Methoden der Bestandsbewertung für Tiere und

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PSW Atdorf
Methoden der Bestandsbewertung für Tiere und
Pflanzen in der UVS
- Neufassung 2013 -
Dezember 2013
Auftraggeber:
Schluchseewerk AG
Säckinger Straße 67
79725 Laufenburg
Bearbeitung:
IUS Institut für Umweltstudien
Weibel & Ness GmbH
Heidelberg · Potsdam · Kandel
ATD-GE-PFA-D.01-01004-IUS-Anlage1-Z.0.pdf
Antragsteller:
Schluchseewerk AG
Säckinger Straße 67
79725 Laufenburg
Projektleitung:
Andreas Ness, Dipl.-Biol.
Bearbeitung:
Heiko Himmler, Dipl.-Geogr.
Heidelberg, den 26. November 2013
Andreas Ness
IUS Weibel & Ness GmbH
Bergheimer Str. 53-57 • 69115 Heidelberg
Tel.: (0 62 21) 1 38 30-0 • Fax: (0 62 21) 1 38 30-29
E-Mail: [email protected]
ATD-GE-PFA-D.01-01004-IUS-Anlage1-Z.0.pdf
1
Methoden der Bestandsbewertung für Tiere und Pflanzen
1.1
Vorbemerkungen zur Bestandsbewertung
Gemäß den Festsetzungen im Scopingverfahren ist die Bewertung des Schutzgutes Tiere
und Pflanzen nach der neunstufigen Skala von KAULE (1991) vorzunehmen (Punkt 50 des
Scopingprotokolls; die Skala entspricht Tabelle 107 "Bewertungsstufen für eine
flächendeckende Bewertung für Belange des Artenschutzes" nach KAULE 1991, S. 318).
Die Skala von KAULE (1991) wird den seitdem erreichten Anforderungen an die UVSMethodik nicht mehr gänzlich gerecht. Die UVS soll eine Vorbereitung für die Anwendung
der Eingriffsregelung bilden (vgl. LAMBRECHT et al. 2007: 30 ff.), indem sie die bedeutsamen
Wirkfaktoren ermittelt. Die Bedeutung der von Wirkfaktoren betroffenen Bestände ist ein
maßgeblicher Faktor für das Erkennen, ob die jeweilige Umweltauswirkung erheblich ist.
Dies ist von Relevanz für die sachgerechte Anwendung der Eingriffsregelung. Daraus
resultiert die Notwendigkeit einer größtmöglichen Objektivität der Bewertung, die mit der
Skala von KAULE (1991) nicht erreicht werden kann, da sie umfangreiche
Ermessensspielräume ermöglicht und auch erfordert.
Aus diesen Gründen wird in der vorliegenden UVS zusätzlich eine fünfstufige
Bewertungsskala auf der Grundlage objektiver Kriterien mit vorgegebenen
Beurteilungsmaßstäben angewendet. Die fünfstufige Skala ist ein von der neunstufigen
Skala von KAULE (1991) unabhängiges Bewertungssystem. Die auf Grundlage der
fünfstufigen Skala ermittelte Bedeutung der Bestände bildet eine wesentliche Grundlage der
Wirkungsanalyse. Die fünf Stufen sind:
• Hervorragende Bedeutung
• Besondere Bedeutung
• Allgemeine Bedeutung
• Geringe Bedeutung
• Keine Bedeutung
Die Bewertung erfolgt entsprechend den fachlichen Vorgaben von GASSNER et al. (2010:
198) auf der Typus- und der Objektebene.
• Auf der Typusebene wird jedem Naturelement des gleichen Typs (Biotoptypen,
[potentielle] Lebensräume von Arten) der gleiche Wert zugewiesen.
• Auf der Objektebene erfolgt die Bewertung gemäß der konkreten Ausprägung der
einzelnen Bestände.
Die Biotoptypen und die Vögel und die Amphibien wurden flächendeckend erfasst. Auf dieser
Grundlage
ist
eine
unmittelbare
Bedeutungseinstufung
aller
Flächen
des
Untersuchungsgebiets möglich.
Die bestandsbedrohten Pflanzen und die Amphibien wurden in abgestimmten engeren
Untersuchungsgebieten, die sonstigen Tiergruppen auf ebenfalls abgestimmten
Probeflächen und Probestellen erfasst.
Das engere Untersuchungsgebiet umfasst die Wirkbereiche und z.T. angrenzende Flächen;
die Probeflächen und Probestellen wurden in erwarteten Wirkbereichen des Vorhabens
konzentriert. Sie decken die relevanten Lebensräume der jeweiligen Artengruppen ab und
sind für das Gesamtgebiet repräsentativ. Die nach den Gefährdungseinstufungen ermittelte
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Bedeutung der einzelnen Probestellen und Probeflächen wurde auf die Flächen mit
ähnlichen Lebensbedingungen des Untersuchungsgebiets übertragen. Dadurch wird eine
flächendeckende Bewertung erreicht.
Für die weiteren Schutzgüter des UVPG wurden gemäß den jeweils einschlägigen fachlichen
Standards separate Bewertungsverfahren angewendet.
1.2
Kriterien der fünfstufigen Skala für die Beurteilung der Biotoptypen und der
einzelnen untersuchten Artengruppen
Die fünf Stufen der Beurteilung der Flächen für die Biotoptypen und die einzelnen
untersuchten Artengruppen sind an den folgenden Kriterien nach GASSNER et al. (2010: 199)
ausgerichtet:
• Gefährdung
• Seltenheit
• Rechtlicher Schutzstatus
• Arealkundliche Besonderheit / Verantwortlichkeit für den weltweiten Erhalt
• Entwicklungspotential
• Funktion im Biotopverbund
Ein weiteres Bewertungskriterium ist das Vorhandensein von Lebensraumtypen oder Arten
von gemeinschaftlichem Interesse nach Artikel 1lit. c) bzw. Artikel 1lit. g) der FFH-Richtlinie
oder von Vogelarten, die nach Artikel 4 der Vogelschutzrichtlinie besonders zu schützen
sind.
Die niedrigste Wertstufe („keine Bedeutung“) ist dadurch gekennzeichnet, dass die Flächen
für die Arten der jeweiligen Gruppe nicht besiedelbar sind und Belastungen von ihnen
ausgehen.
Die Gesamtbewertung der jeweiligen Flächen entspricht jeweils dem höchsten
Einzelkriterium. Dies ist zumeist das Kriterium „Gefährdung“. Soweit die Gesamtbewertung
durch andere Kriterien bedingt ist, wird dies textlich bei den Biotoptypen und den einzelnen
Artengruppen genannt.
Mit den verwendeten Kriterien „Gefährdung“, „Seltenheit“, „Rechtlicher Schutzstatus“,
„Arealkundliche Besonderheit / Verantwortlichkeit für den weltweiten Erhalt“,
„Entwicklungspotential“ und „Funktion im Biotopverbund“ sind diejenigen von KRATSCH &
SCHUMACHER (2007: 6) im Kommentar zum Naturschutzgesetz Baden-Württemberg
aufgeführten, die Bestandsbewertung betreffenden Kriterien abgedeckt (Bedeutung der
betroffenen Fläche, Bewuchs, Vorkommen seltener Tier- und Pflanzenarten, Funktion der
Fläche in der Vernetzung mit anderen Flächen). Das Alter der gefährdeten Fläche wird durch
den Biotoptyp bzw. dessen Zusatzmerkmale ausgedrückt. Das von KRATSCH & SCHUMACHER
weiterhin genannte Kriterium „Alter der gefährdeten Fläche“ ist bei den Wäldern durch die
einschlägigen Zusatzmerkmale zur Vegetationsstruktur der Gehölze in der
Bestandserfassung integriert, in der Bewertung jedoch gemäß der Festlegung beim
Landratsamt Waldshut am 19.7.2013 nicht zu berücksichtigen. Bei den sonstigen
Biotoptypen sind fachlich gesicherte Aussagen zum Alter der Flächen nicht möglich und das
Kriterium ist dementsprechend hier nicht anwendbar.
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Die folgenden von GASSNER et al. (2010) benannten Kriterien wurden für die
Bestandsbewertung nicht angewendet (vgl. Kap. 1.2.8):
• Naturnähe
• Regenerierbarkeit
• Grad der Stenökie
• Repräsentanz
• Kulturhistorische Zeugnisse
• Vollständigkeit des lebensraumtypischen Artenspektrums
• Standorttypische Vielfalt
• Bestandsgröße / Flächengröße
• Lebensraumkontinuität
Nachfolgend wird die Anwendung der Kriterien von GASSNER et al. (2010) erläutert.
1.2.1
Gefährdung
Das Kriterium „Gefährdung“ wird für Biotoptypen und Lebensräume von Arten angewendet.
Die Anwendung erfolgt zunächst entsprechend GASSNER et al. (2010) auf der Typusebene.
Bei den Biotoptypen erfolgt sie auch auf der Objektebene, indem durch Vorbelastungen
geprägte und fragmentarische Bestände um eine Stufe niedriger bewertet wurden. Dies
entspricht der Anwendung der von GASSNER et al. (2010) für die Objektebene genannten
Kriterien „Vollständigkeit des lebensraumtypischen Artenspektrums“ und „Standorttypische
Vielfalt“, die jedoch für sich genommen im Untersuchungsgebiet nicht handhabbar sind (vgl.
Kap. 1.2.8).
Die Gefährdung gemäß den Roten Listen ist das hauptsächliche Kriterium für die Einstufung
von Biotoptypen und Lebensräumen von Arten als hervorragend / besonders bedeutsam. Die
Roten Listen sind auf umfassendem Expertenwissen gründende fachliche Vorgaben. Das
Kriterium ist in besonderem Maß objektiv, nachvollziehbar und operationalisierbar, indem die
Gefährdungsgrade vorkommender Arten die Bewertung der von ihnen besiedelten Flächen
bedingen.
Die Arten der Roten Listen können als „Schirmarten“ angesehen werden: Wo für diese
besonders empfindlichen Arten geeignete Lebensbedingungen bestehen, sind die Flächen
auch für weniger empfindliche, daher häufige und ungefährdete Arten geeignet. Dies gilt
umso mehr, je stärker die jeweiligen Arten gefährdet sind. Daher sind bestandsbedrohte
Arten besonders geeignete Indikatoren für eine hohe Bedeutung von Flächen für Pflanzen
und Tieren. – Entsprechendes gilt für bestandsbedrohte Biotoptypen.
Es bestehen weitgehende Überschneidungen des Kriteriums „Gefährdung“ mit den sonstigen
Kriterien. Sie bedingen nur in wenigen Fällen eine Bewertung von zusätzlichen Flächen als
hervorragend oder besonders bedeutsam.
Die Roten Listen der IUCN (welt- und europaweite Rote Liste) und Deutschlands wurden
stärker als die Roten Listen Baden-Württembergs gewichtet, da eine Gefährdung in einem
großen Bezugsraum für eine Art gravierender als in einem enger begrenzten Gebiet ist (s.a.
GASSNER et al. 2010: 201). Die in der Endphase der Bearbeitung der gegenständlichen UVS
erschienene neue Rote Liste der Tagfalter, Nachtfalter, Heuschrecken und Laufkäfer
Deutschlands konnte bei der Flächenbewertung wegen des weit fortgeschrittenen
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Arbeitsstands bisher nicht berücksichtigt werden. Sie würde jedoch nicht zu einer höheren
Bewertung von Flächen führen, als dies auf Grundlage der bisherigen Roten Listen erfolgte.
Insoweit ist die Verwendung der älteren Roten Listen dieser Artengruppen für die Beurteilung
der Umweltverträglichkeit des PSW Atdorf unschädlich. Bei den jeweiligen Artengruppen
wird dieser Sachverhalt näher erläutert.
Die Bewertung der Biotoptypen anhand der Gefährdung ist:
• Hervorragende Bedeutung
- Bundesweit von vollständiger Vernichtung bedrohte oder stark gefährdete
Biotoptypen
- Landesweit von vollständiger Vernichtung bedrohte Biotoptypen
• Besondere Bedeutung
- Bundesweit gefährdete oder auf der Vorwarnliste geführte Biotoptypen
- Landesweit stark gefährdete, gefährdete oder auf der Vorwarnliste geführte
Biotoptypen
• Allgemeine Bedeutung
- Sonstige Biotoptypen, die von gebietsheimischen Pflanzenarten geprägt werden
(bei Wäldern zumindest in einer der Schichten)
• Geringe Bedeutung
- Biotoptypen, die nicht von gebietsheimischen Pflanzen geprägt werden
• Keine Bedeutung
- Hauptverkehrsstraßen (als Quelle von Belastungen anderer Flächen)
Durch Vorbelastungen geprägte sowie lediglich fragmentarisch entwickelte Bestände werden
um eine Stufe niedriger bewertet, als es der typologischen Einstufung entspräche
(Bewertung auf Objektebene nach GASSNER et al. 2010: 199). Dies ist fachlich sinnvoll und
entspricht den methodischen Standards von GASSNER et al. 2010, wonach neben der
Bewertung auf Typusebene auch eine Bewertung auf Objektebene vorzunehmen ist.
Beispiele für durch Vorbelastungen geprägte Bestände sind:
• Typischerweise magere Wiesen (z.B. Montane Magerwiesen) mit Nährstoffzeigern,
die auf Düngung hinweisen
• Fettwiesen mit Ruderalarten (Anzeiger z.B. für zeitweilig biotopuntypisch intensive
Düngung oder zwischenzeitliches Brachliegen)
• Eichen-Wälder trockenwarmer Standorte, in denen sich die Douglasie als invasive Art
etabliert hat
Beispiele für fragmentarisch entwickelte Bestände sind:
• Naturnahe Wälder im Stangenholzstadium (geringe Strukturvielfalt, kaum
Baumhöhlen und dementsprechend eingeschränkte Funktionen für Tiere; wegen der
Bestandsdichte geringerer Lichtzutritt zum Boden als in Altbeständen und
dementsprechend eingeschränkte Wuchsmöglichkeiten für charakteristische
Pflanzenarten)
• Magerrasen und Zwergstrauchheiden auf Wegböschungen und auf unbefestigten
Wegen; aufgrund der geringen Flächengröße und des Fehlens der biotoptypischen
Extensivbeweidung als prägender Faktor der Artenzusammensetzung nur aus
wenigen Arten bestehend, wertgebende Arten fehlen i.d.R.
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Das einheitliche Schema für die Bewertung für die Lebensräume von Pflanzen und Tieren
der im Scoping festgelegten Artengruppen anhand der Gefährdung ist:
• Hervorragende Bedeutung
- Für das Vorkommen von Arten, die weltweit bestandsbedroht sind (unabhängig
vom Gefährdungsgrad), maßgebliche oder entscheidende Flächen
- Für das Vorkommen von Arten, die europaweit gefährdet sind (entspricht
Gefährdungsgrad „vulnerable“; europaweit stärker bedrohte Arten kommen im
Untersuchungsgebiet nicht vor), maßgebliche oder entscheidende Flächen
- Für das Vorkommen von Arten, die bundesweit vom Aussterben bedroht oder
stark gefährdet sind oder die in die Kategorie „R“ (extrem selten) eingestuft sind
(insbesondere Fortpflanzungsstätten), maßgebliche oder entscheidende Flächen
- Für das Vorkommen landesweit vom Aussterben bedrohter Arten (insbesondere
Fortpflanzungsstätten) maßgebliche oder entscheidende Flächen
• Besondere Bedeutung
- Für das Vorkommen von Arten, die europaweit gering gefährdet sind
(Gefährdungsgrad „near threatened“), maßgebliche oder entscheidende Flächen
- Für das Vorkommen von Arten, die bundesweit gefährdet sind oder auf der
Vorwarnliste geführt werden, maßgebliche oder entscheidende Flächen
- Für das Vorkommen von Arten, die landesweit in sonstigem
bestandsbedroht sind, maßgebliche oder entscheidende Flächen
Maß
• Allgemeine Bedeutung
- Flächen, die nur für sonstige Arten der jeweiligen Gruppe als Lebensräume
geeignet sind
• Geringe Bedeutung
- Flächen, die für die Arten der jeweiligen Gruppe als dauerhafte Lebensräume
ungeeignet sind und auch sonst keine zentralen ortsgebundenen
Lebensraumfunktionen erfüllen (z.B. Rastplätze)
• Keine Bedeutung
- Flächen, von denen für Arten der jeweiligen Gruppe Belastungen ausgehen
Lediglich bei bundes- oder landesweit gefährdeten (RL 3) oder auf der Vorwarnliste
geführten, jedoch großflächig verbreiteten Arten bedingt nicht jedes Einzelvorkommen
zwangsläufig eine besondere Bedeutung. Die Gefährdungseinstufung durch die Rote Liste
ist bei diesen Arten durch eine Verringerung der Siedlungsdichte bei nach wie vor weiter
Verbreitung begründet. Vorkommen in geringer Bestandsdichte bedeuten dementsprechend
nicht, dass auf den jeweiligen Flächen überdurchschnittlich günstige Lebensbedingungen
bestehen und dementsprechend eine über das Normalmaß hinausgehende, d.h. besondere
oder hervorragende Bedeutung gegeben ist. Eine besondere Bedeutung resultiert aus
Vorkommen dieser Arten, wo ihre Bestandsdichten über den für Baden-Württemberg oder
die Bundesrepublik bekannten, großflächigen Werten liegen oder die Lebensräume nicht nur
geeignet, sondern günstig sind. Die Arten, deren Vorkommen nur bei hohen Bestandsdichten
/ Individuenzahlen oder erkennbar hoher Lebensraumeignung eine besondere Bedeutung
bedingen, sind:
• Feldhase
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• Feldlerche
• Gimpel
• Girlitz
• Goldammer
• Haussperling
• Star
• Grasfrosch
• Erdkröte
Andererseits sind die folgenden landesweit auf der Vorwarnliste geführten Pflanzenarten in
den > 700 m ü.NN. gelegenen Gebietsteilen wegen ihrer Häufigkeit nicht zur Identifizierung
besonders bedeutender Flächen geeignet:
• Grau-Segge
• Stern-Segge
• Braun-Segge
• Sumpf-Veilchen
Weitere, jeweils fachlich begründete Sonderfälle der Bewertung sind:
• Moose: Einige Rindenmoose waren in der jüngeren Vergangenheit durch
Luftverschmutzung bedroht. Dieser Situation entsprechen die Einstufungen der Roten
Liste der Moose Deutschlands (LUDWIG et al. 1996). Aufgrund der inzwischen
verringerten Schadstoffbelastung haben sich viele epiphytische Moose wieder
ausgebreitet und sind nicht mehr bedroht. In der Roten Liste Baden-Württembergs
aus dem Jahr 2006 und im Verbreitungsatlas der Moose Deutschlands (MEINUNGER &
SCHRÖDER 2007) sind diese Bestandsverbesserungen berücksichtigt. Viele auf der
Bundesliste als gefährdet oder stark gefährdet eingestufte Moose sind hier als
ungefährdet geführt, was den mittlerweile bestehenden Gegebenheiten entspricht.
Das Vorkommen von Rindenmoosen, die nach der Roten Liste Baden-Württembergs
oder nach MEINUNGER & SCHRÖDER 2007 nicht bestandsbedroht sind, bedingt keine
Zuordnung von Flächen als hervorragend oder besonders bedeutsam.
• Fledermäuse: Eine hervorragende Bedeutung von Fortpflanzungsstätten besteht
unabhängig vom Gefährdungsgrad laut Roter Liste für überdurchschnittlich große
Wochenstubenkolonien.
• Heuschrecken: Bei einigen Heuschreckenarten war von IUS wegen der
offensichtlichen Bestandsveränderungen in neuerer Zeit eine von den
Gefährdungseinstufungen in der Roten Liste von 1998 abweichende
Flächenbewertung vorgenommen worden: Die Lauchschrecke wurde nicht als stark
gefährdete, sondern als gefährdete Art behandelt; die Sumpfschrecke wurde nicht als
stark gefährdete, sondern als ungefährdete Art behandelt; die Große Goldschrecke
wurde nicht als gefährdete, sondern als ungefährdete Art behandelt und die Alpine
Gebirgsschrecke wurde nicht als ungefährdete, sondern als bestandsbedrohte Art
behandelt. Die 2011 erschienene neue Rote Liste der Heuschrecken Deutschlands
bestätigt die Richtigkeit dieser Annahmen.
• Laufkäfer: Der Nachweis des als extrem selten geltenden Dromius quadraticollis bei
den vorliegenden Erfassungen müsste zu einer Einstufung der Flächen als
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hervorragend bedeutsam führen. Bei dieser mit den Standardmethoden nicht
nachweisbaren Art ist jedoch davon auszugehen, dass ihre tatsächliche Verbreitung
und ihre Gefährdung bislang nicht hinreichend bekannt sind, da geeignete
Lebensräume – u.a. Fichten-Bestände – weit verbreitet sind. Die besiedelten Flächen
werden daher nicht als hervorragend, sondern als besonders bedeutsam eingestuft. Der im Rahmen der Untersuchungen zur BAB 98, Abschnitt 6, erbrachte
Einzelnachweis des bundesweit stark gefährdeten Harpalus solitaris an einem
Wegrand nordwestlich des Bergsees führt nicht zur Einstufung des Bereichs als
hervorragend bedeutsam, denn der Lebensraum lässt den Aufbau einer Population
und ein beständiges Vorkommen nicht zu. Der Nachweis steht wahrscheinlich mit
Vorkommen in typischen, nahe gelegenen Habitaten im Zusammenhang (Röthekopf,
Egghalden).
1.2.2
Seltenheit
Das Kriterium wird für die Bewertung von Lebensräumen von Arten anhand tatsächlicher
Nachweise und daher auf der Objektebene verwendet.
Das Vorkommen seltener, aber nicht bestandsbedrohter Pflanzen- oder Tierarten bedingt
eine Einstufung der jeweils für das Vorkommen maßgeblichen oder entscheidenden Flächen
als besonders bedeutsam. Extrem seltene Arten gemäß den Roten Listen (dort
Gefährdungskategorie „R“) bedingen eine Einstufung der jeweiligen Flächen als
hervorragend bedeutsam.
Das Kriterium „Seltenheit“ führt nur in wenigen Fällen zur Einstufung zusätzlicher Flächen als
besonders bedeutend, weil die weitaus meisten seltenen Arten in den Roten Listen als
bestandsbedroht geführt werden und ihre Lebensstätten bereits aufgrund des Kriteriums
„Gefährdung“ als besonders oder hervorragend bedeutsam eingestuft werden. Zur
zusätzlichen Einstufung von Flächen als besonders bedeutsam führen Vorkommen der
folgenden regional seltenen, aber ungefährdeten Arten:
• Hirschzunge
• Heide-Günsel
• Alpen-Milchlattich
• Gefingerter Lerchensporn
• Sperlingskauz
1.2.3
Rechtlicher Schutzstatus
Das Kriterium ist für die Bewertung der Biotoptypen auf der Typusebene relevant.
Entscheidend ist der rechtliche Schutzstatus von Biotoptypen nach § 30 BNatSchG, § 32
NatSchG BW und nach § 30a LWaldG. Das Kriterium führt bezüglich der nach den
Naturschutzgesetzen geschützten Biotoptypen nur in wenigen Fällen zur Einstufung
zusätzlicher Flächen als besonders bedeutend, weil die meisten von ihnen bestandsbedroht
sind und bereits aufgrund des Kriteriums „Gefährdung“ eine hervorragende oder besondere
Bedeutung haben.
Die zusätzliche Einstufung von Flächen als besonders bedeutsam erfolgt bei den wenigen
Biotoptypen, die nach § 30 BNatSchG bzw. § 32 NatSchG BW geschützt, aber ungefährdet
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sind. Im Untersuchungsgebiet sind dies bestimmte Röhrichte und Großseggen-Riede, die mit
jeweils kleinen Beständen vertreten sind. Die Abgrenzung wird entsprechend den Beständen
vorgenommen, die den Kriterien des LUBW-Biotoptypenschlüssels entsprechen. Durch die
Überprüfung und Einzelzuordnung der Flächen erfolgt der Übergang zur Objektebene.
Die zusätzliche Einstufung von Flächen als besonders bedeutsam erfolgt weiterhin durch
Abgrenzungen der kartierten Biotopschutzwälder nach § 30a LWaldG. Bei nach § 30a
LWaldG geschützten Flächen, die keinem der nach § 30 BNatSchG geschützten Biotoptypen
entsprechen (Tobel und Klingen im Wald, strukturreiche Waldränder, regional seltene
naturnahe Waldgesellschaften), wird die Abgrenzung der amtlichen Kartierung für die
Bewertung als besonders bedeutender Bereich übernommen.
Weiterhin haben diejenigen Flächen von Naturschutzgebieten besondere Bedeutung, die für
den jeweiligen Schutzzweck lt. Rechtsverordnung relevant sind. Soweit Flächen in
Schutzgebieten keine Relevanz für den Schutzzweck haben, sind diese aufgrund des
Kriteriums „Rechtlicher Schutzstatus“ nicht besonders bedeutsam (z.B. naturferne
Waldbestände).
Auch die Naturdenkmale haben besondere Bedeutung; sie entsprechen aber generell
Biotoptypen, die aufgrund ihrer Gefährdung bereits besondere Bedeutung haben (v.a. Felsen
und Einzelbäume).
Nicht berücksichtigt werden Landschaftsschutzgebiete und der Naturpark „Südschwarzwald“.
Beide Schutzgebietskategorien umfassen große Bereiche, die auch Flächen ohne
bedeutsame Funktionen für Pflanzen und Tiere einschließen. Solche Flächen können auch
für den Schutzzweck maßgeblich sein, da sich dieser bei den Landschaftsschutzgebieten
u.a. auf die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft und bei den Naturparks auf die
Eignung für den Tourismus bezieht.
1.2.4
Arealkundliche Besonderheit / Verantwortlichkeit für den weltweiten Erhalt
Das Kriterium ist für die Bewertung von Lebensräumen von Arten auf der Objektebene
relevant, weil die tatsächlichen Vorkommen für die Bewertung der einzelnen Flächen
zugrunde gelegt wurden.
Für welche Arten eine hohe internationale Verantwortlichkeit besteht, ist durch die
einschlägigen Publikationen des Bundesamts für Naturschutz bestimmt (GRUTTKE 2004,
LUDWIG et al. 2007). Ein maßgeblicher Parameter für die Verantwortlichkeit Deutschlands für
Arten ist der Anteil Deutschlands am Weltareal. Ein hoher Anteil Deutschlands am Weltareal
bedingt eine hohe internationale Verantwortlichkeit. Weiterhin besteht eine hohe
internationale Verantwortlichkeit für vom Hauptareal vollständig isolierte Vorposten.
Einige Arten, an deren Weltareal Deutschland großen Anteil hat, sind hier sehr häufig und
ungefährdet (Beispiele: Rot-Buche, Wiesen-Pippau, Ringdrossel); ihre Vorkommen bedingen
keine besondere Bedeutung der Lebensstätten. Eine besondere Bedeutung haben die
Lebensstätten dann, soweit die Arten in Deutschland und / oder in Baden-Württemberg
bestandsbedroht sind. Insoweit besteht eine weitreichende Überschneidung mit dem
Bewertungskriterium „Gefährdung“. Eine hervorragende Bedeutung aufgrund des Kriteriums
„Arealkundliche Besonderheit / Verantwortlichkeit für den weltweiten Erhalt“ ist dann
gegeben, wenn die Arten umfangreiche Vorkommen bilden.
Zusätzlich zu den von GRUTTKE (2004) und LUDWIG et al. (2007) genannten Arten wird der in
Quellen des Untersuchungsgebiets vorkommende Strudelwurm Crenobia alpina in der UVS
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wie die bestandsbedrohten Arten mit hoher internationaler Verantwortung Deutschlands
berücksichtigt. Für Strudelwürmer gibt es weder eine bundes- noch eine landesweite Rote
Liste und auch keine Einstufung der internationalen Verantwortung Deutschlands. Das
Vorkommen von Crenobia alpina im Schwarzwald stellt einen vollständig isolierten
Vorposten dar (Kaltzeitrelikt) und wegen der engen Biotopbindung ist eine Gefährdung
wahrscheinlich. Damit erfüllt sie das Verantwortlichkeitskriterium.
Zusätzlich zu Vorkommen von Arten mit hoher internationaler Verantwortlichkeit
Deutschlands werden Vorkommen von Arten berücksichtigt, für die Baden-Württemberg im
nationalen Rahmen eine besondere Verantwortung hat. Umfangreiche Vorkommen bedingen
eine besondere Bedeutung der jeweiligen Lebensstätten.
1.2.5
Entwicklungspotential
Das Kriterium ist für die Bewertung von Lebensräumen und bestimmter Arten auf der
Objektebene relevant.
Das Kriterium „Entwicklungspotential“ wird für bestimmte konkret zu erwartende
Entwicklungen angewendet. Dies sind absehbare natürliche Einwanderungen
bestandsbedrohter Arten. Eine besondere Bedeutung haben diejenigen Flächen, die für die
Möglichkeit der Etablierung maßgeblich sind bzw. deren Verlust die Etablierung erschweren
würde. Beispiele für bestandsbedrohte Arten, deren natürliche Einwanderung absehbar ist
und die eine Einstufung für sie günstiger Lebensräume und Flächen als besonders
bedeutsam bedingen, sind Wolf, Wildkatze und Luchs.
Sonstige generelle Entwicklungspotentiale, deren Aktivierung nicht konkret zu erwarten ist,
sind für die Bewertung der Flächen nicht relevant. Die Einstufung von Potentialflächen mit
aktuell geringer Bedeutung als hochwertige Bereiche würde die Nachvollziehbarkeit der
Bewertung erschweren, zumal der Umstand, dass umfangreiche Verbesserungen aus
Naturschutzsicht grundsätzlich vorstellbar wären, oftmals Vorbelastungen entspricht. Die
Einschränkung naturschutzfachlich besonders bedeutsamer Entwicklungspotentiale wird
jedoch in der Wirkungsanalyse als wesentliche Wirkung berücksichtigt.
1.2.6
Funktion im Biotopverbund
Das Kriterium ist für die Bewertung von Lebensräumen bestimmter Arten auf der
Objektebene relevant.
Im Untersuchungsgebiet befindet sich ein Teil des internationalen Wildtierkorridors Nr. 28
(GWP): Eggberg (BW) - Hochbüel (CH) zwischen der Schweiz und dem Südschwarzwald.
Der Wildtierkorridor ist seiner Definition nach ein Bereich mit Funktionen im Biotopverbund.
Als hervorragend bedeutend sind aufgrund der großräumig hohen Relevanz des
Wildtierkorridors diejenigen Flächen eingestuft, deren dauerhafter Verlust seine
Verbundfunktionen zum Erliegen bringen könnte. Dies sind diejenigen Abschnitte des
Rheinufers, die den Tieren ein Überqueren des Flusses ermöglichen, sowie die
Gehölzbestände zwischen dem Rheinufer und dem Wehratalhang auf Höhe von
Günnenbach, die den Tieren Deckungsmöglichkeiten und Orientierung im Engpass des
Korridors bieten.
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Weitere Bereiche mit hervorragender Bedeutung aufgrund der Funktion im Biotopverbund
können z.B. Flugrouten von Fledermäusen zwischen Quartieren und Nahrungshabitaten
sein, soweit die Quartiere und die Nahrungshabitate hervorragend bedeutsam sind.
1.2.7
Lebensraumtypen oder Arten von gemeinschaftlichem Interesse nach
Artikel 1lit. c) bzw. Artikel 1lit. g) der FFH-Richtlinie oder von Vogelarten, die
nach Artikel 4 der Vogelschutzrichtlinie besonders zu schützen sind
Das Kriterium ist für die Bewertung von Biotoptypen und von Lebensräumen bestimmter
Arten relevant.
Die Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interesse gemäß der FFH-Richtlinie sind in
deren Anhang I aufgeführt, die Arten von gemeinschaftlichem Interesse in den Anhängen II
und IV. Lebensraumtypen des Anhangs I der FFH-Richtlinie, für Vorkommen von Arten der
FFH-Anhänge II und IV sowie für Vorkommen gemäß der Vogelschutzrichtlinie besonders zu
schützender Vogelarten haben aufgrund der europäischen Schutzrelevanz besondere
Bedeutung. Hinsichtlich der Biotoptypen besteht eine vollständige Überschneidung mit dem
Kriterium „Gefährdung“; alle Lebensraumtypen des Anhangs I der FFH-Richtlinie sind
zumindest bundesweit als bestandsbedroht eingestuft. Ebenso sind alle im
Untersuchungsgebiet vorkommenden Arten der Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie
bestandsbedroht. Insoweit erübrigt sich eine eigenständige Anwendung des Kriteriums.
Zwei gemäß Artikel 4 der Vogelschutzrichtlinie besonders zu schützende Vogelarten des
Untersuchungsgebiets sind jedoch wegen der stabilen oder zunehmenden Bestandssituation
in keiner Roten Liste als bedroht eingestuft (Schwarzspecht, Sperlingskauz). Die für sie
maßgeblichen oder entscheidenden Flächen haben besondere Bedeutung aufgrund des
Kriteriums „Vogelarten, die nach Artikel 4 der Vogelschutzrichtlinie besonders zu schützen
sind“. Der Sperlingskauz ist auch aufgrund des Kriteriums „Seltenheit“ für die besondere
Bedeutung von Flächen entscheidend.
1.2.8
Für die Bestandsbewertung nicht verwendete Kriterien
Die folgenden von GASSNER et al. (2010) benannten Kriterien wurden für die
Bestandsbewertung nicht angewendet:
• Naturnähe
• Regenerierbarkeit
• Grad der Stenökie
• Repräsentanz
• Kulturhistorische Zeugnisse
• Vollständigkeit des lebensraumtypischen Artenspektrums
• Standorttypische Vielfalt
• Bestandsgröße / Flächengröße
• Lebensraumkontinuität
Die Nicht-Anwendung der Kriterien erfolgte wegen ihres Mangels an Operationalisierbarkeit.
Dies wird nachfolgend begründet.
• Naturnähe: Die Naturnähe von Biotoptypen Mitteleuropas ist gerade durch die
Forschungen in neuerer Zeit immer weniger eindeutig geworden; Stichworte hierzu
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ATD-GE-PFA-D.01-01004-IUS-Anlage1-Z.0.pdf
sind z.B. Mosaikzyklustheorie / Patch Dynamics (zur eventuellen Naturnähe von
Schlagfluren und Ruderalvegetation) oder Megaherbivorentheorie (zur eventuellen
Naturnähe von Offenland auf waldfähigen Standorten, aber auch der ggf. nur
eingeschränkten Naturnähe von Buchen-Wäldern).
• Regenerierbarkeit: Ob ein Biotop oder ein Artvorkommen selbständig oder durch
gestaltendes Eingreifen des Menschen wieder entstehen kann, sagt nichts über
dessen Funktion für Pflanzen und Tiere aus. So können für zahlreiche
bestandsbedrohte Arten wichtige Pionierlebensräume schnell wieder hergestellt
werden, während die Regeneration von Beständen mit nur geringen Funktionen
ausschließlich für häufige Arten ggf. nur langfristig möglich ist (z.B. mehrere
Jahrzehnte alte Douglasien-Bestände).
• Grad der Stenökie: Der Begriff der Stenökie bezeichnet die enge Bindung von Arten
an bestimmte Lebensräume. Eine Beurteilung der Stenökie ist nur für einen geringen
Anteil der im Untersuchungsraum vorkommenden Arten möglich. Auch bei Arten, zu
deren Ökologie ein guter Forschungsstand besteht, ergeben sich immer wieder neue
Erkenntnisse, die bei einer Einstufung der Stenökie zu Unsicherheiten führen würden.
Hierfür gibt es zahlreiche Beispiele (Wanderfalke mit Brutplätzen an Industrieanlagen,
Weinhähnchen als ehemals „stenöke“ Magerrasenart in städtischen Lebensräumen,
Wochenstubenkolonie des Grauen Langohrs in einer Blockschutthalde).
• Repräsentanz: Nach GASSNER et al. (2010: 200) ergibt sich die Repräsentanz durch
den „Vergleich des Ist-Zustands mit dem im entsprechenden Bezugsraum
festgelegten
charakteristischen
Spektrums
an
Arten,
Biotopen
oder
Vegetationsausbildungen.“ – Für das Untersuchungsgebiet bzw. die Naturräume gibt
es kein festgelegtes charakteristisches Spektrum.
• Kulturhistorische Zeugnisse: Nach GASSNER et al. (2010: 200) sind „kulturhistorische
Zeugnisse der Flora, Fauna, Vegetation und Biotope (…) im Rahmen einer
historischen Landschaftsbildanalyse zu ermitteln.“ – Eine solche Analyse war nicht
Gegenstand des im Scopingverfahren festgelegten Untersuchungsumfangs. Sie wäre
auch nicht möglich, weil keine ausreichende Datenlage existiert (z.B. in Form
historischer Literatur- und sonstiger Quellenangaben).
• Vollständigkeit des lebensraumtypischen Artenspektrums: Nach GASSNER et al.
(2010: 200) ist das Kriterium hauptsächlich für Tierartenlebensgemeinschaften
anzuwenden. Hierzu reichen die wissenschaftlichen Kenntnisse bezüglich
Referenzzuständen von Tierartengemeinschaften im Untersuchungsgebiet bei
weitem nicht aus; das Untersuchungsgebiet war vor Beginn der vorhabenbezogenen
Erfassungen nur in geringer Intensität naturkundlich untersucht worden.
• Standorttypische Vielfalt: Das Kriterium bezeichnet die floristische Artenvielfalt und
die
vegetationskundliche
Gesellschaftsvielfalt.
Auch
hier
reicht
der
Durchforschungsgrad des Untersuchungsgebiets bei weitem nicht aus, um
Referenzzustände benennen zu können.
1.2.9
Zusammenfassung der Kriterienanwendung für die fünfstufige Bewertung
Hervorragende Bedeutung haben
1. Biotoptypen, die bundes- oder landesweit vom Aussterben bedroht oder bundesweit
stark gefährdet sind
12
ATD-GE-PFA-D.01-01004-IUS-Anlage1-Z.0.pdf
2. Flächen des internationalen Wildtierkorridor Nr. 28 (GWP): Eggberg (BW) - Hochbüel
(CH), deren temporärer oder dauerhafter Funktionsverlust die Korridorfunktion zum
Erliegen bringen könnte, sowie Fledermaus-Flugrouten im Zusammenhang mit
hervorragend bedeutsamen Quartieren / Nahrungsstätten
3. Flächen, die für Vorkommen von Arten als Reproduktionsstätten, Ruhestätten,
essenzielle Nahrungshabitate und Wanderkorridore maßgeblich oder entscheidend
sind, die
e)
a)
weltweit bestandsbedroht sind (unabhängig vom Gefährdungsgrad)
b)
europaweit gefährdet sind (vulnerable)
c)
bundesweit vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet sind,
d)
landesweit vom Aussterben bedroht sind oder
gefährdet sind und für die Deutschland eine hohe internationale Verantwortung hat
[umfangreiche Vorkommen (artspezifisch in Relation zum Vorkommen im
Untersuchungsraum)], , ansonsten besondere Bedeutung)
Besondere Bedeutung haben
1. Biotoptypen, die
a) in geringerem Maß (alle anderen Kategorien der RL Bund oder Land inklusive
Vorwarnliste)bestandsbedroht sind,
b) nach § 30 BNatSchG oder § 32 NatSchG BW geschützt sind,
c)
einem Lebensraumtyp des Anhangs I der FFH-Richtlinie entsprechen
2. Flächen, die nach § 30a LWaldG geschützt sind,
3. Flächen
mit
besonders
hohem
konkretem
bestandsbedrohte Arten für Wolf, Wildkatze und Luchs
Entwicklungspotential
für
4. Für die Vorkommen maßgebliche oder entscheidende Flächen von Arten, die
a) in geringerem
Ausnahmen)
Maß
bestandsbedroht
sind
(wenige
jeweils
begründete
b) selten sind,
c) nach Artikel 4 der Vogelschutzrichtlinie besonders zu schützen sind,
d) die im Anhang II und/oder IV der FFH-Richtlinie aufgeführt sind oder
e) für die Baden-Württemberg in nationalem Rahmen eine hohe Verantwortung hat
Allgemeine Bedeutung haben
1. Sonstige Biotoptypen, die von gebietsheimischen Pflanzenarten geprägt werden (bei
Wäldern zumindest in einer der Schichten)
2. bezüglich der Tier- und Pflanzenarten solche Flächen, die nur für sonstige Arten der
jeweiligen Gruppe als Lebensräume geeignet sind
Geringe Bedeutung haben
1. Biotoptypen, die nicht von gebietsheimischen Pflanzen geprägt werden und / oder
von denen Belastungen anderer Flächen ausgehen
2. bezüglich der Tier- und Pflanzenarten solche Flächen, die für die Arten der jeweiligen
Gruppe als dauerhafte Lebensräume ungeeignet sind und auch sonst keine zentralen
ortsgebundenen Lebensraumfunktionen erfüllen (z.B. Rastplätze) und / oder von
denen Belastungen für Arten der jeweiligen Gruppe ausgehen
13
ATD-GE-PFA-D.01-01004-IUS-Anlage1-Z.0.pdf
Keine Bedeutung haben
1. versiegelte Flächen sowie Industriegebiete, Ver- und Entsorgungsanlagen mit hohem
Versiegelungsgrad
2. und bezüglich der Tier- und Pflanzenarten solche Flächen, die für Arten der
jeweiligen Gruppe nicht besiedelbar sind und von denen Belastungen anderer
Flächen ausgehen (z.B. Straßen).
1.3
Skala von KAULE (1991) zur Gesamtbeurteilung für Biotoptypen, Pflanzen und
Tiere
Nachfolgend wird die Bewertungsskala von KAULE (1991: 318) unverändert wiedergegeben
(wörtliche Übernahme, unkommentiert):
Tabelle 1:
Bewertungskriterien für eine flächendeckende Bewertung für Belange des Artenschutzes
(Übersicht) (Quelle: KAULE [1991], S. 318)
Kriterien und Beispiele
9
Gebiete mit internationaler oder gesamtstaatlicher Bedeutung (NSG oder NP).
Seltene und repräsentative natürliche und extensiv genutzte Ökosysteme. In der
Regel alte und/oder oligotrophe Ökosysteme mit Spitzenarten der Roten Liste,
geringe Störungen sowie vom Typ möglich große Flächen.
Wälder, Moore, Seen, Auen, Felsfluren, alpine Ökosysteme, Küstenökosysteme,
Heiden, Magerrasen, Streuwiesen, Acker, Stadtbiotope mit hervorragender
Artenausstattung.
7
6
5
In den landesweiten Biotopkartierungen nicht oder
nur teilweise erfasst. Aufgabe der
Kleinstrukturkartierung
8
In den Biotopkartierungen aller
Bundesländer erfasst
Bewertung
Gebiete mit besonderer Bedeutung auf Landes- und Regionalebene (NSG/ND).
Wie 9, jedoch weniger gut ausgebildet, vorrangig auch zurückgehende
Waldökosysteme und Waldnutzungsformen, extensive Kulturökosysteme und
Brachen, Komplexe mit bedrohten Arten, die einen größeren Aktionsraum
benötigen.
Gebiete mit örtlicher und regionaler Bedeutung, LSG oder geschützter
Landschaftsbestandteil als Schutzstatus anstreben.
Nicht oder extensiv genutzte Flächen mit Rote-Liste-Arten zwischen
Wirtschaftsflächen, regional zurückgehende Arten, oligotraphente Arten,
Restflächen der Typen von 8 und 9, Kulturflächen, in denen regional
zurückgehende Arten noch zahlreich vorkommen.
Altholzbestände, Plenterwälder, spezielle Schlagfluren, Hecken, Bachsäume,
Dämme etc., Sukzessionsflächen mit Magerkeitszeigern, regionaltypische Arten;
Wiesen und Äcker mit stark zurückgehenden Arten, Industriebrache,
Böschungen, Parks, Villengärten mit alten Baumbeständen.
Kleinere Ausgleichsflächen zwischen Nutzökosystemen (Kleinstrukturen) nur in
Landschaftskomplexen LSG, in der Regel kein spezieller Vorschlag zur
Unterschutzstellung, ggf. geschützter Landschaftsbestandteil. Unterscheidet sich
von 7 durch Fehlen oder Seltenheit von oligotraphenten Arten und Rote-ListeArten. Bedeutend für Arten, die in den eigentliche Kulturflächen nicht mehr
vorkommen.
Artenarme Wälder, Mischwälder mit hohem Fichtenanteil, Hecken, Feldgehölze
mit wenig regionaltypischen Arten; Äcker und Wiesen, in denen noch
standortspezifische Arten vorkommen; kleinere Sukzessionsflächen in Städten,
alte Gärten und Kleingartenanlagen.
Nutzflächen, in denen nur noch wenig standortspezifische Arten vorkommen. Die
Bewirtschaftungsintensität überlagert die natürlichen Standorteigenschaften.
Grenze der „ordnungsgemäßen“ Land- und Forstwirtschaft; Äcker und Wiesen
ohne spezifische Flora und Fauna, stark belastete Abstandsflächen,
Fichtenforste, Siedlungsgebiete mit intensiv gepflegten Anlagen.
14
ATD-GE-PFA-D.01-01004-IUS-Anlage1-Z.0.pdf
Bewertung
Kriterien und Beispiele
4
Nutzflächen, in denen nur noch Arten eutropher Einheitsstandorte vorkommen
bzw. die Ubiquisten der Siedlungen oder widerstandsfähigsten Ackerunkräuter.
Randliche Flächen werden beeinträchtigt.
Äcker und Intensivwiesen, Aufforstungen in schutzwürdigen Bereichen,
Fichtenforste auf ungeeigneten Standorten (entsprechend sehr artenarm), dicht
bebaute Siedlungsgebiete mit wenigen extensiv genutzten Restflächen.
3
Nur für sehr wenige Ubiquisten nutzbare Flächen, starke Trennwirkung, sehr
deutlich Nachbargebiete beeinträchtigend.
Intensiväcker mit enger Fruchtfolge, stark verarmtes Grünland, 4-8 höhere
Pflanzenarten/100m², Wohngebiete mit „Einheitsgrün“, Zwergkoniferen, Rasen,
wenige Zierpflanzen.
Forstplantagen in Auen und in anderen schutzwürdigen Lebensräumen.
2
Fast vegetationsfreie Flächen.
Durch Emissionen starke Belastungen für andere Ökosysteme von hier
ausgehend. Gülle-Entsorgungsgebiete in der Landwirtschaft, extrem enge
Fruchtfolgen und höchster Chemieeinsatz, intensive Weinbau- und Obstanlagen,
Aufforstungen in hochwertigen Lebensräumen, Intensiv-Forstplantagen.
1
Vegetationsfreie Flächen. Durch Emissionen sehr starke Belastungen für andere
Ökosysteme von hier ausgehend.
Innenstädte, Industriegebiete fast ohne Restflächen, Hauptverkehrsstraßen.
1.4
Literatur
GASSNER, E., A. W INKELBRANDT & D. BERNOTAT (2010): UVP und Strategische
Umweltprüfung. Rechtliche und fachliche Anleitung für die Umweltprüfung. – Heidelberg.
GRUTTKE, H. (2004): Ermittlung der Verantwortlichkeit für die Erhaltung mitteleuropäischer
Arten. – Naturschutz und biologische Vielfalt 8, Bonn-Bad Godesberg.
KAULE, G. (1991): Arten- und Biotopschutz. – Stuttgart.
KRATSCH, D. & J. SCHUMACHER (2007): Naturschutzgesetz Baden-Württemberg –
Kommentar. – Wiesbaden.
LAMBRECHT, H., W. PETERS, J. KÖPPEL, M. BECKMANN, E. W EINGARTEN & W. W ENDE (2007):
Bestimmung des Verhältnisses von Eingriffsregelung, FFH-VP, UVP und SUP im
Vorhabensbereich. – BfN-Skripten 216, Bonn-Bad Godesberg.
LUDWIG, G., R. DÜLL, G. PHILIPPI, M. AHRENS, S. CASPARI, M. KOPERSKI, S. LÜTT, F. SCHULZ &
G. SCHWAB (1996): Rote Liste der Moose (Anthocerophyta et Bryophyta) Deutschlands. –
Schriftenreihe für Vegetationskunde 28, S. 189-306. – Bonn-Bad Godesberg.
LUDWIG, G., R. MAY & C. OTTO (2007): Verantwortlichkeit Deutschlands für die weltweite
Erhaltung der Farn- und Blütenpflanzen – Vorläufige Liste. – BfN-Skripten 220, Bonn-Bad
Godesberg.
MEINUNGER, L. & W. SCHRÖDER (2007): Verbreitungsatlas der Moose Deutschlands, Bd. 1 –
3. – Regensburg.
RIECKEN, U., P. FINCK, U. RATHS, E. SCHRÖDER & A. SSYMANK (2006): Rote Liste der
gefährdeten Biotoptypen Deutschlands. Zweite fortgeschriebene Fassung 2006. –
Naturschutz und biologische Vielfalt 34, Bonn-Bad Godesberg.
15
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