Münchner Merkur Nr. 180 MEINE SPRECHSTUNDE Redaktion Medizin: (089) 53 06-425 [email protected] Telefax: (089) 53 06-86 61 Medizin im Netz: www.merkur-online.de/gesundheit Leben .................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. Schrittmacher für das schwache Herz Falten sind nur äußere Zeichen des Alters. Doch auch Organe wie das Herz kommen in die Jahre – und werden damit anfälliger. Wie bei Manfred S. (72): Eine neue Prof. Dr. Christian Stief Herzklappe und ein speAls Chefarzt im Münchner zieller Schrittmacher haKlinikum Großhadern erlebe ben sein schwaches Herz ich täglich, wie wichtig medizinische Aufklärung ist. Ge- wieder fit gemacht. rade in höherem Alter rückt das Thema Gesundheit immer mehr ins Zentrum des Interesses. In einer Serie möchten wir Ihnen darum Krankheiten vorstellen, die vor allem betagte Patienten treffen. Im zehnten Teil geht es um das alternde Herz und seine Erkrankungen. Experte des Beitrags ist Prof. Stefan Sack, Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Pneumologie und internistische Intensivmedizin am Klinikum Schwabing der Städtischen Kliniken München. Stichwort: das Herz Das Herz ist der Motor des Blutkreislaufs: Der etwa faustgroße Hohlmuskel liegt gut geschützt und leicht nach links versetzt unter dem Brustbein. Er ist von einem Herzbeutel (Perikard) aus Bindegewebe umhüllt. Die beiden Herzhälften bestehen jeweils aus einem Vorhof und einer Herzkammer. Diese sind jeweils durch Herzklappen miteinander verbunden, die wie ein Ventil ein Zurückfließen des Blutes verhindern. Linke und rechte Herzkammer werden von der Scheidewand (Septum) getrennt. Über die Hohlvene fließt sauerstoffarmes Blut aus dem Körperkreislauf über den rechten Vorhof in die rechte Herzkammer. Von dort wird es durch eine weitere Herzklappe (Pulmonalklappe) in die Lungenarterien gedrückt. Das in der Lunge mit Sauerstoff angereicherte Blut durchfließt nun die linke Herzhälfte. Über die Lungenvene strömt es durch den linken Vorhof in die linke Herzkammer und wird dort durch eine vierte Herzklappe (Aortenklappe) in die Aorta und damit in den Körperkreislauf gedrückt. ae 17 VON STEFAN SACK UND ANDREA EPPNER Endlich hält das Herz wieder mit, etwa beim Wandern. Drei Stunden war Manfred S. neulich unterwegs. Diesmal schaffte der 72-jährige Ottobrunner die Tour bei Bad Tölz problemlos. Noch vor einem Jahr hatte er nach einer Stunde abbrechen müssen. Angefangen haben die Probleme vor gut vier Jahren. Manfred S. fühlte sich nicht mehr so leistungsfähig. „Ich war immer sportlich aktiv“, erzählt er. Beim Sport fiel ihm die Veränderung auch zuerst auf. Statt 200 Meter schaffte er beim Schwimmen kaum mehr 50. Selbst Treppensteigen wurde bald zum Kraftakt: Manfred S. blieb die Luft weg, sein Herz pochte wild. Beim Arzt war schnell klar: Der Rentner braucht eine neue Herzklappe – die Aortenklappe war verengt. Sie ist die größte der vier Herzklappen, die wie Ventile den Blutfluss steuern. Damit Blut vom Vorhof in die Herzkammer fließen kann, öffnet sich die Vorhofklappe. Die große Kammerklappe bleibt derweil zu. Zieht sich die Herzkammer zusammen, schließt sich die Vorhofklappe. Dann öffnet sich die Kammerklappe, das Blut wird in die große Körperschlagader gepumpt. Bei Manfred S. ging das nur noch schwer. Die Aortenklappe öffnete sich nur noch ein Viertel so weit wie bei einem Gesunden. Um das Blut durch den schmalen Kanal zu pressen, musste die Herzkammer härter arbeiten – zu viel für Manfred S.’ Herz. Die Muskelkraft des Organs hatte bereits nachgelassen. Eine Operation sollte dem Rentner helfen: Die defekte Herzklappe wurde durch eine Bioprothese ersetzt. Mehrere Drei Drähte für ein starkes Herz: Prof. Stefan Sack erklärt seinem Patienten Manfred S. (72) an einem Modell, wo die Elektroden des Dreikammerschrittmachers eingelegt werden. FOTO: KLAUS HAAG Stunden dauerte der schwere Eingriff im Städtischen Klinikum München-Bogenhausen. Bereits sieben Tage später musste sich Manfred S. einer zweiten Operation unterziehen. Er bekam einen Herzschrittmacher. Der Herzrhythmus war nach der Klappenoperation nicht mehr stabil. Offenbar waren spezielle Nervenfasern (AV-Knoten) verletzt worden, die den elektrischen Impuls vom Vorhof auf die Herzkammer übertragen – eine Komplikation, die sich bislang leider nicht ausschließen lässt. Etwa sechs Prozent der Patienten trifft es. „Der Chirurg kann den AVKnoten nicht sehen“, erklärt Prof. Stefan Sack. Er ist Chefarzt der Klinik für Kardiologie am Städtischen Klinikum Schwabing in München und betreut auch Manfred S. Ein Zweikammerschrittmacher, ein Herzschrittmacher mit zwei Elektroden, sollte den Defekt bei Manfred S. beheben. Dieser besteht aus einem kaum eigroßen, flachen Gerät, auch Aggregat genannt, das in die Brust eingepflanzt wird. Darin stecken ein Akku und eine Art Minicomputer, der den Herzrhythmus aufzeichnet und elektrische Impulse erzeugt. Zwei Drähte führen ins Herz: in den rechten Vorhof und die sich nicht wie erhofft erholt. Dass sein Herz ihn erneut im Stich lassen würde, bemerkte Manfred S. im Spätherbst 2011 im Fitness-Studio. „Bei der geringsten Belastung schoss mein Puls auf 120 bis 140 Schläge hoch“, erinnert er sich. Bald hatte er Die beiden Herzkammern arbeiteten bei Manfred S. nicht synchron – das Herz eierte. rechte Herzkammer. Über die Elektroden wird der Impuls vom Vorhof an die Herzkammer übertragen. So überbrückt der Schrittmacher den defekten Weg. Auch bei Manfred S. funktionierte das zunächst gut. Nachdem sich der Rentner von den OPs erholt hatte, fühlte er sich bald wieder leistungsfähiger. Er konnte wieder Sport treiben, ging sogar Skilaufen. „Das ging ganz gut“, sagt Manfred S. Die neue Herzklappe funktionierte. Nur der Herzmuskel hatte auch beim Treppensteigen wieder Probleme, Luftnot plagte ihn. Erneut kam Manfred S. ins Krankenhaus, wurde genau untersucht. Den entscheidenden Tipp bekam er aber von seinem Nephrologen, einem Facharzt für Nierenheilkunde. Denn Manfred S. hat nicht nur Probleme mit dem Herz. Auch seine Nieren sind seit Jahren geschädigt. Kurz vor Manfred S.’ Termin hatte der Nephrologe einen Vortrag von Prof. Sack über spezielle Herzschrittmacher ge- hört. Diese können Patienten mit einer schlechten Pumpfunktion des Herzens (Kardiomyopathie) helfen – wie Manfred S. Der bekam rasch einen Termin in Schwabing. Dort wurde zunächst der Herzschrittmacher getestet. Dieser speichert Informationen über den Herzrhythmus, die der Arzt mit einem kleinen Gerät, das auf die Brust gelegt wird, lesen kann. Es folgte eine genaue Untersuchung, zu der auch eine Echokardiografie gehörte, ein Ultraschall des Herzens. Darin gut zu erkennen: „Das Herz eierte“, sagt Sack. Die beiden Herzkammern arbeiteten bei Manfred S. nicht wie im gesunden Herzen synchron. Die linke Herzkammer reagierte mit etwa 120 Millisekunden Verzögerung. Lösen könnte das Problem ein spezielles Schrittmachersystem mit einer dritten Elektrode. Herzexperte Sack hat es einst selbst mitentwickelt und 1998 erstmals implantiert. Das Problem damals: In die linke Herzkammer kann man keine Elektrode legen, Blutgerinnsel wären die Folge. Um diese Herzkammer dennoch zu stimulieren, nähte Sack die Elektrode von außen auf die Herzwand – es funktionierte. Die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) wurde seither weiterentwickelt: Statt über einen Schnitt zwischen den Rippen, führt der Arzt die dritte Elektrode heute meist über die Schultervene ein und näht sie in einem Gefäß auf die Herzwand. Den Weg findet er unter dem Röntgengerät. Dazu bekommt der Patient Kontrastmittel gespritzt. Das war bei Manfred S. nicht möglich. Das Kontrastmittel hätte seine Nierenfunktion vollends zum Erliegen gebracht. Sack riet daher zur alten Technik: Über einen etwa sieben Zentimeter langen Schnitt an der linken Körperseite wurde die dritte Elektrode eingeführt und auf die Herzwand genäht. Den Eingriff führten Sacks Kollegen in der Herzchirurgie des Klinikums Bogenhausen durch. Das Einstellen des Schrittmachers und die weitere Betreuung übernahm er selbst. Dazu gehört auch die Auswahl der richtigen Medikamente, von denen Manfred S. einige braucht. Der 72-Jährige, selbst Apotheker im Ruhestand, hat sie auf ein Blatt Papier geschrieben: Entwässernde Mittel, Blutdrucksenker, Blutverdünner und mehr – es ist eine lange Liste. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich einmal selbst mein bester Kunde werden würde“, sagt Manfred S. Doch er will nicht klagen: Schon fünf Tage nach dem Eingriff durfte er die Klinik verlassen. „Da war es schon wesentlich besser“, sagt er. „Die Herzfunktion wird sich in den nächsten Monaten weiter verbessern“, sagt Sack. Von seinen Studien weiß er, dass sich auch die Struktur des Herzmuskels verändert. „Das dauert sechs bis 12 Monate“, sagt er. Manfred S. träumt schon wieder vom Skifahren. Zunächst geht es aber ins Fitness-Studio. „Eben habe ich das medizinische Placet bekommen“, sagt er. Lesen Sie am kommenden Montag, 13. Juli, den elften Teil der Serie „Medizin im Alter“: Hilfe bei schwer heilenden Wunden Wenn der Motor des Kreislaufs langsam in die Jahre kommt VON ANDREA EPPNER Es schlägt Stunde um Stunde, Tag und Nacht, ein Leben lang: Das Herz ist der Motor des menschlichen Körpers. Pausenlos pumpt es das Blut durch den Kreislauf der Gefäße – in Arme und Beine, Niere und Leber, Lunge und Hirn. Jedes Organ, jede Zelle wird nur dank seiner Arbeit mit Sauerstoff und lebenswichtigen Nährstoffen versorgt. Doch der Motor des Lebens ist nicht für die Ewigkeit gebaut. „Der Dauerbetrieb führt mit den Jahren zu einem gewissen Verschleiß“, erklärt Prof. Stefan Sack, Chefarzt der Kardiologie am Städtischen Klinikum Schwabing in München. Etwa an den vier Herzklappen, die sich bei jedem Herzschlag öffnen und schließen. Sie funktionieren als Ventile, verhindern, dass Blut zurückströmt. Schließen sie nicht mehr richtig, lässt damit auch die Leistung des Motors nach: Er pumpt dann bei jedem Herzschlag weniger Blut durch den Kreislauf als ein gesundes Herz. Der Patient leidet an einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz). Eine defekte Herzklappe ist nur eine mögliche Ursache für ein schwaches Herz. Die Pumpleistung lässt auch nach, wenn der Herzmuskel selbst schlechter mit Blut versorgt wird. Schuld daran sind Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen. Mit den Jahren entstehen immer mehr Eng- Mini-Gerinnsel kosten dem Herzen immer mehr Pumpleistung stellen. Wie in einem verkalkten Rohr lösen sich immer wieder winzige Stückchen der Ablagerungen. Diese Mini-Gerinnsel werden mit dem Blutstrom mitgerissen, bis sie in einem feineren Gefäß hängen bleiben – und dieses verstopfen. Das Herzmuskelgewebe, das es bis dahin mit Blut versorgt hat, stirbt ab. „Das ist aber ein sehr kleines Areal“, sagt Herzexperte Sack. „Das bemerkt der Patient nicht.“ Immer neue Mini-Gerinnsel rauben dem Herzen stetig an Pumpkraft. „Das ist ein schleichender Prozess“, sagt Sack. Den Betroffenen fällt kaum auf, dass ihre Leistungsfähigkeit immer weiter nachlässt. Oft schieben sie das einfach auf ihr Alter. Doch um die sinkende Pumpkraft auszugleichen, muss das Beim Dreikammerschrittmacher (oben und links) führen drei Elektroden ins Herz. Die erste misst die Frequenz des Herzschlags am Sinusknoten (1). Die zweite in der rechten Herzkammer (2) und die dritte auf der Wand der linken Herzkammer (3) synchronisieren die Arbeit der beiden Herzkammern. KLINIK/REPRO Herz vor allem bei körperlicher Belastung öfter und schneller schlagen. Mit der Zeit kommen die Patienten immer rascher an ihre Grenzen. „Irgendwann kommt der Moment, dass man kaum die Treppe hochkommt“, sagt Sack. Vorbeugen kann man, indem man die Gefäße möglichst gesund hält. Dazu sollte man Gefäßkiller wie Rauchen und Übergewicht meiden, zu hohen Blutdruck konsequent senken und den Körper in Schwung bringen. Vor allem Ausdauertraining wie Radfahren, Schwimmen oder auch mal eine Einheit auf dem Crosstrainer halten die Herzgefäße jung. Das senkt auch das Risiko für einen Herzinfarkt. Nicht selten ist eine Herzschwäche Folge eines überstandenen Herzinfarkts: Statt vieler kleiner ist es ein größeres Gerinnsel, das viel Herzgewebe zum Absterben gebracht hat. Genau wie der Mechaniker den Fehler im Automotor sucht, versucht daher auch der Arzt die Ursache der Herzschwäche zu finden – und möglichst zu beheben: Ist eine Herzklappe defekt, kann man sie ersetzen. Oft erholt sich das Herz dann wieder. Anders ist das, wenn die Herzschwäche Folge eines Infarkts oder weiter fortgeschritten ist. Dann setzt man meist auf eine Kombination verschiedener Medikamente. Dazu gehören entwässernde Mittel (Diuretika). Sie wirken Wassereinlagerungen (Ödeme) in Beinen und Lunge entgegen. Diese entstehen, wenn sich das zum Herzen zurückfließende Blut staut, weil dessen Pumpleistung nicht reicht. Aus dem gestauten Blut tritt dann Flüssigkeit ins Gewebe über. Um das früh zu erken- nen, sollten sich Patienten täglich wiegen. Nehmen sie von einem Tag auf den anderen ungewöhnlich stark zu, liegt das oft an Ödemen. Blutdrucksenkende Mittel wie ACE-Hemmer entlasten das Herz: Es muss dann nicht mehr gegen den erhöhten Druck im Kreislauf anpumpen. ACE-Hemmer verhindern zudem ungünstige Umbauprozesse im Herzen, kommen daher auch bei normalem Blutdruck zum Einsatz. Herzglykoside (Digitalis) verstärken bei fortgeschrittener Herzschwäche die Kraft, mit der sich das Herz zusammenzieht. Diese Mittel müssen mit Vorsicht eingesetzt werden. Von den vielen freiverkäuflichen Medikamenten, die der Werbung zufolge „das Herz stärken“, sollte man sich indes nicht allzu viel versprechen, warnt Sack. Ein kleiner Effekt sei möglich. „Man sollte aber nicht glauben, dass man davon gesund wird“, sagt er. Nicht selten leiden Patienten mit einer Herzschwäche auch an Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern. Doch treten solche Störungen auch unabhängig von einer Herzinsuffizienz auf – und dafür steigt das Risiko eben- falls mit dem Alter. Beim Gesunden geht das elektrische Signal, das dem Herz den Befehl zum Schlagen gibt, von den spezialisierten Zellen des Sinusknoten aus. Von hier aus breitet es sich entlang von Nervenfasern über das ganze Herz aus. Dabei ergreift es zunächst die beiden Vorhöfe, erreicht dann den AV-Knoten. Von dort breitet es sich synchron über beide Herzkammern aus. Doch kann es auch bei der Weiterleitung des Signals zu Fehlern kommen. Beim Vorhofflimmern werden beide Vorhöfe völlig unkoordiniert erregt. Bei anderen Leitungsstörungen reagiert eine Herzkammer verzögert. „Das Herz eiert sozusagen“, erklärt Sack. Dann verkürzt sich die Zeit, in dem sich das Organ mit Blut füllt – und mindert so die Pumpleistung. Betroffenen kann ein spezieller Schrittmacher mit drei Elektroden helfen (Artikel oben). Die gleichzeitige Stimulation der Herzkammern bewirkt, dass sich diese wieder synchron zusammenziehen. Herzexperte Sack hat diese kardiale Resynchronisationsthreapie mitentwickelt. Leserfragen an Prof. Sack: [email protected]