Fallstudie zum Strategischen Marketing: PlayStation, Xbox oder GameCube? entnommen aus: Backhaus, K./Schneider, H. (2007): Strategisches Marketing, Stuttgart. Teil 1: Bill Gates geht spielen (leicht modifiziert aus: Welt am Sonntag vom 11.11.2001) Microsoft will jetzt den Spielekonsolen‐Markt aufmischen. Doch die Konkurrenten Sony und Nintendo sind bestens auf den Wettbewerb vorbereitet Am 15. November bringt Microsoft im Heimatland USA seine erste Spielekonsole auf den Markt. Nur drei Tage später folgt Nintendo mit dem »GameCube«. Doch im Gegensatz zum japanischen Wettbewerber betritt der amerikanische SoftwareGigant Neuland ‐ und das mit hohen Erwartungen: »Wir wollen in absehbarer Zeit Marktführer werden«, sagt Thomas Caric, Xbox‐Marketing‐Manager für Deutschland. Kurzfristig sei das Ziel, einen zweistelligen Marktanteil zu erreichen. Doch der Gegner ist alles andere als eine kleine Nummer: die »PlayStation« von Sony. Bis Oktober hat der Unterhaltungsriese bereits 20 Mio. PlayStation2 (PS2) verkauft. Das Vorgängermodell ging weltweit 85 Mio. Mal über den Ladentisch. Damit halten die Japaner einen Marktanteil von mehr als 50 %. Zudem besitzen sie einen Marktvorsprung von sieben Jahren. »Dieser wird schwer aufzuholen sein«, glaubt Hermann Achilles, Geschäftsführer des Verbands der Unterhaltungssoftware Deutschland. Überdies schreibt Sony schwarze Zahlen. Die Spielesparte erwirtschaftete im ersten Halbjahr 40 Mio. € Gewinn. Microsoft hingegen wird erst einmal ziemlich viel Geld verbrennen. Die Analysten von Merrill Lynch er‐ warten einen Anfangsverlust von 900 Mio. $. Pro verkaufter Xbox könnte das Unternehmen 100 bis 150 $ verlieren. Allein für das Marketing werden in der Startphase 500 Mio. $ ausgegeben. »Die ersten zwei Jahre werden sicher defizitär sein«, glaubt auch Udo Dörnhaus, Analyst der Bayerischen Landesbank. »Dann muss sich die Xbox etabliert haben ‐ oder sie wird eingestampft.« Bill Gates indes wird vorher genau gerechnet haben. Im Konsolen‐Markt will er die Phalanx der Japaner aufbrechen ‐ vor allem diejenige von Sony, denn Nintendo spricht mit dem GameCube und Titeln wie »Pokemon« und »Super Mario« jüngere Spieler an. »Microsoft wird sich definitiv auf unsere Zielgruppe stürzen«, erwartet Manfred Gerdes, Deutschland‐Chef von Sony. Sony nimmt die Konkurrenz aus den USA inzwischen ernst. Vorbei die Zeiten, als Konsolen‐Boss Ken Kutaragi tönte, dass die Xbox bereits vor dem Start »am Ende« sei. Microsoft verstehe nichts vom Entertainment‐Geschäft, sagte er noch im Mai. Heute klingt das anders: »Wir haben alle Augen auf und beobachten genau, was Microsoft macht«, so Gerdes. Er rechnet damit, in einem wachsenden Markt Anteile zu verlieren, den Umsatz aber weiter zu erhöhen. Da sowohl die PS2‐Konsole als auch Spiele und Zubehör »geringfügig bis sehr viel günstiger« als das Xbox‐Paket seien, bleibt Gerdes jedoch »gelassen«. Ob er das sein kann, ist fraglich. Eine Studie der Leisure Software Publishers Association traut der Xbox in Europa bis 2004 einen Marktanteil von 33 % zu. Unbestritten ist das Microsoft‐Gerät »die leistungsfähigste Spielekonsole, die jetzt und in naher Zukunft auf dem Markt sein wird«, wie Sandy Duncan, Vizepräsident von Xbox Europa, unterstreicht. Was 1974 mit dem »Atari Horne Pong« und schwarz‐weißem Flimmern begann, hat jetzt einen Intel‐ Prozessor mit 733 MH, 64 MB Arbeitsspeicher sowie eine schnelle Grafikkarte und Digital‐Dolby‐System. Obendrein beherbergt die Xbox eine 10‐GB‐Festplatte und einen Breitbandanschluss. Später sollen die Zocker über das Internet gegeneinander antreten und sich neue Figuren oder ganze Spiele herunterladen und abspeichern. Wie schon bei der PlayStation werden sich etliche Spiele‐Freaks wohl auch diesmal nicht zu schade sein, nachts vor den Geschäften zu campieren, um eine Xbox zu ergattern. Die Durch‐ schnittsspieler indes werden so schnell nicht ihre Konsole wechseln. Da auch die »lieb gewonnenen« PSI‐ Spiele auf dem Nachfolgemodell liefen und man die Spiele gut untereinander tauschen könne, hofft Sony auf Loyalität. Microsoft fehle diese wichtige Software‐Basis, meint Sony‐Mann Gerdes, ebenso Nintendo, die vom Cartridge‐System des N64 nun auf CD‐ROM umgestiegen sind. 2 »Über Erfolg und Misserfolg entscheiden die Spiele«, verlautet es auch aus der Branche der Software‐ entwickler. »Betrachtet man die Anzahl der Titel, werden die Relationen klar«, heißt es da. In der Tat hat die PlayStation einen riesigen Vorsprung: 150 bis 200 Spiele sind im Angebot, weitere Hochkaräter wie »Star Trek Voyager«, »Final Fantasy X« oder »NHL 2002« in der Pipeline. Dabei setzt Sony auf die »Third‐ Party‐Entwickler«: Dabei handelt es sich um zumeist große Spielehersteller, die Spiele nicht exklusiv für eine Konsole, sondern wahlweise für unterschiedliche Konsolen produzieren. So wurden bislang einige Spiele für den CameCube und die Playstation entwickelt, andere Spiele jedoch nur für eine der beiden Konsolen. Aufgrund der großen Verbreitung der Playstation werden aber fast 100 % aller von Third‐ Party‐Entwicklern produzierten Spiele auch für die Playstation entwickelt. Demgegenüber setzt Nintendo überwiegend auf »First‐Party‐Entwickler«, die Spiele ausschließlich für den GameCube entwickelt. Die Xbox wird zu Beginn in den USA zunächst mit 20 Spielen an den Start gehen, wobei vorerst keine Kontra‐ hierung von Spieleherstellern als »First‐Party‐Entwickler« vorgesehen ist. Bis Ende des Jahres sollen es 40 Spiele sein ‐ darunter Titel wie »Shrek«, »NBA Live 2002« und »Star Wars«. »Die Anzahl ist völlig ausrei‐ chend«, sagt Xbox‐Manager Caric. Die einzelnen Spielehersteller müssen für ein Spiel, das sie für eine Konsole produzieren, dem Konsolenhersteller eine Lizenzgebühr zahlen. Aufgrund der fehlenden Markt‐ präsenz wird vermutet, dass die Lizenzgebühren, die Microsoft fordern kann, zu Beginn wesentlich ge‐ ringer sind als diejenigen von Nintendo oder Sony. Ein weiterer möglicher Nachteil der Microsoft‐Konsole ist ihr Preis: »Dadurch ist die Eintrittsbarriere für die Xbox recht hoch«, sagt Analyst Dörnhaus. In Deutschland (Verkaufsstart 14. März 2002) könnten die 479 € so manches Osterei sprengen. Hinzu kommen 69 € pro Spiel oder 50 € für die DVD‐Fernbedienung. Dennoch ist Microsoft optimistisch: 1,5 Mio. Konsolen will das Unternehmen in Europa bis Juli 2002 ver‐ kaufen. Das Potenzial ist da: Im Gegensatz zu Japan und den USA, wo 45 % der Haushalte mindestens eine Konsole besitzen, daddeln hier noch viele Spieler am PC. In Deutschland etwa haben von 6,1 Mio. Gamern erst 2,6 Mio. eine Konsole. Ob Sony, Microsoft oder Nintendo ‐ wer die Schlacht unterm Weih‐ nachtsbaum verliert, muss nicht gleich die Waffen strecken. »Am Ende gibt es nicht nur einen Sieger«, glaubt Analyst Dörnhaus: »Der Markt ist groß genug für alle.« Aufgabe 1: Erläutern Sie das 3‐Ebenen‐Konzept! Auf welcher Ebene würden Sie die Entscheidung von Microsoft, in den Spielkonsolenmarkt einzutreten, ansiedeln? Begründen Sie Ihre Aussagen! Aufgabe 2: Wo sehen Sie mögliche KKVs für die drei Konsolenhersteller? Überprüfen Sie die KKV‐Potenziale jedes Konsolenherstellers an Hand der Merkmale eines KKVs! Aufgabe 3: Beschreiben Sie den relevanten Markt vor dem Eintritt Microsofts in den Spielkonsolenmarkt! Nach wel‐ chem Konzept würden Sie den Markt abgrenzen? Was ist der Unterschied zwischen Marktabgrenzung und Marktsegmentierung? Wie würden Sie anhand der vereinzelten Hinweise aus der Fallstudie bei der Segmentierung des Marktes vorgehen? Führen Sie darüber hinaus mit den Informationen aus dem Text eine Analyse der Strategischen Gruppen durch! Aufgabe 4: Wie beurteilen Sie die Aussichten, dass sich Microsoft als Preisführer im Spielkonsolenmarkt etablieren könnte? Welche Voraussetzung müsste dafür erfüllt sein? Wie ist die Erfüllung dieser Voraussetzung erreichbar? Meinen Sie bei Betrachtung der Informationen aus dem Text, dass eine Qualitätsführerschaft von Microsoft mit der momentanen Strategie erreichbar ist? Was müsste Microsoft hierfür eruieren? Welche zeitliche Position würden Sie Microsoft bei ihrem Markteintritt in den Spielkonsolenmarkt zubil‐ ligen? Welche generischen Marketing‐Strategien verfolgen die anderen beiden Konsolenhersteller? Be‐ gründen Sie jeweils Ihre Ausführungen! 3 Teil 2: Xboxer spielen bald online Fußball (Spiegel Online vom 11.05.2004) Nach langem Streit haben sich Microsoft und der Spiele‐Gigant Electronic Arts geeinigt. Künftig sollen Xbox‐Nutzer »Fifa 2004« und andere Spielehits auch online spielen dürfen. Damit verliert Sonys Playsta‐ tion ihren bisherigen Exklusivstatus als Online‐Plattform für Gamer. Langsam aber sicher rückt Microsoft mit seiner Xbox dem unangefochtenen Marktführer Sony auf den Pelz. Im Monat April sollen in den USA erstmals mehr Xboxen als PlayStation2 verkauft worden sein. Zum Start der weitgrößte Computerspielmesse E3 in Los Angeles wurde nun bekannt, dass der Spieleherstel‐ ler Electronic Arts demnächst auch Online‐Varianten seiner Spiele auf der Xbox ermöglichen wird. Bislang konnte Sony immer damit werben, dass Electronic‐Arts‐Hits wie »Fifa 2004«, »Need for Speed: Underg‐ round« oder »Formel 1 2004« exklusiv auf seiner PlayStati on als Online‐Variante liefen. Auf der Platt‐ form »PlayStation Net« können Gamer weltweit gegeneinander spielen ‐ Voraussetzung ist ein High‐ Speed‐Internet‐Zugang. Microsoft startete sein Online‐Angebot »Xbox live« schon knapp sechs Monate bevor »PlayStation Net« online ging. »Xbox live« gilt dabei als wesentlich leistungsstärker als »Playstati‐ on Net«. Hier kommen Microsoft v. a. die langjährigen Erfahrungen aus benachbarten Märkten zu Gute. Microsoft und Electronic Arts hatten sich anderthalb Jahre lang nicht über eine Online‐Funktion der Spie‐ le einigen können. Hauptstreitpunkt dabei war die Vergütung für den Spielegiganten, der darauf be‐ stand, an den Umsätzen beteiligt zu werden. Im Unterschied zu Sony verlangt Microsoft für Online‐Spiele eine monatliche Abogebühr. Zahlungen an Electronic Arts lehnte Microsoft wegen des verlustreichen Geschäftes ab. Der Unternehmenssektor Heim‐ und Unterhaltungselektronik von Microsoft verzeichnete zwischen 2002 und 2003 insgesamt einen Verlust von 1,8 Mrd. $. Ob Electronic Arts nun doch an den Gebühreneinnahmen von Microsoft beteiligt wird, ist nicht bekannt. Als erstes Spiel für die Online‐ Plattform Xbox Live wurde »MCAA Football 200S« angekündigt. Das Spiel soll im Juli auf den Markt kommen. Weitere Spiele sind »Fifa Football 200S«, »NBA Live 200S" und »Battlefield: Modern Combat«. Sony und Microsoft lieferten sich in den vergangenen Jahren immer wieder heftige Preisschlachten im Kampf um Marktanteile. Microsoft gelang es mittlerweile, Nintendo (GameCube) von Platz zwei auf dem Konsolenmarkt zu vertreiben, wobei auch Nintendo mittlerweile ein Online‐Angebot für 200S in Aussicht gestellt hat. Sony hält im Konsolen‐Markt nach eigenen Angaben mit 70 Mio. verkauften PlayStation einen weltweiten Marktanteil von zuletzt 60 % (Ende 2003). Die Schlacht auf dem Markt der Online‐ Plattformen hatte Microsoft vor rund 18 Monaten eröffnet. Derzeit soll es eine Mio. Nutzer geben. Eini‐ ge Monate später startete Sony. Anders als das Softwarehaus setzte Sony von Anfang an auf eine offene Plattform ohne Abo‐Gebühren. In Europa hat Sony nach eigenen Angaben mehr als 120.000 aktive Spie‐ ler gewinnen können. Aufgabe 5: Was bezweckt Microsoft mit dem zusätzlich angebotenen Feature »Xbox live«? Gehen Sie dabei auf die Abgrenzung des relevanten Marktes sowie auf die zuvor gemachten Aussagen bezüglich der KKV‐ Potenziale von Microsoft ein! Aufgabe 6: Wie würden Sie nun die zeitliche Position Microsofts (generische Marketing‐Strategie) im untersuchten Markt bezeichnen? Von welcher von Ihnen getroffenen Entscheidung hängt die Einordnung ab? Begrün‐ den Sie Ihre Ausführungen! 4 Teil 3: Zeitenwende im Spielkonsolen‐Kampf (Die Welt vom 26.10.2006) Sony setzt mit der verspäteten Playstation 3 die Marktführerschaft aufs Spiel Dass Sony das Culver City Studio in Los Angeles ausgesucht bat, ist kein Zufall. Ein angemessener Ort, um der Welt Sonys Zukunft zu zeigen: die Playstation 3. Schneller, besser und innovativer als alles, was die die Spielergemeinschaft bislang gesehen hat, sagt Sony. Mit deutlicher Verspätung soll die Spielkonsole im November auf den Markt kommen. Die neue Generation der Spielekonsolen krempelt den Markt komplett um. Bisher stand Sony an der Spitze, abgeschlagen folgten Microsoft und Nintendo. »Wir denken, dass Microsoft in der Position ist, die Führung im Kampf der 5. Videospiel‐Generation zu übernehmen«, heißt es in einem Report von Merrill Lynch. Demnach könne sich Microsoft mit seiner Xbox 360 bis 2008 an die Spitze setzen. Hintergrund für die mögliche Marktverschiebung ist der frühe Start der Xbox 360, die Microsoft bereits 3,2 Mio. Mal seit November verkauft hat. Sony hat seine Play‐ station 3 für kommenden November angekündigt, und auch Nintendo wird mit seiner Wii bis Ende des Jahres auf den Markt kommen. Wegen des späteren Starts der Konkurrenz klatscht man bei Microsoft in die Hände. »Bevor unsere Wettbewerber den Markt betreten, werden wir einen Vorsprung von zehn Mio. verkauften Einheiten haben«, sagte Microsoft‐Gründer Bill Gates. Bislang war die Xbox ein Zuschussgeschäft. Das könnte sich ändern. »Bei den letzten vier Konsolengene‐ rationen hat sich gezeigt, dass immer derjenige Marktführer geworden ist, der als erster zehn Mio. Gerä‐ te verkauft hat«, sagt Stephan Brechtmann, Direktor der Entertainment‐Division bei Microsoft. Demnach wäre Microsoft am Zug. Sony sieht das anders. »Auch wenn wir ein Jahr später dran sind, hat das keinen großen Einfluss«, sagte Fujio Nishida, Präsident von Sony Europe. Der Trend gehe ohnehin zur Zweit‐ und Drittkonsole. Sony‐Manager Jack Tretton springt ihm bei: »Als erster durch die Tür zu gehen ist nicht annähernd so wichtig, wie der Beste zu sein.« Das sind große Worte. Doch Microsoft hat noch einen wei‐ teren Joker, wie das Unternehmen diese Woche andeutete. Mit der nächsten Windows‐Version Vista, die von Januar an verkauft werden soll, können Xbox‐360‐Spieler zum ersten Mal online gegen PC‐Spieler antreten. Der Online‐Dienst Xbox live wird beide Plattformen miteinander verbinden. Schon heute hat Microsoft mehr als drei Mio. Konsolennutzer an seinen Online‐Dienst gebunden. In den kommenden zwölf Monaten soll diese Zahl verdoppelt werden, kündigte Microsoft jetzt an. Trotzdem sind die Erwartungen von Merrill Lynch gewagt. Mit deutlich mehr als 60 % Marktanteil hat Sony heute einen enormen Vorsprung. In den vergangenen zehn Jahren hat das Unternehmen mehr als 220 Mio. Konsolen verkauft. Im Gegensatz zu Microsoft verdient es mit den Geräten sogar Geld. Schät‐ zungen zufolge verkauft Microsoft seine Xbox 360 etwa 100 $ unter den Produktionskosten. Das große Geld sollen Spiele bringen. Zum Marktstart wird auch Sony draufzahlen müssen. Denn die Playstation 3 hat von Anfang an mehr Leistung als jeder PC, der heute im Handel zu haben ist. Gemeinsam mit Toshiba und IBM hat Sony eigens für mehrere Mrd. $ den Cell‐Chip entwickelt, der nach eigenen Angaben dop‐ pelt so schnell sein soll wie das Xbox‐Pendant, sagt Sony. Weil Sony je nach Ausstattung die Geräte für 500 oder 600 $ verkaufen will, rechnen Experten damit, dass der Konzern anfänglich bis zu 300 $ drauf‐ legt. Microsoft verkauft die Xbox je nach Ausstattung für bis zu 500 $. Für Sony steht viel auf dem Spiel. Das Unternehmen steht mitten in einer Umstrukturierung. Ziel ist es, wieder profitabler zu werden. Würde sich der DVD‐Standard Blue Ray gegen den von Microsoft und Tos‐ hiba bevorzugten Konkurrenz‐Standard HD‐DVD durchsetzen, könnte Sony allein mit Lizenzzahlungen Mrd. einnehmen. Die neuen Standards fassen genug Daten, um hochauflösende Filme und Spiele zu speichern. Das kommt auch den anderen Sony‐Segmenten zugute. Denn erst wenn die Abspielmedien Inhalte speichern können, lassen sich auch die Großbild‐Fernseher von Sony dazu verkaufen. Mit der Playstation 3 könnten schnell mehrere Mio. Abspielgeräte verfügbar sein. Die Konsole kostet soviel wie der erste HD‐DVD‐Player, den Toshiba gerade in den USA verkauft. Doch auch Microsoft hat schon angekündigt, noch in diesem Jahr ein externes HD‐DVD‐Laufwerk für die Xbox 360 einzuführen. Ein 5 wenig in Vergessenheit gerät beim ritualisierten Kampf zwischen den großen Spielern der kleinere Anbie‐ ter Nintendo. Zwar ist sein Marktanteil auf 13 % geschrumpft. Doch hofft man mit der neuen Konsole Wii wieder zulegen zu können. Im Gegensatz zum High Tech der Konkurrenz verfolgt Nintendo einen ganz anderen Ansatz mit einfacheren Spielen und günstigeren Gerätepreisen. Die tragbare Konsole Nintendo OS (Dual Screen) mit ihren zwei Displays ist vor allem bei Kindern und Jugendlichen gut angekommen. Inzwischen wurde sie 16 Mio. Mal verkauft. Solange die neuen Geräte nur Ankündigungen sind, steckt die Branche in einem tiefen Umbruch. Das Geschäft verläuft in Fünf‐Jahres‐Zyklen. So lange dauert es, bis eine Konsole entwickelt ist. Die Um‐ bruchphase am Ende dieser Zyklen ist für die Hersteller bitter: Sind erst einmal neue Konsolen angekün‐ digt, warten die Konsumenten mit dem Kauf auf die neuen Geräte und Spiele. Darunter leiden sowohl die Konsolenhersteller als auch die Spieleproduzenten. Sony erwartet in seinem Spielesegment ein wei‐ teres Abschmelzen der Gewinne. Nicht zuletzt die Investitionen in die Entwicklung der neuen Playstation drücken auf die Bilanz. Dabei hat das kostspielige Marketing für die Konsole noch gar nicht begonnen. Trotz aller Kosten können die großen Konsolenhersteller die Belastungen vergleichsweise gut wegste‐ cken, weil sie in anderen Segmenten ihr Geld verdienen. Unangenehmer sieht es bei den Spieleherstel‐ lern aus. Marktführer Electronic Arts (EA) rutschte zuletzt in die roten Zahlen. Die Zukunft des Konzerns hängt vom Erfolg eines einzigen Produkts ab: der PlayStation 3. Eigentlich soll‐ te das Gerät längst in den Wohnzimmern stehen. Doch der Start wurde auf November verschoben. Der Sony‐Chef Stringer erfuhr von dieser Entscheidung angeblich eine Woche vorher ‐ und tobte. Europa wird die PlayStation 3 sogar erst im nächsten Frühjahr zu Gesicht bekommen. Eine Katastrophe, denn damit überlässt Sony das wichtige Weihnachtsgeschäft Microsoft mit seiner Xbox 360, die es bereits seit einem Jahr zu kaufen gibt. Mit jedem Tag verliert Sony Marktanteile. In Japan kommen zum Verkaufsstart am 11.11.2007 100.000 Geräte in die Läden. Um nicht zum Laden‐ hüter zu werden, senkte Sony den Preis um 20 %. Eine Woche später werden die USA mit 400.000 Spiel‐ konsolen bedient. Der verschobene PlayStation‐Start und der Preisabschlag lassen Narben in Stringers Bilanz zurück. Eigentlich sollte der operative Gewinn im laufenden Geschäftsjahr 900 Mio. € erreichen. Makulatur, wie sich herausstellt. Mit gerade einmal 340 Mio. € rechnet der Sony‐Chef nun nur noch. Auch in anderen Geschäftsbereichen von Sony stehen die Zeichen auf Sturm. Deswegen setzt der Kon‐ zern große Hoffnungen in die nächste Generation der Spielkonsole, die der Konzern als »technologischen Quantensprung« feiert. Noch wichtiger für Sonys Zukunft könnte aber das in die PlayStation eingebaute Blu‐Ray‐Laufwerk. Blu‐Ray ist ein Nachfolgeformat der DVD, das die Speicherung hochauflösender Filme ermöglicht und viel mehr Daten fasst als eine herkömmliche Scheibe. Allerdings gibt es eine ‐ nicht kom‐ patible ‐ Konkurrenztechnologie. Das rivalisierende Lager wird von Toshiba geführt, auch der Chipherstel‐ ler Intel und Microsoft gehören dazu. Die PlayStation 3 könnte Blu‐Ray schnell in Mio. von Wohnzim‐ mern bringen und einen Standard schaffen. Deswegen wird Sony das Gerät deutlich unter Herstellungs‐ preis verkaufen, in Europa je nach Ausstattung für 500 bis 600 €. Hohe Verluste sind einkalkuliert. Für Stringer ist Blu‐Ray die erste Bewährungsprobe. Wenn alles gut läuft, könnte im kommenden Jahr der Sony‐Film Spiderman 3 den Startschuss geben und den Beweis bringen, dass das Modell Sony doch funk‐ tioniert. Aufgabe 7: Welche Bedeutung hat die Zeitführer‐Strategie für die Marktpositionierung im Konsolenmarkt? Wovon wird es abhängen, ob Blu Ray oder HD‐DVD sich als Standard etablieren? Diskutieren Sie den Bezug zwi‐ schen Zeitführerschaft und Preisstrategie! Aufgabe 8: Welche marktstrategischen Erkenntnisse zeigt die dynamische Entwicklung des Konsolenmarktes? Was hat sich im Zeitablauf geändert?