19/2012 - altreformierte Kirche

Werbung
ORGAN FÜR DIE EVANGELISCH-ALTREFORMIERTE KIRCHE IN NIEDERSACHSEN
Nr. 19, 122. Jahrgang
Sonntag, 30. September 2012
3849. Folge.
»Und es geschah hinfort, dass die Hälfte meiner Leute am Bau
arbeitete, die andere Hälfte aber hielt Spieße, Schilde, Bogen und
Panzer bereit und stand hinter dem ganzen Hause Juda, das an der
Mauer baute. Die da Lasten trugen, arbeiteten so: mit der einen
Hand taten sie die Arbeit, und mit der andern hielten sie die Waffe.«
Nehemia 4, 10 –11
Siebzig Jahre hat das Volk Israel in Babel gewohnt. Der damit der Feind nicht reinkommen konnte, um alles
mächtige König Nebukadnezar hatte die Stadt Jerusalem was schon wieder aufgebaut war, zu zerstören. Und tagseingenommen, den prächtigen Tempel Salomos völlig über, so lesen wir, bauen sie mit der einen Hand und in
zerstört und die Einwohner nach Babel verschleppt. Sieb- der anderen Hand halten sie das Schwert. Und so haben
zig Jahre in der Gefangenschaft, dann bleibt doch kaum sie es mit Gottes Hilfe geschafft! Es war eine mühsame
etwas vom dem Volke übrig? Und doch ist da noch ein Arbeit, so lesen wir, aber letztendlich ist alles fertig. Mit
kleiner Kern. Gott hat auch in der schrecklichen Gefan- Hammer und Schwert hat man das Ziel erreicht. Dankbar waren sie, dass Gott seinen Segenschaft sein Volk nicht vergessen.
gen so wunderbar geschenkt hat.
Der mächtige Nebukadnezar von damals lebt schon lange nicht mehr, und
Wenn ich diese Geschichte lese,
sein Reich ist auch schon verschwunkommt bei mir immer eine spanden, davon ist nichts übrig geblieben.
nende Frage hoch. Haben die GeneJetzt haben die Perser das Sagen und
rationen, die nachgekommen sind,
unter der Regierung von dem Perserauch wirklich geschätzt, was damals
könig Kores dürfen die Israeliten nach
passierte, oder haben sie einfach dieJerusalem zurückkehren. Was für eine
se Geschichte vergessen? Das Vergesgewaltige Freude, endlich nach Hause,
sen ist manchmal auch in der heutiendlich in die Heimat gehen! Nach eigen Zeit das Problem. Dass wir Gener langen Reise erreichen sie Jerusameinde Christi sein dürfen, scheint
lem, aber was sie da finden, ist einfach
uns ganz normal zu sein, dass wir
nicht zu beschreiben. Jerusalem ist ein
Freiheit haben, ist einfach ein Recht,
Trümmerhaufen geworden. Alle Geund dass die Feinde von damals
noch immer da sind, dessen sind wir
bäude sind abgerissen, von dem Temuns manchmal kaum bewusst. Der
pel ist total nichts übrig geblieben und
größte Feind, der das geistige Jerusaauch die gewaltigen Mauern der Stadt, Gemeinsam gestalten
lem zu zerstören versucht, ist die
die früher als Wächter funktio-nierten, Quelle: Helene Souza/pixelio.de
Gleichgültigkeit und dieser Feind
sind alle zerstört. Wo soll man anfanwohnt nicht weit weg. Wir brauchen in der Gemeinde
gen, wie soll man diese Riesenarbeit bewältigen?
Im Bibelbuch Nehemia lesen wir, wie das gemacht Christi, in unserem geistigen Leben, zwei Hände, einerwird. Nein, es ist bestimmt keine einfache Arbeit, da seits zum Bauen und andererseits zum Bewahren, Hamsind die Feinde ringsum, die überhaupt nicht wollen, mer und Schwert – um mit Nehemia zu sprechen. Wer
dass die Stadt wieder von dem alten Volk der Juden be- sind wir? Eine von Christus erwählte Gemeinde! Das
wohnt wird. Und soll der alte Tempel für ihren Gott schätzen wird doch? In dieser Gemeinde dürfen wir baudenn auch wieder neu aufgebaut werden? Die Feinde en, jeder und jede mit eigenen Gaben und Möglichkeiversuchen alles, um das zu verhindern. Aber die Juden ten, und Gott gibt uns selber das Schwert in die Hand –
verlieren den Mut nicht. Nehemia, der das Volk zu die- und das ist sein Wort. Das Wort ermutigt uns. Welch ein
ser Zeit führt, macht den Leuten Mut und sagt: »Habt Arbeitsfeld liegt da wieder vor uns in den kommenden
doch keine Angst vor den Feinden, die auf uns zukom- Monaten. Die Winterarbeit in allen kirchlichen Bereimen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott uns bei- chen fängt schon wieder an. Hoffentlich machen wir alle
steht.« Darauf sind sie nicht lediglich hingegangen und mit, Eintracht macht Macht!
Ich wünsche uns allen Arbeitslust und Arbeitsvertrauen.
haben abgewartet was kommen würde – nein, sie haben
sich bewaffnet und Tag und Nacht Jerusalem überwacht,
Tammo J.Oldenhuis, Emlichheim
I M
S TR OM
DE R
Z EI T
Kirchenvertreter
trifft FDP-Innenpolitiker
Härtefallkommission soll humanitäre Gründe anerkennen
Das deutsche Ausländerrecht braucht in
manchen Fällen ein Korrektiv. Diese übereinstimmende Aussage trafen der Vizepräsident der Evangelisch-reformierten Kirche,
Johann Weusmann, und der innenpolitische
Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, JanChristoph Oetjen. Oetjen informierte sich
zusammen mit dem Leeraner Kreisvorsitzenden der FDP, Carl-Friedrich Brüggemann, in einem Gespräch mit Weusmann über die Arbeit der niedersächsischen
Härtefallkommission für Flüchtlinge. Weusmann, der leitender Jurist seiner Kirche
ist, hatte als Vertreter der fünf evangelischen Kirchen Niedersachsens im Sommer
sein Amt in der Kommission niedergelegt.
Weusmann bekräftigte gegenüber Oetjen und Brüggemann, dass humanitäre
Gründe in der Härtefallkommission keine
ausreichende Chance auf Anerkennung
hätten. Seiner Auffassung nach sei aber
genau dies die Aufgabe einer solchen
Kommission. »In Fällen von schweren humanitären Härten wie Krankheit und
Trennung von Familien muss es möglich
sein, dass solchen Menschen ein Aufenthaltsrecht in Deutschland ausgesprochen
wird, auch wenn die geltenden Gesetze
eine Abschiebung erforderten«, so Weusmann. Er betonte weiter, dass dies in
Niedersachsen nur wenige Personen pro
Jahr betreffen würde.
Jan-Christoph Oetjen, Johann Weusmann und Carl-Friedrich Brüggemann (von links)
Spring 2013
geMEINde - Ferien - Festival
Vom 1. bis 6. April 2013 wird in Willingen nunmehr zum 14. Mal die Familienfreizeit »Spring« stattfinden. Angeboten werden Andachten, Workshops, Konzerte und viel Freizeit, die Teilnehmer können sich ihr eigenes
Programm zusammenstellen. In der Werbung heißt es: »SPRING ist für alle
Menschen: von Baby bis Oma, von Glaubenseinsteiger bis LangjahresChrist, von Evangelisch bis Unentschlossen, vom energiegeladenen Entdecker bis zum urlaubsreifen Ruhesucher, von Alleinerziehend bis PatchworkFamilie. Jeder findet ein Programm.« Anmelden kann man sich für Hotelzimmer oder Ferienwohnung oder sogar für Wohnwagenstellplätze. Nähere Informationen:
www.gemeindeferienfestival.de oder 0 367 41 - 21 210.
Seite 150
Oetjen machte im Gespräch deutlich,
dass auch er sich Verbesserungen in der
niedersächsischen
Härtefallkommission
wünsche. Die FDP unterstütze die Forderung, dass zukünftig in der Kommission
eine Mehrheit der anwesenden Mitglieder
ausreiche, um Härtefälle anzuerkennen.
Nach der neuesten Verordnung des
Innenministeriums ist eine Mehrheit der
berufenen acht Mitglieder nötig, unabhängig von ihrer Anwesenheit in einer Sitzung. Das Ministerium hatte vor kurzem
die Verordnung geändert, zuvor war sogar eine Zweidrittelmehrheit notwendig.
Nach dem Rücktritt Weusmanns aus der
Kommission haben die evangelischen Kirchen in Niedersachsen inzwischen drei
Nachfolger für Weusmann benannt. Nach
der Veränderung der Verordnung zur Härtefallkommission kurz nach dem Rücktritt
Weusmanns hatte die Konföderation evangelischer Kirchen zunächst ihre Mitarbeit in
der Kommission ausgesetzt. Im November
solle die neue Arbeitsweise jedoch einer kritischen Prüfung unterzogen werden, hieß es
im Juli. Die niedersächsischen Wohlfahrtsverbände, deren Vertreter nach Weusmann
ihre Mitarbeit ebenfalls aufgekündigt hatten, haben sich bislang gegen eine Wiederaufnahme ihrer Mitarbeit ausgesprochen.
Johann Weusmann hält ein Mitwirken der
Kirchen in der Härtefallkommission für ganz
wichtig. »Wir übernehmen hier im Namen
der Menschlichkeit eine gesellschaftliche
Aufgabe«, sagte er. Darum hätten sich die
Kirchen vor sechs Jahren auch vehement für
die Einsetzung eines solchen Gremiums ausgesprochen. Jan-Christoph Oetjen sagte seine Unterstützung zu, dass humanitäre
Gründe bei der Anerkennung als Härtefall
zukünftig eine größere Rolle spielen sollen.
Konkret werde er sich für die Fälle Siala/Salame aus Hildesheim und Coban aus
Bad Bentheim einsetzen, damit die durch
Abschiebung auseinandergerissenen Familien wieder zusammenkommen können.
Ulf Preuss, ERK, Leer
Der Grenzbote
Erscheint vierzehntägig,
in den Sommerferien einmal in drei Wochen.
Herausgeber: Evangelisch-altreformierte Kirche
in Niedersachsen
Redaktion: Pastor Hermann Teunis, Ihrener Straße 12,
26810 Westoverledingen
Schriftleitung: September und Oktober 2012: Pastorin
Nina Oltmanns, Ehm-Schipper-Weg 2, 26736 Campen,
Tel. 0 49 27 / 329, E-Mail: [email protected]
Redaktionsschluss: Am Dienstag nach dem Erscheinen
der vorigen Ausgabe; namentlich gekennzeichnete Artikel
werden von den Autoren selbst verantwortet.
Druck: A. Hellendoorn KG, Stettiner Straße 1,
48455 Bad Bentheim
Bestellmöglichkeiten: Bei den Kirchenräten für den Bezug
über die Kirchengemeinde; für den Postbezug
bei Gesine Wortelen,
Buchenstraße 32, 48465 Schüttorf,
E-Mail: [email protected]
Bezugsgebühren: EURO 25,– bei Bezug
über Kirchengemeinden, EURO 40,– bei Postzustellung
Anzeigen: EURO 0,50 je Millimeterzeile
bei halbseitiger Breite
Der Herdelberger Katechismus
Ein kleines Buch mit großer Wirkung für reformierte und unierte Kirchen
– 2013 wird dieser Klassiker aus der Reformationszeit 450 Jahre alt: weltweit. Seinen Namen hat der 1563 für die Kurpfalz veröffentlichte Katechismus von seinem Entstehungs- und ersten Erscheinungsort Heidelberg.
Zu diesem Thema fanden im September drei Vortragsabende in der ev.-altref. Kirche Emden statt. Gemeinsam mit der reformierten Gemeinde wurden Dr. Rauhaus, Weener, Aleida Siller, Hannover, und Reiner Roloff,
Nordhorn, eingeladen, zum Thema zu referieren.
Dr. Rauhaus eröffnete die Veranstaltungsreihe mit einer Einführung zum
Heidelberger Katechismus und anschließend referierte er zum 1. Teil:
Von des Menschen Elend.
Im Folgenden das Referat. Die
Zwischenüberschriften sind redaktionell.
I.
Der Heidelberger Katechismus ist ein
bald 450 Jahre altes Buch. Wir lesen
ihn heute in einer sprachlich modernisierten Fassung. Um seinen Inhalt zu
verstehen, müssen wir ihn auf dem
Hintergrund seiner Entstehungszeit
betrachten. Das war das 16. Jahrhundert, jene Epoche, die wir gewöhnlich
die Zeit der Reformation nennen.
Eine Zeit vielfältiger
Veränderungen
Es ist eine Zeit vielfältiger Veränderungen gewesen, nicht nur in der Kirche,
sondern auch im täglichen Leben. Das
Mittelalter neigte sich seinem Ende zu,
Amerika war entdeckt, und an der Küste Afrikas arbeiteten sich die Portugiesen nach Süden vor, um den Seeweg
nach Indien zu finden, jenes Land, in
dem der Pfeffer wächst. Und Pfeffer
war damals wertvoll, kostbar wie Gold.
Nachdem nämlich die Türken 1453
Konstantinopel erobert und dem Oströmischen Reich von Byzanz das Ende
bereitet hatten, wurden die Handelsverbindungen nach Indien von den
Osmanen kontrolliert, teilweise unterbrochen und die Waren durch Zölle jedenfalls sehr verteuert. Darum lohnte
es sich, Wege zu suchen, um die muslimische Welt zu umgehen. Doch nicht
nur in die Weite fremder Kontinente
erstreckte sich ein neuerwachtes Bewusstsein, sondern es wandte sich
auch nach innen, zum Menschen
selbst hin, zu seinem inneren Leben.
Auch zu seiner näheren Umgebung:
Man begann die Schönheit der Natur
wahrzunehmen, man fand sich selbst
wieder in den Dingen, die einen Menschen täglich umgeben. Die Malerei
zeigt nicht mehr allein die Heilige Geschichte, sondern beginnt, in der Form
der Porträtmalerei das menschliche Angesicht, den Menschen selbst darzustellen. Dazu die Dinge, die einem Menschen zugehören und ihn charakterisieren; man denke etwa an die Bilder
von Hans Holbein d.J., der die Kaufleute des Stalhofs in London inmitten ihres Kontors darstellt, mit allen Feinheiten und Details bis hin zu der Streusandbüchse neben dem Rechnungsbuch. In den Niederlanden entwickelt
sich sehr bald die Kunstform des »Stilllebens«; eine schlichte Obstschale
kann für den Betrachter so bedeutungsvoll werden, dass man sie abbildet und
immer wieder anschaut. In der Fachwelt nennt man dies alles die »anthropologische Wende« der Renaissance:
die Wendung hin zu dem menschlichen Selbst.
Eine Zeit hochgespannter
Erwartungen
Es war zugleich eine Zeit hochgespannter Erwartungen, Endzeitstimmung gewissermaßen. Man erwartete die Revolution. Eine Revolution nicht im Sinne
politischer Umwälzungen, sondern als
ein kosmisches, das gesamte Universum betreffendes Ereignis. Der Umlauf
der Himmelskörper, der Planeten und
Sterne, sollte sich vollenden und alles
wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückkehren. »Umlauf«, das heißt auf
Lateinisch »revolutio«. Kurz, man erwartete das Ende der Welt, zumindest
der bekannten Welt, und den Anbruch
von etwas Neuem, vielleicht sogar des
Reiches Gottes auf Erden und mit ihm
des Jüngsten Gerichts. Darum war die
Frage so dringlich: »Wie bekomme ich
einen gnädigen Gott?« Denn das Gericht schien nahe.
Der Christenmensch will
wissen, was er glaubt
Auf religiösem Gebiet macht sich noch
eine weitere Veränderung bemerkbar.
Man nimmt die Dinge nicht mehr so,
wie sie eben sind; auch nicht die Dinge
der Religion oder des Glaubens. Man
fängt an zu fragen: Was bedeutet das?
Man will nun verstehen, was man
glaubt. Das war etwas ganz Neues. Bis-
her hat es genügt zu glauben, was die
Kirche glaubt, auch wenn man es nicht
verstand. Nur Dreierlei musste ein
Christmensch kennen und am besten
auswendig wissen: die Zehn Gebote,
das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser. Aber es genügt den Menschen
jetzt nicht mehr, den Wortlaut zu kennen. Sie wollen nun verstehen, was das
bedeutet. Der Christenmensch will wissen, was er glaubt. So setzen sich die
Theologen hin und schreiben Katechismen, um dem Christenmenschen zu
erklären, was der Inhalt seines Glaubens ist. Das geschieht in allen Konfessionen. Luthers Kleiner Katechismus,
der heute auch in unserem Gesangbuch abgedruckt ist, ist nicht der einzige, wohl aber der bekannteste davon.
Es gibt ein Sammelwerk, in dem alle
Katechismen der Reformationszeit zusammengestellt und abgedruckt sind.
Man braucht das für die wissenschaftliche Beschäftigung mit jener Zeit. Dies
Sammelwerk umfasst mehrere Bände in
großem Format und ist etwa einen halben Meter dick. So viel wurde damals
an Katechismen produziert. Auch hier
in Emden. Aber man will nicht nur verstehen, was man glaubt; das wäre noch
ein rein intellektuelles Vergnügen.
Man fragt auch: Was habe ich davon?
Was gibt es mir für mein Leben? »Welchen Nutzen bekommst du aus der heiligen Empfängnis und Geburt Jesu
Christi?« »Was nützt dir die Auferstehung Christi?« Man fragt nach dem
Nutzen, nach dem »Trost«, nach dem
»einzigen Trost im Leben und im Sterben«. Damit sind wir beim Heidelberger Katechismus.
Der Heidelberger
Katechismus
Neben Luthers Kleinem Katechismus
ist der HK der bekannteste und verbreitetste Katechismus der Reformationszeit. Es gibt ihn übersetzt in unendlich vielen Sprachen der Welt, es
gibt ihn auch in bereimter Form und
in vertonten Fassungen, sodass man
ihn singen kann. Er wird auch als der
»Pfälzer Katechismus« bezeichnet. Die
Stadt Heidelberg war damals die
Hauptstadt der Kurpfalz, des wichtigsten und vornehmsten Territoriums
innerhalb des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Heute gehört
Heidelberg zu Baden-Württemberg.
Aber das ist noch nicht lange so. Früher bildete die Pfalz ein eigenes Reichsland mit Besitzungen rechts und links
des Rheins oberhalb von Mainz und
mit der Oberpfalz auch im heutigen
Bayern. Das kann man sich auf einem
historischen Atlas anschauen. Die KurSeite 151
pfalz war das Kernland des Reiches.
Die Reformation war hier erst spät eingeführt worden, etwa um 1545/1546.
Sie wurde jedoch sogleich vom Kaiser
unterdrückt, eben weil die Pfalz ein so
wichtiges Reichsland war. Aber dann
kam der Augsburger Religionsfriede
von 1555, in dem die altgläubigen, römisch-katholisch gebliebenen, und die
neugläubigen, evangelischen Fürstentümer vereinbarten, sich in Zukunft
gegenseitig zu ertragen. Das galt aber
nur für die Evangelischen lutherischen
Bekenntnisse, nicht für die Reformierten und die Täufer, z.B. die Mennoniten. Die Reformierten erhielten erst
mit dem Ende des Dreißigjährigen
Krieges, also rund 100 Jahre später, die
reichsrechtliche Anerkennung und
Duldung, die Mennoniten erst im 19.
Jahrhundert.
In der Kurpfalz jedenfalls wurde
1556 endgültig die Reformation eingeführt, und zwar in ihrer lutherischen
Version. Das geschah durch Kurfürst
Ottheinrich. Er starb aber bereits drei
Jahre später kinderlos. Sein Nachfolger
wurde ein Verwandter innerhalb des
Hauses Wittelsbach, das auch die Herzöge von Bayern stellte und meistens
auch den Stuhl des Erzbischofs von
Köln innehatte. Der hieß Friedrich III.
Er war in einem streng katholischen Elternhaus aufgewachsen, heiratete jedoch eine evangelische Frau, die Markgrafentochter Maria von BrandenburgKulmbach, im heutigen Franken, dem
nördlichen Teil Bayerns,gelegen. Durch
seine Frau wurde er angeregt, sich
gründlich mit der Heiligen Schrift zu
beschäftigen, und so kam er zu einem
ausgeprägten evangelischen Glauben.
Er führte in seinen Besitzungen in
Pfalz-Simmern, einem Nebenland der
Kurpfalz, 1557 die Reformation ein,
und als er zwei Jahre später, 1559, die
Kurpfalz erbte, auch dort. Friedrich der
Fromme wird er in der Geschichtsschreibung genannt. Damals gab es erbitterte Religionsstreitigkeiten, und
zwar nicht nur zwischen Evangelischen und Katholischen, sondern auch
und zeitweise noch heftiger zwischen
Lutheranern und Reformierten, vor allem um das Abendmahl. Auch an der
Universität seiner Hauptstadt Heidelberg. So veranstaltete er im Juni 1560
dort eine akademische Disputation, die
ihn endgültig von dem Recht der reformierten Abendmahlsauffassung überzeugte. Im Dezember 1561 wurde zum
ersten Mal in Heidelberg das Abendmahl nach reformierter Ordnung gefeiert, also mit Brot statt mit Oblaten.
In der Folge musste nun eine neue Kirchenordnung für die Kurpfalz erarbeitet werden und als ein Teil derselben
Seite 152
ein Buch, das die in der Kurpfalz geltende theologische Lehre verständlich
zum Ausdruck bringt: ein Katechismus,
eben unser HK.
Den hat der Kurfürst natürlich nicht
selbst verfasst; dazu hatte er seine Theologen. Einer davon war besonders
wichtig: Zacharias Ursinus. Er stammte
aus Breslau, sein Vater war dort lutherischer Pfarrer, und er wurde 1562 Professor für Dogmatik in Heidelberg; da
war er 38 Jahre alt. Zwei Jahre jünger
war Caspar Olevianus, der aus Trier
stammte. Er wurde 1561 als Dogmatikprofessor nach Heidelberg berufen,
wurde aber ein Jahr später Pfarrer an
der Heiliggeistkirche – ein Pfarrer zu
sein war damals mehr als ein Professor
– und zugleich verantwortlicher Theologe im Pfälzer Kirchenrat, der Leitung
der Pfälzer Landeskirche. Ursinus hat
den Katechismus verfasst; der wurde
dann einer Kommission unter Leitung
von Olevianus zur Begutachtung vorgelegt; auch der Kurfürst gehörte der
Kommission an. Im Frühjahr 1563
wurde das Werk fertig und allen pfälzischen Superintendenten zur Besprechung und Beurteilung übergeben; mit
einer Ausnahme stimmten sie alle zu.
Daraufhin wurde der Katechismus im
selben Jahr gedruckt; die ursprüngliche
Fassung wurde allerdings noch im selben Jahr um die Fr. 80 erweitert, die
sich sehr kritisch mit der katholischen
Messopferlehre auseinandersetzt. Der
Kurfürst hat seinerzeit nicht von oben
herab verfügt, was seine Landeskinder
zu glauben hätten, sondern hat die
Kirche selbst in Gestalt ihrer Amtsträger entscheiden lassen, was die geltende Lehre sein solle. Der Katechismus
bemühte sich, einen guten Mittelweg
zu gehen zwischen Luther und Calvin,
also zwischen reformierten und lutherischen Lehranschauungen. Es ging
ihm nicht darum, Andersdenkende zu
verteufeln, sondern wirklich die biblische Lehre verständlich zu machen.
Das begründete seinen nachhaltigen
Erfolg, weit über Heidelberg und die
Kurpfalz hinaus.
II.
Frage 1: Was ist dein einziger
Trost im Leben
und im Sterben?
Wenden wir uns nun dem Katechismus
selber zu. An seinem Beginn steht mit
Frage 1 ein Text, der den gesamten Katechismus zusammenfasst und gleichsam in Kurzform enthält, was ein
Christ glaubt. Die meisten anderen Katechismen gehen anders vor. Sie besprechen nacheinander die Zehn Gebo-
te, das Glaubensbekenntnis und das
Vaterunser, also die Hauptstücke der
christlichen Lehre, und hängen oft
noch Abschnitte über die Sakramente
und andere Einzelfragen an. Luthers
Kleiner Katechismus z.B. ist so aufgebaut, wie Sie im Gesangbuch nachlesen
können. Erst wenn man den gesamten
Katechismus durchstudiert hat, weiß
man, was die christliche Glaubenslehre
ist. Die wird gleichsam Stück für Stück
vorgetragen und zusammengefügt; ein
so aufgebautes Werk nennt man einen
synthetischen Katechismus, weil er die
einzelnen Lehrstücke zusammenfügt.
Der HK geht anders vor: wer Fr. 1 gelesen und verstanden hat, der kennt die
gesamte christliche Glaubenslehre; was
in den anderen 127 Fragen folgt, ist
nur die nähere Erläuterung davon. Eine
solche Vorgehensweise nennt man
analytisch: die Glaubenslehre wird erst
insgesamt in Kürze vorgestellt und
dann im Einzelnen untersucht.
Nun, so ganz stimmt das nicht. Fr. 1
enthält nicht die gesamte Glaubenslehre in Kurzfassung. Wichtige Stücke fehlen, z.B. die Lehre von der Schöpfung
oder vom Jüngsten Gericht und vom
ewigen Leben. Fr. 1 konzentriert sich
auf den Kern des christlichen Glaubens. Und der Kern, das ist nicht eine
Lehre, die man kennen und der man
zustimmen soll, sondern eine Person,
der sich der Glaubende anvertraut: Jesus Christus. Der Glaube ist zunächst
einmal nicht eine Sache des Kopfes,
des Verstandes, sondern des Herzens,
des Grundvertrauens eines Menschen
zu Jesus Christus. In Fr. 1 ist ein Wort
erklärungsbedürftig, weil es nicht mehr
unserem Sprachgebrauch entspricht.
Das ist das Wort »Trost«. Der Katechismus meint damit in etwa dasselbe,
was mit dem englischen Wort »trust«
gemeint ist: Worauf kannst du vertrauen, woran kannst du dich halten, was
ist dein Halt im Leben und im Sterben?
Und der Glaubende antwortet: der einzig wirklich tragfähige Halt im Leben
ist, dass ich zu Jesus Christus gehöre.
Das ist die Grundaussage des Glaubens.
Im zweiten Abschnitt von Fr. 1 wird ge-
sagt, wodurch ich zu Jesus Christus gehöre: er hat für meine Sünden bezahlt
und mich dadurch aus der Gewalt des
Teufels erlöst, und er bewahrt mich
mein Leben lang, sodass mir alles zu
meiner Seligkeit dienen muss. Wie das
alles zusammenhängt und warum das
so ist, das wird der Katechismus in seinem zweiten Hauptteil »Von des Menschen Erlösung« im Einzelnen ausführen, und Sie werden es erfahren, wenn
Sie sich das nächste Mal mit diesem
Hauptteil befassen. Darum gehen wir
jetzt nicht näher darauf ein. Dasselbe
gilt vom dritten Abschnitt der ersten
Frage, die dann im Hauptteil »Von der
Dankbarkeit« näher entfaltet wird.
Auch damit werden Sie sich noch befassen.
Von des Menschen Elend
Unsere Aufgabe heute Abend ist, den
ersten Hauptteil anzuschauen. Die drei
Teile des Katechismus sind ja in Fr. 2
aufgeführt. Wenden wir uns also dem
1. Teil zu: Von des Menschen Elend.
Auch hier muss ich zunächst ein Wort
erklären, weil es zur Zeit des Katechismus eine andere Bedeutung hatte
als heute. Das ist das Wort »Elend«. Im
16. Jahrhundert ist das Wort »Elend«
gleichbedeutend mit »Ausland«, und
»im Elend sein« heißt »im Ausland
sein«. Wer sich in einem fremden Land
aufhält, der ist »im Elend«, auch wenn
er dort hoch angesehen, gesund, glücklich verheiratet und wirtschaftlich erfolgreich ist. Das Wort »Elend« bezeichnet nur den Ort, an dem er sich
aufhält, nicht sein Ergehen oder seinen
persönlichen Zustand. Im Sinne des
Katechismus kann man sagen: seit die
Menschen aus dem Paradies und damit
aus der Nähe Gottes vertrieben wurden, sind sie im Elend, auch wenn sie
hoch angesehen, gesund, glücklich verheiratet und wirtschaftlich erfolgreich
sind. Am äußeren Ergehen eines Menschen und auch an seinem Lebensgefühl kann man es nicht ablesen, dass er
im Elend ist. Woran aber dann? »Woher erkennst du dein Elend?« – fragt
der Katechismus in Fr. 3. Die Antwort:
nicht an meinem äußeren Ergehen
oder daran, wie ich mich fühle, sondern: »Aus dem Gesetz Gottes«. Aus
welchem Gesetz? Aus dem Doppelgebot der Liebe, das der Katechismus in
Fr. 4 aus dem Evangelium zitiert. Dass
ich im Elend, d.h. von Gott entfremdet
bin, erkenne ich daran, dass ich dieses
Doppelgebot nicht erfülle. Jedenfalls
nicht »vollkommen«, wie Fr. 5 mit
Recht sagt. Ich erfülle es zwar je und
dann; Menschen können von Fall zu
Fall sich Gott nahe fühlen oder ihrem
Nächsten behilflich sein. Aber eben
nicht »vollkommen«. Es ist eine »Neigung« in ihnen, eine böse Neigung: wir
Menschen sind »von Natur aus geneigt, Gott und unseren Nächsten zu
hassen«, sagt Fr. 5.
Es ist eine Neigung
in uns zum Bösen
Dreierlei muss ich hier anmerken. Das
Erste ist: der Katechismus malt nicht
Schwarz in Schwarz. Er sagt nicht: die
Menschen sind von Natur aus böse
und tun immer nur Böses. Nein, wie
könnten wir Menschen von Natur aus
böse sein, wenn wir doch Gottes Geschöpfe sind! Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut. Aber es ist eine Neigung in uns, eine Neigung zum Bösen.
Nicht mehr als eine Neigung; aber die
ist da. Das Zweite ist: der Katechismus
verwendet hier das Wort »vollkommen« im biblischen Sinne. »Vollkommen« meint nicht: ohne Fehl und Tadel, sondern »ungeteilt«. Wir Menschen sind nicht ungeteilt, wir können
Gutes, aber auch Böses tun. In diesem
Sinne sind wir nicht vollkommen, sondern eben zwiespältig, mit dem Fremdwort: ambivalent. Und ich finde, das
ist ganz richtig beobachtet. Man muss
sich vor den Extremen hüten. In der
kirchlichen Praxis konnte oft der Eindruck entstehen, als seien wir Menschen von Grund auf, ganz und gar,
böse, und müssten erst entweder durch
die Taufe oder durch eine christliche
Erziehung ein wenig zum Guten geneigt gemacht werden. Ein so negatives
Menschenbild hat der Katechismus
nicht, die Bibel auch nicht. Das andere
Extrem ist bei uns seit etwa 200 Jahren
verbreitet, seit der Aufklärung: wir
Menschen seien im Grunde unseres
Wesens gut, und wenn wir doch etwas
Böses tun, dann sind eigentlich die anderen schuld: die Mitmenschen, die gesellschaftlichen Verhältnisse, eine falsche Erziehung oder was auch immer.
Ein vor Jahren viel gelesenes Buch von
Konrad Lorenz bewegt sich auf dieser
Linie: »Das sogenannte Böse«. Seine
Hauptaussage: In Wirklichkeit tun wir
Menschen gar nichts Böses, denn wir
sind ja gut, nur gut, unheilbar gut. Mir
scheint, der Katechismus und die Bibel
sehen hier klarer: es ist eine Neigung in
uns, eine Neigung zum Bösen, und sie
ist in jedem Menschen, und sie kommt
von innen, aus ihm selbst, und nicht
von außen, von den anderen.
Die Zwiespältigkeit
des menschlichen Wesens
In den Fr. 6 und 7 bekräftigt der Katechismus das eben Gesagte: »Gott hat
den Menschen gut und nach seinem
Ebenbild erschaffen« (Fr. 6), aber dabei ist es nicht geblieben, wie Fr. 7
ausführt. Leider fehlt uns die Zeit, um
auf die Lehre vom Sündenfall näher
einzugehen. Fr. 8 scheint dem eben
Gesagten jedoch zu widersprechen,
wenn sie formuliert, dass wir »ganz
und gar unfähig sind zu irgendeinem
Guten und geneigt zu allem Bösen«.
Man muss hier aber den weiteren Zusammenhang des Katechismus im
Blick behalten. In Fr. 62 z.B. fragt er,
warum unsere guten Werke uns vor
Gott nicht gerecht machen können.
Der Katechismus bestreitet nicht, dass
wir Menschen gute Werke, also Gutes
tun können, fügt aber mit Recht an:
»Aber auch unsere besten Werke sind
in diesem Leben alle unvollkommen
und mit Sünde befleckt.« Da ist sie
wieder, diese Zwiespältigkeit unseres
Wesens, von der in Fr. 5 die Rede war.
III.
Die Lehre von der Erbsünde
Was der Katechismus hier in wenigen
Worten entfaltet, ist die kirchliche
Lehre von der Erbsünde. Das Wort
»Erbsünde« gibt es in der Bibel nicht.
Es ist ein unglücklicher und in gewisser Weise auch irreführender Ausdruck. Man kann von seinen Eltern
vieles erben, auch Anlagen und Fähigkeiten, die genetisch verankert
sind. Man kann von seinen Eltern
aber nicht den Glauben erben und
genauso nicht den Unglauben. Was
mit dem missverständlichen Wort
»Erbsünde« gemeint ist, ist vielmehr
die Beobachtung, die allerdings unbestreitbare Beobachtung, dass jene
Neigung zum Bösen sich in jedem
Menschen findet, egal ob klein oder
groß. Sie gehört zum Menschen, so
wie wir ihn kennen, dazu. Wir können nicht erklären, warum das so ist.
Denn Gott hat den Menschen ja gut
und nach seinem Ebenbild erschaffen, wie Fr. 6 betonte. Aber die Menschen sind nicht mehr so, wie es einmal war. Auch die Welt ist nicht
mehr so, wie sie aus den Händen ihres Schöpfers hervorging. Wir wissen
nicht, warum das so ist, aber es ist so.
Der Katechismus wagt eine kurze Erklärung, warum das so ist. Er sagt in Fr.
9: »Der Mensch aber, vom Teufel angestiftet, hat sich und alle seine Nachkommen durch mutwilligen Ungehorsam der Gabe Gottes beraubt«, nämlich
der Fähigkeit, ungeteilt gut sein zu
können, so wie er es nach dem Willen
Gottes sein sollte und es im Gesetz beschrieben ist. Der Katechismus führt
das auf eine Anstiftung des Teufels zuSeite 153
rück. Er denkt dabei an die Schlange,
von der die Geschichte vom Sündenfall
erzählt, dass sie Eva verführt habe. Er
identifiziert die Schlange mit dem Teufel. Damit folgt der Katechismus einer
alten kirchlichen Tradition, die etwa
seit dem zweiten nachchristlichen
Jahrhundert vorhanden ist: die Schlange, das sei der Teufel gewesen. Nun tritt
der Teufel in der Bibel immer wieder
als der Versucher der Menschen auf;
das ist richtig. Aber in der Geschichte
vom Sündenfall ist die Schlange nicht
eine Verkleidung des Teufels, sondern
dort ist die Schlange – eine Schlange.
Sie gehört dort zu den Tieren, die Gott
geschaffen hat. So steht es am Anfang
der Geschichte vom Sündenfall: »Aber
die Schlange war listiger als alle Tiere
auf dem Felde, die Gott der Herr gemacht hatte ...« (1. Mose 3, 1) Kurzum:
wir wissen nicht, wie die Neigung zum
Bösen in das Innere des Menschen gekommen ist. Aber sie ist da. Die listige
Frage der Schlange hat sie nicht erzeugt; sie hat sie lediglich zum Vorschein gebracht. Wenn diese Neigung
zum Bösen nicht vorhanden gewesen
wäre, hätte die Schlange die Menschen
gar nicht in Versuchung führen können. Sie hätte an nichts anknüpfen,
sich nichts zunutze machen können.
Die ersten Freigelassenen
der Schöpfung
Der Theologe und Philosoph J.G. Herder, der vor etwa 200 Jahren lebte, hat
die schöne Formulierung geprägt, wir
Menschen seien »die ersten Freigelassenen der Schöpfung«. Er meinte damit: alle anderen Lebewesen werden
durch ein festes Verhaltensprogramm
geleitet, das instinktiv festgelegt ist
und von ihnen nicht willentlich gesteuert werden kann. Deswegen kann
man Tiere nicht zur Verantwortung
ziehen und zu ihnen sagen: warum
hast du das getan? Wenn ein Marder
in den Hühnerstall einbricht, tötet er
alle Hühner, obwohl er doch nur eines
fressen kann. Dann ist er satt. Aber er
ist so programmiert, dass er alles tot
beißt, was noch flattert. Er kann nicht
anders. Und der Habicht holt nur lebende Hühner, keine toten. Kluge
Hühner wissen das; sie pressen sich an
die Erde und stellen sich tot, wenn sie
die Silhouette des Habichts am Himmel erblicken. Die Hühner handeln so
allerdings nicht aus Klugheit, sondern
dies Verhalten ist ihnen einprogrammiert. Jedenfalls den klugen Hühnern.
Bei uns Menschen ist das anders. Wir
spüren zwar noch das instinktive Verhaltensprogramm in uns, aber wir
können es ausschalten. Wenn wir
Hunger haben, können wir essen, wir
können aber auch fasten. Freiwillig auf
die Erfüllung eines elementaren Bedürfnisses zu verzichten, das kann
kein Tier. Wir Menschen sind die ersten Freigelassenen der Schöpfung. Das
ist unser Adel, das ist aber auch unser
Elend. Wir können verantwortlich
handeln, aber wir müssen es auch wollen und durchführen, u.U. gegen unsere Instinkte. Und das gelingt nicht immer. Vor allem müssen wir erst einmal
wissen, was überhaupt das Richtige
und Gute zu tun ist. Tiere haben dies
Problem nicht. Aber wir Menschen.
Und so hat es die Bibel als die große
Gabe und Fürsorge Gottes angesehen,
dass er sein Gesetz gegeben hat, aus
dem wir erfahren, was gut ist für unser
Handeln. In der Freude an der Tora,
die noch heute jüdische Frömmigkeit
prägt, zeigt sich das Wissen um diese
gute Gabe Gottes. Aber wie die Erfahrung zeigt, ist es ein großer Schritt
vom Wissen zum Tun des Guten. Und
dieser Schritt misslingt uns Menschen
allzu oft und immer wieder. Und zu
welchem Bösen, zu welchem Unrecht,
zu welcher Gewalttat sind wir Menschen nicht fähig? Kein Tier ist so blutrünstig wie der Mensch. Das ist unser
Elend, und darum handelt der erste
Hauptteil des Katechismus auch in diesem Sinne mit Recht »von des Menschen Elend«.
Der Mensch
in seiner Verantwortung
Die Fr. 10 und 11 führen ganz folgerichtig aus, dass wir Menschen uns der
Verantwortung für unser Tun nicht
entziehen können. Wir wissen aber,
und der Katechismus übertreibt hier
nicht, dass wir Menschen insgesamt
gesehen unserer Verantwortung nicht
gerecht werden, obwohl wir nicht nur
Böses, sondern auch Gutes tun. Aber
wir kommen über die grundlegende
Zwiespältigkeit unseres Wesens nicht
hinaus. Die Neigung zum Bösen geht
immer mit uns, und viel zu oft gewinnt sie Gewalt über das menschliche
Handeln. Ist das unser Schicksal? Die
Fr. 10 und 11 stellen ganz folgerichtig
die Frage, ob wir Menschen eine Möglichkeit haben, dieser Zwangssituation
zu entkommen. Wie das gehen könnte, das ist dann Gegenstand des zweiten und dritten Hauptteils des Katechismus, und damit werden Sie sich an
den folgenden Abenden beschäftigen.
Im Anschluss an das Referat haben die
Zuhörer – gemeinsam mit dem Referenten in lockerer Atmosphäre Leitfragen
zum Thema diskutiert, die Dr. Rauhaus
im Vorfeld formuliert hatte.
Alles in allem ein gelungener Abend,
der neugierig auf die weiteren Vortragsabende machte.
Nina Oltmanns, Emden
Freiwilligendienst
Die Welt mit anderen Augen sehen
Die Vereinte Evangelische Mission (VEM) mit Sitz in Wuppertal bietet jungen Erwachsenen zwischen 18 und 28 Jahren die Möglichkeit, ein Jahr lang im Ausland einen Freiwilligendienst zu leisten. Die Bewerbungsfrist endet am 15.
Oktober. Dieser Artikel will Interessierte aufmerksam machen und auf weitere Informationsmöglichkeiten verweisen.
Ein Jahr lang leben und arbeiten in
Indonesien – oder auch in anderen
Ländern – kann sehr reizvoll und
bereichernd sein. Seit vielen Jahren
gibt es eine lebendige Partnerschaft
zwischen der Kirche der indonesischen Insel Sumba und der Ev.-altreformierten Kirche in Niedersachsen
(EAK). Die EAK hat eine Kooperation mit der VEM angefragt. In
Seite 154
Wuppertal gibt es viele Informationen über und viele Beziehungen
nach Indonesien. Davon kann die
EAK deutlich profitieren. Ende Mai
2013 erwarten die EAK wieder eine
Delegation der Christlichen Kirche
von Sumba. Dann findet am 25.
und 26. Mai 2013 auch die Regionalversammlung der VEM im Kloster Frenswegen statt.
Die VEM und ausführlichere Infos
finden sich im Internet unter
www.vemission.org
Unter dem Titel »Stellen/Mitarbeit!«
steht dann alles, was man zum »Freiwilligenprogramm« wissen muss. Dort
heißt es unter der Überschrift: Think
global – act local (global denken – lokal
handeln). Ein Jahr ins Ausland mit
dem Freiwilligenprogramm der VEM:
christlicher Gemeinschaft und andere
Formen von Glauben und Christ-Sein.
Ein solches Freiwilligenprogramm
dauert zwölf Monate, es gibt etwa zehn
bis fünfzehn Projektplätze. Die Einsatzländer liegen in Afrika und in Asien. Es
sind in Afrika die Länder Botsuana, Kamerun, Namibia, Ruanda und Tansania. In Asien gibt es Einsätze in Indonesien und auf den Philippinen.
VEM-Freiwilligenprogramm, Nachbarschaftshilfe: Matthias Stracke hilft dem 11-jährigen Fredy bei den Hausaufgaben, während
seine Mutter das Geschirr abwäscht.
Foto: Heiner Heine/VEM.
Freiwilliges Jahr prägt
»Einmal hin und anders zurück: Ein
freiwilliges Jahr in einer Mitgliedskirche der VEM verändert. Behinderten
Menschen in Tansania bei ihrem Start
in ein neues Leben helfen oder Kinder
betreuen, die auf einer Müllhalde auf
den Philippinen leben – einfach ist der
Freiwilligendienst sicherlich nicht immer, den junge Menschen über uns in
Afrika und Asien leisten können. Aber
er bereichert und prägt ein Leben lang:
Wer einmal raus will aus dem gewohnten Alltag, Erfahrungen im Ausland
sammeln, vieles über sich und andere
und eine neue Sprache lernen, die Welt
mit anderen Augen sehen, dem bietet
das Programm eine einmalige Chance.
Erfahrungen sammeln
Anders als bei uns spricht man in Afrika und Asien im alltäglichen Leben
über Gott und den Glauben. Da wir
mit kirchlichen Partnern zusammenarbeiten, wünschen wir uns Freiwillige,
die offen sind für Erfahrungen mit
Einsatz und Anerkennung
Eingesetzt werden die Freiwilligen unter anderem in Straßenkinderprojekten,
Krankenhäusern, Waisenhäusern, Schulen (auch für geistig behinderte Kinder), Gesundheitsprojekten, Schulungen in kleinen Dörfern, HIV-Aids-Projekten und Alphabetisierungsprojekten.
Die VEM ist als Träger für das entwicklungspolitische Freiwilligenprogramm des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (BMZ) »weltwärts« anerkannt, außerdem kann der Freiwilligendienst als »Anderer Dienst im
Ausland« anerkannt werden.
Einfach bewerben
Bis zum 15. Oktober eines Jahres
kann man sich schriftlich bewerben.
Benötigt werden ein ausgefüllter Bewerbungsbogen (den man auf der genannten Seite herunterladen kann)
mit einem Motivationsschreiben
und, falls vorhanden, Bescheinigungen/Referenzen über Mitarbeit in der
Gemeinde, bei Freizeiten, in EineWelt-Gruppen, Sportvereinen oder
Ähnlichem.
Die VEM ist eine internationale Gemeinschaft, der Freiwilligendienst ist
keine Einbahnstraße. Freiwillige aus
Lutindi Mental Hospital (Usambara-Berge,
Tansania), Krankenhaus für psychisch
kranke Menschen. Nach dem sonntäglichen
Fußballspiel, die Freiwillige Eva Schöll mittendrin.
Foto: VEM Bildarchiv
den südlichen Mitgliedskirchen der
VEM können übrigens einen solchen
Dienst auch in einem anderen Land
leisten.«
Aus eigener Erfahrung weiß ich,
Freiwillige selbst profitieren lebenslang von solchen Projekten und Kontakten. Sie öffnen Augen und Herzen
für andere Menschen und Kulturen –
und sie helfen, das Eigene neu zu
schätzen und zu würdigen.
Über die »Voraussetzungen« und
»Auswahl, Verlauf und Fristen« möge
man sich auf der genannten Homepage unter eben diesen Links selber
erkundigen. Ich bin sicher, dass ein
solches Freiwilliges Jahr segensreich
sein kann für alle Beteiligten.
ERK wirbt für Südafrika
Die Evangelisch-reformierte Kirche
(ERK) wirbt gerade heute mit dem
Rundschreiben Nr. 8/2012 in ihren
Gemeinden um zwei BewerberInnen
für einen Freiwilligendienst in Lavender Hill in Südafrika. Die Bedingungen
und Voraussetzungen sind weithin
identisch mit den oben genannten.
Die ERK beteiligt sich seit vier Jahren
am Weltwärts-Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Infos im Netz
Zwischenseminar Freiwillige Malang, Java/Indonesien, 2012: Ausflug.
Foto: VEM-Bildarchiv
Allgemeine Infos zu den Seminaren
und Angeboten der VEM finden sich
im Netz unter
http://www.vemission.org/fileadmin/
redakteure/Dokumente/CMLS/
CMD_CMLS.pdf Fortbildungen für
Mitarbeitende in der Partnerschaftsarbeit, Sprachkurse Indonesisch, Angebote für Konfirmanden und vieles andere finden sich unter diesem Link.
Auf Seite 19 des dort dargestellten Seminarheftes finden sich auch weitere
Einzelheiten zum Freiwilligendienst.
Gerrit Jan Beuker, Laar
Seite 155
KIRCHLICHE MUSIK
Leitlieder für Oktober/November 2012
im Rahmen der Aktion »366 +1«
7. bis 13. Oktober 2012
»Mein schönste Zier«
EG 473
14. bis 20. Oktober 2012
»Lobet den Herren«
EG 447
21. bis 27. Oktober 2012
»Der Mond ist aufgegangen« EG 482
28. Oktober bis 3. November 2012
»Was Gott tut, das ist wohlgetan«
EG 372
4. bis 10. November 2012
»Nun lob mein Seel, den Herren«
EG 289
11. bis 17. November 2012
» Wachet auf, ruft uns die Stimme«
EG 147
18. bis 24. November 2012
EG 361
»Befiehl du deine Wege«
25. November bis 1. Dezember 2012
»Morgenglanz der Ewigkeit« EG 450
Psalmvorschläge
für diese Monate:
Oktober – Psalm 136
November – Psalm 141
Gerrit Dams
KIRCHE – KUNST – KULTUR:
Passt elles in einen Rahmen?
Mit dem Thema »Kirche-Kunst-Kultur« wird sich das »Forum Kirchenmusik« in einer Reihe von Veranstaltungen
auseinandersetzen.
Eröffnet wird diese Reihe am Samstag, 6. Oktober 2012,
19.00 Uhr, in der Alten Kirche Am Markt in Nordhorn –
unter dem Titel: »Kirche – Kunst – Kultur: Passt alles in
einen Rahmen?«
Die Capella Cantorum unter der Leitung von KMD’n
Margret Heckmann wird im ersten Teil Psalmenbearbeitungen alter Meister vorstellen. Dazu spielt Sanna van
Elst (von dem Duo NIHZ) auf der Blockflöte Psalmvariationen von van Eyck.
Die Nordhorner Künstlerin Angelika Metten präsentiert
eine Ausstellung ihrer Werke zum Thema »Horizonte« im
Turm der Alten Kirche. Die Künstlerin wird ihre Werke
Sei getrost und unverzagt, blick nur auf den Herrn.
Wer’s mit ihm im Glauben wagt, dem hilft er so gern.
Am Sonntag, 16. September 2012, verstarb
unser langjähriges Chormitglied
Georg de Witt
im Alter von 83 Jahren.
und ihre Arbeitsweise erläutern; Gerhard Naber rezitiert
dazu passende literarische Texte.
Nach einem kleinen Imbiss im Gemeindehaus am
Markt mit Gelegenheit, sich auszutauschen, und einer
kurzen Einführung in die »Goldbergvariationen« durch
Jörg Leune wird dieses Werk Johann Sebastian Bachs in
einer Bearbeitung für zwei Gamben erklingen. Ausführende sind Silke Strauf (Berlin) und Claas Harders (Bremen).
Insgesamt eine Veranstaltung der besonderen Art, zu
der alle Interessierten herzlich eingeladen sind. Der Eintritt ist frei; um eine Spende wird gebeten.
Gerhard Naber, Nordhorn
Ich will dir eine Hoffnung
und eine Zuflucht sein.
Georg de Witt
* 13. September 1929
† 16. September 2012
Wi sünt dankbaar vöör de Tied mit di
Neeltje de Witt geb. Dalstra
Hildegard
mit Sönke, Kathrin und Hanna-Lena
Reinhard und Roswitha
mit Ayla und Daniel
Über viele Jahre war er mit Treue und Hingabe
Vorsitzender unseres Chores. Wir sind Gott
dankbar für alles, was uns in ihm geschenkt
wurde. Möge der Herr seiner Ehefrau und
Familie Trost und Beistand schenken.
Chor der Ev.-altreformierten
Kirchengemeinde Ihrhove
Seite 156
Rolf und Michael
und alle Angehörigen
26810 Westoverledingen-Ihrhove
Denkmalstraße 37
Traueradresse: Hildegard Uken, Karkpad 3,
26831 Bunde
Herunterladen