reise Namibia Safari zu den Sternen Namibia hat die höchsten Dünen der Welt, endlose Wüsten, faszinierende Wildtiere – und stockfinstere Nächte. Darum kann man hier den Sternenhimmel besonders gut beobachten. mobil war auf Astrofarmen zu Gast und ist von dort aus ins Universum gereist. Warm weht der stete Wind der Kalahari aus Südwesten, streicht – schwer vom süßen Frühlingsduft des Schwarzdorns – über das kniehohe Gras. Es ist Nacht. Viele Milliarden Kilometer über der Wüste funkelt Alpha Centaurus, überwältigend klar teilt das Kreuz des Südens den Himmel, und nicht weit davon setzen die Ma­ gellan’schen Wolken sanfte Lichtakzente. Irgendwo im Dunkel bellt ein Hund. Hinter einer übermanns­ hohen Hecke aus Kakteen löst sich ein rotes Licht aus der Wüsten­ nacht, kommt näher, beleuchtet ein lächelndes Gesicht: Ansgar Gaedke, der Sternenscout auf der Tivoli Southern Sky Guest Farm, will sein Programm starten. Dafür braucht er Dunkelheit, nahezu perfekte Dunkelheit, wie sie das licht- und wolkenarme Namibia Nacht für Nacht großzügig bietet. Mit der roten Taschenlampe am Stirnriemen klettert Gaedke eine kleine Stiege zu einer Art Scheu­ ne auf Stelzen empor, öffnet eine Tür und schiebt dann das Well­ blechdach auf Schienen zur Seite – der Himmel über der schlichten Sternwarte öffnet sich, und das 500-Millimeter-Clestron-Teleskop kann nun die Tiefen des Alls heranholen. »Zum Beobachten der Sterne muss das Auge so lichtempfindlich wie möglich sein«, sagt der Astrophysiker im Safari-Dress. »Schaltet man weißes Licht ein, braucht das Auge hinterher 30 Minuten, um sich wieder optimal auf die Dunkelheit einzustellen. Aber Rotlicht stört nicht«, erklärt er das farbige Gefunzel vor seiner Stirn. Die Gäste auf Tivoli sind hierher in die Wüste 180 Kilometer südöstlich von Windhoek gereist, um tief in die Sternenpracht des Südhimmels zu schauen. Namibia ist mehr als doppelt so groß wie Deutschland, hat aber nur zwei Millionen Einwohner. In den fast menschenleeren Weiten des Landes ist es nachts absolut dunkel, kein störendes Licht überstrahlt das himmlische Schauspiel. Daher sind nun alle besonders gespannt, worauf Ansgar Gaedke das Welt voller Wunder: bizarre Köcherbäume vor dem Nachthimmel Namibias. 28 mobil 12 | 09 mobil 12 | 09 29 1/1, 210*280 Sechs kleine Sternwarten stehen rund um das Haupthaus. Ausguck in den Himmel: Die Teleskope auf der Astrofarm ermöglichen präzise Beobachtungen. Teleskop einstellt. Schnell ein paar Koordinaten eingetippt, schon richtet sich das motorgetriebene Hightech-Teleskop surrend auf das Zielgebiet aus und fokussiert die scheinbare Unendlichkeit. »Of­ fener Sternhaufen M 93«, kommentiert Gaedke, »etwa 3600 Licht­ jahre entfernt«, und reihum staunen die Gäste durchs Okular. Neue Koordinaten, surrender Teleskopschwenk, »der Doppelstern Alpha Centaurus, relativ dicht dran, nur etwas mehr als vier Lichtjahre über uns« – was trotzdem noch stolze 38 Billionen Kilometer sind. Jeder wartet ungeduldig, einen Blick auf den kleinen weißen Stern mit seinem blässlich-blau funkelnden Zwilling zu erhaschen. So kann es Stunde um Stunde gehen, Nacht um Nacht – der Südhimmel bietet unerschöpfliche Schauspiele. »Namibia liegt zwar auf der Südhalbkugel, doch wir können hier auch einen Gut­ teil des Nordhimmels sehen«, erläutert der Fachmann. »Die Milch­ Fachmann für das Ferne: Der Astrophysiker Ansgar Gaedtke betreut auf Tivoli die Teleskope und erklärt die Geheimnisse des Weltalls. 30 straße dreht sich direkt senkrecht über uns hinweg, ein Sternbild nach dem anderen steigt herauf.« Doch es ist gar nicht die Sternenwelt, die den 28-jährigen Nie­ dersachsen hergelockt hat – sondern das Farmleben. 300 Rinder gehören zur 7600 Hektar großen Tivoli-Farm: Ihr Fleisch hat Bioqualität und wird gern nach Norwegen verkauft, außerdem leben hier einige tausend Schafe. Tivolis Besitzer Reinhold Schreiber und seine Frau Kirsten gehören zu den ersten Farmern in Namibia, die neben der Tierhaltung die Sternensafaris zu einer Attraktion ge­ macht haben. Inzwischen stehen vier Gästebungalows und sechs kleine Sternwarten rings um das Haupthaus und die Scheunen. Die Teleskopausstattung ist hochprofessionell und ermöglicht auch ausgefallene Beobachtungen und Astrofotografie. Ansgar Gaedke kennt alle Geheimnisse erfolgreicher Vieh­hal­ tung, und beim »Game-Drive« in der nächsten Abenddämmerung erweist er sich darüber hinaus als Kenner der afrikanischen Tier­ welt. Oryx-Antilopen mit ihren gedrehten Hörnern, grazile Springböcke,wuchtige Kudus, die wie Elche ohne Schaufeln ausseh­ en – jedes Wildtier wird mit einem kundigen Kommentar bedacht. Als es bei Anbruch der Dunkelheit rasch kühler wird, lenkt Gaed­ke das Auto wieder über die Feldwege zurück zur Farm. Bei Einbruch der Nacht wächst die Spannung, mit welchem Typ Fern­ rohr – Spiegel- oder Refraktor-Teleskop – nun die Wunder des Alls herangezoomt werden. Das Sternbild Skorpion schwingt seinen si­ chelförmigen Sternenstachel hoch in den Südhimmel, gelegentlich fordern Sternschnuppen die Augen zur optischen Verfolgungsjagd auf. Koordinaten eingetippt, vertrautes Surren der Stellmotoren: »Der Tarantelnebel in der Großen Magellan’schen Wolke«, sagt Gaedt­ke ins Dunkel hinein. Wie nah? »160 000 Lichtjahre ent­ fernt.« Neugierige Augen wechseln sich wieder am Okular ab. Und so geht es weiter, Spiralgalaxien wechseln sich mit Kugel­ sternhaufen und planetarischen Nebeln ab, bis der erste fahle mobil 12 | 09 Nur am frühen Morgen zeigen die Dünen ihre Flanken und Grate im Spiel von Licht und Schatten. Gänsemarsch zum Gipfel: »Düne 45« ist sehr beliebt – weil man direkt mit dem Auto heranfahren kann. Morgenschimmer den östlichen Horizont färbt, ihn rasch lichtstark werdend erobert, die Sterne in ihren Tagesschlaf schickt und zu greller Sonne herangereift die Kalahari wieder versengt. Nach zwei Nächten Sternegucken geht die Reise weiter Rich­ tung Küste. Kein Namibia-Besuch ohne Stippvisite zum Sossusvlei, der extrem trockenen Region in der Namib-Wüste mit den höchsten Dünen der Welt. Der Weg dorthin: endlose Kilometer Schotterpiste durch Wüstengras, in dem Schirmakazien, Kameldornbäume und rote Termitenhügel Akzente setzen. Hin und wieder tauchen Strau­ ße oder Paviane auf, was der Fahrer Alfred Schulz mit den landesüb­ lichen Namen zuverlässig meldet: »Baboons auf 10.30 Uhr« – alle Augen drehen nach halblinks. Die Landschaft bietet über weite Strecken kaum Abwechslung, trägt aber hin und wieder Spuren der Vergangenheit: Ortsnamen Neugier auf Namibisch: Die Oryx-Antilopen können sehr zutraulich sein und wagen sich mitunter dicht an die Menschen heran. 32 wie Kalkrand, Uhlenhorst oder Marienthal zeugen von Namibias Kolonialgeschichte als Deutsch-Südwestafrika, die zwar nur von 1884 bis 1919 dauerte, doch bis in die Gegenwart hinein eine Ver­ ständigung auf Deutsch oftmals problemlos möglich macht. Die Dünen des Sossusvlei sind im frühesten Morgenlicht am eindrucksvollsten, also wird in der Sossus Dune Lodge am Rand des Namib Naukluft National Park Nachtquartier bezogen. Auch hier versteht man sich auf die Zubereitung von Oryx- und SpringbockSteaks, dazu gibt es exzellenten Rotwein aus Südafrika oder ein frisch gezapftes Windhoek-Lager. Nur kurz ist der Schlaf in den strohgedeckten hölzernen Hütten. Um 5.30 Uhr finden sich müde dreinblickende Reisende in der Lobby ein, wärmen klamme Hände an dampfenden Kaffeebechern und klettern dann zu Rambo in den offenen Landrover. Der Scout vom Stamm der Himba brettert durch das Dunkel, jeder sucht Schutz vor dem schneidend kalten Fahrt­ wind, aber schon 30 Kilometer später geht zaghaft die Sonne auf. Nur jetzt zeigen die bis zu 380 Meter hohen Dünen ihre scharfen Grate und geschwungenen Flanken im Spiel von Licht und Schat­ ten – später wird alles nur noch fahlgelb sein, die grelle Sonne frisst alle Konturen. Und nur in der Frühe kann man die Dünen erklet­ tern – später wird es dafür zu heiß sein. Rambo stoppt erst am Dead Vlei, wo seit 800 Jahren tote Bäume skelettgleich in den Himmel ragen, und während er ein Frühstück improvisiert, wandern seine Gäste auf dem schmalen roten Dünengrat in die Höhe, schauen über das Sandmeer und beobachten über die Dünenflanken rennende Tok-Tokis, schwarze Käfer, die im Morgengrauen den bis hier heran­ wehenden Küstennebel an ihren Körpern kondensieren lassen und tröpfchenweise trinken. Beim Imbiss erklärt Rambo, wie Flüsse den roten Sand aus der Kalahari ins Meer spülten, die Wellen ihn an den Strand warfen, der Wind ihn landeinwärts blies und zu Riesendünen auftürmte – ein Jahrmillionen währender Kreislauf. Auf der Fahrt zurück zur Lodge mobil 12 | 09 1/1, 210*280 1/1, 210*280 Kolonialgeschichte an jeder Straßenecke. sehnt man sich die Kälte des Morgens zurück – jetzt ist der Fahrt­ wind erstickend trocken und heiß. Auf dem Rückweg nach Windhoek wird gleich hinter dem im­ posanten Gamsberg noch einmal kurz Station gemacht auf Hakos, einer der ältesten und bekanntesten Astrofarmen. Verlässlich bricht kurz nach 18 Uhr die Nacht an, doch inzwischen dominiert der ärgs­ te Feind aller Sternenfreunde den Himmel: der Vollmond. Gnaden­ los überstrahlt er alle fernen Himmelslichter und lässt allenfalls einen Blick auf den Jupiter mit seinen prägnanten Wolkenbändern zu. Von den 63 Monden sind nur Io, Europa, Ganymed und Kalisto zu erkennen, vier kleine Lichtpunkte neben dem Planeten, etwa auf Höhe seines Äquators. Jeden Laien wird die Ansicht dieser Hunder­ te Millionen Kilometer entfernten Himmelskörper tief faszinieren. Und man denkt unwillkürlich daran, was Waldtraut Eppelmann, Wegweiser in der Wüste: Der Scout Rambo kennt die Namib wie seine Westentasche und weiß alles über die Tiere und Pflanzen. 34 die Gastgeberin auf Hakos, über das Gefühl beim nächtlichen Beob­ achten des Himmels sagte: »Man versteht gewiss nicht alles – aber man bekommt eine Ahnung von dem großen Ganzen.« Dem kann auch der letzte Tag in Windhoek kaum noch etwas hinzufügen – nur vielleicht dieses: Man erlebt eine kleine Haupt­ stadt an der Schwelle zur Moderne, die ihre Kolonialgeschichte in fast jeder Straße anhand von Schildern und Aufschriften verrät. Zu­ gleich ist sie eine junge Stadt: Menschen aller sieben Ethnien Nami­ bias und aus vielen fremden Ländern gehen hier sehr offen, tolerant und aufgeschlossen miteinander um. Wenngleich es kaum bedeu­ tende Sehenswürdigkeiten oder herausragende Architektur gibt, möchte man hier immer weiter herumspazieren – und dieses unge­ zwungene Lebensgefühl auskosten. Nicht nur die Nacht, auch der Tag hat in Namibia viele überraschende Seiten. Kay Dohnke Trips zu den Sternen Die Hakos Gästefarm und die Tivoli Southern Sky Guest Farm bieten neben Vollpension und Gästebungalows bzw. Campingmöglichkeiten Einführungen in die Sternenwelt an. Beste Reisezeit sind die Tage vor und nach Neumond. www.tivoli-astrofarm.de und www.natron.net/tour/hakos Bei Diamir Reisen gibt es eine 17-tägige Namibia-Rundreise mit Aufenthalten in Swakopmund und Windhoek, Besuchen im Etosha-Nationalpark, in der Dünenwelt des Sossusvlei sowie Sternenbeobachtung auf Astrofarmen. Inkl. Linienflug Frankfurt a.M.–Windhoek und zurück ab 2750 €. www.diamir.de Air Namibia fliegt 6 x wöchentlich von Frankfurt a. M. nach Windhoek, der Flug wird ab 700 € inkl. Steuern angeboten. Rail&Fly, der Bahnzubringer zum Flug, ist gratis. Informationen: [email protected], www.airnamibia.de, www.bahn.de/bahnflug Infos über Namibia: www.namibia-tourism.com mobil 12 | 09 FotoS: Christian Heeb/Prisma online, Kay Dohnke [3], Galyna Andruschka/Fotolia, Fred Hafner, Markus Geissler/Diamir Namibianische Atmo­sphäre der Toleranz: Straßenszene in Swakopmund. mobil 12 | 09