Europäische Seen im Klimawandel Ein Kooperationsprojekt von neun Partnern aus vier Ländern • Lake Garda Community (Lead Partner) • Italian National Research Council • Environmental Protection Agency of Trento • Edmund Mach Foundation • AIT – Austrian Institute of Technology • Österreichischer Naturschutzbund Burgenland soll folgende Fragen beantworten: • University of Pannonia • Lake Balaton Development Coordination Agency • Wie ist der derzeitige ökologische Zustand der Seen? • Wie hat sich die ökologische Situation der Seen in der Vergangenheit verändert? • Polish Institute of Meteorology and Water Management • Welche Entwicklungen sind derzeit erkennbar? • Wie wird der regionale Klimawandel die Seeregionen und die ökologische Situation der Seen beeinflussen? • Mit welchen Maßnahmen können die Seen „fit für den Klimawandel“ gemacht werden? Charzykowskie-See Maximale Tiefe: 30,5 m Durchschnittliche Tiefe: 9,8 m Fläche: 13 km² Volumen: 0,13 km³ Pilotprojekt:Schadstoffe im Seesediment und Klimawandel Neusiedler See Maximale Tiefe: 1,8 m Durchschnittliche Tiefe: 1,2 m Fläche: 320 km² (davon Schilf: 180 km²) Volumen: 0,37 km³ Pilotprojekt: Stickstoffeintrag, Landwirt schaft und Klimawandel Gardasee / Lago di Garda Plattensee / Balaton Maximale Tiefe: 350 m Durchschnittliche Tiefe: 133 m Fläche: 368 km² Volumen: 49 km³ Pilotprojekt: Schädliche Blaualgen und Klimawandel Maximale Tiefe: 12,2 m Durchschnittliche Tiefe: 3,1 m Fläche: 593 km² Volumen: 1,90 km³ Pilotprojekt: Invasive Arten und Klimawandel Impressum: AIT Austrian Institute of Technology GmbH, TechGate Vienna, Donau-City-Str. 1, A-1220 Wien, Tel.: 0043(0) 50550-3601, Fax: 0043(0) 50550-3452; Naturschutzbund Burgenland, Esterhazystraße 15, A-7000 Eisenstadt, Tel.: 0043(0)664 845 3048, Fax: 0043(0)2682 702-190. Alle Rechte vorbehalten, Vervielfältigung und Auszüge bedürfen der ausdrücklichen Zustimmung von AIT und Naturschutzbund Burgenland. Grafik & Gestaltung: Baschnegger & Golub, A-1180 Wien. Text: Gerhard Heiss, Paul Kinner, Markus Knoflacher, Anna-Maria Soja, Gerhard Soja, Stefan Weiss, Johann Züger, Veronika Zukrigl. Fotos: Archiv Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel, M. Andera, G. Eichstetter_pixelio.de, M. Fiala, H. Höttinger, P. Kinner, I. Korner, m-o-d_pixelio.de, E. Ranner-Karner, M. Ranz, G. Soja, S. Weiss, T. Zechmeister, V. Zukrigl. Der Neusiedler See Ein großer See mit „wenig“ Wasser Wussten Sie, dass der Neusiedler See im 18. und 19. Jahrhundert einige Male völlig ausgetrocknet ist? In der Vergangenheit wechselten sich extreme Trockenphasen immer wieder mit Überflutungen ab. Extreme Wasserstandsschwankungen – für den Neusiedler See ganz natürlich Auch wenn das Wasser nach der letzten Austrocknungsperiode ab 1871 zurückgekehrt ist, so blieben die Wasserstände doch noch 50 bis 60 Jahre lang extrem niedrig. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Rolle des Sees allerdings geändert: Das „Meer der Wiener“ wurde zu einem beliebten Tourismusziel und wirtschaftlichen Motor für die ganze Region – und nur ein „gezähmter“ See taugt als Badegewässer und sichert belebte Marinas. Ab 1965 trat daher eine einheitliche Regelung für den Schleusenbetrieb des Entwässerungskanals (Einserkanal) durch die ungarisch-österreichische Gewässerkommission in Kraft und die Wasserstände werden seither auf einem – historisch gesehen – hohen Niveau weitgehend konstant gehalten. Das verringert die Gefahr des kompletten Austrocknens, wird sie aber nie völlig ausschließen können. Wie groß ist die Gefahr, dass der Neusiedler See wieder austrocknet? Die mit dem Klimawandel einhergehenden höheren Temperaturen und geringeren Niederschläge erhöhen das Risiko eines „bedrohlichen“ Wasserverlusts deutlich. Mehrere Jahre wie das Trockenjahr 2003 in Folge können Niedrigwasserstände bis zur vollständigen Austrocknung verursachen. Klimamodelle sagen für das 21. Jahrhundert eine Zunahme solcher Trockenperioden voraus, können aber keine zeitgenauen Prognosen liefern. Die „Bedrohlichkeit“ dieser Klimaszenarien hängt von der Betrachtungsweise ab: • Wer von der wirtschaftlichen Nutzung des Sees als Tourismusmagnet abhängig ist, für den sind die möglichen Veränderungen durch den Klimawandel beunruhigend bis existenzbedrohend. • Wer die natürlichen ökologischen Funktionen des Sees im Auge hat, kann darauf vertrauen, dass sich die Tier- und Pflanzenwelt wie schon in früheren Jahrhunderten auch in Zukunft an die unterschiedlichen Wasserstände anpassen wird. „Hausgemachter“ Klimawandel Wir Menschen werden in den nächsten Jahrzehnten die Durchschnittstemperatur auf unserem Planeten deutlich nach oben treiben. Schuld daran sind vor allem die Verbrennung von fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdöl und Erdgas für Heizung, Verkehr und Industrie und die immer intensivere Land- und Bodennutzung. Werden die Emissionen weltweit rasch und deutlich gesenkt, erwarten ExpertInnen in den nächsten hundert Jahren eine Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur um bis +2̊Celsius – ohne ausreichende Maßnahmen wird das Thermometer allerdings um bis zu +5̊Celsius steigen! Über die Emissionsveränderungen können nur Abschätzungen in Form von Szenarien getroffen werden. Durch Berechnungen mit unterschiedlichen Emissionsszenarien lassen sich die Bandbreiten möglicher Temperaturerhöhungen ermitteln (linke Grafik). Aber auch die Auswirkungen eines einzelnen Emissionsszenarios auf das Weltklima werden durch globale Klimamodelle unterschiedlich beschrieben. Zukünftige Klimaentwicklungen können daher nur durch Vergleiche der Ergebnisse unterschiedlicher Klimamodelle abgeschätzt werden (rechte Grafik). Erwarteter globaler Temperaturanstieg bis 2100 für verschiedene Emissionsszenarien (links) und Bandbreite verschiedener Globaler Klimamodelle für das Szenario A1B (rechts). Ergebnisse des hier verwendeten ECHAM5Modells sind mit Pfeilen markiert. Regionale Klimaszenarien Die regionalen Auswirkungen der globalen Klimaänderungen werden mit Hilfe von regionalen Klimamodellen berechnet, die neben Ergebnissen der globalen Klimaszenarien auch regionale Faktoren wie Topografie und Landnutzung berücksichtigen. Durch ihre hohe räumliche Auflösung liefern sie wichtige Hinweise auf die zu erwartenden Klimaveränderungen – sowohl für die betroffene Bevölkerung als auch für Entscheidungsträger. Die dargestellten regionalen Klimaszenarien für die vier untersuchten europäischen Seen gehen von einer durchschnittlichen globalen Temperaturerhöhung von rund 2,5̊C bis zum Jahr 2100 aus (rote Kurve, linkes Bild). Klimaänderung in den Seeregionen Trotz eines durchaus gemäßigten Anstiegs der Treibhausgase, sind die regionalen Auswirkungen auf Temperatur und Niederschlag bemerkenswert. Der größte Teil dieser Veränderungen findet allerdings erst in der 2. Hälfte dieses Jahrhunderts statt. Änderung in den Seeregionen Temperaturänderung in den Seeregionen Während die Temperaturänderungen am Neusiedler See und am Plattensee sehr ähnlich sind (+1,5̊C bis +4̊C), ist die Situation am Charzykowskie See (+2̊C bis +4̊C) und am Gardasee (+2,5̊C bis +5̊C) deutlich unterschiedlich. Änderung der saisonalen Mitteltemperatur (Differenz 2071/2100 – 1971/2000) in Europa (Mitte) und in den Gebieten rund um die 4 Seen (außen). Niederschlagsänderung in den Seeregionen Die Entwicklung des Niederschlags zeigt dieselben Ähnlichkeiten. Die Veränderungen am Neusiedler See und am Plattensee (+30 % im Frühling, -35 % im Sommer) unterscheiden sich deutlich vom Gardasee (-10 % im Frühling, -45 % im Sommer) und vom Charzykowskie See (+25 % im Winter, -15 % im Sommer). Änderung der saisonalen Niederschlagssummen (Differenz 2071/2100 – 1971/2000) in Europa (Mitte) und in den Gebieten rund um die 4 Seen (außen). Lebensraum Seewiesen Erhaltung einer vielfältigen Landschaft Zwischen dem Schilfgürtel des Neusiedler Sees und dem Acker- und Weinbaugebiet befindet sich eine vielfältige Wiesenlandschaft. Dieser Bereich wird durch den Wasserstand des Sees geprägt. In niederschlagsreichen Jahren kann es zu Überflutungen kommen. Vielen Tier- und Pflanzenarten dient dieser Übergangsbereich zwischen Land und See als Lebensraum. Zu diesen gehören Vögel (Kiebitz, Rohrweihe, Sumpfohreule), Schmetterlinge (Distelfalter, Hecken-Wollafter), Libellen (Vogel-Azurjungfer, Große Moorjungfer), Heuschrecken (Wanstschrecke, Sumpfgrille, Grüne Strandschrecke), Amphibien (Donau-Kammmolch, Laubfrosch, Balkan-Moorfrosch) sowie Säugetiere (Sumpfwühlmaus, Zwergmaus). Salzwiesen, Pfeifengraswiesen und Niedermoore werden zu den artenreichsten aber auch seltensten Biotoptypen gezählt. Auf diesen Standorten finden sich unter anderem Salzaster, Sumpf-Knabenkraut, Weiden-Alant, Kanten-Lauch, Wollgras sowie Purgier-Lein. Ich bin ein Weißstorch und ziehe im Winter bis nach Südafrika. Dabei lege ich eine Strecke von rund 10.000 km zurück . Distelfalter VogelAzurjungfer Wollgras Donau-Kammmolch Kiebitz Laubfrosch Schon gewusst? Nach der Ankunft aus dem südlichen Winterquartier beginnt im März für den Kiebitz die Brutsaison. Beim Balzflug versuchen die Männchen den Weibchen durch ihre Flugakrobatik zu imponieren. Dabei stürzt sich das Männchen immer wieder senkrecht Richtung Boden und gibt laute Schreie von sich. Sumpf-Knabenkraut Sumpfwühlmaus Wiesenerhaltung durch gezielte Pflegemaßnahmen Die Wiesen im Seevorgelände sind durch jahrhundertelange Bewirtschaftung des Menschen entstanden. Die Nutzung des Gebietes zur Heugewinnung und als Weidegebiet schaffte für die Tier- und Pflanzenwelt optimale Lebensbedingungen. Die ursprünglichen Wälder wurden weitgehend zurückgedrängt und es entstanden große Offenlandbereiche. In den letzten Jahrzehnten hat die Bedeutung der Wiesen abgenommen. In Folge der Aufgabe der Bewirtschaftung ist die einstige Artenvielfalt zurückgegangen. Heute versuchen Experten gemeinsam mit den Landnutzern gezielte Pflegemaßnahmen (Beweidung, Mahd) zur Erhaltung von seltenen Tieren und Pflanzen umzusetzen. Zitzmannsdorfer Wiesen nach der Mahd Beweidung mit Pferden bei Illmitz Beweidung mit Graurindern bei Illmitz