Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung

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Ausgabe 3 | 2014
Landinfo
Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung
Invasive Arten
Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung
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Herausgeber
Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und
der ländlichen Räume (LEL)
Oberbettringer Str. 162
73525 Schwäbisch Gmünd
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Schriftleitung
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Redaktionsbeirat
Werner Balbach, LRA Schwäbisch Hall
Gottfried Bleyer, WBI Freiburg
Martina Burkhardt, RP Stuttgart
Anne Spelsberg, LRA Schwäbisch Hall
Jürgen Käßer, LEL Schwäbisch Gmünd
Robert Koch, LVG Heidelberg
Andreas Maier, RP Karlsruhe
Walter Maier, LRA Schwarzwald-Baar-Kreis
Uwe Michelfelder, LVWO Weinsberg
Michael Asse, LSZ Boxberg
Daniela Schweikhart, LRA Biberach
Renate Lindner, LAZBW Baden-Württemberg
Layout und Text
Ramona Maier
E-Mail: [email protected]
Hinweis
Alle Artikel werden im Intranet der Landwirtschaftsverwaltung bei:
online-Service/Publikationen/Landinfo eingestellt. Bereits erschienene
Artikel können dort recherchiert werden, die Abbildungen erscheinen farbig.
Ältere Jahrgänge der Landinfo sind allgemein zugänglich unter:
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Die namentlich gekennzeichneten Beiträge geben die Auffassung der Autoren wieder.
Für die fachliche Richtigkeit zeichnet die Redaktion nicht verantwortlich.
Druck
e. kurz + co. druck und medientechnik gmbh
Kernerstr. 5, 70182 Stuttgart
Erscheinungsdatum
Juli 2014
ISSN 0947-9392
Titelbild
Tim Haye, CABI Forschungsinstitut CH
Landinfo 3/2014
Editorial
Das Neue dringt herein mit Macht...
das Alte, das Würdige scheidet,
andere Zeiten kommen
So dichtet Friedrich Schiller in seinem Wilhelm Tell. Mit dem Neuen ist häufig auch Unsicherheit verbunden.
So wird die Angst vor etwas Neuem, unbekannten Situationen, neuartigen Dingen oder fremden Personen
in der Wissenschaft als Neophobie (lateinisch neophobia) bezeichnet.
In den Medien ist das Eindringen oder die Invasion meist mit Meldungen über die Zuwanderung von Menschen aus Krisengebieten präsent. Zuwanderung und Invasion sind aber auch Themen, die seit Jahrmillionen
entscheidend sind für die Verbreitung der Tier- und Pflanzenarten auf unserem Planeten. Die Natur ist in
einem ständigen Änderungsprozess, den der Mensch wechselweise schätzt oder fürchtet. Schon mit der Ausbreitung des Homo sapiens von Afrika über Kleinasien nach Europa kamen im Gepäck unsere Getreidearten
und wohl auch Teile der Ackerbegleitflora. Die gezielte Einbürgerung von Pflanzen in Europa, wie Kartoffel,
Mais oder Soja, war auch die Grundlage für Schädlinge wie den Kartoffelkäfer oder den Maiszünsler.
Heute werden durch den globalen Handel und die weltweiten Reisen neue Arten mit rasanter Geschwindigkeit verbreitet. Umso größer muss die Aufmerksamkeit sein, mit der wir die Einflüsse untersuchen, die invasive Arten auf unser Ökosystem und auch auf unsere landwirtschaftlichen Kulturen ausüben. Manche sind
eine Bereicherung, sind Nahrung für Wildtiere oder vielsprechende Alternativen im Hinblick auf den Klimawandel. Andere sind durch ihre aggressive Ausbreitung, die Verdrängung nützlicher Arten oder durch ihre
direkte Schadwirkung unerwünscht und unter Kontrolle zu halten. Ob uns das gelingt ist schwer vorhersehbar. Letztlich wird uns nichts anderes übrig bleiben, als mit der Dynamik der Natur zu leben und so gut es
geht zu versuchen uns an den stetigen Wandel anzupassen.
Susanne Mezger
Susanne Mezger
LEL Schwäbisch Gmünd
Tel. 07171/ 917-114
susanne.mezger@lel.
bwl.de
Landinfo 3 | 2014
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Editorial
1
Aktuelles
Pressemitteilung: 500 Jahre Haupt- und Landgestüt Marbach
3
Kurz mitgeteilt
Schwerpunktthema Invasive Arten
Drei neue invasive Insektenarten in Deutschland: Esskastaniengallwespe, Bläulingszikade und
Marmorierte Baumwanze
Gebietsfremd oder heimisch?
Schadbilder an Walnuss - amerikanische Walnussfruchtfliege und Pilzkrankheiten mindern den Ertrag
Der Waschbär erobert die Agrarwelt
Zimmermann, v. Wuthenau
5
aid
12
Koeppler
16
Arnold
20
Mitten im Leben
Ernährungsinformation Fisch
22
Rezept Reispfanne mit Fisch
Personal / Rezensionen
24
Der Stör: Ein Portrait
25
Betrieb und Unternehmen
Erfahrungen mit der Nutzung der öberflächennahen Geothermie
Albers
26
Pflanzen- und Tierproduktion
125 Jahre Hinterwälderzucht
Maus
29
Gartenbau und Sonderkulturen
VineMan.org - Europäisches Projekt zur Verbesserung des Pflanzenschutzes im ökologischen Weinbau
Fuchs
33
Hauswirtschaft und Ernährung
Internetanwendung Deckungsbeiträge und Kalkulationsdaten von Einkommenskombinationen
Abele
34
Ramminger-Guderlei
35
Stricker
38
Hillenbrand
40
Enderle
42
Denninger
43
Slow Food Messe: Ernährungszentrum mit Fußspuren im Frühstück
Tag der Schulfrucht 2014
Interkulturelle Kompetenz - auch in der Ernährungsbildung gefragt
Bildung und Beratung
Pädagogischer Tag 2014: „Schnittstelle Berufsschule - Fachschule“ im Blick
Lehrerausbildung und Lehrergewinnung in der Agrarwirtschaft
Letzte Seite
„Die Leute, die niemals Zeit haben...“
Redaktionsschluss der Ausgabe 4/2014: 19.09.2014
2
Landinfo 3 | 2014
Aktuelles
Presse- und
Kurzmitteilungen
PRESSEMITTEILUNG Nr. 31/2014
500 Jahre Haupt- und Landgestüt
Marbach: Offizieller Festakt mit
Ministerpräsident Kretschmann und
Landwirtschaftsminister Bonde
Feierliche Ansprachen und tolles Schauprogramm
mit der Quadrille der deutschen Landgestüte eröffneten das große Marbacher Festwochenende
Marbach, 17.05.2014 (HuL Marbach). Der offizielle
Festakt, mit dem die Jubiläumsfeierlichkeiten eingeleitet wurden, war ein voller Erfolg. Es herrschte eine
feierliche Atmosphäre beim Empfang in der historischen Reithalle und bei den anschließenden Ansprachen und Grußwörtern in der großen Veranstaltungshalle. Das Gestüt präsentierte in den Schaubildern
die Rassevielfalt der Marbacher Zucht, und die Landgestüte gaben ihre Gratulationsquadrille zum Besten.
An den Empfang in der historischen Reithalle schloss
sich der Festakt in der Veranstaltungshalle an. Die
Bürgergarde zu Pferd Gelbe Husaren Altshausen e.V.
schickte seinen Fanfarenzug, während sich die Festgesellschaft auf Ihren Plätzen einfand. Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit Ehegattin, Landwirtschaftsminister Alexander Bonde, seine Königliche Hoheit Herzog Friedrich von Württemberg, der
Vizepräsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung Theo Leuchten und Landoberstallmeisterin Dr.
Astrid von Velsen- Zerweck wurden mit zwei Vierspännern in die festlich geschmückte Reithalle eingefahren. Der Kinderchor der Sternbergschule Gomadingen ehrte den Ministerpräsidenten, der in
Marbach seinen Geburtstag feierte, mit einem Geburtstagslied. Die offizielle Begrüßung durch die
Landoberstallmeisterin wurde untermalt von drei
freilaufenden Vollblutaraber-Stuten mit Fohlen aus
der Silbernen Herde Marbachs. „Gemeinsam gelingt
Landinfo 3 | 2014
es uns auch die letzten Zweifler von der Bedeutung
und Qualität des Landesbetriebes Marbach zu überzeugen“, sagte die Frau an der Spitze des ältesten
staatlichen Gestüts Deutschlands.
Anschließend präsentierte das Gestüt unter Leitung
von HSM Rudi Schmelcher die Rassevielfalt der Marbacher Zucht und die vielseitigen Einsatzgebiete der
Marbacher Pferde: ULLYSEE DES PRÉS, der in einem Zuchtversuch in der Altwürttemberger Zucht
eingesetzt wird, durchbrach mit seiner Reiterin PW
Alexandra Wolf die beiden „500 Jahre Marbach(Papier-)Wände“ im vollen Galopp. Vier Vertreter
der Schwarzwälder Kaltblutzucht wurden unter dem
Sattel und vor dem Traberwagen präsentiert. Das
Württemberger Dressurpferd Wellington und der
Marbacher Landbeschäler WILDHÜTER zeigten exzellente Piaffen und Passage am langen Zügel.
Seine Königliche Hoheit
Herzog Friedrich von
Württemberg und FNVizepräsident Theo Leuchten
im Marbacher Vierspänner
Das Publikum lauschte der feierlichen Ansprache
des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann,
und gab einen großen Applaus, als dieser die Frage
nach der Existenzberechtigung des Haupt- und Landgestüts Marbach beantwortete: „Die Frage des Erhalt
stellt sich überhaupt nicht. Selbstverständlich soll das
Haupt- und Landgestüt Marbach erhalten bleiben. Es
ist die Perle der schwäbischen Alb“.
Ein besonderes Schaubild bot die Quadrille „Reiten
ohne Hindernis – gelebte Inklusion“ mit Auszubildenden des Haupt- und Landgestüts Marbach und
Reitern mit körperlichem und geistigem Handicap.
Der Auftritt unter Leitung von Christa Hinrichsen,
PWM Andrea Schmitz und Babara Link wurde unterstützt vom Deutschen Kuratorium für therapeutisches Reiten, vom Pferdesportverband Baden-Württemberg e.V. und vom Verein Sprungbrett e.V.
Gelebte Inklusion: Quadrille
mit Auszubildenden des
Haupt- und Landgestüts
Marbach und Reitern mit
körperlichem und geistigem
Handicap
Daran schlossen sich die Grußworte des Landwirtschaftsministers Alexander Bonde: „Sie stehen in der
Reihe der vielen Menschen, die dieses Gestüt gegründet, aufgebaut, erhalten und weiterentwickelt
haben. Mit großem Engagement leben und pflegen
Sie die Pferde, die Landschaft, die Tradition. Und Sie
setzen Impulse für eine zukunftsweisende Weiterentwicklung Ihres - und unseres - Haupt- und Landgestüts“, lobte er die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gestüts.
Die Marbacher Landbeschäler SIR NYMPHENBURG, LEMBERGER, QUADROFINO, IL DIVO
xx, LARIMAR, SIR SANDRO und HOCHFEIN zeigten auf dem Laufsteg unter ihren Reitern Denis Bogdanow, Lissy Eppinger, Elisabeth Wiltafsky, Cornelia
Pape, Eileen Meier und HSM Rolf Eberhardt.
Gratulationsquadrille der
Deutschen Landgestüte
Bilder: Stephan Kube
3
Aktuelles
Theo Leuchten, Vizepräsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung in Warendorf, hielt in seinen
Grußworten fest: „Der Mittelpunkt der heutigen Veranstaltung ist das Pferd und das Pferd ist für Mensch
und Gesellschaft eine unverzichtbare Größe“. Es
folgte zum Abschluss die große Gratulationsquadrille, in der von jedem Landgestüt ein Reiter in der
traditionellen Uniform seines Gestüts mit einem
Landbeschäler vertreten war.
Ministerpräsident Winfried
Kretschmann und
Landoberstallmeisterin Dr.
Astrid von Velsen-Zerweck in
der historischen Reithalle
Bild: Stephan Kube
Der offizielle Festakt fand seinen Ausklang in der
historischen Reithalle beim Jubiläumsempfang.
Landoberstallmeisterin Dr. Astrid von Velsen-Zerweck führte Herrn Ministerpräsidenten Kretschmann in Begleitung seiner Ehefrau und des Landwirtschaftsministers Bonde über die historische Gestütsanlage. „Der offizielle Festakt verlief zu unserer
vollsten Zufriedenheit. Nun freuen wir uns auf viele
Gäste bei den kommenden Feierlichkeiten: Heute
Abend beim Hoffest und am Sonntag beim Tag der
offenen Tür auf den Gestütshöfen Marbach, Offenhausen und St. Johann“.
de in der konventionellen Landwirtschaft nach wie
vor problematische Entwicklungen, wie etwa hohe
Nährstoffüberschüsse durch intensive Viehhaltung,
zusätzliche Gülleimporte oder das Umbrechen von
Grünland, das kurzfristig für massive N-Verlagerungen ins Grundwasser sorge.
Konkrete Zahlen zu den N-Gehalten im Raum Weser-Ems lieferte Dr. Rudolf Eilert von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. „Bei unseren Messungen zu mineralisiertem Stickstoff im Herbst lagen
die Werte auf Ökoflächen über alle Kulturen hinweg
durchschnittlich 30 kg niedriger als auf konventionellen Schlägen“, berichtete Eilert. Dieser positive Effekt des ökologischen Landbaus ist auch wissenschaftlich in zahlreichen Forschungsprojekten gut
belegt. Dennoch sei es gerade in Wasserschutzgebieten notwendig, die N-Effizienz weiter zu verbessern,
auch für Biobetriebe. Deshalb würde laut Eilert die
Einhaltung entsprechender Maßnahmen durch Zuschüsse für beide Bewirtschaftungsformen gefördert.
Dazu gehörten z. B. Untersaaten in Mais, Zwischenfruchtanbau oder der Verzicht auf Gülleausbringung
in der Wasserschutzzone II.
Hinweis
Weitere Informationen zum Haupt- und Landgestüt
Marbach, zum 500-jährigen Gestütsjubiläum finden
Sie auf der Internetseite www.gestuet-marbach.de „
Mehr Ökolandbau in Wasserschutzgebieten?
- Fachberater diskutieren über verbesserten
Wasserschutz in der Landwirtschaft
(aid) - Der Ökolandbau hat starke Argumente für
den Wasserschutz. Das war das Fazit der Fachberatertagung der Stiftung Ökologie und Landbau Ende Mai
in Hannover, auf der 15 Berater und Praktiker über
die Vorteile und Optimierungsmöglichkeiten des
Ökolandbaus in Wasserschutzgebieten diskutierten.
Die Veranstaltung fand im Rahmen des Bundesprogramms Ökolandbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) statt.
Dr. Renate Thole vom Niedersächsischen Umweltministerium stellte einführenad als Initiative zur Verbesserung des Grundwasserschutzes das niedersächsische Kooperationsmodell vor. Es umfasst unter
anderem Ausgleichszahlungen für Betriebe in Wasserschutzgebieten, eine intensive Beratung und die
Einrichtung von Modellprojekten. Durch reduzierte
N-Düngung, Grünlandextensivierung und andere
Maßnahmen sei es innerhalb von zwölf Jahren gelungen, den durchschnittlichen Stickstoff (N)-Überschuss laut Hoftorbilanz der beteiligten Betriebe von
95 kg auf 65 kg N zu senken. Dennoch gäbe es gera-
4
Praktiker sehen diese Art der Entschädigung durchaus positiv, wie Guido Sandering aus dem Kreis Diepholz berichtete. Er leitet einen Milchviehbetrieb
mit Flächen in einem Wasserschutzgebiet. Für ihn als
Biolandwirt sei es ohnehin selbstverständlich, Zwischenfrüchte anzubauen oder Grünland nicht umzubrechen. Er begrüßte jedoch, dass die Förderung in
Zukunft ergebnisorientiert gezahlt werden soll, das
heißt auf Basis der tatsächlichen Nmin-Werte auf den
entsprechenden Flächen. „Ich glaube, das ist wesentlich nachhaltiger“, so Sandering.
Die Vorteile des Ökolandbaus für den Grundwasserschutz stellte auch Bernhard Schwab vom Amt für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bamberg heraus. „Neben dem geringeren N-Eintrag ist vor allem
der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel ein großer Vorzug, wenn man die Grundwasserqualität in der Fläche verbessern möchte“, erklärte Schwab. Er koordiniert die Initiative „Grundwasserschutz durch Ökolandbau“ in Unterfranken, bei der vor allem Betriebe
in Wasserschutzgebieten von den Vorteilen des Ökolandbaus überzeugt werden sollen. Seit 2007 sei der
Umfang der Bioflächen in der Region von 14.000 auf
25.000 ha gewachsen. Das sei laut Schwab ein schöner Erfolg. „Aber viele dieser Umstellungsflächen
liegen in Ungunstlagen. Wir würden uns freuen,
wenn auch in klassischen Ackerbauregionen häufiger
ökologisch gewirtschaftet würde“, sagte Schwab.
Aid-Newlsletter Nr. 22/2014* „
Landinfo 3 | 2014
Schwerpunktthema
Esskastaniengallwespe bei der Eiablage
Bild: Schrameyer, LTZ
Dr. Olaf Zimmermann, Matthias von Wuthenau
Drei neue invasive Insektenarten in Deutschland:
Esskastaniengallwespe, Bläulingszikade und
Marmorierte Baumwanze
Vorsorge und eine sichere Diagnose
stehen an erster Stelle
E
s stellt sich bei der Recherche von potentiellen
neuen Schadorganismen für Deutschland immer
die Frage, ob sich ein ähnliches Szenario wie in anderen Einschleppungsgebieten abspielt oder sich die
neue Art in die Riege bekannter Schädlinge einreiht
und durch den zur Verfügung stehenden Pflanzenschutz bekämpft werden kann. Aus Gründen der
Vorsorge sollten wir zunächst mit dem schlimmsten
Fall rechnen und gut vorbereitet sein. Umso besser,
wenn sich der Schädling als weniger problematisch
herausstellen sollte, als befürchtet wurde.
Viele neue Schädlinge werden über Südeuropa als
Zwischenstation zu uns eingeschleppt. Damit haben
wir in Deutschland eine gewisse Vorwarnzeit, die
genutzt werden sollte. Die Diagnose der Arten, d.h.
die Bestimmung ihres Schadbildes und die einzelnen
Entwicklungsstadien sind eine erste und sehr wichti-
Landinfo 3 | 2014
ge Voraussetzung. Im zweiten Schritt gilt es die betroffenen Wirtspflanzen, die aus zum Teil ganz unterschiedlichen Klimaten bekannt sind, für Deutschland zu bestätigen oder auch auszuschließen. Letztlich ist die Phänologie, der Entwicklungsverlauf, in
Deutschland zu beobachten und zu dokumentieren.
Die Frage der Anzahl der Generationen pro Jahr ist
für eine Bekämpfungsstrategie ganz entscheidend.
Wie grundsätzlich diese scheinbar trivialen Fragen
sind zeigt sich am Beispiel des Buchsbaumzünslers
Cydalima perspectalis, der noch nach fast acht Jahren
als Falter vielen Betroffenen nicht bekannt ist, die
meisten kennen nur die Raupen. Der Nachweis von
Euonymus- und Ilex-Arten als Wirtspflanzen in Asien wurde für Deutschland seit 2007 nicht bestätigt
und bei ausgewählten Arten auch direkt widerlegt.
Bei uns wird tatsächlich nur Buchs gefressen, dennoch werden die chinesischen Quellen zitiert und
die Gärtner verunsichert, ob nicht doch auch andere
Wirtspflanzen betroffen sein könnten. Und dass die
Bei der Einschleppung
neuer invasiver Arten
muss aus
Vorsorgegründen
zunächst mit dem
schlimmsten Fall
gerechnet werden.
Die Diagnose der Arten
und ihrer Schadbilder und
ihr Entwicklungsverlauf
unter unseren
Klimabedingungen sind
für die Bekämpfung
entscheidend.
5
Schwerpunktthema
Die Esskastaniengallwespe hat in
Deutschland nur geringe
wirtschaftliche
Bedeutung. Sie ist schon
2002 in Südeuropa
angekommen.
Entwicklung bei uns in nur einer vollen und einer
überwinternden Generation abläuft, ist selbst bei
erfahrenen Praktikern noch nicht überzeugend angekommen. Im Falle des Buchsbaumzünslers war das
Auftreten in Deutschland gleichzeitig der Erstnachweis für Europa. Damit lag die Verpflichtung der
schnellen Klärung von Biologie und Phänologie,
aber auch der Veröffentlichung und Verbreitung der
Kenntnisse bei uns in Deutschland.
Bei anderen Arten wissen wir im Vorfeld über südliche Nachbarländer was uns in den kommenden Jahren in etwa erwartet. Drei dieser neuen Arten werden im Folgenden kurz vorgestellt. Die Esskastaniengallwespe hat bei uns eine nur geringe wirtschaftliche
Bedeutung. Eine Ausrottung ist trotz ihres Quarantänestatus nicht mehr möglich, denn sie schafft durch
eine rasante Ausbreitung Fakten, die eine Entscheidung über das weitere Vorgehen vorweg nehmen.
Die Marmorierte Baumwanze und die Bläulingszikade stehen hingegen noch ganz am Anfang ihrer Ausbreitung in Deutschland. Daher ist es umso wichtiger
sie zu erkennen, Befallsstellen zu melden und sie mit
den zur Verfügung stehenden Pflanzenschutzmaßnahmen in Schach zu halten. Sie sind beide keine
Quarantänorganismen.
Die Esskastaniengallwespe - ein
Quarantäneschädling mit europaweit
sehr unterschiedlicher wirtschaftlicher
Bedeutung
Esskastaniengallwespe,
befallenes Blatt mit Galle
Bild: von Wuthenau, LTZ
Im Jahr 2013 wurde in Baden-Württemberg die Esskastaniengallwespe Dryocosmus kuriphilus, ein Quarantäneschädling, festgestellt. Nachdem bisher nur
Nachweise aus Gartencentern an importierten Pflanzen vorlagen, wurde im Raum Mannheim-Heidelberg ein bereits seit mindestens 2-3 Jahren befallener
Mischwaldbestand entdeckt. Ein anschließender baden-württembergweiter Aufruf zur unmittelbaren
Prüfung der Esskastanienbestände ergab einen weiteren größeren Befall im Tübinger Stadtwald und
einigen Befallsstellen entlang des Oberrheingrabens.
Auch außerhalb von Baden-Württemberg wurde in
dem Jahr Befall gemeldet. In Hessen und in Nordrhein-Westfahlen wurden an mehreren Standorten
Gallen an Esskastanien festgestellt.
Im Frühjahr 2014 wurden neue Standorte mit befallenen Esskastanien entlang des Rheins verzeichnet.
Auch in der Stadt Heilbronn wurden Gallen an einer
Esskastanie entdeckt. Dieser Schädling zeigt also
trotz seiner nur 3 mm kleinen Gallwespe ein enormes Ausbreitungspotential in relativ kurzer Zeit.
Ursprung der Esskastaniengallwespe
Die natürliche Heimat der Gallwespe Dryocosmus
kuriphilus ist China. Ihre Verbreitung begann ab etwa 1940 und das erste Auftreten außerhalb Chinas
wurde in Japan beobachtet. Von dort ist sie über den
Export von befallenen Esskastanienpflanzen bis nach
Europa und in die USA verschleppt worden. In 2002
wurde der erste Freilandbefall in Italien im Piemont
beobachtet. Danach verbreitete sich die Gallwespe
trotz Quarantänemaßnahmen stetig weiter. Ein Problem in Italien war die Weitervermehrung in Baumschulen. Frankreich meldete 2005 in mehreren Regionen und die Schweiz 2009 im Tessin den Erstbefall.
Da die Esskastaniengallwespe mittlerweile in Norditalien, der südlichen Schweiz und in Frankreich als
angesiedelt gilt, ist eine Verschleppung mit Jungpflanzen von Esskastanien aus diesen Gebieten möglich.
In 2012 wurden befallene Jungpflanzen aus Italien
über einen deutschen Händler an zwei Standorte
nach Sachsen und Thüringen verkauft. Auch nach
Baden-Württemberg waren Pflanzen der gleichen
Lieferung gelangt, diese aber ohne Befall.
Es ist nicht auszuschließen, dass auch der Befall in
Baden-Württemberg auf ähnliche Einschleppungswege zurückzuführen ist. Darüber hinaus könnte
Laub mit Gallen und schlupfreifen Wespen auf Zügen oder LKWs über entsprechende Verkehrswege
verschleppt werden. Generell gelten Raststätten an
Autobahnen, Güterbahnhöfe und auch Flughäfen als
Risikostandorte, die bei den Erhebungen auf Quarantäneschadorganismen besonders zu berücksichtigen sind.
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Landinfo 3 | 2014
Schwerpunktthema
Verbreitung der
Esskastaniengallwespe in
Baden-Württemberg 2014
Bild: von Wuthenau, LTZ
Biologie der Esskastaniengallwespe
Die Esskastaniengallwespe befällt nur Bäume der
Gattung Castanea und entwickelt sich in einer Generation pro Jahr. Die etwa 3 mm kleinen Wespen leben nur etwa zehn Tage und legen im Juli bis zu 30
Eier pro Weibchen in die Knospen des kommenden
Jahres. Die Larven schlüpfen noch vor dem Herbst
und überstehen die Fröste in den Knospen der Kastanien. Im Frühjahr, etwa ab April, entwickeln sich
die Gallen während des Knospenschiebens. Die Larven fressen bis in den Juni hinein in der Galle, wo
auch die Verpuppung stattfindet und der Zyklus beginnt von Neuem. Ein entdeckter Befall im Freiland
geht also mindestens auf eine Infektion aus dem
Vorjahr zurück. Neben kurzen Strecken durch aktiven Flug können die kleinen Wespen durch Windverfrachtung auch größere Strecken über mehrere
hundert Meter zurücklegen.
Befallskontrolle bei Castanea-Arten
Die einfachste Art der Befallsfeststellung ist es an
einer Esskastanie nach Gallen zu suchen. Sie ist der
einzige Schadorganismus, der an Esskastanien Gallbildungen hervorruft. Die ersten Gallen zeigen sich
Landinfo 3 | 2014
im Frühjahr, wenn sich die Blätter entfalten. Der
Flugzeitraum der kleinen Gallwespen kann durch
Gelbtafeln festgestellt werden. Dadurch ist es auch
möglich die Ausbreitung über die Grenzen bekannter Befallsgebiete hinaus zu überprüfen.
In dem Zeitraum nach dem Blattfall und vor dem
Wiederaustrieb könnte man auch die Knospen mittels der PCR-Methode molekularbiologisch untersuchen. Die Esskastaniengallwespe lässt sich also jederzeit nachweisen, auch wenn sich z.B. im Herbst keine
äußeren Befallssymptome mehr zeigen.
Werden die Gallen an
befallenen Bäumen
entdeckt, liegt die
Infektion schon
mindestens ein Jahr
zurück.
Bewertung des Schadpotentials in
Deutschland und rechtliche Grundlagen
In Deutschland hat die Esskastanie eine wichtige
historisch-kulturelle Bedeutung. Die Früchte waren
ein sicherer Stärkelieferant in Notzeiten. Heute wird
in vielen Regionen Deutschlands mit lokalen Festen
und Feiern die Esskastanie, auch Edelkastanie genannt, geehrt. Verschiedene Kastanienprodukte haben regionale Bedeutung, es erfolgt aber kein gezielter Anbau wie dies in Italien oder Frankreich der
Fall ist.
7
Schwerpunktthema
Da die Esskastaniengallwespe schon etabliert
ist, wird darüber
diskutiert, den
Quarantänestatus in der
EU zu ändern.
Marmorierte Baumwanze
Bild: Zimmermann, LTZ
In Europa ist die Bekämpfung der Ausbreitung der
Esskastaniengallwespe durch eine EU-Richtlinie
(2006/464/EG) geregelt. Wenn befallene Bäume innerhalb der Europäischen Union entdeckt werden,
müssen die zuständigen Behörden Befalls-, Fokusund Pufferzonen ausweisen. Es ist verboten, aus diesen Gebieten Jungpflanzen zu verbringen, damit eine
aktive Verbreitung durch den Menschen verhindert
wird. Baumschulen, die in diesem Gebiet liegen,
müssen befallene Jungpflanzen vernichten. Wenn
ein Befall an Bäumen in Einzellagen, zum Beispiel in
Parkanlagen festgestellt wird, kann es sinnvoll sein,
diese Bäume zu fällen und das Laub zu vernichten,
damit sich dieser Befall nicht weiter ausbreitet. In
den ausgewiesenen Zonen muss ein intensives Monitoring durchgeführt werden, um die Verbreitung
des Schaderregers zu beobachten.
Um diese Auflagen umzusetzen wurde in Zusammenarbeit mit den Regierungspräsidien und dem
Ministerium eine Allgemeinverfügung geschrieben.
Für eine direkte Bekämpfung sind in Deutschland
keine Pflanzenschutzmittel zugelassen. Da sich die
Esskastaniengallwespe inzwischen in vielen Teilen
der EU schon etabliert hat, wird zurzeit darüber diskutiert, den Quarantänestatus dieses Organismus zu
ändern. Künftig wäre es dann möglich in Regionen
mit einer wichtigen Esskastanienproduktion Schutzgebiete einzurichten, wenn dort noch kein Befall
vorherrscht. Es wäre dann verboten Jungpflanzen aus
befallenen Regionen in diese Schutzgebiete zu verbringen. Dies würde die Regionen entlasten, in denen ein Befall vorherrscht aber die Esskastanienproduktion keine Rolle spielt. Eine diesbezügliche Entscheidung der EU wird in Kürze erwartet.
Die Marmorierte Baumwanze - vom
öffentlichen Grün in die Obstanlagen
Die Marmorierte Baumwanze Halyomorpha halys
wurde in Deutschland im Freiland bisher nur einmal
in Konstanz 2011 beobachtet. Eine einzelne Einschleppung mit Transportkisten aus den Vereinigten
Staaten konnte in Bremerhaven lokal wieder ausgerottet werden. Die Einschleppung einer chinesischen
Population in den Raum Zürich um 2004 hingegen
ist bereits so weit fortgeschritten, dass eine Ausrottung nicht mehr in Betracht kommt. Es wurden weitere Populationen in Straßburg, sowie in Budapest
und Paris gefunden. Genetische Untersuchungen
haben gezeigt, dass die Züricher Population aus China stammt, die Straßburger hingegen aus den USA.
Weitere Einschleppungen und die zukünftige Ausbreitung der neuen Wanze auch innerhalb Deutschlands sind also sehr wahrscheinlich.
Merkmale und Biologie der Marmorierten
Baumwanze
Die Marmorierte Baumwanze gehört zu den Pentatomiden (Baumwanzen), die auch als „Stinkwanzen“
bekannt sind. Sie haben ein auffällig eckiges, für den
Laien käferähnliches Aussehen. Im Vergleich zu den
einheimischen Wanzen, vor allem zur Grauen Gartenwanze Rhaphigaster nebulosa zeigt sie aber deutliche Unterschiede, die sich mit dem bloßen Auge
bereits feststellen lassen. Die Marmorierte Baumwanze hat hinter dem Halsschild eine Reihe von 4-5
hellen Punkten und der transparente Teil der Flügeldecken trägt Striche. Bei der heimischen Gartenwanze ist der transparente Teil der Flügeldecken gepunktet. Auf der Unterseite ist die Marmorierte Baumwanze einheitlich gelblich gefärbt, die heimische
Gartenwanze trägt dunkle Punkte auf der Unterseite.
Es entwickelt sich von der Marmorierten Baumwanze nur eine Generation pro Jahr. Die Eiablage erfolgt
im Juni, wobei die jungen Nymphen im Stadtbereich, z.B. in Basel noch unauffällig an grünen Schotenfrüchten von Parkbäumen saugen. Erst im August
werden die Populationen auffällig und die erwachsenen Wanzen überdauern mehrere Monate bis weit
ins nächste Jahr. Wann die Wanzen von Ziergehölzen
in Obstkulturen übersiedeln ist unbekannt. In den
USA geschah dies erst zehn Jahre nach der ersten
Einschleppung.
Erhebliche Schäden der Marmorierten
Baumwanze in den USA
Die Marmorierte Baumwanze wurde 1996 aus Asien
in die USA eingeschleppt und hat sich dort zu einem
der bedeutendsten Schadorganismen an Früchten,
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Landinfo 3 | 2014
Schwerpunktthema
Obstfrüchte
Apfel
Kirsche
Pfirsich
Maulbeere
Birne
Wein
Aprikose
Haselnuss
Zwetschge
Himbeere
Zitrusfrüchte
Ebenholz
Soja
Bohnen
Mais
Sommerflieder
Sicheltanne
Ackerfrüchte
Spargel
Tabelle 1
Auswahl aus dem
Wirtsspektrum der
Marmorierten Baumwanze
Gemüse
Paprika
Tomate
Forst- und Ziergehölze
Ahorn
Platane
Weide
Eiche
Rosen
Zypressen
Blauglockenbaum
Ulme
Hibiskus
Geißblatt
Trompetenbaum
Hartriegel
Wilder Wein
Esche
Vogelbeere
aber auch vereinzelt an Gemüse oder Ackerfrüchten
entwickelt. In den USA verursacht die Marmorierte
Baumwanze Schäden durch das Saugen an Blättern
und Früchten von über 300 Pflanzenarten aus allen
Kulturbereichen (Tab.1). Der Schwerpunkt der gefährdeten Wirtspflanzen liegt bei den Obstfrüchten.
Dies führt bei Früchten oft zum vorzeitigen Fall und
somit zum Totalverlust. Die Marmorierte Baumwanze kann aber auch an Gemüse schädigend auftreten.
Es werden verschiedene Schadbilder beobachtet. Angestochene Obstfrüchte und Gemüse entwickeln
Flecken und Nekrosen und sind daher nicht mehr
vermarktungsfähig. Die Nymphenstadien fallen dadurch auf, dass sie gerne vergesellschaftet an den
Pflanzen saugen. Diese Saugschäden sind an Äpfeln
als dunkle, eingefallene Stellen zu erkennen, bei Gemüse wie Paprika oder Tomate hingegen hellt sich
das angestochene Gewebe auf und erscheint weiß
und schwammig. Wenn Früchte in ihrer frühen Entwicklungsphase angestochen werden, verwachsen
die beschädigten Stellen und die Früchte verformen
sich.
auf dem Dachboden oder in Gartenhütten in größeren Individuenzahlen und werden dadurch zusätzlich
auffällig oder sogar lästig. Sie bevorzugen in Städten
hohe Gebäude mit Südausrichtung zur Überwinterung. Durch ein Monitoring entlang des Oberrheingrabens im Sommer 2014 soll festgestellt werden, ob
es bereits bisher unentdeckte Populationen der Marmorierten Baumwanze in Stadtparks oder Botanischen Gärten im Südwesten Deutschlands gibt.
Marmorierte Baumwanzen
haben sich in den USA zu
einem der bedeutendsten
Schadorganismen an
Früchten, aber auch an
Gemüse entwickelt.
Die Bläulingszikade – Welches
Schadpotential hat sie?
Die Bläulingszikade Metcalfa pruinosa wurde in den
letzten Jahren mehrfach im Südwesten Deutschlands
gesichtet. Es sind Nachweise aus Weil am Rhein und
Bläulingszikade, Nymphe mit
Wachsfäden
Bild: Schrameyer, LTZ
Befallskontrolle der Marmorierten
Baumwanze im öffentlichen Grün!
Schäden in Erwerbsanlagen durch die Marmorierte
Baumwanze wurden in Europa noch nicht beobachtet. Im Stadtbereich Zürich werden aber erste Schäden an so verschiedenen Kulturen wie Zucchini oder
Himbeeren in Kleingärten festgestellt. Auffällig ist,
dass die Marmorierte Baumwanze nach der Einschleppung an Bäumen und Sträuchern auftritt, die
nicht im Fokus des Pflanzenschutzes stehen, z.B. im
Botanischen Garten in Straßburg. Genauso wie die
heimischen Gartenwanzen sammeln sich die Marmorierten Baumwanzen zum Winter hin in Gebäuden,
Landinfo 3 | 2014
9
Schwerpunktthema
Obst- und Beerenfrüchte
Tabelle 2
Auswahl aus dem
Wirtsspektrum der
Bläulingszikade
Apfel
Zitrusfrüchte
Pfirsich
Aprikose
Wein
Johannisbeeren
Brombeeren
Himbeere
Soja
Sonnenblumen
Ackerfrüchte
Mais
Gehölze und Ziergehölze
Ahorn
Platane
Robinie
Götterbaum
Linde
Thuja
Wacholder
Eibe
Waldrebe
Eberesche
Holunder
Hartriegel
Wilder Wein
Hibiskus
Hortensien
Wildkräuter, Zierpflanzen
Brennnessel
Das Schadpotential der
Bläulingszikade ist bisher
nur schwer einzuschätzen.
Schäden in Wein-, Obstund Zierpflanzen sind
möglich.
Liliengewächse
Mannheim (2012), Stuttgart (2013) und unmittelbar
im Grenzgebiet um Basel (2013) bekannt. Ähnlich
wie die Marmorierte Baumwanze tritt die Bläulingszikade an einer breiten Vielfalt von Wirtspflanzen auf
(Tab.2). In Deutschland wurde sie an Obst und im
Wein aber noch nicht festgestellt und auch die Gefahr der Übertragung von Krankheiten im Wein wurde bisher nicht nachgewiesen. Das Schadpotential
dieser neuen Zikadenart ist daher schwer einschätzbar. Sie ist polyphag und könnte im Weinbau, im
Obstbau (Apfel, Pfirsich) und an Zierpflanzen (im
Freiland und in Tropenhäusern) schädlich werden.
Durch die starke Honigtaubildung der Bläulingszikade und die Bildung von „Metcalfa-Honig“, der dem
Waldhonig ähnelt, entsteht Aufklärungsbedarf im
Bereich der Imkerei bzgl. der Deklaration des Honigs, sobald es zu einem Massenauftreten der Zikaden kommen sollte.
Ursprung der Bläulingszikade
Die Befallskontrollen
sollen in Kulturen an
Waldrändern und
öffentlichen Parkanlagen
erfolgen. Auch
Pflanzentransporte
müssen auf Zikaden
untersucht werden.
10
In Europa trat die Bläulingszikade erstmals 1979 in
Italien auf, anschließend in Slowenien und Kroatien.
Grund für die Einschleppung der nordamerikanischen Art waren Pflanzenimporte. Die Bläulingszikade ist inzwischen flächendeckend in ganz Südeuropa
und in Teilen Zentraleuropas nachgewiesen (Spanien, Frankreich, Ungarn, Serbien, Montenegro, Bulgarien, Griechenland, Türkei, Tschechien).
Die Populationen in Italien, Slowenien und Südfrankreich sind etabliert. Bereits 1996 trat die Art in
Österreich auf. Die Populationen scheinen sich aber
nur langsam auszubreiten oder werden erst durch
weitere Einschleppungen gefördert. Sieben Jahre
nach dem ersten Nachweis gab es im Raum Wien
2003 ein Massenauftreten. Die Populationen der
Bläulingszikade sind oft klein und unauffällig. Daher
könnte dieser neue Schädling bei uns übersehen und
unterschätzt werden.
Aussehen und Biologie der Bläulingszikade
Die Bläulingszikade ist bei uns der einzige Vertreter
der Familie der Schmetterlingszikaden. Die erwachsene Zikade ist etwa 5-8 mm klein und hat durch
eine Schicht von Wachspartikeln eine Färbung, die
grau-bläulich oder grau-braun erscheint. Die Zikaden
haben an der Basis des Vorderflügels typische, dunkle Flecken und auf den Flügeldecken einige weißliche Flecken. Die jungen Stadien (Nymphen) haben
am Hinterleib anhängende lange Büschel von Wachsfäden und die Zikadenkolonien können daher auf
den ersten Blick mit Woll- und Schmierläusen verwechselt werden. Jedoch sind die Zikaden beweglicher und hüpfen bei Störung davon. Die ausgewachsenen Bläulingszikaden fliegen ab August und legen
ihre Eier in das weiche Gewebe von Gehölzen. Die
etwa 0,8 mm langen, ovalen Eier ragen teilweise aus
dem Holz heraus. Ende Mai schlüpfen die weißlichen
sehr mobilen Nymphen, die sich über fünf Stadien
bis zum August zu erwachsenen Zikaden entwickeln.
Pro Jahr gibt es nur eine Generation.
Befallskontrolle der Bläulingszikade
Bevorzugte Lebensräume der Bläulingszikade sind
Waldränder, sowie Büsche und damit z.B. Parkanlagen und weniger potentiell gefährdete Kulturen wie
Obstplantagen oder Weinlagen selbst. Daher sollte
das öffentliche Grün in die Beobachtung des Schädlings einbezogen werden, um die tatsächliche Ausbreitung in Deutschland nicht falsch einzuschätzen.
Aufgrund der weit gestreuten Einzelfunde im südwestdeutschen Raum ist von bisher isolierten, aber
etablierten Populationen auszugehen. Die Verbreitung erfolgt offenbar durch Pflanzentransporte, daher sollte der Pflanzenhandel diese neue Zikade
kennen und die Ware darauf kontrollieren. Insbesondere bei mutmaßlichem Befall mit Schmierläusen
sollte eine mögliche Verwechslung mit Bläulingszikaden überprüft werden.
Landinfo 3 | 2014
Schwerpunktthema
Biotop der Marmorierten
Baumwanze und der
Bläulingszikade: städtische
Grünanlagen
Bild: Zimmermann, LTZ
Fazit: Wer erforscht natürliche
Gegenspieler invasiver Arten ?
In den letzten Jahren schreibt sich die Liste der eingeschleppten Insektenarten kontinuierlich fort. Dass
neue Schädlinge auch ohne Vorwarnung auftreten
können, zeigte der Buchsbaumzünsler. Ebenso zeigt
z.B. die Kirschessigfliege Drosophila suzukii, dass
neue Schädlinge sich rasant über Zentraleuropa und
Nordamerika gleichzeitig ausbreiten können, so dass
die Praxis in nur ein bis zwei Jahren noch keine effektiven Gegenmaßnahmen zur Hand hat. Die eingeschleppten Arten sind unterschiedlich relevant was
ihre Auswirkungen auf die Landwirtschaft oder die
Biodiversität angeht. Das Vorgehen ist aber immer
ganz ähnlich und EU-weit ist eine ganze Reihe von
Kandidaten bereits auf der Fahndungsliste. Es
kommt letztlich auf ein frühzeitiges Monitoring und
eine konzentrierte Information der betroffenen Praktiker an, um rechtzeitig und angemessen reagieren zu
können, wenn es zu ersten Schäden kommt.
Bei allen drei vorgestellten Arten gibt es im Ursprungsgebiet natürliche Gegenspieler, die bei uns
scheinbar fehlen. Eine mögliche Nachführung solcher spezialisierter Antagonisten nach Europa, nach
umfassender Risikobewertung, wird kontrovers diskutiert und mitunter kategorisch ausgeschlossen. Es
fehlt bei den vorgestellten Arten in Deutschland
aber konsequenterweise auch eine gezielte Erforschung möglicher Gegenspieler, die bereits in unserer heimischen Fauna vorhanden sein könnten.
(Say 1830; Hemiptera, Flatidae), einer in Österreich
neuen Honigtauerzeugerin, und die möglichen Auswirkungen auf die Bienenzucht. Abschlussbericht
des AGES-Projektes (Ltg. A. KAHRER) Institut für
Bienenkunde, Wien (39 S.)
SCHUMACHER, J. (2013) Japanische Esskastanien-Gallwespe (Dryocosmus kuriphilus YASUMATSU).
Waldschutz-Info 1-2013 (4 S.)
WERMELINGER, B.; WYNIGER, D.; FORSTER, B. (2008)
First records of an invasive bug in Europe: Halyomorpha halys Stål (Heteroptera: Pentatomidae), a new
pest on woody ornamentals and fruit trees ? Mitteilungen der Schweizerischen Entomologischen Gesellschaft 81, 1-8.
Intenet-Quellen (Stand: 03.06.2014):
Dr. Olaf Zimmermann
LTZ Augustenberg
Tel. 0721/ 9468-412
olaf.zimmermann@ltz.
bwl.de
LTZ-Merkblätter zu invasiven Schädlingen unter http://www.ltz-bw.de (regelmäßig aktualisierte Daten
zur Verbreitung)
Esskastaniengallwespe, EU-Richtlinie http://pflanzengesundheit.jki.bund.de/dokumente/upload/50297_ent2006-464.pdf
HAYE, T. & WYNIGER, D. (2014): Die Marmorierte
Baumwanze, Halyomorpha halys. http://www.halyomorphahalys.com (umfangreiche Informationen, inkl. einer online-Erfassung)
Datenblatt der EPPO zu Halyomorpha halys
Ausgewählte Literatur (weitere Quellen auf
Nachfrage bei den Autoren)
MOOSBECKHOFER, R. et al. (2009): Untersuchungen
zum Auftreten der Bläulingszikade Metcalfa pruinosa
Landinfo 3 | 2014
http://www.eppo.int/QUARANTINE/Alert_List/insects/halyomorpha_halys.htm „
Matthias von Wuthenau
LTZ Augustenberg
Tel. 0721/ 9468-465
matthias.von.wuthenau@
ltz.bwl.de
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Schwerpunktthema
aid-Newsletter
Gebietsfremd oder heimisch?
Invasive Pflanzenarten und biologische Vielfalt
Beiträge aus dem aid-Newsletter
Gebietsfremd oder heimisch? Invasive
Pflanzenarten und biologische Vielfalt
(aid) - Der globale Handel macht es möglich: Immer
mehr Pflanzen und Tiere werden unabsichtlich oder
absichtlich in neue Gegenden gebracht. Fühlen sie
sich am neuen Standort wohl und sind dort keinen
Fressfeinden ausgesetzt, können sie sich etablieren
und ausbreiten. In Deutschland haben sich nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) bereits rund 320 solcher Tierarten und etwa 430 solcher
Gefäßpflanzenarten etabliert.
Die „neuen“ Arten können eine Ergänzung für das
Ökosystem sein, wenn sie eine vorher unbesetzte
Nische besetzen. In den meisten Fällen gefährden sie
jedoch die vorhandene biologische Vielfalt, da sie
heimische Arten verdrängen und ausrotten können.
Eine Störung des ökologischen Gleichgewichts ist
die Folge. Von den rund 430 in Deutschland etablierten gebietsfremden Pflanzenarten hat das BfN im
Rahmen einer Studie 38 Arten identifiziert, die als
invasiv gelten - das heißt, die hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Ökosysteme und andere Arten prob-
Die Staudenknöteriche der Gattung Fallopia haben
sich in Deutschland schon dauerhaft etabliert
Bild: S. Mezger
lematisch sind. 28 von ihnen haben sich bereits großräumig ausgebreitet und können nicht mehr vollständig beseitigt werden. Dazu gehören etwa der RiesenBärenklau (Heracleum mantegazzianum), der
Japan-Staudenknöterich (Fallopia japonica) und die
Späte Goldrute (Solidago gigantea). Sie stehen mit 25
weiteren Arten auf der sogenannten Managementliste.
Im Rahmen eines neuen Forschungsvorhabens prüft
das BfN, welche konkreten Maßnahmen eine weitere
Ausbreitung dieser invasiven Arten verhindern und
negative Auswirkungen der Ausbreitung reduzieren
können.
Zehn invasive Arten, die sich bisher erst kleinräumig
ausgebreitet haben, werden auf einer sogenannten
Aktionsliste zusammengefasst. Zu ihnen zählen zum
Beispiel der Große Wassernabel (Hydrocotyle ranunculoides) oder der Pontische Rhododendron
(Rhododendron ponticum). Bei diesen zehn Arten
besteht laut BfN noch eine Chance, sie vollständig
beseitigen zu können.
Die in Deutschland vorkommenden invasiven Pflanzenarten sind fast ausschließlich als Zier- oder Nutzpflanzen eingeführt worden. Gerade Gartenbesitzer
und Hobbygärtner können daher einen Beitrag zur
Vorsorge leisten, indem sie heimische Pflanzenarten
im Garten verwenden.
AidNewsletter Nr 6 „
Invasives Trio- Drei Asiatische
Staudenknöteriche breiten sich aus
(aid) - Sie sind sehr erfolgreich, in dem was sie tun
und wie sie es tun: Drei invasive Staudenknöteriche
der Gattung Fallopia haben sich in Deutschland bereits so weit ausgebreitet, dass es für eine vollständige Beseitigung schon zu spät ist. Das Bundesamt für
Naturschutz (BfN) prüft daher, welche konkreten
Maßnahmen ergriffen werden müssen, um eine wei-
12
Landinfo 3 | 2014
Schwerpunktthema
tere Ausbreitung zu verhindern und die Folgen der
Ausbreitung zu minimieren.
quenten Entfernung der Rhizome erfolgen (die allerdings bis zu zwei Meter tief liegen können).
Mit ihren unterirdischen Rhizomen breiten sich der
Japan-Knöterich Fallopia japonica, der SachalinKnöterich Fallopia sachalinensis und die aus beiden
Arten entstandene Hybride, der Bastard-Knöterich
Fallopia x bohemica, bis zu einem Meter pro Jahr aus.
In den teilweise bis zu zehn Zentimeter dicken Rhizomen sind rund zwei Drittel der Biomasse der
Pflanzen gebunden. Aus diesem verzweigten und
horizontal verlaufenden Wurzelsystem werden weitere Rhizome sowie die oberirdischen Sprosse gebildet. Und auch diese sind imposant: Die hohlen, kräftigen Stängel wachsen beim Japan-Knöterich bis zu
drei Meter hoch, bei den beiden anderen sogar bis zu
vier Meter. Die Bestände sind oft sehr dicht und
ausgedehnt, sodass andere Pflanzen zurückgedrängt
werden. Da alle drei Knöteriche vor allem an Flussufern anzutreffen sind, sind hier zum Beispiel Pestwurz, Brennnessel und Zaunwinde betroffen.
Doch Vorsicht: Selbst kleine Rhizomteile an Geräten
oder mit dem Erdaushub können zum Fortbestand
der Pflanzen beitragen. Gegebenenfalls sollte ein Experte hinzugezogen werden.
AidNewsletter Nr 19 „
Die negativen Auswirkungen dieser sogenannten
Dominanzbestände für den Naturschutz sind insbesondere an den Ufern kleinerer Fließgewässer zu
spüren. Bei Hochwasser können sie den Abfluss des
Wassers verlangsamen - und sich darüber hinaus über
diesen Weg auch weiter ausbreiten. Bereits aus kleinen Fragmenten des Rhizoms oder des Stängels können neue Pflanzen heranwachsen. Die Ausbreitung
der Knöteriche erfolgt überwiegend durch den
Transport im fließenden Wasser und ebenso über
Fragmente in der Erde bei Bauarbeiten. So ist der
Japan-Knöterich inzwischen auch häufig an gewässerfernen Orten wie städtischen Brachflächen, an
Straßenrändern und Böschungen, auf extensiv bewirtschafteten Grünflächen sowie teilweise bereits in
Wäldern anzutreffen.
Neben den negativen Auswirkungen auf die Ökosysteme, sind auch die wirtschaftlichen Folgen der Ausbreitung immens. Die Rhizome der Staudenknöteriche können in kleine Mauerritzen oder Asphalt eindringen und diese durch ihr Dickenwachstum sprengen. Das kann zu Schäden an Häusern, Straßen,
Parkplätzen, aber vor allem auch an Deichen, Schleusen und Dämmen führen. Es erübrigt sich quasi zu
erwähnen, dass auf die Anpflanzung der Staudenknöteriche verzichtet werden sollte - auch wenn Japanund Sachalin-Knöterich Mitte des 19. Jahrhunderts
ursprünglich als Zierpflanzen aus ihren Heimatgebieten in Ostasien beziehungsweise der Halbinsel Sachalin in Europa eingeführt wurden. Das alleinige
Vernichten oberirdischer Pflanzenteile führt aufgrund der starken Rhizome nur langfristig zum Zurückdrängen und sollte mit der gleichzeitig konse-
Landinfo 3 | 2014
Beifußblättrige Ambrosie - Blattkäfer
könnte bei Bekämpfung helfen
(aid) - Die Beifußblättrige Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) zählt zu den aggressivsten invasiven Pflanzenarten mit großem Allergenpotenzial. Ihre Bekämpfung könnte nun einen entscheidenden Schritt
nach vorn kommen. Im Tessin ist ein Blattkäfer identifiziert worden, der sehr effizient die unerwünschte
Pflanze wegfrisst. Ob der Blattkäfer Ophraella communa aber nur auf die Ambrosie spezialisiert ist oder
auch andere Pflanzen befällt, muss allerdings noch
erforscht werden.
Nachdem der Käfer im Tessin erstmals entdeckt worden ist, haben ihn die auf Ambrosia-Forschung spezialisierten Wissenschaftler der Universität Fribourg
beobachtet. Der Käfer ist demnach an über 80 Prozent der bekannten Ambrosia-Standorte präsent und
hat die Pflanze an einigen Standorten komplett vernichtet.
Offensichtlich wurde der Käfer über den Mailänder
Flughafen eingeschleppt. In dem Fall ein Glücksfall
für die Schweiz, denn nun kann der Käfer gezielt auf
Wirtsspezifität getestet werden. Sollte der Käfer anderen Pflanzen keinen Schaden zufügen, könnte er
gezielt zur Bekämpfung der allergenen Ambrosie
eingesetzt werden. „
Der Götterbaum - Anspruchsloser und
schnellwüchsiger Neophyt
(aid) - Dekorativ, aber überaus invasiv ist der Götterbaum Ailanthus altissima, der insbesondere im Sommer und Herbst durch die zahlreichen in großen
Rispen wachsenden Früchte auffällt. Die geflügelten
Nüsschen wechseln ihre Farbe von anfangs Grün
über Gelb in ein leuchtendes Rot, werden während
der Reife braun und bleiben den Winter über am
Baum hängen. Sie entstehen aus den gelblich-grünen
Bild: LUBW
13
Schwerpunktthema
sehr nektarreichen Blüten, die sich im Juni und Juli
öffnen und von Insekten bestäubt werden.
Bild: LUBW
Hierzulande wird der Götterbaum meist bis zu 30
Meter hoch, mit einem Zuwachs bis zu 80 Zentimeter pro Jahr. In der Jugendphase wächst er sogar bis
zu drei Meter pro Jahr und ist somit äußerst konkurrenzstark. Auch wenn das Höchstalter nur rund 50
Jahre beträgt: Der Götterbaum ist in der Lage, sich in
dieser Zeit enorm auszubreiten. Wurzelausläufer
und Wurzelsprossen bilden große Wurzelgeflechte
und bringen besonders kräftige Triebe hervor. Die
enorme Anzahl an Früchten, die bereits bei drei- bis
fünfjährigen Bäumen heranreifen können, verbreitet
sich über den Wind im Umkreis von etwa 100 Metern.
Mitte des 18. Jahrhunderts als Ziergehölz aus China
nach England eingeführt, erfolgte die Verbreitung
von Ailanthus altissima als Zierbaum. Auch als Forstgehölz war er beliebt, da sein Holz aufgrund des
hohen Zelluloseanteils zwar hart, aber dennoch sehr
elastisch ist. In Städten wurde er zudem gerne als
Straßenbaum angepflanzt, da er neben seiner Schnellwüchsigkeit widerstandsfähig gegen Salz, Trockenheit, Abgase und Nährstoffmangel ist. Heute ist er in
städtischen und industriellen Bereichen bereits vollständig eingebürgert.
Insbesondere in sommerwarmen Gebieten mit mindestens 20 Sommertagen - bei Temperaturen von
mindestens 25 °C - verwildert der lichtliebende Götterbaum. Schwerpunkte sind daher Ballungsräume
und wärmebegünstigte Regionen. Der erhöhte Pflegeaufwand sowie Bauschäden im städtischen Raum
und an Verkehrswegen verursachen hohe Kosten.
Stellenweise wandert der Götterbaum auch in naturnähere Lebensräume wie Halbtrockenrasen oder
Auen ein. Das hat negative Folgen für den Naturschutz, da heimische Arten verdrängt werden. Beim
Menschen können zudem durch intensiven Kontakt
mit Inhaltstoffen der Blätter und des Holzes toxische
und allergische Hautreaktionen auftreten.
Bild: LUBW
14
Um die weitere Verbreitung der invasiven Pflanzenart zu verhindern, sollten Garten- oder Grundstücksbesitzer den Götterbaum nicht neu anpflanzen. Attraktive Alternativen sind zum Beispiel die Vogelbeere Sorbus aucuparia, die Esche Fraxinus excelsior
sowie der Spitzahorn Acer platanoides. Sind bereits
Pflanzen vorhanden, richtet sich das Vorgehen nach
deren Alter: Sämlinge sind auszureißen und zu verbrennen, bei älteren Pflanzen sind die Fruchtstände
und Jungtriebe zu entfernen. Fällen sollte man den
Götterbaum nur, wenn man auch den Wurzelstock
ausgraben kann - und selbst dann kann es sein, dass
Stockausschläge und Wurzelschösslinge noch über
Jahre ausgerissen oder abgeschnitten werden müssen. Achtung: Beim Fällen der Bäume unbedingt
Schutzkleidung tragen!
AidNewsletter Nr 19 „
Die Kanadische und die Späte
Goldrute - Invasive Arten weit
verbreitet
(aid) - Auch das ist möglich in der Welt der invasiven
Pflanzenarten: Dass es Exemplare gibt, die sich zwar
enorm ausbreiten, aber insgesamt eher geringe negative Auswirkungen haben.
Auf die Kanadische Goldrute Solidago canadensis
und die Späte Goldrute Solidago gigantea trifft das
zu. Grund ist das Hauptverbreitungsgebiet der beiden Goldruten-Arten: Sie besiedeln vor allem ruderale Standorte, also vom Menschen genutzte und
anschließend sich selbst überlassene Flächen wie
industrielle und ackerbauliche Brachflächen, Halden
sowie Bahn- und Straßenböschungen. Nur, wenn sie
sich auf Streuwiesen, Magerrasen oder Auen ausbreiten, hat das aus Sicht des Naturschutzes negative
Folgen, da sie den Artenwandel beschleunigen und
lichtliebende Pflanzenarten verdrängen. Auf Ackerund Weinbergsbrachen können Goldruten zudem
die Ansiedlung gefährdeter Pflanzen und Tiere verhindern, die sonst auf Halbtrockenrasen leben.
Die Ansiedlung der Goldruten hat aber auch einen
positiven Effekt: Die in Rispen stehenden goldgelben Blüten bieten zahlreichen Wildbienen, Hummeln, Tagfaltern und Schwebfliegen im sonst blütenarmen Spätsommer von Ende Juli bis in den Oktober
hinein Nahrung. Die gut flugfähigen Samen - bis zu
15.000 pro Spross - werden zwar mit dem Wind bis
ins Frühjahr weit verbreitet, die Überlebensrate im
Boden ist jedoch gering. Die Ausbreitung der Goldruten erfolgt vorrangig vegetativ über lange und brüchige Rhizome, von denen Stücke leicht verschleppt
werden können. Aus diesen Rhizomen wachsen
meist 50 bis 150 Zentimeter hohe Stängel. Beide Arten sind sehr tolerant bezüglich Nährstoffen.
Die Stauden sind in Prärien und lichten Wäldern der
USA und des südlichen Kanada beheimatet, die Späte Goldrute besonders an feuchteren Standorten.
Beide Arten wurden ursprünglich als Gartenpflanzen
eingeführt und als Bienenweiden auch in der freien
Landschaft ausgebracht. Heute gehören sie in
Deutschland zu den häufigsten Neophyten, insbesondere Solidago canadensis, die etwa hundert Jahre
vor Solidago gigantea eingeführt wurde und erstmals
Landinfo 3 | 2014
Schwerpunktthema
1645 in England bekannt war. Beide Arten können
nicht mehr großflächig zurückgedrängt werden, in
Kulturlandschaften können jedoch punktuelle Gegen- oder vorbeugende Maßnahmen sinnvoll sein.
Wer die invasiven Goldruten aus dem Garten entfernen möchte, kann zum einen durch einen einmaligen
Schnitt vor der Blüte den Samenflug verhindern. Effektiver sind jedoch Maßnahmen, die das Rhizom
schwächen oder zerstören. Dazu gehören zum Beispiel eine mehrmalige und tiefe Mahd oder das Ausgraben der Rhizome. Bei kleineren Vorkommen
empfiehlt sich das wiederholte Ausreißen der Stängel
bei feuchter Witterung und kurz vor der Blüte, wobei meist ein Teil des Rhizoms mit entfernt wird.
Eine Ausbringung der beiden Goldruten-Arten ist
grundsätzlich genehmigungspflichtig und nicht zu
empfehlen. Gute Alternativen für den Garten sind
zum Beispiel die Gewöhnliche Goldrute Solidago
virgaurea oder der Gewöhnliche Gilbweiderich Lysimachia vulgaris .
AidNewsletter Nr 18 „
Die Späte Traubenkirsche - Vorbeugen
ist effektiver als Bekämpfung
(aid) - „In die Ecke, Besen! Besen! Seid‘s gewesen.“
Wie der Meister im Zauberlehrling möchte wohl so
mancher Forstwirt der Späten Traubenkirsche ( Prunus serotina ) zurufen, um sie aus den Wäldern zu
verscheuchen. Dabei ist die inzwischen in Deutschland als invasive Art eingestufte Pflanze bereits vor
rund 400 Jahren bewusst als Zierpflanze nach Mitteleuropa gebracht worden. Auch heute noch wird die
in Nordamerika beheimatete Pflanze gerne als attraktives Ziergehölz in Gärten und Parks gepflanzt oder
als Bienenweide und Vogelnährgehölz verwendet.
Unter optimalen Bedingungen wächst Prunus serotina in ihrer Heimat zu einem stattlichen Baum von
etwa 35 Metern heran, der das rotbraune, intensiv
gemaserte amerikanische „Kirschholz“ liefert. Die
Hoffnung auf das wertvolle Holz erfüllten die damals
in Europa angebauten Pflanzen jedoch nicht. Zu geringe Niederschlagsmengen und nährstoffärmere
Böden an den ausgewählten Standorten führten
meist zu einem eher strauchartigen Wachstum. Daher wurde die schnellwüchsige Pflanze unter anderem zur Dünenbefestigung oder als Wind- und
Brandschutz an Rändern von Kiefernwäldern angepflanzt. Auf freien Flächen nutzte man sie, um konkurrierende Pflanzen durch die schnelle Bodenbedeckung zu unterdrücken. Von den Anpflanzungen
Landinfo 3 | 2014
breitete sich Prunus serotina zunehmend aus. Aufgrund des starken Wachstums entsteht schnell eine
dichte Strauchschicht, die darunter befindliche Pflanzen beschattet und so zum Beispiel den Artenreichtum von Blütenpflanzen reduziert.
In Offenlandbiotopen wie Magerrasen oder Heiden
konkurriert sie mit zum Teil gefährdeten Arten.
Das schnelle Ausbreiten der Späten Traubenkirsche
wird begünstigt durch die Schnellwüchsigkeit und
die je nach Standort bereits im 7. Lebensjahr beginnende Samenproduktion, mit rund 8.000 Samen pro
Jahr. Zahlreiche Vögel sowie Säugetiere wie Wildschwein oder Fuchs fressen die Früchte - deren Samen im Boden bis zu fünf Jahre keimfähig bleiben und verbreiten sie auf diese Weise. Mit ihren Wurzelausläufern breitet sich die invasive Art langsam über
größere Flächen aus.
Bei einem Rückschnitt treibt die Späte Traubenkirsche sehr wuchsfreudig wieder am Stock aus. Bleiben
nach einer Rodung Wurzelfragmente zurück, können
aus diesen wieder vollständige Pflanzen regenerieren.
Werden im Garten vorhandene Exemplare gerodet,
sollten daher möglichst alle Wurzeln entfernt werden. Meist ist mehrjähriges Nacharbeiten erforderlich. Es empfiehlt sich, das gesamte Pflanzenmaterial
in den Restmüll zu geben. Auf keinen Fall sollte die
Art in der Umgebung potenziell gefährdeter Biotope
angepflanzt werden.
Den Zierwert von Prunus serotina machen unter
anderem die weißen, duftenden Blüten aus, die sich
nach der späten Laubentfaltung Ende Mai oder Anfang Juni in sechs bis 15 Zentimeter langen Trauben
bilden. Sie entwickeln sich nach der Befruchtung
durch Bienen oder Schwebfliegen zu kleinen, etwa
acht bis zehn Millimeter großen Kirschen, die bis
Ende August oder September erst zu violett-roten,
später schwarzen Früchten heranreifen. Das insbesondere in Samen und Rinde enthaltene Cyanglykosid Prunasin ist für den Menschen giftig. Die länglichen und am Rande leicht gesägten Blätter werden
vier bis zwölf Zentimeter lang. Ihre Oberseite ist
stark glänzend, die Unterseite weist an der Mittelrippe häufig einen dunkelbraunen Haarfilz auf.
Einen ähnlichen Zierwert wie die Späte Traubenkirsche haben zum Beispiel die Traubenkirsche Prunus
padus oder der Gemeine Liguster Ligustrum vulgare . Sie können als Alternative für die Pflanzung im
Garten dienen. Beide Pflanzen enthalten in ihren
Samen jedoch ebenfalls Giftstoffe, was bei der Verwendung zu berücksichtigen ist.
AidNewsletter Nr 13 „
15
Schwerpunktthema
Dr. Kirsten Köppler, Dr. Jan Hinrichs-Berger
Schadbilder an Walnuss
– amerikanische Walnussfruchtfliege und Pilzkrankheiten mindern den Ertrag
Durch die Walnussfruchtfliege
verursachtes Schadbild
Bild: Köppler, LTZ
Die Echte Walnuss (Juglans regia) ist natürlicherweise in
Vorder- und Mittelasien, der Balkanhalbinsel sowie dem
östlichen Mittelmeerraum verbreitet. In Mitteleuropa wird
sie wahrscheinlich bereits seit der Jungsteinzeit und
spätestens seit der Römerzeit kultiviert. Heute ist die
Walnuss vorwiegend vereinzelt in Gärten oder in der
Feldflur zu finden. Als Streuobstbaum erreicht sie in Baden-Württemberg einen Anteil von ca. 4 %
(MLR). Auf größeren Flächen wird sie nur in sehr geringem Umfang angebaut. Neben den
Walnusskernen mit hohem gesundheitlichem Nutzen gilt das Holz als begehrtes Edelholz. Im
Gegensatz zu anderen Obstarten ist die Walnuss relativ gering anfällig gegenüber Krankheiten. Die
bedeutendsten Krankheiten sind der Bakterienbrand, der durch das Bakterium Xanthomonas
arboricola pv. juglandis verursacht wird sowie die durch die Pilze Marssonina juglandis oder
Colletotrichum gloeosporioides bedingten Blattflecken bzw. Fruchtschäden an der äußeren
nussumgebenden grünen Hülle. Bei dem tierischen Hauptschädling der Walnuss handelt es sich um
eine invasive, aus Nordamerika stammende Fruchtfliegenart, die Walnussfruchtfliege Rhagoletis
completa, die in den 90er Jahren in Italien Schäden verursachte und seit spätestens 2004 in
Süddeutschland vorkommt. Im Folgenden sollen die genannten Krankheiten und Schädlinge der
Walnuss näher beschrieben werden.
Krankheiten
A
nhand der Symptome sind die Krankheitserreger nur sehr schwer zu unterscheiden (siehe
Abbildungen). Meistens treten schwarze Blatt- und
Fruchtflecken auf, die manchmal von einem gelben
Hof umgeben sind. Während bei den beiden pilzlichen Schaderregern vor allem blattunterseits, aber
auch blattoberseits und auf den Früchten im Bereich
der Nekrosen Fruchtkörper (Acervuli) zu erkennen
sind, sind derartige Strukturen nach Bakterienbefall
nicht auszumachen. Doch zu den Schadbildern und
der Biologie der Schaderreger im Einzelnen:
Abbildung 1
Xanthomonas-Fruchtbefall
Bild: Geigenmüller, LTZ
16
zunächst kleine, rotbraune Flecken, die sich rasch
schwarz verfärben (nekrotisieren). Die zunächst kleinen Flecken können zusammenlaufen, sodass großflächige Blattnekrosen entstehen. Wächst das Blatt
um die Nekrosen herum weiter, kommt es zu Blattverkrümmungen. Nach ihrem vollständigen Absterben bleiben die Blätter oft noch lange im Baum hängen, bevor sie vor dem eigentlichen Herbstfall herunter fallen.
Xanthomonas arboricola pv. juglandis
Triebinfektionen beginnen meist an der Triebspitze
und erfolgen im Frühjahr, wenn das junge Gewebe
noch sehr weich ist. Die sich entwickelnden schwarzen Nekrosen sind leicht eingesunken, können triebumfassend werden und damit zu einer Ringelung
des Sprosses führen.
Von diesem Bakterium werden praktisch alle grünen
Pflanzenteile befallen. Auf den Blättern sieht man
Neben Blüten, die nach einer Infektion rasch absterben, können auch Früchte befallen werden. Auf der
Landinfo 3 | 2014
Schwerpunktthema
Abbildung 2
Xanthomonas-Befall des Nusskerns
Bild: Geigenmüller, LTZ
Abbildung 3
Marssonina-Blattbefall
Bild: Hinrichs-Berger, LTZ
grünen Fruchtschale entwickeln sich anfangs kleine,
wasserdurchtränkt erscheinende Punkte, die später
nekrotisieren und rasch an Größe zunehmen (Abb.
1). Unter feuchten Bedingungen können die Flecken
aufreißen und eine schleimige Konsistenz annehmen. Das Bakterium kann bei einem frühen Befall im
Verlauf der Fruchtentwicklung die Nussschale durchdringen und den Nusskern zerstören (Abb. 2). Bei
einem späten Befall ist der Nusskernertrag meist
nicht beeinträchtigt und die Infektion stellt primär
ein optisches Problem dar, da sich die holzige Nussschale dunkel verfärbt.
Marssonina juglandis
Xanthomonas arboricola pv. juglandis überwintert
vor allem in infizierten Knospen. Bei einem starken
Knospenbefall breiten sich die Bakterien im Frühjahr mit Wachstumsbeginn entlang der sich entwickelnden Sprosse, Blüten und Früchte aus. Eine Ausbreitung von Baum zu Baum über Regenspritzer erfolgt in der Regel nur bei sehr engen Baumabständen. Häufige, lange Regenperioden kurz vor, während
und bis 14 Tage nach der Blüte führen zu einem
starken Krankheitsausbruch mit schweren Brandsymptomen an den Trieben, Blüten und Früchten.
Alle Walnusssorten sind anfällig, wobei es allerdings
Unterschiede in der Anfälligkeit gibt. Während der
Fruchtentwicklung nimmt die Anfälligkeit der Früchte ab. Daher wären vor allem junge Früchte zu schützen. Das gestaltet sich jedoch bei den meist sehr
hohen Bäumen allein schon technisch als schwierig.
Außerdem sind für den Haus- und Kleingarten keine
wirksamen Pflanzenschutzmittel ausgewiesen.
Landinfo 3 | 2014
Bei der Marssonina-Blattfleckenkrankheit handelt es
sich um die weltweit bedeutendste pilzliche Erkrankung der Walnuss, die vor allem in nassen Sommern
auftritt und 1815 erstmalig beschrieben wurde. Auf
den Blättern findet man zunächst kleine, runde bis
eckige, dunkle braune bis oliv-graue Flecken, die oft
von einem chlorotischen Hof umgeben sind (Abb.
3), sich vergrößern und ineinander laufen. In den
abgestorbenen Bereichen findet man vor allem blattunterseits, nicht selten in konzentrischen Ringen
kleine dunkle Punkte (Durchmesser etwa 0,2 mm).
Das sind die asexuell gebildeten Acervuli-Fruchtkörper des Pilzes. Später kann das geschädigte Gewebe
herausfallen, sodass Löcher in der Blattspreite entstehen. Bei starkem Befall setzt vorzeitiger Blattfall ein,
und die betroffenen Nussbäume sind schon im Spätsommer kahl. Ein Triebbefall in Form von schwarzbraunen Nekrosen ist eher die Ausnahme. Dagegen
tritt in der Regel immer ein Fruchtbefall auf. Somit
kommt es über die zerstörte Blattfläche nicht nur zu
Ertragsverlusten und einer Schwächung des Baumes,
sondern auch die Fruchtqualität ist mitunter stark
beeinträchtigt. Bei frühem Fruchtbefall verursacht
der Pilz nicht nur auf der grünen Fruchtschale dunkelbraune bis rabenschwarze Flecken (Abb. 4), sondern er dringt auch in das Nussinnere vor und führt
zu trockenfaulen, verpilzten Nusskernen. Bei besonders starken und frühen Befall werden die schwarz
verfärbten Früchte (Abb. 5) vorzeitig abgeworfen.
Abbildung 4
Marssonina-Fruchtbefall
(früher Stadium)
Bild: Hinrichs-Berger, LTZ
Abbildung 5
Marssonina-Fruchtbefall
(spätes Stadium)
Bild: Hinrichs-Berger, LTZ
17
Schwerpunktthema
Abbildung 6
Colletotrichum-Fruchtbefall
Bild: Hinrichs-Berger, LTZ
Die Marssonina-Krankheit
überwintert im Falllaub.
Die Entfernung des Laubs
nach dem Blattfall und
Schnittmaßnahmen der
Krone zur besseren
Durchlüftung helfen den
Befall zu reduzieren.
Während der Vegetationsperiode breitet sich der Pilz
rasch über Konidien aus, die in sehr großer Anzahl
in den Acervuli gebildet und über Wind und Regenspritzer verbreitet werden. Marssonina juglandis
überwintert als Hauptfruchtform (Gnomonia leptostyla) in befallenem Falllaub. Dort werden auf sexuellem Weg im Spätherbst und Frühjahr kleine
schwarze Fruchtkörper gebildet, die sogenannten
Perithecien. Aus ihnen werden im Frühjahr ähnlich
wie beim Apfelschorf Ascosporen ausgeschleudert,
die bei ausreichender Blattnässedauer die jungen,
sich entwickelnden Blätter infizieren. Etwa 14 Tage
nach der Infektion entwickeln sich erste kleine Blattnekrosen, in denen dann in Acervuli Konidien für
die weitere Verbreitung gebildet werden.
Für eine Infektion ist immer eine gewisse Blattnässedauer erforderlich, die bei optimaler Temperatur
mindestens sechs Stunden beträgt. Optimale Infektionsbedingungen liegen bei Temperaturen von 15 bis
21 °C vor. Ab 5 °C ist jedoch bereits mit Infektionen
zu rechnen, wobei die Symptomentwicklung dann
stark verlangsamt ist. Bei mehr als 21 °C sinkt die
Infektionsrate deutlich.
Um den Infektionszyklus zu unterbrechen, gilt es,
nach dem Blattfall das Falllaub zu entfernen. Durch
diese wichtigste vorbeugende Maßnahme wird die
Infektionsgefahr im Frühjahr drastisch reduziert. Im
Haus- und Kleingartenbereich stehen leider gegen
18
Abbildung 7
Walnussfruchtfliegen auf Gelbtafeln
Bild: Köppler, LTZ
diesen bedeutenden Schaderreger keine wirksamen
Pflanzenschutzmittel zur Verfügung. Durch einen
größeren Pflanzenabstand (12 m) zwischen den
Nussbäumen, kann die Übertragung von Baum zu
Baum reduziert werden. Außerdem wird dadurch in
Verbindung mit einem Auslichten der Krone die Bestandsdurchlüftung gefördert, was die Blattnässedauer senkt und damit die Infektionswahrscheinlichkeit
verringert.
Colletotrichum gloeosporioides
Dieser Schaderreger ist im Vergleich zu den beiden
erstgenannten deutlich weniger ertrags- und qualitätswirksam. Er verursacht auf den Blättern und grünen Früchten (Abb. 6) rundliche bis ovale, graubraune Flecken, die häufig einen roten Rand besitzen. Auch hier können die Blattflecken im Laufe der
Zeit zusammenfließen. Auf dem abgestorbenem
Gewebe entwickelt der Pilz Acervuli, in denen, ähnlich wie bei der Marssonina-Erkrankung, große Mengen von Konidien gebildet werden, die über Regenspritzer von Blatt zu Blatt und von Baum zu Baum
verbreitetet werden.
Landinfo 3 | 2014
Schwerpunktthema
Abbildung 9
Fraßtätigkeit der Walnussfruchtfliegenlarve
Bild: Köppler, LTZ
Bezüglich der Überdauerung, Krankheitsentwicklung und Schadwirkung von Colletotrichum gloeosporioides an Walnuss ist bislang nicht viel bekannt.
Er tritt nach Beobachtungen vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg oft vergesellschaftet mit Xanthomonas und Marssonina auf.
Schädlinge
Die Walnussfruchtfliege R. completa (Abb. 7) gehört zur Familie der Frucht- oder Bohrfliegen (Tephritidae) und ist verwandt mit der bei uns heimischen Kirschfruchtfliege, R. cerasi, dem Hauptschädling in Kirschen. Der Flug der Walnussfruchtfliege erstreckt sich in der Rheinebene ca. ab
Anfang/Mitte Juli bis Ende September. Je nach
Walnusssorte und entsprechender Reifezeit der
Früchte erfolgt die Eiablage ab August bis September. Der durch den Schädling befallene Teil
der Walnuss ist nicht der essbare Nusskern selbst,
sondern die äußere grüne Schale (Abb. 8 - Titelbild), die bei Reife der Frucht in der Regel aufplatzt und abfällt. Dorthinein legt die Walnussfruchtfliege im Gegensatz zur Kirschfruchtfliege,
die nur einzelne Eier und auch meist nur ein Ei pro
Kirsche ablegt, Eipakete von mehreren Eiern ab.
Die daraus schlüpfenden Larven fressen ausschließlich in der grünen Schale (Abb. 9). Die Larven durchlaufen 3 Larvenstadien. Am Ende des
dritten Larvenstadiums wandern die Larven aus
Landinfo 3 | 2014
den zu Boden gefallenen oder ggf. auch noch am
Baum hängenden Früchten in den Boden ab und
verpuppen sich dort in den oberen Bodenschichten. Wie die Kirschfruchtfliegen hat auch die Walnussfruchtfliege nur eine Generation pro Jahr.
Nach der Verpuppung durchlaufen die Tiere eine
obligatorische Ruhephase bis zum nächsten Sommer. Der durch die Walnussfruchtfliege verursachte Schaden liegt in der Zerstörung der äußeren grünen Schale. Sie verfärbt sich durch den
Fraß anfangs nur stellenweise und später ganz
schwarz, wird weich und löst sich nicht mehr von
der Nussschale. Die noch nicht reife Nuss kann je
nach Zeitpunkt der Eiablage durch die Zerstörung
der Schale in ihrer optimalen Ausreifung beeinträchtigt werden. Offensichtlicher ist jedoch die
Verschmutzung der Nuss durch die schmierige
schwarze Hülle nach dem Larvenfraß, die sich
nicht löst. Dadurch ist die Trocknung des Nusskerns eingeschränkt, es kann zur schnelleren Verpilzung kommen und eine Vermarktung der
Früchte ist kaum noch möglich. Nach Untersuchungen von GUILLEN et al. (2011) gibt es Sortenunterschiede in der Anfälligkeit gegenüber dem
Schädling. 2013 wurde die ebenfalls ursprünglich
nordamerikanische Walnussfruchtfliegenart R. suavis in Brandenburg nachgewiesen (EPPO, 2014),
die nahezu identische Schäden wie R. completa
verursacht. Zur Bekämpfung der Walnussfruchtfliegen ist derzeit kein Mittel zugelassen. Zur Erfassung und zum Monitoring des Schädlings sind
gelbe Leimtafeln geeignet.
Generell sollten die Früchte zur Ernte möglichst täglich aufgesammelt und sofort schonend, das heißt
nicht zu heiß, getrocknet werden. Damit wird einem
Schimmelbefall beispielsweise durch Fusarium und
Penicillium vorgebeugt. Schimmelige Nüsse sollten
nicht verzehrt werden, da viele Schimmelpilze hochgiftige Verbindungen (Mykotoxine) produzieren
können.
Walnussfruchtfliegen
zerstören die äußere
Schale und führen zu
nicht ausgereiften
Früchten und schmierigen
Hüllen. Zur einheimischen
Art hat sich seit 2013 die
nordamerikanische
Walnussfruchtfliege
R.suavis gesellt.
Dr. Jan Hinrichs-Berger
LTZ Augustenberg
Tel. 0721/ 9468-428
[email protected]
Literatur
EPPO (2014/011): First record of Rhagoletis suavis in
Germany. NPPO of Germany (2013-10)
GUILLEN, L.; ALUJA, M.; RULL, J.; HÖHN, H.; SAMIETZ, J.
(2011): Influence of walnut cultivar on infestation by
Rhagoletis completa: behavioural and management
implications. Ent. Exp. Appl. 140 (3): 207-2017.
Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum
Baden-Württemberg (MLR) (Hrsg.): Streuobstwiesen in Baden-Württemberg – Daten, Handlungsfelder, Maßnahmen, Förderung. „
Dr. Kirsten Köppler
LTZ Augustenberg
Tel. 0721/ 9468-472
[email protected]
19
Schwerpunktthema
Bild: Bernd Seliger
Johanna Maria Arnold
Der Waschbär erobert Deutschland
„Auszug zum Waschbär aus dem Jahresbericht 2012 des Wildtier-Informationssystems (WILD) der Länder
Deutschlands, ein Projekt des Deutschen Jagdverbandes und seiner Landesjagdverbände (Arnold et al, 2013)“
Der ursprünglich aus Nordamerika stammende Waschbär (Procyon lotor) kommt nach Aussetzungen
am Edersee in Hessen und Farmausbrüchen bei Strausberg in Brandenburg sowie im Harz seit der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland vor.
Lebensraum
E
r bevorzugt gewässerreiche Mischwälder und
strukturreiche Auen mit höhlenreichem Altholzanteil. Aufgrund seiner hohen Anpassungsfähigkeit
besiedelt er zunehmend auch Agrarlandschaften,
strukturarme Forsten und urbane Lebensräume.
Der Waschbär hat in Deutschland zwei große Verbreitungsschwerpunkte. Bewusstes Aussetzen und
Farmausbrüche in den 1930er- und 1940er-Jahren
sowie die anhaltende Ausbreitung seit den 1990erJahren sind die Gründe dafür. Die Schwerpunkte
liegen in Hessen im Bereich um die Stadt Kassel und
in angrenzenden Landkreisen Niedersachsens und
Nordrhein-Westfalens sowie in Nordbrandenburg
und angrenzen den Landkreisen Sachsen-Anhalts
und Mecklenburg-Vorpommerns. Mittlerweile
20
kommt der Waschbär in allen Bundesländern vor.
40% der beteiligten Jagdbezirksinhaber bestätigten
im Zuge der flächendeckenden Einschätzung (FE)
2011 seine Anwesenheit.
Seit den 1990er-Jahren scheint sich der Waschbär
unaufhaltsam zu vermehren. Die Streckenzahlen sind
seit dem kontinuierlich angestiegen und liegen mittlerweile bundesweit bei über 70.000 Individuen. Die
höchsten Strecken werden dabei in den Hauptverbreitungsgebieten erzielt.
Im Vergleichszeitraum der Jahre 2003 bis 2011 ist mit
Ausnahme der Stadt Kassel in allen LandkreisenDeutschlands die Waschbärenstrecke mindestens
konstant geblieben und in vielen Landkreisen sogar
deutlich angestiegen. Dies ist Ausdruck der hohen
Anpassungsfähigkeit und Vermehrungsrate des
Landinfo 3 | 2014
Schwerpunktthema
Abbildung 1 und 2
Durchschnittliche jährliche Jagdstrecken und deren Entwicklung
in den Landkreisen
Biologie
‡ dämmerungs- und nachaktiv
‡ Nahrungsgeneralist mit breitem Nahrungsspektrum
‡ polygame Lebensweise
‡ mit ausgeprägtem Taststinn und hervorragendem Klettervermögen
‡ Jungenaufzucht ausschließlich durch die Fähe, vorwiegend in Baumhöhlen sowie im Siedlungsbereich in Schuppen
oder auf Dachböden
Jagd
Alle Bundesländer mit Ausnahme von Bremen und dem Saarland haben den Waschbär mittlerweile zur jagdbaren Art erklärt.
Waschbären. Im Jahr 2013 wurden im Rahmen der
WILD-Erhebungen noch weitere Details zu den Bejagungsarten und den Streckenanteilen bezüglich
Fang- und Ansitzjagd bei den Jägern abgefragt, um
hier weiterführende Informationen zu erlangen.
Krankheitsübertragung durch
Waschbären
Da sich der Waschbär auch in menschlichen Siedlungsräumen sehr wohlfühlt, erreicht er dort teilweise sehr hohe Populationsdichten. Die »Waschbärenmetropole« Kassel weist eine Dichte von etwa 100
Landinfo 3 | 2014
Tieren/km2 auf. Ein Risiko der Übertragung von
vorhandenen Krankheitserregern auf den Menschen
oder auf Haustiere ist dadurch jederzeit gegeben.
Neben Spulwürmern kann der Kleinbär unter anderem das Staupevirus, die Aujeszkysche Krankheit,
das Canine Parvovirus oder auch Räudemilben übertragen.
Arnold, J.M., Greiser, G., Keuling, O., Martin, I.,
Strauß, E. 2013. Status und Entwicklung ausgewählter
Wildtierarten in Deutschland. Jahresbericht 2012.
Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands (WILD). Deutscher Jagdverband (Hrsg.), Berlin.„
Johanna Maria Arnold
Deutscher Jagdverband
e.V. Berlin
Tel. 030/ 2091394-17
[email protected]
21
Mitten im Leben
Nach der 3-S-Regel – säubern, säuern, salzen – bereiten Sie den Fisch optimal für
das Garen vor
SÄUBERN
Fisch kurz unter kaltem, fließendem Wasser waschen und trockentupfen. Streichen Sie mit
dem Finger über das Filet und entfernen evtl. Gräten mit einer Pinzette oder Grätenzange.
SÄUERN
Fisch mit Zitronensaft beträufeln und ca. 10 Minuten durchziehen lassen. Die lockere
Fischfleischstruktur wird dadurch gefestigt, das Fleisch hellt sich etwas auf und etwaiger
Fischgeruch wird gebunden. Haben Sie einen festen, frischen Fisch und die saure Note ist
nicht nach Ihrem Geschmack, kann das Säuern auch entfallen.
SALZEN
erst kurz vor der Zubereitung den Fisch salzen. Dadurch kann das Salz dem Fisch keine
Feuchtigkeit entziehen. Nicht vergessen: auch Salzwasserfische müssen gesalzen werden.
Dünsten ist eine sehr schonende Garmethode. Der Fisch gibt Geschmacks- und Inhaltsstoffe
ab, gleichzeitig wird er durch den Fond oder das mitgedünstete Gemüse aromatisiert. Fisch
hat eine kurze Garzeit. Dünsten Sie deshalb Gemüse vor Zugabe des Fischs fast gar. Fischfleisch
ist durch seinen hohen Wassergehalt und die besondere Eiweißzusammensetzung leicht
verderblich. Achten Sie deshalb beim Einkauf darauf, dass die Ware absolut frisch ist und
keinen unangenehmen Fischgeruch aufweist.
22
Landinfo 3 | 2014
Mitten im Leben
So erkennen Sie frischen Fisch
Frische Fische haben klare, glänzende Augen, dunkelrote Kiemen und glatte, festanliegende
Schuppen.
Frisches Fischfilet sieht glasig aus und hat elastisch-festes Fleisch; zu lange gelagertes Fischfilet
ist an den Rändern trocken und weist Spuren von Verfärbung auf.
Frischfisch sollte maximal 1 Tag im Kühlschrank aufbewahrt werden. Bewahren Sie den Fisch
abgedeckt in der kältesten Zone des Kühlschranks auf.
Tipp: Nutzen Sie bei Süßwasserfischen wie z.B. Forelle, Saiblinge oder Karpfen das regionale
Angebot. Hier können Sie die Frische genau überprüfen und sich über Haltung und Verarbeitung
informieren.
Beachten Sie bei gefrorenem Fisch
Tiefgefrorenen Fisch rechtzeitig vor der Zubereitung abgedeckt im Kühlschrank auftauen.
Portionsstücke lässt man nur soweit auftauen, dass man sie auseinandernehmen kann. Sie
werden noch leicht gefroren vor- und weiterverarbeitet.
Das Auftauwasser in jedem Fall weggießen.
Tipp: Tauen Sie Fisch nicht in der Mikrowelle auf, das macht ihn fast immer zäh und trocken.
Reispfanne mit Fisch (für 4 Personen)
Zutaten
Zubereitung
2 große Zwiebeln
schälen, in feine Würfel schneiden
1 rote und 1 grüne Paprika
putzen, waschen, in Streifen schneiden
3 EL Rapsöl
200 g Langkornreis
(in einer für den Backofen geeigneten Pfanne oder Topf) Zwiebelwürfel
in Öl glasig dünsten, Paprikastreifen kurz mitdünsten, Reis dazugeben
und leicht rösten lassen
1/2 l kochende Brühe, Salz
aufgießen und mit Salz würzen, in den heißen Backofen (225 °C)
schieben, Wecker auf 10 min. stellen
500 g Fischfilet (z. B. Seelachs, Kabeljau, Rotbarsch)
1/2 Zitrone
Fischfilet waschen, abtrocken, mit Zitronensaft säuern
125 ml Weißwein
Salz, Pfeffer, evtl. Cayennepfeffer
nach 10 min. Fischfilet in Stücke schneiden, salzen, pfeffern und mit
dem Weißwein zu dem Reis geben, weitere 10 min. garen, alles
nochmals abschmecken
Ein Beitrag des Infodienst Ernährung / www.ernaehrung-bw.de
Mehr finden Sie im monatlichen Newsletter.
Landinfo 3 | 2014
Autorin: Beate Dorau, LRA Ravenburg
Bilder: Friederike Wöhrlin
23
Mitten im Leben
Personalnachrichten (April bis Juni 2014)
Neueinstellungen
Stefanie Böhringer
Norbert Böhringer
Simone Hofmann
Claudia Kohn
Anne-Katrin Peters
Katharina Schmid
Carolin Schneider
Landratsamt Reutlingen
Landratsamt Lörrach
Landratsamt Tuttlingen
Landratsamt Esslingen
Landratsamt Rastatt
Landratsamt Konstanz
Landratsamt Ludwigsburg
Claus-Felix Teufel
Andrea Wiedemann
Ulrich Zinser
Vera Westphal
Manuel Becker
Thomas Weil
Landratsamt Biberach
Landratsamt Sigmaringen
Landratsamt Ravensburg
LEL Schwäbisch Gmünd
LVWO Weinsberg
LSZ Boxberg
Versetzungen
Markus Porm
Landratsamt Konstanz
Eintritt in den Ruhestand (in den Monaten Nov. 2013 bis März 2014)
Peter Ragg
Landratsamt Konstanz
Dr. Dieter Albrecht
Landratsamt Göppingen
Landratsamt Reutlingen
Landratsamt Karlsruhe
Willy Messner
LEL Schwäbisch Gmünd
Eintritt in den Ruhestand
Franz Marschätzky
Dieter Maag
Rezensionen
Honigbienenhaltung
Werner Gekeler, Verlag Eugen Ulmer Stuttgart 2013,
2. Auflage, 176 Seiten, 30 schwarz-weiß Fotos, 27
Zeichnungen, 50 Farbfotos, 16 Tabellen, ISBN – 9783-8001-6969-6, Preis: 26,90 Euro
Imkermeister Werner Gekeler war Fachberater für
Imkerei und betreibt in Baden- Württemberg einen
imkerlichen Nebenerwerbsbetrieb. Schwerpunkte
seiner Imkerei liegen bei der Königinnenzucht, Wanderung und der Direktvermarktung. Das 2006 erstmals erschiene Fachbuch ist nun in 2. Auflage erhältlich. Der Verlag hat das Format auf 17 x 23,5 cm vergrößert und das Innenlayout modernisiert, was sich
auf die Lesbarkeit positiv auswirkt. „
Die selten beherrschte Kunst der richtigen
Ausbildung - Worauf es ankommt - was
wirklich zählt
Marco Weißer, kartoniert, 4., Aufl. 334 S. m. Abb.,
Frankfurter Literaturverlag „Public Book Media“,
ISBN 978-3-86369-028-1; 22,80
Das erstmals 2011 erschienene, sehr erfolgreiche Praxisbuch für Ausbildungs-, Lehr- und Führungskräfte
kann ein wichtiger Rat- und Impulsgeber für Ausbil-
24
dung und Unterricht sein. Der Autor ist überzeugt,
dass der wesentliche Baustein für eine erfolgreiche
Ausbildung das gute Verhältnis der beteiligten Personen ist. Mit dem Buch bietet er eine kompakte
Zusammenfassung verschiedener Ansätze aus Pädagogik, Psychologie, Kommunikation etc., immer anschaulich gemacht an praktischen Ausbildungssituationen.
Sein Plädoyer: „Ausbildung kann ein Erlebnis sein.
Sie soll den Weg in eine lebenswerte Zukunft ermöglichen und Spaß machen. Viele bilden aus, aber nur
wenige machen es richtig. Ausbildung erfordert Individualität und Kreativität.“
Im Buch finden sich Antworten auf Fragen wie z. B.
Wie gestalte ich den ersten Tag der Ausbildung? Wie
kann ich ein lernförderliches Umfeld schaffen? Wie
kann ich der Leuchtturm für den Nachwuchs sein?
Wie gestalte ich motivierende Ziele? Wie finde ich
einen Draht zu den Auszubildenden?Im Vergleich zu
den vorigen Auflagen wurde das Kapitel 5.11 – Bewertung komplett überarbeitet und ein Kapitel mit
nützlichen Links und Adressen ergänzt.
Eine Leseprobe findet sich auf der Homepage: http://
www.effico.de/hauptnavigation/aktuelles/ „
Landinfo 3 | 2014
Mitten im Leben
Verband Hessischer Fischer e.V. (VHF)
Der Stör - Fisch des Jahres 2014: Ein Portrait
Die Störe sind eine erdgeschichtlich sehr alte Gruppe von Knochenfischen. Sie besiedelten bereits vor
250 Millionen Jahren Meere und Flüsse. Auffallend sind die vier an der Maulspitze sitzenden Barteln,
die fünf Reihen von Knochenplatten, die anstelle von Schuppen den Körper bedecken und die
asymetrische Schwanzflosse. Das Skelett wurde im Verlauf der Evolution zu Knorpeln rückentwickelt.
N
och vor einem Jahrhundert war der Stör in
Deutschland häufig und stellte eine feste Größe
auf heimischen Tellern dar, und zwar nicht nur der
begehrte Kaviar, seine Eier. Allerdings teilt er das
Schicksal aller weit wandernden Fische und ist aus
unseren Flüssen verschwunden. Die Wasserkraftanlagen verhindern die für die Fortpflanzung erforderliche Wanderung. In Nordeuropa waren zwei Störarten heimisch, der europäische Stör (Acipenser sturio) in der Nordsee und der Atlantikküste sowie der
atlantische Stör (Acipenser oxyrinchus) in der Ostsee.
Störe waren auch wirtschaftlich von Bedeutung. So
baute man in Hamburg 1871 eine eigene große Halle
zur Vermarktung dieser Fischart. 1920 verkauften die
Fischer in Altona noch 700 Exemplare. Der letzte
Stör im Rhein wurde 1923 bei Rees, der letzte atlantische Stör aus der Ostsee im Jahr 1938 gefangen. Seit
den 60er Jahren gilt diese Art in Deutschland als
ausgestorben. Aufsehen erregte ein Einzelfang in der
Nordsee im Jahr 1993. Die zoologische Sensation
wurde versehentlich in der Kantine des Bonner Innenministeriums verwertet.
Lebensweise
Der europäische Stör ist mit bis zu 6 m Länge und bis
zu 400 kg Gewicht der größte Fisch, der in unseren
Gewässern heimisch war. Der atlantische Stör wird
bis zu 4 m lang. Vor etwa tausend Jahren waren die
Tiere in allen Meeren rund um Europa, mit Ausnahme der subpolaren und polaren Gewässer sehr zahlreich. Trotz der Größe sind Störe friedliche Gesellen.
Sie ernähren sich von Krebsen, Muscheln, Schnecken und anderen Kleintieren sowie von kleinen
Fischen am Gewässergrund. Um Nahrung zu finden,
orientieren sie sich überwiegend durch den ausgeprägten Geruchs- bzw. Geschmackssinn, der in den
vier Barteln an der Maulspitze besonders sensibel ist
und durch das stark ausgeprägte Seitenlinienorgan,
das Erschütterungen und Bewegungen auf größere
Distanz orten und analysieren kann.
Landinfo 3 | 2014
Fortpflanzung
Die urtümlichen Fische werden über 100 Jahre alt.
Erst im Alter von 12 bis 14 Jahren werden Männchen
geschlechtsreif, die Weibchen erst mit 16 bis 18 Jahren. Weibchen laichen nur alle drei bis vier Jahre.
Zum Laichen wandern Störe zwischen April und Juli aus ihrem eigentlichen Lebensraum, den küstennahen Meeren, an ihre Geburtsstätten, den Kiesbetten in den Oberläufen der Flüsse. Die Wanderung
führt, je nach Wasserstand, bis zu 1000 km flussaufwärts, wobei sie schon aufgrund ihrer Größe nicht so
weit flussaufwärts gelangen wie Forellen, Neunaugen
oder Lachse. Nach dem Ablaichen wandern die Elterntiere sofort wieder zurück ins Meer. Die Jungtiere wandern langsamer flußabwärts und erreichen im
Alter von etwa einem Jahr die brackigen Flussmündungen, wo sie einige Jahre bleiben.
Bild: © cc by Joachim S. Müller
Gefährdungen
Die nahezu vollständige Vernichtung der Störbestände in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert war vor
allem auf die zunehmende Verbauung und Verschmutzung der Flüsse zurückzuführen. Heute fallen
noch immer die wenigen verbliebenen Individuen
als Beifang der industriellen Hochseefischerei zum
Opfer. Der Abbau von Kies in der Gironde droht die
letzten Laichgebiete Europas zu vernichten. Die Größe der Tiere ist auch ein Hindernis bei der Wiedereinbürgerung. Die Stauanlagen der Wasserkraftwerke
sind schon für kleinere und sprungstärkere Wanderfische unüberwindbar.
Junger markierter Stör beim
Auswildern:
Bild: © Philipp Freudenberg
Die Elbe der einzige der großen deutschen Flüsse, in
dem ein Versuch der Wiederansiedlung überhaupt
eine Chance auf Erfolg haben könnte.
Werden nicht bald funktionierende Auf- und Abstiegshilfen entwickelt und installiert, wird es nur
eine Frage der Zeit sein, bis die friedlichen Riesen
endgültig aus Europa verschwunden sind. „
Hausen, (Huso huso)
Bild: © Daniel Döhne
25
Betrieb und Markt
Geothermie-Gewächshaus von außen
Bild: LVG Heidelberg
Adrian Albers, Heike Sauer, Ute Ruttensperger
Erfahrungen mit der Nutzung der oberflächennahen
Geothermie - Teil 1
An der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau (LVG) Heidelberg ist das neue 740
Quadratmeter große Gewächshaus nun seit einem Jahr in der Nutzung. Nach einigen
Kinderkrankheiten stehen jetzt die ersten Versuchserfahrungen zu Verfügung, diese wurden
bei der IPM (Internationale Pflanzen Messe) in Essen vorgestellt.
V
Das neue Gewächshaus
hat einen erheblich
geringen Wärmedurchgangskoeffizienten,
eine bessere
Lichtdurchlässigkeit
und eine bivalente
Wärmeversorgung.
26
on außen betrachtet sieht das neue Gewächshaus der LVG Heidelberg wie ein gewöhnliches
modernes Gewächshaus der Venlobauart aus (siehe
Titelbild - Abb.1). Es besitzt eine Grundfläche von
740 m², die Stehwandhöhe misst 4,75 Meter. Die
Stehwand und das Dach sind mit Acrylglas-Stegdoppelplatten von „Alltop“ eingedeckt.
Der Vorteil der „Alltop“ Stegdoppelplatten liegt in
einem geringeren Wärmedurchgangskoeffizienten
von 2,5 Watt pro m²K und senkt im Vergleich zum
Einfachglas damit den Wärmebedarf des Gewächshauses. Dieser Wert wird durch einen lichtdurchlässigen Tagschirm, einen Energieschirm für die Nacht,
sowie eine Verdunklungsanlage, die den beheizten
Kulturraum verkleinert, weiter gesenkt. Hinzu
kommt eine gute Lichtdurchlässigkeit von 91 % mit
zusätzlicher UV Durchlässigkeit. Dies kommt der
Pflanzen durch einen kompakteren Wuchs und bessere Farbausprägung zu gute. Zum Vergleich: Einfachglas hat einen Wärmedurchgangskoeffizienten
von 6 W pro m²K und hat eine UV filternde Eigenschaft.
Das Gewächshaus ist zur Umsetzung von unterschiedlichen Versuchsvarianten in zwei Abteile geteilt. Zurzeit wird dies dazu genutzt verschiedene
Klimastrategien gegeneinander zu vergleichen.
Die Besonderheit des Gewächshauses liegt in seiner
bivalenten Wärmeversorgung. An der LVG wird die
oberflächennahe Geothermie in Verbindung mit der
Wärmepumpentechnik genutzt. Die Wärmepumpe
deckt den Grundlastwärmebedarf des Gewächshauses. Den Spitzenlastwärmebedarf des Gewächshauses deckt eine Gasheizung.
Ziel des Vorhabens ist es, das energetische Einsparpotenzial zu beurteilen. Damit geht die Einsparung
von fossilen Energieträgern und die Reduktion des
CO2 Ausstoßes einher. Des Weiteren gilt es die erhöhten Investitionskosten im Vergleich zur Produktionskostensenkung, die durch Nutzung der Anergie
entsteht, zu betrachten. Anergie ist in diesem Fall die
nicht arbeitsfähige Energie des Erdbodens, unsere
Erdwärme.
Landinfo 3 | 2014
Betrieb und Markt
Nutzung der Wärmepumpentechnik
zur Wärmebereitstellung
In Kältemaschinen hat die Wärmepumpentechnik
unser Leben schon erobert. Nur wenige wollen auf
den Komfort verzichten, die diese Technik bringt.
Sei es um im Auto oder am Arbeitsplatz einen kühlen Kopf zu bewahren oder Lebensmittel zuverlässig
zu lagern. In umgekehrter Weise lässt sich die Technik aber auch zur Förderung von Wärme nutzen.
Die Wärmepumpe funktioniert nach einem Kreisprozess, in dem ein Kältemittel mit Hilfe von elektrischer Hilfsenergie zum Zirkulieren gebracht wird.
Dabei erfährt das Kältemittel vier Arbeitspunkte:
Verdampfung, Kompression, Verflüssigung und Entspannung.
Am Anfang steht das Verdampfen des Kältemittels.
Dabei nimmt das Kühlmittel Wärmeenergie aus seiner Umgebung auf. Im zweiten Schritt wird das
Kühlmittel komprimiert. Durch den höheren Druck
erwärmt sich das Gas, behält aber den Aggregatzustand. Im nächsten Schritt gibt das Kühlmittel die
Wärme an das Heizungswasser, welches das Gewächshaus versorgt wird, ab. Im vierten Schritt wird
das Kältemittel wieder entspannt, so dass es wieder
den Anfangsdruck besitzt und flüssig ist. Der Kreisprozess kann erneut durchgeführt werden.
Auf der IPM in Essen hatten die Messebesucher die
Möglichkeit, mittels eines Funktionsmodells das
Prinzip der Wärmepumpe nachzuvollziehen (Abb.
2). Dazu konnte am Modell beobachtet werden, wie
sich die Temperatur auf der primären Seite verringerte und auf der sekundären Seite zunahm. Ebenso
wurde mit Interesse verfolgt wie die elektrische Leistungsaufnahme mit zunehmender Temperaturdifferenz zwischen Primärseite und auf der Sekundärseite
ebenfalls anstieg. Eine Tatsache, die beim großen
Bruder wiederzufinden ist.
Energetische Bewertung der
Wärmepumpe während der
Weihnachtssternkultur
Die Weihnachtssternkultur war die erste Versuchskultur im Geothermiehaus mit anschließender Auswertung.
Die Messung der bereitgestellten Wärmemenge der
Wärmepumpe betrug 19.132 kWh. Der Bedarf an
konventioneller Wärme durch die Gasheizung belief
sich auf 328 kWh. Damit wurden 97,6 % der benötigen Wärme durch die Wärmepumpe bereitgestellt.
Die Leistungszahl der Wärmepumpe berechnet sich
Landinfo 3 | 2014
aus der Nutzleistung durch die eingesetzte Hilfsenergie. Die Hilfsenergie in Form von elektrischem Strom
betrug 6.256 kWh, die in Haus gelieferte Wärmemenge betrug 19.132 kWh. Daraus ergibt sich Leistungszahl von 3,1.
Abbildung 2
Fachgespräch mit
interessierten Messebesuchern, siehe auch
Funktionsmodell
Wärmepumpe
Bild: LVG Heidelberg
Mittels der Messungen wurde auch das Einsparpotenzial einer Temperaturregelstrategie, der „dynamischen Außentemperaturkorrektur“ (dAt) überprüft.
Die dAt kommt mit dem Ziel zum Einsatz, Pflanzen
bei gleicher Qualität mit weniger Energiekosten zu
produzieren. Die dAt korrigiert den Heizungssollwert nach der Abweichung der realen Außentemperatur von ihrem Erwartungswert, dem langjährigen
Mittel. Ist eine bestimmte Jahres- und Tageszeit zu
kalt, wird der Sollwert abgesenkt. Ist eine bestimmte
Jahres- und Tageszeit zu warm, wird der Sollwert
angehoben.
Im Versuch war eine Energieersparnis durch die dAt
gegeben. Der Wärmebedarf der dAt-Variante war mit
1.500 kWh, 20% unter dem der Standardvariante. Die
dynamische Außentemperaturkorrektur bewirkte
eine Senkung der Tagesmitteltemperatur von 2 °K.
Daraus resultierte eine Kulturzeitverlängerung von
bis zu einer Woche und sie ist Sorten bedingt abhängig. Beim Habitus konnten Unterschiede festgestellt
werden, die Pflanzenqualität war in beiden Varianten
gut.
Der Wärmebedarf des
Gewächshauses lag
20 % unter der
Standardvariante.
Die Kulturzeit verlängerte
sich um 1 Woche.
Für eine effiziente Wärmepumpe wird nach Bußmann1) eine Leistungszahl t 4 gefordert. Die Leis-
______________________
1) BUSSMANN, W. et al: Geothermie - Energie aus dem
Inneren der Erde. 2012, Fraunhofer Irb Verlag, Stuttgart
27
Betrieb und Markt
Abbildung 3
Variantenvergleich von AlZPr
vs. dAt der Sorte ‚Peppy Blue‘
(Petunien),
Aufnahme vom 7.4.2014
Bild: LVG Heidelberg
tungszahl hängt eng mit der Temperaturdifferenz
zusammen, die die Wärmepumpe anheben muss.
Die Temperaturdifferenz lag während des Messzeitraums bei 50 °K und hierfür liegt die erzielte Leistungszahl mit 3,1 im normalen Bereich. Jetziges Ziel
ist es, die Temperaturdifferenz zu senken, um die
Leistungszahl zu erhöhen. Gelingen soll dies durch
eine frühere Umschaltung von Wärmepumpe auf die
Gasheizung oder durch eine bessere Nutzung der
Wärmerückgewinnung, die im Frühjahr und Herbst
eine höhere Vorlauftemperatur im Primärkreis bewirkt.
Zur ökologischen Bewertung der Wärmepumpe ist
der Primärenergiefaktor mit einzubeziehen. Damit
wird dem Energieaufwand für die Rohstoffförderung
und dem Wirkungsgradverlust der Stromindustrie
Rechnung getragen. Nach EnEV 2009 Anlage 1 Abschnitt 2.1.1 beträgt dieser für das deutsche Stromnetz zurzeit 2,6. Zur Erzeugung der 6.256 kWh benötigten elektrischen Leistung wurde 16.265 kWh an
primärer Energie eingesetzt. Wird die in Haus gelieferte Wärme von 19.132 kWh durch diesen Wert dividiert ergibt sich ein Faktor von 1,2. Somit ist die
Bilanz zur Reduzierung des Primärenergieeinsatzes
im Vergleich zur alleinigen Nutzung der Gasheizung
positiv.
Petunien
Adrian Albers
LVG Heidelberg
Tel. 06221/ 7484-858
[email protected]
28
Stellvertretend für die Beet- und Balkonsaison wurden Petunien der Sorte ‘Peppy Blue‘ (Dümmen) verwendet um die Auswirkung der Klimastrategie dAt
und des Klimas zu zeigen. Der Wärmebedarf lag in
der dAt-Variante mit 712 kWh weniger um 30% niedriger als in der Standardvariante. Die Leistungszahl
und der Primärenergiefaktor waren im Vergleich zur
Poinsettienkultur unverändert.
Die Auswertung zeigte einen Unterschied zu Gunsten der dAt. Die Tagesmitteltemperaturen waren in
beiden Varianten gleich. Die Südseite hatte ein besseres Lichtangebot als das nördlich gelegene Versuchsabteil. Dies führte dazu, dass die Pflanzenhöhe
und der Pflanzendurchmesser in der dAt und der
Vergleichsvariante gleich waren. Unterschiede gab es
jedoch bezüglich der Blütenanzahl und -größe, diese
waren in der dAt-Variante größer und bewirkten
letztlich eine bessere Bewertung der Pflanzenqualität
innerhalb der dAt-Variante (Abb. 3). Die dAt trägt
dran einen kleinen Anteil, das Lichtangebot und ein
sich damit schneller aufheizendes Gewächshaus, ist
als Hauptgrund für dieses Ergebnis zu sehen.
Fazit
97,6% des benötigen Wärmebedarfs konnten durch
die oberflächennahe Geothermie und Wärmepumpe
in den durchgeführten Versuchen gedeckt werden.
Die Regelstrategie dAt (dynamischen Außentemperaturkontrolle) zeigte für die Weihnachtssterne eine
Energieeinsparung bei ähnlicher Pflanzenqualität.
Bei der Petunienkultur addierten sich die Ersparnisse
und bessere Pflanzenqualität mit einen besseren
Lichtangebot und dies beweist wieder einmal, dass
der Faktor Licht im Gartenbau ein wichtiger ist. „
Landinfo 3 | 2014
Pflanzen- und Tierproduktion
Dr. Franz Maus
125 Jahre organisierte Hinterwälderzucht
Jubiläumsschau und Festakt am 3. und 4. Mai 2014 in Utzenfeld
125 Jahre sind eine lange Zeit, sie umspannen fünf Menschengenerationen. Dass der Eifelturm auch
so alt ist, spricht für sich. Der Eifelturm und die Hinterwälder haben unbestritten Alleinstellungsmerkmale,
beim Eifelturm die Bauart und bei den Hinterwäldern die Kleinheit. „Bonsai“ und „Araber“ der
Rinderrassen werden sie zu Recht genannt.
D
ie Gründung des Zuchtvereins 1889 in Schönau
erfolgte im Vergleich zu anderen Zuchten recht
früh. 45 Mitglieder mit 57 Tieren bildeten die Startbasis. Triebfeder war, dass es durch die Zuchtregistrierung verbesserte Absatzchancen gäbe. Beispiele
waren bereits neun gegründete Fleckviehzuchtvereine im Oberbadischen unter anderem mit dem Meßkircher Verein, der bereits 1882 als erster aus der
Taufe gehoben wurde. Die Viehzählung ein Jahr
nach Gründung im Schönauer Gebiet brachte 8.922
Hinterwälder, elf Simmentaler und sechs Tiere anderer Rassen - fürwahr eine Alleinstellung. Das Verbreitungsgebiet umfasste das große und das kleine Wiesental, das Münstertal und das Gebiet südlich des
Feldbergs wie zum Beispiel Bernau. Das heutige
Gebiet ist etwas kleiner, weil in Randzonen Vorderwälder und andere Rassen Einzug gehalten haben.
Die Herkunft ist ungewiss, immer wieder wird von
einer Abstammung vom Keltenrind gesprochen. Auf
jeden Fall entstand das kleine zähe und leichtfuttrige
Hinterwälderrind in Anpassung an die Steilhänge
und die karge Futtergrundlage durch die vorherrschende Hartgräservegetation. Dadurch ist es klein
und leicht geworden. Die Maße und Gewichte der
letzten acht Frühjahrsschauen seit 1989 liegen bei
knapp 122 cm im Widerrist und bei 470 kg Gewicht,
das Gewicht wird in der Weidesaison niedriger. Bei
Herdbuchaufnahmen vor dem ersten Weltkrieg sollten Kühe nicht größer als 117 cm im Widerristsein
und 280 bis 400 kg wiegen.
Hinterwälder unterscheiden sich von anderen Rassen in der Langlebigkeit und den Abgangsursachen.
Sie werden mit 7,5 Jahren durchschnittlich 2 Jahre
älter. Zu Nutzzwecken können 16 % statt 3 % verkauft
werden, wegen hohen Alters 27 % statt 7 %, wegen
Unfruchtbarkeit 14 % statt 25 %. Der größte Unterschied ist die Abgangsursache Fundament: Nur 1 %
verlassen deswegen die Betriebe, über alle Rassen
sind es über 9 %. Schlechter als bei den anderen
Landinfo 3 | 2014
Rassen ist der Zellgehalt, möglicherweise ein Nachteil des deutlich höheren Alters der Hinterwälderkühe.
Durch ihre Kleinrahmigkeit scheinen die Hinterwälder eine bessere Verdauungsleistung zu haben als
großrahmige Rassen. Ein Fütterungsversuch mit
Mutterkühen und der beschriebene Mastversuch an
der LAZBW Aulendorf deuten darauf hin. Außerdem stellte man bei Tuberkulose- Seuchenzügen fest,
dass die Hinterwälder weniger anfällig waren.
Kann man Freude am
Jungzüchterwettbewerb
besser ablesen als im Gesicht
von Luca Kiefer aus Aitern?
Herr Preiser hat die
Befragung von Luca
übernommen. Das Bild
verdeutlicht auch den sehr
guten Besuch der Schau.
Weitere Bilder finden Sie auf
der Homepage der
Rinderunion.
Bild: Dr. F. Maus
Zuchtziele
Wie bei allen Landschlägen wurden ab Mitte des 19.
Jahrhunderts auch bei den Hinterwäldern mit Braunvieh aus der Schweiz und Vorarlberg eingekreuzt mit
dem Hauptziel der Größe- und Gewichtssteigerung.
Die Ergebnisse waren so unbefriedigend, dass ein-
29
Pflanzen- und Tierproduktion
brachte Körzwang und Pflichtmilchkontrolle in
Zucht- und ab 1937 in allen Milchbetrieben. 1937
waren 125 Bullen, 1.275 Kühe und 432 Kalbinnen
registriert. 1938 erzielten 904 HB-Kühe 1.953 Milch
kg mit 4,04 Fett %. Nach 1945 gab es Beschlagnahmungen von Vieh, so dass wieder bei Null begonnen
werden musste. Zwischen 1947 und 1958 ging es
langsam bergauf mit 815 beziehungsweise 1.087 eingetragenen männlichen und weiblichen Herdbuchtieren. Von 1959 bis 1961 war der zahlenmäßige Höhepunkt der Zuchttiere, 1.339 eingetragene Hinterwälderkühe waren registriert. Danach war ein steter
Rückgang zu verzeichnen: Waren es 1965 noch 622
Kühe und 60 Bullen, so waren es beim 100 jährigen
Jubiläum 1989 nur noch 567 Kühe und 48 Bullen.
Ist er nicht beeindruckend in
Rumpf und Fleisch? Der
Bulle Fritzle auf der DLGAusstellung 1955 vor der
Bavaria in München.
Bild: Zuchtverband
deutig klar wurde, dass nur in der Reinzucht die
Vorteile der Rasse voll ausgeschöpft werden können.
Von Anfang an beteiligte man sich an DLG Ausstellungen. Leider ließen gute Verkaufserfolge ins Saarland zu Bergarbeiterbetrieben und ins Murgtal die
züchterische Arbeit rasch wieder einschlafen. 1899
kam es zu einer Wiederbelebung mit 136 Betrieben
und 252 Tieren. Im Jahre 1914 waren es 1.000 Mitglieder und 2.000 eingetragene Tiere, nach dem 1. Weltkrieg ging es bei null los. Erst 1922 war wieder ein
Markt in Schönau.
Leistungen der Hinterwälder
Die Anzahl der
Hinterwälderkühe in
Milchviehbetrieben
sinkt stetig.
Die Mutterkuhzahlen
haben sich hingegen seit
1994 vervierfacht.
Mitte/Ende der 1920 er Jahre wurde in Bernau als
erstem Teilgebiet die Leistungsprüfung eingeführt,
bei der 130 Kühe im Schnitt 1.650 kg Milch als Jahresleistung erzielten. Das Gebiet Schönau folgte, auf
einer damaligen Schau gaben die kontrollierten Kühe zwischen 3.100 und 3.838 kg Milch. Diese erstaunlichen Leistungen bewogen die Universität Hohenheim 1931 elf Kalbinnen zu erwerben. Eine dieser
Kalbinnen kam auf eine 1. Laktationsleistung von
3.480 kg Milch und 4,1 % Fett. Bis nach dem 2. Weltkrieg hatte die Universität Hohenheim eine Hinterwäldermilch-viehherde. Der damalige Leiter des
Tierzuchtinstitutes Professor Jonas Schmidt formulierte es so: „Auch ein kleiner Rahmen macht sehr
gute Leistungen möglich“.
Ab 1933 führte das Autarkiebestreben zu umfangreichen Fördermaßnahmen. Das Reichstierzuchtgesetz
30
Deutlich ist der Rückgang der Betriebe: Waren es im
Jahre 2000 noch 60 so ist die Zahl im Jahre 2013 auf
fast die Hälfte, auf 33 zurückgegangen. Die Kuhzahlen sind moderater gesunken, von 659 auf 491. Ein
Drittel dieser Betriebe sind Biobetriebe, der höchste
Anteil im Rassenvergleich. Ganz anders ist die Entwicklung bei den Mutterkuhbetrieben. 1994 waren
es in 53 Betrieben 450 Kühe, 2005 in 78 Betrieben
831 Kühe und 2013 204 Betriebe mit 1.865 Kühen.
Ab Mitte der 1960 er und Anfang der 1970 er Jahre
wurde, ausgehend von der Populationsgenetik, durch
den damaligen Zuchtleiter Dr. Alfred Bröckl angedacht die Vorder- und die Hinterwälderrasse zu verschmelzen, um mehr Zuchtfortschritt zu erzielen.
Dies wurde von allen Züchtern der Hinterwälderrasse abgelehnt. Stattdessen konnte das Land BadenWürttemberg motiviert werden 1972 erstmalig bei
einer Rinderrasse eine staatliche Förderung einzuführen.
Als zweite Maßnahme zur Weiterentwicklung wurden kleinrahmige Vorderwälderbullen zur notwendigen Linienerweiterung eingesetzt. Die Hinterwälderzählung durch das Tierzuchtamt Titisee- Neustadt
1985/1986 kam auf 4.316 Tiere beiderlei Geschlechts
und aller Altersgruppen und auf 2.328 Kühe, von
denen 41,7 % acht Jahre und älter waren.
Eignung als Mutterkühe
Mitte der 1970 er Jahre erfolgte die Überprüfung der
Mutterkuhtauglichkeit. Ergebnis war, dass auch Anpaarungen mit Fleckvieh kaum Geburtsprobleme
machen und durch die Milchergiebigkeit gute Absetzer heranwachsen. Ein großes Plus der Hinterwälder
ist der leichte Geburtsverlauf und die niedrigere Totgeburtenrate. Hier liegen unsere aktuellen vier Besamungsbullen mit Nachzuchten bei unter 1 % Schwer-
Landinfo 3 | 2014
Pflanzen- und Tierproduktion
und 1,7 %Totgeburten. Andere Rassen liegen zweibis dreimal höher.
In den 1980 er und 1990 er Jahren kommt es zu einer
starken Nachfrage nach Hinterwäldertieren. Zum
einen in die Schweiz, die einen eigenen Zuchtverein
gründete und zum anderen als nach der 1. BSE- Krise Tiere englischer Extensivrassen durch Hinterwälder ersetzt wurden. Publik wird die Rasse auch durch
die Ernennung zum „Rind des Jahres“ 1992 durch die
Gesellschaft zur Erhaltung von Haustierrassen
(GEH). 1990 wurde die Förderung vom Zuchttier auf
die Bestandskuh umgestellt. Etwa 2.500 Kühe werden mit 100 DM im MEKA-Programm gefördert.
1994 und 1995 sind wichtige Jahre von der Organisation her. Zunächst beschließt der Landeskontrollverband die Abstammungssicherung in den Mutterkuhbetrieben weiterhin zu übernehmen und der Rinderzuchtverband verankert die Mutterkuhhaltung im
Zuchtziel. Im Jahre 2000 entbindet das Land BadenWürttemberg die Gemeinden von der Verpflichtung
zur Vatertierhaltung. Die Gemeinden Wieden und
Münstertal sind heute noch freiwillig dabei. Seit 2006
dürfen nur noch Zuchtkühe gefördert werden. Dies
führte zu einem starken Anstieg von 132 auf 247
Milch- und Mutterkuhbetriebe.
Die Milchleistung der Hinterwälder liegt in den letzten fünfzehn Jahren bei etwa 3.400 kg Milchmenge,
4,05 % Fett und 3,40 % Eiweiß. Jedes Jahr überschreiten ca. fünf Betriebe die 4.000 kg. Dass die Milchleistung im Haltungsgebiet stark von der Umwelt abhängig ist, zeigen nachfolgende zwei Beispiele: Das Haus
Düsse hatte 1991einige Hinterwälder, die folgende
Leistungen erzielten: Viola 4/3,0 6.384 kg Milch 4,19
F % und 3,55 E %; Sigrid 4/3,0 4.679 3,98 F % und 3,50
E % und eine Sigridtochter, die in der 1. Laktation
4.288 kg Milch 3,88 F % und 3,89 E %. Rudi Odermatt,
aus Fischingen in der Schweiz, ersetzte Ende der 1990
er Jahre seine Braunviehspitzenzucht mit Hinterwäldern, als Rinder angekauft. Die Jahresleistung seiner
Herde liegt ohne Grassilagefütterung um die 5.000
kg Milch mit einem Eiweißgehalt, der höher liegt als
bei den Braunviehkühen.
Die Kördaten der Hinterwälder erfasst auf den Frühjahrs- und Herbstmärkten liegen bei knapp 900 g
täglichen Zunahmen. Die Bullen sind 14 bis 15 Monate alt, messen 117 cm im Widerrist und wiegen 420
kg. Beim Mast und Fleischqualitätsversuch 1999 an
der LAZBW Aulendorf war man überrascht von der
frühen Schlachtreife und der Zuwachsleistung der elf
Hinterwälderbullen: Über 1.100 g tägliche Zunahmen im Schlachtalter von 13 Monaten, die letzten 4
Monate musste Silomais wegen Verfettungsgefahr
aus der Ration genommen werden. Die Ausschlachtung lag bei knapp 56 % und die Klassifizierung bei
Landinfo 3 | 2014
3*U und 8*R bei gewünschter Fettstufe 2 und 3. In
einem Schlachtprogramm mit Landliebe/Okle Singen und Adler Bonndorf wurde 1,00 Euro über Notierung bezahlt. Die 2008 und 2009 vermarkteten 169
Bullen, 13 Ochsen und 27 Rinder erreichten zu ¾ die
gewünschte Fleischigkeitsklasse R. In exemplarischen Absetzerwiegungen erzielten 62 männliche
Tiere im Alter von 7,2 Monaten 237 kg Gewicht, was
988 g täglichen Zunahmen entspricht und das Söhnegewicht entsprach über 55 % des Muttergewichtes.
Schlachtauswertungen der drei Absetzerjahrgänge
2011 bis 2013 bestätigen diese guten Zahlen. Die
Schlachtkörper der 30 männlichen Tiere wogen im
Schlachtalter von 285 Tagen 160 kg, was guten Nettozunahmen von 596 g pro Tag entspricht.
Die Fleischqualität der Hinterwälderrasse ist seit langem bekannt. Schon 1544 würdigte sie Sebastian
Münster in seinem Buch Cosmographica Universalis.
An der BAFF in Kulmbach wurde das Fleisch der elf
Hinterwälderbullen aus der LAZBW Aulendorf untersucht, als Vergleich dienten Fleckviehbullen. Entscheidender Unterschied war, dass die Muskelfaserfläche der Hinterwälder 20 % kleiner war als bei den
Vergleichstieren. Dies hatte zur Folge, dass die benötigte Scharkraft zur Fleischdurchtrennung 26 % geringer war und die Zartheit beim Verzehr 14 % besser
eingestuft wurde. Auch im Aroma wurde es 9 % besser bewertet.
Kann man sich eine andere
Milchviehrasse auf dieser
Weide vorstellen? So wird die
Landschaft freigehalten mit
Hinterwäldern von Hubert
Schätzle aus Todtnau- Präg.
Bild: Dr. F. Maus
Die Fleischqualität der
Hinterwälder ist
hervorragend.
So gab es im Jahr 2008
und 2012 beim nationlen
Rindfleischwettbewerb in
Neuseeland erste Plätze.
In Neuseeland hat Hinterwälderfleisch Furore gemacht: Im nationalen Rindfleischwettbewerb gewann es im Jahre 2008 den ersten Platz in der Kate-
31
Pflanzen- und Tierproduktion
So gut sahen die Absetzer
von Michaele und Martin
Behringer in Utzenfeld bei der
Wiegung im Jahre 2000 aus.
Bild: Dr. F. Maus
In Zukunft soll die
genetische Linienvielfalt
erhalten bleiben und der
Muskelfleischanteil
verbessert werden.
gorie Kreuzungen und im Jahre 2012 sogar über alle
vier Kategorien als Reinzuchtsiegerfleisch. Das Motiv für die Teilnahme von Werner Gut war, mit Hinterwäldern den Jersey und Holsteinbetrieben einen
Bullen anzubieten, der das Mästen wieder lohnend
macht.
Eine Rasse braucht genügend Linien. Das ist bei den
Hinterwäldern absolut der Fall. Es gibt elf Linien, aus
denen 22 Besamungsbullen abstammen. Die A- B-,
N-, und S- Linie gehen auf die Vorderwälderhereinnahme Anfang der 1970 er Jahre zurück, die K-, H-,
L-, M-, F-, R-, und W- Linie sind Verzeigungen der
ursprünglichen F- Linie. Wenn eine Zuchtlinie
knapp wird, wird sie über die gezielte Anpaarung
wieder aktiviert. Aus diesen Nachkömmlingen wird
der beste nach dem Deckeinsatz abgesamt. Erwähnt
werden können die Besamungsbullen Arida, Benforal, Bennasch, Hummel, Labflort, Fockeral, Fokler,
Napbär, Napflort und Siltben, die über diesen Weg
in die Besamung gelangten. Seit 2003 stehen auch
genetisch hornlose Bullen aus der N-Linie und der
F-Linie zur Verfügung, sowie die Besamungsbullen
Arinax P und Siltnax P.
Dr. Franz Maus
LRA SchwarzwaldBaar-Kreis
Tel. 07721/ 913-5352
[email protected]
32
Aussichten
Die Hinterwälderrasse befindet sich einerseits in einer guten Phase, die Rasse wird als Spezialität allgemein anerkannt. Was erwartet uns in der Zukunft?
Der deutliche Rückgang der Milchviehhaltung wird
sich vermutlich – verlangsamt – fortsetzen und die
Mutterkuhhaltung zunehmen. In der Mutterkuhhaltung werden schwerere Tiere bevorzugt und/oder
Fleischrinderbullen als Kreuzungspartner eingesetzt,
damit die Endgewichte höher liegen. Sowohl im
Milchbereich aber vor allem im Fleischbereich sollte
mit rassespezifischer Vermarktung ein Mehrerlös erzielt werden. Dies würde die Reinzucht entscheidend fördern.
Die Rasse hat auch außerhalb des Gebietes Ihre Liebhaber gefunden, in der Regel für die Mutterkuhhaltung. In fast allen deutschen Bundesländern werden
sie als Abteilung bei den Fleischrinderzuchtverbänden geführt. Neben der Schweiz gibt es auch einige
Einsteiger in Österreich. In der Mutterkuhhaltung
kommt der Umgänglichkeit der Tiere mehr Bedeutung zu als in der üblichen Anbindehaltung. In diesem Bereich findet Hornlosgenetik ihre Abnehmer.
Es wird weiter an der Verbesserung des Muskelfleischanteils gearbeitet. Wichtig ist ein planmäßiges
Vorgehen zur Erhaltung der Linienvielfalt. Der
Trend in die Nutzungsrichtung Mutterkuhhaltung
stellt die Züchter vor neue Herausforderungen. Wir
denken, dass wir in der Lage sind, behutsam damit
umzugehen, damit die Hinterwälder weiterhin als
„Araber“ beziehungsweise „Bonsai“ der Rinderrassen
anerkannt werden. Sie sorgen mit Ihren Besonderheiten für das einmalige Landschaftsbild rund um
Feldberg, Belchen und Herzogenhorn. „
Landinfo 3 | 2014
Gartenbau und Sonderkulturen
Rene Fuchs
VineMan.org – Europäisches Projekt zur Verbesserung des
Pflanzenschutzes im ökologischen Weinbau
Der ökologische Weinanbau steht aufgrund von immer häufiger auftretenden Wetterphänomenen und
der geplanten Reduzierung der Kupferaufwandmenge vor neuen Herausforderungen. Aus diesem
Grund wurde im Frühjahr 2012 das europäische Forschungsprojekts VineMan.org (www.vineman-org.
eu) ins Leben gerufen.
D
ie Partner des Projekts entwickeln innovative
Konzepte und versuchen durch die Kombination bereits etablierter Verfahren den Pflanzenschutz
im ökologischen Weinanbau in Europa zu verbessern
und den geänderten Bedingungen anzupassen. Neben dem Staatlichen Weinbauinstitut in Freiburg
(WBI) sind an dem Projekt acht weitere Kooperationspartner aus den EU-Ländern Italien, Österreich,
Slowenien und Spanien beteiligt.
Die Finanzierung erfolgt durch die jeweiligen nationalen Geldgeber der Partner des FP7 ERA-NET Projektes CORE Organic II. Im Falle des WBIs wird das
Vorhaben durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) unterstützt. Inhaltlich
ist das Forschungsprojekt in acht sogenannte Arbeitspakete (AP) unterteilt, an dem einer oder gleich
mehrere Kooperationspartner arbeiten. AP1 ist für
das Projektmanagement und die Verwertung der Ergebnisse verantwortlich, sowie für den Schutz des
geistigen Eigentums. Die Partner des Arbeitspaktes
2, bei dem das WBI federführend ist, untersuchen,
wie die pflanzeneigene Abwehr gestärkt und dadurch
die Resistenz der Weinrebe gegenüber Krankheitserregern wie dem Echten und Falschen Mehltau erhöht
werden kann. Hierzu versuchen die Forscher den Teil
der pflanzlichen Immunität auszunutzen der durch
sogenannte PAMPs (pathogen associated molecular
pattern) induziert wird. PAMPs sind molekulare Stoffe, wie beispielsweise Mehrfachzucker oder kurze
Proteinbestandteile aus der Zellwand des Pathogens
die von diesem unabsichtlich freigesetzt werden.
Diese Stoffe werden von der Pflanzenzelle über spezifische Rezeptoren detektiert und anschließend die
Immunität der Pflanze aktiviert. Hierbei werden neben antimikrobiell wirkenden sekundären Pflanzenmetaboliten auch Enzyme gebildet, die gezielt die
Zellwand des Erregers auflösen und somit eine weitere Ausbreitung verhindern.
Praxisbedingungen. Hier wird die Auswirkung unterschiedlicher kulturtechnischer Maßnahmen, wie beispielsweise der Entlaubung oder dem Ausblasen der
Traubenzone auf die Stabilität der Beeren und die
Entwicklung des Erregers der Grauschimmelfäule
untersucht. In Zusammenarbeit mit dem Zentrum
für Mikroskopie in Basel untersucht das WBI mit
Hilfe eines Raster-Elektronenmikroskops hierzu den
Einfluss der jeweiligen Behandlungsmethode auf die
Wachsschicht, der natürlichen Schutzschicht der
Beere (siehe Abbildung). Neben den kulturtechnischen Maßnahmen werden zur Bekämpfung von
Pflanzenkrankheiten in erster Linie Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Derartige Mittel stellen eine gewisse Belastung für die Umwelt dar und sollten daher
ganz besonders im ökologischen Weinbau gezielt
eingesetzt werden. Für einen gezielten Einsatz von
Die Projektpartner wollen
durch Kombination von
Verfahren den
Pflanzenschutz im
ökologischen Weinbau
verbessern.
Raster-Elektronenmikroskopische Aufnahme
der Wachsschicht einer
Weinbeere (5000-fache
Vergrößerung)
Das AP3 beschäftigt sich ebenfalls mit der Prüfung
neuer biologischer Pflanzenschutzverfahren unter
Landinfo 3 | 2014
33
Gartenbau und Sonderkulturen
Rene Fuchs
WBI Freiburg
Tel. 0761/ 40165-943
[email protected]
Pflanzenschutzmitteln sind Prognosemodelle ein unerlässliches Hilfsmittel. Diese auf Rechenmodellen
basierenden Systeme liefern unter Berücksichtigung
von Wetterdaten sowie der Entwicklung von Pflanze
und Pathogen den optimalen Zeitpunkt der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln, was wiederum zu
deren Reduzierung beitragen kann. Die Entwicklung
neuer Prognosemodelle erfolgt in AP4. Neben der
Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln kann der
Einsatz von sogenannten Biokontrollpräparaten zur
Behandlung von Pflanzenkrankheiten eingesetzt
werden. Biokontrollpräparate bestehen entweder aus
antagonistisch wirkenden Mikroorganismen oder aus
Hyperparasiten, welche das Pflanzenpathogen direkt
parasitieren. In AP5 soll untersucht werden, in wie
weit sich diese Präparate verbessern lassen. Eng verknüpft mit Arbeitspaket 5 ist AP8, die Analyse der
mikrobiellen Diversität auf Blättern der Weinrebe.
Forscher aus Slowenien identifizieren hierzu die auf
den Weinblättern lebenden Mikroorganismen und
versuchen, solche Arten zu isolieren, die zukünftig
als Biokontrollpräparate Verwendung finden könnten. Die Ergebnisse der zuvor genannten Arbeitspakete werden von den Wissenschaftlern in Piacenza
(Italien) in AP6 zusammengetragen und dienen der
Entwicklung neuer Pflanzenschutzstrategien. Diese
Strategien werden anschließend von mehreren Kooperationspartnern und Winzern vor Ort in unterschiedlichen europäischen Ländern evaluiert (AP7).
Durch diese Zusammenarbeit soll nicht nur für den
angestrebten Projektzeitraum, sondern darüber hinaus eine Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Forschungseinrichtungen in Europa geschaffen werden. „
Renate Abele
Internetanwendung Deckungsbeiträge
und Kalkulationsdaten von
Einkommenskombinationen
Sie planen einen neuen Betriebszweig zur Ergänzung Ihres
Einkommens und möchten den zu erwartenden Gewinnbeitrag
kalkulieren? Dann kann Ihnen die Datenbank Einkommenskombinationen und die dazugehörende Internetanwendung eine
wertvolle Hilfe sein.
A
Renate Abele
LEL Schwäbisch Gmünd
Tel. 07171/ 917-223
[email protected]
34
b sofort können Interessentinnen und Interessenten das von der Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume
(LEL) entwickelte Verfahren „Heuhotel“ und die von
der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft
(LfL) entwickelten Verfahren „Gästezimmer und Ferienwohnungen“ im Infodienst Landwirtschaft kostenfrei nutzen. Mit Hilfe der Online-Kalkulation im
Infodienst Landwirtschaft können Nutzerinnen und
Nutzer ihre eigenen Daten eingeben, unterschiedliche Varianten berechnen und vergleichen. Die Verfahren dienen u.a. der Selbstinformation zum eigenen Diversifizierungsangebot, dem Controlling des
Betriebszweiges bzw. Zusatzeinkommens. Die Anwendung ist abrufbar unter www.landwirtschaft-bw.
info in den Rubriken: Unternehmensführung - Kalkulations-/Wirtschaftlichkeitsdaten oder Frauen und
Bild: LEL, Fabricius
Zusatzeinkommen. Weitere Verfahren, die das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz
unterstützt, sind in Vorbereitung und werden sukzessive in der Datenbank bereitgestellt.
Im Dezember 2012 schlossen das Land Baden-Württemberg und der Freistaat Bayern einen Kooperationsvertrag mit dem Ziel, eine gemeinsame EDV-gestützte Datenbank zur Kalkulation von Einkommenskombinationen zu entwickeln und den landwirtschaftlichen Betrieben, Weiterbildungsträgern
sowie Beratungsorganisationen kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Die LEL und die LfL wurden beauftragt, Fachkonzepte und Verfahren für verschiedene
Betriebszweige zu entwickeln, Daten zu generieren
und zu pflegen. Die LfL übernimmt die Programmierung der Fachkonzepte. „
Landinfo 3 | 2014
Hauswirtschaft und Ernährung
Beate Ramminger-Guderlei
Slow Food Messe: Ernährungszentrum mit Fußspuren
im Frühstück
Das Ernährungszentrum Mittlerer Neckar beantwortete mit seinem Stand „Fußspuren im Frühstücknachhaltig und fair“ auf der Slow Food Messe in Stuttgart im April 2014 aktuelle Fragen: Was ist
nachhaltige Ernährung und was kann jeder von uns dazu beitragen? Ziel war es, die oft etwas
„abstrakte“ nachhaltige Ernährung anschaulich, verständlich und selbsterklärend darzustellen, damit
die Besucher eigene Verhaltensmuster überdenken.
S
low Food bezeichnet sich als eine weltweite Vereinigung von bewussten Genießern und mündigen Verbrauchern. Bei der Slow Food Messe wird
über die Herkunft und Herstellungsweise von Lebensmitteln informiert. Das Publikum dieser Messe
ist sehr interessiert, hat eine hohe Wertschätzung für
Lebensmittel und ist bereit Qualität zu honorieren.
An 4 Tagen wurden 85.000 Messebesucher gezählt.
Bei der Konzeption des Standes stellten wir uns die
Frage, wie wecken wir das Interesse der Messebesucher bei der Vielzahl an Ausstellern? Ein Wissensquiz mit der Aufforderung Testen Sie Ihr Wissen
lockte viele Besucher an, sodass sie mit uns über
Ernährung und Nachhaltigkeit gern ins Gespräch kamen. Ein Plakat mit Fragen zum jeweiligen Thema
und der Möglichkeit der Selbstkontrolle ist inzwischen Standard bei unseren Außenaktionen. Nachhaltiges Ernährungsverhalten beinhaltet verschiedene Aspekte: Lebensmittel passend zur Jahreszeit
wählen, regionale Produkte kaufen, Bio-Lebensmittel bevorzugen, weniger Fleisch essen, Fair TradeProdukte kaufen, Lebensmittelabfälle vermeiden,
unnötige Verpackungen meiden, möglichst zu Fuß
oder mit dem Fahrrad einkaufen.
Sämtliche Aspekte können an einem Messestand
nicht dargestellt werden. Wir haben unseren Schwerpunkt auf den Einkaufsweg sowie die Art und Menge
der Lebensmittelverpackungen gelegt. Außerdem
informierten wir über den CO2-Fußabdruck verschiedener Lebensmittelgruppen und über Kennzeichnung von Herkunft und Produktionsart von Lebensmitteln.
Auf Plakaten zeigten wir die Bedeutung und die Zusammensetzung des CO2-Fußabdrucks von Lebensmitteln. Die Länge des Transports und die Wahl des
Transportmittels spielen dabei eine wichtige Rolle.
Flugananas, die mit dem Flugzeug importiert werden, haben im Vergleich zu Schiffsware einen sehr
hohen Ausstoß an Treibhausgasen.
Landinfo 3 | 2014
Fußspuren im Frühstück
- nachhaltig und fair Saisonale
Lebensmittel
wählen
Fußspuren im Frühstück nachhaltig und fair
Bild: EZ MN
Unnötige
Verpackung
vermeiden
BioLebensmittel
bevorzugen
Regionale
Produkte
kaufen
Zu Fuß oder
mit dem Rad
einkaufen
Lebensmittel
-abfälle
minimieren
Weniger
Fleisch und
Wurst essen
Auf
Fair Trade
achten
>ĂŶĚƌĂƚƐĂŵƚ>ƵĚǁŝŐƐďƵƌŐ͕ƌŶćŚƌƵŶŐƐnjĞŶƚƌƵŵDŝƚƚůĞƌĞƌEĞĐŬĂƌΞ
Stand des Ernährungszentrums Mittlerer Neckar
Bild: T. Schlachtin
35
Hauswirtschaft und Ernährung
>ĂŶĚƌĂƚƐĂŵƚ>ƵĚǁŝŐƐďƵƌŐ͕ƌŶćŚƌƵŶŐƐnjĞŶƚƌƵŵDŝƚƚůĞƌĞƌEĞĐŬĂƌΞ
Der Vergleich des CO2-Fußabdrucks verschiedener
Lebensmittelgruppen erstaunte viele Messebesucher. Zwar war ihnen bekannt, dass Fleisch einen
hohen CO2-Fußabdruck aufweist. Doch über den
hohen Wert bei Butter wunderten sie sich. Als Fazit
nahmen die Gäste mit, dass die CO2-Bilanz der tierischen Produkte um ein Vielfaches höher ist als bei
pflanzlichen Lebensmitteln.
Plakat: Bestandteile des
CO2 Fußabdruckes
Bild: EZ MN
Auf einem Ausstellungstisch beleuchteten wir den
Einkaufsweg. Er kann die Klimabilanz stark belasten
und einen größeren Einfluss haben als die Art des
Anbaus und die Verarbeitung eines Lebensmittels.
Falls der Einkauf nicht zu Fuß oder mit dem Fahrrad
erledigt werden kann, sollte mit dem Auto gleich der
gesamte Wocheneinkauf erledigt werden. Die Besucher stellten fest, dass eine gute Einkaufsplanung
umweltfreundlicher ist und dazu noch viel Zeit spart.
Ein nachhaltiges Frühstück zeigte, worauf der Verbraucher bei der Auswahl der Lebensmittel achten
kann: saisonale und regionale Produkte, wenn möglich Bio-Lebensmittel, bei Produkten aus Übersee
wie Kaffee oder Bananen die fair gehandelte Ware
bevorzugen und auf umweltfreundliche Verpackung
achten.
Siegel als Einkaufshilfe
Um auf die Nachhaltigkeit der Lebensmittel zu achten sind Verbraucher meist auf die Angaben auf der
Verpackung angewiesen. Verschiedene Siegel geben
Auskunft über Herkunft, Anbauart oder Art der
Handelsbeziehungen. Wir befragten die Messebesucher, auf welche Siegel sie beim Einkauf achten. Am
meisten Wert legten sie auf das Fairtrade-Zeichen
sowie auf das Bio-Siegel der Europäischen Union, ein
hellgrünes Rechteck mit einem Blatt aus weißen
Sternen. Das rot-gelbe EU-Herkunftszeichen „geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.)“ z. B. beim
Allgäuer Emmentaler oder Allgäuer Bergkäse sowie
das schwarz-gelbe „gesicherte Qualität mit Herkunftsangabe Baden-Württemberg“ war dagegen vielen Besuchern unbekannt.
Klimafreundliche Verpackungen?
Viel Freude und Interesse zeigten die Besucher bei
der Bewertung der Klimafreundlichkeit verschiedener Lebensmittelverpackungen. Viele wussten, dass
Papier und Glas den Plastikverpackungen vorzuziehen ist. Sie hatten aber oft noch nicht bewusst darüber nachgedacht, dass bei Kleinverpackungen auf die
Lebensmittelmenge bezogen mehr Müll anfällt. So
verursacht Marmelade portionsweise abgepackt viel
mehr Verpackungsmüll als ein Marmeladenglas.
Das Einkaufsverhalten entscheidet über die Klimabilanz
Bild: B. Ramminger-Guderlei
36
Bei der letzten Station wurden die Messebesucher
befragt, wie sie ihr Vesper einpacken. Zur Auswahl
standen Plastik- und Papiertüte, Frischhalte- und
Alufolie sowie eine Brotdose. Insbesondere die Herstellung von Aluminium ist extrem umweltschädlich.
Denn dafür muss das Erz Bauxit abgetragen und mit
Natronlauge erhitzt werden. Dabei werden gigantische Mengen Strom und Wasser verbraucht. In Bra-
Landinfo 3 | 2014
Hauswirtschaft und Ernährung
Aktion: Zuordnung der
Lebensmittelverpackungen
nach Klimafreundlichkeit
Bild: B. Ramminger-Guderlei
silien werden dafür Stauseen in den Regenwald gebaut, um die Aluminiumwerke mit Energie zu versorgen. Zurück bleiben Abraumhalden und giftiger
Rotschlamm. Diese enorme Umweltbelastung hat
viele Besucher dazu angeregt künftig auf andere Alternativen auszuweichen und wieder Brotdosen zu
verwenden.
Wie würden Sie ein Vesper
einpacken?
Bild: B. Ramminger-Guderlei
Am Freitag war Schultag
An einem Tag öffnet die Slow Food Messe ihre Pforten unentgeltlich für alle Schülerinnen und Schüler.
Das Ernährungszentrum bot eine Mitmachaktion für
Schulklassen an. Kinder und Jugendliche durften
Haferflocken quetschen und bekamen als Anregung
ein Rezept für ein Müsli mit. Das Interesse der Schüler war groß. Viele waren verwundert, dass Haferflocken so einfach selbst herzustellen sind.
Wir konnten zeigen, dass die Handlungsfelder des
Verbrauchers für nachhaltige Ernährung vielfältig
sind. Nicht immer können alle Aspekte gleichzeitig
berücksichtigt werden. Bei der Vorbereitung unseres
Messestandes haben wir unser eigenes Einkaufsverhalten kritisch reflektiert. Dabei sind wir schnell an
unsere Grenzen gestoßen. In Laden A gibt es Milch
in Glasflaschen, aber keine Äpfel aus der Region. Es
gibt zwar Bio-Eier, diese sind aber aus den Niederlanden. So müssten wir für 10 Lebensmittel in 5 verschiedene Läden gehen, um das jeweils nachhaltigste
Lebensmittel zu erhalten. Wer hat im Alltag so viel
Zeit und Kraft? Dennoch ist es wichtig sein eigenes
Einkaufsverhalten zu überdenken. Jeder sollte sich
Landinfo 3 | 2014
selbst die Frage stellen, wo kann ich nachhaltiger
handeln und dabei die genannten Aspekte abwägen.
An den Messetagen konnten wir den Besuchern zeigen, dass jeder mit einem geringem Aufwand einen
Beitrag zur nachhaltigen Ernährung leisten kann.
Auch kleine Schritte in die richtige Richtung führen
zum Ziel - wenn sie von vielen getan werden. Denn
ein bisschen Nachhaltigkeit kann jeder! „
Beate Ramminger-Guderlei
EZ Mittlerer Neckar
LRA Ludwigsburg
Tel. 07141/ 144-4925
beate.ramminger-guderlei@
landkreis-ludwigsburg.de
37
Hauswirtschaft und Ernährung
Minister Bonde bei der zentralen Veranstaltung zum
„Tag der Schulfrucht“ in der Kita Villa Rosenrot e.V.
Laura Stricker
Tag der Schulfrucht 2014
Am 19. Mai 2014 fand in Baden-Württemberg zum zweiten Mal der landesweite Aktionstag rund um
Obst und Gemüse statt. Rund 90 Einrichtungen feierten den `Tag der Schulfrucht´ mit vielfältigen
Aktionen - es wurde geschnippelt, probiert, experimentiert, gepflanzt, gesungen und gespielt. Bei der
zentralen Veranstaltung in der Kita Villa Rosenrot e.V. in Stuttgart, zeichnete Minister Bonde die
Einrichtung mit dem BeKi-Zertifikat aus.
Fruchtige Aktionen an rund
90 Einrichtungen
N
ach einem erfolgreichen `Tag der Schulfrucht´ im
letzten Jahr ging der Aktionstag am 19. Mai 2014
in die zweite Runde. Alle Einrichtungen, die in Baden-Württemberg am EU-Schulfruchtprogramm teilnehmen, waren eingeladen mitzumachen. Anregungen und Ideen bekamen sie auf der Homepage
www.schulfrucht-bw.de.
90 Kitas und Schulen beteiligten sich mit vielfältigen
Aktionen – beispielsweise mit der Besichtigung eines Obsthofes, mit Spielen, Experimenten, Liedern
oder einem Sinnesparcours zum Thema Früchte. Vor
allem waren die Kinder eifrig dabei fruchtig frische
Leckereien zuzubereiten und gemeinsam zu genie-
38
ßen. Dabei entstanden Buffets mit Gurkenschlangen,
Gemüseigeln, fröhlichen Brotgesichtern und kunterbuntem Obstmikado. Die ersten 20 Anmeldungen
wurden mit der Unterstützung von einer BeKi-Fachfrau am `Tag der Schulfrucht´ belohnt. In einem Wettbewerb werden die kreativsten Ideen zur Umsetzung
des Schulfruchttages prämiert, dabei gibt es Preise
passend zum Schulfruchtprogramm zu gewinnen.
Zentrale Veranstaltung mit
Minister Bonde
Stellvertretend für alle am `Tag der Schulfrucht´ beteiligten Einrichtungen besuchte Verbraucherminister
Alexander Bonde die Kita Villa Rosenrot e.V. in
Stuttgart.
Landinfo 3 | 2014
Hauswirtschaft und Ernährung
Bild links
Minister Bonde zeichnet die Kita-Villa-Rosenrot e.V. mit dem BeKi-Zertifikat aus
Bild rechts
Gemeinsam das Ziel erreicht: BeKi-Koordinatorin Beate Ramminger-Guderlei, Kita-Leiterin Karina Grammel und BeKi-Fachfrau
Ursula Weinberger (v.l.n.r.) freuen sich über das BeKi-Zertifikat
„Um sich wohl und fit zu fühlen, ist eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse wichtig.
Das EU-Schulfruchtprogramm ermöglicht es immer
mehr Kindern in Baden-Württemberg, mehr Obst
und Gemüse zu essen“, sagte Minister Bonde.
Mittlerweile profitieren mehr als 250.000 Kinder an
rund 2.000 Einrichtungen in Baden-Württemberg
von diesem wertvollen Beitrag zu einer ausgewogenen Ernährung.
Gemüseigel - sehr beliebt
bei Kindern
Bilder: L. Stricker, LEL
Erste Kita in der Stadt Stuttgart mit
dem BeKi-Zertifikat ausgezeichnet
Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten in der Kita Villa
Rosenrot e. V. stand die Übergabe des BeKi-Zertifikats. Die Landesinitiative Bewusste Kinderernährung (kurz BeKi) zertifiziert in den Bereichen Ernährungsbildung und Verpflegung vorbildliche Kindertageseinrichtungen. Die Teilnahme am EU-Schulfruchtprogramm kann ein Baustein des
BeKi-Zertifikats sein.
„Das BeKi-Zertifikat ist ein Qualitätsmerkmal, das
dokumentiert, dass das Kita-Team vor Ort zusammen
mit BeKi-Fachleuten ein individuelles Konzept für
die Einrichtung erarbeitet hat. Die BeKi-Einrichtungen stehen für das Engagement und Herzblut, das die
Verantwortlichen investieren, um Ernährungsbildung spielerisch in den Alltag der Kinder zu integrieren“, so Minister Bonde bei der Übergabe des
Landinfo 3 | 2014
Zertifikats anlässlich des Schulfruchttages. Als erste
Einrichtung in Stuttgart wurde die Kita Villa Rosenrot e.V. mit dem BeKi-Zertifikat ausgezeichnet.
Während dem Zertifizierungsprozess unterstützt die
Landesinitiative BeKi mit Fortbildungen, einer auf
die Einrichtung abgestimmten Elternveranstaltung
und mit Infomaterialien. Eine BeKi-Fachfrau steht
als Fachkraft zur Seite und ist Ansprechpartnerin bei
allen Fragen. „
Laura Stricker
LEL Schwäbisch Gmünd
Tel. 07171/ 917-234
[email protected]
39
Hauswirtschaft und Ernährung
Ann-Katrin Hillenbrand
Interkulturelle Kompetenz - auch in der
Ernährungsbildung gefragt
Die Begegnung von Menschen aus verschiedenen Kulturen ist heute alltäglich. Damit ist eine
Sensibilität für interkulturelle Sichtweisen auch in der Ernährungsbildung bedeutend. Im diesjährigen
Fortbildungsangebot für Ernährungsfachkräfte in der Ernährungsbildung wurde mit der Fortbildung
„Interkulturelle Kompetenz stärken“ ein erster Schritt getan, die Bedeutung interkultureller
Kompetenzen zu erkennen und Anknüpfungspunkte für den eigenen Arbeitsbereich zu identifizieren.
E
rstmals konnte diese Fortbildung in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Integration Baden-Württemberg realisiert werden. Theoretisch und
durch kleine Experimente lernten die Multiplikatoren für Ernährungsbildung, auf welche Eigenheiten
man treffen kann und wie diese begründet sind. Die
Referentin Frau Dr. Sabine Handschuck begeisterte
die Teilnehmer durch Alltagsbeispiele und persönliche Erfahrungen für das Thema.
Kultur gibt Orientierung
Spielregeln für das soziale
Zusammensein sind in der
Alltagskultur geregelt.
Die Kenntnis der
Zielgruppe ist der
Schlüsselfaktor für den
Erfolg einer Fortbildung.
Wie man in unterschiedlichen Kulturen mit naturgegebenen menschlichen Bedürfnissen umgeht, ist in
Konzepten – der Alltagskultur – geregelt. Übertragen handelt es sich um Spielregeln für das soziale
Zusammensein. Beispiel hierfür sind kulturell festgelegte Nahrungstabus. Während es in asiatischen Ländern nicht ungewöhnlich ist, Hund und Katze zu
essen, verabscheuen wir diese Auswahl. Wir finden
es nicht richtig, diese Tiere zu essen. Damit zeigt sich
auch die Bewertung und emotionale Aufgeladenheit
der Kulturen, die wiederum zu Problemen in der
interkulturellen Arbeit führen. Kulturelle Konzepte
geben Orientierung – sie zeigen die Erwartungen der
jeweiligen Gesellschaft auf. Das heißt aber nicht, dass
sich tatsächlich alle Personen einer Gesellschaft danach verhalten. Hinzu kommt, dass beispielsweise
technische Entwicklung sowie ökonomische, politische und Machtfaktoren Kultur beeinflussen.
Nicht von sich auf Andere schließen
Gerne werden individuelle Verhaltensmuster (Eigenheiten, Vorlieben, Abneigungen etc.) und kulturelle
Besonderheiten verwechselt oder vermischt. Man
schließt von sich selbst auf Andere oder von einer
40
Person auf einen gesamten Kulturkreis. Dabei sind
in vielen Fällen nicht die kulturellen Besonderheiten
ausschlaggebend sondern vielmehr das Milieu, dem
man angehört. Milieustudien zeigen auf, welche Milieus es gibt und mit welchen Besonderheiten und
Werteeinstellungen sie verbunden sind. Sie zeigen,
dass das adaptiv bürgerliche Milieu der Migranten
der bürgerlichen Mitte in Deutschland in vielen Charakteristiken entspricht. Personen aus diesem Milieu
sind interessiert, gut informiert und sprachlich integriert. „Migrant“ oder „Nicht-Migrant“ ist demnach
kein Auswahlkriterium zur Festlegung einer Zielgruppe. Vielmehr geht es darum, Angebote für Personen in sozial benachteiligten Lagen zu etablieren.
Hiervon können auch Migrantenmilieus betroffen
sein, die auf Grund sprachlicher Schwierigkeiten
eventuell eine besondere Ansprache oder Materialien benötigen und kulturelle Besonderheiten mitbringen.
Was wissen wir überhaupt über eine Gruppe, bevor
wir Angebote für sie konzipieren? Das A und O ist
die Kenntnis über die Zielgruppe. Experten findet
man durch Schlüsselpersonen und Kooperationspartner.
Was haben Namen mit interkultureller
Kommunikation zu tun?
Ob bei Unterschriften, E-Mails oder Textnachrichten
– täglich nennen oder schreiben wir unseren Namen.
Soziologie, Geschichte und Politik beeinflussen die
Namensgebung. Der Name ist Ausdruck von Identität und Herkunft. Es gibt unterschiedliche Schreibweisen, wiederkehrende Generationennamen und
nicht zuletzt kann man sich „einen Namen machen“.
Namen sind aber auch Mittel zu Diskriminierung.
Spitznamen, falsche Schreibweise oder Aussprache
Landinfo 3 | 2014
Hauswirtschaft und Ernährung
können verletzen. Je nach Kultur gibt es unterschiedliche Regeln für die persönliche Anrede. Während bei uns die „Sie-Form“ in Kombination mit der
Nennung des Geschlechts und des Nachnamens
(„Frau Müller“) üblich ist, werden in anderen Kulturen auch andere Anredeformen, wie die Du-Form
oder Kombinationen aus Geschlecht und Vorname
(„Frau Marion“) favorisiert. Die Wahl der Anrede
reguliert Nähe und Distanz, Respekt und Missachtung. Versucht man den ungewöhnlichen Namen
einer Person mit Migrationshintergrund zu lernen?
Hierdurch zeigt sich kulturelle Sensibilität oder Ignoranz gegenüber kultureller Besonderheiten.
Wie wichtig die direkte Ansprache mit dem eigenen
Namen ist, zeigen Studien aus dem schulischen Bildungsbereich: Die Aufmerksamkeit der Kinder
steigt, wenn sie mit ihrem korrekten Namen angesprochen werden.
nizieren wir sehr direkt und sachbezogen. Das führt
dazu, dass Deutsche häufig mit dem Vorurteil konfrontiert werden, unhöflich zu sein. In der gegensätzlichen Orientierung – die kollektivistische Orientierung – spielen soziale Netzwerke und Gruppenzugehörigkeit eine wichtige Rolle. Die familiären und
freundschaftlichen Netzwerke bieten Hilfe zur Alltagsbewältigung. Beratungsangebote werden nur in
Anspruch genommen, wenn sie allgemein akzeptiert
sind. Um bei dieser Orientierung Konfliktsituationen zu vermeiden, erfolgt Kommunikation indirekter und personenbezogen. Die Benennung von Kritik oder Fehlverhalten wird empfindlich aufgenommen.
Nur wer die Namen kennt,
kann seine Kunden direkt
ansprechen!
Zusätzlich messen wir Integration häufig an Sprachkenntnissen und der Ausdrucksfähigkeit. Größtes
Hindernis bei Veranstaltungen und Aktionen sind
jedoch genau diese Sprachbarrieren. In vielen Fällen
ist der Einsatz von Dolmetschern die einfachste und
zugleich erfolgversprechendste Maßnahme.
Ressourcen und Gemeinsamkeiten
im Blick
Missverständnisse ohne Worte
Unser Blick ist darauf trainiert, Fehler zu erkennen.
Defizite fallen uns auf und werden benannt. Dagegen
werden positive Erlebnisse oder Eigenschaften meist
nicht explizit erwähnt. Durch Aufmerksamkeit, sensibles Wahrnehmen und positive Bewertung kann
Kommunikation in die richtigen Bahnen gelenkt
werden. Die richtige Mischung von positiven und
negativen Auffälligkeiten macht die Selbstanerkennung einer Person möglich. Durch regelmäßige Feedbackrunden können Teilnehmer zu Wort kommen.
In Kitas und Schulen wird Interkulturalität häufig am
Beispiel „Essen“ thematisiert, zum Beispiel in Form
eines interkulturellen Frühstücks. In vielen Fällen
werden hier Stereotypen gezeichnet, die der Realität
nicht entsprechen – auch Kinder mit türkischem Migrationshintergrund können die Nuss-NougatCreme anstelle der herzhaften Olive bevorzugen.
Machen Sie nicht die Unterschiede zum Thema, sondern die Gemeinsamkeiten bewusst.
Andere Menschen, andere Sitten und
Kommunikation
Wie wir uns verhalten und wie wir miteinander kommunizieren hängt von der Kultur ab, in der wir leben
und wie wir sozialisiert sind. Typisch für Deutschland ist eine optionale Erziehung. Schon früh werden
Kindern Wahlmöglichkeiten zugestanden. Wir messen der Äußerung eigener Bedürfnisse einen großen
Stellenwert bei. Das sind klare Merkmale einer individualistischen Orientierung. Dazu passend kommu-
Landinfo 3 | 2014
Die Art und Weise, wie man etwas sagt, und die
Körpersprache beeinflussen Kommunikation maßgeblich. Zur Körpersprache gehören Mimik, Gestik,
Körperkontakt, Körperhaltung, Blickkontakt genauso wie ein angemessener Abstand zum Gesprächspartner. In manchen Kulturen sind Körperkontakt
und große Gesten Normalität. Dieses Verhalten
wirkt auf Personen aus anderen Kulturkreisen befremdlich und überheblich. Ähnlich verhält es sich
mit dem Abstand. In jeder Kultur gibt es einen angenehmen Abstand zum Gesprächspartner. In Deutschland beträgt dieser Abstand beispielsweise die Länge
des Unterarms mit geöffneter Hand. Treffen zwei
unterschiedliche Kulturen aufeinander, kann es zu
unangenehmen „Ausweichmanövern“ kommen. Bei
interkultureller Kompetenz geht es darum, diese
kulturellen Eigenheiten zu erkennen, zu berücksichtigen und Lösungen zu finden, die für beide Seiten
akzeptabel sind. Nähe ist zum Beispiel besser zu ertragen, wenn sie über Eck stattfindet. Für Gesprächssituationen eignet sich hier ein quadratischer Tisch,
an dem die Gesprächspartner über Eck sitzen.
Unsere Wahrnehmung ist
darauf trainiert Fehler zu
erkennen, anstatt positive
Eigenschaften
wahrzunehmen.
Sprache ist der Schlüssel
zum Verständnis. Auch die
Körpersprache gehört
dazu.
Quelle
© i{ƒ„wˆ‹„zi{ƒ„wˆ‹„Š{ˆ‚w}{„«_„Š{ˆ‹‚Š‹ˆ{‚‚{
Kompetenz stärken“, am 27. Februar 2014, Referentin: Dr. Sabine Handschuck
© i{ƒ„wˆ‹„zi{ƒ„wˆ‹„Š{ˆ‚w}{„«_„Š{ˆ‹‚Š‹ˆ{‚‚{
Öffnung“, am 05. März 2014, Referentin: Gülcan Yoksulabakan „
Ann-Katrin Hillenbrand
LEL Schwäbisch Gmünd
Tel. 07171/ 917-235
ann-katrin.hillenbrand@
lel.bwl.de
41
Beratung und Bildung
Gisela Enderle
Pädagogischer Tag 2014 zum Thema
„Schnittstelle Berufsschule - Fachschule“
Qualifizierter Nachwuchs für die Berufe der Landwirtschaft ist gemeinsames Ziel der Berufs- und
Fachschulen für Landwirtschaft. Die Enquetekommission „Fit für’s Leben in der Wissensgesellschaft
Berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ unterstützt dies mit dem gemeinsamen Pädagogischen
Tag für berufliche Schulen. Auf Einladung des MLR trafen sich rund 100 Lehrkräfte der verschiedenen
Fachrichtungen (Landwirtschaft, Hauswirtschaft, Gartenbau und Weinbau) am 27.05.2014 in
Heiligkreuztal. In den Blick genommen wurde die Schnittstelle zwischen Berufsschule und Fachschule
für Landwirtschaft und aktuelle Entwicklungen im Agrarbereich.
S
chulen – Schüler/innen – (Lern)Stoff“ - diese
Bereiche der beiden Schularten Berufsschule
und Fachschule und die jeweiligen Schnittmengen
wurde von verschiedenen Referentinnen und Referenten beleuchtet und diskutiert.
1. Schnittstelle Berufsschule – Fachschule
Volles Haus beim
Pädagogischen Tag 2014
Wiebke Jessen: „Für
Jugendliche ist Online-Sein
keine Aktivität, sondern ein
Zustand!“
Bilder: G. Enderle, LEL
Günter Denninger, Lehrer der Berta-von-SuttnerSchule Ettlingen, und Markus Sommer, Bildungsreferent beim Regierungspräsidium Tübingen, prüften
einführend den Übergang zwischen Berufs- und Weiterbildung für die Fachrichtung Landwirtschaft. Die
beiden Experten waren sich einig, dass der Lehrplan
der Fachschulen in den meisten Fächern die systematische Fortsetzung des Berufsschul-Lehrplans ist. In
der Fachschule wird das Niveau angehoben, das
Grundlagenwissen wird intensiv auf den eigenen Betrieb angewandt und v.a. im Bereich Ökonomie und
Agrarpolitik inhaltlich stark erweitert. Eine der Herausforderungen für beide Schularten ist das heterogene Wissen und Lernvermögen der Schüler/innen
und in zunehmenden Maße auch die Spezialisierung
der landwirtschaftlichen Betriebe, das Expertenwissen bei den Lehrkräften erfordert und gleichzeitig
z.T. Desinteresse an für den eigenen Betrieb nicht
relevanten Unterrichtsinhalten nach sich zieht. Die
Schnittstelle ist grundsätzlich gut gestaltet. Förderlich wäre, den begonnen Weg mit gemeinsamen Fortbildungen und verbessertem regionalen Austausch
zwischen beiden Schularten weiterzuführen.
2. Schnittmenge: Schüler/innen
Gisela Enderle
LEL Schwäbisch Gmünd
Tel. 07171/ 917-112
[email protected]
42
Mit der wichtigsten Schnittmenge, unseren Schülerinnen und Schülern, beschäftigte sich Wiebke Jessen: „Wie ticken unsere Jugendlichen?“ Eine Antwort
versucht die Jugendstudie 2012 des SINUS Institut
Heidelberg: „Ausgehend von den typischen Vorstellungen, was wertvoll und erstrebenswert im Leben
ist, wurden Jugendliche in sieben Lebenswelten zusammengefasst, die sich in ihren Werten, ihrer grundsätzlichen Lebenseinstellung und Lebensweise, ihren
Vergemeinschaftungsformen sowie in ihrer sozialen
Lage ähnlich sind: Konservativ-Bürgerliche, AdaptivPragmatische, Sozialökologische, Prekäre, Materialistische Hedonisten, Experimentalistische Hedonisten
und Expeditive Jugendliche.“
3. Schnittmenge: (Lern)Stoff
Zu den aktuellen Entwicklungen in der Landwirtschaft spannte Franz Schweizer, Leiter des LAZBW
Aulendorf, den Bogen von gesellschaftlichen Tendenzen (Tierschutz, Verbraucherpräferenzen, demographische Entwicklungen) über deren Auswirkungen auf Rechtsvorschriften für die moderne Tierhaltung bis zu den Anforderungen an die landwirtschaftlichen Produzenten. Aktuelle Herausforderungen in der Schweinehaltung stellte Michael
Asse, LSZ Boxberg, vor. Auch hier stehen Tier- und
Umweltschutz und die z.T. kostenintensive Umsetzung der Rechtsvorschriften im Vordergrund. Er
machte die Rolle der Konsumenten deutlich, die z.B.
Tierwohl fordern, aber nicht entsprechend einkaufen. Aktuelles aus der Pflanzenproduktion und die
Konsequenzen für den Fach-Unterricht stellte Nadine Roth, ULB Rottweil, aus Sicht der Fachlehrerin
vor.
Zum Abschluss diskutierten die Teilnehmenden
fachliche und organisatorische Schnittstellen und
identifizierten Optimierungsmöglichkeiten.
Unterlagen im Infodienst
www.landwirtschaft-bw.de „
Landinfo 3 | 2014
Beratung und Bildung
Günter Denninger
Bundesring Landwirtschaftlicher Berufsschullehrer 2014
Lehrerausbildung und Lehrergewinnung in der Agrarwirtschaft
Dies war das Leitthema der diesjährigen Tagung der landwirtschaftlichen Berufsschullehrer in Berlin.
An der Humboldt Universität diskutierten die Berufsschullehrer mit Vertretern des Deutschen
Bauernverbandes (DBV), der Technischen Universität München (TUM) und der Berliner Hochschule
über die Lehrerausbildung im Agrarbereich sowie über die Anforderungen an die künftigen Lehrkräfte.
Außerdem konnte unser Bundesvorsitzender, Horst Lochner, den BLBS –Vorsitzenden aus Brandenburg,
Thomas Pehle, begrüßen.
Z
unächst stellte Frau Eder, Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Fachdidaktik Agrarwirtschaft an
der TUM- München, den grundständigen Lehramtsstudiengang Agrarwirtschaft (Abb. 1) an der dortigen
Einrichtung vor.
Es wird nicht unterschieden zwischen Landwirtschaft, Gartenbau und Floristik; es wird der Lehrer
für Agrarwirtschaft ausgebildet. Als Zweitfach können auch Fächer wie Deutsch oder Religion studiert
werden. Während des Studiums finden Schulpraktika statt. Bayern setzt dabei auf breite Einsatzmöglichkeit der Absolventen in den Schulen und auf eine
fundierte pädagogische Ausbildung.
Ähnlich strukturiert ist der Studiengang in Berlin.
Allerdings wird hier zwischen den Kernfächern Gartenbau und Landwirtschaft unterschieden, wie uns
Frau Dr. Müller-Weichbrodt, Fachdidaktikerin am
Albrecht-Thaer-Institut berichtete. Das bedeutet,
Berlin setzt auf eine stärkere fachliche Spezialisierung.
eher die Fachkompetenz entscheidend für eine erfolgreiche Lehrtätigkeit ist
Klar ist in jedem Fall: Um für die Agrarwirtschaft
gute Lehrkräfte zu rekrutieren, muss am Image der
Berufsschullehrer gearbeitet werden, denn das „Lob
für das DUALE SYSTEM färbt nicht auf die BS-Lehrer ab“ (Prof. Ziegler, Darmstadt, 2014, didacta). Außerdem müssen bei anhaltend guter Arbeitsmarktlage die Rahmenbedingungen für die Hochschulabsolventen stimmen (Gehälter für Referendare und Berufseinsteiger dürfen nicht abgesenkt werden!).
Auf Anregung des Bildungsreferenten des Deutschen Bauernverbandes, Martin Lambers, soll in einer Arbeitsgruppe erarbeitet werden, welche Anforderungen an einen Lehrer/in / an eine landwirtschaftliche Schule gestellt werden können. Der Berufsschullehrerverband, die agrarpädagogischen Institute
Hinweis
Im Bundesring „landw.
Berufsschullehrer“ ist
jeweils ein Lehrer aus
jedem Bundesland
vertreten, der vom
jeweiligen Lehrerverband
entsandt wird.
Abbildung 1
Lehramtsausbildung
„Agrarwirtschaft in Bayern“
Inzwischen wurde auch in Bonn ein grundständiger
Lehramtsstudiengang „Agrarwirtschaft“ eingerichtet,
um den Lehrerbedarf, vor allem auch an den Fachschulen, decken zu können.
In den übrigen Bundesländern gehen die Fachwissenschaftler unmittelbar nach dem Studium ins Referendariat oder als „Seiteneinsteiger“ direkt in die
Schule.
In der sich anschließenden Diskussion waren sich
alle einig, dass eine Lehrkraft an beruflichen Schulen
die im Folgenden aufgeführten Kompetenzen (Abb.
2) haben muss. Weit auseinander gingen allerdings
die Meinungen darüber, ob eher die Didaktik- oder
Landinfo 3 | 2014
43
Beratung und Bildung
Bild links
Berufschullehrer und DBV an der Humboldt-Universität zu Berlin
Bild rechts
Berufsschullehrer und Bauernverband im Dialog mit der Wissenschaft
Bilder: G. Denninger
Abbildung 2
Berufskompetenz einer
Lehrkraft
Berufskompetenz einer Lehrkraft an Beruflichen Schulen (n. Prof. SCHELTEN 2010)
Fachkompetenz:
Wissenschaftliche Ebene, Schüler-Ebene
Didaktikkompetenz:
Organisation von Lernprozessen
Sozialkompetenz:
Schüler (Wertschätzung, Reversibilität, Entschiedenheit / Erziehung)
Kollegen in Schule und Betrieb
Innovationskompetenz:
Fachlich (schneller Wandel in der Arbeitswelt) und pädagogisch
Grundvoraussetzung: Menschenzugewandte Grundeinstellung und Engagement
(Berlin und München) und der Deutsche Bauernverband werden Mitglieder für diesen Ausschuss benennen.
Günter Denninger
Bertha-von-SuttnerSchule, Ettlingen
Tel. 07243/ 500 801
[email protected]
44
Im weiteren Tagungsverlauf berichteten die Ländervertreter über Entwicklungen in Ihrem Bundesland.
Alle Bundesländern melden konstante bis leicht sinkende Schülerzahlen im Agrarbereich. MecklenburgVorpommern befindet sich, nach dem rapider Rückgang der Ausbildungszahlen (seit 2000 Halbierung
der Schülerzahlen im Agrarbereich) auf Konsolidierungskurs.
Wie uns Herr Lambers (DBV) berichtete, haben die
Landwirtschaftsminister der Länder mit Hinweis auf
den Ökologischen Landbau, „Tierwohl“, Lehrpläne,
u.a. eine Neuordnung des Ausbildungsberufes
„Landwirt/in“ beantragt.
Die nächste Tagung findet 8. und 9. Mai 2015 in Werder (Brandenburg) statt. „
Landinfo 3 | 2014
„Die Leute,
die niemals Zeit haben,
tun am wenigsten.“
Georg Christoph
Lichtenberg
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