und Lunge entgegen.
Diese entstehen, wenn sich
das zum Herzen zurückfließende Blut staut, weil dessen
Pumpleistung nicht reicht.
Aus dem gestauten Blut tritt
dann Flüssigkeit ins Gewebe
über. Um das früh zu erken-
nen, sollten sich Patienten
täglich wiegen. Nehmen sie
von einem Tag auf den anderen ungewöhnlich stark zu,
liegt das oft an Ödemen.
Blutdrucksenkende Mittel
wie ACE-Hemmer entlasten
das Herz: Es muss dann nicht
mehr gegen den erhöhten
Druck im Kreislauf anpumpen. ACE-Hemmer verhindern zudem ungünstige Umbauprozesse im Herzen, kommen daher auch bei normalem Blutdruck zum Einsatz.
Herzglykoside (Digitalis) verstärken bei fortgeschrittener
Herzschwäche die Kraft, mit
der sich das Herz zusammenzieht. Diese Mittel müssen
mit Vorsicht eingesetzt werden.
Von den vielen freiverkäuflichen Medikamenten, die der
Werbung zufolge „das Herz
stärken“, sollte man sich indes nicht allzu viel versprechen, warnt Sack. Ein kleiner
Effekt sei möglich. „Man sollte aber nicht glauben, dass
man davon gesund wird“, sagt
er.
Nicht selten leiden Patienten mit einer Herzschwäche
auch an Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern.
Doch treten solche Störungen
auch unabhängig von einer
Herzinsuffizienz auf – und
dafür steigt das Risiko eben-
falls mit dem Alter. Beim Gesunden geht das elektrische
Signal, das dem Herz den Befehl zum Schlagen gibt, von
den spezialisierten Zellen des
Sinusknoten aus. Von hier
aus breitet es sich entlang von
Nervenfasern über das ganze
Herz aus. Dabei ergreift es zunächst die beiden Vorhöfe,
erreicht dann den AV-Knoten. Von dort breitet es sich
synchron über beide Herzkammern aus.
Doch kann es auch bei der
Weiterleitung des Signals zu
Fehlern kommen. Beim Vorhofflimmern werden beide
Vorhöfe völlig unkoordiniert
erregt. Bei anderen Leitungsstörungen reagiert eine Herzkammer verzögert. „Das Herz
eiert
sozusagen“,
erklärt
Sack. Dann verkürzt sich die
Zeit, in dem sich das Organ
mit Blut füllt – und mindert so
die Pumpleistung. Betroffenen kann ein spezieller
Schrittmacher mit drei Elektroden helfen (Artikel oben).
Die gleichzeitige Stimulation
der Herzkammern bewirkt,
dass sich diese wieder synchron
zusammenziehen.
Herzexperte Sack hat diese
kardiale Resynchronisationsthreapie mitentwickelt.
Leserfragen an Prof. Sack:
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