PDF 1.4 MB - orden pour le mérite

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ORDEN POUR LE
MÉRITE
FÜR WISSENSCHAFTEN UND KÜNSTE
REDEN UND GEDENKWORTE
ZWÖLFTER BAND
1974/75
VERLAG LAMBERT SCHNEIDER
•
HEIDELBERG
REDE VON
WOLFGANG GENTNER
WOLFGANG GENTNER
KOLLISIONEN IM LAUFE DER GESCHICHTE
UNSERES PLANETENSYSTEMS
Das Zeitalter der
von
Aufklärung
revolutionären
Wende des 16.
zum
wurde durch eine ganze Reihe
astronomischen
17. Jahrhundert
Entdeckungen
eingeleitet. Es
an
der
sind dies
hell aufleuchten¬
aufgezählt
Erscheinung
am
»ewigen« Fixsternhimmel, das heliozentrische
System mit den Keplerbahnen, die Jupitermonde, die Bahn¬
beobachtung von Kometen und die Entdeckung der Sonnen¬
flecken und Protuberanzen, um nur einige Beispiele zu nen¬
—
kurz
—
die
neuer
der Sterne
nen.
Diese
Messungen
am
nächtlichen Sternenhimmel bedeuteten
schon einzeln und noch viel mehr zusammengenommen das
Todesurteü für das
ewig bestehende, wohlgeordnete Weltbild,
einzigartigen Kosmos, die¬
der göttlichen Schöpfung hatte Ptolemäus
den Kosmos des Aristoteles. Diesem
sem
von
Schmuckstück
Alexandria im zweiten Jahrhundert nach Christus mit der
Erde als
Mittelpunkt
Schalen und
von
und einem
System
Planetenbahnen auf
137
von
geozentrischen
Epizykeln
eine solide
Grundlage gegeben,
die das ganze Mittelalter überdauerte.
Damit versuchte man, die
neten
zu
verstehen und
einzuteilen,
ren
unregelmäßigen Bahnen der Pla¬
das Himmelsgebäude in feste Sphä¬
die wie Zwiebelschalen
auch Mond und Sonne
jedem
Planeten
—
wozu
gehören als feste durchsichtige,
undurchdringliche Hohlkugeln zugeordnet waren. Zwar
ten
schon
gilt
wohl Aristarch
griechische Naturphilosophen
das heliozentrische
zelgänger,
diese
nicht
der
—
und
aus
aufgehenden
—
als
Aber
er
hat¬
Hauptvertreter
im dritten Jahrhundert
System verteidigt.
erst
Vorstellung
akzeptieren,
Samos
—
aber
v.
Chr.
blieb ein Ein¬
recht das christliche Mittelalter konnte
einer kreisenden und sich drehenden Erde
schon weil die Bibel
an
vielen Stellen
von
und sich
bewegenden Sonne spricht. So hat
sich auch Nikolaus Kopernikus, dessen 500. Geburtstag wir vor
einigen Jahren an vielen Orten Europas gefeiert haben, nur
sehr zögernd und erst am Ende seines Lebens mit seinem be¬
rühmten Werk De revolutionibus orbium coelestium
an
die
Öffentlichkeit gewagt (Abb. 1).
Dem 100 Jahre
jüngeren Johannes Kepler, ebenso wie seinem
Amtsvorgänger Tycho Brahe und Galileo Galüei in Padua, war
die
Bedeutung des Werkes von Kopernikus ganz klar. Gleichzei¬
Kepler mit größter Liebe und Begeisterung an dem
tig
geometrisch idealen Gebäude von ineinander verschachtelten
Polyedern des Planetensystems herumgebastelt, weil er die
symmetrische Ordnung, »den Kosmos«, im Planetensystem
aber hat
suchte.
Der beste und genaueste Beobachter des
cho
Brahe,
die mit den
hat als erster
zu
Sternenhimmels, Ty¬
experimentelle Beweise angeführt,
Dogmen gewordenen Behauptungen
stoteles und der
ptolemäischen
Schule in Alexandria nicht
übereinstimmen konnten. Er konnte insbesondere
138
des Ari¬
zeigen,
daß
Abb.
1.
Sphären,
Darstellung
des
des
halbgeozentrischen Systems
zentrischen Bahnen bei
schen Werk
vom
der Komet
geozentrischen Systems
Kopernikus
Ende des 17.
von
er
Sphäre
jenseits
Brahe und der geo¬
(Aus
einem französi¬
der Sonne seine Bahn
der Venus lief. Damit mußte
Himmelssphären
und zertrümmert haben. So verwarf
Kometen als
Ptolemäus mit den
Jh.)
die Kristallschalen der festen
Himmelssphären
Tycho
von
und Descartes.
1577 sicherlich
zog und quer durch die
von
er
die
durchstoßen
undurchdringlichen
und damit auch die aristotelische Theorie der
Erscheinungen
(Abb.
2).
sphäre
innerhalb der irdischen Atmo¬
159
nämlich im November
Schon
vorher,
einen
plötzlich
bild der
mußte
sehr hell
Kassiopeia
er
jenseits
aufleuchtenden,
neuen
Er fand keine
vermessen.
Brahe
Tycho
Stern im Stern¬
also
Parallaxe,
der Planeten im Gebiet der Fixsterne und der
Milchstraße stehen. Damit
Himmelssphäre
hatte
1572,
war
der Fixsterne
deutlich
geworden,
keineswegs
ein
daß die
ewiges,
unver¬
bisher als selbstverständlich
galt.
Aber Tycho Brahe konnte sich von dem geozentrischen System
nicht ganz frei machen. Er versuchte einen Kompromiß zwi¬
schen Kopernikus und Ptolemäus mit der Erde als Mittelpunkt
gängliches Gebäude ist, was
der
neten.
in
aber der Sonne als
Welt,
Erst sein Assistent und
Prag,
lichen
Mittelpunkt
Johannes
Kepler,
Beobachtungen
lerschen Gesetze
Nachfolger
des kreisenden Pla¬
am
Kaiserlichen Hof
hat dann auf Grund der
vorzüg¬
seines Meisters die berühmten drei
aufgestellt
und damit
Kep-
Begründer
zum
der
modernen Astronomie werden können. Wie Walther Gerlach
sagt, stellte
Grundsatz
er
auf,
erstmals
Brief
an
alle
daß eine Theorie
gen, die »Wahrheit der
den
für
Naturwissenschaften
quantitativ
die Beobachtun¬
Natur«, wiedergeben
Astronomenpastor
den
muß. In einem
David Fabricius schreibt
er am
Schlußfolgerungen nie¬
der: »Nun aber habe ich das Ergebnis, mein Fabricius: Die
Planetenbahn ist eine vollkommene Ellipse, die Dürer oft Oval
nennt«. Damit war das alteingesessene Dogma der idealen
Kreisbewegung gebrochen.
Auch Kepler hatte das Glück, im Jahre 1604 eine Supernova
16. Oktober 1605 die
zu
beobachten,
kühnen,
neuen
wie wir heute diese für kurze Zeit hell auf¬
leuchtenden Fixsterne nennen, obwohl
sorte
nur
es von
rund drei in tausend Jahren
wieder eine
Supernova
Noch ein kurzes Wort
gibt.
im Andromedanebel
zu
den
zu
140
zu
dieser Sternen¬
Erst 1885
war
sehen.
Dogmen gewordenen
Aus-
Abb. 2.
Beobachtungsnotizen
und die Gestalt der Kometen
aus
von
der Hand
Tycho
Brahes über den Lauf
1577 und 1580.
sagen des Aristoteles. Ptolemäus und die Schule in Alexandria
hatten sie in eine beherrschende Theorie
Jahrhunderte überlebte. Aber dieses ganze
kengut
ist mit dem
Untergang
gekleidet, die viele
griechische Gedan¬
des Römischen Reiches
141
aus
dem
Gesichtskreis des westlichen
über
Byzanz
aus
arabischen
aufgetaucht. Erst
fast alle wichtigen
wieder
Quellen
die Mitte des 13. Jahrhunderts
um
verschwunden und erst
Europa
waren
naturwissenschaftlichen Werke der antiken Griechen in latei¬
nischer
Übersetzung,
der
damaligen Gelehrtensprache, verfüg¬
bar. Aber auch dann wurde die aristotelische Lehre nicht
besehen
gelehrt.
kategorisch
ten
Aristoteles
Sie wurde sogar des öfteren
verdammt.
waren z.
B. der
an
un¬
manchen Or¬
Angriffspunkte
Begriff der ewigen Welt,
der Theorien des
der mit
der christlichen Lehre ganz unvereinbar erschien. Auch der
Determinismus wirkte für viele christliche Denker
abstoßend und wurde
deswegen
geradezu
ebenfalls mancherorts
ver¬
dammt.
Das sind
sophen
Beispiele
nur
Streit der mittelalterlichen Philo¬
die Lehre des Aristoteles. Aber trotzdem
um
heliozentrische
System
galt das
Sphä¬
des Ptolemäus mit seinen festen
als das
Endglied menschlicher Erkenntnis auf dem
Astronomie, denn geozentrische Überlegungen
ren
der
kaum
bekannt,
Lehre
von
als
zum
wenn
auch Thomas
Aquin
waren
offenbar die
Aristarch kannte. Das Gebäude des Himmels
gegeben,
und niemand diskutierte die
stehungsweise
unserer
rung vorbehalten und
che
Planeten. Das
wurde,
wie
aufregenden Ereignisse,
1572 und 1604, die kurze Zeit
war
Frage
waren.
sehr
galt
über die Ent¬
der Zeit der Aufklä¬
gesagt, ausgelöst durch sol¬
wie die beiden
Supernovae
von
mindestens zehnmal heller als
der Sirius für alle Welt sichtbar
übersehen
von
Gebiet
am
Nachthimmel nicht
Dazu kamen die damals ebenfalls
zu
zufällig
häufigen Kometen,
im Planetensystem verfolgt werden konnten und
heftige Diskussionen auslösten.
Bevor wir uns den heutigen Vorstellungen über die
Frühgederen Bahnen mit den modernen In¬
strumenten
142
schichte des
Planetensystems zuwenden,
dem alten
soll noch kurz
werden,
Gedankengut
der
Welt
Frage
Entstehung
beschäftigt hat,
damit unserem eigentlichen Thema näher kommen.
aus
erzählt
nach der
Abb. 3. Blatt
aus
dem Arbeitsbuch
über den Lauf des Kometen
von
von
Samuel
einiges
das sich mit der
Reyer
mit
weil wir
Eintragungen
1665 durch das Sternbild der Andromeda.
143
In seinem
8. Jahrhundert
v.
Chr.
stand das Chaos und
Anfang
Werk der
grandiosen
an
Théogonie sagt
einer Stelle:
Erde,
zuerst ent¬
später die Erde.« Ganz ähnlich lautet der
des Alten Testaments: »Am
mel und
»Wahrlich,
Hesiod im
und die Erde
Anfang
schuf Gott Him¬
wüst und leer«. Mit diesen
war
Worten hat Martin Luther das hebräische »Tohuwabohu«
übersetzt,
das ganz dem
griechischen
Chaos
entspricht. Dage¬
gen bezeichnet Plinius der Ältere in seiner Naturalis Historia
die Welt als
ewig, unermeßlich,
vergehend, und
weder
stellt sich damit auf den
gezeugt noch jemals
Standpunkt
der Stoiker
und des Aristoteles.
Im Zeitalter der
Aufklärung hat man selbstverständlich die
Ewigkeit der Welt angezweifelt und die Frage nach dem Ent¬
stehungsprozeß der Welt und speziell des Planetensystems
weidlich erörtert. So kam
vom
man
wieder auf den alten
zustand zurück. Dies wird deutlich 1755
chen,
als
er
geschichte
in
jungen
Jahren
mache
aus
(1755)
eine
Kant angespro¬
von
Allgemeine
Natur¬
und Theorie des Himmels schrieb : »Ich nehme die
Materie aller Welt in einer
allgemeinen Zerstreuung an und
Chaos«, und weiter un¬
derselben ein vollkommenes
ten: »Dieser
sein,
Begriff
Chaos des Hesiod oder des Tohuwabohus der Bibel als Ur¬
Zustand der Natur scheint
uns
der einfachste
zu
der auf das Nichts
Atomisten
folgen kann«. Unter Berufung auf die
Epikur, Leukipp und Demokrit und unter Be¬
nutzung der für Kant sehr modernen Gesetze
Newton kommt
es
aus
dem Chaos
systems. Unter dem weltweiten
hatten sich nämlich
um
reichenden
Isaac
Büdung des Planeten¬
Einfluß des genialen Newton
zur
die Wende
hundert viele Gelehrte mit den
von
vom
17.
Folgerungen
Anziehungskräften,
schäftigt.
144
dem
zum
aus
18. Jahr¬
seinen weit¬
Gravitationsgesetz,
be¬
Mit diesen weitreichenden Gravitationskräften Newtons
außerdem ein anderes Rätsel einer
worden,
näher
Lösung
nämlich der Lauf der Kometen
war
gebracht
Fixsternhimmel.
am
Ihre
aufregende Erscheinung am Nachthimmel war nun nicht
mehr eine göttliche Warnung vor Unheil, sondern ein Beweis
für die Keplerschen und Newtonschen Gesetze. Die besonders
Kometen
prächtigen
von
1665 und 1680 hatten Newton die
diese Gesetze exakt
Gelegenheit gegeben,
langgestreckten, elliptischen
Bahn dieser
prüfen.
Kometen,
zu
Mit der
die weit
über die Bahnen der entferntesten Planeten führte und ande¬
rerseits die erdnahen Planetenbahnen kreuzte und ganz nahe
zur
Sonne
lichkeit
heranreichte,
von
wurde auch
Mal die
Mög¬
Vermessung der
deutliche Verkürzung
zum
ersten
Kollisionen diskutiert. Die genaue
Umlaufzeiten
zeigte
nämlich oft eine
und deutete auf ein schließliches Eintauchen in die Sonne hin
(Abb. 3).
Damit
Kometen
erklärt, von
war
das Verschwinden der vielen beobachteten
denen schon
Kepler sagte, es gäbe mehr als
Fische im Ozean. Die Herkunft der Kometen ist
heute noch ein
Hypothesen
Rätsel,
wenn
man
auch
dagegen
auch
einige vernünftige
Möglich¬
hat. Die im 18. Jahrhundert erkannte
keit der Kollision eines Kometen mit der Sonne brachte den
französischen
de Buff on
ken,
—
Enzyklopädisten Georges
Louis
meist kurz M. de Buff on zitiert
—
Leclerc,
Comte
auf den Gedan¬
daß auch die Planeten auf diese Weise entstanden sein
könnten. Für seine Histoire Naturelle hat
er
stechen
für die verschie¬
lassen, die diesen
Ausgaben prächtige Kupfer
Vorgang illustrieren (Abb. 4). Allerdings hat er später diese Vor¬
stellung widerrufen und allein der Bibel recht gegeben, nachdem
er auch die
Abkühlungszeit einer feurigen Eisenkugel von der
Größe der Erde berechnet hatte und zu wesentlich längeren
Zeiten gekommen war als das biblische Alter der Erde. Eine
denen
145
ganz ähnliche Kollisionstheorie mit einem Stern hat dann wie¬
aufgestellt.
geschichtliche Bemerkung soll diese Einfüh¬
rung beschließen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, genau am
1. Januar 1801, wurde von Abbé Piazzi ein kleiner Himmels¬
körper entdeckt, den er zunächst für einen Kometen hielt. In
der Sir James Jeans 1919
Noch eine letzte
den
folgenden Tagen
wurde
es
ihm aber
klar,
daß dieser
wan¬
dernde Stern wegen seiner scharfen Konturen ein kleiner Pla¬
sein
net
mußte,
der genau in die Lücke
Titius-Bodeschen
war.
Dieser
erste
Planetoid oder auch
Jupiter noch frei
Asteroid, der von seinem
Entdecker Piazzi in Palermo »Ceres«
folgenden
genannt wurde, blieb
Jahren wurden im
Sonnenabstand noch mehr kleine Planeten
Ende
zu
des
vorigen
Jahrhunderts
die
Dienst der Astronomie
zu
Photoplatte
und als
in
den
mehrte sich die Zahl
sicheren Bahnelementen
rund 40 000
gleichen
entdeckt,
gestellt wurde,
erheblich, so daß man jetzt
der Asteroiden
die nach der
zwischen Mars und
Regel
nicht allein. In den
paßte,
kennt;
es
wird
rund 2000 mit
geschätzt,
daß noch
entdecken sind.
Aus
Helligkeitsschwankungen weiß man, daß diese Plane¬
toiden meist keine Kugelgestalt haben, sondern mehr unregel¬
mäßigen Bruchstücken ähneln. Ihr Durchmesser beträgt beim
größten rund 1000 km, aber bei allen anderen erheblich weni¬
ger. Eine ganze Reihe von ihnen hat sehr exzentrische Bahnen,
z.
B. der 1949
die
Erdbahn,
von
Baade entdeckte Ikarus. Er kreuzt nicht
sondern auch die Bahn des Merkurs. 1968 hat
sich der Erde bis
zu
der
geringen Entfernung
Abb. 4. Zusammenstoß eines Kometen mit der
des
fon,
Planetensystems
l'histoire
nur
führen sollte.
naturelle, époques
Sonne,
der
(Georges-Louis Leclerc,
zur
Entstehung
Comte de Buf-
de la nature, ed. Deux Ponts
146
er
6 Millionen
von
1785.)
km
genähert,
und die
Frage
möglichen Kollision wurde
Sogar an Abwehrmaßnahmen
einer
in weiten Kreisen gern erörtert.
durch Raketenbeschuß mit einer Atombombe weit außerhalb
der Erdbahn wurde
gedacht.
Es ist
daß
z.
einleuchtend,
T. als Trümmer
sieht,
die mit
Um dieselbe
primärer
Zeit,
die Erkenntnis
die
große
Zahl dieser Asteroiden
Kollisionen zwischen Planetoiden
Kondensationsmaterie
als der
erste
gemischt
Planetoid entdeckt
an¬
sind.
wurde,
hat
systematischen Untersuchungen von Chladni
sich auch dank der
von
von
man
durchgesetzt,
daß hin und wieder Bruchstücke
Eisen und Steinen auf der Erde
landen,
die wir mit dem
Namen Meteorite bezeichnen. In seinem Übereifer hatte näm¬
lich das Zeitalter der
scheinungen,
Aufklärung
die nicht erklärbar
mit allen überirdischen Er¬
schienen, aufgeräumt
und
dabei auch die beobachteten Meteoritenfälle in das Gebiet des
Aberglaubens verdammt. Erst ein massives Ereignis, ein Streu¬
regen auf das Dorf l'Aigle nicht sehr weit von Paris, hat die
berühmte Pariser Akademie 1805
teils
zu
einer Revision ihres Ur¬
bringen können.
Seit dieser Zeit hat
man
sich wissenschaftlich mehr und mehr
mit diesen Eisen- und Steinmeteoriten
auf der Erde erhebliche
ihr Gewicht 1000
beobachtungen
Einschlagskrater
büden
wissen,
stammen
der zwischen Mars und
von
Brocken
(Abb.
5 und
die auch
können,
überschreitet. Soviel wir heute
dieser Meteoriten
Asteroidengürtel,
dem Tausende
to
beschäftigt,
aus
sie
wenn
Bahn¬
aus
dem
Jupiter liegt und in
13) und in sehr viel
größerer Zahl Staubkörner verschiedener Größe kreisen. Bei be¬
sonders günstigen atmosphärischen Bedingungen, die heutzu¬
tage in
unserer
Region
auch dank der überall hinreichenden
Straßenbeleuchtung kaum noch vorhanden sind, kann man den
Staubgürtels bald nach Sonnenuntergang als
Widerschein dieses
148
schrägen Kegel, der in die Richtung der Ekliptik zeigt, mit
bloßem Auge sehen. Er ist von alters her als Zodiakallicht
bekannt.
Abb.
5.
Eine der erstaunlichsten Aufnahmen
Marsmond Phobos
gilt
als
Im
folgenden
Prototoyp
(Länge
~
20
km)
der vielen Planetoiden im
soll
etwas
genauer
einer
Planetensonde:
mit zahlreichen
zu
Einschlagskratern
Asteroidengürtel.
unsere
heutige
das Asteroidenband und die kleinen Planeten
den. Es ist nämlich
der
Kenntnis über
dargelegt
wer¬
vermuten, daß dort noch viele Geheim¬
verborgen liegen, die uns Aufschluß
schichte unseres Planetensystems geben.
nisse
149
über die
Frühge¬
Die früher weit verbreitete
ten
Überreste eines
etwa
ben
Hypothese,
zerstörten
großen
in der Mitte zwischen Mars und
könnte,
ist heute in dieser
worden. Sehr sicher ist
Planeten
primitiven
von
Form fallen
ha¬
gelassen
radioaktiven Uhren die Zeit seit
daß sich die Planeten
wir,
der sich
Jupiter aufgehalten
der Kondensation des Urnebels direkt
wissen
seien,
heute das Alter der Planeten be¬
uns
da wir mit Hilfe
kannt,
daß die kleinen Plane¬
messen
vor
können. Daraus
4.6 Milliarden Jahren
gebildet haben. Auch ist heute die Messung der Zeitdauer die¬
ses
Kondensationsvorganges möglich; sie beträgt nur rund
15 Millionen Jahre, wie man aus Spuren ausgestorbener radio¬
aktiver
weiß.
Als
dieser
Kondensationsvorgang vor
4.6 Milliarden Jahren ablief, haben sich zunächst unabhängig
voneinander viele Planetoiden gebildet. Auch Objekte mit
gleichbleibendem Bahntyp blieben nicht von gegenseitigen Zu¬
Isotope
sammenstößen verschont. Es herrschte in dieser
unseres
Planetensystems
ersten
Phase
sicherlich ein erhebliches Tohuwa¬
großen Häufigkeit von Kollisionen sind
uns gerade
großer Zahl bekannt ge¬
auch
noch
keine
wenn
worden,
ganz stichhaltige Theorie von
der Entstehung des Planetensystems vorliegt. Die modernen
Vorstellungen ähneln damit denen von Laplace, der in seinem
berühmten Werk Exposition du système du monde (1808) fol¬
bohu,
und
Zeugen
der
in den letzten Jahren in
gende Schlußbemerkungen schrieb »Wie aber hat die Sonnen¬
atmosphäre die Dreh- und Umlaufbewegungen der Planeten
:
und Satelliten bestimmt? Wären diese
gedrungen,
lassen;
man
so
Körper
kann also
vermuten, daß die Planeten
Kondensation der Nebelzonen entstanden sind
zen, welche die
lung
tief in sie ein¬
hätte ihr Widerstand sie auf die Sonne fallen
Sonnenatmosphäre
in der Ebene ihre
der
den Gren¬
sukzessive bei ihrer Abküh¬
Äquators aufgeben
150
an
aus
mußte.« In
neue-
ster
Zeit hat dann der
fizierung
suchungen
dieser
Abb. 6.
englische
Vorstellung
des schwedischen
Astronom F.
Hoyle
Heranziehung der Unter¬
Physikers H. Alfvén vorgeschla-
Landschaftsbild des irdischen Mondes mit
Einschlagskratern
schiedenen Alters. Die Erosion auf der Mondoberfläche
in der Frühzeit durch
zu
großen
Meteoriten.
unzählige Einschläge
(Aufnahme
eine Modi¬
unter
AS
von
geschah vorwiegend
Staubkörnern bis hinauf
10-34-5173.)
151
ver¬
durchdringen die von der Sonne ausgehenden
Kraftlinien des magnetischen Feldes den ganzen interplane¬
tarischen Raum, und diese übernahmen in der Vergangenheit
gen. Danach
die
Übertragung
des Drehmoments auf die Planeten. Damit
eine wesentliche
war
Schwierigkeit
der alten
Vorstellungen
ausgeräumt.
Die
großartigen
Nahaufnahmen
Satellitenaufnahmen
von
unseres
irdischen
Mondes,
die
Mars und Merkur haben weiterhin
neuartige Einblicke in die Struktur der Oberfläche dieser
Himmelskörper und auch Einblicke in das Innere gegeben
(Abb. 6). Dabei hat sich zunächst einmal als sicher herausge¬
ganz
stellt, daß
die vielen Kraterbecken und Kraterfelder
größten
Teil nichts mit einem Vulkanismus
wir ihn
von
zu
tun
zum
aller¬
haben,
wie
der Erde her kennen. Vielmehr stammt die weit
überwiegende Zahl kleiner und größerer Krater aus Einschlägen
von Staubkörnern, Meteoriten, kleinen Planeten und wohl auch
Kometen. Aus direkten
gesteins
gisch
unseres
Alterbestimmungen des Oberflächen¬
Mondes und der Kraterhäufigkeit in geolo¬
verschieden alten Gebieten kann
zeitliche
Abnahme
Himmelskörper
daß in der
der
ermitteln
Anfangszeit
Kollisionen
man
auch direkt die
Kollisionen
unserer
Häufigkeit
(Abb. 7). Diese Kraterstatistik ergibt,
von
unseres
Planetensystems
die Zahl der
Größenordnungen häufiger war als heute
(Abb. 8).
großen Planeten sind auf Kosten der kleinen im¬
mer
größer geworden. Bei ihrem Umlauf in der Scheibe der
Ekliptik haben sie durch ihre wachsende Anziehungskraft das
System immer mehr gereinigt. Das kann man klar erkennen
an dem
Rückgang der Einschlagshäufigkeit auf dem Mond in
um
viele
Die
der Zeit
von
4 bis 5 Müliarden Jahren.
Ein Rest dieser
gürtel
zu
Protoplaneten
ist heute noch im Asteroiden¬
entdecken. Die Mehrzahl dieser kleinen Planeten be-
152
Abb. 7.
Ziolkovsky-Krater
Becken
zur
Zentralkegel.
größere Kraterhäufigkeit
die wesentlich
Gegensatz
mit Mare und
geringeren Kraterhäufigkeit
(Mare).
153
Man sieht deutlich
auf dem alten
im
später
Zentralkegel
mit Lava
im
aufgefüllten
findet sich offenbar heute in einem stationären Zustand. Ihr
Aussehen dürfte dem Marsmond Phobos
derbare Aufnahme
von
einem Satelliten
Wenn auch die Zahl der
Zeit des
dessen
ähneln,
wun¬
gelang (Abb. 5).
aus
Kollisionen, gemessen
der Zahl
an
Anfangschaos, ungeheuer zurückgegangen ist,
i
I
i
i
i
|
i
i
i
i
i
i
i
ii
i
|
i
i
i
i
i
i
i
i
i
|
i
i
i
zur
so
ist
i
i
=
«
Terrae
16
Apollo
Apollo 15 (Apennines)
11
Apollo
(old flows)
Apollo11 (young flows)
m
'
i
16
'
i
i
i
'
'
i
I
'
'
'
l
'
Age (109 years)
Abb. 8. Die kumulative
Alter
(Milliarden Jahre)
(Fechtig
und
Kraterhäufigkeit
verschiedener
in
Abhängigkeit
Landeplätze
der
vom
radiogenen
Apollo-Missionen.
Neukum, Heidelberg 1975.)
sie doch nicht
gleich
Null
zu
setzen.
Die
Meteorite,
die mit
Leuchtspuren auch heute noch immer auf der Erde
landen, stammen alle aus Kollisionen, die vielleicht schon lange
zurückliegen (Abb. 12, 13). Auch die Zahl und der Zeitpunkt
nächtlichen
154
Abb. 9.
Mikroeinschlagskrater
der
dem Mondstaub einer
aus
Planck-Institut für
auf dem Bruchstück eines
Apollo-Mission
stammt.
Kernphysik, Heidelberg 1974.)
dieser Kollisionen, die
Eisenmeteoriten,
(Aufnahme
Skala: 250 [Un.
a
Max=
70°.
Zertrümmerung zweier größerer Kör¬
per geführt haben, sind heute der Messung zugänglich (Abb. 9).
Schon vor einigen Jahren haben wir uns mit dem Alter von
Meteoriten nach der Kalium-Argon-Uhr beschäftigt. Diese Uhr
wird so abgelesen, daß in einem Meteoriten die Menge des Edel¬
gases Argon gemessen wird, das beim langsamen radioaktiven
zur
155
Zerfall des Kaliums entsteht. Im
Zeitmessungen
sen
das
Entstehungsalter
stems, nämlich 4.6 Milliarden
Meteorit
aus
einer
allgemeinen
Kollision,
Jahre,
kommt bei die¬
unseres
Planetensy¬
heraus. Stammt aber ein
später stattfand,
die wesentlich
Hypersthen Chondrite
30-
(121 Fälle)
a
u2
¦D
z
03
N
C
<
10-
E
0
—]
3
6x109a
5
4
K-Ar-Alter
Abb. 10.
an
Radiogene Altersbestimmungen
verschiedenen Steinmeteoriten eines
den Jahren stammt
aus
mit der
Typs.
Die
haben, wodurch
alle Kollisionen erlebt
abgesetzt
wurde. Besonders auffallend ist die
Jahren,
von
primären Kondensationsprodukten,
jüngeren
1 Milliarde
Kalium-Argon-Methode
Gruppe
das
4.5 Milliar¬
während die
radiogene
Kollisionsgruppe
Alter her¬
vor
rund
die sich deutlich heraushebt.
dann wird durch die Schockwelle bei der Kollision der Mete¬
orit entgast, und die
gestellt.
aus
Kalium-Argon-Uhr wird
Andere radioaktive Uhren
tun
auf Null zurück¬
das nicht. So kann
den Zeitdifferenzen verschiedener Uhren auf den
der Kollision schließen
(Abb. 10).
156
man
Zeitpunkt
Natürlich ist
genau
so
Existenz einem
großen
eigene Erde im Laufe der Geschichte,
Mond, besonders im Anfangsstadium ihrer
unsere
wie der
heftigen
Bombardement durch Kollisionen mit
und kleinen Bruchstücken und
Protoplaneten ausge¬
Gegensatz zum Mond und Merkur hat aber
geologische Vergangenheit, durch Vulka¬
nismus, Kontinentalverschiebungen, Erosion durch Regen und
Eis, so daß aus grauer Vorzeit kaum noch Spuren vorhanden sind.
setzt
gewesen. Im
die Erde eine reiche
Impakt-Krater
von
Meteoriten, Durchmesser
auf dem Kanadischen Schild
Name
Durchmesser
Lage
(take)
1.
2.
3.
51.4" N
Carswell
58.4° N
109.5* W
Charlevoix
47.5" N
Male Baie
70.3' W
4.
St
5.
Clear Water
56 2° N
74.5° W
56.1° N
Ost-
6.
Steen River
7.
Mistastin
8.
Lac Couture
9.
Nicholson
10.
Aber
aus
Deep Bay
~35
485
~32
350
24
225
98 5" W
West-
74 rw
}
3'
L
J
59.5" N
117.6* W
55.9* N
63.4* W
60.1° N
~24
95
~18
202
62.7° N
13
102.7° W
56.4° N
~12
103.0° W
Einschlagskrater
den letzten hundert
290
16
~13
75.3° W
Ma
220
51.7° N
Martin
Alter
65
686'W
10km
Radiometrisches
(km)
Manicouagan
Mushalagan
>
(Fläche ~3-106 km2)
Tertiär
Pràkambrium
Ordovizium
450-500
~100
jüngeren Vergangenheit, also
Mülionen Jahren, sind gerade im letz-
aus
der
157
gefunden worden, nachdem man die In¬
Einschlagskrater besser kennt und sie damit von
Jahrzehnt viele
ten
dizien für
Vulkankratern unterscheiden kann. Als
logisch
für eine geo¬
Beispiel
gut erhaltene Region sind in der Tabelle die
relativ
Die
ungefähre Verbreitung
der
*us
dem Rieskessel
ausgesprengten
Gesteins missen'
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oBuch
Abb. 11.
Lageplan
walt der
Explosion
des Rieskraters mit dem Steinheimer Becken. Die Ge¬
bei dem
Einschlag
des Riesenmeteoriten
vor
14.6 Mil¬
lionen Jahren wird auf rund 1000 moderne Wasserstoffa tombomben ge¬
schätzt.
158
Abb. 12.
Langzeitaufnahme
des nächtlichen Himmels.
bahnen der Sterne läuft eine helle
tauchen in die
tut
für
Atmosphäre
Spur
eines
hell aufleuchtet.
Meteoriten,
(Aufnahme
zu
den Kreis¬
der beim Ein¬
Max-Planck-Insti-
Kernphysik, Heidelberg.)
auf dem kanadischen Schild
Einschlagskrater
1960 wissen wir
Einschlag
auch,
eines Riesenmeteoriten
Becken ist
orit schon
vor
aufgeführt.
Seit
daß der berühmte Rieskrater auf den
vor
14.6 Millionen Jahren
zurückzuführen ist. Auch das in der Nähe
mer
Quer
gleichzeitig
liegende
Steinhei-
entstanden. Offenbar ist der Mete¬
Eintritt in die
Atmosphäre
durch Gezeitenkräfte
gespalten worden (Abb. 11).
Mein Ziel
schichte
war
unseres
es, Ihnen einen kurzen Einblick in die Ge¬
Planetensystems
159
zu
geben,
mit einem beson-
Abb. 13. Beobachtete Bahn
»Pribram«,
(vgl.
Abb.
der durch Kollision im
12)
des
aufgefundenen
Asteroidengürtel
Meteoriten
in das Innere des Pla¬
netensystems abgelenkt wurde.
deren Akzent in
Richtung
Kollisionen haben
geführt
—
aus
der Kollisionen. Denn
dem Chaos
zu unserem
dessen Geburtsstunde wir heute
Jahren ansetzen.
—
vor
gerade
diese
Planetensystem
4.6 Milliarden
In dem schon zitierten Werk hat Kant als
160
erster
geben,
eine
den
richtige Größenordnung für den Zeitraum ange¬
er für die
Bildung eines Planetensystems als not¬
wendig ansah. Er sagte: »Es werden Millionen und ganze
Gebürge von Millionen Jahrhunderten verfließen, binnen wel¬
chen immer neue Welten und Weltordnungen nacheinander
in den entfernten Weiten von dem Mittelpunkt der Natur sich
bilden und zur Vollkommenheit gelangen werden.« Dann wei¬
ter unten heißt es bei Kant: »Man kann von der Ewigkeit
sagen,
was
schreibt«
der
Erhabenste
(gemeint
ist Albrecht
Unendlichkeit!
den
unter
von
deutschen
Haller) :
misset dich?
wer
Vor dir sind Welten
Tag
und Menschen
Augenblicke.
Vielleicht die tausendste der Sonnen wälzt
und tausend bleiben noch zurücke.
Wie eine
Uhr, beseelt
Eilt eine
Sonn',
Ihr Trieb läuft
aus
ab,
durch ein Gewicht
Gottes Kraft
bewegt:
und eine andre
schlägt,
Du aber bleibst und zählst sie nicht.
161
jetzt sich,
Dichtern
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