Bauen für die 2000-Watt-Gesellschaft - kneubuehl

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Bauen für die
2000-Watt-Gesellschaft
Veranstaltungsreihe des Energienetz Zug 2012
Bauen für die
2000-Watt-Gesellschaft
Bauen nach dem SIA-Effizienzpfad Energie
Eine Veranstaltungsreihe des Energienetz Zug 2012
www.energienetz-zug.ch
Partner
Kanton Zug
Energiestadt Zug
Energiestadt Baar
V-Zug (Schlussdokumentation)
Gemeinden Cham und Hünenberg (Portrait Schulhaus Eichmatt)
Front: Schulhaus Eichmatt, Cham Hünenberg; Guido Baselgia
SChlussdokumentation
Faktor Journalisten AG, Zürich
Klimaneutral in der Schweiz gedruckt, 100 % Altpapier, FSC-zertifiziert
Zug, Mai 2012
neutral
Drucksache
No. 01-12-375077 – www.myclimate.org
© myclimate – The Climate Protection Partnership
Inhaltsverzeichnis
Die 2000-Watt-Gesellschaft: Umsetzung in Zug
• Gebäudebereich als ergiebiges Handlungsfeld
Heinz Tännler, Baudirektor des Kantons Zug
Seite 4
• Von alleine geht es nicht
Walter Fassbind, Energie und Umwelt Stadt Zug
Seite 6
Die 2000-Watt-Gesellschaft: Schweizweites Netzwerk
• 4000 Watt sind heute schon möglich
Roland Stulz, Leiter Fachstelle 2000-Watt-Gesellschaft
Seite 10
Bauen für die 2000-Watt-Gesellschaft
Das Planungsinstrument
• Neue Spielräume bei der Planung
Martin Menard, Präsident sia-Kommission Effizienzpfad Energie
Seite 14
Die Erstellung
• Wenig graue Energie; in der Praxis vorgelebt
Yorick Ringeisen, Bauart Architekten und Planer
Seite 18
• Kompaktheit ist nicht alles
Judith Kneubühl, Castiglioni + Kneubühl Architekten Seite 22
Der Betrieb
• Gestaltung und Technik kommen sich nahe
Manfred Huber, aardeplan Architekten Seite 26
• Räderwerk mit Stellschrauben
Markus Koschenz, Reuss Engineering
Seite 30
Sichtweise der Praxis
• Gesellschaftliche Verantwortung verpflichtet
Podiumsgespräch mit Investoren, Behördevertretern und Fachleuten
Seite 32
Schule Eichmatt – 2000-Watt-Pilotprojekt
Seite 36
Energienetz Zug – Kurzportrait
Seite 38
die 2000-Watt-Gesellschaft: Umsetzung in ZUg
Gebäudebereich als ergiebiges Handlungsfeld
Die Energiewende wird durch die Kantone in Gang gesetzt. Um das Bauen für die
2000-Watt-Gesellschaft zu fördern, hat auch der Kanton Zug sein neues Energieleitbild darauf ausgerichtet.
«Wenn der Leidensdruck zum Handeln
Liegenschaften – kontinuierlich ausgebaut.
zwingt, muss etwas getan werden», lautet
Im Weiteren soll ein Pilotversuch zum
die Erkenntnis des Zuger Baudirektors
Smart Metering durchgeführt werden. Und
Heinz Tännler. Dass der Kanton Zug jedoch
die gezielte Ausbildung von Fachleuten im
weitsichtiges und langfristiges Handeln in
Planungssektor und in Handwerksberufen
der Energiefrage vorzieht, lässt das neue
nimmt ebenfalls eine stärkere Bedeutung
kantonale Energieleitbild erkennen. Das
im neuen Energieleitbild des Kantons Zug
2011 erarbeitete und im gleichen Jahr vom
ein. Dabei wird dem Aktionsplan der Kon-
Regierungsrat verabschiedete Konzept will
ferenz kantonaler Energiedirektoren, der im
den Energiebedarf senken und die natio-
November 2011 verabschiedet worden ist,
nalen CO2-Ziele übernehmen. Massnah-
bereits Rechnung getragen. Unter anderem
men im Siedlungs- und Gebäudebereich
sollen die Mustervorschriften der Kantone
stehen dabei im Vordergrund, weil sie «ein
im Energiebereich — sie stammen aus dem
ergiebiges Handlungsfeld darstellen». Des-
Jahr 2008 und sind noch nicht durchwegs
halb geht das neue kantonale Leitbild von
in allen Kantonen umgesetzt – abermals
folgenden Grundlagen aus:
revidiert werden, als Vorbereitung zur natio-
• 40 Prozent des CO2-Austosses stammen
nalen Energiewende.
aus dem Bau und Betrieb von Gebäuden.
• Die energietechnische Erneuerung des
Kantone mit neuem Vorstoss
Gebäudebestands verfügt über ein grosses
Die konkreten Ziele sind noch nicht defi-
Potenzial, das weitgehend brach liegt. Die
niert; doch die Stossrichtung der Kantone
aktuelle Sanierungsrate von unter 2 Prozent
gemäss dem Vorschlag der kantonalen
müsste mindestens verdoppelt werden.
Energiedirektoren ist klar:
• Neubau: Neubauten versorgen sich
4
Mehr Geld für Förderung
ab 2020 ganzjährig möglichst selbst mit
Das Energieleitbild beinhaltet deshalb ein
Wärmeenergie und tragen zur eigenen
mehrjähriges Förderprogramm für die
Stromversorgung bei. Dies entspricht dem
Gebäudesanierung. 16 Millionen Franken
Vorhaben der EU, ab 2019 nur noch Null-
will der Kanton, als Ergänzung zu «Das
energiehäuser zuzulassen.
Gebäudeprogramm», als Förderbeiträge
• Bestehende Gebäude: Die Sanierung soll
an sanierungswillige Hauseigentümer
forciert werden. Die Verwendung von Strom
auszahlen. Bei der Bewirtschaftung des
für Widerstandsheizungen und zur Warm-
kantonalen Gebäudebestands soll zudem
wasseraufbereitung wird ab 2020 verboten.
die Vorbildfunktion zum Tragen kommen:
Die Warmwasseraufbereitung muss bei we-
Standards wie Minergie-P-Eco oder Miner-
sentlichen Sanierungen ab 2020 vollständig
gie-A-Eco sind bei Neu- und Umbauten
durch erneuerbare Energien erfolgen und
anzustreben. Vollständig neu ausrichten
wird gefördert.
will der Kanton Zug die Energieversorgung
• Öffentliche Bauten: Die Wärmeversor-
(Wärme und Strom), unter Verzicht auf
gung in kantonseigenen Bauten wird bis
fossile Energieträger spätestens ab 2030.
2050 zu 100 % ohne fossile Brennstoffe
Bei der Gasversorgung sollen Ausnahme-
ausgestaltet. Allfällige Kompensationsmass-
regelungen möglich sein. Dagegen wird
nahmen haben innerhalb des Kantonsge-
die dezentrale Produktion von Solarstrom –
biets zu erfolgen. Der Stromverbrauch wird
insbesondere auf den Dächern öffentlicher
bis 2030 mit Betriebsoptimierungen und
Heinz Tännler,
Regierungsrat und
Baudirektor des Kantons Zug
Erneuerungsmassnahmen um 20 Prozent
genauso wie das energietechnische Know-
gesenkt oder mit neu zugebauten erneuer-
how von Baufachleuten sowie innovative
baren Energien gedeckt.
Projekte aus der Forschung», fordert der
Zuger Regierungsrat die Branche zum
Alle sind gefordert
Handeln auf.
Für Baudirektor Tännler ist aber nicht nur
die politische Behörde gefordert. In allen
Weitere Informationen
Bauphasen gibt es Handlungsmöglich-
• Energieleitbild Kanton Zug:
keiten zur Reduktion des Energiebedarfs
www.zug.ch/energiefachstelle
und des CO2-Ausstosses: «Der gute Wille
• www.energie-zentralschweiz.ch
der Bauherrschaft ist ebenso gefragt wie
• Konferenz der kantonalen Energiedirek-
attraktive Finanzierungskonzepte von
toren: www.endk.ch
Geldgebern, gute Beratung von Architekten
Im Minergie-EcoStandard gebaut und
mit dem Greenproperty-Label der Credit
Suisse ausgezeichnet:
Das Wohn- und Bürogebäude «Uptown» im
Zuger Hertiquartier.
5
Von alleine geht es nicht
Am 15. Mai 2011 hat die Bevölkerung der Stadt Zug Ja zu den Zielen der
2000-Watt-Gesellschaft gesagt. Dies hat die Verwaltung nicht auf dem falschen
Fuss erwischt, weiss der städtische Energiebeauftragte Walter Fassbind.
Die Schweiz war 1960 eine 2000-Watt-
das strategische Vorgehen zusammen.
Gesellschaft. Seither ist der Energie-
Was sich bislang in der Zuger Klimabilanz
verbrauch markant, um das Dreifache,
günstig ausgewirkt hat, ist die Wärmever-
gestiegen. «Eine Mehrheit wird trotzdem
sorgung mit einem hohen Anteil an Erdgas.
sagen, dass wir es besser haben als unsere
Der spezifische CO2-Ausstoss ist rund 20
Vorfahren», weist Walter Fassbind, Leiter
Prozent geringer als bei Ölheizungen. Im
Umwelt und Energie Stadt Zug, auf die
Vergleich mit dem nationalen Durchschnitt
seither gestiegene Lebensqualität hin.
hat die Stadt Zug trotzdem gewissen
Und auch unsere Nachkommen sollen
Nachholbedarf. Der fossile Anteil an der
dasselbe sagen können. «Doch Zweifel
Wärmeversorgung liegt bei 74 Prozent (CH:
sind angesichts des Klimawandels si-
67 %); entsprechend ist der Zuger Anteil
cher angebracht», mahnt Fassbind. Dass
der erneuerbaren Energie nicht einmal halb
dagegen etwas unternommen werden soll,
so gross wie im inländischen Schnitt (CH:
dafür hat sich eine Mehrheit in der Stadt
23 %). «Neben der ungünstigen Klimabi-
Zug an der Urne entschlossen: Am 15. Mai
lanz ist auch die grosse Versorgungsab-
2011 ist die Volksinitiative «2000 Watt für
hängigkeit in Betracht zu ziehen», ergänzt
Zug» angenommen worden. Gemäss dem
Fassbind. Denn die fossilen Brenn- und
Energiebeauftragten Fassbind sind dadurch
Treibstoffe stammen aus dem Ausland und
folgende Ziele für die Stadtbehörde — «im
werden zwangsläufig importiert.
Rahmen ihrer Zuständigkeiten» — verbindlich geworden:
Stromkunde kann wählen
• Mittelfristig bis 2050 sollen der Primär-
Die Stadt Zug kann dies durchaus än-
leistungsbedarf auf 3500 Watt und die
dern: Gemäss Fassbind umfassen die
CO2-Emissionen auf 2 Tonnen pro Person
Handlungsbereiche die Mobilität sowie die
und Jahr gesenkt werden.
Strom- und Wärmeversorgung. Kurz- und
• Langfristig bis 2150 sollen der Primär-
mittelfristig konzentriert sich die Umset-
leistungsbedarf auf 2000 Watt und die
zung der 2000-Watt-Gesellschaft auf eine
CO2-Emissionen auf 1 Tonne pro Person
Reduktion der Energieträger aus endlichen
und Jahr gesenkt werden.
Ressourcen, damit der Primärenergiebedarf sowie die Treibhausgasemissionen
6
nicht bei null beginnen
sinken. Nicht immer muss die Behörde
Zum Vergleich: Derzeit beträgt der Primär-
eigenes leisten. So erklärt Walter Fass-
leistungsbedarf eines Durchschnittsschwei-
bind, wie auch der Endkunde selber tätig
zers 6300 Watt und die CO2-Emission 8,7
werden kann: «Wenn sich die 18 000
Tonnen pro Jahr. Die Reduktionsfaktoren
Zuger Privathaushalte für 100 Prozent
sind beträchtlich. «Aber wie setzen wir
Wasserstrom entscheiden, reduziert sich
diese um?» fragt Fassbind stellvertretend.
der CO2-Ausstoss pro Person um 60 kg und
Gut ist, dass die Stadt Zug nicht bei null
der Primärleistungsbedarf um 25 Prozent
beginnen muss: Als Energiestadt mit dem
auf ungefähr 5000 Watt pro Person.»
Zusatzlabel Gold ist schon einiges geleistet
Möglich machen könnten diese gute Bilanz
worden. «Wir haben jedoch bisher von
die neue Produktepalette des lokalen
unseren Stärken gelebt. Nun müssen wir
Stromversorgers WWZ und das Angebot,
uns um das Beheben der Schwächen
Kleinkunden ab 2012 standardmässig mit
kümmern», fasst der Energiebeauftragte
Wasserstrom zu beliefern. Den Bezügern
Walter Fassbind,
Leiter Umwelt und
Energie Stadt Zug
bleibt allerdings die Wahl, den bisherigen
durch emissionsärmere Systeme ersetzen.
Graustrom mit einem hohen Anteil aus
So rechnet Fassbind vor, dass der 100-%-
Kernkraftwerken vorzuziehen. Ende Jahr
ige Ersatz der Heizungen durch CO2-freie
wird, so Fassbind, eine Bilanz zur Ver-
Anlagen – «was theoretisch bis ins Jahr
kaufsaktion gezogen. Die grosse Nachfrage
2030 möglich ist» – den Treibhausgas-
könnte dafür sorgen, dass die Stadt Zug
ausstoss um über zwei Drittel reduzieren
den nationalen Energiedurchschnitt schon
kann. Das erste Etappenziel der 2000-Watt-
bald unterbieten wird.
Gesellschaft wäre daher schon vor der Zeit
erreicht. Dass die Stadtbehörde das ihre
ersatz von Ölheizungen
dazu beitragen will, macht Walter Fassbind
Etwas längere Fristen sind für Massnah-
deutlich: «Wir analysieren, wie wir Hausei-
men im Gebäudebereich angesetzt, dafür
gentümer noch gezielter mit dem eigenen
werden diese weit höhere Reduktionseffek-
Förderprogramm unterstützen können.
te erzielen. Walter Fassbind erwähnt dazu
Doch das hat nur kurzfristige Wirkung;
den Ersatz der über 1300 Ölheizungen, die
langfristig geht es vermehrt darum, die
neben der Mobilität die aktuelle Energie-
Überzeugung aller Akteure zu fördern.»
und Klimabilanz der Stadt Zug am stärksten prägen. Gemäss dem Leiter Umwelt
Weitere Hinweise
und Energie ist jede vierte Heizanlage aber
• Energiestadt Zug: www.stadtzug.ch/de/
älter als 20 Jahre, und aufgrund von sich
redverwaltung/energiestadt
laufend verschärfenden Abgasvorschriften
in den kommenden 5 Jahren zu sanieren.
Gelingt es, die Ersatzrate zu beschleunigen,
lassen sich dadurch die fossilen Anlagen
Die prozentualen
Anteile des aktuellen
Energieverbrauchs
in der Stadt Zug,
aufgeschlüsselt nach
Energieträgern.
7
Der aktuelle Energie­
verbrauch in der
Schweiz, aufgeschlüsselt nach Energieträgern.
Die aktuellen Energieträger in der Stadt
Zug, ihre Anteile an
der Durchschnittsleistung sowie an der
Klimabilanz.
8
Effekt auf Primärenergiebedarf und
CO2-Ausstoss in der
Stadt Zug durch Ersatz des Graustroms
mit Wasserstrom.
Effekt auf Primärenergiebedarf und
CO2-Ausstoss in der
Stadt Zug bei der
2000-Watt-Strategie
bis 2050 (u.a. Ersatz
der Ölheizungen bis
2030).
9
die 2000-Watt-Gesellschaft: Schweizweites Netzwerk
4000 Watt sind heute schon möglich
Die Umsetzung der 2000-Watt-Vision nimmt Fahrt auf: Ursprünglich als wissenschaftliches Modell initiiert, machen sich viele Gemeinden und Kantone auf den
Absenkpfad. Den langjährigen Novatlantis-Geschäftsführer Roland Stulz freut, dass
vor allem auch private Bauinvestoren die nachhaltigen Ziele erfüllen wollen.
Die «2000-Watt-Gesellschaft» ist in Fahrt
verbreiten half. Inzwischen machen die
gekommen; die Vision «erhält enormen
beiden Partnerregionen Zürich und Genf
Schub», weiss Roland Stulz, Geschäftsleiter
mit. Und zudem sind – «ohne Gewähr, den
der Fachstelle 2000-Watt-Gesellschaft von
aktuellsten Stand wiederzugeben» – die
EnergieSchweiz für Gemeinden. «Vor allem
Hälfte der Kantone, der Verein Energiestadt
in den letzten drei Jahren ist die Idee über
sowie viele weitere Gemeinden und Städte
die Fachkreise hinaus gewachsen und zu
daran, ihr eigenes Energieleitbild an die
einer politisch anerkannten Herausforde-
Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft anzupas-
rung geworden.» Erst vor 15 Jahren haben
sen. Doch damit nicht genug: Aus Deutsch-
Wissenschaftler am Paul-Scherrer-Institut
land und den USA wird ebenfalls Interesse
die Diskussion lanciert, wie dramatisch der
angemeldet. Und selbst in der Wirtschaft
weltweite Energiekonsum zu reduzieren sei.
und bei privaten Investoren finden die am-
Das globale Handlungsziel hat sich seither
bitionierten Reduktionsziele zunehmendes
vor allem eine lokal verankerte Anhänger-
Gehör. Über die 2000-Watt-Gesellschaft
schaft zu eigen gemacht: «Die Umsetzung
wird gegenwärtig kaum theoretisiert noch
begann kurz nach der Jahrtausendwende
werden Grundsatzdebatten geführt: «Viel-
in der Pilotregion Basel», sagt Stulz, der
mehr bestätigen die erfolgreichen Pilotpro-
bis Ende 2011 als Geschäftsführer von
jekte, dass es mit viel weniger Ressourcen
Novatlantis, das Nachhaltigkeitsnetzwerk
geht. Daher lösen auch die bereits erstell-
im ETH-Bereich, die Gesellschaftsvision
ten 2000-Watt-kompatiblen Hochbauten
ein grosses und positives Echo aus», freut
Kurzübersicht: 2000-Watt-Gesellschaft
Die Vision der 2000-Watt-Gesellschaft heisst:
Der Energiebedarf jedes einzelnen Weltbewohners – für «Wohnen», «Mobilität» und
«Arbeiten» – soll so viel betragen, dass die
Ressourcen global gleichmässig verteilt und
nachhaltig genutzt werden können. Die Energieeffizienz von Gebäuden und im Verkehr ist
dafür deutlich zu steigern. Zudem ist der Anteil der erneuerbaren Energien soweit zu erhöhen, dass die Reduktion der Treibhausgase
der Empfehlung des Weltklimarats IPCC folgt,
die Erderwärmung bei + 2 °C zu stabilisieren.
Die Zielwerte der 2000-Watt-Gesellschaft
definieren den personenbezogen Endenergiebedarf (umgerechnet in Primärenergie) sowie
die Obergrenze der Treibhausgasemissionen.
Daraus leitet sich der Reduktionspfad bis ins
Jahr 2100 ab: Der Primärenergiebedarf ist
von heute 6300 Watt pro Person (W/P) auf
2000 W/P und die Treibhausgasemissionen
von 8,6 Tonne pro Person und Jahr (t/PJ) auf
1 t/PJ zu reduzieren. Die Umsetzung erfolgt
vielerorts (zum Beispiel Stadt Zürich, Verein
Energiestadt) mit Hilfe einer Zwischenetappe
bis ins Jahr 2050.
10
sich Roland Stulz.
erst am Anfang
Das Bewusstsein, dass der nachhaltige
Umgang mit endlichen Rohstoffen und
mit Energieressourcen noch lange kein
Selbstverständnis ist und dafür auch einige
Grundlagen- und Aufklärungsarbeit zu
leisten ist, fehlt trotzdem nicht: «Tatsächlich steht die 2000-Watt-Gesellschaft erst
am Anfang», stellt Stulz die Ausgangslage
und den dringenden Handlungsbedarf klar.
Weiterhin liegt der Versorgungsanteil der
«Fossilen» bei 70 Prozent. Und weiterhin
wird die Erde durch steigende Treibhausgasemissionen in den Schwitzkasten
genommen. Zuletzt ist der CO2-Gehalt der
Atmosphäre sogar um 6 Prozent gestiegen.
Der Bedarf, gegen die aktuelle Entwicklung
etwas zu unternehmen, leitet sich zum
einen aus den drohenden Schäden und
hohen Reparaturkosten ab. «Vorsorge zu
leisten, ist auf jeden Fall billiger», meint
Roland Stulz, Leiter
Fachstelle 2000Watt-Gesellschaft
von EnergieSchweiz
für Gemeinden und
ehemaliger Geschäftsführer Novatlantis –
Nachhaltigkeit im
ETH-Bereich
deshalb Fachstellenleiter Stulz. Zum ande-
nachhaltig zu erneuern, seien aber weitere
ren erlaubt die nachhaltige Nutzung eine
Anstrengungen angebracht, ist Stulz über-
globale Umverteilung, so dass auch die
zeugt. Doch die 2000-Watt-Gesellschaft zu
besonders vom Klimawandel betroffenen,
Ende gedacht, braucht nicht nur effiziente
stark unterentwickelten Länder ausreichen-
Technologien oder erneuerbare Energien:
de Perspektiven und gleichberechtigten
«Der einzelne Benutzer ist gefordert»;
Zugang zu den erneuerbaren Ressourcen
gesucht sind Konsummodelle mit Suffizienz
erhalten. Die Industrieländer stehen also in
(ohne Zunahme des Ressourcenbedarfs),
der Verantwortung. Zwar fehle der Leidens-
welche eine hohe Lebensqualität sicher
druck; doch es könnte tatsächlich sehr viel
stellen. «Aktuelle Beispiele bestätigen,
mehr getan werden. «Denn viele Anwen-
dass ein Leben mit 4000 Watt – das heisst
dungsbereiche besitzen ein hohes Potenzi-
ein Drittel weniger als im Durchschnitt –
al zur Reduktion des Ressourcenbedarfs.»
heute schon möglich ist.» Doch um diese
Erkenntnisse auszuweiten und die noch
Beispielhafter Gebäudebereich
niedrigeren Nachhaltigkeitsziele erreichbar
Welche Möglichkeiten bestehen, zeigt
zu machen, sind weitere Aspekte zu klären:
beispielhaft der Gebäudebereich auf: Neu-
Wie kann die erfolgreiche Bilanzierungsme-
bauten und Arealentwicklungen scheinen
thode für Gebäude auf die Bereiche Mobili-
prädestiniert dazu, die Zielvorgaben ein-
tät und Alltagskonsum adäquat übertragen
zuhalten. Entsprechende Planungsinstru-
werden? Oder wie ist die graue Energie zu
mente – wie der SIA-Effizienzpfad Energie
bilanzieren, die als integrierter Bestandteil
– sind anwenderfreundlich und werden
von Waren und Dienstleistungen importiert
bereits häufig eingesetzt (siehe Seite 12).
und in der Schweiz konsumiert wird?
Um auch den bestehenden Gebäudepark
Die nationale Verbreitung der 2000-WattVision durch Modellregionen, Kantone
und Energiestädte.
11
Umfassende REduktionen
Diese Antworten werden inskünftig zu klären sein; erste Indizien weisen daraufhin,
dass die Aufgabe, den Energieverbrauch zu
senken, nicht einfacher wird. Denn wird die
importierte graue Energie heute schon in
die persönliche Energiebilanz einbezogen,
steigt der Durchschnittsverbrauch eines
Schweizers von 6500 Watt auf fast 9000
Watt. Eine gewisse Offenheit ist im Konzept
der 2000-Watt-Gesellschaft zwar gegeben,
insofern die Zielvorgabe – mangels präzisen
Die fünf Handlungsfelder im Lebensmodell der 2000-WattGesellschaft.
Daten – nicht nur quantitativ sondern auch
qualitativ zu verstehen ist. Doch wichtig ist
vor allem die Leitidee, den Ressourcenbe-
Wohnen
Mobilität
Fachstelle 2000-WATT-GESELLSCHAFT
Novatlantis, das Nachhaltigkeitsnetzwerk im
ETH-Bereich und bisheriger Promoter der
2000-Watt-Gesellschaft, konzentriert sich
seit 2012 auf den Wissenstransfer und die
nachhaltige Energieforschung an den ETHInstitutionen in Zürich und Lausanne. Die
Idee der 2000-Watt-Gesellschaft, die Betreuung der Modellregionen sowie die Umsetzung
einzelner Projekte werden neu von der Fachstelle 2000-Watt-Gesellschaft begleitet, die
vom nationalen Programm EnergieSchweiz
für Gemeinden getragen wird. Die Fachstelle
ist somit erste Anlaufstelle für Gemeinden,
Regionen oder private Institutionen.
• www.2000watt.ch
Ernährung
Konsum
Infrastruktur
2000-Watt-Pfad: von 1800
2000-Watt-Pfad: von 1700
2000-Watt-Pfad: von 750 Watt 2000-Watt-Pfad: von 750 Watt 2000-Watt-Pfad: von 1500
Watt auf 500 Watt (Soll)
Watt auf 450 Watt (Soll)
auf 250 Watt (Soll)
auf 250 Watt (Soll)
Watt auf 550 Watt (Soll)
Ist-Zustand: Drei Viertel des
Ist-Zustand: Lange Pendler-
Ist-Zustand: In Lebensmitteln
Ist-Zustand: kurzlebige Pro-
Ist-Zustand: Zur öffentlichen
Gebäudebestands (Wohnhäu-
distanzen, reger Einkaufs- und
steckt viel Energie; die land-
dukte (Kleider, Möbel etc.),
Infrastruktur gehören unter
ser und Bürobauten) sind mehr
Freizeitverkehr sowie weit
wirtschaftliche Produktion und
Dienstleistungen und Veran-
anderem Flughäfen, Bahnhöfe,
als 30 Jahre alt und hinsicht-
entfernte Feriendestinationen
die Verarbeitung beanspruchen
staltungen (Konzerte, Hotel-
Strassen, die Wasserversor-
lich Energieeffizienz in einem
prägen den aktuellen Mobi­-
zudem Nährstoffe und Wasser.
übernachtungen etc.) werden
gung, die Energieversorgung,
ungenügenden Zustand (20-
li­tätsstandard. Flugreisen ver­
Sehr energieintensiv ist die
rege konsumiert, ohne auf die
Gesundheitseinrichtungen,
Liter-Häuser). Die Wohnfläche
brauchen etwa doppelt so
Fleischproduktion: Die Her-
graue Energie zu achten. Zu
Sicherheitsanlagen und Bil-
pro Kopf nimmt bei Neubauten
viel Energie pro Kilometer wie
stellung von 1 kg Rindfleisch
beachten ist: ein grosser Teil
dungsbauten.
zu (aktuell: ca. 50 m2).
Autofahrten und fünf Mal
verbraucht über 10 Mal mehr
der aufwändig erstellten Frei-
mehr als Bahnfahrten.
Energie als von 1 kg Nudeln.
zeit- und Konsuminfrastruktur
Handlungsoptionen: Die
wird nur temporär genutzt.
Energieeffizienz bei der Nut-
dämmte Niedrig- oder Null­
Handlungsoptionen: Fahrrad
Handlungsoptionen: Wahl von
energiehäuser (Minergie-P,
oder öffentlichen Verkehr für
Frischprodukten aus biologi-
Handlungsoptionen: Auch
gen ist beschränkt individuell
Minergie-P-Eco) reduzieren
kurze und mittlere Distanzen
schem Anbau; ebenso relevant
hier ist ein suffizientes und
beeinflussbar; die öffentliche
den Heizbedarf auf 2-Liter-Ni-
vorziehen; wenig fliegen und
für die persönliche Energiebi-
effizientes Konsumverhalten
Hand muss bei der Bereitstel-
veau; wichtig sind angemesse-
mit sparsamem Auto weniger
lanz sind regionale und saiso-
erwünscht: Bekleidung, Acces-
lung der 2000-Watt-tauglichen
nale Produkte und ausserdem
soires, Gesundheit, Kultur und
Infrastruktur die Vorreiterrolle
wenig Fleisch.
Hotellerie.
einnehmen.
Handlungsoptionen: gut ge-
ne Wohnflächen und energieef- als 9000 Kilometer im Jahr
fiziente Haushaltsgeräte.
12
fahren.
zung von Versorgungsanla-
darf umfassend zu reduzieren: «Die Klimabilanz eines Gebäudes bedeutet nämlich:
Neben dem Betrieb sind nun auch die
graue Energie und die induzierte Mobilität
hinsichtlich des schonenden Umgangs mit
den endlichen Ressourcen zu betrachten»,
sagt Roland Stulz.
Weitere Hintergrundinformationen und
Grundlagen zur 2000-Watt-Gesellschaft
• Novatlantis: www.novatlantis.ch
• Pilot- und Modellregionen:
www.2000-watt.bs.ch /
www.geneve2000watts.ch /
www.stadt-zuerich.ch/2000watt
www.energiestadt.ch
• Energierechner: www.ecospeed.ch /
www.webenergie.ch / www.ecoinvent.ch
Die Zwischenziele sind gesetzt
2005
2020
2035
2050
2000WGesellschaft
Primärenergiebedarf
6300
5400
4400
3500
2000
Nicht erneuerbare Energieträger
5800
4600
3300
2000
500
(Watt pro Einwohner)
(Primärenergie, Watt pro Einwohner)
Treibhausgas Emissionen
(CO2eq pro Einwohner und Jahr)
8.5
6.4
4.2
2.0
Der Reduktionspfad
der Energiestädte,
abgestützt auf die
Ziele der 2000-WattGesellschaft.
1.0
11
11
Der Reduktionspfad
der 2000-Watt-Gesellschaft.
13
bauen für die 2000-Watt-Gesellschaft: Die Planung
Neue Spielräume bei der Planung
Der SIA-Effizienzpfad Energie ermöglicht die Realisierung von nachhaltigen Gebäuden. Neben der Betriebsenergie werden neu die graue Energie und der Mobilitätsaufwand bilanziert. Martin Menard zeigt 2000-Watt-taugliche Gebäudekonzepte.
Im Gebäudebereich ist die 2000-Watt-Ge-
Bezugsgrösse – von der Energiebezugsflä-
sellschaft auf offene Türen gestossen und
che auf eine einzelne Person – wird unter
zu einer zeitgemässen Herausforderung für
anderem eine Wohnfläche von 60 m2 pro
Investoren, Bauherrschaften, Architekten
Person zugrunde gelegt. Menard hält diese
und Fachplanern geworden. «Mit dem SIA-
Annahme für plausibel, zumal der aktuelle
Effizienzpfad Energie existiert zudem eine
Flächenbedarf noch 20 Prozent darunter
konkrete Handlungsanweisung», macht
liege.
Martin Menard, Leiter der SIA-Kommission
2040 und Partner der Beratungsfirma
Auch der Flächenbedarf zählt
Lemon Consult, deutlich. Damit werde
Rund ein halbes Dutzend Gebäude oder
sichergestellt, dass heute erstellte Gebäude
Siedlungen sind mithilfe des Effizienzpfads
auch in rund 40 Jahren schonend betrie-
bereits erstellt worden. Fast durchwegs
ben oder allenfalls rückgebaut werden kön-
halten die bilanzierten Projekte die Ziel-
nen. «Denn so lange stehen sie auf jeden
vorgaben ein. «Zu den neuen Erfahrungen
Fall.» Gemäss Etappenziel der 2000-Watt-
gehört, dass ein nachhaltiges Gebäude
Gesellschaft ist der durchschnittliche
nicht nur an der Dämmstärke oder anderen
Energiebedarf bis ins Jahr 2050 in etwa zu
bautechnologischen Errungenschaften
halbieren, auf 3500 Watt pro Kopf (davon
sondern nun auch am Flächenbedarf
2000 Watt nicht erneuerbar), und der
fürs Wohnen sowie an den Distanzen im
aktuelle Treibhausgasausstoss auf einen
Mobilitätsbereich gemessen wird», be-
Viertel zu senken, auf 2 Tonnen CO2 pro
richtet Menard. Noch ungewohnt ist das
Kopf und Jahr. Die Umsetzung dieser auf
umfangreiche Spektrum an Themen, das
ein einzelnes Gebäude umgerechneten
bei einem Gebäude bilanziert werden
2000-Watt-Zielvorgaben ist für die drei
soll. Zum energetischen Betriebsaufwand
Nutzungskategorien «Wohnen», «Büro»
zählen zwingend der Bedarf an Wärme,
und «Schule» möglich. Jedes einzelne Ge-
Klima, Beleuchtung, Betriebseinrichtungen
bäude ist hinsichtlich der Erstellung, dem
und weitere Stromanwendungen dazu. Eine
Betrieb und der Mobilität zu bilanzieren,
neue Bilanzierungsgrösse ist ebenfalls die
wobei Richtwerte für den Bedarf an nicht
graue Energie: «Der Ressourcenaufwand
erneuerbarer Primärenergie sowie für die
zur Erstellung wird vergleichbar den finan-
Treibhausgasemissionen als Orientierungs-
ziellen Anfangsinvestitionen kapitalisiert
hilfe für die Planung dienen sollen. Die Pro-
und als energetischer, jährlicher Amortisa-
jektwerte werden zusammengerechnet und
tionsbeitrag angegeben», skizziert Martin
an den Zielwerten des SIA-Effizienzpfads
Menard die Bilanzierungsmethode (siehe
Energie gemessen. Zur Umrechnung der
Seite 18).
Wohnhaus
Nicht erneuerbare Primärenergie
(MJ/m2)
Treibhausgasemissionen
(kg/m2)
Neubau
Neubau
Umbau
Umbau
Richtwerte
Die Ziel- und
Richtwerte des SIAEffizienzpfads Energie
für ein neu erstelltes
Wohnhaus.
14
• Erstellung
110
60
8,5
5,0
• Betrieb
200
250
2,5
5,0
• Mobilität
130
130
5,5
5,5
16,5
15,5
Zielwerte
440
Martin Menard, Leiter
sia-Fachkomission
2040 «Effizienzpfad
Energie» und Partner
des Planungsbüros
Lemon Consult
SIA-Effizienzpfad Energie
Erstellung - Bauweise
Treibhausgase Erstellung - Einfluss der Bauweise
Treibhausgasemissionen (kg/m2)
12
10
1.81
8
6
4
1.81
0.20
2.10
1.81
1.81
0.20
0.20
2.22
2.10
0.20
Bedachung
3.26
Äussere Wandbekleidung
Materialspezifische
und auf Bauteile
bezogene Treibhausgasbilanz bei der
Erstellung von Gebäuden; beispielhafte
Darstellung der Auswirkung unterschiedlicher Bauweisen und
Fassadenmaterialien.
Gebäudetechnik
Tragwerk
1.39
1.39
1.39
Vorbereitung
Richtwert Effizienzpfad
1.39
2
Ausbau
3.11
3.11
3.11
0.14
Massiv kompakt
0.14
Massiv hinterlüftet
0.14
Massiv Glassfassade
1.80
0
Lemon Consult GmbH
0.14
Holz
SIA-Effizienzpfad
9
Die Primärenergieanteile der vom
Gebäude induzierten
Bereiche; Vergleich
zwischen Neubau und
Umbau.
15
Zugegebenermassen ein für Baufachleute
sind es die Produktion und Herkunft der
exotisches Thema ist die Mobilität: «Dies
Baustoffe», so Menard. Dadurch werden
lappt zwar in die Raumplanung über.»
die Treibhausgasemissionen meistens er-
Hinsichtlich Standort und Erschliessungs-
höht. Die Zürcher Wohnsiedlung «Badener-
qualität fallen dennoch gebäudespezifische
strasse» sei zum Beispiel als Massivbau im
Qualitäten in Betracht. Und ganz generell
Wettbewerb vorgeschlagen worden. In der
gilt für den Einsatz des SIA-Effizienzpfads
Ausführungsplanung aber ist das Projekt in
Energie: «Erstmals wird der gesamte Ge-
einen mehrgeschossigen Holzbau umge-
bäude-Lebenszyklus für die Planung fassbar
wandelt worden, um die Bilanz zu opti-
gemacht. Dennoch lassen die übergeordne-
mieren. «Grundsätzlich stehen Holzbauten
ten Ziele jeweils einen grossen Spielraum für
tatsächlich gut da; doch massive Bauten
die Projektoptimierung offen», gibt Kommis-
können die hohen Anforderungen ebenso
sionspräsident Menard an.
erfüllen», macht Menard deutlich.
Liegt bei der Erstellung der Nachhaltig-
Überblick über Gebäudestandards und
relevante Kriterien.
Der SIA-Effizienzpfad
Energie deckt alle
Kriterien ab.
In Holzbau umgewandelt
keitsfokus auf dem Material, richtet er
Gewisse Einschränkungen sind dennoch in
sich im Betrieb auf ein klimafreundliches
Betracht zu ziehen, zeigen die Erfahrungs-
Energiesystem. Das erleichtert die Aufgabe,
werte der 2000-Watt-kompatiblen Pionier-
ein Gebäude nachhaltig zu erneuern. Denn
bauten. «Bei der Erstellung von Neubauten
an den zwei, über 30 Jahre alten Sihlweid-
SIA-Effizienzpfad Energie
Einordnung – Energie-Standards
Energie / Klima
Erstellung
Betrieb
Wärme
Kälte
Lüftung
Mobilität
Licht
Geräte
Energie-Gesetz
MINERGIE/-P
Null-/Plusenergie
(EPBD 2020!)
MINERGIE-A
SIA-Effizienzpfad
Low-Ex / Zero-Em.
Lemon Consult GmbH
16
SIA-Effizienzpfad
16
Hochhäusern in der Stadt Zürich konnte
Zu den aktuellen Projekten gehören:
nicht zuletzt darum eine 2000-Watt-Sanie-
• Europaallee Baufeld H, Zürich
rung erfolgreich durchgeführt werden, weil
• Green-City, Zürich
bauliche Massnahmen am Gebäude sowie
• Gleis Nord, Lenzburg
eine spätere Neukonzeption der Energie-
• Richti-Areal, Wallisellen
versorgung kombiniert werden. «Umbauten
• Baufeld «Kraftwerk» Zwicky Areal,
sind bei der 2000-Watt-Zählweise deshalb
Dübendorf.
klar im Vorteil», sagt Menard.
Dennoch gelte es den Effizienzpfad Energie
Nachhaltige Areale
nicht zu überschätzen: «Trotz umfassender
Vom Vorteil, die Nachhaltigkeit im Ge-
Bilanzierungen: Ein weiteres Gebäudela-
bäudebereich mit einfachen Methoden
bel wollen wir damit nicht schaffen.» Im
messbar zu machen, profitieren zuneh-
Vergleich dazu decken die internationalen
mend auch Arealentwickler. Gemäss Martin
Zertifikate wie Leed, Breeam oder DGNB
Menard sind zahlreiche neue 2000-Watt-
tatsächlich ein grösseres Feld an Nach-
taugliche Projekte am Entstehen.
haltigkeitsthemen und Dimensionen ab.
«Gleichzeitig nimmt auch der Kontrollauf-
PlanungsHilfsmittel (SIA Dokumentation
2040)
SIA Merkblatt 2039 «Mobilität»:
• Standortabhängige Alltagsmobilität und
die dazugehörige Infrastruktur (Fahrzeuge,
Strassen, Geleise)
• Primärenergiebedarf und Treibhausgasemissionen für den Weg zum Gebäude
• Personenbezogene Berechnung mit Hilfe
einer standardisierten Personenfläche
SIA Merkblatt 2032 «Graue Energie»:
• Primärenergiebedarf für die Produktion der
Baustoffe, die Erstellung, allfällige Ersatzinvestitionen sowie die Entsorgung eines
Gebäudes
• Aufgrund der Amortisationszeit auf ein Jahr
umgerechnet, was den direkten Vergleich mit
dem Energiebedarf für Betrieb und Mobilität
erlaubt
wand für solche Labels zu», grenzt Martin
Menard das SIA-Planungsinstrument vom
nachhaltigen Immbilienmarkt ab.
Weitere Hintergrundinformationen und
Grundlagen zum SIA-Effizienzpfad Energie
• Dokumentation: www.sia.ch /
www.energytools.ch
• Leitfaden 2000-Watt-Areale:
www.bfe.admin.ch ( Publikationen)
• Nachhaltige Quartiere:
www.nachhaltige-quartiere.ch
Weitere Planungshilfen
• SIA Excel-Tool 2040 für Vorprojekt-Phase
(kostenpflichtig): www.energytools.ch
• SIA-Effizienzpfad-Kurse für Planer (in
Vorbereitung): www.sia.ch  Praxis  Weiterbildung
• Leitfaden und Tool für Arealentwickler (in
Vorbereitung): www.stadt-zuerich.ch  Hochbaudepartement  Nachhaltiges Bauen
17
bauen für die 2000-Watt-Gesellschaft: Die Erstellung
Wenig graue Energie: in der Praxis vorgelebt
Der Lebenszyklus von Gebäuden offenbart: Die Energie zur Erstellung, die Herkunft
der Baustoffe und der Rückbau gewinnen an Bedeutung. Graue Energie ist ein ungewohntes Thema; die Stellschrauben für Planer beschreibt Yorick Ringeisen.
«Häuser mit dem nachwachsenden Bau­-
vorhaben realisiert. Aktuell wird das Projekt
stoff Holz sind ökologisch besser als mas­
«Microcity» in Mischbauweise mit Holz in
sive Betonbauten!» Diese Behauptung
Neuenburg erstellt. Der Campusneubau
dient oft als kleinster gemeinsamer Nenner
mit angrenzendem Park beherbergt eine
der möglichen Baumassnahmen, wenn die
Aussenstelle der ETH Lausanne und wird
graue Energie reduziert werden soll. Doch
als Labor genutzt. «Per se ist Holz natürlich
derart generelle Aussagen treffen bei um-
der nachhaltigere Baustoff als Beton. Aber
fassenden Energiebilanzierungen fast nie
im Bauprozess gleichen sich die Unter-
zu. Die Wahrheit ist um einiges komplexer:
schiede schnell aus», weist Ringeisen auf
Energetisch gelungene Bauten sind das
die Vorzüge einer hybriden Holz-Betonkon-
Ergebnis einer umsichtigen Planung, die
struktion hin.
bereits beim ersten Entwurf beginnt. Die
ganzheitliche Energiebetrachtung, welche
Gut miteinander kombiniert
die gesamte Planungsphase neuer Gebäu-
Der Gebäudekern, in welchem die Labors
de zu berücksichtigen hat, ist anspruchs-
untergebracht sind, ist aus Beton. Da ver-
voll. «Die graue Energie kann nicht länger
schiedene Arbeitsräume ohnehin künstlich
ausgeklammert werden», fasst Manfred
zu beleuchten sind, fällt die Absenz von
Huber, Architekt und Co-Vizepräsident des
Tageslicht in diesem Bereich energetisch
Energienetz Zug, zusammen. Sie ist, wie
kaum ins Gewicht. Der Betonkern ist mit
die Mobilität, ein bisher wenig beachtetes
einer vorfabrizierten Holz-Beton-Konstruk-
Puzzleteil im energetischen Gesamtbild von
tion umschlossen, in die Büros angesiedelt
Gebäuden.
sind. So werden die jeweiligen Vorteile der
einzelnen Baustoffe gut miteinander kombi-
18
Material und Form
niert: Mit dem Beton verfügt das Gebäude
Um die 2000-Watt-Zielwerte zu erreichen
über ausreichende Speichermasse, was
(siehe Seite 14), müssen Bauten anhand
dem Klimaausgleich dienlich ist. Dem-
von lückenlosen Energiebilanzen optimiert
gegenüber tragen «die Holzfertigteile zur
werden. Dass dies bald gängige Praxis sein
guten Bilanz der grauen Energie bei, und
wird, bezweifelt Manfred Huber nicht: «Vor
ermöglichen es, beim Bauen sehr enge
10 Jahren haben wir mit der Reduzierung
Zeitpläne einzuhalten», hebt Ringeisen
des Primärenergiebedarfs fürs Heizen
hervor.
begonnen. Dann wurden Warmwasser und
Für die graue Energie mindestens so wich-
Elektrogeräte in die Gesamtenergieeffizienz-
tig wie die Materialwahl ist die angepasste
betrachtung einbezogen. Jetzt sind wir bei
Form des Baukörpers, dessen Grundstein
der grauen Energie angekommen. Zu deren
laut Yorick Ringeisen richtig gelegt werden
Reduktion können Architekten viel beitra-
soll: Konzepte für nachhaltiges Bauen
gen.» «Weniger ist mehr», bestätigt Yorick
gelingen oder scheitern in der ersten
Ringeisen, Partner von Bauart Architekten
Phase. «Bei Nicht-Wohngebäuden, die
und Planer, den Grundsatz, wonach nach-
grossen gestalterischen Spielraum lassen,
haltiges Bauen bereits im Entwurf beginnt,
spielt die Kompaktheit eine wichtige Rolle»,
und die Reduktion der grauen Energie als
erläutert der Architekt den ungewöhnlichen
Teilaspekt dazugehört.
sechseckigen Grundriss von «Microcity».
Bauart Architekten und Planer haben eine
Doch die Kompaktheit ist nicht nur für die
Reihe von qualitativ hochstehenden Bau-
Reduktion der grauen Energie relevant.
Yorick Ringeisen,
Partner von Bauart
Architekten und Planer, Bern, Neuenburg,
Zürich
Sie verbessert auch die Energiebilanz im
ten und Planer entworfen haben, ist als
Betrieb und bietet ökonomische Vorteile.
Grossform konzipiert und in den zentralen
«Der Grad der Kompaktheit ist daher ein
Bereichen mit Lichthöfen versehen. Die
wichtiger Faktor im nachhaltigen Bauen»,
Innenhofstruktur ermöglicht die Nutzung
fasst Ringeisen zusammen.
des Tageslichts und schafft Begegnungszonen. Entsprechend ist die Raumaufteilung
Kompakt und zweckmässig
gestaltet: grosse Hörsäle unten, kleinere
Ein weiteres Vorzeigeprojekt ist in Olten
Klassenräume in der Mitte und Büros oben.
am Entstehen: das neue Gebäude der
Der Stützenraster ist den Spannweiten der
Fachhochschule Nordwestschweiz, mit
einzelnen Geschosse angepasst. Obwohl
Hörsälen, Aula, Bibliothek und Gastro-
Abfangdecken eingeplant sind, konnte die
nomie für 1500 Studenten. Für Bauart
graue Energie gegenüber einem durchge-
Architekten und Planer ist auch bei dieser
henden Stützenraster wesentlich verringert
Bildungseinrichtung die Minimierung der
werden. Eine Betonhohldecke (System:
grauen Energie Pflicht, zumal der Minergie-
Cobiax-Decken) reduziert den Betonbedarf
P-Eco-Standard erreicht werden muss.
im statisch nicht relevanten Bereich zusätz-
Die Fertigstellung ist für 2013 geplant.
lich um 20 Prozent und in der Bewehrung
Auch dieser Baukörper ist kompakt und
(mit Armierungsstahl) um 15 Prozent.
besitzt eine geringe Gebäudehüllzahl von
Der Recyclingbeton stammt sogar vom sel-
0,75. Das Gebäude, das Bauart Architek-
ben Standort: Der Abbruch ehemaliger In-
Tragwerkkonzept als
relevanter Faktor für
die Bilanz der grauen
Energie. Hybride Konstruktionen mit Beton
und Holz ermöglichen
eine günstige Bilanz.
19
dustrie- und Lagerhallen wurde zeitlich so
Yorick Ringeisen erläutert: «Gute Projekte
koordiniert, dass das Material im lediglich
sind ausbalanciert, um den Menschen he-
10 Kilometer entfernten Kieswerk Gunzgen
rum, der als Nutzer im Mittelpunkt steht.»
aufbereitet werden konnte. Auch beim
Das Swisswoodhouse ist als Holzbau mit
Aushub fand die graue Energie Beachtung:
hohem Vorfertigungsgrad geplant, bei dem
Die Baugrube wurde an die Geometrie
auch Beton und Stahl eingesetzt werden.
des Abbruchgebäudes angepasst. Zudem
Sein modularer Aufbau erlaubt die Kom-
entschied sich die Bauherrschaft, die
bination zu verschiedenen Wohnungsty-
Versickerungsanlage auf künftige Ausbau-
pologien und Wohnungsgrössen. Durch
etappen auszulegen. Dadurch steigt zwar
den hohen Standardisierungsgrad müssen
die graue Energie im aktuellen Projekt,
elementare Funktionen, wie etwa die dichte
langfristig wird sich der Vorgriff aber
Gebäudehülle, nicht an jedem Standort neu
bezahlt machen. Ein sinnvolles Vorgehen,
konzipiert werden. Je nach Standort und
wie Yorick Ringeisen betont: «Es geht nicht
Kontext können die Module bedarfsgerecht
um langweilige Lösungen, sondern um
zusammengestellt und die Fassadenmate-
innovative Konzepte mit gesamtheitlichem
rialien gewählt werden. Zurzeit suchen die
Ansatz, die sich trotzdem auf individuelle
Bauart Architekten und Planer nach Inves-
Anforderungen beziehen.»
toren für den Bau eines weiteren Prototyps.
Zu den guten Lösungen gehört auch die
Abschliessend resümiert Ringeisen die Rol-
zentrale Lage der Hochschule, direkt beim
le des Architekten im Kontext zum nachhal-
Bahnhof Olten: Die Mobilitätsbedürfnisse
tigen Bauen: «Es gehört zum Kerngeschäft
der Hochschul-Benutzer werden optimal
des Architekten auf alle Anforderungen
mit öffentlichen Verkehrsmitteln befrie-
einzugehen, dazu gehört natürlich auch die
digt, was sich energetisch positiv auswirkt.
hohe Effizienz und damit die Reduktion der
Demgegenüber erlaubt das Grundstück
grauen Energie.»
nur eine in die Länge gezogene Nord-SüdAusrichtung, was die passiven Solargewin-
Weitere Infos
ne einschränkt. Die Nähe zu den Gleisen
• www.bauart.ch
erhöht zudem den Aufwand für den bauli-
• www.swisswoodhouse.ch
chen Lärmschutz.
Individualität Ab Stange
Ganz anders als die beiden Hochschulgebäude kommt das Bauart-Projekt
«Swisswoodhouse» daher. Bei dem vom
Bund geförderten KTI-Projekt steht die
Entwicklung eines effizienten Gebäudekonzepts für die 2000-Watt-Gesellschaft im
Vordergrund, anwendbar auf verschiedene
Wohnbedürfnisse. Das Ergebnis sind modulare Wohnhäuser: ein 2000-Watt-Mehrfamilienhaustyp im Standard Minergie-P-Eco,
der eine architektonische Verbindung von
Standardisierung und Individualität bietet.
20
Tragwerk, Gebäudestruktur und unterkellerte Bereiche sind
wesentliche Elemente
zur Reduktion der
grauen Energie. Im
Bild der Strukturvergleich rückgebautes
Gebäude (gelb) und
Neubau (grau).
Das Swisswoodhouse
ist das Resultat eines
Gebäudekonzepts für
die 2000-Watt-Gesellschaft. Bauart Architekten und Planer
haben ein modulares
Mehrfamilienhaus
im Holzbau und mit
Standard MinergieP-Eco entworfen
(Visualisierung).
21
Kompaktheit ist nicht alles
Der Entwurfsarchitekt legt mit seiner Arbeit den Grundstein, wie günstig und nachhaltig die Energiebilanz eines Gebäudes ausfallen soll, betont Judith Kneubühl.
«Eine klare Zielsetzung vor Projektbeginn
Hybridbauweise in Kombination mit einem
ist unumgänglich», verlangt Judith Kneu-
Edelrohbau hat, laut Judith Kneubühl, das
bühl, Castiglioni + Kneubühl Architekten.
grösste Potenzial.
Denn anfängliche Planungsfehler lassen
mehr ganz korrigieren. Möglichkeiten, den
Das beste Bauteil ist das eingesparte
Energieaufwand zu minimieren, gibt es
Edelrohbauten und möglichst wenig
allerdings überall. «Die graue Energie ist
Schichten ermöglichen bis zu 50 Prozent
über alle Elemente im Gebäude verteilt»,
Einsparungen im Innenausbau. In diesem
sagt Kneubühl und widerspricht einem
Bereich wiegen die Einsparungen schwer.
gängigen Vorurteil: «Kompaktheit, ausge-
Bei den acht Beispielgebäuden liegt der
drückt durch die Gebäudehüllzahl, ist nicht
Innenausbau in puncto grauer Energie
der einzige Hebel!» Das bedeutet: Architek-
auf den ersten Plätzen der Elementgrup-
ten können in erster Linie gute Architektur
pen. Für die Bekleidung von Wänden und
machen und müssen nicht nur Kästen
Decken empfiehlt Judith Kneubühl eine
bauen. Sie belegt ihre Argumentation mit
Unterkonstruktion aus Holz statt Metall. Als
einer Gegenüberstellung der Gebäude-
Dämmung kommen Steinwolle oder Zellu-
hüllzahl und der grauen Energie von acht
lose in Frage und für die Abdeckung am
Gebäuden, welche keinen Trend erkennen
besten Holzplatten. «Verputzter Kalksand-
lässt. Was nicht heisst, dass die Volumetrie
stein ist für Trennwände am besten», weiss
keinen Einfluss auf die Energieeffizienz von
die Architektin: «Falls es doch Leichtbau
Bauten hätte. Klare Formen verbessern
sein sollte, empfiehlt sich der Holzständer-
die Energiebilanz, allerdings vergleichbar
bau wie bei den Aussenwänden.»
mit weiteren Massnahmen. Die Baugrube
Bei der Fassade sollte alles hinterfragt
respektive deren Aushub spielt ebenfalls
werden: Bauart, Materialisierung, Däm-
eine Rolle. Judith Kneubühl wirft die Frage
mung, Unterkonstruktion und Fenster.
auf: «Muss ein Gebäude komplett un-
Gut schneidet eine Leichtbaufassade mit
terkellert sein?» In jedem Fall lohnt sich,
Holzständern, Holzlamellen und Holzscha-
die Gestaltung des Untergeschosses zu
lung ab, die mit Steinwolle gedämmt ist. Ab
überdenken. Insbesondere in Hanglagen
einer Dämmstärke von 30 cm kompensiert
können Kellergeschosse mit grossem Ener-
die graue Energie von zusätzlichem Mate-
gieaufwand verbunden sein. Als nächstes
rial den energetischen Nutzen im Betrieb;
gilt es, die Tragstruktur des Gebäudes
zusätzliche Dämmung schadet also eher,
zu optimieren. Grundsätzlich brauchen
als das sie nützt. «Ein Fensteranteil von 50
Planer ein statisches Konzept, das kurze
Prozent ist ein guter Richtwert für nach-
Spannweiten anstrebt. Die Materialwahl
haltiges Bauen», ergänzt Judith Kneubühl.
ist weniger entscheidend als vermutet, wie
Bei den Fenstern selbst kommt es nicht auf
Kneubühl zu bedenken gibt: «Der Schritt
das Glas sondern auf das Rahmenmaterial
vom Massiv- zum Holzbau hat ein Potenzial
an. Entscheidend für die Energiebilanz
von lediglich 5 Prozent.» Wichtiger ist, das
des Daches ist wiederum der Entwurf,
richtige Material am richtigen Ort einzu-
bemerkt Kneubühl: «Dichtungen, die in
setzen. Hybridbauten verbinden massive
einem Steildach nicht nötig sind, steigern
Decken und Innenwände mit Aussenwän-
beim Flachdach die graue Energie.» Ist
den und Dächer in Holzbauweise. Die
die Entscheidung getroffen, bieten beim
sich in späteren Projektphasen kaum
22
Judith Kneubühl,
Castiglioni + Kneubühl Architekten, Zug
Durschnittliche
Anteile einzelner
Gebäudeelemente an
die Bilanz der grauen
Energie.
Die Systemgrenzen
bei der Betrachtung
der grauen Energie;
Transporte und Montage auf der Baustelle
sind nicht enthalten.
23
geneigten Dach Faserzementschindeln die
kann die Effizienz steigern», sagt Judith
beste Energiebilanz, während sich beim
Kneubühl und warnt: «Aber zusätzliche
Flachdach der Verzicht auf Beton positiv
Geräte schlagen immer auf die graue
bemerkbar macht.
Energie.»
Die Haustechnik macht rund ein Fünftel
der grauen Energie eines Gebäudes aus.
Noch am Anfang
Wichtig sind kurze Leitungen und Kanäle.
In der energetischen Gesamtbetrachtung
Auch die Materialwahl spielt eine Rolle, so
von Neubauten nimmt die Bedeutung der
reduzieren Lüftungsrohre aus Polyethylen
grauen Energie – gegenüber dem klei-
den Energiebedarf gegenüber solchen aus
ner werdenden Anteil von Heizung und
Metall. Grundsätzlich sollte die Gebäude-
Warmwasser – kontinuierlich zu. Minergie
technik kritisch hinterfragt werden. Technik
konnte mit Kennwerten, dem die gesetzlichen Vorschriften mittlerweile folgen, den
Graue Energie: vom abstrakten Begriff
zur kalkulierbaren Grösse
Graue Energie ist definiert als kumulierter,
nicht erneuerbarer Energieaufwand (KEA) zur
Herstellung aller Konstruktions- und Bauteile
sowie zu deren zukünftiger Entsorgung. Das
SIA Merkblatt 2032 bietet Architekten und
Planern einen praktischen Leitfaden zum
Umgang mit dieser Grösse, wozu verschiedene Berechnungtools verfügbar sind. Diese
Grundlage wird auch im Nachweisverfahren
für Minergie-Eco angewendet. In der Vorprojektierung kann eine erste Abschätzung mit
Elementwerten aus der Berechnungstabelle
im Anhang D des SIA Merkblatts 2032 vorgenommen werden. Zur Optimierung stehen
Rechenhilfen in Form der SIA Tools 2032 und
2040 zur Verfügung. Während der Bauprojektierung berechnen Planer die graue Energie
aller Bauteile mit Nachweisinstrumenten wie
den SIA 380/1-Programmen, LESOSAI oder
dem Bauteilkatalog. Für Standardbauteile
bietet der online verfügbare Bauteilkatalog eine gute Hilfestellung, in Spezialfällen
werden die Grenzen jedoch schnell deutlich.
Insgesamt beurteilt Judith Kneubühl den
Stand der verfügbaren Software als entwicklungsfähig: «Potenzial sehe ich beispielsweise
in der Entwicklung durchgängiger Programme
für die gesamte Bauadministration.» Bei jeder
Software darf unter der Komplexität nicht die
Bedienbarkeit leiden, fügt sie an: «Architekten müssen einfach damit zurecht kommen
und Spass an der Benutzung haben, sonst
werden neue Tools nicht angewendet.»
Heizwärmebedarf reduzieren. Doch Judith
Kneubühl stellt fest: «In der Gesamtenergiebilanz von Minergie-Bauten wurde gar
nichts erreicht.» Der zusätzliche Aufwand,
etwa für die Lüftungsanlage steigert den
Anteil an grauer Energie in der Bilanz und
wiegt somit die erzielten Einsparungen im
Betrieb auf. Einen entscheidenden Schritt
macht dagegen laut Kneubühl Minergie-A:
«Aus der lokalen Energieproduktion mit
Solaranlagen resultiert eine tatsächliche
Reduktion des Gesamtenergiebedarfs.»
Aufgrund der benötigten Dachfläche ist
Minergie-A auf dem Land wesentlich besser zu erreichen als in der Stadt. Gesamtenergetisch ergibt sich daraus allerdings
der Nachteil erhöhter Mobilität, die bei
Minergie-A jedoch nicht beachtet wird.
«Eine umfassende Betrachtung inklusive
der grauen Energie beinhaltet momentan
nur der SIA-Effizienzpfad Energie», so
Kneubühl. Allerdings weist die Architektin,
Vorstandsmitglied des Energienetz Zug,
darauf hin, dass «die ambitionierten Vorgaben des Effizienzpfades in der Praxis eine
grosse Herausforderung darstellen.»
Neubauen oder Sanieren?
Bei der im Gebäudebestand immer wieder
kehrenden Gretchenfrage für die Erneuerung: «Neubauen oder Sanieren» gilt
24
grundsätzlich: Beide Strategien können die
Energie besonders relevanten Unterge-
Vorgaben des SIA-Effizienzpfades für die
schossen – verbunden ist.
2000-Watt-Gesellschaft erreichen. Wichtig
sind in jedem Fall eine Analyse der Gege-
Weitere Infos
benheiten und die frühzeitige Wahl einer
• www.bauteilkatalog.ch
zielführenden Strategie. Dazu gehört eine
• www.ck-architekten.ch
Gesamtbetrachtung der Bereiche Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt. «Allerdings
ist die graue Energie bei Neubauten im
Durchschnitt doppelt so hoch wie bei
Erneuerungen», gibt Judith Kneubühl zu
bedenken: «Diese Energie lässt sich durch
Effizienzsteigerungen nicht ohne weiteres
wieder herausholen.» Das heisst: Graue
Energie ist bei der Grundsatzentscheidung
über den Umgang mit einem Altbau nicht
allein ausschlaggebend aber sicherlich
relevant. Bei der Bestandsaufnahme darf
nicht vergessen werden, dass der neu zu
erstellende Rohbau meist mit einem Flächenwachstum – auch in den für die graue
Beispielhafter Vergleich: graue Energie
von unterschiedlichen
Aussenwandkonstruktionen.
25
bauen für die 2000-Watt-Gesellschaft: Der Betrieb
Gestaltung und Technik kommen sich nah
Der Architekt gibt die Grundform eines Gebäudes vor. Wie gross der gestalterische
Einfluss auf nachhaltige Lösungen ist, zeigt Manfred Huber unter anderem anhand
von historischen und modernen Beispielen.
«Mehr Denken als mehr Dämmen», lautet
Als ökonomischer Faktor wurde zudem die
das Berufsverständnis von Manfred Huber,
graue Energie gering gehalten. Die Roh-
aardeplan Architekten ETH/SIA. Zwar sei
stoffe – insbesondere Holz – hatten lokal
die Konzentration auf die Gebäudehülle
verfügbar zu sein. Die Tragwerke wurden
richtig und wichtig und entspreche der
dauerhaft und langlebig gestaltet, wozu
Bautradition. Der Einfluss von Architekten
der gemauerte Keller einen Nässeschutz
ist jedoch nicht nur auf das zusätzliche
von unten bot. Das Kleb- und Vordach
Einpacken von Gebäuden beschränkt.
hält derweil nicht nur den Regen von der
Denn es gelte vor allem die Grundform,
Fassade ab, sondern dient als zusätzli-
die Gebäudetiefe sowie die geografische
ches Wärmeschild, das die Abstrahlung
Ausrichtung festzulegen. Diese Faktoren
der Holzhülle behindert. Am traditionellen
bestimmen, wie hoch der Energiebedarf
Bündnerhaus mit den dicken Steinwänden
für Wärme und Licht in einem Gebäude
ist hingegen zu erkennen, wie aufgehellte
schliesslich wird. «Wir stehen am Ende
und schräge Fensterleibungen zusätzliches
des fossilen Zeitalters und haben daher
Tageslicht in die Räume einstrahlen lassen.
Massnahmen für die Bedarfsreduktion
Doch Bauen ist eine kulturelle Aufgabe und
umzusetzen», fordert Huber seine Be-
die Reproduktion traditioneller Gestaltungs-
rufskollegen auf. Doch auch damit ist es
elemente daher nur bedingt erwünscht. Die
für eine nachhaltige Gebäudelösung nicht
Moderne hat, so Manfred Huber, durchaus
getan: Es braucht ein neuartiges Zusam-
eigenständige Lösungen hervorgebracht.
menspiel von Architektur und Haustechnik.
«Kommt hinzu, dass auch die funktionalen
So ist der reduzierte Bedarf für Heizen
Ansprüche inzwischen wesentlich geändert
und Beleuchtung ebenso mit effizienten
haben.»
Mitteln zu decken, wozu ausschliesslich
erneuerbare Energien zu verwenden sind.
Heizen: Kein Problem, wenn...
Der Architekt soll dabei nicht alles den
Eine zentrale Erkenntnis für das aktuelle
Ingenieuren überlassen. «Zwischen diesen
Bauen ist: «Der Problemfall Heizen ist
beiden Fachbereichen braucht es eine
heute gelöst.» Der Energiebedarf für das
Nähe, aus der gemeinsame gestalterische
Bereitstellen von Raumwärme ist markant
Lösungen entstehen können», ist Architekt
geschrumpft; in der Gesamtbilanz eines
Huber, der auch Präsident des Energienetz
Gebäudes (inklusive Erstellung und Mobili-
Zug ist, überzeugt.
tät) beansprucht das Heizen nur mehr rund
10 Prozent, was dem Anteil der Warmwas-
26
Tradition kennt Effizienz
seraufbereitung entspricht. Umso stärker
Die Bedarfsreduktion mit gestalterischen
fallen nun die weiteren Energieverbraucher
Mitteln ist jedoch keine moderne Erfindung.
auf: graue Energie, Beleuchtung oder auch
Bauernhäuser aus den letzten Jahrhun-
der zunehmende Kühlbedarf. Einiges befin-
derten zeigen das traditionelle Effizienzver-
de sich im Einflussbereich des Architekten,
ständnis bis heute anschaulich: Der Ofen
so Huber. Auch hierzu demonstrieren her-
als einzige Wärmequelle wurde in der Mitte
ausragende, oft nicht spektakulär wirkende
platziert. Oft schützen ein angegliederter
Bauten, was der gestalterische Ansatz zur
Kuhstall oder der darüber gelegte Heustock
Bedarfsreduktion effektiv beitragen kann.
den Wohnbereich und wirken als Puffer-
Teilweise sind diese bereits vor einem hal-
zone und Dämmschicht im kalten Winter.
ben Jahrhundert erstellt worden, wie das
Manfred Huber,
aardeplan Architekten
ETH/SIA und Präsident Energienetz Zug
Wohnsiedlung Fuchsloch Oberwil ZG,
Kuhn-Fischer-Partner
Architekten AG.
Einflussbereiche und
Wechselwirkungen
bei der Architektur
von Wohngebäuden
bezüglich Energie.
27
Ferienhaus des Architekten Ernst Gisel auf
Optimum kann dabei quantitativ bilanziert
Rigi-Kaltbad. Dieses inzwischen Denkmal
werden – aus der Gegenüberstellung von
geschützte Haus mit Baujahr 1959 wendet
Tageslichteinfall, Heizwärmebedarf, grauer
sich vollständig der Sonne zu und besitzt
Energie und Überhitzungsstunden.
auf der Südseite ein verkürztes Giebeldach.
• Ein grosses, kompaktes Gebäude besitzt
«Die Ausrichtung erlaubt eine hohe passive
aufgrund seiner guten Gebäudehüllzahl
Wärmenutzung», weist Huber auf die
einen niedrigen Heizwärmebedarf und
entscheidenden Details hin. Die Wärme-
muss aber – aufgrund der tiefen Grundrisse
versorgung ist effizient gelöst: Der Ofen in
– mit mehr Kunstlicht beleuchtet werden.
der Hausmitte wärmt einen zweistöckigen
Raum.
Gestalterische Alternativen
Eine gute Lösung zur Verbesserung des
Um den Heizwärmebedarf zu reduzieren,
Tageslichteinfalls präsentiert die Siedlung
muss ein Gebäude aber nicht nur dick
«Fuchsloch» in Oberwil. Die dreiglied-
eingepackt sein. Alternative gestalterische
rige, kammartig geordnete Überbauung
Strategien bieten sich an, wenn gemäss
wurde Anfang der 1990er Jahre erstellt
Architekt Huber der Dämmperimeter opti-
und als preiswertes und selbstbestimmtes
miert ist oder die Wärmebrücken vermin-
Wohnkonzept realisiert. Den dreistöcki-
dert werden, etwa durch die Integration
gen Gebäuden aus Kalksandstein ist ein
einer Loggia in die Energiebezugsfläche.
Laubengang vorangestellt, der derart mit
Wichtige Beeinflussungsfaktoren für die
Öffnungen versehen ist, dass die Strahlen
Bedarfsreduktion bei der Beleuchtung sind
der hochstehenden Sonne das Erdgeschoss
der Fensteranteil, die Positionierung sowie
erreichen können. Die Wohnungen selber
die bauliche Beschattung. Um hingegen
besitzen eine kompakte Grösse; die Raum-
den Kühlungsbedarf, der angesichts des
einteilung ist flexibel organisiert, weshalb
Klimawandels wichtiger wird, effizient
dieses Projekt für Manfred Huber auch
zu decken, braucht es nicht nur einen
ein gutes «Suffizienzbeispiel darstellt». Es
wirksamen Sonnenschutz sondern auch
zeige sich, dass der Kostendruck bei einem
Materialien und Oberflächen mit hoher
Projekt oft «clevere Lösungen» hervorbrin-
Speicherfähigkeit.
gen könne.
Weitere Infos
Gegensätze beachten
• Buch: Das Klima als Entwurfsfaktor,
Doch der Eindruck darf nicht täuschen, die
Quart Verlag, 2009
Form löse sämtliche Probleme. Vielmehr
• www.aardeplan.ch
muss sich der Architekt bewusst werden,
wie die unterschiedlichen gestalterischen
Massnahmen zusammenspielen und sich
auch in die Quere kommen können. Das
zeigen diese Beispiele:
• Ein Vordach dient grundsätzlich als
Witterungs-, Blend- und Sichtschutz. Doch
je länger dieses hinausgezogen ist, umso
weniger Tageslicht fällt ein, und umso
geringer ist der passive Solargewinn. Das
28
Optimierung des
Dämmperimeters
zur Reduktion des
Heizwärmebedarfs;
je kleiner die Fläche
der Aussenhülle,
umso geringer ist der
Heizwärmebedarf.
Die Konzeption eines
Vordachs und die
Auswirkungen auf
den Energiebedarf;
Auskragungen über 2
Meter schmälern den
Tageslichteinfall.
29
Räderwerk mit Stellschrauben
Allgemeingültige Rezepte für die Haustechnik der 2000-Watt-Gesellschaft gibt es
nicht. Vor allem braucht es standortbezogene Lösungen, damit das gesamte CO2Reduktionspotential genutzt werden kann, beschreibt Markus Koschenz.
Markus Koschenz, Vorsitzender der Ge-
Die Nutzung erneuerbarer Energie bietet
schäftsleitung Reuss Engineering, warnt vor
ebenfalls eine grosse Auswahl an dezent-
der Gefahr der überzogenen Technisierung
ralen und zentralen Versorgungsvarianten.
im Gebäudebereich: «Die Interaktion zwi-
Dazu gehören etwa:
schen Nutzer und Gebäudetechnik muss
• Wärmepumpe mit hoher Jahresarbeits-
einfach gehalten werden», gibt Koschenz
zahl
zu bedenken. «Damit der Mensch nicht
• Langzeitspeicher mit hoher Energiedichte
den Bezug zu den technischen Systemen
für Wärme und Kälte
und den Energieflüssen verliert.» Trotzdem
• Photovoltaik und Solarthermie
hält er technische Konzepte und Systeme
• Holz- und Biomassenutzung
für das nachhaltige Bauen unverzichtbar.
• Tiefengeothermie (Strom und Wärme)
Aber auch hier lässt er Vorsicht walten:
• Fernenergie- und Fernwärmeverbund
Ein Rezept für die richtige Lösung gibt es
• Nutzung von Abwärme (Anergie).
nicht. «Neben dem Standort sind verschiedene Einflussfaktoren wie zum Beispiel die
Fokus auf Quartiere
verfügbare Energie – bei der Planung, beim
Nicht alle diese Energiequellen wie zum
Bau und im Betrieb – zu berücksichtigen»,
Beispiel Langzeitspeicher und Tiefengeo-
sagt Koschenz. Tatsächlich ist die Wahl der
thermie sind bereits verfügbar. Aber das
Mittel aus einem reichhaltigen Angebot an
hohe Potenzial soll mit weiteren Abklä-
funktionellen Anforderungen, Systemvari-
rungen und Forschung dereinst nutzbar
anten und Energiequellen zu treffen. Die
gemacht werden. «Jetzt schon möglich
Ambition besteht darin, die effizienteste
sind Versorgungskonzepte, die dezentrale
Lösung für die verschiedenen Anwen-
Varianten mit Verbundlösungen kombinie-
dungen und Funktionen Heizen, Lüften
ren.» Wichtig ist der integrale Ansatz: «Vor
oder Kühlen zu finden. In der 2000-Watt-
lauter Schrauben sollten wir das ganze
Gesellschaft steht dabei die Reduktion der
Räderwerk nicht aus den Augen verlieren»,
Treibhausgasemissionen im Vordergrund.
sagt Markus Koschenz. Ein neuer Fokus,
Einige wesentliche Stellschrauben sind
den die 2000-Watt-Gesellschaft auf die Ge-
massgebend für ein optimales Gebäu-
bäudetechnik richtet, ergibt sich mit dem
detechniksystem: Zur Bedarfsreduktion
Areal und ganzen Stadtgebieten. Dadurch
beitragen können etwa das Sonnenschutz-
werden grundstücksübergreifende Lösun-
konzept und die Wahl der Betriebseinrich-
gen möglich, und die gesamte Energiever-
tungen. Den effizienten Betrieb haben zum
sorgungskette – von der Energiegewinnung
einen die gewählten Komponenten und
bis zur Energienutzung – kann optimal
die gesamte Anlage zu garantieren. Zum
genutzt werden.
anderen sind Efforts erforderlich, die anfänglichen Systemeinstellungen im Betrieb
Weitere Infos
zu optimieren. «Der Energiebedarf kann
• Publikation von Markus Koschenz: Po-
um bis zu 30 Prozent reduziert werden,
tenzial Wohngebäude: Energie- und Gebäu-
wenn die Heizungs-, Lüftungs- und Kälte-
detechnik für die 2000-Watt-Gesellschaft,
anlagen in den ersten Jahren systematisch
Faktor Verlag 2005
überwacht und optimiert werden», hat
• www.reuss-engineering.ch
Koschenz an eigenen Projekten mit tiefer
Treibhausgasintensität erkannt.
30
Markus Koschenz,
Vorsitzender der Geschäftsleitung Reuss
Engineering.
Übergreifender Planungsmassstab der
2000-Watt-Gesellschaft.
Der System- und
Anwendungsraster der
Gebäudetechnik.
31
bauen für die 2000-Watt-Gesellschaft: Die Umsetzung
Gesellschaftliche Verantwortung verpflichtet
Die 2000-Watt-Gesellschaft gibt ambitionierte Ziele vor. Trotzdem findet sie in
der Praxis Beachtung, meistens weniger aus ökonomischen sondern aus ideellen
Gründen. Ein Podiumsgespräch mit Energiefachleuten, privaten und gemeinnützigen
Investoren sowie Behördenvertretern.
An der «2000-Watt-Gesellschaft» sind die
Baubereich setzt die Verwaltung auf Pilot-
Anwender interessiert. Private Immobilien-
und Leuchtturmprojekte, denen durchaus
investoren, gemeinnützige Wohnbau-
anwendungsbezogene Forschungsfunk-
träger oder auch Baubehörden setzen
tionen zugeschrieben werden. Das Amt
die Erkenntnisse respektive Vorgaben
für Hochbauten (AHB) ist bei rund 4000
in einzelnen Projekten bereits um. Das
städtischen Liegenschaften — Wohnhäu-
Podiumsgespräch mit Vertreterinnen und
ser, Schulhäuser, Verwaltungsbauten und
Vertretern aus diesen Gruppen macht die
Spitäler — als Bauherrenvertretung direkt
unterschiedlichen Perspektiven deutlich.
involviert. Gemäss Sandra Zacher, AHB-Be-
Es zeigt aber auch, dass nachhaltiges
reichsleiterin, ist das nachhaltige Bauen zu
Bauen in einem gewissen Sinn zum Alltag
einer täglichen Knochenarbeit geworden,
gehört. Wer sich explizit dafür engagiert,
weil jedes Projekt genau geprüft werden
tut dies nur zum Teil aus ökonomischen
muss. «Tritt die Stadt Zürich als Bauherrin
Gründen, jedoch vor allem weil er im Fokus
auf, wird das ökologische Potenzial des
der Öffentlichkeit steht, einer Vorbild-
Projekts im Detail abgeschätzt, damit wir
funktion gerecht werden will und sich der
danach die genauen Umsetzungsziele
gesellschaftlichen Verantwortung verpflich-
für Planung und Ausführung vorgeben
tet fühlt.
können.»
Zumindest eine regionale Vorreiterrolle inne
Vorbilder vorhanden
hat die Allgemeine Wohnbaugenossen-
Vielen als Vorbild gilt die Stadt Zürich,
schaft Zug (AWZ), seit sie vor 10 Jahren
welche die Ziele der 2000-Watt-Gesell-
das erste Minergie-Mehrfamilienhaus im
schaft (3 Jahre vor der Stadt Zug) per
Kanton Zug erstellt hat. Der Standard ist
Urnenentscheid in der Gemeindeordnung
inzwischen bei allen eigenen Neubauten
verankert hat. Bei der Umsetzung im
Pflicht und auch erneuerbare Energien
werden gerne für die Energieversorgung
Sandra Zacher,
Mitglied der
Geschäftsleitung Amt für
Hochbauten
(AHB) Stadt
Zürich
eingesetzt, «weil man beim Mietpublikum
damit gut ankommt», wie Genossenschaftspräsident Beat Herrmann erklärt.
Doch den ökologischen Ambitionen sind
durchaus Grenzen gesetzt: «Wir bewegen
uns in einem eher niedrigen Preissegment,
so dass das Interesse an Nachhaltigkeit
und den damit verbundenen Mehrkosten
«Die Stadt Zürich geht als Vorbild Voraus, zeigt Wege auf und unterstützt.»
Die Stadt Zürich hat die Ziele der 2000-WattGesellschaft seit 2008 in der Gemeindeordnung verankert und treibt die Umsetzung in
den Verwaltungsbereichen Bauen und Verkehr derzeit mit einem eigenen Forschungsprogramm voran.
schnell sinkt.»
Nachhaltige Bauten als muss
Dass sich ökonomische Interessen auch
mit einem hohen Umweltbewusstsein kombinieren lassen, versucht dagegen die Bank
Credit Suisse, grösste private Bauherrin in
der Schweiz, zu beweisen. Vor rund drei
Jahren hat die Bank einen Anlagefonds
für nachhaltige Immobilien aufgelegt und
32
stösst damit auf eine stetig wachsende
höchste Standards ein und mit Betriebsop-
Nachfrage. Um für die hochwertigen
timierungen wollen wir rund 20 Prozent des
Gebäudequalitäten zu bürgen, wurde ein
internen Energieverbrauchs einsparen.»
eigenes Gütesiegel für nachhaltige Immobi-
Das spart Geld und dazu kommt, dass die
lien entwickelt: greenproperty. Dieses wird
Öffentlichkeit bei grossen Projekten sehr oft
in den Prädikaten Gold, Silber und Bronze
genauer hinschaut. «Auch deshalb nehmen
verliehen und verlangt zum Beispiel für das
wir die gesellschaftliche Verantwortung
Prädikat Gold die Minergie-Zertifizierung
wahr», sagt Roger Baumann.
sowie die Einhaltung von definierten Minergie-Ausschlusskriterien. Bisher wurden 40
Zur Risikoabsicherung
Liegenschaften zertifiziert; jedes Jahr wer-
Gemäss Jürg Nipkow, Ingenieur und Ener-
den 800 bis 900 Millionen Franken zusätz-
gieeffizienzfachmann, sind leider nicht alle
lich investiert. «Nachhaltige Investitionspro-
Bauherrschaften – private, professionelle
dukte sind inzwischen ein Muss; effiziente
und institutionelle – derart aufgeschlossen.
Gebäude auch für Investoren interessant»,
Bei den Pensionskassen ist beispielsweise
bestätigt Roger Baumann, Leiter Nachhal-
zu erkennen, dass diese vor allem an Ren-
tigkeit im Real Estate Asset Management
dite orientiert sind. «Was nicht wirtschaft-
der Credit Suisse. «Zudem glauben wir,
lich ist, wird nicht gemacht», fasst Nipkow
dass derartige Immobilien einem guten Ri-
zusammen. Bei privaten Hauseigentümern
siko entsprechen.» Doch Baumann macht
ist dagegen eine gewisse Bereitschaft vor-
deutlich, dass die Bank nicht nur tut, was
handen, aber Investitionen für eine Gebäu-
der Markt fordert, sondern selber aktiv
desanierung, die den eigenen Lebenshori-
wird: «Seit 2006 hat sich die Credit Suisse
zont übertreffen, werden häufig gescheut.
einem CO2-neutralen Betrieb verschrieben;
Dabei ist die Rechnung an sich einfach
die eigenen Verwaltungsgebäude halten
gemacht, so Nipkow. «Die Energiepreise
Podiumsteilnehmer
von links nach rechts:
Jürg Nipkow, Roger
Baumann, Sandra
Zacher und Beat Herrmann.
33
steigen auf jeden Fall, weshalb sich eine
Jürg Nipkow,
Vorstandsmitglied Schweizerische Agentur
für Energieeffizienz
(S.A.F.E.)
energetische Sanierung früher oder später
wirtschaftlich lohnt.» Die Risikoabsicherung
gegen steigende Betriebskosten ist tatsächlich ein wichtiges Motiv, um optimale
Standorte mit nachhaltigen Immobilien aufzuwerten, bestätigt CS-Vertreter Baumann.
Doch das häufige Argument: «zertifiziertes
Gebäude bringt höheren Preis», ist nicht
unbedingt wahr respektive «bisher nicht
nachweisbar».
Frühzeitiges Einbinden
Wie aber kommt der Investor oder die
Bauherrschaft zum nachhaltigen Projekt?
AWZ-Präsident Herrmann erläutert dies am
aktuellen Beispiel, eine neue Überbauung
in Oberägeri. «Bei diesem Mehrfamilien-
«Da ist noch Potenzial im Geräte- und
Haustechnikbereich.»
Die Schweizerische Agentur für Energieeffizienz S.A.F.E. ist ein privater Verein, der
die Energieeffizienz in der Schweiz fördern
will. Sie besitzt einen Leistungsauftrag des
staatlichen Programms EnergieSchweiz und
betreibt Projekte wie Topten.ch, Topmotors.ch
oder Toplicht.ch.
haus wurden der Minergiestandard, das
ökologische Heizsystem mit Wärmepumpe
tigkeitsziele zu überprüfen, erklärt Sandra
sowie beschränkte Wohnflächen vorge-
Zacher. Als Standardvorgabe für Neubau-
geben.» Dazu ist es notwendig, frühzeitig
ten gilt inzwischen Minergie-P-Eco. «Und
Fachkräfte für die Beratung beizuziehen.
jedes Wettbewerbsprojekt wird hinsichtlich
Die Stadt Zürich führt sogar Testplanungen
der 2000-Watt-Ziele mit einem eigenen Kal-
durch, um die Machbarkeit der Nachhal-
kulationstool bilanziert.» Derweil schaut die
CS, als Käuferin von fertigen Bauprojekten,
Beat
Herrmann,
Präsident
Allgemeine
Wohnbaugenossenschaft
Zug (AWZ)
jeweils darauf, ob die Kriterien für Ecobau
– geringe graue Energie und gesundheitsfördernde Bauweise – eingehalten sind.
Von allen Seiten aber wird verneint, die
Lebenszykluskosten eines Gebäudes bei
der Nachhaltigkeitsbeurteilung bislang in
Betracht zu ziehen.
Dass nicht jedes Gebäude ein nachhaltiges
«Günstigen Wohnraum zu schaffen ist
das Ziel, aber man könnte noch mehr
tun...»
sein kann, trifft trotzdem zu: «Denn oft
sind es widersprüchliche Vorgaben, die
die Planer zu erfüllen haben», hat Sandra
Zacher erkannt. Je kreativer die Beteilig-
Die AWZ ist 1961 gegründet worden und hat
seither 7 Wohnsiedlungen in der Stadt Zug
und in Oberägeri mit über 120 Wohnungen
erstellt. Die drei Neubauten der letzten 10
Jahre erfüllen jeweils den Minergie-Standard.
ten sind, umso bessere Lösungen gibt es
aber, die architektonischen Ansprüche mit
nachhaltigen Indikatoren zu verbinden.
«Einseitige und radikale Vorschläge sind
weniger gesucht.» Bei der grauen Energie
zeige sich aber, dass deren Reduktion auch
34
ökonomisch interessant sei und dadurch
verhalten zu thematisieren sein. «Heute
das Investitionsvolumen kleiner werde.
trocknen wir die Wäsche in einem effizien-
«Es tut sich was», kommentiert Jürg
ten Gerät; früher haben wir sie im Estrich
Nipkow die aktuellen Bemühungen um
aufgehängt und keine Energie verbraucht»,
nachhaltige Gebäude und die Steigerung
weist Nipkow auf die Suffizienzfrage hin.
der Energieeffizienz in vielen weiteren All-
Im Gebäudebereich wird dazu häufig über
tagsbereichen. Dennoch sind viele weitere
Wohnungsgrössen und den persönlichen
Anforderungen, darunter gesellschaftliche
Wohnflächenbedarf diskutiert. Bei den Ge-
und gesundheitliche Kriterien, erst noch zu
nossenschaftsbauten gehört die Beschrän-
definieren und Werkzeuge für die prakti-
kung, so AWZ-Präsident Herrmann, auf
sche Umsetzung bereit zu stellen. Denn
ein «vernünftiges Mass» immer dazu. Und
am Ende entscheidet der einzelne Verbrau-
AHB-Vertreterin Zacher weist daraufhin,
cher: «Nur weiss er bei vielem nicht, wie
dass die Vorgabe: «kleiner und günstiger
viel Energie drin steckt.»
Wohnraum» bereits in vielen Architekturwettbewerben enthalten ist. Denn ein Ge-
Nutzerverhalten wird wichtig
bäude muss nicht nur ökologische sondern
Die Annahme, die unmittelbare Zukunft
auch soziale Qualitäten bieten können.
werde von sich aus weitere technologi-
So lautet die Aufgabe für die unmittelbare
sche Verbesserungen und energieeffizi-
Zukunft: «In der 2000-Watt-Gesellschaft
entere Produkte bringen, trifft dennoch
müssen wir über einzelne Aspekte und
zu. Gemäss Nipkow sind beispielsweise
über das einzelne Gebäude hinaus den-
Haushaltsgeräte zu erwarten, welche
ken», sagt Sandra Zacher. Die Ziele sind
die heutigen Verbrauchswerte nochmals
nicht überall und bei jedem einzelnen Ge-
deutlich senken können. Doch daneben
bäude erreichbar; aber zusammenhängen-
werde immer stärker auch das Nutzer-
de Areale oder Immobilienportfolios bilden
einen flexiblen Bezugs- und Ausgleichs-
Roger
Baumann,
Head Business
Development &
Sustainability
Credit Suisse
rahmen. Die Umsetzung des Effizienzpfads
kann vereinfacht werden, wenn dafür auch
die Raumplanung einbezogen wird.
Weitere Hinweise
• Stadt Zürich, Fachstelle Nachhaltiges
Bauen:
www.stadt-zuerich.ch/nachhaltiges-bauen
«Effiziente Gebäude sind auch für Investoren interessant.»
Die Credit Suisse ist die grösste Anbieterin von Immobilienanlageprodukten in der
Schweiz mit einem verwalteten Vermögen von
28,7 Mrd. Franken. In rund 1100 Liegenschaften bestehen 74‘000 Mietverhältnisse.
Der neue Geschäftssitz «Uetlihof» in Zürich
erfüllt den Standard Minergie-P-Eco.
• Credit Suisse:
www.credit-suisse.com/ch/realestate.ch
• S.A.F.E.: www.energieeffizienz.ch;
www.topten.ch
• AWZ: www.awzug.ch /
www.minergie.ch ( gebäudeliste)
35
2000-Watt-Praxisbeispiel
SchulHaus Eichmatt – das 2000-Watt-Pilotprojekt
Die Gemeinden Cham und Hünenberg haben zusammen das erste Minergie-P-Schulhaus der Schweiz erstellt, das sich zudem als geglückter Testfall für den SIA-Effizienzpfad Energie erweist. Die Praxis hat inzwischen bestätigt, dass ein Ressourcen
schonender Schulbetrieb möglich ist.
Das Schulhaus Eichmatt in der Nähe der S-
• Der zulässige Heizwärmebedarf nach
Bahn-Haltestelle «Zythus» ist in dreifacher
Minergie-P beträgt 9,8 kWh/m2. Das Schul-
Hinsicht ein Pionierprojekt: Erstens treten
haus Eichmatt erreicht 8,2 kWh/m2, was
die beiden Nachbargemeinden Cham
rund 16 % niedriger liegt.
und Hünenberg als gemeinsame Bau-
• Der zu erreichende Minergie-P-Wert
herrinnen und Betreiberinnen auf, wobei
«Wärmeenergiebedarf für Brauchwasser»
grenzüberschreitende Aktivitäten in der
beträgt 4 kWh/m2, was einem Tagesener-
politischen Landschaft der Schweiz selten
giebedarf für Brauchwasser von 11 Wh/m2
sind. Zweitens handelt es sich bei diesem
pro Tag entspricht. Im Schulhaus Eich-
vor drei Jahren erstellten Neubau um einen
matt ist halb so viel gerade gut genug; der
– ebenfalls raren – Holzbau respektive um
Tagesenergiebedarf für Brauchwasser liegt
eine hybride Bauweise mit tragendem,
effektiv unter 5 Wh/m2 pro Tag.
massivem Gebäudekern und äusserer
• Der Strombedarf für die Schulzimmer-
Wandkonstruktion aus Lärchenholz. Und
Lüftungsanlagen darf gemäss Standard
drittens ist bemerkenswert, dass nicht nur
Minergie-P 4,4 kWh/m2 nicht überschrei-
die Planungsvorgaben ambitioniert waren,
ten, umgerechnet sind das 12,1 Wh/m2
sondern auch im Alltag tatsächlich einge-
pro Tag. Der über zwei Jahre gemessene
halten werden können. Das Schulhaus, in
Strombedarf für die Lüftungsanlagen,
dem seit Herbst 2009 über 200 Kinder-
welche die 14 Schulzimmer sowie Aula und
gärtner und Primarschüler unterrichtet
Doppelturnhalle permanent mit Frischluft
werden, ist selber zum Lehrstück für das
versorgen, beträgt hingegen weniger als 10
Ressourcen schonende, nachhaltige Bauen
Wh/m2.
geworden.
Auffallender Vorzeigebau
Grenzwerte unterschritten
Architektonisch präsentiert sich das Gebäu-
Als Schweizer Premiere konnte das Schul-
de als ruhender Pol inmitten eines hetero-
haus Eichmatt mit dem ersten Minergie-
genen Wohnquartiers. Die Materialwahl ist
P-Zertifikat (ZG-003-P) für Bildungsge-
bei diesem Schulgebäude daher ebenso
bäude ausgezeichnet werden. Und zudem
ökologisch wie gestalterisch bestimmt: Der
gehört der dreistöckige Neubau mit einer
Baustoff Holz, der für die vorfabrizierten
Grundfläche von beinahe 3000 m zur
Wandelemente und die Fassadenverscha-
Testgeneration, an denen die Anforderun-
lung eingesetzt worden ist, begünstigt die
gen der «2000-Watt-Gesellschaft» gemäss
Reduktion der grauen Energie. Zugleich ist
SIA-Effizienzpfad Energie erprobt werden
den Projektverfassern Bünzli + Courvoisier
konnten (siehe Seite 14). Die Messresultate
Architekten daran gelegen, die Verände-
aus dem dreijährigen Betrieb beweisen nun
rung des natürlichen Materials – inklusive
sogar: Es wird deutlich weniger Energie ver-
Verwitterung und Farbänderung – bewusst
braucht, als prognostiziert. Bislang wurden
nach aussen zu tragen. Und auch die
die Grenzwerte für den Standard Minergie-
kompakte Grossform und die grosszügigen
P in Bezug auf den Wärmeenergiebedarf,
Fensterbänder fallen wahrnehmbar auf;
für Heizung und Brauchwasser sowie den
ihre Vorzüge für einen äusserst energieeffi-
Strombedarf für die mechanische Lüftung
zienten Betrieb sind ebenfalls gewollt.
unterschritten.
Das Gebäude besitzt ein reichhaltiges,
2
aber einfach gegliedertes Innenleben.
36
Zusätzlich zu den Klassenzimmern werden
schalldichte Musikräume, Kindergärten,
die Hauswartwohnung sowie die jeweils
zweigeschossige Doppelturnhalle und Aula
umschlossen.
Die primäre, tragende Gebäudestruktur
besteht aus den inneren Erschliessungszonen und Decken aus Eisenbeton sowie den
aussen liegenden Holzpfeilern. Darüber ist
die gut gedämmte Aussenhülle aus Holzelementen gelegt; die Trennung zwischen
Aussenschicht und tragenden Elementen
erlaubt eine freie Fassadengestaltung, eine
Ansicht der Doppelturnhalle im Schulhaus Eichmatt.
energetisch optimale, praktisch wärmebrückenfreie Lösung sowie ein flexibler
Umgang im künftigen Fassadenunterhalt.
Die Gänge dienen ebenso der inneren
Erschliessung wie als Aufenthaltsraum.
Und um die Tiefe des Baukörpers energetisch und funktional zu kompensieren,
erhöhen drei kleine, nicht begehbare Atrien
den Einfall des natürlichen Lichts bis in die
inneren Erschliessungszonen.
Heizen und Kühlen mit Erdsonden
Der Energiebedarf wird zur Hauptsache mit
passiver Sonnenenergienutzung gedeckt.
Die Fassaden am Eichmatt-Schulhaus
besitzen die dafür erforderlichen hohen
Fensteranteile, das Gebäude ist mit einem
Hüllfaktor von 0,81 sehr kompakt und die
Holzrahmenelemente bis zu 50 cm dick
gedämmt. Diejenigen Energieanteile, die
aktiv zu beschaffen sind, werden vorab
mit Wärmepumpe und Erdsonden erzeugt.
Allerdings ist die eigene Abwärme im Innern – vorab die Schulkinder, Beleuchtung
und Computer – derart gross, dass das
Kühlen aufwändiger wird als das Beheizen
der Räume. Im Winter und im Sommer
werden aber dasselbe technische System
und dieselbe Energiequelle eingesetzt:
Beim Heizen werden die RaumtemperatuLichthof im Schnee.
ren über ein engmaschiges Register in den
37
Böden reguliert, das die Wärme aus dem
kungsgrad der Energieversorgung um über
Erdreich – aufbereitet durch die Wärme-
50 % verbessert hat, was insbesondere den
pumpe – bezieht. Im Sommer werden
Strombedarf der Wärmepumpe stärker als
die Räume via dem identischen Kreislauf
erhofft reduziert. Die mittlere Arbeitszahl
gekühlt. Die Lüftungsanlage übernimmt,
liegt bei über 4. Der Optimierungserfolg ist
dank Nachtauskühlung, eine zusätzliche
unter anderem den Verbesserungen an der
kühlende Funktion.
Steuerungssoftware und bedarfsgerechten
Betriebszeiten der technischen Anlagen,
Optimierte Ansprüche im Betrieb
namentlich von Lüftungsventilatoren
Im Verlauf der Planungsphase wurden die
und Zirkulationspumpen, zu verdanken.
Nutzungsansprüche beim Warmwasserbe-
Anstelle den Betrieb in den Schulferien
darf angepasst: So ist an den Lavabos in
unverändert zu belassen, wird das Schul-
den Schulzimmern und Toilettenanlagen
haus zudem technisch in den sparsamen
nur kaltes Wasser erhältlich; einzig Schul-
Standby-Modus heruntergefahren.
küche, Duschen und die Wohnung werden
mit warmem Brauchwasser versorgt. Die
Erwärmung erfolgt über die Erdsondenwärmepumpe, weil die Evaluation einer
Dieser Beitrag ist mit freundlicher Unterstützung der Einwohnergemeinden Cham und
Hünenberg möglich geworden.
Solaranlage der Erzeugung von Strom den
Vorzug gegeben hat. Die Photovoltaikanlage, betrieben von der Wasserwerke Zug AG
mit über 500 m2 Solarmodulfläche, erzeugt
rund 15 % mehr Strom als prognostiziert.
Das Haustechniksystem im Schulhaus
Eichmatt hat jedoch ein Optimierungsprogramm durchlaufen, welches den WirProjektangaben Neubau Schulhaus Eichmatt
Gebäude
Schulhaus mit Doppelturnhalle
GebäudeBaujahr: 2008 – 2009
hülle
Beteiligte
38
Fensteranteil: 0,12 FF/EBF
U-Wert Fenster: max. 0,8 W/m2 K
Gesamtbaukosten: ca. 28 Mio. Fr.
g-Wert Glas: 0,47 %
Bruttogeschossfläche: 8581 m2
Gebäudehüllzahl: 0,81
Volumen: 38 160 m3
Bauherrschaft: Gemeinden Cham
und Hünenberg
Bünzli & Courvoisier Architekten,
Zürich
Baurealisierung: b+p Baurealisa­
tion AG, Zürich
Gebäudetechnik: Meierhans +
Partner AG, Schwerzenbach
Holzbau: Makiol + Wiederkehr,
Beinwil a. See
Nachhaltigkeitsberatung:
HR Preisig AG, Zürich
U-Wert Wand gegen aussen:
max. 0,1 W/m2 K
PV-Anlage: 68 kWp
Kenndaten
Energie
(gemessen)
Energiebezugsfläche: 11 634 m2
Heizwärmebedarf: 8,2 kWh/m2
Wärmebedarf WW: ca. 2 kWh/m2
Energiekennzahl: ca. 15 kWh/m2
Ertrag Solaranlage (PV): 71 000 kWh
Strombedarf Wärmepumpe:
35 000 kWh
kurzportrait Energienetz Zug und weiterführende
Informationen
Der Verein Energienetz Zug setzt sich für
• Beratung zum Minergie-Standard
einen sparsamen und umweltgerechten
• Auskunft und Beratung zu kommuna-
Einsatz unserer Ressourcen ein. Er strebt
len und kantonalen Förderbeiträgen und
einen auf die Zukunft ausgerichteten
Aktionen.
Energie- und Ressourceneinsatz an und
fördert eine nachhaltige und ganzheitliche
Inhouse-Schulungen
Betrachtungsweise.
Die Inhouse-Schulungen richten sich
hauptsächlich an Planungsfirmen und sind
Der Verein Energienetz Zug führt die kanto-
der kosteneffizienteste Weg, um ein ganzes
nale Energieberatung sowie die aktive Ener-
Team auf den neuesten Stand zu bringen.
gieberatung der einzelnen Zuger Gemein-
In einem halbtägigen Workshop, zu einem
den. Dabei bietet er eine Plattform für die
Unkostenbeitrag von CHF 300, erhalten die
bessere Vernetzung von Energiefachleuten,
Teilnehmer einen umfassenden Überblick
Politik und Gesellschaft im obigen Sinne.
zum energiebewussten Bauen und zur
energiebewussten Gebäudeerneuerung. Sie
Mit den Informationsveranstaltungen
erfahren, wie sie im Rahmen des Planungs-
«Round Table» bietet der Verein seinen
entwurfs den Energiebedarf eines Gebäudes
Mitgliedern die Möglichkeit, spannende
beeinflussen und so ihre Kunden mit einer
Projekte und Arbeiten zu präsentieren. Die
zusätzlichen Kompetenz bedienen können.
Veranstaltungen unter dem Namen «Ener-
Dieses Angebot gilt für die Kantone Luzern
gieapéros Zug» bieten der Bevölkerung
und Zug (andere Kantone auf Anfrage).
zudem die Möglichkeit, Einblicke in die
Energiethematik zu erhalten. Hierbei wer-
Themen 2012
den den Veranstaltungsbesuchern aktuelle
• Sommerlicher Wärmeschutz
Themen von anerkannten Fachpersonen
• MINERGIE-A
präsentiert. Am anschliessenden Apéro
• 2000-Watt-gerechtes Bauen
bietet sich die Möglichkeit für Fragen und
• Strategische Gebäudeerneuerung
persönliche Gespräche. So können sich
Teilnehmende und Referenten in einem
Weitere Informationen:
lockeren Rahmen austauschen.
www.energie-zentralschweiz.ch
Energieberatungen
Kontakt
Energiesparen lohnt sich! Mit einem klei-
energienetz-zug
neren Energieverbrauch sinken auch die
Postfach 1401
Energiekosten, deshalb können sich höhere
6300 Zug
Investitionskosten durchaus lohnen. Zudem
Internet: www.energienetz-zug.ch
gewähren der Kanton Zug und einzelne
E-Mail: [email protected]
Gemeinden Förderbeiträge.
Dienstleistungen der Energieberatung
• Vorgehensberatung für energiebewusste
Das Energienetz Zug dankt den Veranstaltungsbesuchern und interessierten Lesern dieser
Schlussdokumentation.
Gebäudesanierungen und Neubauten
• Informationen zu Gebäudehülle und
Haustechnik
39
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