Die Weissenhofsiedlung in Stuttgart Entwicklungsgeschichte der

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Die Weissenhofsiedlung in Stuttgart
Entwicklungsgeschichte der Immobilie
Mai 2009
Alexander Hummel
Andreas Dörfel
Daniela Flemming
Peter Zimmerer
Inhaltsverzeichnis
Die Weissenhofsiedlung in Stuttgart ...................................................................................1
Planung und Bau der Weissenhofsiedlung ..........................................................................3
Planung und Baufortschritt ..............................................................................................3
Bemerkungen zum Bau ..................................................................................................3
Die Prinzipien der Architekten..........................................................................................4
Die Architekten der Weißenhofsiedlung ...............................................................................5
Fünf Punkte zu einer neuen Architektur:..........................................................................7
Erste bauliche Veränderungen in den Jahren 1927-1939................................................9
Kriegszerstörung und bauliche Veränderung durch militärische Nutzung in den Jahren
1939 – 1945 (im Besitz des deutschen Reiches).............................................................9
Veränderungen und Instandsetzung 1945-1981............................................................10
Sanierung und Fortbestand bis heute............................................................................12
Einfluss auf die heutige Architektur....................................................................................13
Planung und Bau der Weissenhofsiedlung
Planung und Baufortschritt
Die Weissenhofsiedlung wurde seitens des „Deutschen Werkbundes“ angesichts der
Wohnungsnot geplant. Anstelle, dass bestehende Gebiete erweitert wurden, sollte hier
eine komplett neue Siedlung entworfen werden. 1925 beschloss der Gemeinderat in
Stuttgart hierfür eine Etat-Erhöhung zu Gunsten des Wohnungsbaus. Die insgesamt 63
Wohneinheiten, die der Werkbund errichtete, sollten zur Bauausstellung 1926 präsentiert
werden, wobei der Termin auf das Jahr 1927 verschoben wurde. Ludwig Mies van der
Rohe und Walter C. Behrendt wurden hierfür als Berater engagiert. Mies van der Rohe
konnte 17 Architekten für die Planung gewinnen; darunter auch Le Corbusier, gegen den
vorerst Ressentiments herrschten, P. Behrens, W. Gropius und andere. Nachdem im Juli
1926 die Gemeinde Stuttgart das Bauvorhaben genehmigt hatte, folgte am 1. März 1927
der Spatenstich auf dem Weissenhof Gelände. Bis zum 6. September 1927 konnten die
Gebäude fertiggestellt werden, wobei der Beginn der Ausstellung für den 16. Juli 1927
geplant war.
Abschließend ist zu bemerken, dass die Weissenhofsiedlung bis in die 50er Jahre
keine sonderliche Wertschätzung erfuhr. Die Kritik war während des Baus nämlich am
deutlichsten. Das Projekt wurde so z.B. äußerst kontrovers im Gemeinderat diskutiert und
Le Corbusier erfuhr manche Denunzierung als Französisch sprechender Schweizer.
Bemerkungen zum Bau
Das Vorhaben bestand insgesamt aus 21 Häusern; im Wesentlichen aus
Einfamilienhäusern (Le Corbusier, Mies), Appartementhäusern (Mies, Behrens) und
Reihenhäuser (Oud, Stam). Mies van der Rohe war als künstlerischer Leiter derjenige, der
die Architekten kontaktierte und ihre Entwürfe für die Projekte koordinierte. Als die Planung
präziser wurde, kam es zu den ersten Kostenkalkulationen. Im Dezember 1926 hielt Mies
van der Rohe die Architekten an, hauptsächlich einfache und gut organisierte Gebäude zu
entwerfen, um den Vorgaben des Werkbundes zu entsprechen. Darüber hinaus
vergrößerten sich die Kosten immens, was zu weiteren Spannungen zwischen dem BauKomitee und den Architekten führte. So zögerte sich der Baubeginn durch die
Nachverhandlungen sehr weit hinaus. Bei den Ausschreibungen, entstand die
Problematik, dass nur lokale Baufirmen beauftragt werden durften, was sich als einer der
Gründe für die Bauverzögerung herausstellte. Die örtlichen Unternehmen entsprachen
nicht den vorgegebenen Anforderungen bezüglich der modernen Fertigungstechniken und
sie waren noch nicht spezialisiert genug, um verlässliche Leistungen schnell zu erbringen.
Neuheiten, die hier realisiert wurden waren z.B. der Bau von Dachterrassen, von
Stahlbeton im Wohnungsbau, oder der Einbau von verschiebbaren Wänden oder
besonderen (Vertikalschiebe- /Klapp-) Fenstern. Selbst die Architekten bemängelten im
Nachhinein die schlechte Bauqualität.
Die Prinzipien der Architekten
Die grundlegende Auseinandersetzung der Architekten bestand in der Industrialisierung,
Standardisierung und Typisierung der Gesellschaft und somit der Bauwerke. Die
industrielle Revolution begann zwar schon im 18. Jahrhundert in England, aber kam erst
im 20. Jahrhundert in Deutschland zur völligen Entfaltung. Die erste Serienproduktion
wurde schließlich auch erst zur gleichen zeit in den USA bei dem Unternehmen Ford
entwickelt. Im Zuge dessen kam es zu einer Neuorganisation der Wohnungsbaus, zu einer
Neuorientierung der Konstruktion und bei den Materialien. Hierbei tritt der
Montagetrockenbau als kennzeichnendes Fertigungsverfahren auf, bei dem alle
Komponenten im Werk erstellt werden, wonach die Bauteile montagefertig auf der
Baustelle schnell eingebaut werden können. Dieses rückblickend völlig herkömmliche
Verfahren, war damals eine wesentliche Neuerung. Der industriell betriebene Hausbau
war sollte v.A. günstige und praktische Wohnungen ermöglichen.
Nach diesem Muster wurde das „Gegenprojekt“ zur Weissenhofsiedlung, die
Kochenhofsiedlung realisiert. Die Probleme, die bei diesem Modell auftreten, sind der
Verlust an Individualität im Kontrast zu einer „kollektiven Durchbildung“1 der Gebäude, die
drohende Uniformität, Gleichheit. In diesen autoritären Prinzipien der Vereinheitlichung
und Rationalisierung leidet der kulturelle, Charakter-stiftende Anspruch der Architekten
und der Bewohner.
Entsprechend wurden die Gebäude für die bürgerliche, städtische Mittelschicht
entworfen, um für diese Ambivalenz einen Präzedenzfall zu schaffen. Die Häuser wurden
z.B. in verschiedenen Weißtönen gestrichen, wobei manche Details der Fassade auch in
pink, blau oder grün kombiniert wurden. Außerdem kam es auch zu einer sehr
ästhetischen Formgebung. Die Weissenhofsiedlung hat also die technologischen,
rationalen Fortschritte genutzt und gleichzeitig ihren gestalterischen und ästhetischen
1 S. 14 Much, Franz J.: Denkschrift zur Werkbund-Ausstellung. Die Wohnung Stuttgart 1927
Anspruch nicht verloren. Mies van der Rohe äußerte sich entsprechend: „I believe that
particulary in the single-family house, only parts should be standardized, never the whole,
which would exclude desirable possibilities.“2 Bei den Einfamilienhäusern wurden auch
diverse „Fünf Punkte zu einer neuen Architektur“ befolgt, wonach das Haus auf Säulen
stehen sollte, um die Erdfeuchte fern zu halten. „Es sollte ein Dachgarten erhalten, um die
verbaute Fläche Garten oben wieder zu erlangen. Es sollte einen freien Grundriss haben,
der eine freie Anordnung der Wände möglich machte. Ein langes Fenster sollte eine
gleichmäßige Belichtung der Innenräume ermöglichen. Die Fassade sollte frei in der
Gestaltung sein, ohne Rücksicht auf tragende Mauerpfeiler, wie an herkömmlichen
Bauten.“3
Die Architekten der Weißenhofsiedlung
Eines der großen Probleme zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland war die
Wohnungsnot, vor allem in den Großstädten. Es mangelte an gesunden Wohnungen zu
erträglichen Preisen für große Teile der Bevölkerung. Zu Beginn der 20er Jahre, als die
schlimmsten Kriegsfolgen des Ersten Weltkriegs überstanden waren, rückte auch die
Kunst und Architektur wieder in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Die politische Situation
hatte sich normalisiert und die Wirtschaft, insbesondere die Bauwirtschaft, hatte sich
erholt. In den Städten wurde jetzt vermehrt Wohnungsbau betrieben, um die vorhandene
Wohnungsnot zu bekämpfen.
Im Jahre 1925 schlug der Deutsche Werkbund, eine Vereinigung von Künstlern,
Architekten, Handwerkern und Industriellen vor, - als Beitrag zu Lösung des
Wohnungsproblems -, eine Mustersiedlung zu bauen, die in der Öffentlichkeit zur
Diskussion gestellt werden sollte. Das Herzstück der Ausstellung war die
Weißenhofsiedlung mit ihren 21 Häusern. Wichtigstes Anliegen war es, Möglichkeiten des
„Neuen Wohnens“ für den Großstadtmenschen aufzuzeigen.
Nachdem der Deutsche Werkbund den Auftrag zum Bau der Weißenhofsiedlung von der
Stadt Stuttgart erhalten hatte, wurde der Deutsche Architekt Ludwig Mies van der Rohe,
der durch ungewöhnliche Hochhausentwürfe aus Stahl und Glas – untypisch zu dieser Zeit
– aufgefallen war, zum künstlerischen Bauprojektleiter bestimmt. Dieser erarbeitete ein
2 S. 69, Pommer, Richard, Otto, Christian F.: Weissenhof 1927. Modern Movement in Architecture
3 S. 6, K.Kirsch, I.Kapp, C.Munkert: Leben im Muserum. Das Doppelwohnhaus von Le Corbusier in der
Weißenhofsiedlung in Stuttgart
erstes Bebauungsmodell.
Von 1925 an wurden vom Deutschen Werkbund zahlreiche Listen von fähigen und
würdigen Architekten erstellt, denen Aufträge erteilt werden sollten, ihre Ideen zum Thema
„Die Wohnung für den Großstadtmenschen“ umzusetzen und zu präsentieren.
Nach langen Beratungen wurde erst im November 1926, knapp 3 Monate von Baubeginn,
der endgültige Stab der am Bauprojekt beteiligten Architekten festgelegt. Neben dem
künstlerischen Leiter Mies van der Rohe kamen 16 weitere Architekten aus Deutschland,
Holland, Belgien, Österreich und der Schweiz hinzu:
Peter Behrens, Berlin; Le Corbusier mit Pierre Jeanneret, Paris; Richard Dökker, Stuttgart;
Josef Frank, Wien; Walter Gropius, Dessau; Ludwig Hilberseimer , Berlin; Ludwig Mies
van der Rohe, Berlin; Jacobus Johannes Pieter Oud, Rotterdam; Hans Poelzig, Berlin;
Adolf Rading, Breslau; Hans Scharoun, Breslau; Adolf Gustaf Schneck, Stuttgart; Mart
Stam, Rotterdam; Bruno und Max Traut, Berlin; Victor Bourgeois, Brüssel.
Das Projekt wurde unterstützt von 55 weiteren Architekten und Innenarchitekten, die den
Hauptarchitekten mit Rat und Einrichtungsvorschlägen zur Seite standen.
Rein äußerlich betrachtet war die Weißenhofsiedlung homogenen Baustils,
gekennzeichnet durch weiße Wände und Flachdächer – zwei der wenigen Vorgaben Mies
van der Rohes. Ansonsten ließ der Projektleiter seinen Architekten viel Spielraum und
Individualität. Das Prinzip der Funktionalität und Einfachheit hielten alle ein, dennoch
waren ihre Lösungen der „Neuen Wohnung“ grundsätzlich voneinander verschieden.
Des weiteren waren die Architekten nicht für Planung und Bau der Gebäude selbst
verantwortlich, sondern übernahmen auch die Einrichtung und Innenarchitektur.
Le Corbusier, einer der 17 Architekten, war der eigentliche Star der Ausstellung. Seine
Gebäude waren am gewagtesten und so neu in der Konzeption und Ausführung, dass sie
zur Sensation der Ausstellung wurden. Seine Person und seine Merkmale der Architektur
sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden.
Le Corbusier wurde am 6. Oktober 1887 in La-Chaux-deFonds, Schweiz geboren unter dem bürgerlichen Namen
Charles-Edouard Jeanneret-Gris. 1902 machte er eine
Ausbildung zum Graveur und wendete sich der Malerei
und Architektur zu. Es folgten mehrere Studienreisen nach
Italien, Budapest und Wien. 1917 siedelte er nach Paris
über. Bereits vor der Ausstellung der Weißenhofsiedlung
1927 war Le Corbusier weit über die Grenzen Frankreichs
als Architekt, Stadtplaner und Zeichner bekannt
geworden. Zu seinen frühen Arbeiten zählt die
Entwicklung des „Dom-ino“-Bausystems zur industriellen
Serienproduktion von Häusern in Stahlbeton
Skelettbauweise aus vorgefertigten Teilen.
Bei der Auswahl der Architekten für das Bauprojekt wurde Le Corbusier zuerst „aus
nationalen Gründen“ abgelehnt, da er als Westschweizer Erbfeind war. Mies van der Rohe
setzte sich aber für dessen Mitwirkung ein, um international über die Grenzen
Deutschlands hinaus Aufmerksamkeit für dieses Projekt zu erregen.
Le Corbusiers Architekturtheorie begründet sich auf dem Erstellen von zweckmäßigen,
funktionalen und wirtschaftlichen Gebäudegestaltungen aus einfachen geometrischen
Formen in Verbindung mit dem Einsatz neuer technischer Möglichkeiten und der
Verwendung von neuzeitlichen Baustoffen wie Eisenbeton, Stahl und Fertigteilen.
1926 veröffentlichte er seine Publikation „5 Punkte zu einer neuer Architektur“. Mit
diesen neu erstellten Architektur-Regeln leistete Le Corbusier einen wesentlichen
architekturtheoretischen Beitrag zur modernen Baukunst. Besonders anschaulich wurden
diese Regeln bei dem Doppelhaus in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung umgesetzt.
(Dieses Gebäude ist eines der herausragendsten der klassischen Moderne.)
Fünf Punkte zu einer neuen Architektur:
Die Pfosten:
Le Corbusier trennt die nichttragenden von den tragenden Bauteilen. Mauern
werden durch einzelne Pfosten (aus Eisenbeton) ersetzt, welche statisch
berechnet werden und in bestimmten gleichen Abständen angeordnet werden,
ohne Rücksicht auf die innerer Anordnung des Gebäudes zu nehmen. Die
Pfosten steigen mehrere Meter unmittelbar vom Boden auf und heben das
gesamte Gebäude empor. Die Räume werden dadurch der Erdfeuchtigkeit
entzogen.
Der Dachgarten:
Le Corbusier verwendet Flachdächer anstelle der konventionellen Steildächer.
Das Flachdach wird als Dachterrasse oder Dachgarten zu Wohnzwecken
genutzt. Üppige Vegetation ist durch eine latente Feuchtigkeit auf der Dachhaut
infolge des äußerst langsam abfließenden Regenwassers möglich. Die
Dachgärten bedeuten eine Wiedergewinnung der verbauten Fläche.
Die freie Grundrissgestaltung:
Durch das Pfostensystem werden die Zwischendecken getragen und es gibt
keine Tragwände mehr, die übereinanderstehen müssen. Folge davon ist die
Freiheit in der Grundrissgestaltung. Zwischenwände können nach Bedürfnis
beliebig hereingestellt werden.
Das Langfenster:
Die Pfosten in Verbindung mit den Zwischendecken bilden rechteckige
Öffnungen. Die Fenster können sich von Pfosten zu Pfosten erstrecken – sie
werden zu Langfenstern. Durch dieses neue Fensterformat werden die dahinter
liegenden Räume 8-fach mehr belichtet als bei Hochkantfenstern mit gleicher
Fläche.
Die freie Fassadengestaltung:
Der Fussboden und die Decke ragen über die Pfosten hinaus. Dadurch rückt
man die ganze Fassade über die Tragkonstruktion hinaus. Sie verliert ihre
tragende Wirkung. Folge ist eine völlig freie Gestaltung der Fassade, Fenster
können beliebig angeordnet werden.
Le Corbusiers Materialverwendung (Stahl, Beton) und bevorzugte Bauweise mit
Stützen waren wegweisend für das "Neue Bauen“. Er starb am 27. August 1965 in CapMartin, Monaco. Er gilt heutzutage als einer der bedeutendsten und einflussreichsten
Architekten des 20. Jahrhunderts.
Chronik der Weissenhofsiedlung
Erste bauliche Veränderungen in den Jahren 1927-1939
Nach dem Ende der Ausstellung im Oktober 1927 wurden die Wohnungen ihrer
ursprünglichen Bestimmung zugeführt und an größtenteils besser verdienende
Akademikerfamilien vermietet, die recht bald ihre individuellen Wohnvorstellungen und
Bedürfnisse bei der Stadt anmeldeten. So erfolgten zum Beispiel in den Jahren 1932 1936 der Ausbau beziehungsweise die Erweiterung einiger Terrassen.
Schon seit 1927 mussten gravierende Baumängel behoben werden, die schnelle
Bauzeit (Anfang März bis Mitte Juli 1927) erlaubte es nicht bei der Erstellung der
Gebäude den Ausführungsdetails ausreichend Sorgfalt entgegenzubringen, so wurden
zum Beispiel Grundierungen versäumt, es entstanden klaffende Risse an den Wänden,
einige Wandschränke schlossen undicht und an manchen Häusern bröckelte die
Tünche.
Die Einbringung neuer Konstruktionen und Materialien brachten technische Mängel, da
diese zuvor nicht ausreichend erforscht worden sind und zu deren Beseitigung
unverhältnismäßig viele sachverständige Architekten benötigt wurden.
Kriegszerstörung und bauliche Veränderung durch militärische Nutzung
in den Jahren 1939 – 1945 (im Besitz des deutschen Reiches)
1939 wurde die Siedlung für die Summe von ca. 1,3 Millionen Reichsmark an das
deutsche Reich verkauft. Das Oberkommando des Heeres in Berlin plante den Abriss
der gesamten Siedlung und die Errichtung eines neuen Gebäudekomplexes für das
Generalkommando V.
Horsch, Hehl und Hettler erarbeiteten 1939 - 1940 die Ausführungs- und Werkpläne.
1941 wurde die Planung jedoch wieder eingestellt, da das Generalkommando nach
Straßburg verlegt wurde.
Da die Wohnungen von den Mietern bereits geräumt wurden, nutzte man sie nun als
Büros, als Quartier für Soldaten und eines der Häuser als Krankenhaus für scharlachund diphterieerkrankte Kinder. Selbstverständlich wurden die Wohnungen
beziehungsweise die Innenräume in den Kriegsjahren den Nutzerbedingungen
angepasst und durch zum Beispiel Hausinstallationen, Wände, Türen und
Farbanstriche wesentlich verändert.
Durch die Luftangriffe im Jahr 1944 wurden acht Gebäude bis auf die Grundmauern
zerstört oder so schwer beschädigt, dass sie nicht wieder aufgebaut werden konnten.
Auch die durch den Angriff nicht konstruktiv zerstörten Häuser wiesen eine enorme
Schadensbilanz auf. Durch den Druck der Luftminen gingen in fast allen Häusern die
Fensterscheiben zu Bruch, bei den Reihenhäusern von Oud gingen sogar die 4.5 cm
dicken Trennwände kaputt. Bei den weiterhin zu befürchtenden Luftangriffen lohnte es
sich nicht die Fenster neu zu verglasen, deshalb wurden die entsprechenden
Öffnungen einfach zugemauert.
Brandbomben beschädigten die Flachdächer, welche gegen Ende des Krieges nur
notdürftig repariert werden konnten. Dadurch entstanden enorme Wasserschäden.
Notwendige Wartungsarbeiten wurden während des Krieges wenn überhaupt
unzureichend durchgeführt, was die Schädigung von Fassaden, Flachdächern,
Fenstern, Türen und sonstiger Einbauten beschleunigte.
Veränderungen und Instandsetzung 1945-1981
Die mangelhaften Gesamtumstände nach dem Krieg führte dazu, dass auf
originalgetreue Wiederherstellung und Beseitigung der Kriegsschäden keinen Wert
gelegt werden konnte. Um schnellst möglichen Wohnungsraum für die Bevölkerung zu
schaffen konnten die Häuser nur notdürftig ausgebessert werden. Die Ruinen einiger
Häuser dienten als Baumaterialresevoir oder als Viehställe.
Dass die Bedeutung der Weißenhofsiedlung in den Nachkriegsjahren verkannt wurde
zeigt nichts deutlicher als die Errichtung von Satteldächern am Haus von Behrens im
Jahre 1950 mit der Begründung, dass Flachdächer sowieso nicht dicht zu kriegen
wären. Mitte der 50er Jahre wurden einige der Häuser, die sich noch in befriedigendem
Zustand befanden, abgerissen.
Zitat von August Gebessler in einem Brief des des Landesdenkmalamtes BadenWürttemberg an den Bund deutscher Architekten 1985:
„Hier haben die Verfechter des >regionalen Traditionalismus< späte Triumphe feiern
können.“
Haus von Behrens im Jahr 1950
Haus von Behrens im Jahr 1927 und seit 1964 (nach Umbau)
Im Jahr 1958 wurde die noch erhaltenen Originalgebäude auf Antrag des damaligen
Oberbürgermeisters Anulf Klett unter Denkmalschutz gestellt. Die aufmerksam
gewordene Öffentlichkeit protestierte damals gegen den Abriss des dritten
Originalhauses (von Le Corbusier)
Bis 1961 wurden die zerstörten Originalhäuser durch Neubauten ersetzt.
1964 entwarf Horst Linde ein Gesamtsanierungsprogramm für die Weißenhofsiedlung.
Diese beinhaltete die Instandsetzung des äußeren Erscheinungsbildes der 11 im
Originalzustand erhaltenen Gebäude (Fenster, Türen, Außenputz), die Instandsetzung
der Außenanlagen und den Umbau der Gebäuden, die mit Steildach versehen wurden.
Im Jahre 1978 mussten die Vertreter der zuständigen Fachbehörden feststellen, dass
trotz der Investitionen des Bundes von insgesamt 4 Millionen DM seit Kriegsende zur
Erhaltung der Wohnanlage, diese sich in einem heruntergekommenen, verwahrlosten
Zustand befand.
Reihenhäuser von Oud im Jahre 1981
Reihenhäuser von Oud nach der Sanierung
Sanierung und Fortbestand bis heute
In all den Jahren bis 1982 wurden Renovierungsarbeiten ausschließlich nach dem
Interesse der Mieter/Besitzer durchgeführt, ohne dass diese sich große Gedanken
über die ursprüngliche Architektur der Häuser machten.
1982 erfolgte dann ein Planungsauftrag zur „Instandsetzung und Restaurierung der
unter Denkmalschutz stehenden Liegenschaften“, so konnte das Hochbauamt
planerische Grundlagen erarbeiten um die Siedlung bis 1987 umfassend und
denkmalgerecht zu sanieren.
2006 wurde das Weißenhofmuseum im Haus von Le Corbusier eröffnet.
Alle bis auf ein Wohnhaus befinden sich noch immer im Besitz des Bundes und sind bis
heute vermietet.
Einfluss auf die heutige Architektur
In modernen Wohngebieten unserer Zeit dominieren kubische Gebäude mit weißen
Fassaden und flachen Dächern. Genau diese Form des Bauens kann man in der vor 82
Jahren errichteten Weißenhofsiedlung vorfinden.
Aufgrund dessen kann man sich aus heutiger Betrachtungsweise nur schwer
vorstellen, dass die Siedlung bereits so viele Jahre besteht.
Abbildung 1 Modernes Einfamilienhaus
Abbildung 2 Wohnhaus der
Weißenhofsiedlung
Mit der Ausstellung auf dem Stuttgarter Killesberg begann man sozusagen den Eintritt in
die moderne Baukunst und löste den davor vorherrschenden Jugendstil ab, bei dem es
üblich war die Gebäude mit zahlreichen Ornamenten und geschwungenen Linien zu
verzieren.
Bei der Weißenhofsiedlung beschränkte man sich auf die Funktionalität der
Gebäude und schaffte es trotz asymmetrischer Bauweisen auch eine gewisse Ästhetik zu
bewahren.
Unter der Leitung des führenden Architekten Ludwig Mies van der Rohe und dem
deutschen Werkbund vereinbarte man, sich auf die Grundformen Kubus, Prisma und
Zylinder zu beschränken. Die Richtlinie war es anstatt von Repräsentationsbauten
Gebrauchsfähige Wohnhäuser zu schaffen(´´ forms follows function´´).Dies führte zu einer
geradlinigen und klaren Architektur der ´´Experimentalbauten´´ in der Weißenhofsiedlung.
Ein weiteres Ziel der Bauherren und Architekten war es, eine bessere Wirtschaftlichkeit
beim Bau neuer Wohngebäude zu schaffen. Diese ist seit jeher und besonders heute von
sehr großer Relevanz.
Aufgrund des immer größer werdenden Anteils der Lohnkosten während des Baus von
Gebäuden in den letzten Jahrzehnten, war es damals schon sinnvoll geworden anstatt
eines Ziegelmauerwerks neuartige Bauweisen wie die Leichtbeton-/Trocken-/ und
Skelettbauweise aus Fertigteilen anzuwenden.
Im Zuge dieser konstruktiven Innovationen, mit deren Möglichkeiten man bei der
Entwicklung der Weißenhofsiedlung ´´spielte´´, erhielt man neue architektonische
Freiheiten, bei denen es möglich war die Grundrisse auf die individuellen Benutzer
anzupassen.
Allerdings versuchten die Architekten auch mit ihren bis ins Detail geplanten
Gebäuden Musterwohnungen zu entwickeln die einmal geplant sehr oft gebaut werden
würden. Mit allen entsprechenden Wohnungsausstattungen an denselben Plätzen. Dieser
Gedanke verlor sich jedoch, denn mit dem aufkommenden Freiheitsdenken der
Gesellschaft in den 20er Jahren wurde der Wunsch nach mehr Individualismus immer
größer. Diese Entwicklung hält noch bis heute an. Zwar baute man in der ehemaligen DDR
Tausende Wohnungen nach derselben Bauart allerdings geschah dies aus dem Grund,
dass sehr schnell viel Wohnungsraum geschaffen werden sollte.
Ein weiterer Aspekt der Gebäude, der heute noch eine sehr beliebte Ausstattung für
Wohnungen ist, sind die durch die Neuerungen der Konstruktion möglich gewordenen
breiten Fensterzeilen. Für solche Spannweiten musste man Stahlbeton verbauen, der bis
dahin für den Wohnungsbau eher unüblich war. Ausgedehnte Fensterflächen ließen viel
Sonnenlicht ins Innere der Gebäude und ermöglichte eine bessere Belüftungssituation,
wodurch eine bessere Hygiene der Bewohner gewährleistet wurde.
Der Stahlbeton ermöglichte es auch Dächer zu Flachdächern umzukonstruieren,
was bei der Weißenhofsiedlung der Fall war. Auf dem nun geschaffenen Raum konnte
man Dachterrassen ausbilden welche auch heutzutage noch sehr gefragt und beliebt sind.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass man mit der Weißenhofsiedlung ein ´´Denkmal
der modernen Architektur´´ schuf. Denn die meisten Ideen wurden nach der
Werkbundausstellung nicht verworfen sondern fanden bis heute Einklang in den modernen
Wohnungsbau. Ziele die heute beim Bau eines Wohngebäudes wichtig sind, waren bis auf
wenige Ausnahmen auch Grundlagen bei der Weißenhofsiedlung, dazu zählen der
Wunsch nach Wirtschaftlichkeit, Funktionalität und der Bezug nach draußen mithilfe von
guten Belichtungssituationen.
Quellenangabe:
Ulmer M., Kurz J.: Die Weißenhofsiedlung – Geschichte und Gegenwart, Hampp Verlag,
Stuttgart 2006
Classen H.: Die Weissenhofsiedlung- Beginn eines neuen Bauens, Harenberg Edition,
Dortmund 1990
www.wikipedia.de
http://www.goruma.de/Wissen/KunstundKultur/Architekturdes20und21Jahrhunderts/Europ
a/Weissenhofsiedlung_Stuttgart.html
Hermann Nägele: Die Restaurierung der WHS 1981-1987
Christa Munkert: Leben im Museum
.Mitteilungsblatt Staatlicher Hochbau BW: Energiesparendes Bauen
Richard Pommer& Christian F. Otto: WHS 1927 And the Modern Movement in
Architecture
Karin Kirsch: WHS kleiner Führer
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