l Der Weg zur Teilung Deutschlands im Zeichen des Ost 61.50

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l Der Weg zur Teilung Deutschlands im Zeichen des Ost-West-Gegensatzes (1945-1949)
1.1 Das Kriegsende und seine gesellschaftlichen Folgen
Die Deutschen befreiten sich nicht aus eigener Kraft von der Herrschaft des
Nationalsozialismus. Erst die von den alliierten Streitkräften erzwungene
bedingungslose Kapitulation bewirkte den Zusammenbruch der NS-Diktatur.
Am 7. Mai 1945 unterzeichnete Generaloberst Alfred Jodl (1890-1946) in Reims
im Hauptquartier des Oberbefehlshabers der westalliierten Streitkräfte, General
Dwight D. Eisenhower (1890- 1969), die Kapitulationsurkunde. Am S./9. Mai wurde dieser Rechtsakt
auf ausdrücklichen Wunsch der Sowjetunion in Berlin-Karlshorst wiederholt. Wenige Tage später wurde
die Regierung des Großadmirals Karl Dönitz (1891-1980), den Hitler zu seinem Nachfolger
bestimmt hatte, bei Flensburg abgesetzt. Die Regierungsgewalt in Deutschland ging auf die
Oberkommandierenden der alliierten Streitkräfte über.
Das Territorium des Reiches wurde vollständig erobert und in eine sowjetische, amerikanische, britische
und - etwas spater - französische Besatzungszone aufgeteilt. General Eisenhower verbot jede
Verbrüderung mit der deutschen Bevölkerung, da Deutschland nicht zum Zwecke seiner Befreiung,
sondern als besiegter Feindstaat besetzt worden sei. Die Hauptstadt Berlin wurde ebenfalls viergeteilt. Die
Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie waren von Stalin bereits im April eigenmächtig unter polnische und
sowjetische Verwaltung gestellt worden.
Bedingungslose
Kapitulation und
territoriale
Veränderungen
Demographische Die nationalsozialistische Herrschaft und der Zweite "Weltkrieg veränderten Bevölkerung
Veränderungen und Gesellschaft in Europa tief greifend: 55 Mio. Menschen waren gestorben, 30 Mio.
Menschen ohne Heimat und 35 Mio. verwundet. Mit über 20 Mio. Toten hatten die
und der Sowjetunion den größten Blutzoll gezahlt. Auf deutscher Seite mussten 4,3 Mio. Soldaten und 2,8
Bürger
Zerstörungen
Mio.
Zivilisten ihr Leben lassen.
Im Mai 1939 hatten in den Ostgebieten des Deutschen Reiches rund 9,6 Mio. Deutsche, in den anderen
Staaten Ostmitteleuropas von der Ostsee bis nach Rumänien 7,4 Mio. gelebt. Mit dem Vorrücken der Roten
Armee hatte im Herbst 1944 eine Flucht- und Vertreibungswelle dieser deutschen Bevölkerung nach Westen
eingesetzt, die auch nach dem Ende des Krieges anhielt und der mindestens 2,2 Mio. Deutsche zum Opfer
fielen. Die Integration der Vertriebenen wurde zu einer der größten sozialen Herausforderungen der
deutschen Nachkriegsgeschichte und bewirkte längerfristig, dass die konfessionelle Geschlossenheit
vieler Gemeinden in rein katholisch bzw. protestantisch geprägte Milieus aufbrach.
Am Ende des Krieges befanden sich außerdem 9 bis 10 Mio. Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZHäftlinge anderer Nationalitäten in Deutschland. Noch 1947 gab es eine Million solcher „displaced
persons" in den vier Besatzungszonen. Nach Hause wollten auch die während des Krieges aus
bombengefährdeten Städten evakuierten rund 10 Mio. Deutschen, überwiegend Frauen und Kinder, und
die in Kriegsgefangenschaft geratenen Soldaten. Die meisten Städte boten infolge der alliierten
Luftangriffe ein Bild der Verwüstung. In Westdeutschland war ungefähr ein Viertel des Wohnraumes
völlig zerstört, in der sowjetischen Besatzungszone ungefähr ein Zehntel. 40 % der Eisenbahnlinien und
anderer Transportwege waren 1945 nicht mehr funktionsfähig, was die Verteilung von Nahrungs- und
Versorgungsmitteln erheblich behinderte. Mit den seit April 1945 unter polnischer Verwaltung stehenden
Ostgebieten verlor Deutschland ein Viertel seiner bisherigen landwirtschaftlichen Nutzfläche, 17 % der
Steinkohlevorkommen und 6 % der Industrieanlagen.
Versorgungskris
Die Wohnraumnot, der Hunger und die Kälte der Winter prägten das Alltagsleben der
en und
Menschen in der Nachkriegszeit. Viele lebten am Existenzminimum oder darunter.
Schwarzmarkt Mindestens 2000 Kalorien täglich für jeden wären notwendig gewesen, doch 1946
betrug die amtliche Zuweisung in der amerikanischen Zone lediglich 1330, in der
russischen 1083, in der britischen 1056 und in der französischen 900 Kalorien. Die Unterernährung
schwächte die körperlichen Widerstandskräfte und führte zu Mangelkrankheiten und einer erhöhten
Sterblichkeit. Vor allem der harte Winter 1946/47 blieb als „Hungerwinter" in den Erinnerungen der
Menschen hängen. Die Not förderte Kriminalität und Prostitution. Viele Bewohner der größeren Städte
fuhren auf das Land, um sich dort mit dem Notwendigsten einzudecken. Die Rationierung der
Lebensmittel und der Mangel vor allem an Brennstoffen ließen zudem einen Schwarzmarkt entstehen,
auf dem knappe Güter gegen hohe Preise erworben werden konnten. Dies geschah häufig auch im
direkten Austausch von Naturalien, während Zigaretten allerorten zur „Wahrung" avancierten.
Frauenrollen Obwohl die nationalsozialistische Propaganda die Frau auf die Rolle als Mutter und
Männerrollen Hausfrau festlegen wollte, hatte die Kriegs Wirtschaft die zunehmende Integration der
Frauen ins Erwerbsleben erzwungen. In der unmittelbaren Nachkriegszeit herrschte
Arbeitskräftemangel, da die Zahl der Männer in den leistungsfähigsten Altersgruppen zwischen dem 25.
und 40. Lebensjahr durch Tod oder Kriegsgefangenschaft zurückgegangen war. Ein Großteil des
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Wiederaufbaus lag daher zunächst in den Händen der Frauen, die bei der Beseitigung der Trümmer halfen
und ihre Kinder alleine durchbringen mussten. Dass die Frauen im Erwerbsleben und in der Familie über
Jahre hinweg die Aufgaben der Männer übernommen hatten, stärkte ihr Selbstbewusstsein, sodass viele
nach der Rückkehr ihrer Männer nicht mehr bereit waren, sich wieder in die traditionelle Rollenverteilung
zu fügen. Von 1939 bis 1948 stieg die Scheidungsrate von 9 auf 19 %. Aber auch das Gegenteil lässt sich
beobachten: Angesichts materieller Not und einer Ungewissen Zukunft suchten nicht wenige Frauen
Schutz und Geborgenheit durch die Rückkehr zu alten Rollenbildern.
1.3 Politischer Neuaufbau
Antifaschismus
Der politische Neuanfang in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) erfolgte
und
unter dem Vorzeichen der Integrationsideologie des Antifaschismus. Anfang Mai
Parteiengründungen 1945 wurde eine Gruppe deutscher Kommunisten aus dem Moskauer Exil nach
in
der SBZ
Berlin
geflogen, der unter anderem Walter Ulbricht (1893-1973), der spätere Staatsratsvorsitzende der
DDR, und Wilhelm Pieck (l876-1960), der spätere Staatspräsident der DDR, angehörten. Sie sollten die
Besatzungsmacht beim Umbau der politischen und administrativen Strukturen unterstützen. Von Anfang
an fehlte den Kommunisten im Gegensatz zu den Sozialdemokraten eine breite Basis in der
Bevölkerung der SBZ. Sie konnten sich daher nur mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht
etablieren und behaupten.
In der SBZ erfolgte die Zulassung von Parteien zentral. Bereits am 10. Juni 1945 erlaubte die
sowjetische Militärverwaltung (SMAD) die „Bildung und Tätigkeit antifaschistischer Parteien". Am
nächsten Tag wurde die KPD gegründet, am 15. Juni die SPD, am 26. Juni die ChristlichDemokratische Union (CDU) und am 5. Juli die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD);
die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) folgte erst am 29. April 1948. In ihrem
Gründungsaufruf erklärte die KPD, ihr Ziel sei die Errichtung einer parlamentarisch-demokratischen
Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk. Zur Begründung hieß es,
Deutschland dürfe nicht das Sowjetsystem aufgezwungen werden, da dieser Weg nicht den
gegenwärtigen Entwicklungsbedingungen entspreche. Die ersten Bürgermeister in der SBZ waren daher
vielfach Sozialdemokraten oder Vertreter bürgerlicher Parteien. Von einer freien Entfaltung der Parteien
konnte jedoch von Anfang an keine Rede sein. Am 14. Juli 1945 schlössen sich die vier Parteien zu
einem „Block antifaschistisch-demokratischer Parteien" zusammen. Da Beschlüsse nur einstimmig
gefasst werden konnten, wurde die Aktionsfreiheit von SPD, CDU und Liberalen entscheidend
eingeschränkt; eine Koalitionsbildung gegen oder ohne die KPD war nicht mehr möglich.
Im Juni 1945 hatte sich der Vorsitzende des Zentralausschusses der Sozialdemokraten in der SBZ, Otto
Grotewohl (l894-1964), vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Weimarer Republik für die
Vereinigung der Arbeiterparteien ausgesprochen. Dieses Angebot war von der KPD jedoch abgelehnt
worden. Nach der vernichtenden Wahlniederlage der Kommunisten in Österreich im Oktober 1945
stand zu erwarten, dass auch in der SBZ freie Wahlen die fehlende demokratische Legitimation der KPD
sichtbar machen würden. Ende 1945 lehnte nun seinerseits der SPD-Vorstand in der SBZ eine Fusion mit
der KPD ab.
Am 22. April 1946 vollzogen 548 Delegierte der SPD und 507 Delegierte der KPD in Ostberlin unter
dem Druck der sowjetischen Besatzungsmacht die Gründung der Sozialistischen Einheitspartei
Deutschlands (SED). Eine demokratische Urabstimmung in den Ortsverbänden der SBZ wurde
verboten. Bei einer Urabstimmung in den Westsektoren Berlins sprachen sich jedoch im März 1946 über
80 % der SPD-Mitglieder gegen eine Fusion der beiden Arbeiterparteien aus und bewerteten die Fusion
als Zwangsvereinigung.
Die Führungsposten der SED wurden zunächst paritätisch besetzt. Bei den Landtagswahlen 1946 in der
SBZ erhielt die SED nach offiziellen Angaben 47,5 %, CDU und LDPD zusammen 49 % der Stimmen.
Es waren die letzten Wahlen in der SBZ, bei der sich die Wähler zwischen den Kandidaten verschiedener
Parteien entscheiden konnten. 1946 setzten die SED und mit ihr gemeinsam LDPD und Ost-CDU die
Bodenreform und die Verstaatlichung großer Industriebetriebe durch. Aber die
SED hatte längst die Schlüsselpositionen der staatlichen Macht in ihrer Hand.
Die Anfänge der
Spätestens seit 1948 wandelte sich die SED zu einer „Partei neuen Typs" nach
politischen
sowjetischem Vorbild.
Parteien in den
In den westlichen Zonen begann der politische Wiederaufbau der Parteien später
Westzonen
als in der SBZ: ab August 1945 in der amerikanischen, ab September in der
britischen und ab November in der französischen Zone. Anders als in der SBZ
erfolgte der Aufbau dezentral und demokratisch von „unten nach oben". Lange bevor die Briten
politische Parteien offiziell zuließen, trafen sich die Sozialdemokraten im April 1945 in Hannover auf
Initiative von Kurt Schumacher (1895-1952), der kurze Zeit später zum Beauftragten der SPD für die
Westzonen gewählt wurde. Sein Stellvertreter wurde im Mai 1946 Erich Ollenhauer (1901-1963). Mit
der Berliner SPD unter Otto Grotewohl kam es zum Konflikt m der Frage, ob sich SPD und KPD
vereinigen sollten, denn Schumacher war ein radikaler Antikommunist und lehnte eine Fusion wegen der
engen Bindung der KPD an die Sowjetunion ab. Damit zeichnete sich bereits 1945 innerhalb der SPD eine
Spaltung in Ost und West ab. In ihren wirtschaftspolitischen Leitsätzen vom Oktober 1945 forderte die
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SPD die Sozialisierung der „Großindustrie, der Großfinanz und die Aufsiedlung des
Großgrundbesitzes", um künftig die Konzentration ökonomischer und politischer Macht zu verhindern.
Die Partei verfügte Ende 1947 zwar über rund 875 000 Mitglieder, aber bei den ersten Landtagswahlen
gelang es ihr nur in Hessen, Württemberg-Baden, Bremen, Hamburg und Berlin, die CDU zu überflügeln.
Bei den ersten Bundestagswahlen 1949 erreichte die SPD 29 % der Stimmen.
Die Christlich-Demokratische Union (CDU) entstand als überkonfessionelle bürgerliche
Sammelpartei mit einem leichten Übergewicht der Katholiken. Der ehemalige Zentrumspolitiker und
Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer (1876-1967) wurde zum Vorsitzenden in der britischen
Zone gewählt. Die Vereinigung der CDU zur Bundespartei erfolgte erst im Oktober 1950 in Goslar, da
die alliierten Militärbehörden Zusammenschlüsse der Parteiorganisationen über die Zonengrenzen
hinweg nicht zuließen. In der Partei gab es unterschiedliche Strömungen. Die politischen
Zielvorstellungen derjenigen, die aus der christlichen Gewerkschaftsbewegung kamen, wie z.B. Jakob
Kaiser (1888-1961), fanden ihren Niederschlag im Ahlener Programm vorn 3. Februar 1947, das z. B,
Sozialisierungen vorschlug. Andere, wie auch z. B. der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer,
favorisierten die soziale Marktwirtschaft; diese setzte sich längerfristig in der Partei durch. In Bayern
bildete sich als „Schwesterpartei" der CDU die Christlich-Soziale Union (CSU}; bei den ersten
Bundestagswahlen erreichten CDU und CSU zusammen 31 % der Stimmen.
Im Januar 1946 wurde in Nordbaden-Württemberg die Demokratische Volkspartei (DVP) gegründet,
aber erst im Dezember 1948 schlössen sich die verschiedenen liberalen Landesverbände der drei
Westzonen zur Freien Demokratischen Partei/FDP zusammen, nachdem sie sich von der LDPD in der
Sowjetzone getrennt hatten. Die Liberalen setzten sich für eine liberal-kapitalistische
Wirtschaftsordnung ein, Zum Vorsitzenden wählten sie Theodor Heuss (1884-1963), den späteren
ersten Präsidenten der Bundesrepublik. 12 % der Wähler stimmten bei den ersten Bundestagswahlen für
die Liberalen.
Bei den ersten Landtagswahlen in den Westzonen erzielte die Kommunistische Partei Deutschlands
(KPD) in keinem Land mehr als 15% der Stimmen. In den ersten Bundestag wurden sie lediglich mit
6% gewählt.
In der SBZ vollzog sich der Aufbau der Gewerkschaften zentralistisch von oben nach
Die Neuanfänge
der Gewerkschaften unten. Bereits im Juni 1945 hatte sich in Berlin ein „Initiativausschuss zur
Gründung antifaschistisch-demokratischer Gewerkschaften" gebildet. Im Februar
1946 folgte die offizielle Gründung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes
(FDGB). Obwohl alle Parteien in der Leitung des FDGB vertreten waren, sicherten sich die
Kommunisten mit ihren straff geführten Betriebsgruppen rasch die Vorherrschaft und schufen eine
Einheitsorganisation.
Als es im Herbst 1947 wegen eines neuen Leistungslohnsystems zu Konflikten zwischen den
Arbeitern in den Betrieben einerseits und der SED und der sowjetischen Militäradministration
andererseits kam, trat die Umwandlung des FDGB in ein politisches Instrument der SED zur
Massenbeeinflussung klar zu Tage. Die noch überwiegend sozialdemokratisch gesonnenen Betriebsräte
opponierten mit den Arbeitern gegen das neue Lohnsystem und beharrten auf ihrer Selbstständigkeit
gegenüber Anweisungen von außen. Daraufhin installierte die SED in den Betrieben von der Partei
abhängige Betriebsgewerkschaftsleitungen.
Im August 1950 schließlich formulierte die SED Öffentlich ihren Führungsanspruch im FDGB. Die
Militärverwaltungen in den Westzonen verzögerten den politischen Neuaufbau der Gewerkschaften,
weil sie einerseits den Deutschen misstrauten und andererseits den Ausbruch einer sozialen Revolution
befürchteten, von der die Kommunisten profitieren könnten. Im August 1945 wurden in der britischen
Zone zunächst Betriebsräte zugelassen, im September dann die Bildung von Gewerkschaften auf lokaler
Ebene genehmigt. Der Streit um die Organisationsform der Gewerkschaften verzögerte zunächst den
Neuaufbau. Die britische Militärregierung befürchtete, dass eine möglicherweise kommunistisch
geführte Einheitsgewerkschaft zu mächtig werden könnte. Auf Wunsch der Militärregierung
intervenierte der britische Gewerkschafts-Verband. Ende 1945 fiel in Düsseldorf der Entschluss für das
Industrieverbandsprinzip. Die einzelnen autonomen Industriegewerkschaften sollten in einem
Dachverband zusammengefasst werden. Dieses Modell wurde im August 1946 auf der
Gewerkschaftskonferenz in Bielefeld beschlossen. Dagegen bildeten die Gewerkschaften „Erziehung und
Wissenschaft" und „Kunst" Berufsverbände. 1947 wurde in Bielefeld mit dem Deutschen
Gewerkschaftsbund (DGB) der erste westzonale Dachverband gegründet. Im Oktober 1949
konstituierte er sich dann als bundesweite Organisation. Nachdem das Interesse an einer Sozialisierung
der Schlüsselindustrien in den westlichen Zonen sowohl bei den Besatzungsmächten als auch bei den
Gewerkschaften nach dem Hungerwinter 1946/47 nachgelassen hatte, konzentrierten die
Gewerkschaften ihre Tätigkeit auf die Tarifpolitik.
Reform der Länder und Aufbau der Verwaltungen
Nach der bedingungslosen Kapitulation und der Übernahme der Regierungsgewalt in Deutschland sahen sich
die Siegermächte zunächst vor die Aufgabe gestellt, in ihren Besatzungszonen eine funktionierende
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Verwaltung zu organisieren, um in Anbetracht der Flüchtlingsströme und der Nahrungsmittel- und
Wohnraumknappheit die Versorgung der Bevölkerung zu sichern und soziale Unruhen zu vermeiden.
Dazu benötigten sie die Mitarbeit der Deutschen.
Bereits im Juli 1945 setzte die SMAD in der Ostzone Regierungen in den Ländern Sachsen, Mecklenburg
und Thüringen sowie in den Provinzen Brandenburg und Sachsen-Anhalt ein. Noch im gleichen Monat
wurde die Errichtung von elf deutschen Zentralverwaltungen angeordnet. Fünf der von der SMAD
eingesetzten Präsidenten dieser Verwaltungen gehörten der KPD, drei der SPD, je einer der CDU und
der LDPD an, einer war parteilos.
Auch in den Westzonen waren die Weichenstellungen der Besatzungsmächte entscheidend. Am
frühesten begann die US-Militärregierung mit dem Aufbau einer deutschen Zentralverwaltung, Im
Oktober 1945 bildete sie in ihrer Zone einen Länderrat, der sich aus den drei von ihr ernannten
Ministerpräsidenten der Länder Bayern, Württemberg-Baden und Hessen zusammensetzte. Bereits
Anfang August waren Nord-Württemberg und Nord-Baden zum Land Württemberg-Baden mit
Stuttgart als Regierungssitz zusammengefasst worden. Erster Ministerpräsident wurde der Vorsitzende
der liberalen DDP, Reinhold Maier (1889-1971).
Im August 1946 löste die britische Militärregierung die bisherigen preußischen Provinzen auf und
errichtete an ihrer Stelle die Länder Schleswig-Holstein, Hannover und Nordrhein-Westfalen und
wenig später Niedersachsen. Eine dem Länderrat in der amerikanischen Zone vergleichbare
Zentralverwaltung lehnte sie jedoch ab. Am 25. Februar 1947 wurde Preußen dann formal durch ein
Kontrollratsgesetz aufgelöst. Mit der Errichtung des Landes Nordrhein -Westfalen wollte die britische
Regierung vollendete Tatsachen schaffen, um eine von Frankreich und der Sowjetunion geforderte
internationale Kontrolle des Ruhrgebietes zu verhindern.
Frankreich riegelte seine Besatzungszone sofort von den übrigen ab und förderte dort einen extremen
Föderalismus. Das Land Rheinland-Pfalz wurde neu gegründet und ein durch Grenzkorrekturen
vergrößertes Saarland politisch und wirtschaftlich von Deutschland abgetrennt, kam aber 1955 nach
einer Volksabstimmung zur Bundesrepublik. Bis Herbst 1947 entstanden die Länder WürttembergHohe020Hern mit der Hauptstadt Tübingen, Baden mit der Hauptstadt Freiburg und separat der Kreis
Lindau auf bayerischem Gebiet- Die Bildung des heutigen Landes Baden-Württemberg geht auf das Jahr
1952 zurück.
Bodenreform und Verstaatlichung in der SBZ
In der sowjetischen Besatzungszone, die einen beträchtlichen Anteil des ehemaligen ostelbischen
Großgrundbesitzes umfasste, bildete die Bodenreform einen integralen Bestandteil der
Entnazifizierungspolitik. Im September 1945 begann die sowjetische Militäradministration unter der
Losung „Junkerland in Bauernhand" mit der entschädigungslosen Enteignung des Grundbesitzes über
100 Hektar. Betroffen waren von den Maßnahmen rund 35 Prozent der landwirtschaftlichen
Nutzfläche. Ungefähr zwei Drittel des enteigneten Bodens wurden an 599000 Bauern, Landarbeiter
und Umsiedlerfamilien in Parzellen zu 5 bis 10 Hektar verteilt. Die Mehrzahl der kleinen Betriebe
erwies sich jedoch längerfristig als unrentabel. Ab 1952 mussten sie sich in Landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaften (LPG) zusammenschließen. Damit begann die Kollektivierung der
Landwirtschaft nach sowjetischem Vorbild.
Nachdem im Juli 1945 bereits Banken und Sparkassen entschädigungslos enteignet worden waren,
setzte gegen Ende des Jahres die Verstaatlichung der Industrie ein, die wie alle
Sozialisierungsmaßnahmen mit der Enteignung von Kriegs- und Naziverbrechern legitimiert wurde. Nach
Anfangen in Sachsen erfolgte die Umwandlung der Unternehmen in Volkseigene Betriebe (VEB) auch
in den anderen Gebieten der SBZ, allerdings nicht mehr, wie m Sachsen, per Volksabstimmung, sondern
nur noch per Verordnung. Bis Mitte 1948 wurden mehr als 9000 Betriebe sozialisiert. 213 der
wichtigsten Betriebe, die alleine fast 25-30 % der sowjetzonalen Gesamt-Produktion erzeugten, gingen
zunächst in das Eigentum der Sowjetunion über und wurden in 25 Sowjetische Aktiengesellschaften
(SAG) umgewandelt. 1953 wurden sie für rund 2,5 Mrd. Mark von der DDR zurückgekauft.
Reparationen In Potsdam hatten die Alliierten vereinbart, dass jede Besatzungsmacht ihre Reparationen
und Demontagen durch Entnahme von Produktionsgütern aus ihrer eigenen Zone befriedigen sollte. Die
USA interessierten sich vor allem für industrielles Know-how. Ungefähr 1000 Techniker, wie z.B. der
Raketenbauer Wernher von Braun (1912-1977), wurden in die USA gebracht, um dort an ihren Projekten
weiterzuarbeiten. Der Technologieraub dürfte einen Wert von 10 Mrd. Dollar gehabt haben, zu dem auch
die Verfilmung der wichtigsten deutschen Patente gehörte.
Am längsten plünderte die UdSSR ihre Zone aus. Bis Frühjahr 1948 wurden nicht nur kriegswichtige
Industrien, sondern auch für die Friedenswirtschaft unentbehrliche industrielle Betriebe demontiert.
Hinzu kamen die Entnahme von Reparationen aus der laufenden Produktion und die Demontage von
Gleisanlagen. Auch die UdSSR nahm eine große Zahl deutscher Forscher in ihre Dienste, bemühte sich
allerdings vergeblich, einen Zugriff auf das Industriepotenzial und die Rohstoffe im britisch besetzten
Ruhrgebiet zu erhalten. Die rücksichtslose Entnahmepolitik der sowjetischen Besatzungsmacht hat
das Wirtschaftspotenzial der Ostzone mehr zerstört als die unmittelbaren Kriegseinwirkungen. Die
Belastung, die rein rechnerisch jeder Deutsche zu tragen hatte, war in der Ostzone dreimal so hoch wie
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in den Westzonen.
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