Ratsfraktion Reinhard Borgmeier B-Köthenbürger-Str. 63 Herrn Bürgermeister Michael Dreier Am Abdinghof 11 33102 Paderborn Tel. 05251/27305 Mobil: 0170/9621539 [email protected] 33098 Paderborn 07.05.15 per e-mail Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dreier, bitten setzen Sie folgenden Antrag meiner Fraktion auf die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung: Beschlussvorschlag Der Rat beschließt die Aufhebung der Ehrenbürgerschaft für Lorenz Kardinal Jäger Begründung Am 27. März wurde feierlich und in würdiger Form der Opfer der Bombardierung Paderborns gedacht. Weniger gesprochen wurde über die Hintergründe und die Verantwortlichen für den faschistischen Terror und Krieg. Nach 70 Jahren ist es an der Zeit, einen kritischen Blick auf die Ehrenbürgerschaft von Lorenz Kardinal Jäger zu werfen. Die am 01. Januar 1956 verliehen wurde, nachdem der Rat zuvor einen einstimmigen Beschluss gefasst hatte. Lorenz Jaeger, ehemaliger Divisionspfarrer in den Diensten des Feldbischofs Rarkowski, hatte schon in seinem am 1. Advent 1941 verfassten Weihnachtsbrief an die Theologen und Priester seiner Erzdiözese, die sich im Krieg („auf den Vormarschstraßen im Osten und im Süden“) befinden, von „diesem gigantischen Ringen mit den Mächten der Finsternis, mit Gottlosigkeit und Unkultur, in der Trostlosigkeit und Verwahrlosung russischen Landes“ gesprochen. Zwei Monate später, zu Beginn der Fastenzeit 1942, legt er in seiner Formulierung an Schärfe zu. Er lenkt die Blicke seiner „lieben Erzdiözesanen“ auf Russland: „Ist jenes arme unglückliche Land nicht der Tummelplatz von Menschen, die durch ihre Gottfeindlichkeit und durch ihren Christushass fast zu Tieren entartet sind? Erleben unsere Soldaten dort nicht ein Elend und ein Unglück sondergleichen? Und warum? Weil man die Ordnung des menschlichen Lebens dort nicht auf Christus, sondern auf Judas aufgebaut hat.“. Seine militärischen Überzeugungen hatte er am 19. Oktober 1941 im Dom zu Paderborn zu Beginn seines Episkopats den Gläubigen mitgeteilt und rief zum „Kampf gegen die Welt, die sich von Gott getrennt hat“ auf. „Jeder Kampf bringt Opfer und Wunden. Aber was tut das? Der wahre Christ trägt das Kreuz Christi, die Siegel seiner Auserwählung, mit demselben Stolz wie der Soldat sein eisernes Kreuz. Liebe Erzdiözesanen! Zu diesem Kampf soll ich euch aufrufen. Das ist mein Auftrag: Euch hindurchzuführen durch den Kampf und die Not dieser Zeit, hin zum Frieden Gottes, heraus aus der Gebundenheit und dem Verlorensein an das Irdische, hin zur Freiheit der Kinder Gottes. Lasst uns gemeinsam diesen Sparkasse Paderborn Kontonummer 33 00 96 55 BLZ 476 501 30 www.di-paderborn.de Kampf kämpfen gegen das Gottwidrige in uns, gegen die Sünde in jeder Form und Gestalt, auf das wir heimfinden in das Leben und den Frieden Gottes.“ Könnte man das Vokabular noch als zeitgenössische Überhöhung religiöser Gefühle und Auffassungen interpretieren wird er später deutlicher. Jäger meinte Kampf jetzt nicht mehr als religiöse Metapher, dieses Wort meint er wörtlich, er meint Waffengewalt und Militär, er predigt über den Weltkrieg: „Zu diesem Kampf soll ich euch aufrufen. Das ist mein Auftrag“. Christen und Soldaten sind für Jäger dasselbe, analog hatte er dem Klerus in seiner ersten Ansprache erklärt: „Was ist der Feldherr ohne seine Offiziere und Soldaten? Was ein Bischof ohne seine priesterlichen Mitarbeiter?“ Jäger kam als Militärpfarrer aus dem Krieg auf den Bischofsstuhl nach Paderborn, das Vorbild für seine Kirche ist die Hierarchie und Funktion der Wehrmacht. „Mein besonderer Gruß in dieser Stunde gilt meinen Soldaten. […] Mitten in den Strapazen dieses gewaltigen Krieges, umgeben von Tod und Gefahr, lebt ihr das Leben der Heimat mit, um derentwillen ihr all das Schwere ertragt; kämpft und sterbt ihr auch, wie mir das immer wieder aus euren Briefen entgegen klingt, für die Bewahrung des Christentums in unserem Vaterland, für die Errettung der Kirche aus der Bedrohung durch den antichristlichen Bolschewismus.“ Der Erzbischof rief nicht nur abstrakt zum Kampf auf, er akzeptierte Gewaltanwendung nicht nur für höhere Zwecke, er legitimierte den Krieg nicht nur als Mittel der Politik, sondern er rechtfertigte ausdrücklich den Aggressionskrieg Deutschlands, er unterstützte die Kriegspropaganda der Nationalsozialisten, er rief auf – das ist der klare Kern seiner Botschaft – für Hitlers Russlandfeldzug! „[…] Soldatische und priesterliche Haltung stehen sich innerlich näher, als Außenstehende ahnen. Dort wie hier ist Voraussetzung: selbstloser Dienst, vorbehaltloser Einsatz, Bewährung aus letzter Verpflichtung heraus, Treue bis in den Tod. […]“ So unglaublich es heute erscheint. Jäger machte den Zweiten Weltkrieg zu einer Sache der katholischen Kirche als ob er eine Art Kreuzzug wäre. Und schließlich betete er für die Toten, als seien sie in Hitlers Aggressionskrieg für Gott gefallen. Der Bischof von Paderborn unterstütze von der Kanzel die Kriegspolitik des Dritten Reichs, die Gestapo schrieb erleichtert mit, ihr Geheimbericht über die Antrittspredigt strahlt die Genugtuung der nationalsozialistischen Machthaber über diesen neuen Bischof aus. „Mit besonderem Akzent wandte er sich dann den Soldaten zu und lobte ihren religiösen Sinn, den er als Seelsorger im Felde kennengelernt hatte. Zu seiner Freude hätte er auch von den Soldaten anlässlich seiner Ernennung zum Erzbischof aus dem Felde zahlreiche Zuschriften erhalten, die ihrer Freude darüber Ausdruck gäben, dass Paderborn wieder einen Bischof bekommen hätte. Er sprach dann von ihrem heroischen Kampfe gegen den Bolschewismus, dass die kämpferische heroische Gesinnung der Soldaten an der Front sich auch im Bekennertum für das Reich Christi in derselben Weise bewähren müsste, und nur durch Christus könnte der Bolschewismus überwunden werden.“ Der Krieg der Nazis wurde von Jäger aus religiöser Überzeugung unterstützt. Im Namen von ‚Leben und Frieden’ motivierte er Soldaten letztlich zum Töten, er machte sich und die Kirche am Krieg mitschuldig. Jäger trat sein Amt als eine Art Militärbischof an der Heimatfront an. Ausgerechnet der Bischof brachte fromme katholische Soldaten, die nicht aus eigener Überzeugung für Hitlers Krieg den Kopf hinhalten wollten, und katholische Soldaten, die aus christlichen Motiven gegen das Töten anderer Menschen eingestellt waren, in Gewissensnot: diesen Christen fiel der Erzbischof in den Rücken, sie trieb er für die Nazis in die Schlacht. Jägers Militarismus und seine christliche Rechtfertigung des Aggressionskrieges gegen die Sowjetunion wurden nach 1945 verheimlicht und vertuscht. In einem Band mit gesammelten Schriften des Erzbischofs Lorenz Kardinal Jäger, der 1972 in Paderborn erschien, ist die hier zitierte Predigt abgedruckt. Der Text erweckt den Eindruck der Vollständigkeit, doch in Wirklichkeit sind, ohne die Weglassung zu kennzeichnen, folgende vier Zeilen getilgt: „…kämpft und sterbt ihr auch, wie mir das immer wieder aus euren Briefen entgegenklingt, für die Bewahrung des Christentums in unserem Vaterland, für die Errettung der Kirche aus der Bedrohung Sparkasse Paderborn Kontonummer 33 00 96 55 BLZ 476 501 30 www.di-paderborn.de durch den antichristlichen Bolschewismus.“ Diese Fälschung deckte der ‚Spiegel’ auf, als es 1972 – der Herausgeber Augstein (FDP) kandidierte in Paderborn für den Bundestag – zu einer Polemik zwischen Kandidat und Erzbischof kam. Jäger predigte gegen Augsteins Buch ‚Jesus Menschensohn’, er verglich es ausgerechnet mit Alfred Rosenbergs ‚Mythos des 20. Jahrhunderts’. Augstein konterte mit einem Text, den er jedoch in lokal verbreiteten Zeitungen nicht einmal als Anzeige unterbringen konnte. „Rosenberg war verantwortlich für Massenmorde in besetzten Gebieten, erobert in einem Krieg gegen die Sowjet-Union, den Sie – Sie, Herr Kardinal! – 1941 wörtlich als notwendig ‚für die Bewahrung des Christentums in unserem Vaterland, für die Errettung der Kirche aus der Bedrohung durch den antichristlichen Bolschewismus’ propagiert haben. Ein Krieg gegen die Russen, die nach Ihren Worten aus dem Jahre 1942 ‚durch ihre Gottfeindlichkeit und durch ihren Christushaß fast zu Tieren entartet sind’. Dies allerdings ist der Ton Alfred Rosenbergs, und dies allerdings ist gewiss nicht der Ton, in dem sich ‚christliche Verantwortung’ artikuliert.“ Es ist aus heutiger Sicht nur schwer vorstellbar, was dieser Paderborner Kardinal für die Rechtfertigung der nationalsozialistischen Kriegsverbrechen geleistet hat. Er trägt eine große Mitverantwortung und damit auch für die Bombardierung und Zerstörung Paderborns. Wolfgang Stüken weist in seinem Buch „Hirten unter Hitler“ darauf hin, dass Jaeger sogar von der bevorstehenden Zerstörung Paderborns wusste. In der zweiten Januarhälfte 1945 hatte ihm der stellvertretende Gauleiter in Münster dargelegt, dass „die zu erwartenden feindlichen Operationen mit ihrem Abschluss bei Paderborn“ stattfinden würden. Hintergrund ist die Schließung des Ruhrkessels. Der Nazi – Funktionär soll wörtlich bemerkt haben: „Ihre arme schöne Stadt ! Wir haben Nachricht, das die feindlichen Truppen von Norden und Süden kommend den großen Ring in Paderborn schließen sollen. Vorher wird ihre ganze Stadt zerstört werden.“ Und was hat Jaeger als Mitwisser zur Rettung der Stadt getan? All das lässt sich nicht mit der Ehrenbürgerschaft vereinbaren. Mit freundlichen Grüßen Reinhard Borgmeier - Fraktionsvorsitzender Quellen: Stüken, Wolfgang: Hirten unter Hitler. Die Rolle der Paderborner Erzbischöfe Caspar Klein und Lorenz Jäger in der NS-Zeit; Klartext-Verlag 1999 Der Spiegel vom 20.11.1972 Sparkasse Paderborn Kontonummer 33 00 96 55 BLZ 476 501 30 www.di-paderborn.de