1 Vorwort Seit Menschen den Blick zum Himmel richten, halten sie auch den Lauf der Gestirne für einen Schlüssel zum besseren Verständnis ihrer irdischen Existenz. Viele Jahrtausende lang wurden diese weit entfernten Leuchtpunkte und Sternenbilder mit eingebildeten Gottheiten bevölkert, deren Namen sich mit den wechselnden Kulturen änderten, aber das Prinzip blieb gleich. Doch seit solche religiösen Denkmuster an Bedeutung verlieren, nehmen heute fantastische Helden der Science-Fiction-Literatur diesen Platz als himmlische Überväter ein oder inzwischen auch die realen Astronauten. Irgendein über allem stehendes Idol muß sein, ohne Vorbild geht es wohl nicht. Erst seit einigen Jahrhunderten forschen Menschen mit geeigneten Instrumenten nach den tatsächlichen Vorgängen und Zuständen im nahen und fernen Universum, nach besseren Erklärungen für die Bildung des Sonnensystems mit allen kleinen und großen Körpern. Ebenso fantastisch und für uns Menschen noch viel naheliegender und rätselhafter ist die Entstehung des Lebens auf der Erde mit seinen unzähligen Spielarten und dem Homo Sapiens als vorläufigem Höhepunkt – wie wir uns verstehen. Aus Erkenntnissen über Ursprung und Entwicklung der kosmischen Umgebung und unserer irdischen Heimat erhoffen wir uns Einblicke in die Zukunft der Schöpfung und der Menschheit in den nächsten Jahrtausenden. Wie viele andere junge Leute, so habe auch ich mir vor Jahrzehnten als Amateurastronom in eisigen Winternächten mit einem kleinen Spektiv bei der Betrachtung von Mond und Planeten, Doppelsternen, Gasnebeln und Galaxien fast die Augen ausgeguckt. Wie begeistert war ich, erstmals den Saturn mit dem großartigen Ringsystem und dem Mond Titan gleich daneben im Okular zu erblikken. Seitdem entwickelte ich ein besonderes Interesse für die Mitglieder Viele Amateurastronomen in aller Welt leisten mit ihren kleinen, einfachen Teleskopen beachtliche Beiträge bei der Beobachtung in vielen Bereichen der Sternenforschung. Quelle: W. Engelhardt des Planetensystems. Allerhand populäre Astronomiebücher las ich damals, aber sie enthielten nur wenige konkrete Informationen über die Geschwister der Erde in der SonnenUmlaufbahn und noch weniger, meist unscharfe Teleskopfotos oder Zeichnungen. Nur vom Erdmond gab es schöne scharfe Bilder, die Appetit machten auf weiterführende eigene Beobachtungen mit dem Fernrohr. Doch mit meinen bescheidenen amateurastronomischen Mitteln sah ich zwar den Mond sehr gut, doch die Beobachtung der Planeten war schon viel schwieriger. Sie blieben meist unscharf und flimmerten, und auch ein größeres Teleskop zeigte mir später nicht viel mehr Details. Vielleicht lag das auch an der schlechter werdenden Atmosphären-Durchsicht und meinen nicht sehr guten Augen. So gab ich eigene Studien des Himmels schließlich auf und hoffte darauf, daß die von der Sowjetunion und den Amerikanern bald gestarteten Raumsonden zum Mond und den Planeten schärfere Bilder und mehr Informationen über diese fernen, fremden Welten liefern würden. Und so geschah es, aufmerksam verfolgte ich in den nächsten Jahren die Vorbereitung und Mission der amerikanischen und sowjetischen Raumsonden-Starts zur Planetenforschung. Ungeduldig wartete ich auf die jeweiligen neuen Ergebnisse, und das Wichtigste waren für mich die in Zeitungen und Zeitschriften abgedruckten Schwarzweiß- und Farbbilder von Mond, Mars und Venus, Jupiter und Saturn. Alle Informationen wurden sorgfältig archiviert, und meine größten Schätze waren damals einige von der amerikanischen NASA per Post zugesandte Mariner-Originalbilder vom Mars. Stiefkind Planetenforschung Die Erforschung unserer Nachbarn im Planetensystem war bis zum Raumfahrt-Zeitalter meist nur ein astronomisches Spezialgebiet für wenige Experten. Die Planeten sind trotz der relativen Nähe auch in großen Profiteleskopen sehr klein, von der Erde aus lassen sich wegen der unruhigen Atmosphäre nur wenige Strukturen erkennen. Als sich Ende des 19. Jahrhunderts die Aufregung um die angeblichen Mars-Kanäle und eventuelle intelligente Lebewesen auf diesem Nachbarplaneten gelegt hatte, wandten sich die Astronomen wieder anderen Themen zu. Neuere Studien hatten zur nüchternen Beurteilung der geringen Lebenschancen auf Mars und anderen Planeten bzw. Monden geführt, und das ließ den Eifer der Experten erkalten. Gelegentlich wurde in der Folgezeit die Entdeckung eines neuen kleinen Mondes bei den entfernten Riesenplaneten gemeldet, eine neue Theorie über die Dichte der Venus-Atmosphäre oder die Entstehung des Sonnensystems aufgestellt. Nur allmählich kam nach den beiden Weltkriegen ab 1950 die weltweite Planetenforschung in Gang. Größere Teleskope an besseren Standorten mit neuartigen Okular-Sensoren offenbarten neue Details von den Geschwistern der Erde im Planetensystem. Doch es bedurfte eines beachtlichen intellektuellen und apparativen Auf- 2 Vorwort Forschungserfolge wands, um von der Erde aus nachzuweisen, daß der Saturnmond Titan und auch der Neptunbegleiter Triton von einer Atmosphäre umgeben sind. Raumfahrt-Astronomie Wie ein ‚Geschenk des Himmels‘ erschien den Planetenforschern deshalb Ende der 50er Jahre die neue technisch-wissenschaftliche Disziplin der Raumfahrt, die sich mit der im Zweiten Weltkrieg in Deutschland entwikkelten Raketen-Waffe abzeichnete. Nur langsam erkannten die Politiker, daß sich die von Amerikanern und Sowjets erbeuteten deutschen Raketen und die daraus entwickelten Folgeprojektile nicht nur zum Transport von Kernwaffen, sondern auch zum Start von zivilen Satelliten für die Forschung und Anwendung eignen. Wernher v. Braun, der Konstrukteur der ersten modernen Flüssig-Rakete, förderte seinen Traum von der Forschungsraumfahrt, ja sogar von bemannten Flügen zum Mond und den Planeten mit gut illustrierten Büchern und Artikeln in populären Zeitschriften. Der Start von Satelliten und Sonden versprach den USA und der UdSSR damals im Kalten Krieg nicht nur die Demonstration ihrer militärisch-technischen Macht und die Steigerung ihres strategisch-politischen Einflusses, sondern auch wissenschaftliches Prestige und neue kommerzielle Möglichkeiten. Die mit der Rakete eingeleitete Raumfahrt eröffnete den beiden Weltmächten ab 1957 auch den Weg des friedlichen Wettbewerbs, der von gefährlichen Drohkulissen mit Atomraketen ablenkte und schließlich auch wegführte. So gesehen war und ist die Raumfahrt auch ein wichtiger Beitrag zur globalen Friedenspolitik. Mit Überwindung der irdischen Schwerkraft bekamen die Forscher die Möglichkeit, ihre Instrumente in eine Satellitenbahn um die Erde und noch weiter hinaus zum Mond und sogar zu den Planeten zu schicken, um diese Körper aus der Nähe zu erforschen. Mit dem auf einer Rakete in die Erdumlaufbahn geschossenen Fernrohr läßt sich die bei astronomischen Beobachtungen so störende Das ‚Hubble Space Telescope‘ bringt mit seinen scharfen Planeten-Bildern aus dem Erdorbit seit 15 Jahren ganz neue Erkenntnisdimensionen in die Quelle: Lockheed Astronomie. Erdatmosphäre mit ihrem Flimmern und der spektralen Begrenzung überwinden. Mit von Raketen gestarteten Raumsonden können die früher unendlich weit scheinenden Distanzen zum Mond und den Planeten in relativ kurzen Zeiten überwunden werden. Mit besonders starken Raketen lassen sich sogar Astronauten zum Mond starten und auf ihm landen sowie wohlbehalten zur Erde zurückbringen, wie das Apollo-Mondprogramm der Amerikaner gezeigt hat. Schon gibt es Pläne für bemannte Expeditionen zum Planeten Mars oder noch viel weiter hinaus zu anderen Fixsternen und deren Planeten, die inzwischen dutzendweise gefunden werden. Mit raffinierten technischelektronischen Hilfsmitteln erkunden wir heute die Körper unseres Planetensystems direkt vor Ort, der Triumph des menschlichen Geistes hat uns in 50 Jahren Raumfahrt-Historie ein gutes Stück vorangebracht beim Kennenlernen der umgebenden kosmischen Schöpfung. Die ersten wissenschaftlichen Erdsatelliten lieferten wertvolle geophysikalische Erkenntnisse, wie z.B. die Entdeckung der beiden großen VanAllan-Strahlengürtel des irdischen Magnetfelds. Aber schon wenige Jahre nach den Sputnik- und ExplorerSatelliten starteten UdSSR und USA auch erste Mondsonden, um die Oberfläche unseres Trabanten beim Vorbeiflug und aus der Umlaufbahn zu erkunden oder sogar auf ihm zu landen. Während die Amerikaner mit ihrem Apollo-Programm ab 1969 sechs Astronauten-Duos auf den Mond brachten, gelang den Sowjets die Absetzung von zwei unbemannten mobilen Forschungsrovern auf dem Mond und mit drei Rückkehr-Sonden auch der Transport einiger hundert Gramm lunarer Bodenproben zur Erde. Die Raumfahrt entwickelte sich zum verlängerten Arm und wertvollen Helfer der Astronomen, die sich begeistert an der Vorbereitung der einzelnen Missionen und Auswertung der Ergebnisse beteiligten. Doch nur die amerikanische Raumfahrtorganisation NASA ließ die Öffentlichkeit von Anbeginn an den Raumfahrtprojekten teilhaben, in der Sowjetunion lag ein dichter Schleier der Geheimhaltung über solchen Unternehmungen. Dort enthielt die ausufernde Propaganda nach jedem Erfolg kaum technische Details über die Realisierung dieser Missionen. Erst nach dem geglückten Start erfuhr die Presse von neuen Projekten, Fehlschläge wurden verschwiegen. Aber das tat den anfangs ganz erstaunlichen Erfolgen der östlichen Raumfahrt-Supermacht z.B. bei der Erkundung des Mondes und der Venus keinen Abbruch. Wer hätte Ende 1957 beim Start der ersten Erdsatelliten für möglich gehalten, daß schon zwölf Jahre später die ersten Astronauten auf dem Mond landen und sicher zur Erde zurückkehren? Wer hätte damals wirklich geglaubt, daß wenig später automatische Meßroboter zu den fernsten Planeten vordringen und diese mitsamt Monden und Ringen aus der Nähe erkunden? Ein uralter Menschheitstraum erfüllte sich, und die Astrono- Vorwort 3 men hatten viel zu tun, die plötzliche Flut an neuen Bildern und Meßdaten von Planeten auszuwerten und einzuordnen. Vor allem die Landung von Menschen auf dem Mond war ein großer technisch-strategischer Forschungserfolg der Amerikaner, die Apollo-Missionen der US-Astronauten sind das bisher wichtigste Ereignis der Menschheitsgeschichte. Wahrscheinlich muß in einigen Jahrzehnten wieder eine besondere politische Konkurrenzsituation auf der Erde herrschen, um die Geldmittel für eine Mission von Astronauten zu unserem Nachbarplaneten Mars verfügbar zu machen. Triumph der Planetensonden Nicht ganz so spektakulär wie die Apollo-Flüge, aber ebenfalls sehr eindrucksvoll waren und sind die Meßergebnisse, die unbemannte amerikanische, russische und europäische Raumsonden seit 1962 von den viel weiter entfernten Planeten, von deren Monden und Ringsystemen, von Asteroiden und Kometen zur Erde funken. Die NASA konzentrierte sich in den 70er Jahren mit ihren Mariner-Sonden zunächst auf den Mars und setzte 1976 zwei Viking-Lander auf der kalten, roten Oberfläche dieses Paneten mit seiner dünnen, für uns Menschen giftigen Atmosphäre ab. Viking 1 und 2 lieferten die Grundlagen für unser heutiges Bild vom Planeten Mars. Den Sowjet-Ingenieuren gelang das technisch sicher ebenso schwierige Kunststück der ‚weichen‘ Landung auf der heißen, stickigen Oberfläche der Venus. Von dort haben uns die Venera-Landekapseln farbige Bilder und andere Informationen von den extremen physikalisch-chemischen Zuständen in den Venus-Wolken und an den Landeplätzen gebracht. Aus relativ niedrigen Umlaufbahnen erfaßten Raumsonden mit optischen Kameras und Radarantennen die wichtigsten Oberflächengebilde dieser beiden Nachbarplaneten der Erde mit beachtlicher Schärfe. Neuerdings senden die Amerikaner alle zwei Jahre mindestens eine neue Raumsonde zum Mars, und sie haben dort sogar drei fahrbare Rover erfolgreich eingesetzt. Mit Raumsonden haben die Astronomen inzwischen fast alle anderen Planeten, Monde und Ringsysteme unseres Sonnensystems aus der Nähe erforscht. Quelle: NASA Ebenso eindrucksvoll waren die erfolgreichen Missionen der beiden Voyager-Sonden, die in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts die vier äußeren Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun sowie deren Monde und Ringe bzw. Magnetfelder und Strahlengürtel aus der Nähe erkundeten. Eine seltene Bahnstellung der vier Sonnenbegleiter relativ zur Erde ermöglichte diese faszinierende kosmische Voyager-Reise zu den Milliarden Kilometer weit entfernten Planeten in nur zwölf Jahren. In den 90er Jahren dann flog die amerikanisch-deutsche Raumsonde Galileo zum Riesenplaneten Jupiter und erkundete aus einer Umlaufbahn sieben Jahre lang den riesigen Gasball selbst und vor allem seine vier großen Monde Io, Europa, Ganymed und Callisto. Eine Instrumentenkapsel drang sogar in die Jupiter-Wolken ein und registrierte die Zustände dort. Kürzlich erreichte die sechs Tonnen wiegende Cassini-Raumsonde den doppelt so weit von uns entfernten Planeten Saturn, um auch diesen, sein Ringsystem und die vielen Monde jahrelang aus einer Orbitbahn zu erforschen. Eine von Europa gebaute Landekapsel tauchte sogar in die Atmosphäre des größten Trabanten Titan ein und erkundete dessen Stickstoff-Hülle sowie die Oberfläche aus der Nähe. Erkenntnissuche Vor allem für die Erkundung der Planeten brach mit Einführung der Raumfahrt-Technologie ein neues großes Zeitalter an. Wir erleben heute eine faszinierende Epoche astronomischer Forschung, erstmals erfahren wir dank der elektronischen Sendboten detaillierte Einzelheiten über die tatsächlichen Verhältnisse bei den fernen Planeten. Was würden die Astronomen früherer Epochen dafür geben, wenn sie die faszinierenden Nahaufnahmen von Merkur, Venus, Mond, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun sowie von deren Monden und Ringen betrachten könnten, die uns Dutzende Automatik-Raumsonden in den letzten 45 Jahren zur Erde gefunkt haben?! Liest man die Biografien dieser oft von ihrer selbstgestellten Aufgabe erfüllten und begeisterten Forscher der früheren Jahrhunderte, ist man beeindruckt von ihrer Lebens- und Arbeitsleistung, von der Geduld und Raffinesse, die sie für ihre Studien mit einfachen Hilfsmitteln aufbrachten. So gesehen können wir uns heute glücklich schätzen, all die neuen aufregenden Forschungen in diesem und anderen Bereichen der Astrophysik mitzuerleben, die uns dank besserer Geräte sehr viel mehr Informationen von den Forschungszielen bescheren. Mir persönlich bedeuten diese 4 neuen Erkenntnisse über unsere kosmische Umwelt jedenfalls sehr viel, für mich werden damit Jugendträume wahr, meine Neugier wird gestillt. Was ich früher im eigenen Fernrohr nur als verschwommenes kleines Lichtpünktchen in großer Distanz erahnen konnte, zeigt sich mir heute als geheimnisvolle, überraschende, hinreißende, interessante Vielfalt planetarer Welten, die uns die HochglanzFarbbilder der NASA direkt auf den Schreibtisch bringen oder neuerdings per Internet auf den Computer. Und je mehr Einzelheiten uns die ferngesteuerten Roboter von den fernen Planeten zur Erde funken, desto größer ist die Verblüffung der ungeduldig auf der Erde wartenden Wissenschaftler und interessierten Laien über diese himmlischen Wunder. Meist ergeben sich aus den neuen Erkenntnissen über die Planeten viele neue Fragen, die einige Jahre später zur Entwicklung weiterer Missionen führen, und allmählich erkennen wir die Geschwister der Erde in ihrer ganzen Eigenart und Vielfältigkeit. Die Wandelsterne sind uns bzw. wir sind den meisten Planeten und Monden mit der Raketentechnik, Elektronik und Sensorik in den letzten Jahrzehnten entscheidend nähergekommen. Wir erleben heute ein aufregendes Zeitalter neuer astronomischer Entdeckungen, ähnlich denen, die uns vor einigen hundert Jahren die revolutionären Arbeiten von Kopernikus, Kepler, Galilei und Newton brachten. Oft wird der heutige Aufbruch der Menschheit mit Raketen und Raumsonden hinaus zum Mond und zu den Planeten mit den Forschungsreisen von Christoph Columbus und anderen mutigen Seefahrern vor 500 Jahren verglichen. Diese wagten sich mit kleinen, zerbrechlichen Schiffen auf die Weltmeere hinaus, um neue Kontinente zu finden. Doch niemand weiß, wohin uns der heutige Aufbruch der Menschheit in die Weiten des Weltraums letztlich führen wird. Religiöse Dimension Für immer mehr Menschen ist die Forschung allgemein und auch die Raumsonden-Astronomie eine zeitgemäße Möglichkeit, zu neuen religiö- Vorwort Nur die Apollo-Astronauten hatten bei ihren Missionen zum Erdtrabanten mehrfach Gelegenheit, die Erde über dem Mondhorizont auf- und untergehen zu sehen. Quelle: NASA sen Offenbarungen zu gelangen, die sich von den allzu irdisch-menschlichen Gottesvorstellungen der Vergangenheit und Gegenwart lösen. Die Erde mit ihren vielen pflanzlichen, tierischen und menschlichen Bewohnern an der Oberfläche ist ja nur ein winziger Teil des räumlich und zeitlich wohl unendlichen Universums. Doch die Antworten auf unsere existentiellen Fragen nach dem Woher und Wohin lassen sich wohl eher in der freien Natur und dort draußen im Weltall finden als in verstaubten alten Büchern und dunklen, drückenden Kirchengewölben. Die Großartigkeit der Schöpfung im Großen und Kleinen läßt sich nicht mit alten, festgefahrenen Ideologien erfassen, wie sie auch heute noch die Gemüter so vieler Menschen beherrschen. Die in den letzten Jahrzehnten ansatzweise erkannten fantastischen Strukturen der Mikro- und Makrowelt verlangen nach neuen Wegen der Erkenntnissuche, die heute vor allem in exakter Forschung mit laufend verbesserten Instrumenten und Denkmodellen besteht. Die menschliche Neugier hat uns auf diesem Weg in letzter Zeit ein gutes Stück vorangebracht, und das verpflichtet zu noch intensiveren Forschungseinsätzen in der Zukunft. Die Wissenschaften insgesamt und vor allem natürlich die Astrophysik lassen sich in diesem eher philosophischen Sinn als moderne Form der religiösen Erkenntnissuche begreifen. Den inneren und äußeren Geheimnissen der Welt läßt sich nur durch zähes Beobachten, exaktes Berechnen, raffinierte Versuche, kühnes Kombinieren und manchmal auch mit mutigen Reisen aus der Studierstube hinaus in die Natur und hinauf in den Weltraum, zum Mond und zu den Planeten, auf die Spur kommen. Eine am Fernrohr ausgeharrte Nacht ist für viele Astronomen auch eine Art moderner Gottesdienst, das Staunen über die Wunder der Schöpfung wächst mit dem Grad der Kenntnisse, die wir davon haben. Aus dem naturwissenschaftlichen Streben nach Erkenntnis, aus dem Bemühen um Verstehen der realen Umwelt im Kleinen und Großen mag sich eines Tages eine neue religiöse Idee entwickeln, die überzeugende Erklärungen liefert und wahrhaftige Erbauung bietet. Doch nur, wer unverdrossen forscht, hat die Chance, einen kleinen Zipfel der menschlichen, irdischen und kosmischen Schöpfung zu erfassen, deren Vielfalt wir erst allmählich in ihrer ganzen grandiosen Eigenart erahnen. Nur bequeme Gemüter behaupten, wir hätten genug geforscht und wüßten alles, so daß Gelder für weitere Studien gekürzt und anderen Bereichen zugeschanzt werden können, die wichtiger erscheinen. Doch die Vergangenheit stimmt hier ausnahmsweise einmal optimistisch, denn der Homo Sapiens bzw. einzelne Vertreter seiner Zunft haben in den letzten Jahrhunderten erstaunliche Fortschritte bei der Erforschung der Welt gemacht. Die Nachfolger werden in den nächsten Jahrtausenden immer weiter gehen auf diesem Weg der Forschung und Erkenntnissuche. Seine Neugierde läßt den Menschen sicher auch in den nächsten Generationen gegen festgefügte Dogmen andenken. Niemals werden wir alles wissen, doch immer sollten wir weiter suchen und um neue Erkenntnisse ringen. Die Schöpfung stellt uns noch viele wichtige Forschungsaufgaben, die die Wissenschaftler auch in den nächsten Jahrtausenden beschäftigen werden. W O LFG A N G EN G ELH A RD T