21.05.2015: Aufhebung-Ehrenbürgerschaft

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Ratsfraktion
Reinhard Borgmeier
B-Köthenbürger-Str. 63
Herrn Bürgermeister
Michael Dreier
Am Abdinghof 11
33102 Paderborn
Tel. 05251/27305
Mobil: 0170/9621539
[email protected]
33098 Paderborn
07.05.15
per e-mail
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dreier,
bitten setzen Sie folgenden Antrag meiner Fraktion auf die Tagesordnung der nächsten
Ratssitzung:
Beschlussvorschlag
Der Rat beschließt die Aufhebung der Ehrenbürgerschaft für Lorenz Kardinal Jäger
Begründung
Am 27. März wurde feierlich und in würdiger Form der Opfer der Bombardierung Paderborns gedacht.
Weniger gesprochen wurde über die Hintergründe und die Verantwortlichen für den faschistischen
Terror und Krieg. Nach 70 Jahren ist es an der Zeit, einen kritischen Blick auf die Ehrenbürgerschaft
von Lorenz Kardinal Jäger zu werfen. Die am 01. Januar 1956 verliehen wurde, nachdem der Rat
zuvor einen einstimmigen Beschluss gefasst hatte.
Lorenz Jaeger, ehemaliger Divisionspfarrer in den Diensten des Feldbischofs Rarkowski, hatte schon
in seinem am 1. Advent 1941 verfassten Weihnachtsbrief an die Theologen und Priester seiner
Erzdiözese, die sich im Krieg („auf den Vormarschstraßen im Osten und im Süden“) befinden, von
„diesem gigantischen Ringen mit den Mächten der Finsternis, mit Gottlosigkeit und Unkultur, in der
Trostlosigkeit und Verwahrlosung russischen Landes“ gesprochen. Zwei Monate später, zu Beginn der
Fastenzeit 1942, legt er in seiner Formulierung an Schärfe zu. Er lenkt die Blicke seiner „lieben
Erzdiözesanen“ auf Russland: „Ist jenes arme unglückliche Land nicht der Tummelplatz von
Menschen, die durch ihre Gottfeindlichkeit und durch ihren Christushass fast zu Tieren entartet sind?
Erleben unsere Soldaten dort nicht ein Elend und ein Unglück sondergleichen? Und warum? Weil man
die Ordnung des menschlichen Lebens dort nicht auf Christus, sondern auf Judas aufgebaut hat.“.
Seine militärischen Überzeugungen hatte er am 19. Oktober 1941 im Dom zu Paderborn zu Beginn
seines Episkopats den Gläubigen mitgeteilt und rief zum „Kampf gegen die Welt, die sich von Gott
getrennt hat“ auf.
„Jeder Kampf bringt Opfer und Wunden. Aber was tut das? Der wahre Christ trägt das Kreuz Christi,
die Siegel seiner Auserwählung, mit demselben Stolz wie der Soldat sein eisernes Kreuz. Liebe
Erzdiözesanen! Zu diesem Kampf soll ich euch aufrufen. Das ist mein Auftrag: Euch hindurchzuführen
durch den Kampf und die Not dieser Zeit, hin zum Frieden Gottes, heraus aus der Gebundenheit und
dem Verlorensein an das Irdische, hin zur Freiheit der Kinder Gottes. Lasst uns gemeinsam diesen
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Kampf kämpfen gegen das Gottwidrige in uns, gegen die Sünde in jeder Form und Gestalt, auf das wir
heimfinden in das Leben und den Frieden Gottes.“
Könnte man das Vokabular noch als zeitgenössische Überhöhung religiöser Gefühle und
Auffassungen interpretieren wird er später deutlicher. Jäger meinte Kampf jetzt nicht mehr als religiöse
Metapher, dieses Wort meint er wörtlich, er meint Waffengewalt und Militär, er predigt über den
Weltkrieg: „Zu diesem Kampf soll ich euch aufrufen. Das ist mein Auftrag“.
Christen und Soldaten sind für Jäger dasselbe, analog hatte er dem Klerus in seiner ersten Ansprache
erklärt: „Was ist der Feldherr ohne seine Offiziere und Soldaten? Was ein Bischof ohne seine
priesterlichen Mitarbeiter?“ Jäger kam als Militärpfarrer aus dem Krieg auf den Bischofsstuhl nach
Paderborn, das Vorbild für seine Kirche ist die Hierarchie und Funktion der Wehrmacht.
„Mein besonderer Gruß in dieser Stunde gilt meinen Soldaten. […] Mitten in den Strapazen dieses
gewaltigen Krieges, umgeben von Tod und Gefahr, lebt ihr das Leben der Heimat mit, um derentwillen
ihr all das Schwere ertragt; kämpft und sterbt ihr auch, wie mir das immer wieder aus euren Briefen
entgegen klingt, für die Bewahrung des Christentums in unserem Vaterland, für die Errettung der
Kirche aus der Bedrohung durch den antichristlichen Bolschewismus.“
Der Erzbischof rief nicht nur abstrakt zum Kampf auf, er akzeptierte Gewaltanwendung nicht nur für
höhere Zwecke, er legitimierte den Krieg nicht nur als Mittel der Politik, sondern er rechtfertigte
ausdrücklich den Aggressionskrieg Deutschlands, er unterstützte die Kriegspropaganda der
Nationalsozialisten, er rief auf – das ist der klare Kern seiner Botschaft – für Hitlers Russlandfeldzug!
„[…] Soldatische und priesterliche Haltung stehen sich innerlich näher, als Außenstehende ahnen.
Dort wie hier ist Voraussetzung: selbstloser Dienst, vorbehaltloser Einsatz, Bewährung aus letzter
Verpflichtung heraus, Treue bis in den Tod. […]“
So unglaublich es heute erscheint. Jäger machte den Zweiten Weltkrieg zu einer Sache der
katholischen Kirche als ob er eine Art Kreuzzug wäre. Und schließlich betete er für die Toten, als
seien sie in Hitlers Aggressionskrieg für Gott gefallen. Der Bischof von Paderborn unterstütze von der
Kanzel die Kriegspolitik des Dritten Reichs, die Gestapo schrieb erleichtert mit, ihr Geheimbericht über
die Antrittspredigt strahlt die Genugtuung der nationalsozialistischen Machthaber über diesen neuen
Bischof aus.
„Mit besonderem Akzent wandte er sich dann den Soldaten zu und lobte ihren religiösen Sinn, den er
als Seelsorger im Felde kennengelernt hatte. Zu seiner Freude hätte er auch von den Soldaten
anlässlich seiner Ernennung zum Erzbischof aus dem Felde zahlreiche Zuschriften erhalten, die ihrer
Freude darüber Ausdruck gäben, dass Paderborn wieder einen Bischof bekommen hätte. Er sprach
dann von ihrem heroischen Kampfe gegen den Bolschewismus, dass die kämpferische heroische
Gesinnung der Soldaten an der Front sich auch im Bekennertum für das Reich Christi in derselben
Weise bewähren müsste, und nur durch Christus könnte der Bolschewismus überwunden werden.“
Der Krieg der Nazis wurde von Jäger aus religiöser Überzeugung unterstützt. Im Namen von ‚Leben
und Frieden’ motivierte er Soldaten letztlich zum Töten, er machte sich und die Kirche am Krieg
mitschuldig. Jäger trat sein Amt als eine Art Militärbischof an der Heimatfront an. Ausgerechnet der
Bischof brachte fromme katholische Soldaten, die nicht aus eigener Überzeugung für Hitlers Krieg den
Kopf hinhalten wollten, und katholische Soldaten, die aus christlichen Motiven gegen das Töten
anderer Menschen eingestellt waren, in Gewissensnot: diesen Christen fiel der Erzbischof in den
Rücken, sie trieb er für die Nazis in die Schlacht.
Jägers Militarismus und seine christliche Rechtfertigung des Aggressionskrieges gegen die
Sowjetunion wurden nach 1945 verheimlicht und vertuscht. In einem Band mit gesammelten Schriften
des Erzbischofs Lorenz Kardinal Jäger, der 1972 in Paderborn erschien, ist die hier zitierte Predigt
abgedruckt. Der Text erweckt den Eindruck der Vollständigkeit, doch in Wirklichkeit sind, ohne die
Weglassung zu kennzeichnen, folgende vier Zeilen getilgt:
„…kämpft und sterbt ihr auch, wie mir das immer wieder aus euren Briefen entgegenklingt, für die
Bewahrung des Christentums in unserem Vaterland, für die Errettung der Kirche aus der Bedrohung
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durch den antichristlichen Bolschewismus.“
Diese Fälschung deckte der ‚Spiegel’ auf, als es 1972 – der Herausgeber Augstein (FDP) kandidierte
in Paderborn für den Bundestag – zu einer Polemik zwischen Kandidat und Erzbischof kam.
Jäger predigte gegen Augsteins Buch ‚Jesus Menschensohn’, er verglich es ausgerechnet mit Alfred
Rosenbergs ‚Mythos des 20. Jahrhunderts’. Augstein konterte mit einem Text, den er jedoch in lokal
verbreiteten Zeitungen nicht einmal als Anzeige unterbringen konnte.
„Rosenberg war verantwortlich für Massenmorde in besetzten Gebieten, erobert in einem Krieg gegen
die Sowjet-Union, den Sie – Sie, Herr Kardinal! – 1941 wörtlich als notwendig ‚für die Bewahrung des
Christentums in unserem Vaterland, für die Errettung der Kirche aus der Bedrohung durch den
antichristlichen Bolschewismus’ propagiert haben. Ein Krieg gegen die Russen, die nach Ihren Worten
aus dem Jahre 1942 ‚durch ihre Gottfeindlichkeit und durch ihren Christushaß fast zu Tieren entartet
sind’. Dies allerdings ist der Ton Alfred Rosenbergs, und dies allerdings ist gewiss nicht der Ton, in
dem sich ‚christliche Verantwortung’ artikuliert.“
Es ist aus heutiger Sicht nur schwer vorstellbar, was dieser Paderborner Kardinal für die
Rechtfertigung der nationalsozialistischen Kriegsverbrechen geleistet hat. Er trägt eine große
Mitverantwortung und damit auch für die Bombardierung und Zerstörung Paderborns.
Wolfgang Stüken weist in seinem Buch „Hirten unter Hitler“ darauf hin, dass Jaeger sogar von der
bevorstehenden Zerstörung Paderborns wusste. In der zweiten Januarhälfte 1945 hatte ihm der
stellvertretende Gauleiter in Münster dargelegt, dass „die zu erwartenden feindlichen Operationen mit
ihrem Abschluss bei Paderborn“ stattfinden würden. Hintergrund ist die Schließung des Ruhrkessels.
Der Nazi – Funktionär soll wörtlich bemerkt haben: „Ihre arme schöne Stadt ! Wir haben Nachricht,
das die feindlichen Truppen von Norden und Süden kommend den großen Ring in Paderborn
schließen sollen. Vorher wird ihre ganze Stadt zerstört werden.“
Und was hat Jaeger als Mitwisser zur Rettung der Stadt getan?
All das lässt sich nicht mit der Ehrenbürgerschaft vereinbaren.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Borgmeier
- Fraktionsvorsitzender
Quellen:
Stüken, Wolfgang: Hirten unter Hitler. Die Rolle der Paderborner Erzbischöfe Caspar Klein und Lorenz
Jäger in der NS-Zeit; Klartext-Verlag 1999
Der Spiegel vom 20.11.1972
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