Ausgabe 3 | 2014 Landinfo Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung Invasive Arten Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung Impressum Herausgeber Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume (LEL) Oberbettringer Str. 162 73525 Schwäbisch Gmünd Telefon: 07171/ 917-100 Telefax: 07171/ 917-101 Schriftleitung Susanne Mezger Telefon: 07171/ 917-114 E-Mail: [email protected] Redaktionsbeirat Werner Balbach, LRA Schwäbisch Hall Gottfried Bleyer, WBI Freiburg Martina Burkhardt, RP Stuttgart Anne Spelsberg, LRA Schwäbisch Hall Jürgen Käßer, LEL Schwäbisch Gmünd Robert Koch, LVG Heidelberg Andreas Maier, RP Karlsruhe Walter Maier, LRA Schwarzwald-Baar-Kreis Uwe Michelfelder, LVWO Weinsberg Michael Asse, LSZ Boxberg Daniela Schweikhart, LRA Biberach Renate Lindner, LAZBW Baden-Württemberg Layout und Text Ramona Maier E-Mail: [email protected] Hinweis Alle Artikel werden im Intranet der Landwirtschaftsverwaltung bei: online-Service/Publikationen/Landinfo eingestellt. Bereits erschienene Artikel können dort recherchiert werden, die Abbildungen erscheinen farbig. Ältere Jahrgänge der Landinfo sind allgemein zugänglich unter: www.landinfo.landwirtschaft-bw.de Die namentlich gekennzeichneten Beiträge geben die Auffassung der Autoren wieder. Für die fachliche Richtigkeit zeichnet die Redaktion nicht verantwortlich. Druck e. kurz + co. druck und medientechnik gmbh Kernerstr. 5, 70182 Stuttgart Erscheinungsdatum Juli 2014 ISSN 0947-9392 Titelbild Tim Haye, CABI Forschungsinstitut CH Landinfo 3/2014 Editorial Das Neue dringt herein mit Macht... das Alte, das Würdige scheidet, andere Zeiten kommen So dichtet Friedrich Schiller in seinem Wilhelm Tell. Mit dem Neuen ist häufig auch Unsicherheit verbunden. So wird die Angst vor etwas Neuem, unbekannten Situationen, neuartigen Dingen oder fremden Personen in der Wissenschaft als Neophobie (lateinisch neophobia) bezeichnet. In den Medien ist das Eindringen oder die Invasion meist mit Meldungen über die Zuwanderung von Menschen aus Krisengebieten präsent. Zuwanderung und Invasion sind aber auch Themen, die seit Jahrmillionen entscheidend sind für die Verbreitung der Tier- und Pflanzenarten auf unserem Planeten. Die Natur ist in einem ständigen Änderungsprozess, den der Mensch wechselweise schätzt oder fürchtet. Schon mit der Ausbreitung des Homo sapiens von Afrika über Kleinasien nach Europa kamen im Gepäck unsere Getreidearten und wohl auch Teile der Ackerbegleitflora. Die gezielte Einbürgerung von Pflanzen in Europa, wie Kartoffel, Mais oder Soja, war auch die Grundlage für Schädlinge wie den Kartoffelkäfer oder den Maiszünsler. Heute werden durch den globalen Handel und die weltweiten Reisen neue Arten mit rasanter Geschwindigkeit verbreitet. Umso größer muss die Aufmerksamkeit sein, mit der wir die Einflüsse untersuchen, die invasive Arten auf unser Ökosystem und auch auf unsere landwirtschaftlichen Kulturen ausüben. Manche sind eine Bereicherung, sind Nahrung für Wildtiere oder vielsprechende Alternativen im Hinblick auf den Klimawandel. Andere sind durch ihre aggressive Ausbreitung, die Verdrängung nützlicher Arten oder durch ihre direkte Schadwirkung unerwünscht und unter Kontrolle zu halten. Ob uns das gelingt ist schwer vorhersehbar. Letztlich wird uns nichts anderes übrig bleiben, als mit der Dynamik der Natur zu leben und so gut es geht zu versuchen uns an den stetigen Wandel anzupassen. Susanne Mezger Susanne Mezger LEL Schwäbisch Gmünd Tel. 07171/ 917-114 susanne.mezger@lel. bwl.de Landinfo 3 | 2014 Inhaltsverzeichnis Inhalt Editorial 1 Aktuelles Pressemitteilung: 500 Jahre Haupt- und Landgestüt Marbach 3 Kurz mitgeteilt Schwerpunktthema Invasive Arten Drei neue invasive Insektenarten in Deutschland: Esskastaniengallwespe, Bläulingszikade und Marmorierte Baumwanze Gebietsfremd oder heimisch? Schadbilder an Walnuss - amerikanische Walnussfruchtfliege und Pilzkrankheiten mindern den Ertrag Der Waschbär erobert die Agrarwelt Zimmermann, v. Wuthenau 5 aid 12 Koeppler 16 Arnold 20 Mitten im Leben Ernährungsinformation Fisch 22 Rezept Reispfanne mit Fisch Personal / Rezensionen 24 Der Stör: Ein Portrait 25 Betrieb und Unternehmen Erfahrungen mit der Nutzung der öberflächennahen Geothermie Albers 26 Pflanzen- und Tierproduktion 125 Jahre Hinterwälderzucht Maus 29 Gartenbau und Sonderkulturen VineMan.org - Europäisches Projekt zur Verbesserung des Pflanzenschutzes im ökologischen Weinbau Fuchs 33 Hauswirtschaft und Ernährung Internetanwendung Deckungsbeiträge und Kalkulationsdaten von Einkommenskombinationen Abele 34 Ramminger-Guderlei 35 Stricker 38 Hillenbrand 40 Enderle 42 Denninger 43 Slow Food Messe: Ernährungszentrum mit Fußspuren im Frühstück Tag der Schulfrucht 2014 Interkulturelle Kompetenz - auch in der Ernährungsbildung gefragt Bildung und Beratung Pädagogischer Tag 2014: „Schnittstelle Berufsschule - Fachschule“ im Blick Lehrerausbildung und Lehrergewinnung in der Agrarwirtschaft Letzte Seite „Die Leute, die niemals Zeit haben...“ Redaktionsschluss der Ausgabe 4/2014: 19.09.2014 2 Landinfo 3 | 2014 Aktuelles Presse- und Kurzmitteilungen PRESSEMITTEILUNG Nr. 31/2014 500 Jahre Haupt- und Landgestüt Marbach: Offizieller Festakt mit Ministerpräsident Kretschmann und Landwirtschaftsminister Bonde Feierliche Ansprachen und tolles Schauprogramm mit der Quadrille der deutschen Landgestüte eröffneten das große Marbacher Festwochenende Marbach, 17.05.2014 (HuL Marbach). Der offizielle Festakt, mit dem die Jubiläumsfeierlichkeiten eingeleitet wurden, war ein voller Erfolg. Es herrschte eine feierliche Atmosphäre beim Empfang in der historischen Reithalle und bei den anschließenden Ansprachen und Grußwörtern in der großen Veranstaltungshalle. Das Gestüt präsentierte in den Schaubildern die Rassevielfalt der Marbacher Zucht, und die Landgestüte gaben ihre Gratulationsquadrille zum Besten. An den Empfang in der historischen Reithalle schloss sich der Festakt in der Veranstaltungshalle an. Die Bürgergarde zu Pferd Gelbe Husaren Altshausen e.V. schickte seinen Fanfarenzug, während sich die Festgesellschaft auf Ihren Plätzen einfand. Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit Ehegattin, Landwirtschaftsminister Alexander Bonde, seine Königliche Hoheit Herzog Friedrich von Württemberg, der Vizepräsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung Theo Leuchten und Landoberstallmeisterin Dr. Astrid von Velsen- Zerweck wurden mit zwei Vierspännern in die festlich geschmückte Reithalle eingefahren. Der Kinderchor der Sternbergschule Gomadingen ehrte den Ministerpräsidenten, der in Marbach seinen Geburtstag feierte, mit einem Geburtstagslied. Die offizielle Begrüßung durch die Landoberstallmeisterin wurde untermalt von drei freilaufenden Vollblutaraber-Stuten mit Fohlen aus der Silbernen Herde Marbachs. „Gemeinsam gelingt Landinfo 3 | 2014 es uns auch die letzten Zweifler von der Bedeutung und Qualität des Landesbetriebes Marbach zu überzeugen“, sagte die Frau an der Spitze des ältesten staatlichen Gestüts Deutschlands. Anschließend präsentierte das Gestüt unter Leitung von HSM Rudi Schmelcher die Rassevielfalt der Marbacher Zucht und die vielseitigen Einsatzgebiete der Marbacher Pferde: ULLYSEE DES PRÉS, der in einem Zuchtversuch in der Altwürttemberger Zucht eingesetzt wird, durchbrach mit seiner Reiterin PW Alexandra Wolf die beiden „500 Jahre Marbach(Papier-)Wände“ im vollen Galopp. Vier Vertreter der Schwarzwälder Kaltblutzucht wurden unter dem Sattel und vor dem Traberwagen präsentiert. Das Württemberger Dressurpferd Wellington und der Marbacher Landbeschäler WILDHÜTER zeigten exzellente Piaffen und Passage am langen Zügel. Seine Königliche Hoheit Herzog Friedrich von Württemberg und FNVizepräsident Theo Leuchten im Marbacher Vierspänner Das Publikum lauschte der feierlichen Ansprache des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, und gab einen großen Applaus, als dieser die Frage nach der Existenzberechtigung des Haupt- und Landgestüts Marbach beantwortete: „Die Frage des Erhalt stellt sich überhaupt nicht. Selbstverständlich soll das Haupt- und Landgestüt Marbach erhalten bleiben. Es ist die Perle der schwäbischen Alb“. Ein besonderes Schaubild bot die Quadrille „Reiten ohne Hindernis – gelebte Inklusion“ mit Auszubildenden des Haupt- und Landgestüts Marbach und Reitern mit körperlichem und geistigem Handicap. Der Auftritt unter Leitung von Christa Hinrichsen, PWM Andrea Schmitz und Babara Link wurde unterstützt vom Deutschen Kuratorium für therapeutisches Reiten, vom Pferdesportverband Baden-Württemberg e.V. und vom Verein Sprungbrett e.V. Gelebte Inklusion: Quadrille mit Auszubildenden des Haupt- und Landgestüts Marbach und Reitern mit körperlichem und geistigem Handicap Daran schlossen sich die Grußworte des Landwirtschaftsministers Alexander Bonde: „Sie stehen in der Reihe der vielen Menschen, die dieses Gestüt gegründet, aufgebaut, erhalten und weiterentwickelt haben. Mit großem Engagement leben und pflegen Sie die Pferde, die Landschaft, die Tradition. Und Sie setzen Impulse für eine zukunftsweisende Weiterentwicklung Ihres - und unseres - Haupt- und Landgestüts“, lobte er die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gestüts. Die Marbacher Landbeschäler SIR NYMPHENBURG, LEMBERGER, QUADROFINO, IL DIVO xx, LARIMAR, SIR SANDRO und HOCHFEIN zeigten auf dem Laufsteg unter ihren Reitern Denis Bogdanow, Lissy Eppinger, Elisabeth Wiltafsky, Cornelia Pape, Eileen Meier und HSM Rolf Eberhardt. Gratulationsquadrille der Deutschen Landgestüte Bilder: Stephan Kube 3 Aktuelles Theo Leuchten, Vizepräsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung in Warendorf, hielt in seinen Grußworten fest: „Der Mittelpunkt der heutigen Veranstaltung ist das Pferd und das Pferd ist für Mensch und Gesellschaft eine unverzichtbare Größe“. Es folgte zum Abschluss die große Gratulationsquadrille, in der von jedem Landgestüt ein Reiter in der traditionellen Uniform seines Gestüts mit einem Landbeschäler vertreten war. Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Landoberstallmeisterin Dr. Astrid von Velsen-Zerweck in der historischen Reithalle Bild: Stephan Kube Der offizielle Festakt fand seinen Ausklang in der historischen Reithalle beim Jubiläumsempfang. Landoberstallmeisterin Dr. Astrid von Velsen-Zerweck führte Herrn Ministerpräsidenten Kretschmann in Begleitung seiner Ehefrau und des Landwirtschaftsministers Bonde über die historische Gestütsanlage. „Der offizielle Festakt verlief zu unserer vollsten Zufriedenheit. Nun freuen wir uns auf viele Gäste bei den kommenden Feierlichkeiten: Heute Abend beim Hoffest und am Sonntag beim Tag der offenen Tür auf den Gestütshöfen Marbach, Offenhausen und St. Johann“. de in der konventionellen Landwirtschaft nach wie vor problematische Entwicklungen, wie etwa hohe Nährstoffüberschüsse durch intensive Viehhaltung, zusätzliche Gülleimporte oder das Umbrechen von Grünland, das kurzfristig für massive N-Verlagerungen ins Grundwasser sorge. Konkrete Zahlen zu den N-Gehalten im Raum Weser-Ems lieferte Dr. Rudolf Eilert von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. „Bei unseren Messungen zu mineralisiertem Stickstoff im Herbst lagen die Werte auf Ökoflächen über alle Kulturen hinweg durchschnittlich 30 kg niedriger als auf konventionellen Schlägen“, berichtete Eilert. Dieser positive Effekt des ökologischen Landbaus ist auch wissenschaftlich in zahlreichen Forschungsprojekten gut belegt. Dennoch sei es gerade in Wasserschutzgebieten notwendig, die N-Effizienz weiter zu verbessern, auch für Biobetriebe. Deshalb würde laut Eilert die Einhaltung entsprechender Maßnahmen durch Zuschüsse für beide Bewirtschaftungsformen gefördert. Dazu gehörten z. B. Untersaaten in Mais, Zwischenfruchtanbau oder der Verzicht auf Gülleausbringung in der Wasserschutzzone II. Hinweis Weitere Informationen zum Haupt- und Landgestüt Marbach, zum 500-jährigen Gestütsjubiläum finden Sie auf der Internetseite www.gestuet-marbach.de Mehr Ökolandbau in Wasserschutzgebieten? - Fachberater diskutieren über verbesserten Wasserschutz in der Landwirtschaft (aid) - Der Ökolandbau hat starke Argumente für den Wasserschutz. Das war das Fazit der Fachberatertagung der Stiftung Ökologie und Landbau Ende Mai in Hannover, auf der 15 Berater und Praktiker über die Vorteile und Optimierungsmöglichkeiten des Ökolandbaus in Wasserschutzgebieten diskutierten. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Bundesprogramms Ökolandbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) statt. Dr. Renate Thole vom Niedersächsischen Umweltministerium stellte einführenad als Initiative zur Verbesserung des Grundwasserschutzes das niedersächsische Kooperationsmodell vor. Es umfasst unter anderem Ausgleichszahlungen für Betriebe in Wasserschutzgebieten, eine intensive Beratung und die Einrichtung von Modellprojekten. Durch reduzierte N-Düngung, Grünlandextensivierung und andere Maßnahmen sei es innerhalb von zwölf Jahren gelungen, den durchschnittlichen Stickstoff (N)-Überschuss laut Hoftorbilanz der beteiligten Betriebe von 95 kg auf 65 kg N zu senken. Dennoch gäbe es gera- 4 Praktiker sehen diese Art der Entschädigung durchaus positiv, wie Guido Sandering aus dem Kreis Diepholz berichtete. Er leitet einen Milchviehbetrieb mit Flächen in einem Wasserschutzgebiet. Für ihn als Biolandwirt sei es ohnehin selbstverständlich, Zwischenfrüchte anzubauen oder Grünland nicht umzubrechen. Er begrüßte jedoch, dass die Förderung in Zukunft ergebnisorientiert gezahlt werden soll, das heißt auf Basis der tatsächlichen Nmin-Werte auf den entsprechenden Flächen. „Ich glaube, das ist wesentlich nachhaltiger“, so Sandering. Die Vorteile des Ökolandbaus für den Grundwasserschutz stellte auch Bernhard Schwab vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bamberg heraus. „Neben dem geringeren N-Eintrag ist vor allem der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel ein großer Vorzug, wenn man die Grundwasserqualität in der Fläche verbessern möchte“, erklärte Schwab. Er koordiniert die Initiative „Grundwasserschutz durch Ökolandbau“ in Unterfranken, bei der vor allem Betriebe in Wasserschutzgebieten von den Vorteilen des Ökolandbaus überzeugt werden sollen. Seit 2007 sei der Umfang der Bioflächen in der Region von 14.000 auf 25.000 ha gewachsen. Das sei laut Schwab ein schöner Erfolg. „Aber viele dieser Umstellungsflächen liegen in Ungunstlagen. Wir würden uns freuen, wenn auch in klassischen Ackerbauregionen häufiger ökologisch gewirtschaftet würde“, sagte Schwab. Aid-Newlsletter Nr. 22/2014* Landinfo 3 | 2014 Schwerpunktthema Esskastaniengallwespe bei der Eiablage Bild: Schrameyer, LTZ Dr. Olaf Zimmermann, Matthias von Wuthenau Drei neue invasive Insektenarten in Deutschland: Esskastaniengallwespe, Bläulingszikade und Marmorierte Baumwanze Vorsorge und eine sichere Diagnose stehen an erster Stelle E s stellt sich bei der Recherche von potentiellen neuen Schadorganismen für Deutschland immer die Frage, ob sich ein ähnliches Szenario wie in anderen Einschleppungsgebieten abspielt oder sich die neue Art in die Riege bekannter Schädlinge einreiht und durch den zur Verfügung stehenden Pflanzenschutz bekämpft werden kann. Aus Gründen der Vorsorge sollten wir zunächst mit dem schlimmsten Fall rechnen und gut vorbereitet sein. Umso besser, wenn sich der Schädling als weniger problematisch herausstellen sollte, als befürchtet wurde. Viele neue Schädlinge werden über Südeuropa als Zwischenstation zu uns eingeschleppt. Damit haben wir in Deutschland eine gewisse Vorwarnzeit, die genutzt werden sollte. Die Diagnose der Arten, d.h. die Bestimmung ihres Schadbildes und die einzelnen Entwicklungsstadien sind eine erste und sehr wichti- Landinfo 3 | 2014 ge Voraussetzung. Im zweiten Schritt gilt es die betroffenen Wirtspflanzen, die aus zum Teil ganz unterschiedlichen Klimaten bekannt sind, für Deutschland zu bestätigen oder auch auszuschließen. Letztlich ist die Phänologie, der Entwicklungsverlauf, in Deutschland zu beobachten und zu dokumentieren. Die Frage der Anzahl der Generationen pro Jahr ist für eine Bekämpfungsstrategie ganz entscheidend. Wie grundsätzlich diese scheinbar trivialen Fragen sind zeigt sich am Beispiel des Buchsbaumzünslers Cydalima perspectalis, der noch nach fast acht Jahren als Falter vielen Betroffenen nicht bekannt ist, die meisten kennen nur die Raupen. Der Nachweis von Euonymus- und Ilex-Arten als Wirtspflanzen in Asien wurde für Deutschland seit 2007 nicht bestätigt und bei ausgewählten Arten auch direkt widerlegt. Bei uns wird tatsächlich nur Buchs gefressen, dennoch werden die chinesischen Quellen zitiert und die Gärtner verunsichert, ob nicht doch auch andere Wirtspflanzen betroffen sein könnten. Und dass die Bei der Einschleppung neuer invasiver Arten muss aus Vorsorgegründen zunächst mit dem schlimmsten Fall gerechnet werden. Die Diagnose der Arten und ihrer Schadbilder und ihr Entwicklungsverlauf unter unseren Klimabedingungen sind für die Bekämpfung entscheidend. 5 Schwerpunktthema Die Esskastaniengallwespe hat in Deutschland nur geringe wirtschaftliche Bedeutung. Sie ist schon 2002 in Südeuropa angekommen. Entwicklung bei uns in nur einer vollen und einer überwinternden Generation abläuft, ist selbst bei erfahrenen Praktikern noch nicht überzeugend angekommen. Im Falle des Buchsbaumzünslers war das Auftreten in Deutschland gleichzeitig der Erstnachweis für Europa. Damit lag die Verpflichtung der schnellen Klärung von Biologie und Phänologie, aber auch der Veröffentlichung und Verbreitung der Kenntnisse bei uns in Deutschland. Bei anderen Arten wissen wir im Vorfeld über südliche Nachbarländer was uns in den kommenden Jahren in etwa erwartet. Drei dieser neuen Arten werden im Folgenden kurz vorgestellt. Die Esskastaniengallwespe hat bei uns eine nur geringe wirtschaftliche Bedeutung. Eine Ausrottung ist trotz ihres Quarantänestatus nicht mehr möglich, denn sie schafft durch eine rasante Ausbreitung Fakten, die eine Entscheidung über das weitere Vorgehen vorweg nehmen. Die Marmorierte Baumwanze und die Bläulingszikade stehen hingegen noch ganz am Anfang ihrer Ausbreitung in Deutschland. Daher ist es umso wichtiger sie zu erkennen, Befallsstellen zu melden und sie mit den zur Verfügung stehenden Pflanzenschutzmaßnahmen in Schach zu halten. Sie sind beide keine Quarantänorganismen. Die Esskastaniengallwespe - ein Quarantäneschädling mit europaweit sehr unterschiedlicher wirtschaftlicher Bedeutung Esskastaniengallwespe, befallenes Blatt mit Galle Bild: von Wuthenau, LTZ Im Jahr 2013 wurde in Baden-Württemberg die Esskastaniengallwespe Dryocosmus kuriphilus, ein Quarantäneschädling, festgestellt. Nachdem bisher nur Nachweise aus Gartencentern an importierten Pflanzen vorlagen, wurde im Raum Mannheim-Heidelberg ein bereits seit mindestens 2-3 Jahren befallener Mischwaldbestand entdeckt. Ein anschließender baden-württembergweiter Aufruf zur unmittelbaren Prüfung der Esskastanienbestände ergab einen weiteren größeren Befall im Tübinger Stadtwald und einigen Befallsstellen entlang des Oberrheingrabens. Auch außerhalb von Baden-Württemberg wurde in dem Jahr Befall gemeldet. In Hessen und in Nordrhein-Westfahlen wurden an mehreren Standorten Gallen an Esskastanien festgestellt. Im Frühjahr 2014 wurden neue Standorte mit befallenen Esskastanien entlang des Rheins verzeichnet. Auch in der Stadt Heilbronn wurden Gallen an einer Esskastanie entdeckt. Dieser Schädling zeigt also trotz seiner nur 3 mm kleinen Gallwespe ein enormes Ausbreitungspotential in relativ kurzer Zeit. Ursprung der Esskastaniengallwespe Die natürliche Heimat der Gallwespe Dryocosmus kuriphilus ist China. Ihre Verbreitung begann ab etwa 1940 und das erste Auftreten außerhalb Chinas wurde in Japan beobachtet. Von dort ist sie über den Export von befallenen Esskastanienpflanzen bis nach Europa und in die USA verschleppt worden. In 2002 wurde der erste Freilandbefall in Italien im Piemont beobachtet. Danach verbreitete sich die Gallwespe trotz Quarantänemaßnahmen stetig weiter. Ein Problem in Italien war die Weitervermehrung in Baumschulen. Frankreich meldete 2005 in mehreren Regionen und die Schweiz 2009 im Tessin den Erstbefall. Da die Esskastaniengallwespe mittlerweile in Norditalien, der südlichen Schweiz und in Frankreich als angesiedelt gilt, ist eine Verschleppung mit Jungpflanzen von Esskastanien aus diesen Gebieten möglich. In 2012 wurden befallene Jungpflanzen aus Italien über einen deutschen Händler an zwei Standorte nach Sachsen und Thüringen verkauft. Auch nach Baden-Württemberg waren Pflanzen der gleichen Lieferung gelangt, diese aber ohne Befall. Es ist nicht auszuschließen, dass auch der Befall in Baden-Württemberg auf ähnliche Einschleppungswege zurückzuführen ist. Darüber hinaus könnte Laub mit Gallen und schlupfreifen Wespen auf Zügen oder LKWs über entsprechende Verkehrswege verschleppt werden. Generell gelten Raststätten an Autobahnen, Güterbahnhöfe und auch Flughäfen als Risikostandorte, die bei den Erhebungen auf Quarantäneschadorganismen besonders zu berücksichtigen sind. 6 Landinfo 3 | 2014 Schwerpunktthema Verbreitung der Esskastaniengallwespe in Baden-Württemberg 2014 Bild: von Wuthenau, LTZ Biologie der Esskastaniengallwespe Die Esskastaniengallwespe befällt nur Bäume der Gattung Castanea und entwickelt sich in einer Generation pro Jahr. Die etwa 3 mm kleinen Wespen leben nur etwa zehn Tage und legen im Juli bis zu 30 Eier pro Weibchen in die Knospen des kommenden Jahres. Die Larven schlüpfen noch vor dem Herbst und überstehen die Fröste in den Knospen der Kastanien. Im Frühjahr, etwa ab April, entwickeln sich die Gallen während des Knospenschiebens. Die Larven fressen bis in den Juni hinein in der Galle, wo auch die Verpuppung stattfindet und der Zyklus beginnt von Neuem. Ein entdeckter Befall im Freiland geht also mindestens auf eine Infektion aus dem Vorjahr zurück. Neben kurzen Strecken durch aktiven Flug können die kleinen Wespen durch Windverfrachtung auch größere Strecken über mehrere hundert Meter zurücklegen. Befallskontrolle bei Castanea-Arten Die einfachste Art der Befallsfeststellung ist es an einer Esskastanie nach Gallen zu suchen. Sie ist der einzige Schadorganismus, der an Esskastanien Gallbildungen hervorruft. Die ersten Gallen zeigen sich Landinfo 3 | 2014 im Frühjahr, wenn sich die Blätter entfalten. Der Flugzeitraum der kleinen Gallwespen kann durch Gelbtafeln festgestellt werden. Dadurch ist es auch möglich die Ausbreitung über die Grenzen bekannter Befallsgebiete hinaus zu überprüfen. In dem Zeitraum nach dem Blattfall und vor dem Wiederaustrieb könnte man auch die Knospen mittels der PCR-Methode molekularbiologisch untersuchen. Die Esskastaniengallwespe lässt sich also jederzeit nachweisen, auch wenn sich z.B. im Herbst keine äußeren Befallssymptome mehr zeigen. Werden die Gallen an befallenen Bäumen entdeckt, liegt die Infektion schon mindestens ein Jahr zurück. Bewertung des Schadpotentials in Deutschland und rechtliche Grundlagen In Deutschland hat die Esskastanie eine wichtige historisch-kulturelle Bedeutung. Die Früchte waren ein sicherer Stärkelieferant in Notzeiten. Heute wird in vielen Regionen Deutschlands mit lokalen Festen und Feiern die Esskastanie, auch Edelkastanie genannt, geehrt. Verschiedene Kastanienprodukte haben regionale Bedeutung, es erfolgt aber kein gezielter Anbau wie dies in Italien oder Frankreich der Fall ist. 7 Schwerpunktthema Da die Esskastaniengallwespe schon etabliert ist, wird darüber diskutiert, den Quarantänestatus in der EU zu ändern. Marmorierte Baumwanze Bild: Zimmermann, LTZ In Europa ist die Bekämpfung der Ausbreitung der Esskastaniengallwespe durch eine EU-Richtlinie (2006/464/EG) geregelt. Wenn befallene Bäume innerhalb der Europäischen Union entdeckt werden, müssen die zuständigen Behörden Befalls-, Fokusund Pufferzonen ausweisen. Es ist verboten, aus diesen Gebieten Jungpflanzen zu verbringen, damit eine aktive Verbreitung durch den Menschen verhindert wird. Baumschulen, die in diesem Gebiet liegen, müssen befallene Jungpflanzen vernichten. Wenn ein Befall an Bäumen in Einzellagen, zum Beispiel in Parkanlagen festgestellt wird, kann es sinnvoll sein, diese Bäume zu fällen und das Laub zu vernichten, damit sich dieser Befall nicht weiter ausbreitet. In den ausgewiesenen Zonen muss ein intensives Monitoring durchgeführt werden, um die Verbreitung des Schaderregers zu beobachten. Um diese Auflagen umzusetzen wurde in Zusammenarbeit mit den Regierungspräsidien und dem Ministerium eine Allgemeinverfügung geschrieben. Für eine direkte Bekämpfung sind in Deutschland keine Pflanzenschutzmittel zugelassen. Da sich die Esskastaniengallwespe inzwischen in vielen Teilen der EU schon etabliert hat, wird zurzeit darüber diskutiert, den Quarantänestatus dieses Organismus zu ändern. Künftig wäre es dann möglich in Regionen mit einer wichtigen Esskastanienproduktion Schutzgebiete einzurichten, wenn dort noch kein Befall vorherrscht. Es wäre dann verboten Jungpflanzen aus befallenen Regionen in diese Schutzgebiete zu verbringen. Dies würde die Regionen entlasten, in denen ein Befall vorherrscht aber die Esskastanienproduktion keine Rolle spielt. Eine diesbezügliche Entscheidung der EU wird in Kürze erwartet. Die Marmorierte Baumwanze - vom öffentlichen Grün in die Obstanlagen Die Marmorierte Baumwanze Halyomorpha halys wurde in Deutschland im Freiland bisher nur einmal in Konstanz 2011 beobachtet. Eine einzelne Einschleppung mit Transportkisten aus den Vereinigten Staaten konnte in Bremerhaven lokal wieder ausgerottet werden. Die Einschleppung einer chinesischen Population in den Raum Zürich um 2004 hingegen ist bereits so weit fortgeschritten, dass eine Ausrottung nicht mehr in Betracht kommt. Es wurden weitere Populationen in Straßburg, sowie in Budapest und Paris gefunden. Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Züricher Population aus China stammt, die Straßburger hingegen aus den USA. Weitere Einschleppungen und die zukünftige Ausbreitung der neuen Wanze auch innerhalb Deutschlands sind also sehr wahrscheinlich. Merkmale und Biologie der Marmorierten Baumwanze Die Marmorierte Baumwanze gehört zu den Pentatomiden (Baumwanzen), die auch als „Stinkwanzen“ bekannt sind. Sie haben ein auffällig eckiges, für den Laien käferähnliches Aussehen. Im Vergleich zu den einheimischen Wanzen, vor allem zur Grauen Gartenwanze Rhaphigaster nebulosa zeigt sie aber deutliche Unterschiede, die sich mit dem bloßen Auge bereits feststellen lassen. Die Marmorierte Baumwanze hat hinter dem Halsschild eine Reihe von 4-5 hellen Punkten und der transparente Teil der Flügeldecken trägt Striche. Bei der heimischen Gartenwanze ist der transparente Teil der Flügeldecken gepunktet. Auf der Unterseite ist die Marmorierte Baumwanze einheitlich gelblich gefärbt, die heimische Gartenwanze trägt dunkle Punkte auf der Unterseite. Es entwickelt sich von der Marmorierten Baumwanze nur eine Generation pro Jahr. Die Eiablage erfolgt im Juni, wobei die jungen Nymphen im Stadtbereich, z.B. in Basel noch unauffällig an grünen Schotenfrüchten von Parkbäumen saugen. Erst im August werden die Populationen auffällig und die erwachsenen Wanzen überdauern mehrere Monate bis weit ins nächste Jahr. Wann die Wanzen von Ziergehölzen in Obstkulturen übersiedeln ist unbekannt. In den USA geschah dies erst zehn Jahre nach der ersten Einschleppung. Erhebliche Schäden der Marmorierten Baumwanze in den USA Die Marmorierte Baumwanze wurde 1996 aus Asien in die USA eingeschleppt und hat sich dort zu einem der bedeutendsten Schadorganismen an Früchten, 8 Landinfo 3 | 2014 Schwerpunktthema Obstfrüchte Apfel Kirsche Pfirsich Maulbeere Birne Wein Aprikose Haselnuss Zwetschge Himbeere Zitrusfrüchte Ebenholz Soja Bohnen Mais Sommerflieder Sicheltanne Ackerfrüchte Spargel Tabelle 1 Auswahl aus dem Wirtsspektrum der Marmorierten Baumwanze Gemüse Paprika Tomate Forst- und Ziergehölze Ahorn Platane Weide Eiche Rosen Zypressen Blauglockenbaum Ulme Hibiskus Geißblatt Trompetenbaum Hartriegel Wilder Wein Esche Vogelbeere aber auch vereinzelt an Gemüse oder Ackerfrüchten entwickelt. In den USA verursacht die Marmorierte Baumwanze Schäden durch das Saugen an Blättern und Früchten von über 300 Pflanzenarten aus allen Kulturbereichen (Tab.1). Der Schwerpunkt der gefährdeten Wirtspflanzen liegt bei den Obstfrüchten. Dies führt bei Früchten oft zum vorzeitigen Fall und somit zum Totalverlust. Die Marmorierte Baumwanze kann aber auch an Gemüse schädigend auftreten. Es werden verschiedene Schadbilder beobachtet. Angestochene Obstfrüchte und Gemüse entwickeln Flecken und Nekrosen und sind daher nicht mehr vermarktungsfähig. Die Nymphenstadien fallen dadurch auf, dass sie gerne vergesellschaftet an den Pflanzen saugen. Diese Saugschäden sind an Äpfeln als dunkle, eingefallene Stellen zu erkennen, bei Gemüse wie Paprika oder Tomate hingegen hellt sich das angestochene Gewebe auf und erscheint weiß und schwammig. Wenn Früchte in ihrer frühen Entwicklungsphase angestochen werden, verwachsen die beschädigten Stellen und die Früchte verformen sich. auf dem Dachboden oder in Gartenhütten in größeren Individuenzahlen und werden dadurch zusätzlich auffällig oder sogar lästig. Sie bevorzugen in Städten hohe Gebäude mit Südausrichtung zur Überwinterung. Durch ein Monitoring entlang des Oberrheingrabens im Sommer 2014 soll festgestellt werden, ob es bereits bisher unentdeckte Populationen der Marmorierten Baumwanze in Stadtparks oder Botanischen Gärten im Südwesten Deutschlands gibt. Marmorierte Baumwanzen haben sich in den USA zu einem der bedeutendsten Schadorganismen an Früchten, aber auch an Gemüse entwickelt. Die Bläulingszikade – Welches Schadpotential hat sie? Die Bläulingszikade Metcalfa pruinosa wurde in den letzten Jahren mehrfach im Südwesten Deutschlands gesichtet. Es sind Nachweise aus Weil am Rhein und Bläulingszikade, Nymphe mit Wachsfäden Bild: Schrameyer, LTZ Befallskontrolle der Marmorierten Baumwanze im öffentlichen Grün! Schäden in Erwerbsanlagen durch die Marmorierte Baumwanze wurden in Europa noch nicht beobachtet. Im Stadtbereich Zürich werden aber erste Schäden an so verschiedenen Kulturen wie Zucchini oder Himbeeren in Kleingärten festgestellt. Auffällig ist, dass die Marmorierte Baumwanze nach der Einschleppung an Bäumen und Sträuchern auftritt, die nicht im Fokus des Pflanzenschutzes stehen, z.B. im Botanischen Garten in Straßburg. Genauso wie die heimischen Gartenwanzen sammeln sich die Marmorierten Baumwanzen zum Winter hin in Gebäuden, Landinfo 3 | 2014 9 Schwerpunktthema Obst- und Beerenfrüchte Tabelle 2 Auswahl aus dem Wirtsspektrum der Bläulingszikade Apfel Zitrusfrüchte Pfirsich Aprikose Wein Johannisbeeren Brombeeren Himbeere Soja Sonnenblumen Ackerfrüchte Mais Gehölze und Ziergehölze Ahorn Platane Robinie Götterbaum Linde Thuja Wacholder Eibe Waldrebe Eberesche Holunder Hartriegel Wilder Wein Hibiskus Hortensien Wildkräuter, Zierpflanzen Brennnessel Das Schadpotential der Bläulingszikade ist bisher nur schwer einzuschätzen. Schäden in Wein-, Obstund Zierpflanzen sind möglich. Liliengewächse Mannheim (2012), Stuttgart (2013) und unmittelbar im Grenzgebiet um Basel (2013) bekannt. Ähnlich wie die Marmorierte Baumwanze tritt die Bläulingszikade an einer breiten Vielfalt von Wirtspflanzen auf (Tab.2). In Deutschland wurde sie an Obst und im Wein aber noch nicht festgestellt und auch die Gefahr der Übertragung von Krankheiten im Wein wurde bisher nicht nachgewiesen. Das Schadpotential dieser neuen Zikadenart ist daher schwer einschätzbar. Sie ist polyphag und könnte im Weinbau, im Obstbau (Apfel, Pfirsich) und an Zierpflanzen (im Freiland und in Tropenhäusern) schädlich werden. Durch die starke Honigtaubildung der Bläulingszikade und die Bildung von „Metcalfa-Honig“, der dem Waldhonig ähnelt, entsteht Aufklärungsbedarf im Bereich der Imkerei bzgl. der Deklaration des Honigs, sobald es zu einem Massenauftreten der Zikaden kommen sollte. Ursprung der Bläulingszikade Die Befallskontrollen sollen in Kulturen an Waldrändern und öffentlichen Parkanlagen erfolgen. Auch Pflanzentransporte müssen auf Zikaden untersucht werden. 10 In Europa trat die Bläulingszikade erstmals 1979 in Italien auf, anschließend in Slowenien und Kroatien. Grund für die Einschleppung der nordamerikanischen Art waren Pflanzenimporte. Die Bläulingszikade ist inzwischen flächendeckend in ganz Südeuropa und in Teilen Zentraleuropas nachgewiesen (Spanien, Frankreich, Ungarn, Serbien, Montenegro, Bulgarien, Griechenland, Türkei, Tschechien). Die Populationen in Italien, Slowenien und Südfrankreich sind etabliert. Bereits 1996 trat die Art in Österreich auf. Die Populationen scheinen sich aber nur langsam auszubreiten oder werden erst durch weitere Einschleppungen gefördert. Sieben Jahre nach dem ersten Nachweis gab es im Raum Wien 2003 ein Massenauftreten. Die Populationen der Bläulingszikade sind oft klein und unauffällig. Daher könnte dieser neue Schädling bei uns übersehen und unterschätzt werden. Aussehen und Biologie der Bläulingszikade Die Bläulingszikade ist bei uns der einzige Vertreter der Familie der Schmetterlingszikaden. Die erwachsene Zikade ist etwa 5-8 mm klein und hat durch eine Schicht von Wachspartikeln eine Färbung, die grau-bläulich oder grau-braun erscheint. Die Zikaden haben an der Basis des Vorderflügels typische, dunkle Flecken und auf den Flügeldecken einige weißliche Flecken. Die jungen Stadien (Nymphen) haben am Hinterleib anhängende lange Büschel von Wachsfäden und die Zikadenkolonien können daher auf den ersten Blick mit Woll- und Schmierläusen verwechselt werden. Jedoch sind die Zikaden beweglicher und hüpfen bei Störung davon. Die ausgewachsenen Bläulingszikaden fliegen ab August und legen ihre Eier in das weiche Gewebe von Gehölzen. Die etwa 0,8 mm langen, ovalen Eier ragen teilweise aus dem Holz heraus. Ende Mai schlüpfen die weißlichen sehr mobilen Nymphen, die sich über fünf Stadien bis zum August zu erwachsenen Zikaden entwickeln. Pro Jahr gibt es nur eine Generation. Befallskontrolle der Bläulingszikade Bevorzugte Lebensräume der Bläulingszikade sind Waldränder, sowie Büsche und damit z.B. Parkanlagen und weniger potentiell gefährdete Kulturen wie Obstplantagen oder Weinlagen selbst. Daher sollte das öffentliche Grün in die Beobachtung des Schädlings einbezogen werden, um die tatsächliche Ausbreitung in Deutschland nicht falsch einzuschätzen. Aufgrund der weit gestreuten Einzelfunde im südwestdeutschen Raum ist von bisher isolierten, aber etablierten Populationen auszugehen. Die Verbreitung erfolgt offenbar durch Pflanzentransporte, daher sollte der Pflanzenhandel diese neue Zikade kennen und die Ware darauf kontrollieren. Insbesondere bei mutmaßlichem Befall mit Schmierläusen sollte eine mögliche Verwechslung mit Bläulingszikaden überprüft werden. Landinfo 3 | 2014 Schwerpunktthema Biotop der Marmorierten Baumwanze und der Bläulingszikade: städtische Grünanlagen Bild: Zimmermann, LTZ Fazit: Wer erforscht natürliche Gegenspieler invasiver Arten ? In den letzten Jahren schreibt sich die Liste der eingeschleppten Insektenarten kontinuierlich fort. Dass neue Schädlinge auch ohne Vorwarnung auftreten können, zeigte der Buchsbaumzünsler. Ebenso zeigt z.B. die Kirschessigfliege Drosophila suzukii, dass neue Schädlinge sich rasant über Zentraleuropa und Nordamerika gleichzeitig ausbreiten können, so dass die Praxis in nur ein bis zwei Jahren noch keine effektiven Gegenmaßnahmen zur Hand hat. Die eingeschleppten Arten sind unterschiedlich relevant was ihre Auswirkungen auf die Landwirtschaft oder die Biodiversität angeht. Das Vorgehen ist aber immer ganz ähnlich und EU-weit ist eine ganze Reihe von Kandidaten bereits auf der Fahndungsliste. Es kommt letztlich auf ein frühzeitiges Monitoring und eine konzentrierte Information der betroffenen Praktiker an, um rechtzeitig und angemessen reagieren zu können, wenn es zu ersten Schäden kommt. Bei allen drei vorgestellten Arten gibt es im Ursprungsgebiet natürliche Gegenspieler, die bei uns scheinbar fehlen. Eine mögliche Nachführung solcher spezialisierter Antagonisten nach Europa, nach umfassender Risikobewertung, wird kontrovers diskutiert und mitunter kategorisch ausgeschlossen. Es fehlt bei den vorgestellten Arten in Deutschland aber konsequenterweise auch eine gezielte Erforschung möglicher Gegenspieler, die bereits in unserer heimischen Fauna vorhanden sein könnten. (Say 1830; Hemiptera, Flatidae), einer in Österreich neuen Honigtauerzeugerin, und die möglichen Auswirkungen auf die Bienenzucht. Abschlussbericht des AGES-Projektes (Ltg. A. KAHRER) Institut für Bienenkunde, Wien (39 S.) SCHUMACHER, J. (2013) Japanische Esskastanien-Gallwespe (Dryocosmus kuriphilus YASUMATSU). Waldschutz-Info 1-2013 (4 S.) WERMELINGER, B.; WYNIGER, D.; FORSTER, B. (2008) First records of an invasive bug in Europe: Halyomorpha halys Stål (Heteroptera: Pentatomidae), a new pest on woody ornamentals and fruit trees ? Mitteilungen der Schweizerischen Entomologischen Gesellschaft 81, 1-8. Intenet-Quellen (Stand: 03.06.2014): Dr. Olaf Zimmermann LTZ Augustenberg Tel. 0721/ 9468-412 olaf.zimmermann@ltz. bwl.de LTZ-Merkblätter zu invasiven Schädlingen unter http://www.ltz-bw.de (regelmäßig aktualisierte Daten zur Verbreitung) Esskastaniengallwespe, EU-Richtlinie http://pflanzengesundheit.jki.bund.de/dokumente/upload/50297_ent2006-464.pdf HAYE, T. & WYNIGER, D. (2014): Die Marmorierte Baumwanze, Halyomorpha halys. http://www.halyomorphahalys.com (umfangreiche Informationen, inkl. einer online-Erfassung) Datenblatt der EPPO zu Halyomorpha halys Ausgewählte Literatur (weitere Quellen auf Nachfrage bei den Autoren) MOOSBECKHOFER, R. et al. (2009): Untersuchungen zum Auftreten der Bläulingszikade Metcalfa pruinosa Landinfo 3 | 2014 http://www.eppo.int/QUARANTINE/Alert_List/insects/halyomorpha_halys.htm Matthias von Wuthenau LTZ Augustenberg Tel. 0721/ 9468-465 matthias.von.wuthenau@ ltz.bwl.de 11 Schwerpunktthema aid-Newsletter Gebietsfremd oder heimisch? Invasive Pflanzenarten und biologische Vielfalt Beiträge aus dem aid-Newsletter Gebietsfremd oder heimisch? Invasive Pflanzenarten und biologische Vielfalt (aid) - Der globale Handel macht es möglich: Immer mehr Pflanzen und Tiere werden unabsichtlich oder absichtlich in neue Gegenden gebracht. Fühlen sie sich am neuen Standort wohl und sind dort keinen Fressfeinden ausgesetzt, können sie sich etablieren und ausbreiten. In Deutschland haben sich nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) bereits rund 320 solcher Tierarten und etwa 430 solcher Gefäßpflanzenarten etabliert. Die „neuen“ Arten können eine Ergänzung für das Ökosystem sein, wenn sie eine vorher unbesetzte Nische besetzen. In den meisten Fällen gefährden sie jedoch die vorhandene biologische Vielfalt, da sie heimische Arten verdrängen und ausrotten können. Eine Störung des ökologischen Gleichgewichts ist die Folge. Von den rund 430 in Deutschland etablierten gebietsfremden Pflanzenarten hat das BfN im Rahmen einer Studie 38 Arten identifiziert, die als invasiv gelten - das heißt, die hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Ökosysteme und andere Arten prob- Die Staudenknöteriche der Gattung Fallopia haben sich in Deutschland schon dauerhaft etabliert Bild: S. Mezger lematisch sind. 28 von ihnen haben sich bereits großräumig ausgebreitet und können nicht mehr vollständig beseitigt werden. Dazu gehören etwa der RiesenBärenklau (Heracleum mantegazzianum), der Japan-Staudenknöterich (Fallopia japonica) und die Späte Goldrute (Solidago gigantea). Sie stehen mit 25 weiteren Arten auf der sogenannten Managementliste. Im Rahmen eines neuen Forschungsvorhabens prüft das BfN, welche konkreten Maßnahmen eine weitere Ausbreitung dieser invasiven Arten verhindern und negative Auswirkungen der Ausbreitung reduzieren können. Zehn invasive Arten, die sich bisher erst kleinräumig ausgebreitet haben, werden auf einer sogenannten Aktionsliste zusammengefasst. Zu ihnen zählen zum Beispiel der Große Wassernabel (Hydrocotyle ranunculoides) oder der Pontische Rhododendron (Rhododendron ponticum). Bei diesen zehn Arten besteht laut BfN noch eine Chance, sie vollständig beseitigen zu können. Die in Deutschland vorkommenden invasiven Pflanzenarten sind fast ausschließlich als Zier- oder Nutzpflanzen eingeführt worden. Gerade Gartenbesitzer und Hobbygärtner können daher einen Beitrag zur Vorsorge leisten, indem sie heimische Pflanzenarten im Garten verwenden. AidNewsletter Nr 6 Invasives Trio- Drei Asiatische Staudenknöteriche breiten sich aus (aid) - Sie sind sehr erfolgreich, in dem was sie tun und wie sie es tun: Drei invasive Staudenknöteriche der Gattung Fallopia haben sich in Deutschland bereits so weit ausgebreitet, dass es für eine vollständige Beseitigung schon zu spät ist. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) prüft daher, welche konkreten Maßnahmen ergriffen werden müssen, um eine wei- 12 Landinfo 3 | 2014 Schwerpunktthema tere Ausbreitung zu verhindern und die Folgen der Ausbreitung zu minimieren. quenten Entfernung der Rhizome erfolgen (die allerdings bis zu zwei Meter tief liegen können). Mit ihren unterirdischen Rhizomen breiten sich der Japan-Knöterich Fallopia japonica, der SachalinKnöterich Fallopia sachalinensis und die aus beiden Arten entstandene Hybride, der Bastard-Knöterich Fallopia x bohemica, bis zu einem Meter pro Jahr aus. In den teilweise bis zu zehn Zentimeter dicken Rhizomen sind rund zwei Drittel der Biomasse der Pflanzen gebunden. Aus diesem verzweigten und horizontal verlaufenden Wurzelsystem werden weitere Rhizome sowie die oberirdischen Sprosse gebildet. Und auch diese sind imposant: Die hohlen, kräftigen Stängel wachsen beim Japan-Knöterich bis zu drei Meter hoch, bei den beiden anderen sogar bis zu vier Meter. Die Bestände sind oft sehr dicht und ausgedehnt, sodass andere Pflanzen zurückgedrängt werden. Da alle drei Knöteriche vor allem an Flussufern anzutreffen sind, sind hier zum Beispiel Pestwurz, Brennnessel und Zaunwinde betroffen. Doch Vorsicht: Selbst kleine Rhizomteile an Geräten oder mit dem Erdaushub können zum Fortbestand der Pflanzen beitragen. Gegebenenfalls sollte ein Experte hinzugezogen werden. AidNewsletter Nr 19 Die negativen Auswirkungen dieser sogenannten Dominanzbestände für den Naturschutz sind insbesondere an den Ufern kleinerer Fließgewässer zu spüren. Bei Hochwasser können sie den Abfluss des Wassers verlangsamen - und sich darüber hinaus über diesen Weg auch weiter ausbreiten. Bereits aus kleinen Fragmenten des Rhizoms oder des Stängels können neue Pflanzen heranwachsen. Die Ausbreitung der Knöteriche erfolgt überwiegend durch den Transport im fließenden Wasser und ebenso über Fragmente in der Erde bei Bauarbeiten. So ist der Japan-Knöterich inzwischen auch häufig an gewässerfernen Orten wie städtischen Brachflächen, an Straßenrändern und Böschungen, auf extensiv bewirtschafteten Grünflächen sowie teilweise bereits in Wäldern anzutreffen. Neben den negativen Auswirkungen auf die Ökosysteme, sind auch die wirtschaftlichen Folgen der Ausbreitung immens. Die Rhizome der Staudenknöteriche können in kleine Mauerritzen oder Asphalt eindringen und diese durch ihr Dickenwachstum sprengen. Das kann zu Schäden an Häusern, Straßen, Parkplätzen, aber vor allem auch an Deichen, Schleusen und Dämmen führen. Es erübrigt sich quasi zu erwähnen, dass auf die Anpflanzung der Staudenknöteriche verzichtet werden sollte - auch wenn Japanund Sachalin-Knöterich Mitte des 19. Jahrhunderts ursprünglich als Zierpflanzen aus ihren Heimatgebieten in Ostasien beziehungsweise der Halbinsel Sachalin in Europa eingeführt wurden. Das alleinige Vernichten oberirdischer Pflanzenteile führt aufgrund der starken Rhizome nur langfristig zum Zurückdrängen und sollte mit der gleichzeitig konse- Landinfo 3 | 2014 Beifußblättrige Ambrosie - Blattkäfer könnte bei Bekämpfung helfen (aid) - Die Beifußblättrige Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) zählt zu den aggressivsten invasiven Pflanzenarten mit großem Allergenpotenzial. Ihre Bekämpfung könnte nun einen entscheidenden Schritt nach vorn kommen. Im Tessin ist ein Blattkäfer identifiziert worden, der sehr effizient die unerwünschte Pflanze wegfrisst. Ob der Blattkäfer Ophraella communa aber nur auf die Ambrosie spezialisiert ist oder auch andere Pflanzen befällt, muss allerdings noch erforscht werden. Nachdem der Käfer im Tessin erstmals entdeckt worden ist, haben ihn die auf Ambrosia-Forschung spezialisierten Wissenschaftler der Universität Fribourg beobachtet. Der Käfer ist demnach an über 80 Prozent der bekannten Ambrosia-Standorte präsent und hat die Pflanze an einigen Standorten komplett vernichtet. Offensichtlich wurde der Käfer über den Mailänder Flughafen eingeschleppt. In dem Fall ein Glücksfall für die Schweiz, denn nun kann der Käfer gezielt auf Wirtsspezifität getestet werden. Sollte der Käfer anderen Pflanzen keinen Schaden zufügen, könnte er gezielt zur Bekämpfung der allergenen Ambrosie eingesetzt werden. Der Götterbaum - Anspruchsloser und schnellwüchsiger Neophyt (aid) - Dekorativ, aber überaus invasiv ist der Götterbaum Ailanthus altissima, der insbesondere im Sommer und Herbst durch die zahlreichen in großen Rispen wachsenden Früchte auffällt. Die geflügelten Nüsschen wechseln ihre Farbe von anfangs Grün über Gelb in ein leuchtendes Rot, werden während der Reife braun und bleiben den Winter über am Baum hängen. Sie entstehen aus den gelblich-grünen Bild: LUBW 13 Schwerpunktthema sehr nektarreichen Blüten, die sich im Juni und Juli öffnen und von Insekten bestäubt werden. Bild: LUBW Hierzulande wird der Götterbaum meist bis zu 30 Meter hoch, mit einem Zuwachs bis zu 80 Zentimeter pro Jahr. In der Jugendphase wächst er sogar bis zu drei Meter pro Jahr und ist somit äußerst konkurrenzstark. Auch wenn das Höchstalter nur rund 50 Jahre beträgt: Der Götterbaum ist in der Lage, sich in dieser Zeit enorm auszubreiten. Wurzelausläufer und Wurzelsprossen bilden große Wurzelgeflechte und bringen besonders kräftige Triebe hervor. Die enorme Anzahl an Früchten, die bereits bei drei- bis fünfjährigen Bäumen heranreifen können, verbreitet sich über den Wind im Umkreis von etwa 100 Metern. Mitte des 18. Jahrhunderts als Ziergehölz aus China nach England eingeführt, erfolgte die Verbreitung von Ailanthus altissima als Zierbaum. Auch als Forstgehölz war er beliebt, da sein Holz aufgrund des hohen Zelluloseanteils zwar hart, aber dennoch sehr elastisch ist. In Städten wurde er zudem gerne als Straßenbaum angepflanzt, da er neben seiner Schnellwüchsigkeit widerstandsfähig gegen Salz, Trockenheit, Abgase und Nährstoffmangel ist. Heute ist er in städtischen und industriellen Bereichen bereits vollständig eingebürgert. Insbesondere in sommerwarmen Gebieten mit mindestens 20 Sommertagen - bei Temperaturen von mindestens 25 °C - verwildert der lichtliebende Götterbaum. Schwerpunkte sind daher Ballungsräume und wärmebegünstigte Regionen. Der erhöhte Pflegeaufwand sowie Bauschäden im städtischen Raum und an Verkehrswegen verursachen hohe Kosten. Stellenweise wandert der Götterbaum auch in naturnähere Lebensräume wie Halbtrockenrasen oder Auen ein. Das hat negative Folgen für den Naturschutz, da heimische Arten verdrängt werden. Beim Menschen können zudem durch intensiven Kontakt mit Inhaltstoffen der Blätter und des Holzes toxische und allergische Hautreaktionen auftreten. Bild: LUBW 14 Um die weitere Verbreitung der invasiven Pflanzenart zu verhindern, sollten Garten- oder Grundstücksbesitzer den Götterbaum nicht neu anpflanzen. Attraktive Alternativen sind zum Beispiel die Vogelbeere Sorbus aucuparia, die Esche Fraxinus excelsior sowie der Spitzahorn Acer platanoides. Sind bereits Pflanzen vorhanden, richtet sich das Vorgehen nach deren Alter: Sämlinge sind auszureißen und zu verbrennen, bei älteren Pflanzen sind die Fruchtstände und Jungtriebe zu entfernen. Fällen sollte man den Götterbaum nur, wenn man auch den Wurzelstock ausgraben kann - und selbst dann kann es sein, dass Stockausschläge und Wurzelschösslinge noch über Jahre ausgerissen oder abgeschnitten werden müssen. Achtung: Beim Fällen der Bäume unbedingt Schutzkleidung tragen! AidNewsletter Nr 19 Die Kanadische und die Späte Goldrute - Invasive Arten weit verbreitet (aid) - Auch das ist möglich in der Welt der invasiven Pflanzenarten: Dass es Exemplare gibt, die sich zwar enorm ausbreiten, aber insgesamt eher geringe negative Auswirkungen haben. Auf die Kanadische Goldrute Solidago canadensis und die Späte Goldrute Solidago gigantea trifft das zu. Grund ist das Hauptverbreitungsgebiet der beiden Goldruten-Arten: Sie besiedeln vor allem ruderale Standorte, also vom Menschen genutzte und anschließend sich selbst überlassene Flächen wie industrielle und ackerbauliche Brachflächen, Halden sowie Bahn- und Straßenböschungen. Nur, wenn sie sich auf Streuwiesen, Magerrasen oder Auen ausbreiten, hat das aus Sicht des Naturschutzes negative Folgen, da sie den Artenwandel beschleunigen und lichtliebende Pflanzenarten verdrängen. Auf Ackerund Weinbergsbrachen können Goldruten zudem die Ansiedlung gefährdeter Pflanzen und Tiere verhindern, die sonst auf Halbtrockenrasen leben. Die Ansiedlung der Goldruten hat aber auch einen positiven Effekt: Die in Rispen stehenden goldgelben Blüten bieten zahlreichen Wildbienen, Hummeln, Tagfaltern und Schwebfliegen im sonst blütenarmen Spätsommer von Ende Juli bis in den Oktober hinein Nahrung. Die gut flugfähigen Samen - bis zu 15.000 pro Spross - werden zwar mit dem Wind bis ins Frühjahr weit verbreitet, die Überlebensrate im Boden ist jedoch gering. Die Ausbreitung der Goldruten erfolgt vorrangig vegetativ über lange und brüchige Rhizome, von denen Stücke leicht verschleppt werden können. Aus diesen Rhizomen wachsen meist 50 bis 150 Zentimeter hohe Stängel. Beide Arten sind sehr tolerant bezüglich Nährstoffen. Die Stauden sind in Prärien und lichten Wäldern der USA und des südlichen Kanada beheimatet, die Späte Goldrute besonders an feuchteren Standorten. Beide Arten wurden ursprünglich als Gartenpflanzen eingeführt und als Bienenweiden auch in der freien Landschaft ausgebracht. Heute gehören sie in Deutschland zu den häufigsten Neophyten, insbesondere Solidago canadensis, die etwa hundert Jahre vor Solidago gigantea eingeführt wurde und erstmals Landinfo 3 | 2014 Schwerpunktthema 1645 in England bekannt war. Beide Arten können nicht mehr großflächig zurückgedrängt werden, in Kulturlandschaften können jedoch punktuelle Gegen- oder vorbeugende Maßnahmen sinnvoll sein. Wer die invasiven Goldruten aus dem Garten entfernen möchte, kann zum einen durch einen einmaligen Schnitt vor der Blüte den Samenflug verhindern. Effektiver sind jedoch Maßnahmen, die das Rhizom schwächen oder zerstören. Dazu gehören zum Beispiel eine mehrmalige und tiefe Mahd oder das Ausgraben der Rhizome. Bei kleineren Vorkommen empfiehlt sich das wiederholte Ausreißen der Stängel bei feuchter Witterung und kurz vor der Blüte, wobei meist ein Teil des Rhizoms mit entfernt wird. Eine Ausbringung der beiden Goldruten-Arten ist grundsätzlich genehmigungspflichtig und nicht zu empfehlen. Gute Alternativen für den Garten sind zum Beispiel die Gewöhnliche Goldrute Solidago virgaurea oder der Gewöhnliche Gilbweiderich Lysimachia vulgaris . AidNewsletter Nr 18 Die Späte Traubenkirsche - Vorbeugen ist effektiver als Bekämpfung (aid) - „In die Ecke, Besen! Besen! Seid‘s gewesen.“ Wie der Meister im Zauberlehrling möchte wohl so mancher Forstwirt der Späten Traubenkirsche ( Prunus serotina ) zurufen, um sie aus den Wäldern zu verscheuchen. Dabei ist die inzwischen in Deutschland als invasive Art eingestufte Pflanze bereits vor rund 400 Jahren bewusst als Zierpflanze nach Mitteleuropa gebracht worden. Auch heute noch wird die in Nordamerika beheimatete Pflanze gerne als attraktives Ziergehölz in Gärten und Parks gepflanzt oder als Bienenweide und Vogelnährgehölz verwendet. Unter optimalen Bedingungen wächst Prunus serotina in ihrer Heimat zu einem stattlichen Baum von etwa 35 Metern heran, der das rotbraune, intensiv gemaserte amerikanische „Kirschholz“ liefert. Die Hoffnung auf das wertvolle Holz erfüllten die damals in Europa angebauten Pflanzen jedoch nicht. Zu geringe Niederschlagsmengen und nährstoffärmere Böden an den ausgewählten Standorten führten meist zu einem eher strauchartigen Wachstum. Daher wurde die schnellwüchsige Pflanze unter anderem zur Dünenbefestigung oder als Wind- und Brandschutz an Rändern von Kiefernwäldern angepflanzt. Auf freien Flächen nutzte man sie, um konkurrierende Pflanzen durch die schnelle Bodenbedeckung zu unterdrücken. Von den Anpflanzungen Landinfo 3 | 2014 breitete sich Prunus serotina zunehmend aus. Aufgrund des starken Wachstums entsteht schnell eine dichte Strauchschicht, die darunter befindliche Pflanzen beschattet und so zum Beispiel den Artenreichtum von Blütenpflanzen reduziert. In Offenlandbiotopen wie Magerrasen oder Heiden konkurriert sie mit zum Teil gefährdeten Arten. Das schnelle Ausbreiten der Späten Traubenkirsche wird begünstigt durch die Schnellwüchsigkeit und die je nach Standort bereits im 7. Lebensjahr beginnende Samenproduktion, mit rund 8.000 Samen pro Jahr. Zahlreiche Vögel sowie Säugetiere wie Wildschwein oder Fuchs fressen die Früchte - deren Samen im Boden bis zu fünf Jahre keimfähig bleiben und verbreiten sie auf diese Weise. Mit ihren Wurzelausläufern breitet sich die invasive Art langsam über größere Flächen aus. Bei einem Rückschnitt treibt die Späte Traubenkirsche sehr wuchsfreudig wieder am Stock aus. Bleiben nach einer Rodung Wurzelfragmente zurück, können aus diesen wieder vollständige Pflanzen regenerieren. Werden im Garten vorhandene Exemplare gerodet, sollten daher möglichst alle Wurzeln entfernt werden. Meist ist mehrjähriges Nacharbeiten erforderlich. Es empfiehlt sich, das gesamte Pflanzenmaterial in den Restmüll zu geben. Auf keinen Fall sollte die Art in der Umgebung potenziell gefährdeter Biotope angepflanzt werden. Den Zierwert von Prunus serotina machen unter anderem die weißen, duftenden Blüten aus, die sich nach der späten Laubentfaltung Ende Mai oder Anfang Juni in sechs bis 15 Zentimeter langen Trauben bilden. Sie entwickeln sich nach der Befruchtung durch Bienen oder Schwebfliegen zu kleinen, etwa acht bis zehn Millimeter großen Kirschen, die bis Ende August oder September erst zu violett-roten, später schwarzen Früchten heranreifen. Das insbesondere in Samen und Rinde enthaltene Cyanglykosid Prunasin ist für den Menschen giftig. Die länglichen und am Rande leicht gesägten Blätter werden vier bis zwölf Zentimeter lang. Ihre Oberseite ist stark glänzend, die Unterseite weist an der Mittelrippe häufig einen dunkelbraunen Haarfilz auf. Einen ähnlichen Zierwert wie die Späte Traubenkirsche haben zum Beispiel die Traubenkirsche Prunus padus oder der Gemeine Liguster Ligustrum vulgare . Sie können als Alternative für die Pflanzung im Garten dienen. Beide Pflanzen enthalten in ihren Samen jedoch ebenfalls Giftstoffe, was bei der Verwendung zu berücksichtigen ist. AidNewsletter Nr 13 15 Schwerpunktthema Dr. Kirsten Köppler, Dr. Jan Hinrichs-Berger Schadbilder an Walnuss – amerikanische Walnussfruchtfliege und Pilzkrankheiten mindern den Ertrag Durch die Walnussfruchtfliege verursachtes Schadbild Bild: Köppler, LTZ Die Echte Walnuss (Juglans regia) ist natürlicherweise in Vorder- und Mittelasien, der Balkanhalbinsel sowie dem östlichen Mittelmeerraum verbreitet. In Mitteleuropa wird sie wahrscheinlich bereits seit der Jungsteinzeit und spätestens seit der Römerzeit kultiviert. Heute ist die Walnuss vorwiegend vereinzelt in Gärten oder in der Feldflur zu finden. Als Streuobstbaum erreicht sie in Baden-Württemberg einen Anteil von ca. 4 % (MLR). Auf größeren Flächen wird sie nur in sehr geringem Umfang angebaut. Neben den Walnusskernen mit hohem gesundheitlichem Nutzen gilt das Holz als begehrtes Edelholz. Im Gegensatz zu anderen Obstarten ist die Walnuss relativ gering anfällig gegenüber Krankheiten. Die bedeutendsten Krankheiten sind der Bakterienbrand, der durch das Bakterium Xanthomonas arboricola pv. juglandis verursacht wird sowie die durch die Pilze Marssonina juglandis oder Colletotrichum gloeosporioides bedingten Blattflecken bzw. Fruchtschäden an der äußeren nussumgebenden grünen Hülle. Bei dem tierischen Hauptschädling der Walnuss handelt es sich um eine invasive, aus Nordamerika stammende Fruchtfliegenart, die Walnussfruchtfliege Rhagoletis completa, die in den 90er Jahren in Italien Schäden verursachte und seit spätestens 2004 in Süddeutschland vorkommt. Im Folgenden sollen die genannten Krankheiten und Schädlinge der Walnuss näher beschrieben werden. Krankheiten A nhand der Symptome sind die Krankheitserreger nur sehr schwer zu unterscheiden (siehe Abbildungen). Meistens treten schwarze Blatt- und Fruchtflecken auf, die manchmal von einem gelben Hof umgeben sind. Während bei den beiden pilzlichen Schaderregern vor allem blattunterseits, aber auch blattoberseits und auf den Früchten im Bereich der Nekrosen Fruchtkörper (Acervuli) zu erkennen sind, sind derartige Strukturen nach Bakterienbefall nicht auszumachen. Doch zu den Schadbildern und der Biologie der Schaderreger im Einzelnen: Abbildung 1 Xanthomonas-Fruchtbefall Bild: Geigenmüller, LTZ 16 zunächst kleine, rotbraune Flecken, die sich rasch schwarz verfärben (nekrotisieren). Die zunächst kleinen Flecken können zusammenlaufen, sodass großflächige Blattnekrosen entstehen. Wächst das Blatt um die Nekrosen herum weiter, kommt es zu Blattverkrümmungen. Nach ihrem vollständigen Absterben bleiben die Blätter oft noch lange im Baum hängen, bevor sie vor dem eigentlichen Herbstfall herunter fallen. Xanthomonas arboricola pv. juglandis Triebinfektionen beginnen meist an der Triebspitze und erfolgen im Frühjahr, wenn das junge Gewebe noch sehr weich ist. Die sich entwickelnden schwarzen Nekrosen sind leicht eingesunken, können triebumfassend werden und damit zu einer Ringelung des Sprosses führen. Von diesem Bakterium werden praktisch alle grünen Pflanzenteile befallen. Auf den Blättern sieht man Neben Blüten, die nach einer Infektion rasch absterben, können auch Früchte befallen werden. Auf der Landinfo 3 | 2014 Schwerpunktthema Abbildung 2 Xanthomonas-Befall des Nusskerns Bild: Geigenmüller, LTZ Abbildung 3 Marssonina-Blattbefall Bild: Hinrichs-Berger, LTZ grünen Fruchtschale entwickeln sich anfangs kleine, wasserdurchtränkt erscheinende Punkte, die später nekrotisieren und rasch an Größe zunehmen (Abb. 1). Unter feuchten Bedingungen können die Flecken aufreißen und eine schleimige Konsistenz annehmen. Das Bakterium kann bei einem frühen Befall im Verlauf der Fruchtentwicklung die Nussschale durchdringen und den Nusskern zerstören (Abb. 2). Bei einem späten Befall ist der Nusskernertrag meist nicht beeinträchtigt und die Infektion stellt primär ein optisches Problem dar, da sich die holzige Nussschale dunkel verfärbt. Marssonina juglandis Xanthomonas arboricola pv. juglandis überwintert vor allem in infizierten Knospen. Bei einem starken Knospenbefall breiten sich die Bakterien im Frühjahr mit Wachstumsbeginn entlang der sich entwickelnden Sprosse, Blüten und Früchte aus. Eine Ausbreitung von Baum zu Baum über Regenspritzer erfolgt in der Regel nur bei sehr engen Baumabständen. Häufige, lange Regenperioden kurz vor, während und bis 14 Tage nach der Blüte führen zu einem starken Krankheitsausbruch mit schweren Brandsymptomen an den Trieben, Blüten und Früchten. Alle Walnusssorten sind anfällig, wobei es allerdings Unterschiede in der Anfälligkeit gibt. Während der Fruchtentwicklung nimmt die Anfälligkeit der Früchte ab. Daher wären vor allem junge Früchte zu schützen. Das gestaltet sich jedoch bei den meist sehr hohen Bäumen allein schon technisch als schwierig. Außerdem sind für den Haus- und Kleingarten keine wirksamen Pflanzenschutzmittel ausgewiesen. Landinfo 3 | 2014 Bei der Marssonina-Blattfleckenkrankheit handelt es sich um die weltweit bedeutendste pilzliche Erkrankung der Walnuss, die vor allem in nassen Sommern auftritt und 1815 erstmalig beschrieben wurde. Auf den Blättern findet man zunächst kleine, runde bis eckige, dunkle braune bis oliv-graue Flecken, die oft von einem chlorotischen Hof umgeben sind (Abb. 3), sich vergrößern und ineinander laufen. In den abgestorbenen Bereichen findet man vor allem blattunterseits, nicht selten in konzentrischen Ringen kleine dunkle Punkte (Durchmesser etwa 0,2 mm). Das sind die asexuell gebildeten Acervuli-Fruchtkörper des Pilzes. Später kann das geschädigte Gewebe herausfallen, sodass Löcher in der Blattspreite entstehen. Bei starkem Befall setzt vorzeitiger Blattfall ein, und die betroffenen Nussbäume sind schon im Spätsommer kahl. Ein Triebbefall in Form von schwarzbraunen Nekrosen ist eher die Ausnahme. Dagegen tritt in der Regel immer ein Fruchtbefall auf. Somit kommt es über die zerstörte Blattfläche nicht nur zu Ertragsverlusten und einer Schwächung des Baumes, sondern auch die Fruchtqualität ist mitunter stark beeinträchtigt. Bei frühem Fruchtbefall verursacht der Pilz nicht nur auf der grünen Fruchtschale dunkelbraune bis rabenschwarze Flecken (Abb. 4), sondern er dringt auch in das Nussinnere vor und führt zu trockenfaulen, verpilzten Nusskernen. Bei besonders starken und frühen Befall werden die schwarz verfärbten Früchte (Abb. 5) vorzeitig abgeworfen. Abbildung 4 Marssonina-Fruchtbefall (früher Stadium) Bild: Hinrichs-Berger, LTZ Abbildung 5 Marssonina-Fruchtbefall (spätes Stadium) Bild: Hinrichs-Berger, LTZ 17 Schwerpunktthema Abbildung 6 Colletotrichum-Fruchtbefall Bild: Hinrichs-Berger, LTZ Die Marssonina-Krankheit überwintert im Falllaub. Die Entfernung des Laubs nach dem Blattfall und Schnittmaßnahmen der Krone zur besseren Durchlüftung helfen den Befall zu reduzieren. Während der Vegetationsperiode breitet sich der Pilz rasch über Konidien aus, die in sehr großer Anzahl in den Acervuli gebildet und über Wind und Regenspritzer verbreitet werden. Marssonina juglandis überwintert als Hauptfruchtform (Gnomonia leptostyla) in befallenem Falllaub. Dort werden auf sexuellem Weg im Spätherbst und Frühjahr kleine schwarze Fruchtkörper gebildet, die sogenannten Perithecien. Aus ihnen werden im Frühjahr ähnlich wie beim Apfelschorf Ascosporen ausgeschleudert, die bei ausreichender Blattnässedauer die jungen, sich entwickelnden Blätter infizieren. Etwa 14 Tage nach der Infektion entwickeln sich erste kleine Blattnekrosen, in denen dann in Acervuli Konidien für die weitere Verbreitung gebildet werden. Für eine Infektion ist immer eine gewisse Blattnässedauer erforderlich, die bei optimaler Temperatur mindestens sechs Stunden beträgt. Optimale Infektionsbedingungen liegen bei Temperaturen von 15 bis 21 °C vor. Ab 5 °C ist jedoch bereits mit Infektionen zu rechnen, wobei die Symptomentwicklung dann stark verlangsamt ist. Bei mehr als 21 °C sinkt die Infektionsrate deutlich. Um den Infektionszyklus zu unterbrechen, gilt es, nach dem Blattfall das Falllaub zu entfernen. Durch diese wichtigste vorbeugende Maßnahme wird die Infektionsgefahr im Frühjahr drastisch reduziert. Im Haus- und Kleingartenbereich stehen leider gegen 18 Abbildung 7 Walnussfruchtfliegen auf Gelbtafeln Bild: Köppler, LTZ diesen bedeutenden Schaderreger keine wirksamen Pflanzenschutzmittel zur Verfügung. Durch einen größeren Pflanzenabstand (12 m) zwischen den Nussbäumen, kann die Übertragung von Baum zu Baum reduziert werden. Außerdem wird dadurch in Verbindung mit einem Auslichten der Krone die Bestandsdurchlüftung gefördert, was die Blattnässedauer senkt und damit die Infektionswahrscheinlichkeit verringert. Colletotrichum gloeosporioides Dieser Schaderreger ist im Vergleich zu den beiden erstgenannten deutlich weniger ertrags- und qualitätswirksam. Er verursacht auf den Blättern und grünen Früchten (Abb. 6) rundliche bis ovale, graubraune Flecken, die häufig einen roten Rand besitzen. Auch hier können die Blattflecken im Laufe der Zeit zusammenfließen. Auf dem abgestorbenem Gewebe entwickelt der Pilz Acervuli, in denen, ähnlich wie bei der Marssonina-Erkrankung, große Mengen von Konidien gebildet werden, die über Regenspritzer von Blatt zu Blatt und von Baum zu Baum verbreitetet werden. Landinfo 3 | 2014 Schwerpunktthema Abbildung 9 Fraßtätigkeit der Walnussfruchtfliegenlarve Bild: Köppler, LTZ Bezüglich der Überdauerung, Krankheitsentwicklung und Schadwirkung von Colletotrichum gloeosporioides an Walnuss ist bislang nicht viel bekannt. Er tritt nach Beobachtungen vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg oft vergesellschaftet mit Xanthomonas und Marssonina auf. Schädlinge Die Walnussfruchtfliege R. completa (Abb. 7) gehört zur Familie der Frucht- oder Bohrfliegen (Tephritidae) und ist verwandt mit der bei uns heimischen Kirschfruchtfliege, R. cerasi, dem Hauptschädling in Kirschen. Der Flug der Walnussfruchtfliege erstreckt sich in der Rheinebene ca. ab Anfang/Mitte Juli bis Ende September. Je nach Walnusssorte und entsprechender Reifezeit der Früchte erfolgt die Eiablage ab August bis September. Der durch den Schädling befallene Teil der Walnuss ist nicht der essbare Nusskern selbst, sondern die äußere grüne Schale (Abb. 8 - Titelbild), die bei Reife der Frucht in der Regel aufplatzt und abfällt. Dorthinein legt die Walnussfruchtfliege im Gegensatz zur Kirschfruchtfliege, die nur einzelne Eier und auch meist nur ein Ei pro Kirsche ablegt, Eipakete von mehreren Eiern ab. Die daraus schlüpfenden Larven fressen ausschließlich in der grünen Schale (Abb. 9). Die Larven durchlaufen 3 Larvenstadien. Am Ende des dritten Larvenstadiums wandern die Larven aus Landinfo 3 | 2014 den zu Boden gefallenen oder ggf. auch noch am Baum hängenden Früchten in den Boden ab und verpuppen sich dort in den oberen Bodenschichten. Wie die Kirschfruchtfliegen hat auch die Walnussfruchtfliege nur eine Generation pro Jahr. Nach der Verpuppung durchlaufen die Tiere eine obligatorische Ruhephase bis zum nächsten Sommer. Der durch die Walnussfruchtfliege verursachte Schaden liegt in der Zerstörung der äußeren grünen Schale. Sie verfärbt sich durch den Fraß anfangs nur stellenweise und später ganz schwarz, wird weich und löst sich nicht mehr von der Nussschale. Die noch nicht reife Nuss kann je nach Zeitpunkt der Eiablage durch die Zerstörung der Schale in ihrer optimalen Ausreifung beeinträchtigt werden. Offensichtlicher ist jedoch die Verschmutzung der Nuss durch die schmierige schwarze Hülle nach dem Larvenfraß, die sich nicht löst. Dadurch ist die Trocknung des Nusskerns eingeschränkt, es kann zur schnelleren Verpilzung kommen und eine Vermarktung der Früchte ist kaum noch möglich. Nach Untersuchungen von GUILLEN et al. (2011) gibt es Sortenunterschiede in der Anfälligkeit gegenüber dem Schädling. 2013 wurde die ebenfalls ursprünglich nordamerikanische Walnussfruchtfliegenart R. suavis in Brandenburg nachgewiesen (EPPO, 2014), die nahezu identische Schäden wie R. completa verursacht. Zur Bekämpfung der Walnussfruchtfliegen ist derzeit kein Mittel zugelassen. Zur Erfassung und zum Monitoring des Schädlings sind gelbe Leimtafeln geeignet. Generell sollten die Früchte zur Ernte möglichst täglich aufgesammelt und sofort schonend, das heißt nicht zu heiß, getrocknet werden. Damit wird einem Schimmelbefall beispielsweise durch Fusarium und Penicillium vorgebeugt. Schimmelige Nüsse sollten nicht verzehrt werden, da viele Schimmelpilze hochgiftige Verbindungen (Mykotoxine) produzieren können. Walnussfruchtfliegen zerstören die äußere Schale und führen zu nicht ausgereiften Früchten und schmierigen Hüllen. Zur einheimischen Art hat sich seit 2013 die nordamerikanische Walnussfruchtfliege R.suavis gesellt. Dr. Jan Hinrichs-Berger LTZ Augustenberg Tel. 0721/ 9468-428 [email protected] Literatur EPPO (2014/011): First record of Rhagoletis suavis in Germany. NPPO of Germany (2013-10) GUILLEN, L.; ALUJA, M.; RULL, J.; HÖHN, H.; SAMIETZ, J. (2011): Influence of walnut cultivar on infestation by Rhagoletis completa: behavioural and management implications. Ent. Exp. Appl. 140 (3): 207-2017. Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg (MLR) (Hrsg.): Streuobstwiesen in Baden-Württemberg – Daten, Handlungsfelder, Maßnahmen, Förderung. Dr. Kirsten Köppler LTZ Augustenberg Tel. 0721/ 9468-472 [email protected] 19 Schwerpunktthema Bild: Bernd Seliger Johanna Maria Arnold Der Waschbär erobert Deutschland „Auszug zum Waschbär aus dem Jahresbericht 2012 des Wildtier-Informationssystems (WILD) der Länder Deutschlands, ein Projekt des Deutschen Jagdverbandes und seiner Landesjagdverbände (Arnold et al, 2013)“ Der ursprünglich aus Nordamerika stammende Waschbär (Procyon lotor) kommt nach Aussetzungen am Edersee in Hessen und Farmausbrüchen bei Strausberg in Brandenburg sowie im Harz seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland vor. Lebensraum E r bevorzugt gewässerreiche Mischwälder und strukturreiche Auen mit höhlenreichem Altholzanteil. Aufgrund seiner hohen Anpassungsfähigkeit besiedelt er zunehmend auch Agrarlandschaften, strukturarme Forsten und urbane Lebensräume. Der Waschbär hat in Deutschland zwei große Verbreitungsschwerpunkte. Bewusstes Aussetzen und Farmausbrüche in den 1930er- und 1940er-Jahren sowie die anhaltende Ausbreitung seit den 1990erJahren sind die Gründe dafür. Die Schwerpunkte liegen in Hessen im Bereich um die Stadt Kassel und in angrenzenden Landkreisen Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens sowie in Nordbrandenburg und angrenzen den Landkreisen Sachsen-Anhalts und Mecklenburg-Vorpommerns. Mittlerweile 20 kommt der Waschbär in allen Bundesländern vor. 40% der beteiligten Jagdbezirksinhaber bestätigten im Zuge der flächendeckenden Einschätzung (FE) 2011 seine Anwesenheit. Seit den 1990er-Jahren scheint sich der Waschbär unaufhaltsam zu vermehren. Die Streckenzahlen sind seit dem kontinuierlich angestiegen und liegen mittlerweile bundesweit bei über 70.000 Individuen. Die höchsten Strecken werden dabei in den Hauptverbreitungsgebieten erzielt. Im Vergleichszeitraum der Jahre 2003 bis 2011 ist mit Ausnahme der Stadt Kassel in allen LandkreisenDeutschlands die Waschbärenstrecke mindestens konstant geblieben und in vielen Landkreisen sogar deutlich angestiegen. Dies ist Ausdruck der hohen Anpassungsfähigkeit und Vermehrungsrate des Landinfo 3 | 2014 Schwerpunktthema Abbildung 1 und 2 Durchschnittliche jährliche Jagdstrecken und deren Entwicklung in den Landkreisen Biologie dämmerungs- und nachaktiv Nahrungsgeneralist mit breitem Nahrungsspektrum polygame Lebensweise mit ausgeprägtem Taststinn und hervorragendem Klettervermögen Jungenaufzucht ausschließlich durch die Fähe, vorwiegend in Baumhöhlen sowie im Siedlungsbereich in Schuppen oder auf Dachböden Jagd Alle Bundesländer mit Ausnahme von Bremen und dem Saarland haben den Waschbär mittlerweile zur jagdbaren Art erklärt. Waschbären. Im Jahr 2013 wurden im Rahmen der WILD-Erhebungen noch weitere Details zu den Bejagungsarten und den Streckenanteilen bezüglich Fang- und Ansitzjagd bei den Jägern abgefragt, um hier weiterführende Informationen zu erlangen. Krankheitsübertragung durch Waschbären Da sich der Waschbär auch in menschlichen Siedlungsräumen sehr wohlfühlt, erreicht er dort teilweise sehr hohe Populationsdichten. Die »Waschbärenmetropole« Kassel weist eine Dichte von etwa 100 Landinfo 3 | 2014 Tieren/km2 auf. Ein Risiko der Übertragung von vorhandenen Krankheitserregern auf den Menschen oder auf Haustiere ist dadurch jederzeit gegeben. Neben Spulwürmern kann der Kleinbär unter anderem das Staupevirus, die Aujeszkysche Krankheit, das Canine Parvovirus oder auch Räudemilben übertragen. Arnold, J.M., Greiser, G., Keuling, O., Martin, I., Strauß, E. 2013. Status und Entwicklung ausgewählter Wildtierarten in Deutschland. Jahresbericht 2012. Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands (WILD). Deutscher Jagdverband (Hrsg.), Berlin. Johanna Maria Arnold Deutscher Jagdverband e.V. Berlin Tel. 030/ 2091394-17 [email protected] 21 Mitten im Leben Nach der 3-S-Regel – säubern, säuern, salzen – bereiten Sie den Fisch optimal für das Garen vor SÄUBERN Fisch kurz unter kaltem, fließendem Wasser waschen und trockentupfen. Streichen Sie mit dem Finger über das Filet und entfernen evtl. Gräten mit einer Pinzette oder Grätenzange. SÄUERN Fisch mit Zitronensaft beträufeln und ca. 10 Minuten durchziehen lassen. Die lockere Fischfleischstruktur wird dadurch gefestigt, das Fleisch hellt sich etwas auf und etwaiger Fischgeruch wird gebunden. Haben Sie einen festen, frischen Fisch und die saure Note ist nicht nach Ihrem Geschmack, kann das Säuern auch entfallen. SALZEN erst kurz vor der Zubereitung den Fisch salzen. Dadurch kann das Salz dem Fisch keine Feuchtigkeit entziehen. Nicht vergessen: auch Salzwasserfische müssen gesalzen werden. Dünsten ist eine sehr schonende Garmethode. Der Fisch gibt Geschmacks- und Inhaltsstoffe ab, gleichzeitig wird er durch den Fond oder das mitgedünstete Gemüse aromatisiert. Fisch hat eine kurze Garzeit. Dünsten Sie deshalb Gemüse vor Zugabe des Fischs fast gar. Fischfleisch ist durch seinen hohen Wassergehalt und die besondere Eiweißzusammensetzung leicht verderblich. Achten Sie deshalb beim Einkauf darauf, dass die Ware absolut frisch ist und keinen unangenehmen Fischgeruch aufweist. 22 Landinfo 3 | 2014 Mitten im Leben So erkennen Sie frischen Fisch Frische Fische haben klare, glänzende Augen, dunkelrote Kiemen und glatte, festanliegende Schuppen. Frisches Fischfilet sieht glasig aus und hat elastisch-festes Fleisch; zu lange gelagertes Fischfilet ist an den Rändern trocken und weist Spuren von Verfärbung auf. Frischfisch sollte maximal 1 Tag im Kühlschrank aufbewahrt werden. Bewahren Sie den Fisch abgedeckt in der kältesten Zone des Kühlschranks auf. Tipp: Nutzen Sie bei Süßwasserfischen wie z.B. Forelle, Saiblinge oder Karpfen das regionale Angebot. Hier können Sie die Frische genau überprüfen und sich über Haltung und Verarbeitung informieren. Beachten Sie bei gefrorenem Fisch Tiefgefrorenen Fisch rechtzeitig vor der Zubereitung abgedeckt im Kühlschrank auftauen. Portionsstücke lässt man nur soweit auftauen, dass man sie auseinandernehmen kann. Sie werden noch leicht gefroren vor- und weiterverarbeitet. Das Auftauwasser in jedem Fall weggießen. Tipp: Tauen Sie Fisch nicht in der Mikrowelle auf, das macht ihn fast immer zäh und trocken. Reispfanne mit Fisch (für 4 Personen) Zutaten Zubereitung 2 große Zwiebeln schälen, in feine Würfel schneiden 1 rote und 1 grüne Paprika putzen, waschen, in Streifen schneiden 3 EL Rapsöl 200 g Langkornreis (in einer für den Backofen geeigneten Pfanne oder Topf) Zwiebelwürfel in Öl glasig dünsten, Paprikastreifen kurz mitdünsten, Reis dazugeben und leicht rösten lassen 1/2 l kochende Brühe, Salz aufgießen und mit Salz würzen, in den heißen Backofen (225 °C) schieben, Wecker auf 10 min. stellen 500 g Fischfilet (z. B. Seelachs, Kabeljau, Rotbarsch) 1/2 Zitrone Fischfilet waschen, abtrocken, mit Zitronensaft säuern 125 ml Weißwein Salz, Pfeffer, evtl. Cayennepfeffer nach 10 min. Fischfilet in Stücke schneiden, salzen, pfeffern und mit dem Weißwein zu dem Reis geben, weitere 10 min. garen, alles nochmals abschmecken Ein Beitrag des Infodienst Ernährung / www.ernaehrung-bw.de Mehr finden Sie im monatlichen Newsletter. Landinfo 3 | 2014 Autorin: Beate Dorau, LRA Ravenburg Bilder: Friederike Wöhrlin 23 Mitten im Leben Personalnachrichten (April bis Juni 2014) Neueinstellungen Stefanie Böhringer Norbert Böhringer Simone Hofmann Claudia Kohn Anne-Katrin Peters Katharina Schmid Carolin Schneider Landratsamt Reutlingen Landratsamt Lörrach Landratsamt Tuttlingen Landratsamt Esslingen Landratsamt Rastatt Landratsamt Konstanz Landratsamt Ludwigsburg Claus-Felix Teufel Andrea Wiedemann Ulrich Zinser Vera Westphal Manuel Becker Thomas Weil Landratsamt Biberach Landratsamt Sigmaringen Landratsamt Ravensburg LEL Schwäbisch Gmünd LVWO Weinsberg LSZ Boxberg Versetzungen Markus Porm Landratsamt Konstanz Eintritt in den Ruhestand (in den Monaten Nov. 2013 bis März 2014) Peter Ragg Landratsamt Konstanz Dr. Dieter Albrecht Landratsamt Göppingen Landratsamt Reutlingen Landratsamt Karlsruhe Willy Messner LEL Schwäbisch Gmünd Eintritt in den Ruhestand Franz Marschätzky Dieter Maag Rezensionen Honigbienenhaltung Werner Gekeler, Verlag Eugen Ulmer Stuttgart 2013, 2. Auflage, 176 Seiten, 30 schwarz-weiß Fotos, 27 Zeichnungen, 50 Farbfotos, 16 Tabellen, ISBN – 9783-8001-6969-6, Preis: 26,90 Euro Imkermeister Werner Gekeler war Fachberater für Imkerei und betreibt in Baden- Württemberg einen imkerlichen Nebenerwerbsbetrieb. Schwerpunkte seiner Imkerei liegen bei der Königinnenzucht, Wanderung und der Direktvermarktung. Das 2006 erstmals erschiene Fachbuch ist nun in 2. Auflage erhältlich. Der Verlag hat das Format auf 17 x 23,5 cm vergrößert und das Innenlayout modernisiert, was sich auf die Lesbarkeit positiv auswirkt. Die selten beherrschte Kunst der richtigen Ausbildung - Worauf es ankommt - was wirklich zählt Marco Weißer, kartoniert, 4., Aufl. 334 S. m. Abb., Frankfurter Literaturverlag „Public Book Media“, ISBN 978-3-86369-028-1; 22,80 Das erstmals 2011 erschienene, sehr erfolgreiche Praxisbuch für Ausbildungs-, Lehr- und Führungskräfte kann ein wichtiger Rat- und Impulsgeber für Ausbil- 24 dung und Unterricht sein. Der Autor ist überzeugt, dass der wesentliche Baustein für eine erfolgreiche Ausbildung das gute Verhältnis der beteiligten Personen ist. Mit dem Buch bietet er eine kompakte Zusammenfassung verschiedener Ansätze aus Pädagogik, Psychologie, Kommunikation etc., immer anschaulich gemacht an praktischen Ausbildungssituationen. Sein Plädoyer: „Ausbildung kann ein Erlebnis sein. Sie soll den Weg in eine lebenswerte Zukunft ermöglichen und Spaß machen. Viele bilden aus, aber nur wenige machen es richtig. Ausbildung erfordert Individualität und Kreativität.“ Im Buch finden sich Antworten auf Fragen wie z. B. Wie gestalte ich den ersten Tag der Ausbildung? Wie kann ich ein lernförderliches Umfeld schaffen? Wie kann ich der Leuchtturm für den Nachwuchs sein? Wie gestalte ich motivierende Ziele? Wie finde ich einen Draht zu den Auszubildenden?Im Vergleich zu den vorigen Auflagen wurde das Kapitel 5.11 – Bewertung komplett überarbeitet und ein Kapitel mit nützlichen Links und Adressen ergänzt. Eine Leseprobe findet sich auf der Homepage: http:// www.effico.de/hauptnavigation/aktuelles/ Landinfo 3 | 2014 Mitten im Leben Verband Hessischer Fischer e.V. (VHF) Der Stör - Fisch des Jahres 2014: Ein Portrait Die Störe sind eine erdgeschichtlich sehr alte Gruppe von Knochenfischen. Sie besiedelten bereits vor 250 Millionen Jahren Meere und Flüsse. Auffallend sind die vier an der Maulspitze sitzenden Barteln, die fünf Reihen von Knochenplatten, die anstelle von Schuppen den Körper bedecken und die asymetrische Schwanzflosse. Das Skelett wurde im Verlauf der Evolution zu Knorpeln rückentwickelt. N och vor einem Jahrhundert war der Stör in Deutschland häufig und stellte eine feste Größe auf heimischen Tellern dar, und zwar nicht nur der begehrte Kaviar, seine Eier. Allerdings teilt er das Schicksal aller weit wandernden Fische und ist aus unseren Flüssen verschwunden. Die Wasserkraftanlagen verhindern die für die Fortpflanzung erforderliche Wanderung. In Nordeuropa waren zwei Störarten heimisch, der europäische Stör (Acipenser sturio) in der Nordsee und der Atlantikküste sowie der atlantische Stör (Acipenser oxyrinchus) in der Ostsee. Störe waren auch wirtschaftlich von Bedeutung. So baute man in Hamburg 1871 eine eigene große Halle zur Vermarktung dieser Fischart. 1920 verkauften die Fischer in Altona noch 700 Exemplare. Der letzte Stör im Rhein wurde 1923 bei Rees, der letzte atlantische Stör aus der Ostsee im Jahr 1938 gefangen. Seit den 60er Jahren gilt diese Art in Deutschland als ausgestorben. Aufsehen erregte ein Einzelfang in der Nordsee im Jahr 1993. Die zoologische Sensation wurde versehentlich in der Kantine des Bonner Innenministeriums verwertet. Lebensweise Der europäische Stör ist mit bis zu 6 m Länge und bis zu 400 kg Gewicht der größte Fisch, der in unseren Gewässern heimisch war. Der atlantische Stör wird bis zu 4 m lang. Vor etwa tausend Jahren waren die Tiere in allen Meeren rund um Europa, mit Ausnahme der subpolaren und polaren Gewässer sehr zahlreich. Trotz der Größe sind Störe friedliche Gesellen. Sie ernähren sich von Krebsen, Muscheln, Schnecken und anderen Kleintieren sowie von kleinen Fischen am Gewässergrund. Um Nahrung zu finden, orientieren sie sich überwiegend durch den ausgeprägten Geruchs- bzw. Geschmackssinn, der in den vier Barteln an der Maulspitze besonders sensibel ist und durch das stark ausgeprägte Seitenlinienorgan, das Erschütterungen und Bewegungen auf größere Distanz orten und analysieren kann. Landinfo 3 | 2014 Fortpflanzung Die urtümlichen Fische werden über 100 Jahre alt. Erst im Alter von 12 bis 14 Jahren werden Männchen geschlechtsreif, die Weibchen erst mit 16 bis 18 Jahren. Weibchen laichen nur alle drei bis vier Jahre. Zum Laichen wandern Störe zwischen April und Juli aus ihrem eigentlichen Lebensraum, den küstennahen Meeren, an ihre Geburtsstätten, den Kiesbetten in den Oberläufen der Flüsse. Die Wanderung führt, je nach Wasserstand, bis zu 1000 km flussaufwärts, wobei sie schon aufgrund ihrer Größe nicht so weit flussaufwärts gelangen wie Forellen, Neunaugen oder Lachse. Nach dem Ablaichen wandern die Elterntiere sofort wieder zurück ins Meer. Die Jungtiere wandern langsamer flußabwärts und erreichen im Alter von etwa einem Jahr die brackigen Flussmündungen, wo sie einige Jahre bleiben. Bild: © cc by Joachim S. Müller Gefährdungen Die nahezu vollständige Vernichtung der Störbestände in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert war vor allem auf die zunehmende Verbauung und Verschmutzung der Flüsse zurückzuführen. Heute fallen noch immer die wenigen verbliebenen Individuen als Beifang der industriellen Hochseefischerei zum Opfer. Der Abbau von Kies in der Gironde droht die letzten Laichgebiete Europas zu vernichten. Die Größe der Tiere ist auch ein Hindernis bei der Wiedereinbürgerung. Die Stauanlagen der Wasserkraftwerke sind schon für kleinere und sprungstärkere Wanderfische unüberwindbar. Junger markierter Stör beim Auswildern: Bild: © Philipp Freudenberg Die Elbe der einzige der großen deutschen Flüsse, in dem ein Versuch der Wiederansiedlung überhaupt eine Chance auf Erfolg haben könnte. Werden nicht bald funktionierende Auf- und Abstiegshilfen entwickelt und installiert, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis die friedlichen Riesen endgültig aus Europa verschwunden sind. Hausen, (Huso huso) Bild: © Daniel Döhne 25 Betrieb und Markt Geothermie-Gewächshaus von außen Bild: LVG Heidelberg Adrian Albers, Heike Sauer, Ute Ruttensperger Erfahrungen mit der Nutzung der oberflächennahen Geothermie - Teil 1 An der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau (LVG) Heidelberg ist das neue 740 Quadratmeter große Gewächshaus nun seit einem Jahr in der Nutzung. Nach einigen Kinderkrankheiten stehen jetzt die ersten Versuchserfahrungen zu Verfügung, diese wurden bei der IPM (Internationale Pflanzen Messe) in Essen vorgestellt. V Das neue Gewächshaus hat einen erheblich geringen Wärmedurchgangskoeffizienten, eine bessere Lichtdurchlässigkeit und eine bivalente Wärmeversorgung. 26 on außen betrachtet sieht das neue Gewächshaus der LVG Heidelberg wie ein gewöhnliches modernes Gewächshaus der Venlobauart aus (siehe Titelbild - Abb.1). Es besitzt eine Grundfläche von 740 m², die Stehwandhöhe misst 4,75 Meter. Die Stehwand und das Dach sind mit Acrylglas-Stegdoppelplatten von „Alltop“ eingedeckt. Der Vorteil der „Alltop“ Stegdoppelplatten liegt in einem geringeren Wärmedurchgangskoeffizienten von 2,5 Watt pro m²K und senkt im Vergleich zum Einfachglas damit den Wärmebedarf des Gewächshauses. Dieser Wert wird durch einen lichtdurchlässigen Tagschirm, einen Energieschirm für die Nacht, sowie eine Verdunklungsanlage, die den beheizten Kulturraum verkleinert, weiter gesenkt. Hinzu kommt eine gute Lichtdurchlässigkeit von 91 % mit zusätzlicher UV Durchlässigkeit. Dies kommt der Pflanzen durch einen kompakteren Wuchs und bessere Farbausprägung zu gute. Zum Vergleich: Einfachglas hat einen Wärmedurchgangskoeffizienten von 6 W pro m²K und hat eine UV filternde Eigenschaft. Das Gewächshaus ist zur Umsetzung von unterschiedlichen Versuchsvarianten in zwei Abteile geteilt. Zurzeit wird dies dazu genutzt verschiedene Klimastrategien gegeneinander zu vergleichen. Die Besonderheit des Gewächshauses liegt in seiner bivalenten Wärmeversorgung. An der LVG wird die oberflächennahe Geothermie in Verbindung mit der Wärmepumpentechnik genutzt. Die Wärmepumpe deckt den Grundlastwärmebedarf des Gewächshauses. Den Spitzenlastwärmebedarf des Gewächshauses deckt eine Gasheizung. Ziel des Vorhabens ist es, das energetische Einsparpotenzial zu beurteilen. Damit geht die Einsparung von fossilen Energieträgern und die Reduktion des CO2 Ausstoßes einher. Des Weiteren gilt es die erhöhten Investitionskosten im Vergleich zur Produktionskostensenkung, die durch Nutzung der Anergie entsteht, zu betrachten. Anergie ist in diesem Fall die nicht arbeitsfähige Energie des Erdbodens, unsere Erdwärme. Landinfo 3 | 2014 Betrieb und Markt Nutzung der Wärmepumpentechnik zur Wärmebereitstellung In Kältemaschinen hat die Wärmepumpentechnik unser Leben schon erobert. Nur wenige wollen auf den Komfort verzichten, die diese Technik bringt. Sei es um im Auto oder am Arbeitsplatz einen kühlen Kopf zu bewahren oder Lebensmittel zuverlässig zu lagern. In umgekehrter Weise lässt sich die Technik aber auch zur Förderung von Wärme nutzen. Die Wärmepumpe funktioniert nach einem Kreisprozess, in dem ein Kältemittel mit Hilfe von elektrischer Hilfsenergie zum Zirkulieren gebracht wird. Dabei erfährt das Kältemittel vier Arbeitspunkte: Verdampfung, Kompression, Verflüssigung und Entspannung. Am Anfang steht das Verdampfen des Kältemittels. Dabei nimmt das Kühlmittel Wärmeenergie aus seiner Umgebung auf. Im zweiten Schritt wird das Kühlmittel komprimiert. Durch den höheren Druck erwärmt sich das Gas, behält aber den Aggregatzustand. Im nächsten Schritt gibt das Kühlmittel die Wärme an das Heizungswasser, welches das Gewächshaus versorgt wird, ab. Im vierten Schritt wird das Kältemittel wieder entspannt, so dass es wieder den Anfangsdruck besitzt und flüssig ist. Der Kreisprozess kann erneut durchgeführt werden. Auf der IPM in Essen hatten die Messebesucher die Möglichkeit, mittels eines Funktionsmodells das Prinzip der Wärmepumpe nachzuvollziehen (Abb. 2). Dazu konnte am Modell beobachtet werden, wie sich die Temperatur auf der primären Seite verringerte und auf der sekundären Seite zunahm. Ebenso wurde mit Interesse verfolgt wie die elektrische Leistungsaufnahme mit zunehmender Temperaturdifferenz zwischen Primärseite und auf der Sekundärseite ebenfalls anstieg. Eine Tatsache, die beim großen Bruder wiederzufinden ist. Energetische Bewertung der Wärmepumpe während der Weihnachtssternkultur Die Weihnachtssternkultur war die erste Versuchskultur im Geothermiehaus mit anschließender Auswertung. Die Messung der bereitgestellten Wärmemenge der Wärmepumpe betrug 19.132 kWh. Der Bedarf an konventioneller Wärme durch die Gasheizung belief sich auf 328 kWh. Damit wurden 97,6 % der benötigen Wärme durch die Wärmepumpe bereitgestellt. Die Leistungszahl der Wärmepumpe berechnet sich Landinfo 3 | 2014 aus der Nutzleistung durch die eingesetzte Hilfsenergie. Die Hilfsenergie in Form von elektrischem Strom betrug 6.256 kWh, die in Haus gelieferte Wärmemenge betrug 19.132 kWh. Daraus ergibt sich Leistungszahl von 3,1. Abbildung 2 Fachgespräch mit interessierten Messebesuchern, siehe auch Funktionsmodell Wärmepumpe Bild: LVG Heidelberg Mittels der Messungen wurde auch das Einsparpotenzial einer Temperaturregelstrategie, der „dynamischen Außentemperaturkorrektur“ (dAt) überprüft. Die dAt kommt mit dem Ziel zum Einsatz, Pflanzen bei gleicher Qualität mit weniger Energiekosten zu produzieren. Die dAt korrigiert den Heizungssollwert nach der Abweichung der realen Außentemperatur von ihrem Erwartungswert, dem langjährigen Mittel. Ist eine bestimmte Jahres- und Tageszeit zu kalt, wird der Sollwert abgesenkt. Ist eine bestimmte Jahres- und Tageszeit zu warm, wird der Sollwert angehoben. Im Versuch war eine Energieersparnis durch die dAt gegeben. Der Wärmebedarf der dAt-Variante war mit 1.500 kWh, 20% unter dem der Standardvariante. Die dynamische Außentemperaturkorrektur bewirkte eine Senkung der Tagesmitteltemperatur von 2 °K. Daraus resultierte eine Kulturzeitverlängerung von bis zu einer Woche und sie ist Sorten bedingt abhängig. Beim Habitus konnten Unterschiede festgestellt werden, die Pflanzenqualität war in beiden Varianten gut. Der Wärmebedarf des Gewächshauses lag 20 % unter der Standardvariante. Die Kulturzeit verlängerte sich um 1 Woche. Für eine effiziente Wärmepumpe wird nach Bußmann1) eine Leistungszahl t 4 gefordert. Die Leis- ______________________ 1) BUSSMANN, W. et al: Geothermie - Energie aus dem Inneren der Erde. 2012, Fraunhofer Irb Verlag, Stuttgart 27 Betrieb und Markt Abbildung 3 Variantenvergleich von AlZPr vs. dAt der Sorte ‚Peppy Blue‘ (Petunien), Aufnahme vom 7.4.2014 Bild: LVG Heidelberg tungszahl hängt eng mit der Temperaturdifferenz zusammen, die die Wärmepumpe anheben muss. Die Temperaturdifferenz lag während des Messzeitraums bei 50 °K und hierfür liegt die erzielte Leistungszahl mit 3,1 im normalen Bereich. Jetziges Ziel ist es, die Temperaturdifferenz zu senken, um die Leistungszahl zu erhöhen. Gelingen soll dies durch eine frühere Umschaltung von Wärmepumpe auf die Gasheizung oder durch eine bessere Nutzung der Wärmerückgewinnung, die im Frühjahr und Herbst eine höhere Vorlauftemperatur im Primärkreis bewirkt. Zur ökologischen Bewertung der Wärmepumpe ist der Primärenergiefaktor mit einzubeziehen. Damit wird dem Energieaufwand für die Rohstoffförderung und dem Wirkungsgradverlust der Stromindustrie Rechnung getragen. Nach EnEV 2009 Anlage 1 Abschnitt 2.1.1 beträgt dieser für das deutsche Stromnetz zurzeit 2,6. Zur Erzeugung der 6.256 kWh benötigten elektrischen Leistung wurde 16.265 kWh an primärer Energie eingesetzt. Wird die in Haus gelieferte Wärme von 19.132 kWh durch diesen Wert dividiert ergibt sich ein Faktor von 1,2. Somit ist die Bilanz zur Reduzierung des Primärenergieeinsatzes im Vergleich zur alleinigen Nutzung der Gasheizung positiv. Petunien Adrian Albers LVG Heidelberg Tel. 06221/ 7484-858 [email protected] 28 Stellvertretend für die Beet- und Balkonsaison wurden Petunien der Sorte ‘Peppy Blue‘ (Dümmen) verwendet um die Auswirkung der Klimastrategie dAt und des Klimas zu zeigen. Der Wärmebedarf lag in der dAt-Variante mit 712 kWh weniger um 30% niedriger als in der Standardvariante. Die Leistungszahl und der Primärenergiefaktor waren im Vergleich zur Poinsettienkultur unverändert. Die Auswertung zeigte einen Unterschied zu Gunsten der dAt. Die Tagesmitteltemperaturen waren in beiden Varianten gleich. Die Südseite hatte ein besseres Lichtangebot als das nördlich gelegene Versuchsabteil. Dies führte dazu, dass die Pflanzenhöhe und der Pflanzendurchmesser in der dAt und der Vergleichsvariante gleich waren. Unterschiede gab es jedoch bezüglich der Blütenanzahl und -größe, diese waren in der dAt-Variante größer und bewirkten letztlich eine bessere Bewertung der Pflanzenqualität innerhalb der dAt-Variante (Abb. 3). Die dAt trägt dran einen kleinen Anteil, das Lichtangebot und ein sich damit schneller aufheizendes Gewächshaus, ist als Hauptgrund für dieses Ergebnis zu sehen. Fazit 97,6% des benötigen Wärmebedarfs konnten durch die oberflächennahe Geothermie und Wärmepumpe in den durchgeführten Versuchen gedeckt werden. Die Regelstrategie dAt (dynamischen Außentemperaturkontrolle) zeigte für die Weihnachtssterne eine Energieeinsparung bei ähnlicher Pflanzenqualität. Bei der Petunienkultur addierten sich die Ersparnisse und bessere Pflanzenqualität mit einen besseren Lichtangebot und dies beweist wieder einmal, dass der Faktor Licht im Gartenbau ein wichtiger ist. Landinfo 3 | 2014 Pflanzen- und Tierproduktion Dr. Franz Maus 125 Jahre organisierte Hinterwälderzucht Jubiläumsschau und Festakt am 3. und 4. Mai 2014 in Utzenfeld 125 Jahre sind eine lange Zeit, sie umspannen fünf Menschengenerationen. Dass der Eifelturm auch so alt ist, spricht für sich. Der Eifelturm und die Hinterwälder haben unbestritten Alleinstellungsmerkmale, beim Eifelturm die Bauart und bei den Hinterwäldern die Kleinheit. „Bonsai“ und „Araber“ der Rinderrassen werden sie zu Recht genannt. D ie Gründung des Zuchtvereins 1889 in Schönau erfolgte im Vergleich zu anderen Zuchten recht früh. 45 Mitglieder mit 57 Tieren bildeten die Startbasis. Triebfeder war, dass es durch die Zuchtregistrierung verbesserte Absatzchancen gäbe. Beispiele waren bereits neun gegründete Fleckviehzuchtvereine im Oberbadischen unter anderem mit dem Meßkircher Verein, der bereits 1882 als erster aus der Taufe gehoben wurde. Die Viehzählung ein Jahr nach Gründung im Schönauer Gebiet brachte 8.922 Hinterwälder, elf Simmentaler und sechs Tiere anderer Rassen - fürwahr eine Alleinstellung. Das Verbreitungsgebiet umfasste das große und das kleine Wiesental, das Münstertal und das Gebiet südlich des Feldbergs wie zum Beispiel Bernau. Das heutige Gebiet ist etwas kleiner, weil in Randzonen Vorderwälder und andere Rassen Einzug gehalten haben. Die Herkunft ist ungewiss, immer wieder wird von einer Abstammung vom Keltenrind gesprochen. Auf jeden Fall entstand das kleine zähe und leichtfuttrige Hinterwälderrind in Anpassung an die Steilhänge und die karge Futtergrundlage durch die vorherrschende Hartgräservegetation. Dadurch ist es klein und leicht geworden. Die Maße und Gewichte der letzten acht Frühjahrsschauen seit 1989 liegen bei knapp 122 cm im Widerrist und bei 470 kg Gewicht, das Gewicht wird in der Weidesaison niedriger. Bei Herdbuchaufnahmen vor dem ersten Weltkrieg sollten Kühe nicht größer als 117 cm im Widerristsein und 280 bis 400 kg wiegen. Hinterwälder unterscheiden sich von anderen Rassen in der Langlebigkeit und den Abgangsursachen. Sie werden mit 7,5 Jahren durchschnittlich 2 Jahre älter. Zu Nutzzwecken können 16 % statt 3 % verkauft werden, wegen hohen Alters 27 % statt 7 %, wegen Unfruchtbarkeit 14 % statt 25 %. Der größte Unterschied ist die Abgangsursache Fundament: Nur 1 % verlassen deswegen die Betriebe, über alle Rassen sind es über 9 %. Schlechter als bei den anderen Landinfo 3 | 2014 Rassen ist der Zellgehalt, möglicherweise ein Nachteil des deutlich höheren Alters der Hinterwälderkühe. Durch ihre Kleinrahmigkeit scheinen die Hinterwälder eine bessere Verdauungsleistung zu haben als großrahmige Rassen. Ein Fütterungsversuch mit Mutterkühen und der beschriebene Mastversuch an der LAZBW Aulendorf deuten darauf hin. Außerdem stellte man bei Tuberkulose- Seuchenzügen fest, dass die Hinterwälder weniger anfällig waren. Kann man Freude am Jungzüchterwettbewerb besser ablesen als im Gesicht von Luca Kiefer aus Aitern? Herr Preiser hat die Befragung von Luca übernommen. Das Bild verdeutlicht auch den sehr guten Besuch der Schau. Weitere Bilder finden Sie auf der Homepage der Rinderunion. Bild: Dr. F. Maus Zuchtziele Wie bei allen Landschlägen wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts auch bei den Hinterwäldern mit Braunvieh aus der Schweiz und Vorarlberg eingekreuzt mit dem Hauptziel der Größe- und Gewichtssteigerung. Die Ergebnisse waren so unbefriedigend, dass ein- 29 Pflanzen- und Tierproduktion brachte Körzwang und Pflichtmilchkontrolle in Zucht- und ab 1937 in allen Milchbetrieben. 1937 waren 125 Bullen, 1.275 Kühe und 432 Kalbinnen registriert. 1938 erzielten 904 HB-Kühe 1.953 Milch kg mit 4,04 Fett %. Nach 1945 gab es Beschlagnahmungen von Vieh, so dass wieder bei Null begonnen werden musste. Zwischen 1947 und 1958 ging es langsam bergauf mit 815 beziehungsweise 1.087 eingetragenen männlichen und weiblichen Herdbuchtieren. Von 1959 bis 1961 war der zahlenmäßige Höhepunkt der Zuchttiere, 1.339 eingetragene Hinterwälderkühe waren registriert. Danach war ein steter Rückgang zu verzeichnen: Waren es 1965 noch 622 Kühe und 60 Bullen, so waren es beim 100 jährigen Jubiläum 1989 nur noch 567 Kühe und 48 Bullen. Ist er nicht beeindruckend in Rumpf und Fleisch? Der Bulle Fritzle auf der DLGAusstellung 1955 vor der Bavaria in München. Bild: Zuchtverband deutig klar wurde, dass nur in der Reinzucht die Vorteile der Rasse voll ausgeschöpft werden können. Von Anfang an beteiligte man sich an DLG Ausstellungen. Leider ließen gute Verkaufserfolge ins Saarland zu Bergarbeiterbetrieben und ins Murgtal die züchterische Arbeit rasch wieder einschlafen. 1899 kam es zu einer Wiederbelebung mit 136 Betrieben und 252 Tieren. Im Jahre 1914 waren es 1.000 Mitglieder und 2.000 eingetragene Tiere, nach dem 1. Weltkrieg ging es bei null los. Erst 1922 war wieder ein Markt in Schönau. Leistungen der Hinterwälder Die Anzahl der Hinterwälderkühe in Milchviehbetrieben sinkt stetig. Die Mutterkuhzahlen haben sich hingegen seit 1994 vervierfacht. Mitte/Ende der 1920 er Jahre wurde in Bernau als erstem Teilgebiet die Leistungsprüfung eingeführt, bei der 130 Kühe im Schnitt 1.650 kg Milch als Jahresleistung erzielten. Das Gebiet Schönau folgte, auf einer damaligen Schau gaben die kontrollierten Kühe zwischen 3.100 und 3.838 kg Milch. Diese erstaunlichen Leistungen bewogen die Universität Hohenheim 1931 elf Kalbinnen zu erwerben. Eine dieser Kalbinnen kam auf eine 1. Laktationsleistung von 3.480 kg Milch und 4,1 % Fett. Bis nach dem 2. Weltkrieg hatte die Universität Hohenheim eine Hinterwäldermilch-viehherde. Der damalige Leiter des Tierzuchtinstitutes Professor Jonas Schmidt formulierte es so: „Auch ein kleiner Rahmen macht sehr gute Leistungen möglich“. Ab 1933 führte das Autarkiebestreben zu umfangreichen Fördermaßnahmen. Das Reichstierzuchtgesetz 30 Deutlich ist der Rückgang der Betriebe: Waren es im Jahre 2000 noch 60 so ist die Zahl im Jahre 2013 auf fast die Hälfte, auf 33 zurückgegangen. Die Kuhzahlen sind moderater gesunken, von 659 auf 491. Ein Drittel dieser Betriebe sind Biobetriebe, der höchste Anteil im Rassenvergleich. Ganz anders ist die Entwicklung bei den Mutterkuhbetrieben. 1994 waren es in 53 Betrieben 450 Kühe, 2005 in 78 Betrieben 831 Kühe und 2013 204 Betriebe mit 1.865 Kühen. Ab Mitte der 1960 er und Anfang der 1970 er Jahre wurde, ausgehend von der Populationsgenetik, durch den damaligen Zuchtleiter Dr. Alfred Bröckl angedacht die Vorder- und die Hinterwälderrasse zu verschmelzen, um mehr Zuchtfortschritt zu erzielen. Dies wurde von allen Züchtern der Hinterwälderrasse abgelehnt. Stattdessen konnte das Land BadenWürttemberg motiviert werden 1972 erstmalig bei einer Rinderrasse eine staatliche Förderung einzuführen. Als zweite Maßnahme zur Weiterentwicklung wurden kleinrahmige Vorderwälderbullen zur notwendigen Linienerweiterung eingesetzt. Die Hinterwälderzählung durch das Tierzuchtamt Titisee- Neustadt 1985/1986 kam auf 4.316 Tiere beiderlei Geschlechts und aller Altersgruppen und auf 2.328 Kühe, von denen 41,7 % acht Jahre und älter waren. Eignung als Mutterkühe Mitte der 1970 er Jahre erfolgte die Überprüfung der Mutterkuhtauglichkeit. Ergebnis war, dass auch Anpaarungen mit Fleckvieh kaum Geburtsprobleme machen und durch die Milchergiebigkeit gute Absetzer heranwachsen. Ein großes Plus der Hinterwälder ist der leichte Geburtsverlauf und die niedrigere Totgeburtenrate. Hier liegen unsere aktuellen vier Besamungsbullen mit Nachzuchten bei unter 1 % Schwer- Landinfo 3 | 2014 Pflanzen- und Tierproduktion und 1,7 %Totgeburten. Andere Rassen liegen zweibis dreimal höher. In den 1980 er und 1990 er Jahren kommt es zu einer starken Nachfrage nach Hinterwäldertieren. Zum einen in die Schweiz, die einen eigenen Zuchtverein gründete und zum anderen als nach der 1. BSE- Krise Tiere englischer Extensivrassen durch Hinterwälder ersetzt wurden. Publik wird die Rasse auch durch die Ernennung zum „Rind des Jahres“ 1992 durch die Gesellschaft zur Erhaltung von Haustierrassen (GEH). 1990 wurde die Förderung vom Zuchttier auf die Bestandskuh umgestellt. Etwa 2.500 Kühe werden mit 100 DM im MEKA-Programm gefördert. 1994 und 1995 sind wichtige Jahre von der Organisation her. Zunächst beschließt der Landeskontrollverband die Abstammungssicherung in den Mutterkuhbetrieben weiterhin zu übernehmen und der Rinderzuchtverband verankert die Mutterkuhhaltung im Zuchtziel. Im Jahre 2000 entbindet das Land BadenWürttemberg die Gemeinden von der Verpflichtung zur Vatertierhaltung. Die Gemeinden Wieden und Münstertal sind heute noch freiwillig dabei. Seit 2006 dürfen nur noch Zuchtkühe gefördert werden. Dies führte zu einem starken Anstieg von 132 auf 247 Milch- und Mutterkuhbetriebe. Die Milchleistung der Hinterwälder liegt in den letzten fünfzehn Jahren bei etwa 3.400 kg Milchmenge, 4,05 % Fett und 3,40 % Eiweiß. Jedes Jahr überschreiten ca. fünf Betriebe die 4.000 kg. Dass die Milchleistung im Haltungsgebiet stark von der Umwelt abhängig ist, zeigen nachfolgende zwei Beispiele: Das Haus Düsse hatte 1991einige Hinterwälder, die folgende Leistungen erzielten: Viola 4/3,0 6.384 kg Milch 4,19 F % und 3,55 E %; Sigrid 4/3,0 4.679 3,98 F % und 3,50 E % und eine Sigridtochter, die in der 1. Laktation 4.288 kg Milch 3,88 F % und 3,89 E %. Rudi Odermatt, aus Fischingen in der Schweiz, ersetzte Ende der 1990 er Jahre seine Braunviehspitzenzucht mit Hinterwäldern, als Rinder angekauft. Die Jahresleistung seiner Herde liegt ohne Grassilagefütterung um die 5.000 kg Milch mit einem Eiweißgehalt, der höher liegt als bei den Braunviehkühen. Die Kördaten der Hinterwälder erfasst auf den Frühjahrs- und Herbstmärkten liegen bei knapp 900 g täglichen Zunahmen. Die Bullen sind 14 bis 15 Monate alt, messen 117 cm im Widerrist und wiegen 420 kg. Beim Mast und Fleischqualitätsversuch 1999 an der LAZBW Aulendorf war man überrascht von der frühen Schlachtreife und der Zuwachsleistung der elf Hinterwälderbullen: Über 1.100 g tägliche Zunahmen im Schlachtalter von 13 Monaten, die letzten 4 Monate musste Silomais wegen Verfettungsgefahr aus der Ration genommen werden. Die Ausschlachtung lag bei knapp 56 % und die Klassifizierung bei Landinfo 3 | 2014 3*U und 8*R bei gewünschter Fettstufe 2 und 3. In einem Schlachtprogramm mit Landliebe/Okle Singen und Adler Bonndorf wurde 1,00 Euro über Notierung bezahlt. Die 2008 und 2009 vermarkteten 169 Bullen, 13 Ochsen und 27 Rinder erreichten zu ¾ die gewünschte Fleischigkeitsklasse R. In exemplarischen Absetzerwiegungen erzielten 62 männliche Tiere im Alter von 7,2 Monaten 237 kg Gewicht, was 988 g täglichen Zunahmen entspricht und das Söhnegewicht entsprach über 55 % des Muttergewichtes. Schlachtauswertungen der drei Absetzerjahrgänge 2011 bis 2013 bestätigen diese guten Zahlen. Die Schlachtkörper der 30 männlichen Tiere wogen im Schlachtalter von 285 Tagen 160 kg, was guten Nettozunahmen von 596 g pro Tag entspricht. Die Fleischqualität der Hinterwälderrasse ist seit langem bekannt. Schon 1544 würdigte sie Sebastian Münster in seinem Buch Cosmographica Universalis. An der BAFF in Kulmbach wurde das Fleisch der elf Hinterwälderbullen aus der LAZBW Aulendorf untersucht, als Vergleich dienten Fleckviehbullen. Entscheidender Unterschied war, dass die Muskelfaserfläche der Hinterwälder 20 % kleiner war als bei den Vergleichstieren. Dies hatte zur Folge, dass die benötigte Scharkraft zur Fleischdurchtrennung 26 % geringer war und die Zartheit beim Verzehr 14 % besser eingestuft wurde. Auch im Aroma wurde es 9 % besser bewertet. Kann man sich eine andere Milchviehrasse auf dieser Weide vorstellen? So wird die Landschaft freigehalten mit Hinterwäldern von Hubert Schätzle aus Todtnau- Präg. Bild: Dr. F. Maus Die Fleischqualität der Hinterwälder ist hervorragend. So gab es im Jahr 2008 und 2012 beim nationlen Rindfleischwettbewerb in Neuseeland erste Plätze. In Neuseeland hat Hinterwälderfleisch Furore gemacht: Im nationalen Rindfleischwettbewerb gewann es im Jahre 2008 den ersten Platz in der Kate- 31 Pflanzen- und Tierproduktion So gut sahen die Absetzer von Michaele und Martin Behringer in Utzenfeld bei der Wiegung im Jahre 2000 aus. Bild: Dr. F. Maus In Zukunft soll die genetische Linienvielfalt erhalten bleiben und der Muskelfleischanteil verbessert werden. gorie Kreuzungen und im Jahre 2012 sogar über alle vier Kategorien als Reinzuchtsiegerfleisch. Das Motiv für die Teilnahme von Werner Gut war, mit Hinterwäldern den Jersey und Holsteinbetrieben einen Bullen anzubieten, der das Mästen wieder lohnend macht. Eine Rasse braucht genügend Linien. Das ist bei den Hinterwäldern absolut der Fall. Es gibt elf Linien, aus denen 22 Besamungsbullen abstammen. Die A- B-, N-, und S- Linie gehen auf die Vorderwälderhereinnahme Anfang der 1970 er Jahre zurück, die K-, H-, L-, M-, F-, R-, und W- Linie sind Verzeigungen der ursprünglichen F- Linie. Wenn eine Zuchtlinie knapp wird, wird sie über die gezielte Anpaarung wieder aktiviert. Aus diesen Nachkömmlingen wird der beste nach dem Deckeinsatz abgesamt. Erwähnt werden können die Besamungsbullen Arida, Benforal, Bennasch, Hummel, Labflort, Fockeral, Fokler, Napbär, Napflort und Siltben, die über diesen Weg in die Besamung gelangten. Seit 2003 stehen auch genetisch hornlose Bullen aus der N-Linie und der F-Linie zur Verfügung, sowie die Besamungsbullen Arinax P und Siltnax P. Dr. Franz Maus LRA SchwarzwaldBaar-Kreis Tel. 07721/ 913-5352 [email protected] 32 Aussichten Die Hinterwälderrasse befindet sich einerseits in einer guten Phase, die Rasse wird als Spezialität allgemein anerkannt. Was erwartet uns in der Zukunft? Der deutliche Rückgang der Milchviehhaltung wird sich vermutlich – verlangsamt – fortsetzen und die Mutterkuhhaltung zunehmen. In der Mutterkuhhaltung werden schwerere Tiere bevorzugt und/oder Fleischrinderbullen als Kreuzungspartner eingesetzt, damit die Endgewichte höher liegen. Sowohl im Milchbereich aber vor allem im Fleischbereich sollte mit rassespezifischer Vermarktung ein Mehrerlös erzielt werden. Dies würde die Reinzucht entscheidend fördern. Die Rasse hat auch außerhalb des Gebietes Ihre Liebhaber gefunden, in der Regel für die Mutterkuhhaltung. In fast allen deutschen Bundesländern werden sie als Abteilung bei den Fleischrinderzuchtverbänden geführt. Neben der Schweiz gibt es auch einige Einsteiger in Österreich. In der Mutterkuhhaltung kommt der Umgänglichkeit der Tiere mehr Bedeutung zu als in der üblichen Anbindehaltung. In diesem Bereich findet Hornlosgenetik ihre Abnehmer. Es wird weiter an der Verbesserung des Muskelfleischanteils gearbeitet. Wichtig ist ein planmäßiges Vorgehen zur Erhaltung der Linienvielfalt. Der Trend in die Nutzungsrichtung Mutterkuhhaltung stellt die Züchter vor neue Herausforderungen. Wir denken, dass wir in der Lage sind, behutsam damit umzugehen, damit die Hinterwälder weiterhin als „Araber“ beziehungsweise „Bonsai“ der Rinderrassen anerkannt werden. Sie sorgen mit Ihren Besonderheiten für das einmalige Landschaftsbild rund um Feldberg, Belchen und Herzogenhorn. Landinfo 3 | 2014 Gartenbau und Sonderkulturen Rene Fuchs VineMan.org – Europäisches Projekt zur Verbesserung des Pflanzenschutzes im ökologischen Weinbau Der ökologische Weinanbau steht aufgrund von immer häufiger auftretenden Wetterphänomenen und der geplanten Reduzierung der Kupferaufwandmenge vor neuen Herausforderungen. Aus diesem Grund wurde im Frühjahr 2012 das europäische Forschungsprojekts VineMan.org (www.vineman-org. eu) ins Leben gerufen. D ie Partner des Projekts entwickeln innovative Konzepte und versuchen durch die Kombination bereits etablierter Verfahren den Pflanzenschutz im ökologischen Weinanbau in Europa zu verbessern und den geänderten Bedingungen anzupassen. Neben dem Staatlichen Weinbauinstitut in Freiburg (WBI) sind an dem Projekt acht weitere Kooperationspartner aus den EU-Ländern Italien, Österreich, Slowenien und Spanien beteiligt. Die Finanzierung erfolgt durch die jeweiligen nationalen Geldgeber der Partner des FP7 ERA-NET Projektes CORE Organic II. Im Falle des WBIs wird das Vorhaben durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) unterstützt. Inhaltlich ist das Forschungsprojekt in acht sogenannte Arbeitspakete (AP) unterteilt, an dem einer oder gleich mehrere Kooperationspartner arbeiten. AP1 ist für das Projektmanagement und die Verwertung der Ergebnisse verantwortlich, sowie für den Schutz des geistigen Eigentums. Die Partner des Arbeitspaktes 2, bei dem das WBI federführend ist, untersuchen, wie die pflanzeneigene Abwehr gestärkt und dadurch die Resistenz der Weinrebe gegenüber Krankheitserregern wie dem Echten und Falschen Mehltau erhöht werden kann. Hierzu versuchen die Forscher den Teil der pflanzlichen Immunität auszunutzen der durch sogenannte PAMPs (pathogen associated molecular pattern) induziert wird. PAMPs sind molekulare Stoffe, wie beispielsweise Mehrfachzucker oder kurze Proteinbestandteile aus der Zellwand des Pathogens die von diesem unabsichtlich freigesetzt werden. Diese Stoffe werden von der Pflanzenzelle über spezifische Rezeptoren detektiert und anschließend die Immunität der Pflanze aktiviert. Hierbei werden neben antimikrobiell wirkenden sekundären Pflanzenmetaboliten auch Enzyme gebildet, die gezielt die Zellwand des Erregers auflösen und somit eine weitere Ausbreitung verhindern. Praxisbedingungen. Hier wird die Auswirkung unterschiedlicher kulturtechnischer Maßnahmen, wie beispielsweise der Entlaubung oder dem Ausblasen der Traubenzone auf die Stabilität der Beeren und die Entwicklung des Erregers der Grauschimmelfäule untersucht. In Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Mikroskopie in Basel untersucht das WBI mit Hilfe eines Raster-Elektronenmikroskops hierzu den Einfluss der jeweiligen Behandlungsmethode auf die Wachsschicht, der natürlichen Schutzschicht der Beere (siehe Abbildung). Neben den kulturtechnischen Maßnahmen werden zur Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten in erster Linie Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Derartige Mittel stellen eine gewisse Belastung für die Umwelt dar und sollten daher ganz besonders im ökologischen Weinbau gezielt eingesetzt werden. Für einen gezielten Einsatz von Die Projektpartner wollen durch Kombination von Verfahren den Pflanzenschutz im ökologischen Weinbau verbessern. Raster-Elektronenmikroskopische Aufnahme der Wachsschicht einer Weinbeere (5000-fache Vergrößerung) Das AP3 beschäftigt sich ebenfalls mit der Prüfung neuer biologischer Pflanzenschutzverfahren unter Landinfo 3 | 2014 33 Gartenbau und Sonderkulturen Rene Fuchs WBI Freiburg Tel. 0761/ 40165-943 [email protected] Pflanzenschutzmitteln sind Prognosemodelle ein unerlässliches Hilfsmittel. Diese auf Rechenmodellen basierenden Systeme liefern unter Berücksichtigung von Wetterdaten sowie der Entwicklung von Pflanze und Pathogen den optimalen Zeitpunkt der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln, was wiederum zu deren Reduzierung beitragen kann. Die Entwicklung neuer Prognosemodelle erfolgt in AP4. Neben der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln kann der Einsatz von sogenannten Biokontrollpräparaten zur Behandlung von Pflanzenkrankheiten eingesetzt werden. Biokontrollpräparate bestehen entweder aus antagonistisch wirkenden Mikroorganismen oder aus Hyperparasiten, welche das Pflanzenpathogen direkt parasitieren. In AP5 soll untersucht werden, in wie weit sich diese Präparate verbessern lassen. Eng verknüpft mit Arbeitspaket 5 ist AP8, die Analyse der mikrobiellen Diversität auf Blättern der Weinrebe. Forscher aus Slowenien identifizieren hierzu die auf den Weinblättern lebenden Mikroorganismen und versuchen, solche Arten zu isolieren, die zukünftig als Biokontrollpräparate Verwendung finden könnten. Die Ergebnisse der zuvor genannten Arbeitspakete werden von den Wissenschaftlern in Piacenza (Italien) in AP6 zusammengetragen und dienen der Entwicklung neuer Pflanzenschutzstrategien. Diese Strategien werden anschließend von mehreren Kooperationspartnern und Winzern vor Ort in unterschiedlichen europäischen Ländern evaluiert (AP7). Durch diese Zusammenarbeit soll nicht nur für den angestrebten Projektzeitraum, sondern darüber hinaus eine Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Forschungseinrichtungen in Europa geschaffen werden. Renate Abele Internetanwendung Deckungsbeiträge und Kalkulationsdaten von Einkommenskombinationen Sie planen einen neuen Betriebszweig zur Ergänzung Ihres Einkommens und möchten den zu erwartenden Gewinnbeitrag kalkulieren? Dann kann Ihnen die Datenbank Einkommenskombinationen und die dazugehörende Internetanwendung eine wertvolle Hilfe sein. A Renate Abele LEL Schwäbisch Gmünd Tel. 07171/ 917-223 [email protected] 34 b sofort können Interessentinnen und Interessenten das von der Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume (LEL) entwickelte Verfahren „Heuhotel“ und die von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) entwickelten Verfahren „Gästezimmer und Ferienwohnungen“ im Infodienst Landwirtschaft kostenfrei nutzen. Mit Hilfe der Online-Kalkulation im Infodienst Landwirtschaft können Nutzerinnen und Nutzer ihre eigenen Daten eingeben, unterschiedliche Varianten berechnen und vergleichen. Die Verfahren dienen u.a. der Selbstinformation zum eigenen Diversifizierungsangebot, dem Controlling des Betriebszweiges bzw. Zusatzeinkommens. Die Anwendung ist abrufbar unter www.landwirtschaft-bw. info in den Rubriken: Unternehmensführung - Kalkulations-/Wirtschaftlichkeitsdaten oder Frauen und Bild: LEL, Fabricius Zusatzeinkommen. Weitere Verfahren, die das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz unterstützt, sind in Vorbereitung und werden sukzessive in der Datenbank bereitgestellt. Im Dezember 2012 schlossen das Land Baden-Württemberg und der Freistaat Bayern einen Kooperationsvertrag mit dem Ziel, eine gemeinsame EDV-gestützte Datenbank zur Kalkulation von Einkommenskombinationen zu entwickeln und den landwirtschaftlichen Betrieben, Weiterbildungsträgern sowie Beratungsorganisationen kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Die LEL und die LfL wurden beauftragt, Fachkonzepte und Verfahren für verschiedene Betriebszweige zu entwickeln, Daten zu generieren und zu pflegen. Die LfL übernimmt die Programmierung der Fachkonzepte. Landinfo 3 | 2014 Hauswirtschaft und Ernährung Beate Ramminger-Guderlei Slow Food Messe: Ernährungszentrum mit Fußspuren im Frühstück Das Ernährungszentrum Mittlerer Neckar beantwortete mit seinem Stand „Fußspuren im Frühstücknachhaltig und fair“ auf der Slow Food Messe in Stuttgart im April 2014 aktuelle Fragen: Was ist nachhaltige Ernährung und was kann jeder von uns dazu beitragen? Ziel war es, die oft etwas „abstrakte“ nachhaltige Ernährung anschaulich, verständlich und selbsterklärend darzustellen, damit die Besucher eigene Verhaltensmuster überdenken. S low Food bezeichnet sich als eine weltweite Vereinigung von bewussten Genießern und mündigen Verbrauchern. Bei der Slow Food Messe wird über die Herkunft und Herstellungsweise von Lebensmitteln informiert. Das Publikum dieser Messe ist sehr interessiert, hat eine hohe Wertschätzung für Lebensmittel und ist bereit Qualität zu honorieren. An 4 Tagen wurden 85.000 Messebesucher gezählt. Bei der Konzeption des Standes stellten wir uns die Frage, wie wecken wir das Interesse der Messebesucher bei der Vielzahl an Ausstellern? Ein Wissensquiz mit der Aufforderung Testen Sie Ihr Wissen lockte viele Besucher an, sodass sie mit uns über Ernährung und Nachhaltigkeit gern ins Gespräch kamen. Ein Plakat mit Fragen zum jeweiligen Thema und der Möglichkeit der Selbstkontrolle ist inzwischen Standard bei unseren Außenaktionen. Nachhaltiges Ernährungsverhalten beinhaltet verschiedene Aspekte: Lebensmittel passend zur Jahreszeit wählen, regionale Produkte kaufen, Bio-Lebensmittel bevorzugen, weniger Fleisch essen, Fair TradeProdukte kaufen, Lebensmittelabfälle vermeiden, unnötige Verpackungen meiden, möglichst zu Fuß oder mit dem Fahrrad einkaufen. Sämtliche Aspekte können an einem Messestand nicht dargestellt werden. Wir haben unseren Schwerpunkt auf den Einkaufsweg sowie die Art und Menge der Lebensmittelverpackungen gelegt. Außerdem informierten wir über den CO2-Fußabdruck verschiedener Lebensmittelgruppen und über Kennzeichnung von Herkunft und Produktionsart von Lebensmitteln. Auf Plakaten zeigten wir die Bedeutung und die Zusammensetzung des CO2-Fußabdrucks von Lebensmitteln. Die Länge des Transports und die Wahl des Transportmittels spielen dabei eine wichtige Rolle. Flugananas, die mit dem Flugzeug importiert werden, haben im Vergleich zu Schiffsware einen sehr hohen Ausstoß an Treibhausgasen. Landinfo 3 | 2014 Fußspuren im Frühstück - nachhaltig und fair Saisonale Lebensmittel wählen Fußspuren im Frühstück nachhaltig und fair Bild: EZ MN Unnötige Verpackung vermeiden BioLebensmittel bevorzugen Regionale Produkte kaufen Zu Fuß oder mit dem Rad einkaufen Lebensmittel -abfälle minimieren Weniger Fleisch und Wurst essen Auf Fair Trade achten >ĂŶĚƌĂƚƐĂŵƚ>ƵĚǁŝŐƐďƵƌŐ͕ƌŶćŚƌƵŶŐƐnjĞŶƚƌƵŵDŝƚƚůĞƌĞƌEĞĐŬĂƌΞ Stand des Ernährungszentrums Mittlerer Neckar Bild: T. Schlachtin 35 Hauswirtschaft und Ernährung >ĂŶĚƌĂƚƐĂŵƚ>ƵĚǁŝŐƐďƵƌŐ͕ƌŶćŚƌƵŶŐƐnjĞŶƚƌƵŵDŝƚƚůĞƌĞƌEĞĐŬĂƌΞ Der Vergleich des CO2-Fußabdrucks verschiedener Lebensmittelgruppen erstaunte viele Messebesucher. Zwar war ihnen bekannt, dass Fleisch einen hohen CO2-Fußabdruck aufweist. Doch über den hohen Wert bei Butter wunderten sie sich. Als Fazit nahmen die Gäste mit, dass die CO2-Bilanz der tierischen Produkte um ein Vielfaches höher ist als bei pflanzlichen Lebensmitteln. Plakat: Bestandteile des CO2 Fußabdruckes Bild: EZ MN Auf einem Ausstellungstisch beleuchteten wir den Einkaufsweg. Er kann die Klimabilanz stark belasten und einen größeren Einfluss haben als die Art des Anbaus und die Verarbeitung eines Lebensmittels. Falls der Einkauf nicht zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigt werden kann, sollte mit dem Auto gleich der gesamte Wocheneinkauf erledigt werden. Die Besucher stellten fest, dass eine gute Einkaufsplanung umweltfreundlicher ist und dazu noch viel Zeit spart. Ein nachhaltiges Frühstück zeigte, worauf der Verbraucher bei der Auswahl der Lebensmittel achten kann: saisonale und regionale Produkte, wenn möglich Bio-Lebensmittel, bei Produkten aus Übersee wie Kaffee oder Bananen die fair gehandelte Ware bevorzugen und auf umweltfreundliche Verpackung achten. Siegel als Einkaufshilfe Um auf die Nachhaltigkeit der Lebensmittel zu achten sind Verbraucher meist auf die Angaben auf der Verpackung angewiesen. Verschiedene Siegel geben Auskunft über Herkunft, Anbauart oder Art der Handelsbeziehungen. Wir befragten die Messebesucher, auf welche Siegel sie beim Einkauf achten. Am meisten Wert legten sie auf das Fairtrade-Zeichen sowie auf das Bio-Siegel der Europäischen Union, ein hellgrünes Rechteck mit einem Blatt aus weißen Sternen. Das rot-gelbe EU-Herkunftszeichen „geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.)“ z. B. beim Allgäuer Emmentaler oder Allgäuer Bergkäse sowie das schwarz-gelbe „gesicherte Qualität mit Herkunftsangabe Baden-Württemberg“ war dagegen vielen Besuchern unbekannt. Klimafreundliche Verpackungen? Viel Freude und Interesse zeigten die Besucher bei der Bewertung der Klimafreundlichkeit verschiedener Lebensmittelverpackungen. Viele wussten, dass Papier und Glas den Plastikverpackungen vorzuziehen ist. Sie hatten aber oft noch nicht bewusst darüber nachgedacht, dass bei Kleinverpackungen auf die Lebensmittelmenge bezogen mehr Müll anfällt. So verursacht Marmelade portionsweise abgepackt viel mehr Verpackungsmüll als ein Marmeladenglas. Das Einkaufsverhalten entscheidet über die Klimabilanz Bild: B. Ramminger-Guderlei 36 Bei der letzten Station wurden die Messebesucher befragt, wie sie ihr Vesper einpacken. Zur Auswahl standen Plastik- und Papiertüte, Frischhalte- und Alufolie sowie eine Brotdose. Insbesondere die Herstellung von Aluminium ist extrem umweltschädlich. Denn dafür muss das Erz Bauxit abgetragen und mit Natronlauge erhitzt werden. Dabei werden gigantische Mengen Strom und Wasser verbraucht. In Bra- Landinfo 3 | 2014 Hauswirtschaft und Ernährung Aktion: Zuordnung der Lebensmittelverpackungen nach Klimafreundlichkeit Bild: B. Ramminger-Guderlei silien werden dafür Stauseen in den Regenwald gebaut, um die Aluminiumwerke mit Energie zu versorgen. Zurück bleiben Abraumhalden und giftiger Rotschlamm. Diese enorme Umweltbelastung hat viele Besucher dazu angeregt künftig auf andere Alternativen auszuweichen und wieder Brotdosen zu verwenden. Wie würden Sie ein Vesper einpacken? Bild: B. Ramminger-Guderlei Am Freitag war Schultag An einem Tag öffnet die Slow Food Messe ihre Pforten unentgeltlich für alle Schülerinnen und Schüler. Das Ernährungszentrum bot eine Mitmachaktion für Schulklassen an. Kinder und Jugendliche durften Haferflocken quetschen und bekamen als Anregung ein Rezept für ein Müsli mit. Das Interesse der Schüler war groß. Viele waren verwundert, dass Haferflocken so einfach selbst herzustellen sind. Wir konnten zeigen, dass die Handlungsfelder des Verbrauchers für nachhaltige Ernährung vielfältig sind. Nicht immer können alle Aspekte gleichzeitig berücksichtigt werden. Bei der Vorbereitung unseres Messestandes haben wir unser eigenes Einkaufsverhalten kritisch reflektiert. Dabei sind wir schnell an unsere Grenzen gestoßen. In Laden A gibt es Milch in Glasflaschen, aber keine Äpfel aus der Region. Es gibt zwar Bio-Eier, diese sind aber aus den Niederlanden. So müssten wir für 10 Lebensmittel in 5 verschiedene Läden gehen, um das jeweils nachhaltigste Lebensmittel zu erhalten. Wer hat im Alltag so viel Zeit und Kraft? Dennoch ist es wichtig sein eigenes Einkaufsverhalten zu überdenken. Jeder sollte sich Landinfo 3 | 2014 selbst die Frage stellen, wo kann ich nachhaltiger handeln und dabei die genannten Aspekte abwägen. An den Messetagen konnten wir den Besuchern zeigen, dass jeder mit einem geringem Aufwand einen Beitrag zur nachhaltigen Ernährung leisten kann. Auch kleine Schritte in die richtige Richtung führen zum Ziel - wenn sie von vielen getan werden. Denn ein bisschen Nachhaltigkeit kann jeder! Beate Ramminger-Guderlei EZ Mittlerer Neckar LRA Ludwigsburg Tel. 07141/ 144-4925 beate.ramminger-guderlei@ landkreis-ludwigsburg.de 37 Hauswirtschaft und Ernährung Minister Bonde bei der zentralen Veranstaltung zum „Tag der Schulfrucht“ in der Kita Villa Rosenrot e.V. Laura Stricker Tag der Schulfrucht 2014 Am 19. Mai 2014 fand in Baden-Württemberg zum zweiten Mal der landesweite Aktionstag rund um Obst und Gemüse statt. Rund 90 Einrichtungen feierten den `Tag der Schulfrucht´ mit vielfältigen Aktionen - es wurde geschnippelt, probiert, experimentiert, gepflanzt, gesungen und gespielt. Bei der zentralen Veranstaltung in der Kita Villa Rosenrot e.V. in Stuttgart, zeichnete Minister Bonde die Einrichtung mit dem BeKi-Zertifikat aus. Fruchtige Aktionen an rund 90 Einrichtungen N ach einem erfolgreichen `Tag der Schulfrucht´ im letzten Jahr ging der Aktionstag am 19. Mai 2014 in die zweite Runde. Alle Einrichtungen, die in Baden-Württemberg am EU-Schulfruchtprogramm teilnehmen, waren eingeladen mitzumachen. Anregungen und Ideen bekamen sie auf der Homepage www.schulfrucht-bw.de. 90 Kitas und Schulen beteiligten sich mit vielfältigen Aktionen – beispielsweise mit der Besichtigung eines Obsthofes, mit Spielen, Experimenten, Liedern oder einem Sinnesparcours zum Thema Früchte. Vor allem waren die Kinder eifrig dabei fruchtig frische Leckereien zuzubereiten und gemeinsam zu genie- 38 ßen. Dabei entstanden Buffets mit Gurkenschlangen, Gemüseigeln, fröhlichen Brotgesichtern und kunterbuntem Obstmikado. Die ersten 20 Anmeldungen wurden mit der Unterstützung von einer BeKi-Fachfrau am `Tag der Schulfrucht´ belohnt. In einem Wettbewerb werden die kreativsten Ideen zur Umsetzung des Schulfruchttages prämiert, dabei gibt es Preise passend zum Schulfruchtprogramm zu gewinnen. Zentrale Veranstaltung mit Minister Bonde Stellvertretend für alle am `Tag der Schulfrucht´ beteiligten Einrichtungen besuchte Verbraucherminister Alexander Bonde die Kita Villa Rosenrot e.V. in Stuttgart. Landinfo 3 | 2014 Hauswirtschaft und Ernährung Bild links Minister Bonde zeichnet die Kita-Villa-Rosenrot e.V. mit dem BeKi-Zertifikat aus Bild rechts Gemeinsam das Ziel erreicht: BeKi-Koordinatorin Beate Ramminger-Guderlei, Kita-Leiterin Karina Grammel und BeKi-Fachfrau Ursula Weinberger (v.l.n.r.) freuen sich über das BeKi-Zertifikat „Um sich wohl und fit zu fühlen, ist eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse wichtig. Das EU-Schulfruchtprogramm ermöglicht es immer mehr Kindern in Baden-Württemberg, mehr Obst und Gemüse zu essen“, sagte Minister Bonde. Mittlerweile profitieren mehr als 250.000 Kinder an rund 2.000 Einrichtungen in Baden-Württemberg von diesem wertvollen Beitrag zu einer ausgewogenen Ernährung. Gemüseigel - sehr beliebt bei Kindern Bilder: L. Stricker, LEL Erste Kita in der Stadt Stuttgart mit dem BeKi-Zertifikat ausgezeichnet Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten in der Kita Villa Rosenrot e. V. stand die Übergabe des BeKi-Zertifikats. Die Landesinitiative Bewusste Kinderernährung (kurz BeKi) zertifiziert in den Bereichen Ernährungsbildung und Verpflegung vorbildliche Kindertageseinrichtungen. Die Teilnahme am EU-Schulfruchtprogramm kann ein Baustein des BeKi-Zertifikats sein. „Das BeKi-Zertifikat ist ein Qualitätsmerkmal, das dokumentiert, dass das Kita-Team vor Ort zusammen mit BeKi-Fachleuten ein individuelles Konzept für die Einrichtung erarbeitet hat. Die BeKi-Einrichtungen stehen für das Engagement und Herzblut, das die Verantwortlichen investieren, um Ernährungsbildung spielerisch in den Alltag der Kinder zu integrieren“, so Minister Bonde bei der Übergabe des Landinfo 3 | 2014 Zertifikats anlässlich des Schulfruchttages. Als erste Einrichtung in Stuttgart wurde die Kita Villa Rosenrot e.V. mit dem BeKi-Zertifikat ausgezeichnet. Während dem Zertifizierungsprozess unterstützt die Landesinitiative BeKi mit Fortbildungen, einer auf die Einrichtung abgestimmten Elternveranstaltung und mit Infomaterialien. Eine BeKi-Fachfrau steht als Fachkraft zur Seite und ist Ansprechpartnerin bei allen Fragen. Laura Stricker LEL Schwäbisch Gmünd Tel. 07171/ 917-234 [email protected] 39 Hauswirtschaft und Ernährung Ann-Katrin Hillenbrand Interkulturelle Kompetenz - auch in der Ernährungsbildung gefragt Die Begegnung von Menschen aus verschiedenen Kulturen ist heute alltäglich. Damit ist eine Sensibilität für interkulturelle Sichtweisen auch in der Ernährungsbildung bedeutend. Im diesjährigen Fortbildungsangebot für Ernährungsfachkräfte in der Ernährungsbildung wurde mit der Fortbildung „Interkulturelle Kompetenz stärken“ ein erster Schritt getan, die Bedeutung interkultureller Kompetenzen zu erkennen und Anknüpfungspunkte für den eigenen Arbeitsbereich zu identifizieren. E rstmals konnte diese Fortbildung in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Integration Baden-Württemberg realisiert werden. Theoretisch und durch kleine Experimente lernten die Multiplikatoren für Ernährungsbildung, auf welche Eigenheiten man treffen kann und wie diese begründet sind. Die Referentin Frau Dr. Sabine Handschuck begeisterte die Teilnehmer durch Alltagsbeispiele und persönliche Erfahrungen für das Thema. Kultur gibt Orientierung Spielregeln für das soziale Zusammensein sind in der Alltagskultur geregelt. Die Kenntnis der Zielgruppe ist der Schlüsselfaktor für den Erfolg einer Fortbildung. Wie man in unterschiedlichen Kulturen mit naturgegebenen menschlichen Bedürfnissen umgeht, ist in Konzepten – der Alltagskultur – geregelt. Übertragen handelt es sich um Spielregeln für das soziale Zusammensein. Beispiel hierfür sind kulturell festgelegte Nahrungstabus. Während es in asiatischen Ländern nicht ungewöhnlich ist, Hund und Katze zu essen, verabscheuen wir diese Auswahl. Wir finden es nicht richtig, diese Tiere zu essen. Damit zeigt sich auch die Bewertung und emotionale Aufgeladenheit der Kulturen, die wiederum zu Problemen in der interkulturellen Arbeit führen. Kulturelle Konzepte geben Orientierung – sie zeigen die Erwartungen der jeweiligen Gesellschaft auf. Das heißt aber nicht, dass sich tatsächlich alle Personen einer Gesellschaft danach verhalten. Hinzu kommt, dass beispielsweise technische Entwicklung sowie ökonomische, politische und Machtfaktoren Kultur beeinflussen. Nicht von sich auf Andere schließen Gerne werden individuelle Verhaltensmuster (Eigenheiten, Vorlieben, Abneigungen etc.) und kulturelle Besonderheiten verwechselt oder vermischt. Man schließt von sich selbst auf Andere oder von einer 40 Person auf einen gesamten Kulturkreis. Dabei sind in vielen Fällen nicht die kulturellen Besonderheiten ausschlaggebend sondern vielmehr das Milieu, dem man angehört. Milieustudien zeigen auf, welche Milieus es gibt und mit welchen Besonderheiten und Werteeinstellungen sie verbunden sind. Sie zeigen, dass das adaptiv bürgerliche Milieu der Migranten der bürgerlichen Mitte in Deutschland in vielen Charakteristiken entspricht. Personen aus diesem Milieu sind interessiert, gut informiert und sprachlich integriert. „Migrant“ oder „Nicht-Migrant“ ist demnach kein Auswahlkriterium zur Festlegung einer Zielgruppe. Vielmehr geht es darum, Angebote für Personen in sozial benachteiligten Lagen zu etablieren. Hiervon können auch Migrantenmilieus betroffen sein, die auf Grund sprachlicher Schwierigkeiten eventuell eine besondere Ansprache oder Materialien benötigen und kulturelle Besonderheiten mitbringen. Was wissen wir überhaupt über eine Gruppe, bevor wir Angebote für sie konzipieren? Das A und O ist die Kenntnis über die Zielgruppe. Experten findet man durch Schlüsselpersonen und Kooperationspartner. Was haben Namen mit interkultureller Kommunikation zu tun? Ob bei Unterschriften, E-Mails oder Textnachrichten – täglich nennen oder schreiben wir unseren Namen. Soziologie, Geschichte und Politik beeinflussen die Namensgebung. Der Name ist Ausdruck von Identität und Herkunft. Es gibt unterschiedliche Schreibweisen, wiederkehrende Generationennamen und nicht zuletzt kann man sich „einen Namen machen“. Namen sind aber auch Mittel zu Diskriminierung. Spitznamen, falsche Schreibweise oder Aussprache Landinfo 3 | 2014 Hauswirtschaft und Ernährung können verletzen. Je nach Kultur gibt es unterschiedliche Regeln für die persönliche Anrede. Während bei uns die „Sie-Form“ in Kombination mit der Nennung des Geschlechts und des Nachnamens („Frau Müller“) üblich ist, werden in anderen Kulturen auch andere Anredeformen, wie die Du-Form oder Kombinationen aus Geschlecht und Vorname („Frau Marion“) favorisiert. Die Wahl der Anrede reguliert Nähe und Distanz, Respekt und Missachtung. Versucht man den ungewöhnlichen Namen einer Person mit Migrationshintergrund zu lernen? Hierdurch zeigt sich kulturelle Sensibilität oder Ignoranz gegenüber kultureller Besonderheiten. Wie wichtig die direkte Ansprache mit dem eigenen Namen ist, zeigen Studien aus dem schulischen Bildungsbereich: Die Aufmerksamkeit der Kinder steigt, wenn sie mit ihrem korrekten Namen angesprochen werden. nizieren wir sehr direkt und sachbezogen. Das führt dazu, dass Deutsche häufig mit dem Vorurteil konfrontiert werden, unhöflich zu sein. In der gegensätzlichen Orientierung – die kollektivistische Orientierung – spielen soziale Netzwerke und Gruppenzugehörigkeit eine wichtige Rolle. Die familiären und freundschaftlichen Netzwerke bieten Hilfe zur Alltagsbewältigung. Beratungsangebote werden nur in Anspruch genommen, wenn sie allgemein akzeptiert sind. Um bei dieser Orientierung Konfliktsituationen zu vermeiden, erfolgt Kommunikation indirekter und personenbezogen. Die Benennung von Kritik oder Fehlverhalten wird empfindlich aufgenommen. Nur wer die Namen kennt, kann seine Kunden direkt ansprechen! Zusätzlich messen wir Integration häufig an Sprachkenntnissen und der Ausdrucksfähigkeit. Größtes Hindernis bei Veranstaltungen und Aktionen sind jedoch genau diese Sprachbarrieren. In vielen Fällen ist der Einsatz von Dolmetschern die einfachste und zugleich erfolgversprechendste Maßnahme. Ressourcen und Gemeinsamkeiten im Blick Missverständnisse ohne Worte Unser Blick ist darauf trainiert, Fehler zu erkennen. Defizite fallen uns auf und werden benannt. Dagegen werden positive Erlebnisse oder Eigenschaften meist nicht explizit erwähnt. Durch Aufmerksamkeit, sensibles Wahrnehmen und positive Bewertung kann Kommunikation in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Die richtige Mischung von positiven und negativen Auffälligkeiten macht die Selbstanerkennung einer Person möglich. Durch regelmäßige Feedbackrunden können Teilnehmer zu Wort kommen. In Kitas und Schulen wird Interkulturalität häufig am Beispiel „Essen“ thematisiert, zum Beispiel in Form eines interkulturellen Frühstücks. In vielen Fällen werden hier Stereotypen gezeichnet, die der Realität nicht entsprechen – auch Kinder mit türkischem Migrationshintergrund können die Nuss-NougatCreme anstelle der herzhaften Olive bevorzugen. Machen Sie nicht die Unterschiede zum Thema, sondern die Gemeinsamkeiten bewusst. Andere Menschen, andere Sitten und Kommunikation Wie wir uns verhalten und wie wir miteinander kommunizieren hängt von der Kultur ab, in der wir leben und wie wir sozialisiert sind. Typisch für Deutschland ist eine optionale Erziehung. Schon früh werden Kindern Wahlmöglichkeiten zugestanden. Wir messen der Äußerung eigener Bedürfnisse einen großen Stellenwert bei. Das sind klare Merkmale einer individualistischen Orientierung. Dazu passend kommu- Landinfo 3 | 2014 Die Art und Weise, wie man etwas sagt, und die Körpersprache beeinflussen Kommunikation maßgeblich. Zur Körpersprache gehören Mimik, Gestik, Körperkontakt, Körperhaltung, Blickkontakt genauso wie ein angemessener Abstand zum Gesprächspartner. In manchen Kulturen sind Körperkontakt und große Gesten Normalität. Dieses Verhalten wirkt auf Personen aus anderen Kulturkreisen befremdlich und überheblich. Ähnlich verhält es sich mit dem Abstand. In jeder Kultur gibt es einen angenehmen Abstand zum Gesprächspartner. In Deutschland beträgt dieser Abstand beispielsweise die Länge des Unterarms mit geöffneter Hand. Treffen zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander, kann es zu unangenehmen „Ausweichmanövern“ kommen. Bei interkultureller Kompetenz geht es darum, diese kulturellen Eigenheiten zu erkennen, zu berücksichtigen und Lösungen zu finden, die für beide Seiten akzeptabel sind. Nähe ist zum Beispiel besser zu ertragen, wenn sie über Eck stattfindet. Für Gesprächssituationen eignet sich hier ein quadratischer Tisch, an dem die Gesprächspartner über Eck sitzen. Unsere Wahrnehmung ist darauf trainiert Fehler zu erkennen, anstatt positive Eigenschaften wahrzunehmen. Sprache ist der Schlüssel zum Verständnis. Auch die Körpersprache gehört dazu. Quelle © i{wzi{w{w}{«_{{{ Kompetenz stärken“, am 27. Februar 2014, Referentin: Dr. Sabine Handschuck © i{wzi{w{w}{«_{{{ Öffnung“, am 05. März 2014, Referentin: Gülcan Yoksulabakan Ann-Katrin Hillenbrand LEL Schwäbisch Gmünd Tel. 07171/ 917-235 ann-katrin.hillenbrand@ lel.bwl.de 41 Beratung und Bildung Gisela Enderle Pädagogischer Tag 2014 zum Thema „Schnittstelle Berufsschule - Fachschule“ Qualifizierter Nachwuchs für die Berufe der Landwirtschaft ist gemeinsames Ziel der Berufs- und Fachschulen für Landwirtschaft. Die Enquetekommission „Fit für’s Leben in der Wissensgesellschaft Berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ unterstützt dies mit dem gemeinsamen Pädagogischen Tag für berufliche Schulen. Auf Einladung des MLR trafen sich rund 100 Lehrkräfte der verschiedenen Fachrichtungen (Landwirtschaft, Hauswirtschaft, Gartenbau und Weinbau) am 27.05.2014 in Heiligkreuztal. In den Blick genommen wurde die Schnittstelle zwischen Berufsschule und Fachschule für Landwirtschaft und aktuelle Entwicklungen im Agrarbereich. S chulen – Schüler/innen – (Lern)Stoff“ - diese Bereiche der beiden Schularten Berufsschule und Fachschule und die jeweiligen Schnittmengen wurde von verschiedenen Referentinnen und Referenten beleuchtet und diskutiert. 1. Schnittstelle Berufsschule – Fachschule Volles Haus beim Pädagogischen Tag 2014 Wiebke Jessen: „Für Jugendliche ist Online-Sein keine Aktivität, sondern ein Zustand!“ Bilder: G. Enderle, LEL Günter Denninger, Lehrer der Berta-von-SuttnerSchule Ettlingen, und Markus Sommer, Bildungsreferent beim Regierungspräsidium Tübingen, prüften einführend den Übergang zwischen Berufs- und Weiterbildung für die Fachrichtung Landwirtschaft. Die beiden Experten waren sich einig, dass der Lehrplan der Fachschulen in den meisten Fächern die systematische Fortsetzung des Berufsschul-Lehrplans ist. In der Fachschule wird das Niveau angehoben, das Grundlagenwissen wird intensiv auf den eigenen Betrieb angewandt und v.a. im Bereich Ökonomie und Agrarpolitik inhaltlich stark erweitert. Eine der Herausforderungen für beide Schularten ist das heterogene Wissen und Lernvermögen der Schüler/innen und in zunehmenden Maße auch die Spezialisierung der landwirtschaftlichen Betriebe, das Expertenwissen bei den Lehrkräften erfordert und gleichzeitig z.T. Desinteresse an für den eigenen Betrieb nicht relevanten Unterrichtsinhalten nach sich zieht. Die Schnittstelle ist grundsätzlich gut gestaltet. Förderlich wäre, den begonnen Weg mit gemeinsamen Fortbildungen und verbessertem regionalen Austausch zwischen beiden Schularten weiterzuführen. 2. Schnittmenge: Schüler/innen Gisela Enderle LEL Schwäbisch Gmünd Tel. 07171/ 917-112 [email protected] 42 Mit der wichtigsten Schnittmenge, unseren Schülerinnen und Schülern, beschäftigte sich Wiebke Jessen: „Wie ticken unsere Jugendlichen?“ Eine Antwort versucht die Jugendstudie 2012 des SINUS Institut Heidelberg: „Ausgehend von den typischen Vorstellungen, was wertvoll und erstrebenswert im Leben ist, wurden Jugendliche in sieben Lebenswelten zusammengefasst, die sich in ihren Werten, ihrer grundsätzlichen Lebenseinstellung und Lebensweise, ihren Vergemeinschaftungsformen sowie in ihrer sozialen Lage ähnlich sind: Konservativ-Bürgerliche, AdaptivPragmatische, Sozialökologische, Prekäre, Materialistische Hedonisten, Experimentalistische Hedonisten und Expeditive Jugendliche.“ 3. Schnittmenge: (Lern)Stoff Zu den aktuellen Entwicklungen in der Landwirtschaft spannte Franz Schweizer, Leiter des LAZBW Aulendorf, den Bogen von gesellschaftlichen Tendenzen (Tierschutz, Verbraucherpräferenzen, demographische Entwicklungen) über deren Auswirkungen auf Rechtsvorschriften für die moderne Tierhaltung bis zu den Anforderungen an die landwirtschaftlichen Produzenten. Aktuelle Herausforderungen in der Schweinehaltung stellte Michael Asse, LSZ Boxberg, vor. Auch hier stehen Tier- und Umweltschutz und die z.T. kostenintensive Umsetzung der Rechtsvorschriften im Vordergrund. Er machte die Rolle der Konsumenten deutlich, die z.B. Tierwohl fordern, aber nicht entsprechend einkaufen. Aktuelles aus der Pflanzenproduktion und die Konsequenzen für den Fach-Unterricht stellte Nadine Roth, ULB Rottweil, aus Sicht der Fachlehrerin vor. Zum Abschluss diskutierten die Teilnehmenden fachliche und organisatorische Schnittstellen und identifizierten Optimierungsmöglichkeiten. Unterlagen im Infodienst www.landwirtschaft-bw.de Landinfo 3 | 2014 Beratung und Bildung Günter Denninger Bundesring Landwirtschaftlicher Berufsschullehrer 2014 Lehrerausbildung und Lehrergewinnung in der Agrarwirtschaft Dies war das Leitthema der diesjährigen Tagung der landwirtschaftlichen Berufsschullehrer in Berlin. An der Humboldt Universität diskutierten die Berufsschullehrer mit Vertretern des Deutschen Bauernverbandes (DBV), der Technischen Universität München (TUM) und der Berliner Hochschule über die Lehrerausbildung im Agrarbereich sowie über die Anforderungen an die künftigen Lehrkräfte. Außerdem konnte unser Bundesvorsitzender, Horst Lochner, den BLBS –Vorsitzenden aus Brandenburg, Thomas Pehle, begrüßen. Z unächst stellte Frau Eder, Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Fachdidaktik Agrarwirtschaft an der TUM- München, den grundständigen Lehramtsstudiengang Agrarwirtschaft (Abb. 1) an der dortigen Einrichtung vor. Es wird nicht unterschieden zwischen Landwirtschaft, Gartenbau und Floristik; es wird der Lehrer für Agrarwirtschaft ausgebildet. Als Zweitfach können auch Fächer wie Deutsch oder Religion studiert werden. Während des Studiums finden Schulpraktika statt. Bayern setzt dabei auf breite Einsatzmöglichkeit der Absolventen in den Schulen und auf eine fundierte pädagogische Ausbildung. Ähnlich strukturiert ist der Studiengang in Berlin. Allerdings wird hier zwischen den Kernfächern Gartenbau und Landwirtschaft unterschieden, wie uns Frau Dr. Müller-Weichbrodt, Fachdidaktikerin am Albrecht-Thaer-Institut berichtete. Das bedeutet, Berlin setzt auf eine stärkere fachliche Spezialisierung. eher die Fachkompetenz entscheidend für eine erfolgreiche Lehrtätigkeit ist Klar ist in jedem Fall: Um für die Agrarwirtschaft gute Lehrkräfte zu rekrutieren, muss am Image der Berufsschullehrer gearbeitet werden, denn das „Lob für das DUALE SYSTEM färbt nicht auf die BS-Lehrer ab“ (Prof. Ziegler, Darmstadt, 2014, didacta). Außerdem müssen bei anhaltend guter Arbeitsmarktlage die Rahmenbedingungen für die Hochschulabsolventen stimmen (Gehälter für Referendare und Berufseinsteiger dürfen nicht abgesenkt werden!). Auf Anregung des Bildungsreferenten des Deutschen Bauernverbandes, Martin Lambers, soll in einer Arbeitsgruppe erarbeitet werden, welche Anforderungen an einen Lehrer/in / an eine landwirtschaftliche Schule gestellt werden können. Der Berufsschullehrerverband, die agrarpädagogischen Institute Hinweis Im Bundesring „landw. Berufsschullehrer“ ist jeweils ein Lehrer aus jedem Bundesland vertreten, der vom jeweiligen Lehrerverband entsandt wird. Abbildung 1 Lehramtsausbildung „Agrarwirtschaft in Bayern“ Inzwischen wurde auch in Bonn ein grundständiger Lehramtsstudiengang „Agrarwirtschaft“ eingerichtet, um den Lehrerbedarf, vor allem auch an den Fachschulen, decken zu können. In den übrigen Bundesländern gehen die Fachwissenschaftler unmittelbar nach dem Studium ins Referendariat oder als „Seiteneinsteiger“ direkt in die Schule. In der sich anschließenden Diskussion waren sich alle einig, dass eine Lehrkraft an beruflichen Schulen die im Folgenden aufgeführten Kompetenzen (Abb. 2) haben muss. Weit auseinander gingen allerdings die Meinungen darüber, ob eher die Didaktik- oder Landinfo 3 | 2014 43 Beratung und Bildung Bild links Berufschullehrer und DBV an der Humboldt-Universität zu Berlin Bild rechts Berufsschullehrer und Bauernverband im Dialog mit der Wissenschaft Bilder: G. Denninger Abbildung 2 Berufskompetenz einer Lehrkraft Berufskompetenz einer Lehrkraft an Beruflichen Schulen (n. Prof. SCHELTEN 2010) Fachkompetenz: Wissenschaftliche Ebene, Schüler-Ebene Didaktikkompetenz: Organisation von Lernprozessen Sozialkompetenz: Schüler (Wertschätzung, Reversibilität, Entschiedenheit / Erziehung) Kollegen in Schule und Betrieb Innovationskompetenz: Fachlich (schneller Wandel in der Arbeitswelt) und pädagogisch Grundvoraussetzung: Menschenzugewandte Grundeinstellung und Engagement (Berlin und München) und der Deutsche Bauernverband werden Mitglieder für diesen Ausschuss benennen. Günter Denninger Bertha-von-SuttnerSchule, Ettlingen Tel. 07243/ 500 801 [email protected] 44 Im weiteren Tagungsverlauf berichteten die Ländervertreter über Entwicklungen in Ihrem Bundesland. Alle Bundesländern melden konstante bis leicht sinkende Schülerzahlen im Agrarbereich. MecklenburgVorpommern befindet sich, nach dem rapider Rückgang der Ausbildungszahlen (seit 2000 Halbierung der Schülerzahlen im Agrarbereich) auf Konsolidierungskurs. Wie uns Herr Lambers (DBV) berichtete, haben die Landwirtschaftsminister der Länder mit Hinweis auf den Ökologischen Landbau, „Tierwohl“, Lehrpläne, u.a. eine Neuordnung des Ausbildungsberufes „Landwirt/in“ beantragt. Die nächste Tagung findet 8. und 9. Mai 2015 in Werder (Brandenburg) statt. Landinfo 3 | 2014 „Die Leute, die niemals Zeit haben, tun am wenigsten.“ Georg Christoph Lichtenberg