F Lüdenscheid riedensgruppe e n i e s d n u m i d i e e t h d c stä g s n e e ner i r d Lü Part eltk 2.W -1- Die Friedensgruppe dankt den Bürgermeistern, den Pressestellen und den Archiven in Brighouse, Den Helder, Leuven, Myslinice, Taganrog, Romilly und Lüdenscheid für die Unterstützung der Ausstellung. Dies ist ein Stück europäische Friedensarbeit. Ebenfalls danken wir der Stadtbücherei für die Möglichkeit, die Ausstellung dort zu zeigen. Die bekannten Lüdenscheider Opfer der Zeit des Nationalsozialismus sind in dem Gedenkbuch (2005) zu finden (ca. 3.500 Personen). Impressum: Herausgeber: Friedensgruppe Lüdenscheid 1. Auflage: September 2005 Autoren: Dieter Hohaus Matthias Wagner u.a. Layout: Janis Benscheidt Kontakt-Internet: www.friedensgruppe-luedenscheid.de Schutzgebühr: 1,00 Euro -2- Inhaltsverzeichnis Lüdenscheid - Propaganda: Volksempfänger - Aufrüstung: Militärisch - Aufrüstung in Produktion und Alltag - Triumph über Frankreich - Kriegstagebuch des Kommandos in Lüd. - Zwangsarbeiter und Hunswinkel - Verfolgung und Vernichtung - Gewalt bis zur letzten Stunde Myslenice Den Helder Leuven Romilly Brighouse Taganrog Quellenverzeichnis Nachwort -3- 4 5 6 7 8 9 10 11 12 16 20 24 28 32 36 38 Propaganda: Volksempfänger UNESCO-Verfassung vom 16.11.1945: „Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, müssen auch die Bollwerke des Friedens im Geist der Menschen errichtet werden.“ (Kriege beginnen mit Worten, meistens mit Lügen.) Das Bakelit-Gehäuse des Volksempfängers wurde auch von einer Lüdenschei- der Firma (Busch-Jaeger-Elektro) hergestellt. Goebbels beurteilte die Propaganda so: „Wir säßen heute nicht in den Ministersesseln, wenn wir nicht die großen Künstler der Propaganda gewesen wären. […] Und hat diese Art von Kunst nicht etwa dem deutschen Volk in den vergangenen fünfzehn Jahren sehr große Dienste getan?“ „Verschiedene Veröffentlichungen der letzten Zeit machen es notwendig, darauf hinzuweisen, dass der Begriff ‚Propaganda’ nur im positiven Sinne und nur für die von Deutschland gebrauchte ‚Propaganda’ benutzt werden kann. Es ist unmöglich, dass immer wieder Begriffe wie ‚Propagandalügen’ […] gebraucht werden und damit unser Begriff ‚Propaganda’ abgewertet wird. Es empfiehlt sich, für feindliche Versuche, eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung herbeizuführen, Begriffe wie ‚Agitation’, ‚Hetze’ usw. zu verwenden.“ (Schmitz-Berning 480) -4- Aufrüstung: Militärisch Lüdenscheid wird erstmals Garnisonsstadt. Hierhin kommen drei Einheiten in drei neu gebaute Kasernen. Am 16.11.1935 zieht die 1.Abtl. des Flakregiments 14 vom heutigen Sternplatz vor den heutigen Häusern der Commerzbank und Cafe Kerstings in Richtung Knapper Straße. Die Soldaten beziehen die Kaserne Buckesfeld, deren ehemalige Wach- und Toranlage als Gaststätte „Der Knast“ erhalten blieb. per Str.7, zu sehen, das in der Reichspogromnacht, am 10.11.1938, von der Gestapo (Karl Gertenbach u.a.), SA und anderen Uniformträgern zerstört und ausgeplündert wurde. Am 15.10.1935 schreitet Generalmajor Glocke mit Major von Wussow die Front der angetretenen Soldaten der Panzerabwehr- Einzug des 1.Bataillons des Infanterie-Regiments 60 im Jahr 1937 auf der Knapper Straße, Ecke Adolf-Hitler-Platz (heute: Ecke Rathausplatz). Das Bataillon bezog die Kaserne am Baukloh: Weissenburg-Kaserne. Das Regiment kämpfte in Frankreich, Russland und wieder an der Westfront, wo es am 16.4.1945 interniert wurde. Links steht abteilung 40 auf dem Adolf-Hitler-Platz (heute: Rathausplatz) ab (siehe Foto). Sie bezieht später die Kaserne Hellersen: Markgraf-Karl-Kaserne. (heute: ältere Gebäude der Klinik Hellersen) Im Hintergrund ist auf dem Foto das Geschäft Lebenberg, Knap- auf der Hauswand die Reklameschrift des Geschäfts Jul. Ripp. Es wurde ebenfalls am 10.11.1938 zerstört und geplündert. Die Zahl der Lüdenscheider Soldaten wird auf ungefähr 8.000 geschätzt. 2.600 von ihnen wurden getötet, also ca. jeder Dritte. -5- Aufrüstung in Produktion und Alltag Viele Tätigkeiten des Reichsarbeitsdienstes waren militärisch. Spaten für Pionierarbeiten, Geschosse, Zünder, Gasmasken, Flugzeugteile, Koppelschlösser, Beschläge für Fallschirme, Karabinerhaken, militärische und nationalsozialistische Abzeichen (z.B. Mutterkreuz) gehörten schon in den Jahren vor dem Krieg zur Lüdenscheider Produktionspalette der Firmen Berg & Nolte, Busch-Jaeger-Metall, Gerhardi & Cie, Eduard Hueck, Markes & Co:, Friedrich Turck, Westfälische Aluminium Industrie Jünger & Co., Westfälische Kupfer- und Messingwerke, Rudolf Fischer, Fresen & Co., Sommer u.a.. Schon 1933 wurde die Bevölkerung aufgefordert, Luftschutzbunker zu bauen und Gasmasken zu kaufen. Der erste Bunker konnte am 12.12.1933 im Eckhaus Karlstr.2, Knapper Straße besichtigt werden. Spatenparade des Arbeitsdienstes in Lüdenscheid (Stadtarchiv Lüdenscheid, Bildsammlung) -6- Triumph über Frankreich Das 1.Bataillon des Infanterie-Regiments 60 kehrte am 23.Juli 1940 nach Lüdenscheid zurück. Die Bevölkerung jubelte den Siegern zu, denn nichts ist verführerischer als der Glanz siegreicher Waffen. Nach den Siegen über Polen, Dänemark, Norwegen, Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich schlug das Zögern der Bevölkerung gegenüber dem Krieg in Begeisterung um. Im sonst sehr sachlichen Verwaltungsbericht heißt es: „Das heimische Infanterie-Regiment kehrte […] ruhmgekrönt zu kurzer Ruhezeit nach hier zurück. […] Nach einer erhebenden Begrüßungsfeier mit Gefallenenehrung auf der Nattenberg-Kampfbahn war unter Jubel der Bevölkerung ein großer Umzug des Regiments durch die festlich geschmückte Stadt mit anschließendem Vorbeimarsch am Adolf-Hilter-Platz. Der Dank der Heimat an die Frontkämpfer kam in herzlichsten Formen zum Ausdruck.“ -7- Kriegstagebuch des (Rüstungs-) Kommandos in Lüdenscheid (d.h.: damaliger Kreis Altena + Kreis Olpe + Kreis Soest + Hochsauerland Kreis) 6.6.1941: „Firma Ed. Hueck K.G., Lüdenscheid hat seit langem über 90% Fertigung Lw.“ (Luftwaffe) 5.11.1941: „Es stellt sich jedoch nach der Entlausung der Russen (Kriegsgefangenen) heraus, dass diese derartig unterernährt sind, dass sie vor Entkräftung umfielen und getragen werden mussten. Der Lagerarzt kann erst nach 2 bis 3 Wochen die Russen zum Einsatz freigeben.“ 11.4.1942: „Einen gewissen Ersatz für die einberufenen Gefolgschaftsmitglieder bildet der Einsatz von zivilen Russen männlichen und weiblichen Geschlechts. Die bisher gemachten Erfahrungen über den Einsatz sind gute.“ 20.5.1942: „Dringender Bedarf an Mundlochbuchsen für 8,8 cm Wurfgr. (Wurfgranaten) 34 erfordert die Erkundung weiterer Firmen. – Für die Fertigung kommen in Frage August Enders, Oberrahmede, mit 100.000 Stck., Paulmamm u. Crone, Lüdenscheid, mit 60.000 Kopfstücken.“ 15.1.1943: „In der Berichtszeit (1.10.42-15.1.43) wurden 113 Baracken befürwortet.“ (für ZwangsarbeiterInnen) März 1943: „Betreut werden insgesamt 206 Firmen mit 57.885 Gefolgschaftsmitgliedern und zwar für Heer 141 38.358 Luftwaffe 43 17.467 Marine 12 1.377 Verwaltung 8 645 Sonstige 2 38" Sept: 1943: „Das Ausbringen der dringenden Infanterie-Munition konnte erheblich gesteigert werden. Einer Menge von 91 Millionen im Juli stand im August die Zahl von 112 Millionen und im September die von 126 Millionen gegenüber. Weitere Erhöhung zu erwarten.“ Gewerbesteuer in Lüdenscheid (in tausend RM) 1933 273 1934 409 1935 462 1936 555 1937 1938 ? 1.213 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1.940 2.421 2.608 3.203 2.904 2.896 (Quelle: Verwaltungsberichte der Stadt Lüdenscheid) Die Steigerung um das Zwölffache ist den Erlösen aus den Rüstungsaufträgen zu verdanken. Viele Lüdenscheider wurden deshalb für unabkömmlich erklärt und mussten nicht an die Kriegsfront, sondern arbeiteten an der „Heimatfront“. (Während des „Wirtschaftswunders“ 1951-1961 verdoppelte sich das Gewerbesteueraufkommen in Lüdenscheid.) Die Gewerbesteuer machte die Stadt reich. Mehr als das Zehnfache der genannten Gewerbesteuer konnten die Lüdenscheider Rüstungsunternehmer als Gewinne verbuchen. Nach vorliegenden lückenhaften Angaben war die Gesamtzahl der Lüdenscheider Geschosse vom 1. bis zum 2. Weltkrieg deutlich größer als die aller Lüdenscheider Uniformknöpfe. -8- Zwangsarbeiter und Arbeitserziehungslager Hunswinkel Ca. 8.000 Fremdarbeiter aus 14 europäischen Staaten kamen nach Lüdenscheid, knapp 20% freiwillig, mehr als 80% gezwungen. Westeuropäische Fremdarbeiter erhielten normale Löhne und wurden wie Deutsche behandelt. Osteuropäer wurden in Viehwaggons nach Soest gebracht, dort wie auf einem Sklavenmarkt begutachtet und kamen Gedenkstein für Opfer von Hunswinkel dann meistens in die Rüstungindustrie. Dort mussten sie gegen internationales Kriegsrecht Geschosse produzieren, die gegen ihre Landsleute eingesetzt wurden. Die Fremdarbeiter waren hier in ca. 100 Sammelunterkünften untergebracht. Ihre Behandlung fiel entsprechend ihres Herkunftslands und der weltanschaulichen Einstellung der Unternehmensleitung sehr unterschiedlich aus. In der Schlittenbacher Str. 11 gab es 34 Todesmeldungen, in der Gartenstr. 29: 33, in der Altenaer Str. 38d: 24 und in manchen großen Lagern keine. Arbeitserziehungslager Hunswinkel (heute auf dem Grund der Versetalsperre, damals im Versetal) Am 20.8.1940 besichtigte Jeckeln mit den Leitern der Stapo-Stellen Düsseldorf und Dortmund und einem Vertreter der Bauleitung von Hoch-Tief das Lager. Es war eingerichtet worden, um kritische Arbeiter „zu erziehen“, ohne sie an die KZ der SS für lange Zeit zu verlieren. Die 200 überwiegend deutschen Häftlinge arbeiteten zunächst 6, später 12 Wochen meist im Laufschritt am Bau der Talsperre und im Winter an verschiedenen anderen Einsatzorten, z.B. für das Forstamt und die Firma Plate (Brüninghausen). Nach einer Unterbrechung im Winter 1941/ 42 wurden fast ausschließlich Ostarbeiter eingewiesen. Die Gestapo-Stelle Lüdenscheid, Friedrichstr. 5, wurde geschlossen und ihr Leiter, Karl Gertenbach, zum Lagerleiter in Hunswinkel ernannt. Die Kapazität des Lagers wurde auf 600 erhöht und die Behandlung der Häftlinge viel brutaler. Bis zum Kriegsende starben an Hunger, Misshandlungen, Erschießungen, Lebensmittelvergiftungen, Fleckfieber u.a. ca. 550 Menschen, überwiegend Russen. Insgesamt waren ca. 5.000 Menschen Häftlinge des Arbeitserziehungslagers Hunswinkel. Die letzten kamen vom Februar bis April 1945 aus dem Rheinland, darunter auch jüdische Rheinländer, die an den mörderischen Lebensbedingungen starben. Davon geben die wenigen Grabsteine auf dem Friedhof Hühnersiepen Zeugnis. -9- Verfolgung und Vernichtung 1933 lebten in Lüdenscheid 114 jüdische Bürger. Mit diesem Jahr begann die systematische Unterdrückung. Die Lüdenscheider wurden aufgefordert, nicht mehr in den Geschäften der jüdischen Mitbürger einzukaufen. Bis 1936 gab es eine jüdische Gemeinde mit ihrem Versammlungszentrum und ihrem Betraum in der ersten Etage der Gaststätte Jägerhof an der Luisenstraße (heute: Stadtbücherei) In der Reichspogromnacht wurden die letzten beiden Geschäfte jüdischer Lüdenscheider zerstört und die jüdischen Männer in den Polizeizellen des heutigen Alten Rathauses inhaftiert und für 6 Wochen ins KZ Sachsenhausen gebracht. Sie kehrten dann Knapp die hälfte der abgebildeten Kinder wurden Opfer des Holocaust. zurück und mussten ihre Geschäfte auflösen. Manche konnten noch fliehen, mindestens 36 aber wurden 1942 zur Ermordung von der Gestapo Lüdenscheid über Dortmund in den Osten geschickt. Ca. 20 überlebten teils in Lagern (z.B. im KZ Theresienstadt) und Verstecken und ca. 50 flüchteten ins Ausland. Mit aggressiven Bezeichnungen wie „leere Menschenhülsen“ wurden Behinderte abgewertet und ausgegrenzt. Jeder musste für die Ehe seine Gesundheit nachweisen. Dabei ging man willkürlich vor. Bluter erhielten die Erbgesundheitsbescheinigung. Aber Kinder, deren Eltern Alkoholprobleme hatten, erhielten sie nicht. Das Gesundheitsamt Lüdenscheid erfasste bis 1939 3.900 Menschen in der Erbgesundheitskartei. Bis zu diesem Zeitpunkt waren, meistens im Krankenhaus, 209 BürgerInnen zwangsweise sterilisiert worden. Seit dem verschleierten Euthanasiebefehl vom 1.Sept.1939 wurden mindestens 56 LüdenscheiderInnen mit Behinderungen ermordet – meistens in Hadamar. Dies wurde Euthanasie genannt: schönes Sterben. In Lüdenscheid brachte die Geheimpolizei (Friedrichstr.) die jüdischen Bürger zur Deportation in die Haftzellen der Ordnungspolizei im Alten Rathaus. Von hier wurden die Opfer auf einem Lastwagen aus Lüdenscheid nach Dortmund gebracht, von wo sie mit Zügen in die Vernichtungslager transportiert wurden. Der Spruch der NSPolizei galt nur für Nationalsozialisten, nicht für die anderen Deutschen. Ca. 50 der insgesamt ca. 80 Lüdenscheider Polizisten waren in den eroberten Nachbarländern im Einsatz. Meistens führten sie die Rassengesetze der Nationalsozialisten aus. - 10 - Gewalt bis zur letzten Stunde Vier sinnlose Opfer der nationalsozialistischen Gewalt gab es noch in den 4 letzten Tagen vor Kriegsende: Drei junge Soldaten wurden am 9.04.1945 wegen angeblicher Fahnenflucht in der Kaserne Buckesfeld erschossen und auf dem Adolf-Hitler-Platz zur Abschreckung ausgestellt (Heini Wiegmann, Alex Kamp und Fritz Gass). Am Tag der Befreiung Lüdenscheids, dem 13.April 1945, wurde der Frisör Hermann Massalsky (Bräucken) wegen wehrkraftzersetzender Äußerungen am Wefelshohl erschossen. Für viele war der Krieg am 8.Mai nicht beendet: für die Vertriebenen, die Gefangenen, die Verhungernden und die Versehrten. Das Foto zeigt einen an der Ecke Knapper-/Börsenstraße. An den 2. Weltkrieg erinnern: 1. die Gräberfelder auf den Friedhöfen 2. das Denkmal von 1935(!) an der Parkstraße 3. die Gedenktafel für den Betraum der jüdischen Bürger an der Rückseite der Stadtbücherei 4. das Mahnmal von Heinz Richter für die 550 Opfer des Arbeitserziehungsla- gers Hunswinkel an der Klamer Brücke 5. das Soldatendenkmal auf dem Krankenhausgelände u.a. Die Partnerschaften mit sechs Städten in sechs Nachbarländern, die alle von der Deutschen Wehrmacht mit Milliarden Geschossen und tausenden von Soldaten aus Lüdenscheid angegriffen und bis auf Großbritannien auch erobert wurden, sind wichtige Schritte zum Frieden in Deutschland und Europa. Wer die Wunden der Geschichte vergisst, weiß auch nichts von ihren Ursachen und ihrer Heilung. - 11 - Polen: Myslenice - Eroberung Am 1.September 1939 griff die Deutsche Wehrmacht Polen an. Damit begann der 2.Weltkrieg, in dem ca. 55 Mio. Menschen ums Leben kamen, davon 13 Mio. Kinder. Hitler hatte den Angriff gegen Polen heimlich und gründlich vorbereitet: 1) Im deutsch-sowjetischen Nichtangriffpakt vom 23.8.1939 verpflichteten sich beide Staaten zur Neutralität, wenn einer Krieg führen sollte. In dem „Geheimen Zusatzprotokoll“ wurde die Aufteilung Polens unter den beiden beschlossen. 2) SS-Leute und narkotisierte KZ-Häftlinge, von denen mindestens einer „zur Schau“ erschossen wurde, griffen in polnischen Uniformen den deutschen Sender Gleiwitz an. Die Lüge vom angeblich polnischen Angriff gegen Deutschland wurde von den nationalsozialistischen Medien verbreitet. 3) Seit 1936 waren die Deutsche Wehrmacht und die Industrie intensiv auf einen Krieg vorbereitet worden (vgl. Kasernenbau und Rüstung in Lüdenscheid). Ohne Kriegserklärung überfielen 51 Divisionen mit 2.000 Kampfwagen (meistens Panzern) und 2.700 Militärflugzeugen das Nachbarland Polen. (Cartier 19) Verluste: 1.9. - 6.10.1939: Polen Deutsche Russen 120.000 11.000 700 Gefallene 1.900 Verwundete 133.000 30.000 Nachdem fast ganz Polen erobert war, begann am 25. September der Angriff auf die Hauptstadt Warschau „Die (deutsche) Luftwaffe setzte rund 1.200 Maschinen ein, und zwar auch für Luftangriffe ungeeignete Transportflugzeuge, die zu etwa 13 Prozent Brandbomben abwarfen. Die Folge war eine breite Streuung der Bomben und eine so intensive Rauchentwicklung, dass die Zielgenauigkeit der Luftwaffe und Artillerie stark darunter litt. Die Zivilbevölkerung hatte große Opfer zu beklagen, und selbst die deutschen Truppen am Nordwestrand der Stadt wurden in Mitleidenschaft gezogen. Das führte zu Konflikten zwischen der Heeres- und Luftwaffenführung.“ (Das Deutsche Reich, Bd. 2, S.131) In Warschau starben während des 2.Weltkriegs mehr Zivilisten als in allen deutschen Städten zusammen. Neben Leningrad (ca. 1 Mio. Opfer der Hungerblockade) und Stalingrad zählte Warschau mit ca. 700.000 zivilen Toten zu den am schwersten getroffenen Städten des 2.Weltkriegs. Nur Canaris äußerte bei der Generalstabsplanung Bedenken gegen das Bombardement auf Warschau wegen der verheerenden außenpolitischen Folgen (Kriegserklärungen u.a.). Aber die oberste Heeresführung fügte sich den Anordnungen Hitlers und Görings. - 12 - Polen: Myslenice - Rassenpolitik Vernichtung und Aufteilung des polnischen Staates: Die deutschen Politiker lehnten einen polnischen Staat ab. Slawische Menschen wurden als minderwertig angesehen. Der Westen Polens wurde dem deutschen Reich angegliedert und die Mitte zum Generalgouvernement, das schlechter als eine Kolonie behandelt wurde. Aus den angegliederten Gebieten wurden hundertausende Polen „ausgesiedelt“, also ins Generalgouvernement vertrieben. Auf die Bauernhöfe kamen „verdiente“; also parteitreue Deutsche. Der Osten Polens wurde nach der Absprache zwischen Hitler und Stalin von der UdSSR besetzt. Der größte Teil der polnischen Oberschicht wurde inhaftiert. Viele Tausend wurden ermordet. Es gab keine Solidarität z.B. der deutschen katholischen Bischöfe mit den ermordeten Priestern und gefangenen Bischöfen in Polen. Keine Lebenschancen hatten behinderte und jüdische Polen. Auch Tausende von polnischen Sinti und Roma wurden in den großen Vernichtungslagern, die die SS in Polen gebaut hatte, ermordet. Am 14.Aug.1939 hatte Reichskanzler Hitler den versammelten Heeresgruppen- und Armeeführern im Hauptquartier gesagt: „Unsere Stärke ist unsere Schnelligkeit und unsere Brutalität. Dschingis-Khan hat Millionen Frauen und Kinder in den Tod gejagt, bewusst und fröhlichen Herzens. Die Geschichte sieht in ihm nur den großen Staatsgründer […] So habe ich, einstweilen nur im Osten (!), meine Totenkopfverbände bereitgestellt mit dem Befehl, unbarmherzig und mitleidlos Mann, Weib und Kind polnischer Abstammung und Sprache in den Tod zu schicken. Nur so gewinnen wir den Lebensraum, den wir brauchen.“ (Hrabar 15) (Kein Einspruch der Generale gegen diese Aufforderung zum Völkermord vor dem Krieg ist bekannt.) Polnische Kinder, die nach der Rassenideologie den Deutschen ähnlich waren, wurden ihren Eltern weggenommen. Insgesamt brachten die Nationalsozialisten über 200.000 Kinder aus Polen nach Deutschland. Nur 1520% konnten nach dem Krieg in ihr Vaterland heimkehren. „Bekannt ist, dass sich 1949 in Bayern noch über 20.000 polnische Kinder, in Schleswig-Holstein 6.000 Kinder aus Osteuropa und in Niedersachsen über 7.000 Kinder aus West- und Nordeuropa befanden.“ (Hrabar 240, Gawrilowa 265 ff ) - 13 - Polen: Myslenice Kriegsbeginn Myslenice zählte 1939 ca.5.000 Einwohner. Nach der großen Schlacht bei Wysokie wurde die Stadt am 4.Sept.1939 besetzt. 8 Soldaten starben, 19 Gebäude und zwei Brücken wurden zerstört. Konrad Ziegler wurde Leiter des Arbeitsamtes und schickte viele Menschen als ZwangsarbeiterInnen nach Deutschland. Aber auch in der Stadt wurden die Bürger täglich zu verschiedenen Arbeiten gezwungen und mussten ihre normalen Aufgaben – z.B. die Bewirtschaftung des Bauernhofes - vernachlässigen. Es herrschte nachts Ausgehverbot und oft wurden die Häuser durchsucht, um versteckte Personen und Waffen zu finden, aber besonders um die Menschen einzuschüchtern. Alle Radios mussten abgegeben werden und die Schule durfte nur bis zur 4.Klasse, selten bis zur 7., besucht werden, weil Polen nur niedere Arbeiten verrichten sollten. Musik, Malerei, Filme und Zeitungen waren verboten. Wer gegen die Anordnungen verstieß, kam ins Konzentrationslager. Große Mengen Getreide, Fleisch und Milch mussten den Deutschen abgeliefert werden. Für unerlaubtes Schlachten drohte die Todesstrafe oder das Konzentrationslager. Viele Polen hungerten. Verfolgung Etwa 1/6 der Bevölkerung war jüdisch, also ca. 900 Bürger. Gegen sie richtete sich schon in den ersten Tagen der größte Hass. In der Straße Reja 9 wurde ein Ghetto errichtet, in das 300 Menschen gepfercht wurden. Ihnen und den anderen jüdischen Bürgern von Myslenice wurde am 22.Aug.1942 vom Arbeitsamt(!) befohlen, mit kleinem Gepäck zum Rathaus (Starostei) zu kommen. Mit Kraftfahrzeugen wurden sie nach Krakau und von dort in deutsche Vernichtungslager transportiert. Alles in allem starben 1.200 Juden, die zeitweise in Myslenice gelebt, davon 900, die dort dauerhaft gewohnt hatten. Nur eine kleine Gruppe von 21 jüdischen Bürgern konnte dank der todesmutigen Tapferkeit von anderen Polen überleben, die ihnen ein Versteck gaben und mit ihnen die rationierte Nahrung teilten. Widerstand Schon 1940 entstand in Myslenice die Geheimorganisation „Bund des bewaffneten Kampfes“. Zu ihren Aufgaben zählte: 1. das Sammeln von Waffen, Munition und Nachrichten aus aller Welt, 2. die geheime Verbreitung oppositioneller Nachrichten und 3. die Unterstützung von Gefangenen, Opfern und Angehörigen. Im Verlauf des Krieges wurden Partisanengruppen gebildet, ein geheimer Feldsender betrieben, Ausweise und Dokumente gefälscht, deutsche Stempel nachgeahmt und Granaten zusammengesetzt. Auch fand heimlich weiterführender Schulunterricht statt und es gab eine Untergrundpresse. Wer erwischt wurde, wurde grausamen Methoden unterworfen: Schläge, Hunger, - 14 - Polen: Myslenice Fesseln und Brechen von Fingern. Einige wurden in Konzentrationslager geschickt und getötet. Zwangsarbeit Mehr als 100 Bürger von Myslenice wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschickt. Minderjährige bildeten die Mehrheit. Es ist nicht bekannt, wie viele ums Leben kamen. Im ehemaligen Kreis AltenaLüdenscheid haben 551 Mädchen und Frauen und 818 Jungen und Männer aus Polen Zwangsarbeit verrichten müssen. Wer nicht ins Deutsche Reich geschickt wurde, musste in Myslenice für die Deutschen arbeiten: als Haushaltshilfe, im Straßenbau, für Panzergräben u.a.. Nach den Arbeiten wurden die Bürger gedemütigt, indem sie um den Brunnen auf dem Marktplatz ziehen und singen mussten: „Der Marschall Smigly Rydz hatte uns nichts gelehrt. Aber unser goldener Hitler lehrte uns das Arbeiten.“ Wer nicht laut mitsang, wurde mit dem Ochsenziemer geschlagen. Unterdrückung Zur Sicherung der öffentlichen Ordnung wurden jeweils 10 bekannte Bürger als Geiseln genommen und nach einiger Zeit gegen andere ausgetauscht. Als am 23.Juni 1940 in der Post eine Grana- te explodierte, wurden die 10 Geiseln und 25 willkürlich Verhaftete nach Krakau gebracht und in Krzeslawice erschossen. (Schwarzer Sonntag von Myslenice) Am 21.4.1944 wurde der unmenschliche Polizist Drachenberg von dem Partisanen Joseph Fijalkowski tödlich verletzt. Acht Tage später nahmen deutsche Sicherheitskräfte 42 Bürger, die zur „Armia Krajowa“ (Landarmee) gehörten, fest und brachten sie mit 3 Inhaftierten zur Exekution nach Krakau. 10 andere Bürger wurden in Konzentrationslager verschickt. Kriegsverluste und Gedenken Außer den ca. 1.200 jüdischen Bürgern starben im Krieg 127 Bürger von Myslenice. 6 Denkmäler erinnern an das Unrecht: 1. Grab des Unbekannten Soldaten auf dem Kommunalfriedhof 2. Gemeinschaftsgrab der 8 polnischen Soldaten, die im September 1939 fielen. 3. Gedenktafel für die Opfer des „Schwarzen Sonntags“ 4. Gedenktafel für die 120 Opfer der Besatzungszeit 5. Gedenktafel auf dem jüdischen Friedhof 6. Gedenktafel am Marktplatz für die 1.200 jüdischen Opfer von Myslenice An diesen Orten werden jedes Jahr Blumen niedergelegt. - 15 - Niederlande: Den Helder - Eroberung Nach der Eroberung Polens hatte die Deutsche Wehrmacht Dänemark und Norwegen besetzt. Damit kam Hitler seinem Ziel der Weltherrschaft näher. Als nächstes sollte West-Europa unterworfen werden, um Englands Macht und Einfluss abzubauen. Da England Polen versprochen hatte seine Existenz zu schützen, stand England seit der Eroberung Polens formal im Krieg gegen Deutschland. Am 10.Mai 1940 brachen deutsche Truppen ohne Kriegserklärung in Holland, Belgien und Luxemburg ein und beendeten Hitlers Neutralitätsversprechungen. Er warf ihnen vor, ihre militärische Macht gegen Deutschland ausgebaut, militärische Absprachen mit den Briten getroffen und Überflugrechte für diese eingeräumt zu haben. Deshalb müsse Deutschland zum eigenen Schutz die neutralen Staaten militärisch besetzen. Sie lehnten das ab und damit begann der Krieg im Westen. Das zerstörte Rotterdam „Am Abend des 13.Mai befahl das (deutsche) Armeekommando 18, den ‚Widerstand in Rotterdam mit allen Mitteln zu brechen.’ Während am folgenden Tag mit einiger Verzögerung bereits über die Übergabe der Stadt verhandelt wurde, flog das deutsche Kampfgeschwader 54, dessen erste Gruppe den Gegenbefehl nicht mehr erhielt, einen inzwischen überflüssigen Angriff gegen die Stadt. Die Auswirkungen waren verheerend. Über 800 Tote gab es allein unter der Zivilbevölkerung. An- gesichts einer hoffnungslosen militärischen Lage und um ähnliche Katastrophen in weiteren Städten zu vermeiden, entschloß sich der holländische Oberbefehlshaber […] zu kapitulieren.“ (Das Deutsche Reich Bd. 2, S.287) Der Westkrieg: 10.Mai – 31.August 1940: In den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, NordFrankreich starben täglich mehr als 400 deutsche Soldaten und eine größere Zahl von Gegnern. Deutsche Soldaten: 30.093 gefallen, 117.615 verwundet, 16.556 vermisst. Widerstand und Unterdrückung Zum Ende des Krieges wurde die Besatzungspolitik immer brutaler. Einen Anschlag auf den Höheren SS- und Polizeiführer der NL Rauter mussten 250 Niederländer mit ihrem Leben bezahlen. Ein Eisenbahnerstreik schadete zwar den Belangen der deutschen Kriegsführung, verschlimmerte aber im Verein mit den deutschen Gegenmaßnahmen die ohnehin ungenügende Versorgung der Zivilbevölkerung. Der sogenannte „Hungerwinter“ 1944/45 mit 15.000 - 20.000 Toten, Razzien auf Arbeitskräfte, Demontagen und wirtschaftlicher Ausräumung sowie die aus militärischen Gründen vorgenommene Überflutung großer Gebiete ließen bei der Bevölkerung alptraumhafte Erinnerungen an eine Fremdherrschaft zurück, die schließlich nur noch aus rücksichtsloser Gewaltanwendung Bestand hatte. (Das Deutsche Reich, Bd. 5,2, S.21) - 16 - Niederlande: Den Helder -Verfolgung/ Ermordung jüdischer Niederländer Ca. 10% der Juden, die zu Beginn des Krieges in den Niederlanden lebten, waren vor den Nationalsozialisten aus Deutschland geflohen. Zum berühmtesten Opfer des Holocaust wurde durch ihr Tagebuch das jüdische Flüchtlingskind Anne Frank. Es war 1929 in Frankfurt am Main geboren. 1933/34 zog ihre Familie nach Amsterdam. Am 6.Juli 1942 versteckte sie sich hinter einer Geheimtür auf dem Dachboden der Prinsengracht 263, wo sich heute das Museum befindet. Die Untergetauchten werden im August 1944 verraten und am 3.September 1944 mit dem letzten Zug nach Auschwitz deportiert. Da die russische Armee sich näherte, wurde das Lager geräumt und Anne in das KZ Bergen-Belsen gebracht, wo sie im März 1945 an Hunger und Krankheit starb. Eine jüdische Flüchtlingsfamilie aus Lüdenscheid Als Sohn von Heymann und Frieda Süskind war Walter 1906 in Lüdenscheid geboren, wo die Familie zunächst in der Schillerstr.7a und später in der Grabenstr.1 wohnte. Ungefähr 1912 zog die Kaufmannsfamilie fort. 1930 heiratete Walter Süskind in Saarbrücken. 1938 floh er in die Niederlande. 1942 wurde er vom Jüdischen Rat Amsterdams beauftragt, die Deportation der Juden aus der Stadt in die deutschen Vernichtungslager zu organisieren. Hierfür sammelten sich die jüdischen Bürger im Holländischen Theater (Hollandsche Schouwburg). Während des kurzen Aufenthalts versuchte Walter Süs- kind, die Kleinkinder zu retten, indem er sie mit einer Untergrundorganisation versteckte. Für den Zählappell erhielten die Eltern Strohpuppen, die insgeheim hergestellt wurden. Ca. 1.000 Kleinkinder sollen so gerettet worden sein. Aber ihre Eltern wurden deportiert und ermordet. Das Schicksal widerfuhr auch Walter Süskind, seiner Tochter und seiner Frau, die am 2.September 1944 deportiert wurden. Die Nationalsozialisten hatten ihn zum Täter, Retter und Opfer im Holocaust gemacht. Bilanz der Ermordung der niederländischen Juden „Insgesamt wurden in dieser Deportationsperiode (Juli 1942 – Februar 1943) mit 52 Transporten insgesamt 46.455 Juden aller Altersgruppen aus den Niederlanden „nach dem Osten“ verschleppt. Doch nicht alle kamen direkt nach Auschwitz. 18 Züge hielten in Kosel, etwa 80 km vor Auschwitz, wo zahlreiche ‚arbeitsfähige’ Männer im Alter zwischen 15 und 50 Jahre besonderen Zwangsarbeitslagern zugeteilt wurden. […] (Hier waren) die Arbeits- und Lebensbedingungen […] derart, daß nur 181 der insgesamt 3.540 Deportierten […] überlebten. Rein statistisch gesehen waren ihre Chancen zu überleben damit aber immer noch besser als die aller übrigen Deportierten. Von den 42.915 direkt aus Westerbork nach Auschwitz transportierten Juden waren nach der Befreiung des Vernichtungslagers noch 85 am Leben.“ (Benz 151) - 17 - Niederlande: Den Helder Am 14.Mai 1940 kapitulierte die Marinestadt Den Helder, weil die Überlegenheit der deutschen Angreifer zu groß war. An diesem Tag hatten drei deutsche Flugzeuge Bomben abgeworfen, die 28 Tote, viele Verletzte und Schäden hinterließen. Am Tag darauf besetzten deutsche Truppen die Stadt und nahmen in der christlichen Schule Quartier. In den folgenden Monaten mussten große Schuttberge weggeräumt und Häuser repariert werden. Lebensmittel, Brennstoff und viele andere lebenswichtige Dinge wurden rationiert. Ab 1944 wurden die Portionen so klein, dass viele Niederländer verhungerten. Im 2.Weltkrieg wurden von den 9.885 Wohnungen in Den Helder 1.972 zerstört, also jede fünfte. Schon im Oktober 1940 mussten Juden ihre Geschäfte schließen. 1941 wurde ein großes „J“ in den Ausweis gestempelt. Ab dem 29.April 1942 mussten alle jüdischen Niederländer den Judenstern tragen. Im Sommer begannen die Deportationen zum „Arbeitseinsatz im Osten“, also in die Todeslager, vorwiegend nach Auschwitz. 117 jüdische Bürgerinnen und Bürger von Den Helder wurden von Deutschen ermordet. Im Verlauf des Krieges wuchs der Widerstand. In den Auseinandersetzungen mit der deutschen Gewaltherrschaft starben 20 - 18 - Niederlande: Den Helder Einwohner von Den Helder als Widerstandskämpfer. Einige wurden ins Arbeitserziehungslager Hunswinkel eingewiesen. Dort kamen Zwangsarbeit Bürger von Den Helder wurden in den Niederlanden und in Deutschland zur Zwangsarbeit verpflichtet. Nur wenige meldeten sich freiwillig. Wer Kritik äußerte kam in ein Lager. Hier starben viele an den Folgen von Hunger, Schlägen, Schwerstarbeit und Erkrankungen. Im Bereich des ehemaligen Kreises AltenaLüdenscheid mussten 474 Frauen und Männer aus den Niederlanden arbeiten. mindestens 7 ums Leben: Eduard Brames, Heinrich Drehmanns, Willi Kastorp, Hubert Riedjens, Louis Riedjens, Johann Riedjens, Jakob Westeenen. Erinnerung Heute erinnern einige Denkmäler und Gedenkfeiern – oft mit Schülern – an die Opfer des Krieges und der deutschen Gewaltherrschaft. - 19 - Belgien: Leuven - Verteidigung und Niederlage Nicht die zahlenmäßige Überlegenheit – die militärische Stärke der Belgier und Franzosen entsprach ungefähr der Stärke der deutschen Truppen – als vielmehr strategische Fehler führten zum Blitzsieg der Deutschen Wehrmacht. Der belgische König schrieb 1940: Belgiens „Mittel des Widerstands sind jetzt auf dem Punkt der Vernichtung. Am Morgen des 10. Mai, als mein Land ohne Warnung in verräterischer Weise angegriffen wurde, hat die belgische Armee durch die Errichtung einer guten Verteidigungslinie in Zusammenarbeit mit den Alliierten reagiert. […] Trotz aller gegenteiligen Ratschläge, die mir gegeben wurden, halte ich es für meine Pflicht, das Schicksal meiner Armee zu teilen und bei meinem Volk zu bleiben […] Ich bin überzeugt, dass ich meinem Volk besser beistehen kann, wenn ich bei ihm bleibe, als wenn ich von außerhalb zu agieren versuchte, insbesondere gegen die Härten einer fremden Besatzung, die drohende Zwangsarbeit, die Deportationen oder die Schwierigkeiten einer ausreichenden Verpflegung.“ Am 28.Mai kapitulierte der belgische König. Im Waffenstillstand hieß es: „In Anerkennung der ehrenvollen Übergabe behalten die Offiziere der belgischen Armee ihre Waffen. Das Schloß Laeken wird seiner Majestät dem König als Residenz für seine Familie, sein Gefolge und seine Bediensteten zugewiesen.“ Die belgische Regierung hatte sich mit dem König um die militärischen und politischen Entscheidungen gestritten und zog nach London ins Exil. Weil Belgien keiner nationalsozialistischen Zivilverwaltung unter der Leitung der SS unterstellt wurde, sondern bis 1944 unter dem Kommando der Deutschen Wehrmacht blieb, waren die Lebensbedingungen der Belgier besser als die aller anderen unterworfenen Völker. Dennoch bildete sich in den wallonischen Provinzen ein starker Widerstand, weil die Wallonen wegen der nationalsozialistischen Rassenideologie z.B. hinsichtlich der Kriegsgefangenen schlechter behandelt wurden als die Flamen („Germanen“). Die Konflikte zwischen dem antifaschistischen Widerstand, dem taktierenden König und der belgischen Exilregierung konnten erst fünf Jahre nach Kriegsende gelöst werden, als der König zurücktrat. Der belgische König versuchte zunächst einen Kompromiss, wurde aber 1944 inhaftiert. - 20 - Belgien: Leuven - Holocaust, Zwangsarbeit und Verfolgung Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus waren in Belgien nicht verbreitet. Die jüdischen Bürger lebten gesetzlich gleichberechtigt. Der deutsche Sonderbericht von 1942 sprach davon, dass unter den „Fittichen“ der „katholischen Kirche und dem freimaurerischen Liberalismus“ in Belgien „einer Ausbreitung und Förderung des Judentums Tor und Tür“ geöffnet worden waren. ferenz vom 20.1.1942 legte die Zahlen für den „Arbeitseinsatz im Osten“ fest: „Belgien 43.000“. „Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung“ sollte Europa von Westen nach Osten durchkämmt werden. Ab dem 27.5.1942 mussten die jüdischen Belgier den Judenstern tragen. F. Nussbaum war aus Osnabrück nach Belgien geflohen und wurde 1944 Opfer des Holocausts. In seiner Geburtsstadt sind heute seine erschütternden Bilder zu sehen. Im ehemaligen Kreis Altena-Lüdenscheid waren 494 Belgier als Zwangsarbeiter eingesetzt. Sie durften sich im Gegensatz zu den osteuropäischen Kollegen frei bewegen, erhielten angemessene Nahrung und Löhne. – An den unmenschlichen Bedingungen des Arbeitserziehungslagers Lüdenscheid-Hunswinkel starb mindestens ein Belgier: Todesursache: „Auszehrung“. F. Nussbaum flüchtete aus Osnabrück nach Belgien, wo er Opfer des Holocaust Als die deutsche Militärverwaltung am 28.10.1940 die Registrierung aller Juden anordnete, meldeten sich nur 42.000 Personen. Die Massenflucht nach Frankreich zeigte ihre Auswirkungen; außerdem gelang es vielen belgischen Juden, sich durch ihre Assimilation mit der Bevölkerung der Anordnung zu entziehen. Das Protokoll der Berliner Wannsee-Kon- Mit immer mehr Streiks wehrten sich die Belgier gegen die deutsche Besatzungsmacht. „Geiselerschießungen, wobei der Militärbefehlshaber und General Falkenhausen vorzugsweise auf Personen zurückgriff, die von den Kriegsgerichten zur Höchststrafe verurteilt worden waren, Festnahmen und Deportationen nahmen ein unerträgliches Ausmaß an. Wie in den Niederlanden schreckte die SS auch vor der Anwendung des Gegenterrors nicht zurück.“ (Das Deutsche Reich 5,2,S. 23 f) - 21 - Belgien: Leuven - Die Besetzung Zu Beginn des Krieges zählte Leuven 37.000 Einwohner. Am 14.Mai 1940 zogen sich die britischen und belgischen Truppen zurück und deutsche Truppen besetzten die Stadt. In den vier ersten Tagen des Krieges starben 101 Bürger durch Bombardements. Neben vielen Häusern wurde auch die Universitätsbibliothek zerstört, wobei – wie im 1.Weltkrieg viele wertvolle Bücher vernichtet wurden. Im 1.Weltkrieg war die Bibliothek absichtlich in Brand gesetzt worden. Ob hinter dem Brand im 2.We l t k r i e g auch Absicht lag, blieb bis heute umstritten. schen das Beste erreichen wollten – dazu zählte auch der Bürgermeister – und 3) es gab unterschiedlich radikale Widerstandsgruppen. Jüdische Opfer Die Bürger wurden zur Zwangsarbeit in Belgien und Deutschland verpflichtet. Nach dem Motto „Ganz Europa arbeitet für Deutschland“ organisierten die Wehrmacht, die SS und alle deutschen Behörden das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben im Sinne der nationalsozialistischen Großmachtund Rassenpolitik. Die Zeit der Besatzung polarisierte die Bevölkerung: Es gab 1) Anhänger der Nationalsozialis- De uitgebrande universiteitsbibliotheek na de bomten unter den bardemente van mei 1940. (foto Stadsarchief Leuven) Bürgern Leuvens, 2) es gab diejenigen, die unter den herrschenden Bedingungen für die Men- - 22 - Belgien: Leuven - Die Befreiung Im September 1944 zogen sich die deutschen Truppen aus der zerstörten Stadt zurück. Das Foto zeigt einen Panzer der Alliierten vor dem Rathaus. Durch die Bevölkerung ging ein tiefer Riss. 3.000 wurden inhaftiert, weil sie mit den deutschen zusammengearbeitet hatten. - 23 - Frankreich: Romilly Mit der Besetzung Frankreichs im Norden und Westen begann eine schwere Zeit. Die Bevölkerung spaltete sich zum Teil unversöhnlich in diejenigen, die den Nationalsozialismus für eine gute Form der Politik hielten, in freiwillige und gezwungene Mitläufer und in Menschen des Widerstands. Frankreich musste an Deutschland Tribut zahlen und Abgaben entrichten: 1.000 Tiere, 1.000 t Butter und 700.000 t Kohle je Woche u.a.. Die Nahrung wurde rationiert. Viele Städter litten an Hunger, wenn sie nicht „schwarz“ an zusätzliche Lebensmittel kommen konnten. Romilly allein hatte 6 Mio. alte Francs zu zahlen, für die die Wirtschaft und die Stadt bürgen mussten. Die Ermordung von ca. 74.000 jüdischen Franzosen, die Tötung von Menschen der Resistance, der Tod vieler Zivilisten und Soldaten führten zu dem Verlust von ca. 500.000 Menschen. In dem Waggon musste Deutschland 1918 seine Kapitulation unterschreiben und Frankreich 1940 seine Kapitulation vor Deutschland. Bild von 1940. - 24 - Frankreich: Romilly In Romilly werden Französische Gefangene von deutschen Soldaten abgeführt Das Foto zeigt Franzosen, die in Romilly von deutschen Soldaten gefangen genommen werden. Ca. 1,6 Mio. französische Soldaten kamen in deutsche Gefangenschaft und wurden zu mehr als 90 % als Arbeitskommandos für kriegswichtige Arbeiten eingeteilt. Bis zum Kriegsende behielten sie den Gefangenenstatus. Ca. 15 % wurden Fremdarbeiter. Ca. 900 000 kamen direkt als Fremdarbeiter nach Deutschland. Eine Minderheit meldete sich freiwillig, die Mehrheit wurde gezwungen. Ca. 12 % aller französischen Be- rufstätigen mussten in Deutschland arbeiten. Darunter waren auch viele Geistliche. Auch aus Romilly kamen mehr als 1 000 Bürger als Fremdarbeiter nach Deutschland. - 25 - Frankreich: Romilly Romilly gehörte zum besetzten Teil Frankreichs. Die Nationalsozialisten herrschten hier vom 13.06.1940 bis zum 26.08.1944. Schon 2 Monate nach der Landung in der Normandie (6.06.1944) erreichten die Alliierten Romilly. Hier wurden in der Besatzungszeit auch die nationalsozialistischen Rassegesetze ausgeführt. Das war die Aufgabe der deutschen Ordnungs- und Geheimpolizei, aber auch französischer Sicherheitskräfte. Sie dienten nicht der Sicherung des friedlichen Zusammenlebens und dem Schutz der Menschen, sondern der Ermordung von Juden, Kritikern und anderen Minderheiten. Aus Romilly wurden in den Tod geschickt: Bardin, Marcel 6.2.1945 (!) Dora/Auschwitz Birer, Raymond 7.9.1944 Breslau, Enthauptung Boitard, Calixte 14.1.1944 Chemnitz Cognon, Jean 6.3.1945 Mauthausen Cribellier, Roger 3.1.1945 Dora/Auschwitz Denuault, Alphonse 1945 Dora/Auschwitz Favin, Mary 17.1.1943 Hinzert Herszkowicz, Dwojna 15.1.1944 Auschwitz Herszkowcz, Simone 15.2.44 Auschwitz (11 Monate alt) Leleux, Paul 17.5.1945 Magdeburg Michelot, Rene 6.5.1944 Wolfenbüttel Reaux, Rene 21.19.1942 Hinzert Sevestre, Lucien 29.10.1942 Dora/Auschwitz Zajdefer, Isaac 20.7.1942 Auschwitz Diese Liste scheint unvollständig zu sein, da sie unter dem Durchschnitt der französischen Holocaustopfern in den besetzten Gebieten liegt. - 26 - Frankreich: Romilly Aus Romilly wurden 16 Menschen mit dem Tod bestraft, weil sie Widerstand leisteten. In Montgueux am 18.4.1942: Charles Masson In Creney wurden am 22.8.1944 erschossen: Ben Ahmed, Andre Cauve, Robert Couard, Andre Darce,Jean Guichard, Lucien Grimmler, Bernard Gousserey, Marcel Laloy, Jean Legrendre, Raymond Pierrard, Jean Prlleus, Hubert Valli, Luis Vaudez, Roland Vincent, George Am 26.6.1944: Candeli, Joseph Der Panzer der Alliierten, welcher auf dem Foto zu sehen ist, erinnert noch heute an die Befreiung von Romilly. - 27 - Großbritannien: Brighouse Nach den Siegen über die Niederlande und Belgien und der Kapitulation Frankreichs plante Hitler nach einigem Zögern die Landung in Großbritannien. Im Juli 1940 ordnete er an, die Heeresstärke herabzusetzen und die Luftwaffe und Kriegsmarine aufzurüs- bereitet. Dank der Radartechnik konnten die Briten sich erfolgreich verteidigen und der Luftwaffe schwere Schäden zuzufügen. Deshalb wurde die Landung abgesagt. Bis zum 13.November waren 1.733 deutsche und 915 englische Flugzeuge zerstört und fast alle deutschen Flugmannschaften getötet, während sich die britischen oft mit Fallschirmen retten konnten. Mit dem Angriff auf Coventry in der Nacht vom 14./15. November 1940 begann der letzte Abschnitt der LuftObwohl Regierung die Londoner Bevölkerung mahnt, U-Bahnschlacht um EngStationen nur in Notfällen als Luftschutzraum zu benutzen, sind land, der durch diese fast jede Nacht volkommen überfüllt. Nachtangriffe geten. Hitler gab folgende Anweisung: „Da gen Industriestädte (Fabriken und WohnEngland, trotz seiner militärisch aussichts- gebiete) und Häfen gekennzeichnet war und losen Lage, noch keine Anzeichen einer Ver- 1941 endgültig eingestellt wurde, weil auch ständigungsbereitschaft zu erkennen gibt, diese Angriffe die Engländer nicht bereit habe ich mich entschlossen, eine Landungs- machten, mit Hitler Frieden zu schließen und operation gegen England vorzubereiten die Eroberung Europas durch die Nationalund wenn nötig, durchzuführen.“ Am 1.Au- sozialisten hinzunehmen. gust wies Hitler die Luftwaffe und die Mari- Im Luftkrieg hatte die deutsche Wehrmacht ne an, die Angriffe gegen England zu ver- bis März 1941 insgesamt 3.363 Soldaten schärfen. Die eroberten Länder boten und 2.265 Maschinen verloren. Hinzu kaDeutschland die Chance, intensiver gegen men 2.641 Vermisste (mehr als die Hälfte Großbritannien kämpfen zu können. Der Tote) und 2.117 Verwundete. In GroßbritanLandeangriff gegen England mit 24 Divisi- nien wuchs neben der Angst der Bevölkeonen unter dem Generalfeldmarschall von rung auch die Wut und die VerteidigungsRundstedt wurde für den 15.September vor- bereitschaft gegen Deutschland. - 28 - Großbritannien: Brighouse Aus dem Gemeindeverband Halifax, zu dem auch Brighouse gehört, kam der erste Soldat am 2.10.1939 in Frankreich ums Leben. Inzwischen hatte auch die Kommunalverwaltung angefangen, zusammen mit der Regierung in London sich auf den Verteidigungskrieg gegen Deutschland einzustellen. Für die Bevölkerung wurden Bunker gebaut. Sie dienten auch den 400 Kindern als Schutz, die aus London nach hier evakuliert wurden, weil die Regierung der Mei- nung war, dass sie in Halifax besser geschützt werden könnten. Am 22.11.1940 fiel eine schwere Bombe auf Halifax, tötete 11 und verletzte 10 Personen. 37 Häuser wurden so stark zerstört, dass sie von ihren Bewohnern verlassen werden mussten. Ein Spendenaufruf in der Großgemeinde war so erfolgreich, dass von den gesammelten 13.000 Pfund zwei Spitfire (Kampfflugzeuge) finanziert werden konnten. Die zerstörte Kathedrale von Coventry - 29 - Großbritannien: Brighouse 1943 waren 6.720 Bürger von Halifax im Dienst der Armee, 843 bei der Marine und 2.544 bei der Luftwaffe tätig. Schon bei der Verteidiung von Belgien und Frankreich waren einige beteiligt. Die Verteidigungbereitschaft wurde erhöht. Mit einem großen Umzug zeigten viele Rote-Kreuz-Schwestern ihre Bereitschaft zum Dienst für die Versorgung der Soldaten und Zivilisten. 1942 wurden unverheiratete Frauen eingezogen, um zivile Dienste, Industriearbeiten oder Plegedienste für die Verteidigung zu verrichten. Zur Sicherung der Ernährung spendete Henry Ford (USA) 500 Lieferwagen an Großbritannien. Einer kam nach Halifax. Unter den Piloten, die am 30.Mai den schweren Angriff auf die Innenstadt von Köln flogen, waren viele Soldaten aus Halifax. Das war der erste Großangriff auf die deutsche Zivilbevölkerung als Gegenmaßnahme gegen die deutschen Angriffe auf London, Coventry und andere britische Städte. London nach einem Luftangriff. Bei Luftangriffen auf britische Städt starben im Januar 1941 1.550 Zivilisten. - 30 - Großbritannien: Brighouse Alliierte Truppen nach der Landung in der Normandie im Juni 1944 Am 6.6.1944 landeten die alliierten Truppen in der Normandie. Damit wurde die Westfront aufgebaut, die Russland schon lange im Kampf gegen die deutschen Truppen gefordert hatte. Unter großen Verlusten gelang die größte Operation des 2.Weltkriegs, an der auch viele Soldaten aus Halifax beteiligt waren. Gleichzeitig wurden in Großbritannien und Deutschland jeweils von gegnerischen Piloten die Städte bombardiert. Zum Schutz kamen 7.000 Engländer aus dem Süden des Landes 1944 nach Halifax. Am 23.12.1944 traf eine V 1 Bombe einen Bauernhof. 1945 feierten die Bürger den Sieg über Hitlers Deutschland mit einem großen Straßenfest. 1946 wurde Görings Staatsmercedes als Trophäe auch in Halifax gezeigt. - 31 - Russland: Taganrog Bis heute wird die Propaganda Hitlers auch im Geschichtsunterricht unserer Stadt - weitererzählt, dass der deutsche Angriff auf die Sowjetunion nur deren bevorstehenden Angriff verhindern sollte. Da die Archive in Moskau inzwischen zugängig sind, zweifelt kein Fachmann daran, dass auch Hitlers Aussage von den Kriegsvorbereitungen des „jüdischen Bolschewismus“ eine Lüge war. Mit dessen lange geplanter Eroberung wollte sich Hitler sein germanisches Weltreich errichten, in dem Slawen als Untermenschen den deutschen Herrenmenschen dienen sollten. (vgl. das Propagandaplakat). Schon im Vorfeld hatten er und die Wehrmacht Befehle erlassen, die das internationale Kriegsrecht und das Völkerrecht brachen: Bei gesetzwidrigem Verhalten – z.B. grundlose Ermordung von Zivilisten – gebe es keine Strafen und politische Kommissare sollten immer erschossen werden. Am 22. Juni 1941 griffen ca. 3 Mio. deut- sche Soldaten und 600.000 Soldaten aus Italien, Rumänien, der Slowakei und Ungarn die Sowjetunion an. Russland musste sehr große Verluste erleiden. Jedoch zeigten bereits die Schwierigkeiten im ersten Kriegswinter, wie schwer der Kampf zwischen den beiden stärksten Heeren der Welt war. - 32 - Russland: Taganrog Mit 20-27 Mio. Kriegstoten hatte die Sowjetunion fast die Hälfte aller Kriegsopfer zu beklagen. Das hatte viele Gründe, zu denen besonders drei zählten, die Verbrechen waren. a) Ca. 5,7 Mio. Russen kamen in deutsche Kriegsgefangenschaft, dort starben 3,3 Mio., fast alle 1941/42. Die Wehrmacht ließ sie verhungern, obwohl es damals noch ausreichend Nahrung gab. (In deutscher Kriegsgefangenschaft starben 58% der russischen Soldaten. 35% aller deutschen Soldaten starben in russischer Gefangenschaft; die Russen hatten am Ende des Krieges oft selbst kaum etwas zu essen.) b) Viele Russen mussten in den eroberten Gebieten für die Deutschen Zwangsarbeit leisten. Mehr als 3 Mio. Russen – in der Mehrheit minderjährige Mädchen, weil die jungen Männer in der russischen Armee dienten – wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschickt. Viele starben an den unmenschlichen Bedingungen, dem Hunger und dem Heimweh. In Lüdenscheid waren es in den Fabriklagern ca. 5% der russischen ZwangsarbeiterInnen und im Arbeitserziehungslager Lüdenscheid-Hunswinkel ca. 9% der Inhaftierten. Unter den Todesopfern aller Zwangsarbei- ter betrug der Anteil der Russen ca. 85% in Lüdenscheid. Im Kreis Altena-Lüdenscheid arbeiteten 9.620 russische Zivilarbeiter, davon 5.892 Frauen/Mädchen. Das „Russenbrot“ aus Sägemehl, Laub und Brotresten zeigt die rassistische Verachtung des offiziellen Deutschlands gegenüber Russen. (vgl. Vitrine) Bis heute gibt es keine genauen Forschungen über die Opferzahl der ZwangsarbeiterInnen im Deutschen Reich. c) Die Sonderkommandos der Polizei, die SS, die deutsche Wehrmacht und russische Kollaborateure ermordeten ca. 2,8 Mio. jüdische Bürgerinnen und Bürger im altsowjetischen Gebiet und Baltikum ohne das besetzte Polen. (Benz 560) Der Verwaltungsbericht der Stadt Lüdenscheid verzeichnet 50 Polizisten, die während des Krieges außerhalb der Stadt im Einsatz waren und teilweise gefangen wurden. Es muss noch erforscht werden, ob sie – wie z.B. Jeckeln, der Gründer des Arbeitserziehungslagers Lüdenscheid-Hunswinkel - zu den Sonderkommandos zählten. Nicht nur ca. die Hälfte aller Weltkriegsopfer, sondern auch knapp die Hälfte der Holocaustopfer hatte die Sowjetunion zu beklagen. - 33 - Russland: Taganrog Vor dem Krieg lebten hier 188.808 Menschen. Mehr als die Hälfte der Berufstätigen arbeiteten in der Schwerindustrie. Sie stellte u.a. Flugzeuge her. Vier Monate nach dem Beginn des deutschen Russlandfeldzugs wurde Taganrog am 17.10.1941erobert. Die deutschen Truppen waren so schnell, dass von den Bürgern nur wenig gerettet und in den Osten der Sowjetunion gebracht werden konnte. Bereits eine Woche später wurden 1.800 jüdische Bürger unter dem Vorwand des Arbeitseinsatzes in die Petruschino-Schlucht gebracht und erschossen. In ihr und in der Stadt wurden viele hundert Menschen hingerichtet, die die Deutschen für Partisanen und die Russen für Patrioten hielten. Manche Opfer waren nicht einmal 15 Jahre alt. Laufend suchten deutsche Uniformträger in den Wohnungen nach Le- bensmitteln und Reichtümern. Alles wurde registriert und requiriert: Fahrräder; Kühe, Möbel, Musikinstrumente, Milchflaschen… Für alle Taganroger zwischen 14 und 65 Jahren bestand Arbeitspflicht. So arbeiteten die großen Industriefirmen nun für die Deutschen, überwiegend die Wehrmacht. Viele Tausend wurden zur Arbeit in der Landwirtschaft geschickt. Ab Dezember 1941 wurde Brot rationiert. Erwachsene erhielten 1 Kilogramm je Woche, Kinder bis 14 Jahre 1 Pfund. Sperrstunden wurden eingerichtet, Bücher eingesammelt und vernichtet, Straßen umbenannt und vieles verändert. Überall hatten die Deutschen den Vortritt. Für sie waren die meisten Parkbänke in Taganrog reserviert. Nach 2 Jahren wurde Taganrog von der Roten Armee befreit. Lüdenscheider Karteikarte eines 14-jährigen Zwangsarbeiters aus der Region Rostow-Taganrog. - 34 - Russland: Taganrog In den beiden Besatzungsjahren wurden mehr als 25.000 Taganroger zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert. Die Mehrheit war jünger als 21 Jahre. Die Arbeits- und Lebensbedingungen in Deutschland waren sehr hart. Der Arbeitstag hatte bis zu 12 Stunden, das Essen bestand meistens aus schwer verdaulichem Brot („Russenbrot“) und wertlosen Abfällen (Kartoffelschalen, äußere Gemüseblätter u.a.). Für viele Vergehen wurde man bestraft. Das Leben eines „Ostarbeiters“ zählte nicht viel. Hunderte von Taganrogern ließen bei der Arbeit ihr Leben, sie verhungerten, sie starben an Krankheiten und bei Luftangriffen. Für ihre Arbeit erhielten sie keinen Lohn. Viele Taganroger kamen in Straflager, Gefängnisse und Konzentrationslager: Buchenwald; Auschwitz, Mauthausen, Sachsenhausen, Ravensbrück, Dachau und auch ins Arbeitserziehungslager Hunswinkel. Insgesamt kamen mehr als 7.600 Taganroger im Krieg ums Leben. Von ca. 70 Zwangsarbeitern aus Taganrog und der direkten Umgebung kamen mindestens 8 in Lüdenscheid ums Leben: Sinowjewitsch Daragan (46 Jahre: ?), Maria Poliji (33 Jahre: Tuberkulose), Ewgenij Schalatin (22 Jahre: Lebensmittelvergiftung – verdorbenen Spinat vom Werbepostkarte der Polizei Schutthaufen verzehrt), Lydia Schichina (54 Jahre: Herzmuskelerkrankung), Efgenij Schochin (22 Jahre: auf der Flucht erschossen), Afansij Sinowljewitsch (46 Jahre: ?), Lucia Stiuban (18 Jahre: Tuberkulose), Stefan Tschernischow (24 Jahre: auf der Flucht erschossen). - 35 - Quellenverzeichnis Angrick, Andrej: Besatzungspolitik und Massenmord – Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941-1943, Hamburg 2003 Benz, Wolfgang (Hrsg.): Dimension des Völkermords - Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus, München 1991 Buhlan, Harald/ Jung, Werner(Hrsg.): Wessen Freund und wessen Helfer? Die Kölner Polizei im Nationalsozialismus, Köln 2000 Cartier, Raymond: Der Zweite Weltkrieg 1939-1941, München 1967 Chronik Verlag: Chronik des Zweiten Weltkriegs, Gütersloh 1994 Churchill, Winston S.: Der Zweite Weltkrieg in Bildern, Bern 1995 Diedrich, Karlheinz: Die Belgier, ihre Könige und die Deutschen, Geschichte zweier Nachbarn seit 1830, Düsseldorf 1989 Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, 9 Bd.e, besonders: 5.2, Stuttgart 1999 und 9.2, Stuttgart 2005 Gawrilowa, Lydia: Ein kleines Flämmchen – Wie eine Zwangsarbeiterin überlebte, Gütersloh 2005 Grossmann, Wassili/ Ehrenburg, Ilja (Hrsg:): Das Schwarzbuch – Der Genozid an den sowjetischen Juden, Reinbek 1994 Herbert; Ulrich (Hrsg.): Europa und der „Reichseinsatz“ – Ausländische Zivilarbeiter. Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge in Deutschland 1938-1945, Essen 1991 Hoensch, Jörg K.: Geschichte Polens, Stuttgart 1990 Hrabar, Roman/ Tokarz, Zofia,/ Wilcur, Jacek E:. Kinder im Krieg – Krieg gegen Kinder – Die Geschichte der polnischen Kinder 1939-1945, Reinbek 1981 Kann, E., Wagner, M.: Lüdenscheider Jüdinnen und Juden, 2. Aufl. 1994 Lademacher, Horst: Geschichte der Niederlande, Darmstadt 1983 Westf. Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte (Hrsg.): 1945 – Im Blick der Fotographie, Münster 2005 Lotfi, Gabriele: KZ der Gestapo – Arbeitserziehungslager im Dritten Reich, Stuttgart 2000 Remond; René: Frankreich im 20. Jahrhundert – Erster Teil 1918-1958, Stuttgart 1994 Rohmann, Witlich/ Schmitt-Sasse, Jochen (Hrsg.): AchtungFertigLos – Vorkrieg 19351939, Berlin 1989 Stadt Lüdenscheid (Hrsg.): Verwaltungsberichte 1932-1948, Lüdenscheid 1933 ff. Thamer, Hans-Ulrich: Verführung und Gewalt, Deutschland 1933-45, München 1986 Wildt, Michael: Generation des Unbedingten – Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 2003 Wagner, Matthias: „Arbeit macht frei“ – Zwangsarbeit in Lüdenscheid 1939-1945, Lüdenscheid 1997 - 36 - Myslinice: Manuskript des Archivs mit den Antworten auf die Fragen und CD-ROM Den Helder: Manuskript, CD-ROM und Schendelaar: Den Helder in de Tweede Wereldoorlog 1940-1945, Den Helder 2004 Talsma, Harry: Den Helder 1940-1945 – De Afraak, Den Helder 1983 Talsam, Harry: Den-Helder 1945-1960 – De Opruiming, Den Helder 1985 Leuven: Manuskript und De Vos, Luc/ Steurbaut, Werner/ Wouters, Arnout: Leuven in de Zweede Wereldoorlog, Leuven 2005 (?) Romilly: Guillaumot, Pierre: Romilly-sur-Seine de 1939 a 2000, o.O., o.J. Piekalkeiwicz: Ziel Paris – Der Westfeldzug 1940, Augsburg 1998 Zahlreiche Informationen des Städtpartnerschaftsgesellschaft Brighouse: Viele Internetausdrucke: http://www 2.halifaxtoday.co.uk/millennium/default.asp?id=5424&pyear=1939 ff Taganrog: Varaksin, Wladimir/ Emeljanow, Sergej/ Wagner, Matthias: Taganrog und Lüdenscheid im 2. Weltkrieg, Taganrog 1996 - 37 - Nachwort 60% von insgesamt 105 Mrd. RM (Reichsmark) gaben die Nationalsozialisten vor dem 2.Weltkrieg für die Aufrüstung aus. Die Militärausgaben wurden so finanziert: 20 Mrd. RM aus Steuereinnahmen, 12 Mrd. RM aus Einnahmen von Bahn, Post, Reichsbank u.a., 28 Mrd. RM durch Neuverschuldung. Ab 1934 zeigten die öffentlichen Haushalte das Ziel der Nationalsozialisten: Aufrüstung für den Krieg. Daran waren Lüdenscheid und das gleichnamige Rüstungskommando sehr stark beteiligt. – Der Staatshaushalt spiegelt bis heute die Friedfertigkeit oder Gewaltbereitschaft der Politik. Rüstungsausgaben... 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 ...in Mrd. RM: 0,6 0,7 4,2 5,5 10,3 11,0 17,2 32,3 58,1 75,6 96,9 ...in % Reichshaushalt: 8,3 39,3 39,6 59,2 56,7 61,0 69 78 76 78 Wir bitten alle Lüdenscheider über die wichtigen Fragen mit uns nachzudenken. -) Von 1951 bis 1961 verdoppelte sich das Gewerbesteueraufkommen in Lüdenscheid. Das wird Wirtschaftswunder genannt. 1933-1943 stieg das Lüdenscheider Gewerbesteueraufkommen um das Zwölffache. Dafür gibt es keinen Namen, weil es verschwiegen wird. Wie sollte das genannt werden? -) Seit 60 Jahren verdrängt die öffentlich finanzierte und offizielle Geschichtsdarstellung die großen Anteile Lüdenscheids an der Rüstung und den Kriegsgewinnen im 2.Weltkrieg. Ca. 1 Milliarde Lüdenscheider Geschosshülsen für die Nationalsozialisten und die Verwirklichung des 2.Weltkriegs verursachten tausendfachen Tod. Das Verdecken der Mittäterschaft durch die breite Darstellung von Knöpfen, Fahnen und Preußens Glanz u.a. ist die zentrale Lüdenscheider Geschichtslüge. Welche Absichten stecken dahinter? -) Warum behauptet die offizielle Geschichtsdarstellung (z.B. an jedem Volkstrauertag), dass die Lüdenscheider vorwiegend Opfer der NS-Kriegspolitik waren, wenn zu einem großen Teil das Gegenteil stimmt? -) Wer geht hier einseitig und falsch mit der Wahrheit um – etwa die Friedensgruppe? -) Für die Dokumentation von Knöpfen, Fahnen, Zeppelinen, Autos u.a. in Ausstellungen und Hochglanzpublikationen wird viel (finanziell) aufgewendet. Warum geschieht das nicht mit der umfangreiche- - 38 - Nachwort ren Rüstung (Lobby für wen?) – oder mit den Schicksalen der Lüdenscheider NSOpfer? -) Im Museum der Stadt werden viele Dinge ausgestellt, ohne Ursache und Zweck oder Verursacher und Folgen zu erklären, wenn diese als negativ angesehen werden könnten. So bleibt unklar, wer wofür verantwortlich ist. Verantwortungslosigkeit und Fehlerfreiheit der Lüdenscheider sind an kritischen Stellen der Lokalgeschichte Konzept der Ausstellung. Zwei Beispiele verdeutlichen das. Erfinder und Konstrukteur des Zeppelins und Teile von ihm werden als Pioniertat groß dargestellt, die tödliche Wirkung im 1.Weltkrieg wird verschwiegen. Bauteile der V 1 und der V 2 (Vergeltungswaffe) werden gezeigt, aber es wird nichts darüber gesagt, wer sie baute und welche Wirkungen sie hatten. Kann und soll in Lüdenscheid aus Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt werden? -) Muss nicht endlich öffentlich darüber nachgedacht werden, für welche Geschichtsarbeit öffentliche Gelder und Spenden ausgegeben werden und wie sie besser zur wahrhaftigen und demokratischen Information der Bevölkerung beitragen können? Unsere konkreten Vorschläge sind: 1) In den ehemaligen Polizeihaftzellen des Alten Rathauses – die auch von der Gestapo genutzt wurden – wird eine Gedenkstätte für die Lüdenscheider Opfer von Verfolgung und Krieg in der Zeit der Nationalsozialisten realisiert. Juden, Zwangsarbeiter und politische Opfer waren hier inhaftiert. 2) In Erinnerung an die Milliarden Geschosse aus Lüdenscheid in beiden Weltkriegen wird ein Friedensdenkmal für alle (Lüdenscheider, deutsche und europäische) Kriegsopfer errichtet, das sich gegen die Zeit und den Geist des Nationalsozialismus (Denkmal Parkstraße) richtet und für die Ziele der Städtepartnerschaften. 3) Stadt und Bürgermeister treten der internationalen Initiative „atomwaffenfrei bis 2020“ bei, die von den Bürgermeistern Hiroshimas und Nagasakis begonnen wurde und bisher 800 Bürgermeister aus mehr als 100 Staaten als Mitglieder zählt. Für die demokratische und friedliche Entwicklung unserer Stadt wünschen wir uns konstruktive Kritik und viele Ergänzungen, damit die ganze Wahrheit zum Vorschein kommt. Nur dann können wir mündige und verantwortungsbewusste Bürger unserer Stadt werden. - 39 - - 40 -