Organische Chemie für Biologen und Wirtschaftsingenieure Lukas Gooßen, Vorlesung SS13 www.uni-kl.de Aufbau der Vorlesung Organische Verbindungen ‐ funktionellen Gruppen – Reaktionen Alkane: Nomenklatur, Strukturisomere, radikalische Chlorierung Alkene: E‐ / Z‐Isomerie, Elektrophile Additionen Aromatische Kohlenwasserstoffe: Aromatizität, Elektrophile Substitution, Induktive‐ und Resonanz‐Effekte Heterocyclische Verbindungen: Nomenklatur Stereochemie: Chirale Moleküle, R‐S‐Sequenzregeln Fischer‐Projektionen Halogenalkane: Nucleophile Substitutionen und Eliminationsreaktionen, Grignard Verbindungen Alkohole, Ether und Phenole: Acidität/pKs, Oxidationsreaktionen Aldehyde und Ketone: Nucleophile Additionen Carbonsäuren und ihre Derivate: Nucleophile Substitutionen Carbonylverbindungen: Keto‐Enol Tautomerie, Reaktionen in a‐Stellung, Amine und ihre Derivate: Basizität von Aminen, Amine in der Natur, Alkaloide Kohlenhydrate: D‐ und L‐Zucker, Konformationen von Monosacchariden Biomoleküle: Aminosäuren, Peptide und Proteine, DNA und RNA, Lipide, erpene, Steroide, Alkaloide Strukturaufklärung in der Organischen Chemie Infrarot Spektroskopie UV‐Vis Spektroskopie NMR‐Spektroskopie WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 2 Literaturempfehlung WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 3 I. Substanzklassen und ihre Reaktionen Alkane gesättigte Kohlenwasserstoffe (saturated hydrocarbon) Allgemeine empirische Formel CxHy verschiedene Typen: − geradkettige Alkane − verzweigte Alkane − cyclische Alkane oder Cycloalkane − polycyclische Alkane WS 2013 n Name Formel n Name Formel 1 Methan CH4 11 Undecan CH3(CH2)9CH3 2 Ethan CH3CH3 12 Dodecan CH3(CH2)10CH3 3 Propan CH3CH2CH3 13 Tridecan CH3(CH2)11CH3 4 Butan CH3CH2CH2CH3 14 Tetradecan CH3(CH2)12CH3 5 Pentan CH3(CH2)3CH3 15 Pentadecan CH3(CH2)13CH3 6 Hexan CH3(CH2)4CH3 16 Hexadecan CH3(CH2)14CH3 7 Heptan CH3(CH2)5CH3 17 Heptadecan CH3(CH2)15CH3 8 Octan CH3(CH2)6CH3 18 Octadecan CH3(CH2)16CH3 9 Nonan CH3(CH2)7CH3 19 Nonadecan CH3(CH2)17CH3 10 Decan CH3(CH2)8CH3 20 Eicosan CH3(CH2)18CH3 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 4 Isomerie Moleküle, die dieselbe Molekularformel (Summenformel) haben, aber unterschiedliche chemische oder physikalische Eigenschaften besitzen, nennt man Isomere. z.B. existieren zwei C4H10 Moleküle und drei mögliche C5H10 Moleküle. Mit der Summenformel C30H62 findet man 4,111,846,763 mögliche Isomere Man unterscheidet zwischen zwei Arten von Isomerie: − Konstitutionsisomerie: Isomere besitzen die gleiche Summenformel, aber sie unterscheiden sich durch die Verknüpfungsweise ihrer Atome und Gruppen. Sie unterscheiden sich also in ihren Konstitutionen (Atomverknüpfungen, Konnektivitäten) C5H12 -III -III -II H3C -II -II -III -III CH3 H3C n-Pentan -II CH3 -III -I CH3 -III CH3 2-Methylbutan -III 0 -III -IIICH3 H3C CH3 2,2-Dimethylpropan Stereoisomerie (Stereoisomerie wird später behandelt) WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 5 Nomenklatur Die formal durch Abspaltung eines H‐Atoms gebildete Gruppe (CH3, C2H5, C3H7.... ) erhält die Endung ‐yl ( Methyl, Ethyl, ....) R R n-Propan n-Propyl (n-Pr) Isopropyl (i-Pr) R R n-Butan n-Butyl (n-Bu) sec-Butyl (s-Bu) R R Isobutan WS 2013 L. Gooßen Isobutyl (i-Bu) Vorlesung OC Nebenfach tert-Butyl (t-Bu) 6 Benennung von Alkanen nach IUPAC Suchen und benennen Sie die längste Kette von Kohlenstoffatomen. Bei zwei Ketten mit der gleichen Länge, hat die Kette mit mehr Substituenten Vorrang Bestimmen Sie die Namen, der an die längste Kette gebundenen Alkyl‐gruppen Nummerieren Sie die Kohlenstoffatome der längsten Kette von dem Ende her, CH3 H3C das einer Substitution am nächsten ist. CH3 Bei 2 Substituenten mit dem gleichen 1 2 3 4 5 6 8 7 6 5 4 3 2 1 Abstand vom Kettenende dann nicht: 6 5 4 3 2 1 1 2 3 4 5 6 7 8 alphabetisch Schreiben Sie den Namen des Alkans, indem Sie zunächst die Namen der Seitenketten in alphabetischer Reihenfolge ordnen (jedem geht die Nummer des Kohlenstoffatoms, an das es gebunden ist und ein Bindestrich voraus), und fügen sie dann den Namen des Stammalkans, wie am Rand gezeigt, hinzu 7 8 5 6 3 4 1 L. Gooßen 2 2 4-Ethyl-2,2,7-trimethyloctan WS 2013 1 2 3 3 14 5 6 7 8 9 4-(1-Ethylpropyl)-2,3,5-trimethylnonan Vorlesung OC Nebenfach 7 Alkane und ihre Eigenschaften Physikalische Eigenschaften der Alkane Bei Raumtemperatur sind die homologen Alkane mit kleinerer molarer Masse Gase oder farblose Flüssigkeiten, die mit grösserer molarer Masse Feststoffe Generelle chemische Eigenschaften Bei Raumtemperatur sind die Alkane gegenüber den meisten Reagenzien praktisch völlig inert. Wird ein Gemisch eines Alkans mit Chlor oder mit Brom kräftig belichtet, findet eine Halogenierung statt Verbrennung von Alkanen Stark exotherme Reaktion CH4 WS 2013 + 2 O2 L. Gooßen CO2 + Vorlesung OC Nebenfach 2 H2O + 213 kcal/mol 8 Organische Substanzklassen -III CH3 Einfache Kohlenwasserstoffe: -III -II -II H3C Halogenverbindungen: -II -III -I -II -III -I -I Cl Cl I -I -I Cl Cl Chloroform H -III -II -II -I -II -III -I -II -I H3C -I ICl H Dichlormethan -III -II -II H3C 0 H Alkohole, Amine und Ether: I -III H3C 1-Iodpentan -I -III -III -II -II O n-Butanal -I -I -II O -III II -III -III H3C Acetonitril Toluol -I -I -II Brombenzol OH I -I -III -I -I -I Phenol -II II -III H3C NH2 Essigsäureamid Vorlesung OC Nebenfach -I 0 -I -I -I Benzoesäure -I -II Cl III O -II O O -III -I III -II OH H3C CH3 H3C Aceton Essigsäure -II III N -I -II -II O -III L. Gooßen -I -II I -I HO III O H WS 2013 I -I -I Carbonylverbindungen: -III I O CH3 OH H3C NH2 H3C -I n-Butanol Ethylamin Diethylether -II -I Br -I II 0 -I -III CH3 CH3 H2C CH3 -I HC n-Pentan 1-Propen 1-Butin -I I Carbonsäurederivate: -II 0 -III III -II -I -III H3C O CH3 Essigsäureethylester -I -I 0 -I -I -I Benzoesäurechlorid 9 Klassifizierung über Oxidationsstufen -4 H H H H H H -3 H H H M R H H H H H -2 H R R M R H -1 H R R M R H H R H H R R R R H R R R H + R H H H R + R R H R H H H X R H X R H HH H H X n H H H H X H R + R X H H X X H R H X R R X X X R H R X X R H H R X n H H H Y R X X H R Y R R X X L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach X R X X X Y H X WS 2013 X R R H R H H X R H + H H H H +4 R H H +3 R H H +2 M R R R +1 H H M: Metall R: organischer Rest, z.B. Alkyl, Aryl X: -Hal, -OH, -OR, -NH2, -NR2 u.a.m. n: 3, 4, … (cyclische Verbindung) Y: O, NR, S u.a.m. 0 R R Y X Y Y 10 Y Bestimmung von Oxidationsstufen in organischen Verbindungen Die Oxidationszahlen sind gedankliche Ladungszahlen, die ein Atom in einer Verbindung hat. Man ordnet die bindenden Elektronen dem elektronegativeren Partner zu Relative Zahlenwerte für die Elektronegativität nach Pauling: WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 11 Regeln 1. Die Atome in Elementen erhalten immer die Oxidationszahl (OXZ) Null, weil in gleichen Atomsorten kein Elektronegativitätsunterschied vorliegt. ∆EN = 0, z.B. O2, Cl2, S8 usw 2. In einem einatomigen Ion ist die OXZ gleich der Ladung des Ions. z.B. Ba2+ → OXZ = II 3. In Molekülen oder Molekül‐Ionen werden folgende Bestimmungsregeln angewendet: a) Zeichnen Sie das Molekül als Lewisformel mit allen vorhandenen Valenzelektronen (VE). b) Bestimmen Sie zeichnerisch welches Atom jeder vorliegenden Bindung die höhere Elektronegativität besitzt. Diesem Atom werden beide Elektronen der Bindung formal zugeordnet. c) Bei gleicher Elektronegativität beider Atome werden die Elektronen der Bindung auf beide Atome aufgeteilt. d) Zähle die Anzahl von Elektronen eines jeden Atoms einer Verbindung und bestimme die Differenz zur Valenzelektronenzahl des jeweiligen freien Atoms. WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 12 Bestimmung von Oxidationsstufen 4. Im Molekül muss die Summe der Oxidationszahlen Null sein! 5. In Molekül‐Ionen entspricht die Summe der Oxidationszahlen der Ladung des Ions. 6. In Molekülen mit zusammengesetzten Ionen leitet man sich die Oxidationszahlen am leichtesten über die Säure her. Molekül: 8 VE ∆VE =6 - 8 = -2 H 0 VE Atom: H C N O S F Cl Br WS 2013 O OXZ = -II 5 VE; EN = 3.0 OXZ = -II O + H H ∆VE = 1 - 0 = 1 O N O 0 VE OXZ = I ΣOXZ = 2 * 1 + (-2) = 0 1 VE; EN = 2.2 4 VE; EN = 2.5 8 VE OXZ = V 0 VE OXZ = I ΣOXZ = 1 + 3* (-2) + 5 = 0 OXZ = III OXZ = -II OXZ = I O OXZ = -II H C OXZ = -II OXZ = I H C O OXZ = I H C H OXZ = I OXZ = I H S OXZ = -II H Cl I I H -III -I +III -I C Br N -I H C F I H 6 VE; EN = 3.5 6 VE; EN = 2.5 7 VE; EN = 4.0 OXZ = -I H OXZ = I 7 VE; EN = 3.0 7 VE; EN = 2.8 ΣOXZ = 6 * 1 + 3 + 4 * (-2) + (-1) = 0 ΣOXZ = 4 * 1 + 3 + 4 * (-1) + (-3) = 0 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach I -I 13 Klassifizierung organischer Reaktionen Betrachtet man nur die Veränderungen des Molekülskelettes und lässt den genauen Ablauf unberücksichtigt, so kann man vier Haupt‐ typen von Reaktionen unterscheiden: Substitution: Dabei wird ein Atom oder eine Atomgruppe durch ein anderes Atom oder Atomgruppe ersetzt (substituiert): Substitution: H3C OH + BrH H3C Br + O H H Addition: Hier werden weitere Atome (Atomgruppen) an das Molekül angelagert (nur an ungesättigten funktionellen Gruppen möglich): Addition: H Br Me + Me Br2 H H Br CN + HCN Me WS 2013 L. Gooßen H Me H O Me Vorlesung OC Nebenfach H O Me H 14 Klassifizierung organischer Reaktionen Eliminierung: Aus organischen Molekülen werden Moleküle abgespalten, wobei ungesättigte Verbindungen entstehen: Eliminierung: H H Me Me Me H [H2SO4] ∆ OH Me + Me H2O Me Umlagerung: Wenn innerhalb eines Moleküls Atome oder Atomgruppen verschoben werden, so wird das Kohlenstoffgerüst verändert und es tritt eine Umlagerung ein: Umlagerung: OH OH Me WS 2013 L. Gooßen Me Me Me [H+] -H2O Me Vorlesung OC Nebenfach Me O Me Me 15 Reaktionsmechanismen In chemischen Reaktionen werden kovalente Bindungen gebrochen und gebildet. Kovalente Bindungen können auf zwei Arten gebrochen werden: A B A A B A + + + B Homolytische Spaltung B Heterolytische Spaltung Bei der homolytischen Bindungstrennung entstehen Atome und/oder Radikale, während bei der heterolytischen Bindungstrennung Ionen, eventuell auch neutrale Molekule gebildet werden können. Umgekehrt, kann bei der Bindungsneubildung die kovalente Bindung durch einen radikalischen oder durch einen polaren Prozess gebildet werden: A A WS 2013 + B A B Radikal-Reaktion B A B polare oder ionische Reaktion L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 16 Reaktionsmechanismen In polaren Reaktionen werden die Elektronen‐Bewegungen durch Pfeile gekennzeichnet ein Nucleophil ("nucleus‐loving", ein elektron‐reiches Atom oder Atomgruppe) überträgt dabei seine Elektronen auf ein Elektrophil ("electron‐loving", ein elektronarmes Atom oder Atomgruppe) Es bildet sich eine neue kovalente Bindung: + A Elektrophil WS 2013 L. Gooßen B Nukleophil Vorlesung OC Nebenfach A B 17 Reaktionsdiagramme Die chemische Thermodynamik befasst sich mit den Energieänderungen von Edukten zu Produkten. Die Energieänderung ist ein Mass für die Lage des chemisches Gleichgewicht: Alken + HCl Keq Keq = R-Cl Additionsprodukt [R-Cl] [Alken] [HCl] Keq groß: Gleichgewicht liegt auf der rechten Seite: Das Energieniveau der Produkte ist niedriger als das der Edukte (exotherme Reaktion). Keq klein (<1): Gleichgewicht liegt auf der linken Seite: Das Energieniveau der Produkte ist höher als das der Edukte (endotherme Reaktion). Die Gleichgewichtslage wird durch ΔGo, die Differenz zwischen den freien Enthalpien der Produkte und der Edukte, bestimmt. WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 18 Kinetik Die chemische Kinetik betrachtet die Geschwindigkeit, mit der die Reaktion abläuft. Die Geschwindigkeit einer Reaktion wird durch ihre freie Aktivierungs‐ energie ΔG# bestimmt, diese entspricht der Differenz zwischen der freien Enthalpie der Edukte und dem (oder dem höchsten, wenn es mehrere gibt) Übergangszustand (transition state). z.B. für A → B A k B Energie k = Geschwindigkeitskonstante = = Übergangszustand Ea A ∆G° k = A . exp(Ea/R.T) Ea = Aktivierungsenergie A = Arrhenius-Konstante R = Gaskonstante T = Temperatur (K) B Reaktionskoordinate WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 19 Aktivierungsenergie Die Energie, die zur Überschreitung der Energiebarriere nötig ist, erlangt ein Molekül normalerweise durch Zusammenstösse mit anderen Molekülen. Die Häufigkeitsverteilung der kinetischen Energie bei einer gegebenen Temperatur wird durch die Boltzmann‐Verteilung angegeben. Bei RT beträgt die mittlere kinetische Energie der Moleküle einer organischen Verbindung nur etwa 2.5 KJ/mol. Viele organische Reaktionen besitzen Aktivierungsenergien von 40‐150 KJ/mol. Damit eine Reaktion bei Raumtemperatur abläuft, darf die Aktivierungsenergie nicht über 80 KJ/mol liegen. Reaktionen mit höherer Aktivierungsenergie finden nur bei höheren Temperaturen statt. WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 20 Energieprofil Für die elektrophile Addition von HCl an Alkene: + Energie + H Cl H3C Übergangszustand-1 Zwischenstufe CH2 + Cl H3C Zwischenstufe Carbokation H2 C Cl Übergangszustand-2 Ea2 Ea1 A G° B Reaktionskoordinate Die Strukturen, die auf Energiemaxima liegen, heißen Übergangs‐ zustände. Sie können weder isoliert noch beobachtet werden. Im ersten Übergangszustand ist die C=C Doppelbindung partiell gespalten und die neue C‐H σ‐Bindung partiell gebildet: = + H H H H H k1 rel. langsam Ea1 (groß) H + H C H H H n Übergangszustand-1 WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach H + H H C H H Zwischenstufe Carbokation 21 Reaktive Zwischenstufen Das Zwischenprodukt, in diesem Fall ein Carbokation, liegt in einem Energieminimum, ist aber instabil weil es auf einem hohen Energieniveau liegt. Der zweite Übergangszustand benötigt nur einen sehr kleinen Energiebetrag und läuft deswegen sehr rasch ab: = Cl H C H WS 2013 H + Cl H H L. Gooßen k2 rel. schnell Ea2 klein) H H H H H n Übergangszustand-2 Vorlesung OC Nebenfach H H Cl H H H Produkt 22 Typische Reaktionen von Alkanen Radikalische Substitution Die Reaktionen der Halogenen (Fluor, Chlor, Brom, Jod) mit Methan sind ein gutes Beispiel dafür, wie unterschiedlich die Reaktivität eines Reagenzes gegenüber einer gegebenen Substanz sein kann. Fluor ist am reaktivsten, sogar so reaktiv, dass ohne geeignete Vorkehrungen eine Mischung aus Fluor und Methan explodieren würde. Die Reaktion mit Chlor lässt sich gut kontrollieren, Brom ist schon sehr viel weniger reaktiv und Iod reagiert überhaupt nicht mehr mit Methan. F >> Cl > Br > I F Cl Br J X2 → 2 X. +155 +242 +192 +151 X. + CH4 → H3C. + HX -125 +8 +75 +142 H3C. + X2 → CH3X + X. -306 -113 -105 -88 CH4 + X2 → CH3X + HX -131 -105 -30 -54 WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach Aktivierungsenergie Ea (kJ/mol) Aktivierungsenthalphien ∆H° (kJ/mol) 23 Mechanismus d. radikalischen Substitution Beispiel: radikalische Chlorierung 1.) Startreaktion: Kettenstart: Chlor‐Molekül wird durch Licht Licht oder Wärme homolytisch in zwei Cl2 2Cl Chlor‐Radikale gespalten. 2.) Kettenfortpflanzungsreaktion: Kettenfortpflanzung: Chlor‐Radikale reagieren mit dem Methan homolytisch H3C + HCl Cl + CH4 zu HCl und einem Methyl‐Radikal. H3CCl + Cl Dieses planare Methyl‐Radikal reagiert H3C + Cl2 im folgenden Schritt mit einem weiteren Chlor‐Molekül zum Methylchlorid und 3.) Kettenabbruchsreaktionen: einem neuen Chlor‐Radikal. Cl2 Cl + Cl Kettenabbruch: kann auf unterschied‐ H C + H C C2H6 3 3 lichen Wegen erfolgen, z.B. durch H3CCl Cl + H3C Stöße mit der Wand oder durch die Rekombination zweier Radikale WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 24 Stabilität von Radikalen Die Stabilität der Radikale hängt von der Struktur ab. Höher substituierte Radikale sind stabiler als weniger substituierte. Ein Vergleich der Radikalstabilität kann über die Dissoziationsenergie der Bindung zwischen dem Kohlenstoff und dem Wasserstoff vorgenommen werden, also der Energie, die für eine homolytische Spaltung dieser Bindung benötigt wird. Es ergibt sich für die Radikale die unten stehende Stabilitätsreihe, die der Reihenfolge bei Carbokationen entspricht: ⇒ allylisch, benzylisch > tertiär > sekundär > primär > methyl C H WS 2013 CH2 CH2 , L. Gooßen > C > Vorlesung OC Nebenfach H C > CH2 > CH3 25 Chlorierung höherer Alkane Bei der Chlorierung höhere und verzweigte Alkane sind unterschiedlich gebundene Wasserstoff‐Atome vorhanden: primäre, sekundäre und tertiäre. An den Beispielen Propan und 2‐Methylpropan ist der Einfluss der Stellung der Wasserstoff‐Atome gut zu erkennen. Beim Propan können zwei Arten von gebundenen Wasserstoff‐Atomen mit dem Chlor‐Radikal reagieren und zwar sechs primäre und zwei sekundäre. Statistisch gesehen wäre daher dreimal so viel 1‐Chlorpropan wie 2‐Chlorpropan zu erwarten. Aufgrund thermodynamischer Faktoren weichen die statistischen Verhältnisse stark von den experimentellen Verhältnissen ab. WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 26 Chlorierung höherer Alkane Cl2 + H3C H2 C Cl h.ν CH3 H3C Cl 1-Chlorpropan + H3C CH3 + 2 Cl H 2-Chlorpentan 1-Chlorpropan 2-Chlorpropan WS 2013 erwartetes statistisches Verhältnis 3 1 experimentelles Verhältnis bei 25°C 43 57 experimentelles Verhältnis bei 600°C 3 1 Zahl der C-H Bindungen Relative Ausbeute (%) Ausbeute pro C-H Bindung Selektivität primär 6 43 7,2 1 sekundär 2 57 28,5 4 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 27 Chlorierung höherer Alkane Cl2 + H2 H3C H C CH3 C CH3 h .ν CH3 Cl CH3 27% 1-Chlor-2-methylbutan CH3 H3C CH3 Cl 36% 2-Chlor-3-methylbutan WS 2013 + + CH3 H3C Cl 14% 1-Chlor-3-methylbutan CH3 H3C CH3 Cl 23% 2-Chlor-2-methylbutan Zahl der C-H Bindungen Relative Ausbeute (%) Ausbeute pro C-H Bindung Selektivität primär 9 41 4,56 1 sekundär 2 36 18 4 tertiär 1 23 23 5 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 28 II. Alkene C=C Doppelbindung ist die funktionelle Gruppe, die für die Alkene -I -I (Olefine) charakteristisch ist Cl Cl -II II 0 -II H2C CH2 -I -II H2C Ethen -III -I CH3 I Cl H Trichlorethyen Propen In der JUPAC‐ Nomenklatur wird die einfachere Endung ‐en anstatt ‐ylen benutzt. Kompliziertere Systeme erfordern Anpassungen und Erweiterungen der Nomenklaturregeln für Alkene: − Finden Sie die längste Kohlenstoff‐Kette, die beide an der -III Doppelbindung beteiligte C‐Atome enthält: CH -II H2C -I -I -III -II -III CH3 CH3 Methyl-Penten -III H3C -II -II -II 0 -III 3 0 -II -II -II -III CH3 -II H3C Decen Derivat − Die Nummerierung beginnt an dem Ende, das der Doppelbindung näher ist. In Cycloalkenen sind die Kohlenstoffatome 1 und 2 immer 1 die, zwischen denen die Doppelbindung liegt: 6 2 1 3 CH 3 H2C 2 4 1-Buten (nicht 3-Buten!!!) WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 1 3 5 H3C 2 4 CH3 5 2-Penten 3 4 Cyclohexen 29 IUPAC- Nomenklatur − Die Substituenten und ihre Positionen werden dem Namen des Alkens als 1 3 5 1 H3C 3 Präfixe vorgestellt: CH3 4 CH3 2 2 CH3 3-Methyl-1-penten 3-Methylcyclohexen 1 3 5 CH 3 H3C 2 4 6 2-Methyl-3-hexen − Zwei Substituenten können auf denselben oder auf entgegengesetzten Seiten der Doppelbindung stehen. Die erste stereochemische Anordung wird cis genannt, die zweite trans. Nach JUPAC gilt das E,Z‐System (später): Cl H3C CH3 H3C CH3 trans -2-Buten cis -2-Buten 1CH3 5 3 2 H3C 4 CH3 4-Chlor-3-methyl-cis -2-penten − Wenn andere funktionelle Gruppen vorhanden sind, können sie gegenüber 3 1 OH der Doppelbindung Vorrang haben z.B Alkenole: H2C 2 2-Propen-1-ol − Substituenten, die eine Doppelbindung enthalten, werden Alkenyl genannt: H2C WS 2013 R R L. Gooßen Vinyl-Gruppe (Ethenyl-) H2C Vorlesung OC Nebenfach R R Allyl-Gruppe (2-Propenyl-) 30 E- und Z- Isomere Die Rotation um eine C=C Doppelbindung benötigt einen hohen Energiebetrag, weil die π‐Bindung (π‐Bindungsdissoziationsenergie 272 kJ/mol) gebrochen werden muss: H Me 90° Rotation H H Me +Energie Me H Me keine Überlappung der p-Orbitale unter 300°C sind die meisten Doppelbindungen konfigurationsstabil. Durch starke Säure kann die Isomerisierung katalysiert werden, und beim Gleichgewicht steht das trans‐Isomer im Überschuss. Die trans‐Isomere sind stabiler als die cis‐Isomere. H Me WS 2013 L. Gooßen H Me (H+) H Me Me H Vorlesung OC Nebenfach trans-Alkene sind stabiler als cis-Alkene 31 Sequenzregel Zur eindeutigen Benennung von mehrfach substituierten Alkenen benutzt man die Sequenzregel von Cahn, Ingold und Prelog. Nach diesen Regeln sind alle möglichen Substituenten in einer Reihe nach abnehmender Priorität geordnet. Die Priorität der Substituenten ergibt sich aus der Abnahme der Ordungszahl, der direkt an die Doppelbindung gebundenen Atome. z.B.: ⇒ 35Br > 17Cl > 8O > 7N > 6C > 1H usw. Das Isomer, bei dem die beiden Gruppen höherer Priorität auf derselben Seite der Doppelbindung liegen, wird als Z‐Isomer, das andere als E‐ Isomer bezeichnet, z.B.: 7Me H2 Me 1 1 Me 2H H2 Me 1 2H Br 1 1F 1 Me F2 2H Me Cl E-2-Buten WS 2013 L. Gooßen Z-2-Buten Z-1-Brom1,2,difluorethen Vorlesung OC Nebenfach 2 3 1 1 2 5 4 1 6 2 Me E-1-Chlor-3-ethyl4-methyl-3-hepten 32 Sequenzregel Bei identischen Atome, bestimmt die Atomnummer des benachbarten Atoms die Prioritätenfolge: Me Me 1 2 Me 2 HH H H C C H H H C C H H H C H höhere Priorität H Me 1 Me d.h. E- Doppelt gebundene Atome sind als Äquivalent zur gleichen Anzahl einfach gebundener Atome zu betrachten, z. B. ‐CH=O hat ein C‐Atom mit einer Doppelbindung zum O‐Atom und wird als Äquivalent zu einem C‐Atom mit zwei einfach gebundenen O‐Atomen betrachtet: O H2 1 Me H 1 2 OH d.h. E- WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach OO C höhere Priorität H H C H O H 33 Struktur und Bindung in Alkenen π−Bindung Doppelbindungen bestehen aus einer σ‐ und einer π‐Bindung: H H Me Me Chemische Bindungen entstehen durch die Überlappung von Orbitalen σ−Bindung die Bindungsstärke wird von der Effektivität der Überlappung bestimmt Wegen der räumlichen Anordung der Orbitale ist zu erwarten, dass die Orbital‐Überlappung in einer σ‐Bindung besser ist als in einer π‐Bindung. Die Überlappung ist in π‐Orbitalen geringer als in σ‐Orbitalen, daher sollte die Abspaltung eines Elektrons aus dem energetisch höher liegenden π‐ Niveau erfolgen, weil π‐Elektronen weniger stark gebunden sind als σ‐ Elektronen: Molekül-Orbitale Energie (MO´s) σ−antibind. MO π−antibind. MO Atomorbitale (AO) π−bind. (MO) (höchst besetztes MO: HOMO) σ−bind. MO WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 34 Typische Reaktionen von Alkenen Eine C=C Doppelbindung (und ebenso eine Dreifachbindung) ist ein Zentrum von relativ hoher negativer Ladungsdichte C=C Doppelbindungen sind nucleophil Daher sind C=C Doppelbindungen leicht von elektrophilen Reagentien angreifbar, bzw. formal die C=C Doppelbindung angreift (Pfeilrichtung!) Diesen Reaktionstyp bezeichnet man als elektrophile Addition z.B. Addition von HCl: H Me Me H H HCl Et2O HCl Et2O WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach H Me Me Cl H H Cl 35 Die elektrophile Addition Ein Carbokation (Carbeniumion) entsteht als Zwischenprodukt. Zwischenprodukte treten oft in mehrstufigen Reaktionen auf und sind gewöhnlich instabil und reagieren rasch weiter. H H H H H+ Das Elektrophil wird von den π−Elektronen angegriffen: eine neue C-H σ−Bindung entsteht. Eine positive Ladung wird dadurch in einem leeren p-Orbital gebildet. (H+) H H H H sp2 Cl− ein Carbokation (Carbenium-Ion) wird als Zwischenprodukt gebildet Cl− überträgt ein Elektronenpaar auf den positivgeladenen Kohlenstoff und bildet dadurch eine neue C-Cl σ−Bindung. WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach H + H sp2 sp3 H H Cl H H H H H sp3 H 36 Elektrophile Additionen an Alkene Regioselektivität Das Proton einer starken Säure kann sich unter Bildung eines Carbeniumions an eine Doppelbindung addieren. Mit einem Nucleophil bildet sich, insbesondere bei tiefen Temperaturen, das Produkt einer elektrophilen Addition an die Doppelbindung: HCl Ether, 0° H3C CH2 Cl H3C H3C CH3 CH3 HBr Ether, 0° CH3 CH3 Br HCl Ether, 0° Cl Additionen von HX an unsymmetrische Doppelbindungen sind meistens regioselektiv. z.B.: HCl H3C CH2 H3C WS 2013 Cl H3C CH3 CH3 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach nicht: H3C H H2 C Cl CH3 37 Regel von Markovnikov Bei Doppelbindung mit unterschiedlichen Substitutionsgrad der beteiligten Kohlenstoffatome addiert das Proton (Elektrophil) an das weniger substituierte Kohlenstoffatom (to him that hath shall be given!). Für Alkene, die an beiden sp2‐Kohlenstoffatomen ähnlich substituiert sind, sind Produktgemische zu erwarten: H Cl H3C HCl + CH3 Cl 1 Die Regel kann mit Hilfe des Mechanismus der elektro‐ philen Addition von H+ an Alkene und der relativen Stabilität der so gebildeten Carbeniumionen erklärt werden . z.B.: WS 2013 : 1 H H + HCl H3C CH2 H3C HCl H3C C CH2 Cl- CH3 H3C C CH2 CH3 H + H3C C CH2 CH3 Cl H Cl- H Cl H3C C CH2 CH3 Das π‐System greift das Proton unter Bildung eines Carbeniumions an. Die Regiochemie der Reaktion wird von diesem Schritt bestimmt, denn wenn das Carbeniumion erst gebildet ist, erfolgt der Abfang durch Cl‐ schnell. L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 38 Grund: Stabilität von Carbenium-Ionen Messungen in der Gasphase zeigen, dass die Stabilität von Carbenium‐ Ionen mit zunehmender Alkylsubstitution zunimmt: R = Alkylgruppen + + + R C R R C H R C H R Tertiär (3°) R Sekundär (2°) H Primär (1°) + H C H H Methyl- Stabilität nimmt zu Die Stabilisierung kann auf die induktiven Effekte der Alkylgruppen, CH3 H3C C H3C + C H + H CH3 C+-H ist kürzer und weniger polarisierbar aber auch auf die Hyperkonjugation zurückgeführt werden: H H H3C C H + H C H + H3C Überlappung wirkt stabilisierend H Hyperkonjugation beruht im wesentlichen auf dem Elektronenschub eines Alkylsubstituenten zu einem elektronenarmen Zentrum. Aufgrund dieser Wirkung gilt die Alkylgruppe als "elektronenliefernd" und kann benachbarte positive Ladungen stabilisieren. WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 39 Ursache für Regioselektivitäten Bei der Hydrochlorierung von 2‐Methylpropen, können die beiden denkbaren Wege der Addition in einem Energiediagramm abgebildet werden: Übergangszustand-1 Zwischenprodukte Energie H H3C H3C + CH2 (1°) + Ea H3C C CH3 (3°) H3C Edukte Produkte Reaktionskoordinate Der Übergangszustand‐1 (TS1), der zum energetisch ungünstigeren primären Propyl‐Kation führt, liegt energetisch höher als der Übergangszustand 2 (TS2), der zum 1‐Methylethyl‐Kation führt, d.h. die zweite Variante sollte schneller ablaufen. Für Alkene wie 2‐Penten sind Produktgemische zu erwarten, weil Carbeniumionen vergleichbarer Stabilität gebildet werden. WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 40 Elektrophile Hydratisierung von Alkenen Wenn man ein Alken einer wässerigen Lösung einer Säure aussetzt, die ein schwach nucleophiles Gegenion besitzt, wie z.B. H2SO4, übernimmt das Wasser die Rolle des abfangenden Nucleophils. Insgesamt werden so die Bestandteile des Wassers addiert . z.B.: H2C CH2 H+/H2O H H2SO4/H2O OH OH H In Gegenwart einer Säure etabliert sich ein Gleichgewicht zwischen Alkoholen und Alkenen. Dieses Gleichgewicht kann nach beiden Seiten verschoben werden, zum Alken (Dehydratisierung) oder zum Alkohol (Hydratisierung). Bei tieferen Temperaturen, wenn ein großer Überschuss an Wasser vorhanden ist, ist der Alkohol normalerweise das überwiegende Produkt. Jährlich werden über 300,000 Tonnen Ethanol in den USA durch die Hydratisierung von Ethylen produziert (andere Verfahren !). WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 41 Mechanismus: elektrophile Addition + Die π−Elektronen greifen das Proton an H H3C CH2 H3C Das H2O übernimmt die Rolle eines Nucleophils (freies Elektronenpaar) und bildet eine neue C-O-σ−Bindung am eletrophilen C-Zentrum aus H3C H3C H + C CH2 H2O H Der Sauerstoff gibt ein Proton ab und das führt wieder zu einem neutralen Molekül H3C H3C O + H H CH2 OH H H3C WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach CH2 CH3 + + H 42 Halogen-Addition an Alkene Halogene wie Chlor, Brom und Jod sind elektrophile Reagenzien, die sich an eine Doppelbindung addieren können, und dabei vicinale Dihalogenide liefern, z.B.: H2C CH2 CH3 Br2 CHCl3 Br2 CHCl3 H2 H2 C C Br Br CH3 Br Br Cl2 CHCl3 Cl Cl Jährlich werden über 5 Millionen Tonnen 1,2‐Dichlorethan hergestellt. Es wird als Lösungsmittel verwendet und für die Darstellung von Polyvinylchlorid (PVC) eingesetzt. WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 43 Mechanismus: elektrophile Addition Die π−Elektronen in der Doppelbindung greifen das Brom an. Eine C-Br-σ−Bindung wird gebildet und die Br-Br-σ−Bindung wird gespalten Br CH3 Br CH2 Br Das Br− greift das Carbokation an und ein neutrales Endprodukt wird gebildet. H3C H + Br C C H2 Br H3C Br WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 44 Halogen-Addition an Alkene Dieser Mechanismus kann den beobachteten stereochemischen Verlauf solcher Reaktionen erklären, z.B: Br2 CHCl3 Br Br nicht: trans Br cis Br nicht: Cl2 CHCl3 Cl Cl trans Cl cis Cl Außerdem zeigen andere Erfahrungen, dass ein elektronegatives Halogenatom mit dem benachbarten, positiv geladenen Kohlenstoff leicht in Wechselwirkung tritt, so dass ein cyclisches Halogenonium‐Ion entsteht: Br + H H Br WS 2013 H Br H H H C Br Br Zwischenprodukt-1 Br + Zwischenprodukt-2 Br H Br H trans! Im zweiten Schritt erfolgt die Addition des Bromanions von der entgegengesetzten Seite (vgl. SN2 Reaktionen später), so dass nur das anti‐Produkt gebildet werden kann. L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 45 Weitere elektrophile Additionen Hydrierung (Reduktion) Die Addition von Wasserstoff an Doppelbindungen verläuft stark exotherm. Aber nur bei Verwendung von Übergangsmetall‐Katalysatoren (z.B. Pd, Pt oder Ni) ist die Hydrierung möglich. Die Ausbeuten sind meist nahezu quantitativ. Die beiden Wasserstoffatome werden in den meisten Fällen von derselben Seite des Substrates addiert (syn‐Addition): CH3 CH3 CH3 H2/Pt (Katalysator) EtOAc H3C WS 2013 L. Gooßen CH3 H H2/Pt (Katalysator) MeOH Vorlesung OC Nebenfach syn-Additio CH H 3 H3C CH3 46 Epoxidierung Oxirane (Epoxide) können durch die Reaktion von Alkenen mit Persäuren gewonnen werden. z.B.: CH3 CH3 R-COOOH CHCl3 O + RCOOH Epoxid H3C CH3 R-COOOH CHCl3 H3C Epoxid O CH3 + O O H O R eine Persäure RCOOH Vorsicht: Aminogruppen und Thiogruppen u. v. a. werden durchPersäuren leicht oxidiert) Die Behandlung von Epoxide mit Wasser und Säure‐ oder Basenkatalyse führt unter Ringöffnung zu vicinal Diolen (vgl. später). WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 47 Oxidation mit Osmiumtetraoxid OsO4 und KMnO4reagieren unter neutralen Bedingungen mit Alkenen unter Bildung der entsprechenden vicinalen syn‐Diole, z.B.: OH H3C CH3 OsO4,H2O H3C CH3 OH O O Os O O O Os O O O H2O OH OH cis-Diol geht auch mit katalytischen Mengen Os (giftig!) und Oxidatitionsmitteln WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 48 Polymerisation von Alkenen Alkene können unter geeigneten Bedingungen miteinander reagieren, wobei die ungesättigten Zentren des Alken‐Monomeren unter Bildung von Dimeren, Trimeren, Oligomeren und schließlich Polymeren verbunden werden. Solche Prozessen sind von großer industrieller Bedeutung : z.B. R H2C C H + R H2C C H + Monomer H2 H2 H2 C H C H C H C C C R H2C C H R Struktur Ethen R R Polymer H2C CH2 Polyethylen Cl Chlorethen (Vinylchlorid) Tetrafluorethen H2C F F F F Phenylethen (Styrol) CN H2C Methyl-2-methylpropenoat (Methylmethacrylat) L. Gooßen Teflon CH2 Propennitril (Acrylnitril) WS 2013 PVC (Polyvinylchlorid) CH3 H2C Polystyrol Orlon Plexiglas (Perspex) COOMe Vorlesung OC Nebenfach 49 Kationische Polymerisationen Säurekatalysierte Polymerisationen werden mit H2SO4, HF oder BF3 als Initiatoren durchgeführt. Da Kationen als Intermediate auftreten, werden sie kationische Polymerisationen genannt: CH3 H2C + H H2C C + CH3 + CH3 CH3 H2C H H2C CH3 + CH CH3 H2C Polypropylen H Andere häufig gebrauchte Methoden sind radikalische, anionische und metallkatalysierte Polymerisationen. WS 2013 L. Gooßen Vorlesung OC Nebenfach 50