Dr.habil. Ralf E. Krupp Flachsfeld 5 31303 Burgdorf Telefon: 05136 / 7846 ▬ e-mail: [email protected] Eigenbetrieb Gemeindewerke Gerstungen Herrn Ulf Frank Wilhelmstraße 45 99834 Gerstungen 18.12.2011 Gemeinde Gerstungen ./. RP Kassel II (2011) Stellungnahme zu Fragen bezüglich der neu erteilten Versenkerlaubnis Sehr geehrter Herr Frank, nachfolgend nehme ich zu einer Reihe von Fragen Stellung, die in Verbindung mit der vom RP Kassel am 30.11.2011 erteilten Versenkerlaubnis für Kali und Salz diskutiert werden müssen. I. Beeinflussung Buntsandstein Wie viel zusätzliches Salzabwasser, Mischwasser oder verdrängtes Formationswasser wird aufgrund der genehmigten Versenkung bis zum 30.11.2015 in den Buntsandstein eindringen und welcher Anteil wird in die Werra diffundieren? Wird sich hierbei die angeordnete Druckreduzierung an den Versenkbohrungen signifikant auswirken? Die Versenkung von Kaliabwässern in den Plattendolomit ist nur möglich, wenn zur Raumschaffung die im Plattendolomit bereits vorhandenen natürlichen Poren- und Kluftwässer oder bereits früher versenkte Abwässer verdrängt werden. Da Unterer und Mittlerer Buntsandstein im Gebiet des Werra-Kalireviers zusammen eine Mächtigkeit von rund 500 Metern aufweisen und überwiegend als Kluft- und Porenspeicher ausgebildet sind, hat der Buntsandstein ein ungleich höheres Speichervermögen als der nur ca. 20 m mächtige Plattendolomit. Dort wo das Salzwasser aus dem Plattendolomit in den Buntsandstein überströmen kann, wird es sich, dem Druckgefälle folgend, zunächst in dieser Formation ausbreiten und irgendwann an geeigneten Stellen auch die Oberfläche erreichen. Diese 1 induzierten Strömungen werden so lange anhalten, wie eine treibende Kraft, nämlich die Kaliabwasserversenkung, vorhanden ist. Die Versenkrückläufe, also der Anteil der wieder zur Oberfläche aufsteigenden und über diffuse Zutritte in die Werra gelangenden versenkten Salzfrachten, näherten sich in den letzten Jahren teilweise schon der 80 Prozent-Marke (Abbildung 1). Abbildung 1 – Versenkte Chlorid-Frachten (rot) und „diffuse“ Chlorid-Rückläufe (blau) zwischen 1925 und 2007 (links in absoluten Werten, rechts als Prozentanteil (grün) der Rückläufe bezogen auf die versenkten Mengen. Der Pfeil bei 29,3% markiert den mittleren Rücklauf über den gesamten Zeitraum (aus den integralen Chloridfrachten ermittelt). Abbildung 2 – Kumulativ deponierte Chlorid-Menge (rot) und relative Versenk-Rückläufe (grün), wie in Abbildung 1 zum Vergleich. 2 In Abbildung 2 sind die über den Versenkzeitraum von 1925 bis 2007 kumulativ deponierten Chloridmengen (rote Kurve) aufgetragen. (Die deponierten Frachten sind aus der Differenz der versenkten minus der rückfließenden diffusen Chloridfrachten berechnet worden.) Man erkennt, dass die Versenkrückläufe in gleicher Weise zunehmen wie die im Plattendolomit plus Buntsandstein deponierte Chloridmenge. Die Rückfluss-Rate hängt also weniger von der Versenkrate als von der bereits deponierten Chloridmenge ab. In Abbildung 3 ist dieser Zusammenhang nochmals in einem Korrelations-Diagramm dargestellt. Eine reduzierte Versenkrate kann also die weitere Versalzung des Buntsandsteins nicht verhindern, es sei denn, die Rate ist null. Abbildung 3 – Korrelation der Versenkrückläufe (in Prozent) mit der kumulativ deponierten Chlorid-Menge. Während die diffusen Rückläufe anhand chemischer Stoffbilanzen relativ gut quantifizierbar sind und auch bereits seit vielen Jahren überwacht werden, ist der Anteil des im „Transitraum“ des Buntsandsteins befindlichen Salzwassers schwieriger zu fassen. Ein Bilanzierungsversuch von Aragon (2007) (Vgl. meine Stellungnahme vom 27.10.2011) lieferte einen Anteil von rund 33 Volumen-Prozent des versenkten Abwassers, der sich im Buntsandstein und Quartär befindet, wobei dieser Anteil noch größer ausfällt, wenn man eine geringere Porosität für den Plattendolomit annimmt. Aus den gleichen Betrachtungen folgt auch, dass der Porenraum im Plattendolomit spätestens seit etwa 1996 als erschöpft anzusehen ist (Vgl. meine o.g. Stellungnahme). Es ist daher anzunehmen, dass die versenkten Salzfrachten heute praktisch vollständig in den Buntsandstein einwandern und durch diesen hindurch zu einem hohen Anteil (bis 80 % der Chloridfracht) sogar schon wieder zur Oberfläche zurück kommen. 3 Diese Erkenntnisse werden grundsätzlich auch durch die neuen SkyTEM-Untersuchungen gestützt, deren quantitative Auswertung bezüglich der erfassten Salzwassermengen im Buntsandstein noch aussteht. Die mit der neuen Versenkerlaubnis verbundene Halbierung der zulässigen Kopfdrücke an den Bohrungen wird an dieser Situation nichts ändern können, weil für die Versalzungserscheinungen das versenkte Volumen und die Salzkonzentrationen entscheidend sind, während der Druck sich vor allem auf die Versenkrate auswirkt. Unterscheiden sich die jetzt zur Versenkung gelangenden Wässer von den bereits bisher versenkten Salzabwässern in ihrer Qualität, z.B. dem Härtegrad? Kommt es hierbei zu einer stärkeren Umweltauswirkung? Zusammensetzung und Menge der anfallenden Salzabwässer hängen von der verarbeiteten Rohsalzmenge ab, aber auch von der Rohsalzzusammensetzung, den Aufbereitungsverfahren und der gewünschten Produktpalette. Die Salzabwässer sind Mischungen aus unterschiedlich zusammengesetzten Abwasserströmen sowie Haldenwässern der diversen Standorte. Die spärlichen Informationen über die Abwasser-Zusammensetzungen sind in den Diagrammen der Abbildung 4 a-e zusammengestellt. Man erkennt, dass die ChloridKonzentrationen nur leicht gestiegen sind, dass sich aber die Kalium-Konzentrationen in etwa versiebenfacht und die Sulfat- und Magnesium-Konzentrationen verfünffacht haben. Die Natrium-Werte haben sich hingegen halbiert. 4 5 Abbildung 4 a-e – Veränderungen in der Zusammensetzung der Versenk-Lösungen und Haldenabwässer mit der Zeit. 6 Eine wesentliche Veränderung fand in den 1980er Jahren mit der Einführung des elektrostatischen Trennverfahrens (ESTA) an Stelle der Kieseritwäsche statt (Siehe z.B. Skowronek et al., 1999). Mit dem weitgehenden Wegfall der Kieseritwäsche sind auch wesentliche Anteile NaCl-reicher und relativ Mg-armer („weicher“) Abwässer entfallen. Dies ist in den Diagrammen, insbesondere Abbildung 4e, anhand der rückläufigen NaKonzentrationen gut zu erkennen. Allerdings ist bei Kalium, Sulfat und Magnesium (Abbildung 4 b-d) ein viel stärkerer, zunehmender Trend zu beobachten. Diese Entwicklung, die zugleich eine starke Zunahme von Wertstoff-Verlusten dokumentiert, ist vermutlich der zunehmenden KaliumsulfatProduktion der Werke Hattorf und Wintershall zuzuschreiben. Die in jüngster Zeit im Bereich der Herfa-Tal-Anomalie niedergebrachten Bohrungen Herfa 5/2011 und Heringen 5/2010 schließen Salzwässer mit hohen Kaliabwasseranteilen auf. Bei diesen Wässern handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um alte Kieseritwaschwässer, die einen langen Migrationsweg zurück gelegt haben und dabei durch Nebengesteinsreaktionen deutliche chemische Veränderungen erfahren haben. Die Abbildungen 5 bis 9 stellen die beiden Bohrungen Herfa 5/2011 und Heringen 5/2010 in einen genetischen Zusammenhang, der ihre Ansprache als reaktiv veränderte Kieseritwaschwässer (bzw. Kaliabwässer mit einem hohen Anteil an KWW) erlaubt. Abbildung 5 – Na/Cl-Diagramm. Graue Gerade: Mischungstrend zwischen Formationswässern und Kieseritwaschwässern. Im Gegensatz zu Mischwässern mit QLösungen sind die Abweichungen der Kieseritwaschwässer von der stöchiometrischen NaClModellkurve gering, wodurch eine Unterscheidung von Subrosionswässern schwierig ist. Roter Pfeil: Zeitlicher Entwicklungstrend der Wintershall Versenklösungen. 7 Abbildung 6 – Na/K-Diagramm. Typische Subrosionslösungen und draus hervorgegangene verdünnte Mischwässer folgen dem empirisch festgestellten typischen Na/K-Trend. Graue Gerade: Mischungstrend zwischen Formationswässern und Kieseritwaschwässern. Roter Pfeil: Zeitlicher Entwicklungstrend der Wintershall Versenklösungen. Abbildung 7 – Ca/Mg-Diagramm. Die ursprünglich Ca-ärmeren und Mg-reicheren Kieseritwaschwässer der Bohrungen Herfa 5 und Heringen 5 haben sich durch intensive Nebengesteinsreaktionen dem Calcit/Dolomit-Puffer angenähert. 8 Abbildung 8 – Ca/SO4-Diagramm. Die ursprünglich Ca-ärmeren und Mg-reicheren Kieseritwaschwässer der Bohrungen Herfa 5 und Heringen 5 zeigen im Unterschied zu Subrosionslösungen starke Abweichungen von der CaSO4-Stöchiometrie und können bei Überschreitung der Gipssättigung auch zur Sulfatentfernung aus der Lösung beitragen. Abbildung 9 – Br/Cl-Diagramm. Die Kieseritwaschwässer der Bohrungen Herfa 5 und Heringen 5 zeigen im Unterschied zu Subrosionslösungen (Bereich zwischen den beiden braunen Modellgeraden) stark erhöhte Br/Cl-Verhältnisse. Sie liegen zusammen mit den Mischwässern der Messstellen Herda 2 und Herda 9 auf einer für Kaliabwässer typischen Gerade (graue Linie). 9 Die Brom-Konzentrationen der erbohrten Salzabwässer sind höher als in den WintershallVersenklösungen, deren Analysen allerdings jüngeren Datums sind. Das Kieseritwaschwasser der Grube Ernst Thälmann wurde offenbar zur Bromgewinnung verwendet und ist deshalb nicht aussagefähig. Es wäre daher wichtig Informationen über die Zusammensetzung der Hattorf-Versenklösungen zu erhalten. Betrachtungen zur Genese und Herkunft der angetroffenen Wässer werden sehr dadurch erschwert, dass kaum chemische Analysen (oder gar vollständige Analysen) der einzelnen Abwasserströme und der vor Versenkung gemischten Kali-Abwässer verfügbar sind. Es wäre sehr hilfreich, wenn die bei der Industrie und bei Behörden verfügbaren Informationen (Zeitreihen) vorgelegt würden, zusammen mit den Zeitreihen über Versenk- und Einleitmengen. Die mittlerweile zweifelsfrei nachgewiesenen Reaktionen der magnesiumreichen Kaliabwässer mit dem Plattendolomit verbieten es, weiterhin Ca/Mg-Verhältnisse als Indikator für die Abwesenheit von Kaliabwasser-Anteilen zu verwenden. Die Ca/MgVerhältnisse werden durch diese Reaktionen immer in Richtung auf höhere Ca- und geringere Mg-Werte in der Lösung verschoben. Ca/Mg-Verhältnisse täuschen daher tendenziell abwasserfreie Lösungen vor. Seit einigen Jahren experimentiert K+S mit einem „Abwassermanagement“, das im wesentlichen aus der Getrennthaltung von sogenannten „harten“ Magnesiumchloridreichen Abwässern, die vorzugsweise versenkt werden, und sogenannten „weichen“ NaCldominierten Abwässern, die vorzugsweise in die Werra eingeleitet werden, besteht. Durch Optimierung der eingeleiteten Anteile von harten und weichen Abwässern wird eine weitgehende Ausschöpfung der behördlich festgesetzten Grenzwerte für Cl (2500 mg/L) und Mg (90°dH) am Pegel Gerstungen angestrebt. Bei hoher Wasserführung wird auch eine Rückförderung von (vermeintlich) früher versenkten Abwässern aus dem Plattendolomit und deren Einleitung in die Werra betrieben, die nach Plänen von K+S noch erweitert werden sollen. Dabei soll die Rückförderung der früher versenkten „weichen“ Kieseritwaschwässer im Plattendolomit Raum schaffen für „harte“ Magnesiumchlorid-Abwässer. Die Attribute „hart“ und „weich“ sind hier relativ zu verstehen, denn beide Abwasserströme sind im üblichen Sinn extrem hart: Kieseritwaschwasser: ca. 7000 bis 9000 mg/L Mg, entsprechend 1844 °dH Q-Lösung: ca. 70000 mg/L Mg, entsprechend 16132 °dH Grenzwert Versenk-Erlaubnis: 87000 mg/L Mg, entsprechend 20000 °dH (Üblicherweise wird Wasser als „weich“ bezeichnet, wenn es weniger als 7,3°dH aufweist, und als „hart“, wenn es zwischen 14 und 21,3°dH aufweist.) Selbst bei einer 1000-fachen Verdünnung (1 Liter Abwasser auf 1000 Liter Trinkwasser) würden noch ca. 20 °dH erreicht, was eine Nutzung als Brauchwasser in Frage stellen würde. Mit dem weitgehenden Wegfall „weicher“ Kieseritwaschwässer ist die Absicht der Kaliindustrie eines Austauschs früher bereits versenkter Kieseritwaschwässer gegen „harte“ 10 (technische) Q-Lösungen zwar verständlich, weil so die gekoppelten Grenzwerte für Cl und Mg (Gesamthärte) am Pegel Gerstungen mehr Direkteinleitungen und gleichzeitig weitere Versenkung zuließen. Jedoch gleicht dieses Vorhaben einer „Austreibung des Teufels mit dem Beelzebub“, weil dadurch noch mehr unkontrollierbare Grundwasserströmungen induziert werden, ohne dass die Ursache des Problems behoben wird. Liegt eine signifikante Verringerung der Salzabwasserversenkung qualitativ und quantitativ zum Versenkgeschehen im letzen Jahrzehnt vor? Die Entwicklung der tatsächlichen jährlichen Versenkmengen (Volumina) sowie die Versenkmengen der neuen Erlaubnis ab 01. Dezember 2011 bis 30. November 2015 sind in Abbildung 8 dargestellt. Abbildung 10 – Versenk- und Einleitmengen, Werk Werra, sowie Maximalwerte der alten (vor 01. Dezember 2011) und neuen (ab 01. Dezember 2011). Versenkerlaubnis Die in Abbildung 10 aufgetragenen Versenk- und Einleit-Werte sind aus mehreren Quellen, die alle auf Angaben von K+S zurückgehen, zusammengestellt. Es wurden dabei vielfach, je nach Quelle, für den gleichen Zeitraum unterschiedliche Zahlenwerte gefunden, sodass auch die Frage der Zuverlässigkeit dieser Werte zu stellen wäre. Der Wert für das zu Ende gehende Jahr 2011 ist vermutlich hoch geschätzt und wäre zu überprüfen. Das Versenkvolumen für 2009 ist hingegen (wegen eingeschränkter Kaliproduktion) ungewöhnlich niedrig. Die neu erteilte Erlaubnis geht über 4 Jahre, wobei vom 01. Dezember 2011 bis zum 30. November 2013 noch 6 Mio. m³/a, danach vom 01. Dezember 2013 bis zum 30. November 11 2015 noch 4,5 Mio. m³/a versenkt werden dürfen. Die Jahresversenkmengen, die sich auf 21 Mio. m³ summieren, können allerdings wegen der globalen Begrenzung des erlaubten Versenkvolumens auf 18,4 Mio. m³ nicht voll ausgeschöpft werden. Die bisherige wasserrechtliche Erlaubnis vom 20.11.2006 war für einen Zeitraum von fünf Jahren bis zum 30.11.2011 befristet. Nach dieser Erlaubnis durften jährlich maximal 9,0 Mio. m³ und insgesamt maximal 35 Mio. m³ Salzabwasser in den Untergrund eingeleitet werden. Insofern ist formal eine deutliche Reduzierung der erlaubten Versenkvolumina erfolgt. Die neue Erlaubnis entspricht jedoch knapp den tatsächlich jährlich versenkten Volumina der letzten Jahre. Außerdem ist in Abbildung 4 a-e eine Veränderung der Salzzusammensetzung zu konstatieren, die weiter oben bereits erörtert worden ist. Demnach sind seit den 1960er Jahren bei gleichem Abwasservolumen die Salzfrachten mit der Zeit angestiegen, können aber für die vergangene Dekade als ungefähr konstant angesehen werden. Die maximal erlaubten Salzkonzentrationen der zu versenkenden Abwässer liegen oberhalb der bisher erreichten Werte und stellen somit keine Beschränkung dar. Unterm Strich bedeutet dies, dass die neue Versenkerlaubnis mit Blick auf die Salzfrachten de facto eine Fortsetzung der Versenkung in ihrer bisherigen Form erlaubt, allerdings mit degressiver Tendenz. Extrapoliert man die erlaubten Maximalwerte auf null, so erreicht man diesen Wert erst im Jahr 2020 (Abbildung 10). Beschränkt sich die zukünftige Beeinflussung des Buntsandsteins auf die bisherigen Versalzungs- und Entlastungszonen, sind diese insbesondere bereits vollumfänglich hinsichtlich der Größe und der Ausbreitung sowie der Ursächlichkeit bekannt? Stammen diese Salzabwasserübertritte ausschließlich aus der Versenkung in den in 1970er und 1980er Jahren mit der damaligen Spitze? Da der „Speicherraum“ im Plattendolomit als erschöpft gelten muss, werden die versenkten bzw. verdrängten älteren Abwässer ganz überwiegend im Buntsandstein Platz nehmen. Im Grunde genommen muss man davon ausgehen, dass die Differenz aus der heute versenkten Salzfracht minus den diffusen Rückläufen fast vollständig in den Buntsandstein einwandert. Da die gleichen Versenkbohrungen zur Abwasserversenkung benutzt werden wie bisher, werden sich die Ausbreitungswege der Salzabwässer und der durch diese verdrängten Formationswässer voraussichtlich nicht wesentlich verändern (solange keine Rückförderung vorgenommen wird). Es wird jedoch voraussichtlich zu einer lateralen Ausweitung der Salzwasserkörper in den süßwasserführenden Schichten kommen, wenn weitere Salzabwässer versenkt werden. Die Tendenz zur seitlichen Ausweitung wird sogar verstärkt, weil die Dichte der heute Magnesiumchlorid-reichen Versenklösungen gegenüber den früher versenkten Kieseritwaschwässern deutlich zugenommen hat (von ca. 1,19 auf fast 1,3 kg/L). Die zukünftig geplante Ausweitung der partiell bereits stattfindenden (bis 30.11.2011 genehmigten) Rückförderung von früher versenkten Kaliabwässern könnte allerdings zu ganz neuen Strömungsregimen im Untergrund, und so zu einer weiteren Vermischung und unkontrollierten Verlagerung der Salzwasserkörper führen. Zudem ist beispielsweise bei der 12 Rückförderung aus dem früheren Versenkgebiet Heringen fraglich, welche Art Wässer dort aus dem Plattendolomit zutage gefördert werden. Im Plattendolomit sind dort durch die SkyTEM-Untersuchungen jedenfalls keine größeren Salzabwassermengen nachzuweisen. Mit Vorliegen der SkyTEM Ergebnisse hat sich der Kenntnisstand über den Verbleib der Salzabwässer deutlich verbessert. Man kann nun erkennen, dass in den früheren thüringischen Versenkgebieten das Salzwasser im Wesentlichen bestimmungsgemäß im Plattendolomit Platz genommen hat. Vor allem im Verlauf des Werratals zwischen Bad Salzungen und Lauchröden, und seinen Randgebieten, sowie im Bereich des Herfa-Tals nordwestlich Philippsthal, sind jedoch starke und ausgedehnte Leitfähigkeitsanomalien im Niveau des Buntsandsteins zu erkennen, die als Versalzungen gedeutet werden müssen. Leider liegt der Plattendolomit im hessischen Teil des Versenkgebietes in größerer Tiefe und ist für das SkyTEM-System nicht mehr erreichbar, so dass (auf dieser Grundlage) keine Aussagen über Salzwasser im Plattendolomit selbst möglich sind. Ein Versuch die Leitfähigkeitsanomalien in ihrer Topologie zu erfassen und Rückschlüsse auf die Salzwassermengen zu ziehen, steht noch aus, könnte aber von K+S erwartet werden. Auf die detaillierten Betrachtungen in Krupp (01.12.2011) wird verwiesen. Es ist, wie bereits aus den Versenkrückläufen in den Abbildungen 1 bis 3 erkennbar, nicht davon auszugehen, dass die Salzwasserübertritte in den Buntsandstein (und das Einsturzgebirge) überwiegend im Höhepunkt der Abwasserversenkung (1960er und 1970er Jahre) stattfanden. Zwar können zu hohe Versenkraten, die möglicherweise nur durch zu hohe Kopfdrücke erreichbar waren, Teil des Problems sein. Für die Zunahme der Versenkrückläufe wird jedoch das zur Neige gehende Restspeichervolumen des Plattendolomits und die zunehmende Infiltration des Buntsandsteins für wichtiger erachtet. Ein wichtiger Fragenkomplex rankt sich auch um die Beschaffenheit des Salzhangs. K+S vertritt noch immer die Auffassung, dass der Salzhang eine unüberwindliche Barriere darstelle, die einen Austritt von versenkten Salzabwässern und Formationswässern aus dem noch intakten Plattendolomit-Verband in den durch Subrosion zerrütteten Bereich des Einsturzgebirges verhindere. - Wenn dem so wäre, dann würde die Subrosion bereits nach kurzer Zeit zum Erliegen kommen, weil dann auch keine Grundwässer mehr Zugang zum Salinar hätten. Aktive Subrosionsprozesse am Salzhang sind aber implizit ein untrüglicher Beweis dafür, dass ungesättigte Grundwasserströme Kontakt zum Salzgebirge haben müssen. Weiterhin glaubt K+S an einen „harmonisch“ voranschreitenden Subrosionsverlauf, der das Deckgebirge weitgehend zerströrungsfrei um mehrere hundert Meter absacken lässt. Diese Vorstellung ist freilich weder mit der petrographischen Beschaffenheit des Einsturzgebirges und Residualgebirges (oftmals chaotische Brekzien) vereinbar, noch mit den pockennarbenartig verteilten Subrosionsstellen, wie sie in Anlage 4 des Anhangs 6.1 des Versenkantrags eindrucksvoll kompiliert wurden. Die Verteilung der Subrosionspunkte beweist vielmehr einen disharmonischen Subrosionsverlauf mit Erdfällen (wie beispielsweise jüngst in Tiefenort). Eine „Plombierung“ des Einsturzgebirges durch eine tonige Grundmasse mag lokal vorkommen, doch ist dies nicht als Regelfall anzusehen. Das Einsturzgebirge ist eher als ein in seinem ursprünglichen Verband gestörtes, zerblocktes und zerrüttetes Deckgebirge anzusehen. Die von K+S (2011) präsentierten Photos von „plombierten Brekzien“ dürften eher Residualgebirge (s.u.) zeigen. Auch die wenigen gemessenen 13 Gebirgsdurchlässigkeiten (kf-Werte) im Salzhangbereich weisen keineswegs auf ein undurchlässiges Gebirge hin. Am Salzhang-Innenrand endet der Plattendolomit in seiner Eigenschaft als gespannter Aquifer und geht in einen ungespannten, bestenfalls „halbgespannten“ (leaky) Aquifer über, der hydraulischen Kontakt zum hangenden Deckgebirge (hier Einsturzgebirge) hat. Das bezüglich des Salinars stratigraphisch hangende Einsturzgebirge (mechanisch zerrüttetes Deckgebirge) ist vom Residualgebirge zu unterscheiden, welches das stratigraphische Äquivalent des ehemals vorhandenen Salinars repräsentiert und naturgemäß gegen Ende der Salzauflösung eine überwiegend tonige Konsistenz annimmt. Residualgebirge kommt demnach nur im Liegenden des Plattendolomit-Niveaus vor. Die nachfolgende schematische Skizze (Abbildung 11) soll dies verdeutlichen. Abbildung 11 – Geologische Verhältnisse am Salzhang (Kreis). (linke Skizze nach TLUG). Von dem Salinar bleibt ein tonig geprägtes Residualgebirge (olivgrün) übrig, welches im Wesentlichen aus unlöslichen Bestandteilen des Salinars und aus eingearbeiteten Gesteinsfragmenten des Deckgebirges besteht. Das Einsturzgebirge ist das Hangende des ehemaligen Salinars und lagert über den Residualgesteinen. Dies vorweg geschickt, besteht die Relevanz der mit beiden Versenkräumen (Kleinensee/Eichhorst bzw. Gerstunger Mulde) hydrodynamisch korrespondierenden Plattendolomit-Bohrung Obersuhl 2 vermutlich darin, dass lokal begrenzt, ausnahmsweise noch knapp außerhalb des Salzhangs, ein gerade noch intakter Gesteinsverband und somit halbgespannter Aquifer vorliegt. Nur so können die von Eichhorst ausgehenden Drucksignale bis zur Bohrung Obersuhl 2 weiter geleitet werden. Im Regelfall werden jedoch die im gespannten und nur 20 m mächtigen Plattendolomit-Aquifer eng „kanalisierten“ Drucksignale (Piezometerhöhen-Schwankungen) beim Übergang in das ca. 500 m mächtige und zerrüttete Einsturzgebirge gestreut und ausgedämpft. Die außerhalb des Salzhangs allgemein fehlenden hydrodynamischen Druck-Reaktionen auf innerhalb des Salzhangs versenkte Kaliabwässer sind daher nicht durch eine hydrodynamische Barriere am Salzhang bedingt, sondern durch den Übergang von einem gespannten in einen ungespannten, wesentlich größeren Aquifer. Vielleicht macht der Vergleich mit einem ins Meer mündenden Fluss die Situation deutlich: Unterschiedliche Wasserführung des Flusses macht sich in entsprechenden Schwankungen der Fluss-Pegelstände bemerkbar, die jedoch hinter der 14 Einmündung ins Meer nicht mehr feststellbar sind. Umgekehrt setzen Meeresspiegelschwankungen auch (ein Stück weit) in den Flusslauf hinein fort. sich Beschränkt sich die zukünftige Beeinflussung des Buntsandsteins ausschließlich auf die von K+S angegebenen Entlastungszonen entsprechend der Druckausbreitung und den Grundwassergleichenplänen? Die modellhaften Vorstellungen von K+S (Plümacher, 2008) über die Beschränkung von Entlastungsgebieten des Plattendolomits auf den Verlauf des Werratals werden von den SkyTEM-Messungen nur teilweise bestätigt. Signifikante Abweichungen bestehen besonders in Form des ausgedehnten (5 mal 10 km) Anomalien-Gebiets im Umfeld des Herfa-Tals, also zwischen den Versenkgebieten Eichhorst und Hattorf. Dort ist ausweislich der Widerstandsanomalien der Buntsandstein großräumig von Salzwässern infiltriert worden. Treibende Kraft ist wahrscheinlich die Überlagerung der Druckausbreitungsgebiete der genannten Versenkräume im Plattendolomit, mit der Folge von Leckagen in den hangenden Buntsandstein. Aus Abbildung 9 ist zu erkennen, dass die Widerstandsanomalie nordwest-südost orientierte Streifen aufweist, die mit Aufreihungen bekannter Erdfälle (K+S Versenkantrag, Anhang 6.1, Anlage 4) korrespondieren. Nordwestsüdost ist auch die regional vorherrschende Störungsrichtung. Daher liegt der Schluss nahe, dass die Streifenmuster mit Störungen und störungsgebundenem Salzwasseraufstieg in Zusammenhang stehen. Die im Zusammenhang mit der Herfa-Tal-Anomalie bisher erfolgten (Fehl-)Deutungsversuche von K+S (2011b), die im Wesentlichen zum Ziel haben einen Abwassereinfluss zu leugnen, ignorieren völlig die Möglichkeit, dass die Kaliabwässer auch vom Versenkgebiet Hattorf stammen können. Da die Anomalie bis hin zu den Hattorfer Versenkbohrungen reicht (Abbildungen 12 und 13), ist diese Herkunft viel plausibler. Es muss hier auf die unmittelbare Nähe dieser störungsgebundenen Wasserwegsamkeiten zur Untertagedeponie Herfa-Neurode hingewiesen werden. Die Erdfälle belegen rezente Subrosion, die offensichtlich an Störungszonen gebunden ist und die Salzbarriere im Hangenden der Deponie auslaugt. K+S (2010, Anhang 10.1, S.30 ) berichten in anderem Zusammenhang: KÄDING (1959) kartierte in seiner Diplomarbeit südlich des Herfabach-Tales mehrere Subrosionssenken, die sich perlschnurartig in SE-NW-Erstreckung aufreihen sollen, und unter Tage sind um die Schächte Herfa und Neurode großräumige Vertaubungen der Kaliflöze Hessen und Thüringen sowie Ummineralisationen (Kristallsalz) bis hin zu Salzgroßschollenbrekzien angetroffen worden. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird die Subrosion sogar durch die Kaliabwasserversenkung begünstigt, indem künstliche Strömungen an der Subrosionsfront induziert werden. Hierin wird eine ernste Gefahr für die Langzeit-Sicherheit und möglicherweise sogar für die Betriebssicherheit der UTD Herfa-Neurode, der größten Untertagedeponie der Welt, gesehen. Dies ist ein starkes Argument für eine gründliche strukturgeologische Überarbeitung des Gebietes auf Grundlage einer modernen 3D-Seismik (s.u.), und für eine Neubewertung der Deponie-Sicherheit. 15 Abbildung 12 – Elektrische Widerstands-Anomalie (SkyTEM, +120 bis +140m NN) im Gebiet des Herfa-Tals. Blaue ∅-Symbole: bekannte Erdfälle. Rote Quadrate: Kali-Schächte. Türkisfarbene Kreise: Versenkbohrungen. Weiße Kreise: Untersuchungsbohrungen. 16 Abbildung 13 – Hydrogeologische Modellvorstellung der K+S (Plümacher, 2008) mit überlagerten SkyTEM-Anomalie-Gebieten. Die vom Verfasser eingetragenen, teilweise ineinander übergehenden Anomalien werden wie folgt zugeordnet: gelb: Abwasserversenkung Hattorf (und früher Merkers) – Buntsdandstein, Quartär. purpur: Haldenwasserfahne Hattorf – Buntsandstein, Quartär. pink: Versalzungsgebiet Herfa-Tal – Buntsandstein. orange: Versenkungsgebiet Heringen – Buntsandstein. dunkelrot: Haldenwasserfahne Wintershall – Buntsandstein, Quartär. violett: Salzabwasserfahne Kleinensee-Eichhorst – Buntsandstein. hellblau: Salzabwasserfahne Schacht Dankmarshausen – Buntsandstein. mittelblau: Versenkgebiet Horschlitt – Plattendolomit. grün: Versenkgebiet Frauensee – Plattendolomit. hellgrün: Versenkgebiet Gerstunger Mulde - Buntsdandstein, Quartär. In Abbildung 13 wird vom Verfasser versucht, die einzelnen SkyTEM-Anomalien bestimmten Versalzungsquellen zuzuordnen. Die farbigen Umrisse stellen in der Regel die äußersten Umrisse der über mehrere Tiefenschnitte verteilten 3-dimensionalen Anomalien dar, die auch bestimmten stratigraphischen Niveaus zugeordnet werden können. Man erkennt, dass 17 die von Salzwässern beanspruchte Fläche im Verlauf des Werra-Tals deutlich kleiner ist als von Plümacher (2008) skizziert. Daher dürfte auch das im Buntsandstein in diesem Teilgebiet eingewanderte Salzwasservolumen deutlich kleiner sein als von Plümacher (2008) abgeschätzt wurde. Der Volumenanteil des im Plattendolomit fehlenden Salzwassers ist daher vermutlich nicht vollständig durch das von Plümacher (2008) (Vgl. Abbildung 13) skizzierte Entlastungsgebiet zu erklären. Die rechts der Werra gelegenen Versenkgebiete Horschlitt und Frauensee weisen übrigens keine größeren Salzwasservorkommen im Buntsandstein auf. Hier sitzt das versenkte Salzabwasser bestimmungsgemäß im Plattendolomit. Auffallend ist auch die Ausbreitung der in Hattorf versenkten Salzabwässer „werra-aufwärts“ bis in den Raum Tiefenort. Diese Ausbreitung gegen den natürlichen Druckgradienten ist nur möglich, weil in Hattorf ein entsprechend hoher Versenkdruck aufgebaut wird. Die in Abbildung 13 von Plümacher (2008) dargestellten Grundwassergleichen beziehen sich offenbar auf einen Zustand ohne künstliche Druckerhöhungen infolge Abwasserversenkung. Bei laufendem Versenkbetrieb baut sich im Zentrum und Umfeld der Versenkgebiete jeweils ein Druckkegel auf, der beispielsweise für das Versenkgebiet Eichhorst bis über 500 m NN ansteigen kann, wie auch aus früheren Darstellungen von K+S hervorgeht. Die in Abbildung 10 angegebenen und selbst von K+S anscheinend bezweifelten (Fragezeichen in Abbildung 10!) Piezometerhöhen von nur 260 m NN, bei Ortshöhen der Versenkbohrungen von 350 m NN bei Eichhorst 1, 410 m NN bei Eichhorst 2 und 417 m NN bei Bodesruh, bei Abwasserdichten bis 1,3 g/cm³ und bei Kopfdrücken von mehreren bar, können niemals zutreffen. Sie liegen bei Versenkbetrieb wahrscheinlich deutlich über 500 m NN. – Auch im Versenkgebiet Hattorf ist der Versenkeinfluss auf die Grundwassergleichen nicht berücksichtigt. Bei einer fortgesetzten Kaliabwasserversenkung, wie sie nun vom RP Kassel für zunächst vier Jahre genehmigt wurde, muss mit einer weiteren lateralen Ausweitung der betroffenen Salzwasserkörper (elektrischen Widerstands-Anomalien) im Buntsandstein gerechnet werden. Speziell im Gerstunger Gebiet ist eine Vergrößerung des Salzwasserkörpers im Bereich der Sängerwiese zu befürchten, die zu einer zunehmenden Bedrohung für den Trinkwasserbrunnen Kohlbach I führt. Der Sichtweise von K+S (2011): „Mit weiter reduzierten Versenkmengen gehen auch die künftig zu erwartenden Übertritte in den Buntsandstein zurück“, muss widersprochen werden, denn jedes weitere Volumen versenkter Kaliabwässer wird ein gleiches Volumen Salzwasser verdrängen, welches dann zwangsläufig in den darüber liegenden Buntsandstein eindringt und seinerseits das dort befindliche (wie auch immer beschaffene) Formationswasser verdrängt, usw. . Hier sei der Vergleich mit der bereits überlaufenden Badewanne gestattet, die auch bei halb zugedrehtem Wasserhahn weiter überläuft. 18 Sind Störungszonen entsprechend dem Stand der Wissenschaft nicht potenzielle Übertrittsgebiete, sind diese ausreichend erfasst und liegen hier Kartenmaterialen vor? Welche Anforderungen bestehen entsprechend dem Stand der Wissenschaft und Technik an die Erfassung von Störungszonen? Die Erkennung und korrekte Darstellung von geologischen Störungen (Verwerfungen) ist für kartierende Geologen in Gebieten mit intensiver Bodenbildung und Vegetation ein großes Problem. Dies gilt umso mehr in Gebieten mit monotonen Gesteinsabfolgen, wie dem ca. 500 Meter mächtigen Buntsandstein. Störungssysteme weisen in Abhängigkeit vom tektonischen Beanspruchungsplan häufig sehr regelmäßige Bruch- und Bewegungsmuster auf, und sie haben häufig aufgrund von Gesteinsauflockerungen geomorphologische Pendants. Dennoch ist ihre örtliche Fixierung häufig nur an wenigen Punkten möglich und der weitere Verlauf muss extrapoliert werden. Andererseits haben Störungen eine große praktische Bedeutung, gerade in der Angewandten Geologie, besonders der Hydrogeologie. Störungen können, bei brekziöser Ausbildung (Brekzie = zerbrochenes Gestein, bestehend aus kantigen Fragmenten mit zahlreichen offenen oder gefüllten Zwickeln dazwischen) Grundwasserleiter erster Ordnung sein. Umgekehrt können Störungen bei angrenzenden Tongesteinen auch Schichtgrundwasserleiter seitlich begrenzen. Die spröden Gesteine des Plattendolomits und des größten Teils des Buntsandsteins neigen eher zur Bildung wasserdurchlässiger Störungszonen. Die Grundwasser stauenden hangenden und liegenden Begleitsedimente des Plattendolomits können bei Störungen mit geringen Sprunghöhen auch im Störungsbereich abdichtend wirken. Eine genaue Kenntnis von Störungszonen ist somit in Gebieten wie dem Werra-Kalirevier für hydrogeologische Fragestellungen sehr wichtig. Es existieren einige ältere Publikationen, die sich dem Thema widmen (z.B. Hessmann und Richter, 1978), aber eine moderne Bearbeitung fehlt offenbar. Hessmann und Richter (1978) beschreiben übrigens auch die „klassische“ Störung Dankmarshausen-Dippach-Dönges, die bei K+S unbekannt zu sein scheint. (Vergleiche Abbildung 14). Umso weniger ist es verständlich, dass bislang keine dem Stand der Technik entsprechende 3D-seismische Untersuchung des Versenkgebietes existiert. Die 3D-Seismik ist heute das Werkzeug der Wahl zur Abbildung der geologischen Strukturen im Untergrund. Im Zusammenhang mit den zahlreichen Tiefbohr-Daten könnte ein sehr zuverlässiges geologisches Modell erarbeitet werden, das seinerseits die Grundlage für das von K+S zu erarbeitende 3D-Grundwassermodell bilden müsste. Den hydrogeologischen Modellansätzen fehlt es bisher an einer solchen zuverlässigen geologischen Grundlage. Die vielfältigen Auswirkungen des Kalibergbaus, insbesondere die latente Gefahr von Gebirgsschlägen, die hydrologischen Folgen der Kaliabwasserversenkung, die Sicherheit/Unsicherheit von Untertage-Deponien, aber auch die hydraulische Gefährdung des Kalibergbaus u.a.m., erfordern geradezu eine genauere Kenntnis der geologischen Strukturen. 19 Abbildung 14 – Schema bruchtektonischer Zonen im Werra Kaligebiet. Aus Hessmann und Richter (1978). Durchgehende Linien (1): Störungen , Gestrichelte Linien (2): Basaltgänge. Welche Salzabwässer (Alter der Versenkung) diffundieren derzeit in die Werra und welche sind derzeit in den Aufstiegsgebieten zu beobachten? Ist damit zu rechnen, dass zunächst natürliches Formationswasser, dann Mischwässer mit Kieseritwaschwässern sowie später Mischwässer mit „harten“ Abwässern (magnesiumreich) das Grundwasser im Buntsandstein beeinflussen werden? Die Untersuchungen der diffusen Salzwasserzutritte zur Werra anhand der Gütemessstellen beschränken sich, zumindest soweit hier bekannt, auf Betrachtungen der Chlorid-Frachten. Daher kann auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Analysedaten keine Aussage über die Zusammensetzung der diffusen Zuflüsse getroffen werden. Aussagekräftiger als das 20 Chlorid wären hier insbesondere die Kalium-, Sulfat- und Bromid-Konzentrationen bzw. Frachten. Bereits wenige Jahre nach Beginn der Kaliabwasserversenkung im Jahr 1925 in Kaiseroda (Merkers) wurden an Quellen zunächst Anteile von NaCl-reichen Formationswässern beobachtet, die später zunehmende Anteile von Kaliabwässern enthielten. Dies ist auch die allgemein zu erwartende Reihenfolge, wenn in den „jungfräulichen“ Plattendolomit verpresst wird, der abseits der Speisungsgebiete, in geologischen Tieflagen, mehr oder weniger stark verdünnte Subrosionswässer führt, also NaCl-dominierte Wässer. Mit zunehmender Verweilzeit von Magnesiumchlorid-reichen Kaliabwässern im Plattendolomit, kommt es zu Nebengesteinsreaktionen mit dem Plattendolomit. Der Plattendolomit ist ein ursprünglich als Kalkstein abgelagertes Sedimentgestein, das über geologische Zeiträume durch natürliche Prozesse regional unterschiedlich stark in Dolomit umgewandelt worden ist, nach der Gleichung: 2 CaCO3 + Mg++ Calcit CaMg(CO3)2 + Ca++ Dolomit Meistens sind noch mehr oder weniger große Calcit-Anteile erhalten. Die gleiche Reaktion (Dolomit-Bildung) läuft auch innerhalb weniger Monate bis Jahre zwischen (Rest-)Calcit und den Magnesium-Ionen der Kaliabwässer ab. Hierfür liegen mittlerweile zahlreiche Beweise vor, beispielsweise in Form der beobachteten chemischen Entwicklungen in den Plattendolomit-Messstellen Herda 2 und Herda 9. Solange Calcit und Dolomit nebeneinander existieren, haben die im Gleichgewicht mit beiden Phasen stehenden Lösungen ein bestimmtes und konstantes Ca/Mg-Verhältnis (das dem so genannten Calcit/Dolomit-Puffer entspricht). Ist der Calcit-Vorrat verzehrt, so kann die Reaktion weiter gehen indem nun der Dolomit zu Magnesit weiter reagiert, nach der Gleichung: CaMg(CO3)2 + Mg++ Dolomit 2 MgCO3 + Ca++ Magnesit Diese Reaktion wurde vom Verfasser bisher nur theoretisch postuliert, konnte aber kürzlich für den Raum Tiefenort nachgewiesen werden. Die Ca/Mg-Verhältnisse der möglicherweise bei Kaiseroda bereits vor dem zweiten Weltkrieg versenkten Kaliabwässer entsprechen heute, nach intensiven Reaktionen mit dem Nebengestein, dem theoretischen Wert des Dolomit/Magnesit-Puffers (Abbildung 15). 21 Abbildung 15 – Pufferwirkung des Dolomit/Magnesit-Puffers bei Kaliabwässern im Raum Tiefenort. Man beachte auch die Calcium-Zunahme in den Lösungen, weit über die CaKonzentrationen der Abwässer hinaus. Da ein Mol Dolomit (Vm=64,340 cm³) ein geringeres Molvolumen (Vm) hat als zwei Mol Calcit (Vm=36,934 cm³), und zwei Mol Magnesit (Vm=28,018 cm³) wiederum ein geringeres Molvolumen als Dolomit, verringert sich der Raumbedarf der mineralischen Festkörper um bis zu 24 Prozent, was sich durch eine erhöhte Porosität bzw. Verkarstung manifestiert. Diese Mineralreaktionen können auch die Dolomit-Gesteine im Liegenden des Plattendolomits betreffen, die Teil der unteren Barriereschichten des PlattendolomitVersenkraums sind. Dadurch kann die Barrierewirkung gegenüber dem Steinsalz geschädigt werden, wodurch sich auch potentielle Gefahren für die Kalibergwerke ergeben könnten. Die unter Magnesit-Bildung im Plattendolomit veränderten Kaliabwässer (bzw. Mischwässer) befinden sich im Raum Tiefenort inzwischen nachweislich im Niveau des Buntsandsteins, sind also in diesen eingewandert. In ähnlicher Weise sind auch die Kaliabwässer im Gerstunger Raum, (z.B. Hy Gerstungen 1/2009) in den Unteren Buntsandstein eingewandert, sogar in topographisch hoch gelegene Bereiche, was für einen störungsgebundenen Transport spricht. Eine ähnliche Situation scheint auch im Gebiet der Sängerwiese (südöstlich Gerstungen), im ehemaligen Versenkgebiet Heringen sowie im Bereich der HerfaTal-Anomalie vorzuliegen. Im Transit-Gebiet zwischen dem Versenkraum Kleinensee bzw. Eichhorst und der Gerstunger Mulde fehlen bislang geeignete Messstellen, die eine 22 chemische Beurteilung der dort vorgefundenen elektromagnetischen Anomalien erlauben könnten. Soweit Analysenergebnisse vorliegen, handelt es sich in den genannten Fällen um Kaliabwässer bzw. Mischwässer, die sich von den im Plattendolomit und in manchen Tieflagen des Buntsandsteins befindlichen Subrosionswässern deutlich unterscheiden. II. Überwachung Sind die in der Genehmigung angeordneten zusätzlichen Messstellen an den jeweiligen vorgesehenen Standorten sinnvoll? Die im Erlaubnisbescheid angeordneten zusätzlichen Messstellen erfüllen alle einen sinnvollen Zweck, sind jedoch im Hinblick auf die Gefährdung der Gerstunger Brunnen nicht aussagekräftig. Von Krupp (01.12.2011, Tabelle 2 und Abbildung 6) wurde kürzlich bereits ein Vorschlag für geeignet erscheinende Messstellen vorgelegt, auf den verwiesen wird. Diese Messstellen sind so positioniert, dass sie die vom Versenkgebiet Kleinensee bzw. Eichhorst ausgehenden Salzwasserfahnen erfassen und Probenahmen in den relevanten Tiefenabschnitten zulassen, die dann auch eine hydrochemische Bewertung erlauben. Gleichzeitig können diese Messstellen die Funktion von Vorfeld-Messstellen für die Gerstunger Brunnen erfüllen. Aufgrund der komplexen Ausbreitungspfade der versenkten Abwässer, die teils über Porengrundwasserleiter, teils über Störungen verlaufen, werden alle von Krupp (01.12.2011, Tabelle 2 und Abbildung 6) vorgeschlagenen Bohrungen für erforderlich gehalten. Bei dieser Gelegenheit wird auch nochmals darauf hingewiesen, dass Messstellen im Rahmen des Monitorings nur dann ihren Zweck erfüllen können, wenn der Ausbau mit Filterrohren sachgerecht und die Probenahmen bzw. Bohrlochmessungen zielgerichtet und in ausreichend kurzen Zeitabständen erfolgen. Hier bestehen teilweise Defizite, auf die auch bereits hingewiesen wurde (z.B. Krupp, 23.11.2011). 23 Können diese zusätzlichen Messstellen gemäß Erlaubnisbescheid überhaupt eine Überwachung des Grundwasserleiters Buntsandstein sicherstellen? Ist insbesondere eine vollständige Überwachung einer solchen tatsächlich gegebenen Grundwasserbeeinflussung möglich? Das noch weiter auszubauende Messstellen-Netz kann zwar wichtige Einblicke in die Grundwasser- und Abwasserströme liefern, bietet aber auch in Verbindung mit weiteren Untersuchungsmethoden nur eine begrenzte Gewähr für ein frühzeitiges Erkennen von Gefahren für Trinkwasser-Brunnen. Ein wichtiger Grund dafür ist die bisher unterschätzte Rolle von Störungssystemen bei der Ausbreitung von Salzwasserströmen. Die Bedeutung der Störungen ist sicher eines der wesentlichen allgemeingültigen Ergebnisse der SkyTEMUntersuchungen. Steht eine Messstelle abseits einer wichtigen, hydraulisch leitenden Störung, sind ihre Messwerte unter Umständen sogar irreführend. Eine zuverlässige Erfassung des tektonischen Störungssystems im gesamten durch Versenkung betroffenen Raum erscheint daher unverzichtbar. Erst unter Einbeziehung dieser Basis-Informationen kann auch ein zuverlässiges 3D-Grundwassermodell erstellt werden, wobei die realitätsnahe Diskretisierung von Störungszonen in einem solchen Modell noch eine größere Herausforderung darstellen dürfte. Aufgrund der 3D-seismisch nachgewiesenen Störungszonen müssten dann im Nachgang evtl. weitere Messstellen auf wichtigen Störungszonen eingerichtet werden. Quellen Aragon U (2007) Verbleib des Salzabwassers aus der Versenkung. Vortragsfolien, HLUG Hessmann W, Richter E (1978) Zu den strukturgeologisch-tektonischen Verhältnissen des Werra-Kaligebiets der DDR. Z.angew.Geol. 24(7/8), 292-296. K+S (2010) Hydrogeophysikalische Auswertung der Hubschrauberelektromagnetik (HEM) 2008 im Werra-Kaligebiet. Anlage 10.1 Erläuterungsbericht zum Versenkantrag K+S (2010). Bearbeiter: Dr. Jens Barnasch, Dr. Wolfgang Beer. Juni 2010. K+S (2011) Stellungnahme der K+S Kali GmbH zur hydrogeologichen Stellungnahme des HLUG vom 15.08.2011. - Philippsthal, 26.09.2011 24