ein Baustein zur Umsetzung von Unternehmensethik

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Ludwig-Maximilians-Universität München
Executive-Studiengang Philosophie Politik Wirtschaft
Masterthesis
Das Coaching von Führungskräften – ein Baustein
zur Umsetzung von Unternehmensethik
Eingereicht von:
Andreas Burnhauser
Maximiliansplatz 12 B
80333 München
Tel. 089/24 28 91 52 (Büro)
E-Mail: [email protected]
Matrikel-Nr. 35905096
Betreut durch:
Prof. Dr. Marina Fiedler
Lehrstuhl für Management,
Personal und Information
Universität Passau
München, den 25.05.2012
II INHALTSVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
IV
Anhangsverzeichnis
V
Abkürzungsverzeichnis
VI
1
2
Einleitung
1
1.1
Problemstellung
1
1.2
Aufbau
3
Begriffserklärung und Abgrenzung
3
2.1
Unternehmensethik
4
2.1.1
Unternehmensethik als Teil der Wirtschaftsethik
4
2.1.2
Handlungsethik
9
2.2
2.3
2.4
3
Bausteine eines Ethik-/Wertemanagements
10
2.2.1
Corporate Governance
11
2.2.2
Corporate Compliance
15
2.2.3
Code of Conduct/Code of Ethics
17
2.2.4
Corporate Social Responsibility
20
Coaching
23
2.3.1
Der Gegenstand des Coaching
24
2.3.2
Die Person des Coachs
25
2.3.3
Die Herangehensweise beim Coaching
26
Coaching als ein weiterer Baustein eines Ethik-/Wertemanagements
27
Auswirkungen des Coaching
29
3.1
Weiterentwicklung der Führungskräfte
30
3.1.1
Performance/Persönlichkeit
30
3.1.2
Effektivität/Zielerreichung
34
3.1.3
Führungsstil/-verhalten
36
3.1.4
Self-Efficacy /Selbstwahrnehmung
39
3.1.5
Lernerfolg/Fertigkeiten
41
3.1.6
Work-Life-Balance
43
3.2
Auswirkungen auf das Unternehmen
45
3.2.1
Unternehmenserfolg/-Ziele/ROI
45
3.2.2
Unternehmenskultur/-organisation
48
3.2.3
Einfluss auf Mitarbeiter
50
III 3.3
Coaching von Ethik und Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg
54
3.3.1
Ethisch-orientierter Führungsstil und Unternehmenserfolg
54
3.3.2
Ethisches Verhalten von Führungskräften und ihre Auswirkungen auf
das Mitarbeiterverhalten
3.3.3
Ethische Führung und ihr Einfluss auf die Attraktivität des Unternehmens
als Arbeitgeber
3.4
4
5
6
57
58
Die Bedeutung des Coaching von Führungskräften für mittlere und kleine
Unternehmen
59
3.5
Zur Evaluation von Coaching
60
3.6
Diskussion der Ergebnisse
66
Erwartungen und Anforderungen an das Coaching
67
4.1
Aus der Sicht der Führungskräfte
67
4.2
Aus der Perspektive der nachgeordneten Mitarbeiter
72
4.3
In der Wahrnehmung Dritter
74
4.4
Aus dem Blickwinkel der Unternehmenseigner
74
4.5
Zusammenfassung
76
Eigenes Coachingkonzept zur Umsetzung von Unternehmensethik
77
5.1
Ethical and Mindful Leadership
78
5.2
Achtsamkeit
81
5.2.1
Achtsamkeit als heilsamer Geistesfaktor
81
5.2.2
Achtsamkeit in Forschung und Praxis
83
5.3
Implementierung des Coaching
87
5.4
Booklet des Verfassers
88
Fazit / Ausblick
90
Literaturverzeichnis
93
Anhang
100
Ehrenwörtliche Erklärung
VIII
IV ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. 1:
Abb. 2:
Abb. 3:
Abb. 4:
Abb. 5:
Abb. 6:
Abb. 7:
Abb. 8:
Abb. 9:
Abb. 10:
Abb. 11
Abb. 12:
Abb. 13:
Abb. 14:
Abb. 15:
Abb. 16:
Abb. 17:
‚Abb. 18:
Ethiktypen (Homann und Lütge, 2005, S. 17)
4
Analysedimensionen und Anwendungsbereiche analytischer
Unternehmensethik (Küpper, 2006, S. 155)
7
Modelle der Führungsorganisation (Küpper, 2006, S. 160)
12
Systemstruktur der Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensführung
(Küpper, 2006, S. 164)
14
The Coaching Cube (Segers et al., 2011, S. 217)
27
Das Bezugssystem nach Levenson (Levenson, 2009, S. 108)
30
Extroversion v. introversion (Beamish, 2005, S. 140)
38
Population comparisons of the four main behavioural types (Beamish,
2005, S. 142)
38
The Basis of Cross-Cultural Competencies (Handin und Steinwedel, 2006,
S. 23)
41
Perceived Impact of Coaching (McDermott et al., 2007, S. 33)
49
The realized phenomenon (Wenson, 2010, S. 610)
52
Comparison between ethical leadership and transformational, authentic,
and spiritual leadership, Peus et al. (2010a, S. 201)
54
Table 4 Evaluation methodologies… (Ely et al., 2010, S. 595)
62/63
Table 5 Evaluation criteria… (Ely et al., 2010, S. 595)
63
Coaching Approaches (Feldman und Lankau, 2005, S. 839)
72 Four-quadrat Model of Emotional Intelligence, (Luckock, 2008, S. 380) 80
Sieben interdependente didaktische Lernziele (Brinkmann und Steenbuck,
2002, S. 62)
81
Prozessstufen des Wertemanagements nach Wieland (1999, S. 93)
87
V ANHANGSVERZEICHNIS
Anhang 1: Auswertung Fragebogen (Stevens, 2005, S. 274, 276)
Anhang 2: Übersicht Peus et al., 2010, S. 203-204
Anhang 3: Führungsstile (Kilburg und Donohue, 2011, S. 8-11)
Anhang 4: Auswertung der empirischen Studien
Anhang 5: Booklet des Verfassers (in Seitentasche hinterer Buchumschlag)
VI ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abb.
=
Abbildung
AktG
=
Aktiengesetz vom 06.09.1965 (BGBl. I, S. 1089), zuletzt geändert
am 22.12.2011 (BGBl. I, S. 3044)
AG
=
Aktiengesellschaft
bzw.
=
beziehungsweise
BGB
=
Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung vom 02.01.2002 (BGBl.
I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert am 15.03.2012
(BGBl. I, 2012 II, S. 178)
BGH
=
Bundesgerichtshof
BilMoG
=
Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts
(Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) vom 25.05.2009, BGBl. I,
S. 1102
BP
=
British Petroleum
CEO
=
Chief Executive Officer
CSR
=
Corporate Social Responsibility
DNWE
=
Deutsches Netzwerk für Wirtschaftsethik
EADS
=
European Aeronautic Defence and Space Company, N.V.
EBSCO
=
Name einer Datenbank
et al.
=
lateinisch für „und andere“
EVA™
=
Economic Value Added
f.
=
folgende
ff.
=
fort folgende
GmbH
=
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GPA
=
Grade Point Average (ein US-amerikanischer Notendurchschnitt)
GbR
=
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
HGB
=
Handelsgesetzbuch (BGBl. III, 4100-1, zuletzt geändert am
22.12.2011 (BGBl. I, S. 3044)
HR
=
Human Resources
VII Hrsg.
=
Herausgeber
Kap.
=
Kapitel
KonTraG
=
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich
vom 30.04.1998 (BGBl. I, S. 786)
KSchG
=
Kündigungsschutzgesetz vom 25.08.1969 (BGBl. I, S. 1317),
zuletzt geändert am 26.03.2008 (BGBl. I, S. 444)
N
=
Stichprobengröße
NASDAQ
=
National Association of Securieties Dealers (elektronische Börse
in USA)
NGO
=
Non Governmental Organization
NJW
=
Neue Juristische Wochenschrift
NJW-RR
=
Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport
OHG
=
Offene Handelsgesellschaft
ROA
=
Return on assets
ROE
=
Return on equity
ROI
=
Return on investment
S.
=
Seite
StGB
=
Strafgesetzbuch vom 13.11.1998, (BGBl. I, S. 3322), zuletzt
geändert am 24.02.2012 (BGBl. I, S. 212)
St.Rspr.
=
ständige Rechtsprechung
TransPuG
=
Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu
Transparenz und Publizität vom 19.07.2002 (BGBl. I, S. 2681)
u.a.
=
unter anderem
vgl.
=
vergleiche
ZfW
=
Zentrum für Wirtschaftsethik
1 1
Einleitung
In zunehmendem Maße wächst in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für das
unternehmerische Handeln und seine Folgen. So kann fahrlässiges oder gar
vorsätzliches Handeln von Mitarbeitern in Großunternehmen dazu führen, dass
enorme Umweltschäden und damit extreme Kosten auf Unternehmen zukommen
können, wie die von BP zu verantwortende Umweltkatastrophe (Explosion der
Ölförderplattform Deepwater Horizon
am 20.04.2010) im Golf von Mexico
belegt. Ebenso kann strafrechtlich relevantes Verhalten von Mitarbeitern, etwa
Bestechung und Vorteilsgewährung, zu exorbitanten Strafzahlungen führen, wie
der Fall Siemens aufzeigte. Der Begriff „Unternehmensethik“ und seine
Umsetzung nehmen so mehr und mehr Raum im öffentlichen Diskurs ein.
Letztlich geht es dabei um die „Ethisierung“ eines Unternehmens, also darum,
ethisches
Bewusstsein
im
Unternehmen
zu
schaffen,
welches
von
Führungskräften und Mitarbeitern repräsentiert wird. Die „Ethisierung“ des
Unternehmens hat die Funktion, unternehmerisches Handeln zu koordinieren,
nach bestimmten Kriterien auszurichten, zu legitimieren, also nach außen hin
ethisch zu rechtfertigen. Und dient schließlich der Deregulierung: Nämlich
staatliche Eingriffe zu verhindern, um im Marktgeschehen seine Kraft und
Kreativität frei entfalten zu können.
1.1
Problemstellung
Bemerkenswert ist die Überlegung von Lutterodt (2011, S. 38 f.), welche auf die
Möglichkeit hinweist, dass Wirtschafts- und Unternehmensethik nicht nur für die
Bereiche Corporate Governance und Compliance gelehrt werden sollten,
sondern, dass Coaching die Möglichkeit schaffen könnte, tiefer zu gehen,
nämlich die Denkweise von Führungskräften zu verwandeln, und somit eine
echte kulturelle Veränderung im Unternehmen selbst herbeizuführen. Lutterodt ist
zuzustimmen (2011, S. 39), wenn sie solche Veränderungen davon abhängig
macht, dass Führungskräfte einen Top-Down-Management-Stil pflegen, der es
Mitarbeitern ermöglicht, unbequeme Fragen zu stellen, eigenständige Beiträge
zu liefern und mit den Führungskräften in einen authentischen Dialog zu treten.
Wobei es wohl so zu sein scheint, dass ethisches Handeln der Führungskräfte
2 auch von ihren jeweiligen persönlichen Stärken und Schwächen abhängt
(Lutterodt, 2011, S. 12).
Entscheidend für die Außenwirkung von Unternehmen ist die Glaubwürdigkeit
ihrer Führungskräfte. Diese sorgen für die Einhaltung der von Unternehmen
selbst gesetzten Verhaltenskodizes und repräsentieren überzeugend innerhalb
des Unternehmens und in der Öffentlichkeit persönliche Integrität. Es geht also
um
die
Umsetzung
von
Unternehmensethik
innerhalb
des
Managementprozesses der Unternehmung. Im Rahmen dieses komplexen
Prozesses stellt sich die Frage, ob das Coaching von Führungskräften als ein
Baustein zur Umsetzung von Unternehmensethik angesehen werden kann und in
der Lage ist, zum Unternehmenserfolg einen Beitrag zu leisten.
In diesem Zusammenhang stellt sich die weitere Frage, wo in dem komplexen
Prozess unternehmerischen Handelns die Fortbildung von Führungskräften in
Form des Coachings zu verorten ist, und ob die Kosten hierfür aus ökonomischer
Sicht zu rechtfertigen sind.
Gegenstand der Untersuchung wird daher sein, ob und wie sich Coaching auf die
Persönlichkeit der Führungskräfte, auf den Umgang der Führungskräfte mit den
Mitarbeitern,
auf
die
Kultur
des
Unternehmens
sowie
auf
den
Unternehmenserfolg auswirkt. Sie soll schließlich in der Beantwortung der Frage
münden, ob durch Coaching von Führungskräften ethisches unternehmerisches
Handeln und unternehmerischer Erfolg im Sinne eines „sowohl als auch“
miteinander vereinbar sind (Wieland, 2010, S.243 ff.).
Dies ist insofern für die Praxis eine relevante Frage, weil der Einführung
konkreter ethischer Standards in Unternehmen häufig mit Skepsis oder Zynismus
begegnet wird (Peus et al., 2010b, S.195)
Für den Fall, dass dies bejaht werden sollte, wäre schlussendlich zu klären, wie
ein solches Coaching im Aufbau und seinem Inhalt nach aussehen könnte.
3 1.2
Aufbau
Zunächst sind verschiedene Begriffe zu klären und Sachverhalte voneinander
abzugrenzen, um die Untersuchung in einem überschaubaren Rahmen zu halten
(2). Der Einfluss und die Wirkungen des Coachings auf Führungskräfte,
Mitarbeiter, Unternehmenserfolg sowie die Bedeutung des Coachings von Ethik
wird anhand der aktuellen Forschung untersucht und beurteilt (3). Sodann sind
die Erwartungen und Anforderungen der Führungskräfte, der Inhaber von
Unternehmen, der nachgeordneten Mitarbeiter und Dritter, wie etwa Kunden, an
das Coaching zu ermitteln (4). Schließlich wird ein eigenes Konzept zum
Coaching
von
Führungskräften
zur
Umsetzung
von
Unternehmensethik
hergeleitet und begründet (5), zuletzt wird ein Fazit gezogen und ein Ausblick
gewagt (6).
2
Begriffserklärung und Abgrenzung
Zum allgemeinen Verständnis ist es erforderlich, auf die Begriffe „Moral“ und
„Ethik“ näher einzugehen: Unter „Moral“ wird ein Komplex von Regeln und
Normen verstanden, der das Handeln der Menschen bestimmt oder bestimmen
soll und zwar in der Weise, wie wir uns zu uns selbst, zu anderen und zur Welt
verhalten
(Selbst-
und
Weltverhältnis),
wohingegen
unter
„Ethik“
die
wissenschaftliche Theorie der Moral verstanden wird (Homann und Lütge, 2005,
S. 12). „Ethik befasst sich mit Normen und Werturteilen, mit denen sich das
Handeln bewerten lässt“ (Küpper, 2011, S. 15).
Je nachdem, welcher Ausschnitt des menschlichen Lebens im Fokus der
Betrachtung der Ethik steht, werden diese Bereiche unterschiedlich bezeichnet.
So wird etwa zwischen Individualethik und Sozialethik, Umweltethik und
Wirtschaftsethik usw. unterschieden, also je nach Bezugsfeld (Küpper, 2011,
S. 38).
Der Bereich der Wirtschaftsethik lässt sich wiederum in die Ethik eines
Wirtschaftssystems als solches und die Ethik der Wirtschaftspolitik untergliedern
(Küpper, ebenda). Begibt man sich bei der Analyse der Wirtschaftsethik auf die
Ebene
der
Akteure
des
Unternehmensethik erreicht.
Marktgeschehens,
so
ist
der
Bereich
der
4 2.1
Unternehmensethik
Innerhalb
des
Feldes
der
Unternehmensethik
wird
zwischen
dem
Ordnungsrahmen, innerhalb dessen unternehmerisches Handeln stattfindet
(Ordnungsethik oder Bedingungsethik), und dem Handeln des Unternehmens,
innerhalb
der
durch
die
Ordnung
selbst
geschaffenen
Freiräume
(Handlungsethik), differenziert (Homann und Lütge, 2005, S.82).
Innerhalb der Ethik wird nach den Bereichsethiken und bestimmten Ethiktypen
differenziert: Etwa, ob für die Handlung als solche die Gesinnung oder das Motiv,
die Erreichung eines Ziels, die Folgen und Konsequenzen oder aber ihr Nutzen
maßgeblich sind. Zum leichteren Verständnis wird die folgende Übersicht
verwandt:
Ethik-Typen
Ethische Urteile aufgrund von:
Handlung als solche
Gesinnung/Motiv
deontologische Ethik
Naturrechtsethik
Ziel(erreichung)
Folgen/Konsequenzen/Nutzen
teleologische Ethik
konsequenzialistische Ethik
Gesinnungsethik
Utilitarismus
• Handlungsutilitarismus
• Regelutilitarismus
Verantwortungsethik (Max Weber)
Abb. 1 Ethiktypen nach Homann und Lütge ( 2005, S. 17)
Mit Priddat (2009, S. 341 f.) werden nachfolgend wesentliche Strömungen der
Unternehmensethik als Teil der Wirtschaftsethik beschrieben (2.1.1) und
schließlich einige Grundsätze der Handlungsethik erörtert (2.1.2).
2.1.1
Unternehmensethik als Teil der Wirtschaftsethik
Die Begriffe „Wirtschaftsethik“ und „Unternehmensethik“ werden nicht immer
scharf voneinander getrennt, ihre Verwendung spiegelt häufig das Verständnis
von Ethik des jeweiligen Autors wider (Küpper, 2011, S. 33):
5 Eine der wesentlichen Strömungen der Wirtschaftsethik im deutschsprachigen
Raum wird durch Karl Homanns „ökonomische Ethik“ repräsentiert. Er bestimmt
Wirtschaftsethik als „allgemeine Ethik mit ökonomischer Methode“ (Homann und
Lütge, 2005, S. 19). Demzufolge ist das Ethische ein eigener Diskurs der
Beteiligten, der sich in Rahmenbedingungen wiederzufinden hat, welche
wiederum von den verschiedenen Interessengruppen und Bürgern in einem
demokratischen Prozess politisch durchzusetzen sind (Priddat, 2009, S. 341).
Wesentliches Merkmal der Wirtschaftsethik Homanns ist der Gedanke, dass die
individuelle Moral systematisch wirkungslos bleibt, wenn diese nicht in den
Rahmenbedingungen geregelt wird.
Homann differenziert – ausgehend von J. M. Buchanans Unterscheidung von
Spielzügen
und
Spielregeln
–
seinerseits
zwischen
Handlungen
und
Handlungsbedingungen. Zu den Handlungen zählt er Ziele, Motive, Interessen
und
Mittel,
die
der
Handlungsbedingungen
Handelnde
durch
selbst
kontrollieren
natürliche
kann,
wohingegen
Bedingungen,
kulturelle,
gesellschaftliche und gesetzliche Rahmenordnungen wie Verfassungen, Gesetze
repräsentiert werden (Homann und Lütge, 2005, S. 27; Priddat, 2009, S. 342). Er
versteht und verwendet Ethik in diesem Zusammenhang allein deskriptiv und
nicht normativ (Homann und Lütge, 2005, S. 13).
Diesen Überlegungen liegt – unter Bezugnahme auf Erkenntnisse der
Spieltheorie – die Annahme zugrunde, dass sich Handelnde in unsicheren
Situationen im Zweifel risikoavers verhalten und befürchten müssen, von
anderen Teilnehmern – bezogen auf das Marktgeschehen – übervorteilt zu
werden, und sie deshalb präventiv defektieren. Dieses Verhalten lässt sich nur
durchbrechen, wenn entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden, in
denen moralische Überlegungen implementiert sind und so für alle Teilnehmer im
Markt bindende Regeln vorgeben, innerhalb derer sie in freier Konkurrenz ihren
ökonomischen Vorteil suchen können, also kreativ eigene Spielzüge entwickeln
dürfen. Nach Homann ist unter den Bedingungen des Wettbewerbs die Ethik
zweistufig als Bedingungsethik (qua Wirtschaftsethik) einerseits und als
Handlungsethik andererseits zu konzipieren, wobei für ihn Unternehmensethik
ein Spezialfall der Handlungsethik ist (Homann und Lütge, 2005, S. 82).
6 Josef
Wieland
widmet
sich
mit
seinem
compliance-ethischen
Ansatz
einer Unternehmensethik der Entwicklung eines praktischen Instrumentariums
zur Umsetzung unternehmensethischer Aspekte (Aßländer, 2009, S. 210). Die
Ethik von Wieland zielt auf die Umsetzung im Managementprozess der
Unternehmung
selbst
ab,
wobei
die
Generierung
von
Gewinnen
die
unabdingbare Voraussetzung für Unternehmen ist. Die Moral muss im
Managementprozess selbst vorkommen, ist dort zu implementieren und
umzusetzen (Wieland, 2004, S. 10). Er verweist konkret auf das vom Zentrum für
Wirtschaftsethik (ZfW) und dem deutschen Netzwerk für Wirtschaftsethik
(DNWE) in Zusammenarbeit mit Unternehmen und Verbänden der Wirtschaft
entwickelte WerteManagementSystem.
Die moralische Kommunikation innerhalb des WerteManagementSystems selbst
ist dabei deutlich von ökonomischer, rechtlicher und anderer Kommunikation zu
unterscheiden.
Wieland
geht
es
nicht
um
Rahmenordnungen
und
Organisationen in Institutionen, sondern um die umfassende Steuerung von
Organisationsprozessen (Homann und Lütge, 2005, S. 122 f.; Priddat, 2009,
S. 341).
Einen anderen Ansatz vertritt Peter Ulrich mit seiner integrativen Wirtschaftsethik:
„Ulrich steht in der (aristotelischen) Tradition des Primats der Politik vor der
Wirtschaft; er sieht die Rahmenordnung nur als Ort der Moralumsetzung; die
Moralbegründung schöpft sich aus der Öffentlichkeit mündiger Bürger, deren
Diskurs entscheidet, was moralisch-politisch gelten soll“ (Priddat, 2009, S. 342).
Für Peter Ulrich ist öffentliche Ordnung erst dann legitimiert, wenn drei Formen
persönlicher Rechte gewahrt sind: Menschenrechte, politische und ökonomische
bürgerliche Grundrechte. Die Wahrung der zuletzt genannten Rechte, dient dazu,
den Bürgern eine wirtschaftliche Grundsicherung zu gewährleisten (Küpper,
2007, S. 256).
Hans-Ulrich Küpper sieht hingegen die Aufgabe darin, nicht bestimmte Werte zu
vermitteln, sondern Wertprobleme in Unternehmen zu analysieren (Küpper, 2005,
S.
833;
Küpper,
2011,
S. 165).
Er
versteht
Unternehmensethik
als
betriebswirtschaftliches Konzept zur Behandlung von Wertkonflikten, wobei er im
Gegensatz zu Karl Homann, deskriptive und normative Elemente der Ethik
verwendet:
7 „In einem solchen Konzept bildet die explizite Analyse von Wertkonflikten die
Basis für den Inhalt ethischer Diskurse, die Anwendung inhaltlich bestimmter
Normen und die Ausfüllung moralisch unvollständiger Rahmenordnungen. Hierin
liegt ein zentraler Gegenstand für eine Unternehmensethik, die als „analytisch“
bezeichnet werden kann. In ihr geht es um die Untersuchung der bei
Unternehmensentscheidung auftretenden ethischen Probleme und die
Entwicklung von Mustern zu ihrer Lösung.“ (Küpper, 2011, S. 165).
Die Kernaussagen seiner analytischen Unternehmensethik werden in der
nachfolgenden Übersicht deutlich, deren Komponenten die in vertikaler Richtung
angegebenen
Dimensionen
der
Wirkungs-,
Beziehungs-,
Konflikt-
sowie
Begründungsanalyse sind, ohne hierbei an eine feste Reihenfolge gebunden zu
sein. Ihnen geht jeweils eine Kennzeichnung des betreffenden Bereichs voraus,
in der die wichtigsten in ihm auftretenden ethischen Fragestellungen seiner
Meinung nach aufzuzeigen sind. Diese Darstellung gibt einen ersten Überblick
über die Komplexität des unternehmerischen Handelns und zeigt die Räume auf,
in denen es zu Konflikten von ökonomischen und ethischen Überlegungen
kommen kann.
Führungssystem
Corporate
Governance
Analysedimensionen
Entscheidung
und
Verantwortung
Werte- und
Zielsystem
Personalführung
und
Organisation
Leistungssystem
Unternehmensrechnung
Produktion
Marketing
Investition und
Finanzierung
Unternehmensethische
Fragestellungen
Wirkungsanalyse
Beziehungs- und
Konfliktanalyse
Begründungsanalyse
Abb. 2: Analysedimensionen
und
Anwendungsbereiche
Unternehmensethik, (Küpper, 2011, S. 179).
analytischer
Im angelsächsischen Raum ist der Ansatz hingegen ein gänzlich anderer, dort
geht es eher um die Entwicklung und den Ausbau von praktischen Konzeptionen,
die insbesondere in den Bereichen Corporate Governance, Sustainability
8 Corporate, Corporate Social Responsibility sowie Diversity und Diversity
Management angesiedelt sind (Priddat, 2009, S. 343). An späterer Stelle (2.2.1
und 2.2.4) werden einige dieser Begriffe näher erläutert und voneinander, soweit
es für diese Untersuchung notwendig ist, abgegrenzt.
Zwischenfazit:
Unabhängig davon, welches theoretisches Konzept zur Unternehmensethik man
sich zu eigen macht, so stellt sich doch für die Führungskraft stets das folgende
Problem, auf welches Homann im Rahmen seiner Anwendung „der Theorie der
unvollständigen Verträge“ [Hervorhebung durch den Verfasser] hingewiesen
hat (Homann und Lütge, 2005, S.86):
Keine der Rahmenordnungen kann vollständig sein, weder Unternehmensverfassungen noch Gesetze, da die Lebenssachverhalte zu komplex und zudem
ständig im Wandel begriffen sind. Selbst viele zwischen den Teilnehmern des
Geschäftsverkehrs
geschlossene
Verträge
sind
unvollständig
(relationale
Verträge), deshalb lässt es die Rechtswissenschaft für einen wirksamen
Vertragsschluss ausreichen, wenn sich die Vertragsparteien nur über die
wesentliche Inhalte eines Vertrages, die „essentialia negotii“, geeinigt haben
(st.Rspr. BGH, NJW 90,1234; BGH NJW-RR 93,139).
Führungskräfte sind in der täglichen Praxis mit einer Vielzahl von Situationen
konfrontiert, in denen eine Entscheidung zu treffen ist, wo sowohl Moral als auch
Ökonomie eine Rolle spielen. Für Homann ist der „systematische Ort der
Handlungsmoral
die
kontrollierte
Unvollständigkeit
der
Verträge“
[Hervorhebung durch den Verfasser] (Homann und Lütge, 2005, S.88). Sowohl
theoretisch als auch praktisch stellt sich damit an diese Untersuchung die
Herausforderung, zu ermitteln, welche Anforderungen konkret an Führungskräfte
gerichtet werden können, also was sie individuell zu leisten vermögen (Priddat,
2009, S. 343). Dies führt hin zur Handlungsethik des einzelnen Akteurs.
In modernen, pluralistischen Gesellschaften fehlen einheitliche moral codes, so
dass es für Führungskräfte schwierig ist, sich zu orientieren. Nachfolgend werden
deshalb einige Grundsätze der Handlungsethik skizziert:
9 2.1.2
Handlungsethik
„Heteronome“ Moral bestimmt von außen, was wir tun sollen, wohingegen bei der
„autonomen“ Moral das, was vom Individuum zu tun und zu wollen ist,
ausschließlich von Individuum selbst bestimmt wird. Vereinfacht ließen sich diese
Ethikvorstellungen in eine Sollensethik oder Pflichtenethik und in eine
Strebensethik oder autonome Ethik unterscheiden.
Was im Einzelfall konkret eine Sollensethik darstellen kann, hängt auch von dem
Kulturkreis ab, in dem der Handelnde sozialisiert wurde und in der er lebt. So gibt
es religiös geprägte heteronome Sollensethiken, wie den christlichen Dekalog,
die von geschlossenen Gesellschaften jeweils entwickelte Moral oder die
„goldene Regel“. Eine rein autonome Sollensethik wird etwa von Immanuel Kant
und seinem kategorischen Imperativ repräsentiert:
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß
sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (Kant, GMS, 53 [420-421]).
Der kategorische Imperativ Kants wird heute noch als eine mögliche Orientierung
für das Handeln in Unternehmen gesehen (Peus et al., 2010b, S. 195).
Es lässt sich zusammenfassen, dass es bei der Sollensethik um die Einhaltung
von selbstgegebenen Geboten, um Gehorsam und Pflichterfüllung geht.
Hiervon unterscheidet sich die Strebensethik, wie etwa die von Aristoteles
entwickelte handlungsbezogene und zielorientierte Tugendethik: Nach Aristoteles
besteht das höchste Glück des Menschen darin,
„von einem guten Geist beseelt zu sein (eudaimonia), was der Mensch durch die
Tätigkeit seiner Seele aufgrund ihrer besten und vollkommensten Befähigung
– nämlich durch Ausübung seiner Vernunft – und dies ein volles Leben hindurch,
erreichen kann“ (Aristoteles, EN I, 2. Kap., 1095a, 18; 6. Kap., 1098a)
Dies wiederum gelingt durch die Wahl einer geeigneten Lebensform und der
Entwicklung von Tugenden, die das beste Verhalten in den verschiedensten
Situationen ermöglichen und sich so in bestimmten, konkreten tugendhaften
Handlungen konkretisieren (Höffe, 2006, S. 224-227)
10 Von Aristoteles kennen wir die vier klassischen Charaktertugenden (aretê ethikê):
Weisheit
(sophia),
Tapferkeit
(andreia),
Besonnenheit
(sôphrosynê)
und
Gerechtigkeit (justitia). Welche der Handlungen tugendhaft sind, bestimmt sich
laut Aristoteles nach dem rechten Maß, welches in der Mitte zwischen Übermaß
und Mangel liegt. Aristoteles lässt den Menschen stets den Raum, hierüber zu
befinden, da das rechte Maß nicht subjektiv unabhängig sein kann: Er geht von
der „uns bemessenen Mitte“ aus (Aristoteles, EN II, 3. Kapitel, 1105 b, 3 f).
Noch heute könnten sich Führungskräfte an der Ethik des Aristoteles orientieren
(Knights und O`Leary, 2006, S. 130, 131), um einen tugendhaften Habitus bei
Entscheidungen vorzuleben. Die von Aristoteles beschriebenen Untugenden wie
Geltungssucht, Geiz, Verschwendung und Feigheit stellen bis heute ebenso
universale Eigenschaften der Menschen dar, wie die Tugenden des Mutes, der
Gerechtigkeit und der Besonnenheit.
Heteronome Moral führt also im besten Fall zur extrinsischen Motivation, die
Unterwerfung unter eine autonome Moral zur intrinsischen Motivation einer
Führungskraft, wenn es gilt, moralisch zu handeln.
Zwischenfazit:
Um es mit Wieland zu sagen:
„Die Tugend der einzelnen Person, ihre moralischen Überzeugungen und Werte
sind entscheidende Grundpfeiler eines gelingenden Wertemanagements, aber
nicht die einzigen. Hinzu kommen muss die moralische Qualität des
Unternehmens
als
Organisation
seiner
Abläufe,
Anreize
und
Kontrollmechanismen.“ (Wieland, 2004, S. 1).
Deshalb werden nachfolgend Elemente eines Ethik-/Wertemanagements und
ihre Implementierung in der Organisation des Unternehmens beschrieben und
voneinander abgegrenzt:
2.2
Bausteine eines Ethik-/Wertemanagements
Mögliche
Bausteine
zur
Implementierung
und
Umsetzung
von
Unternehmensethik sind die Schaffung einer Unternehmensverfassung – über
Gesellschaftsvertrag, Satzung, Geschäftsordnung hinausgehend –, welche
zusammen mit den Gesetzen und Verordnungen des Gesetzgebers einen
11 Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens bilden
(2.2.1). Dies nennt man Corporate Governance.
Compliance als Teil der Unternehmensverfassung im weiteren Sinne wird heute
so verstanden: Ihr Zweck ist es, nicht nur die Einhaltung und Befolgung
bestimmter Ge- und Verbote im Sinne von Normen des Gesetzgebers sowie der
unternehmensinternen Regeln und Richtlinien sicherzustellen, sondern durch
Schaffung einer entsprechenden organisatorischen Struktur (firmenintern und extern) „Maßnahmen zur Risikofrüherkennung und – minimierung“ treffen zu
können (Hauschka, 2010, S. 3), Näheres unter 2.2.2.
Weiter werden in vielen Unternehmen Regeln zur Unternehmensführung (Codes
of Conduct) und/oder ethische Verhaltenskodizes (Codes of Ethics) verfasst.
Diese unternehmensintern und nach außen zu kommunizieren, ist eine wichtige
Aufgabe der Führungskräfte des Unternehmens (2.2.3).
Schließlich
kann
es
zur
Kultur
eines
Unternehmens
gehören,
soziale
Verantwortung im Sinne einer Corporate Social Responsibility (2.2.4) zu
übernehmen:
2.2.1
Corporate Governance
Rechtsordnungen von Staaten geben mittels einer Vielzahl von Gesetzen und
Verordnungen einen Teil der Unternehmensverfassungen vor, für Deutschland
seien das HGB, das AktG, das BGB sowie das GmbHG als die wichtigsten
genannt.
Gesellschaftsverträge und Satzungen von Gesellschaften geben weitere Teile
der Unternehmensverfassungen vor. Ihr Inhalt und ihr Gepräge hängen
wiederum
von
der
Rechtsform
des
Unternehmens
ab,
mit
der
sehr
unterschiedliche Schwerpunkte, bspw. in den Bereichen Haftung und Steuern,
gesetzt werden können:
Personalistisch geprägte Gesellschaften werden von den Inhabern direkt
repräsentiert, wie z.B. bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder
einer offenen Handelsgesellschaft (OHG). Hiervon sind Unternehmen zu
12 unterscheiden, die kapitalistisch geprägt sind und von Organen vertreten werden,
wie die AG durch den Vorstand oder die GmbH durch ihren Geschäftsführer.
Im angloamerikanischen Raum herrschen Zwei-Organ-Gesellschaften vor,
wohingegen im deutschsprachigen Raum eher das Drei-Organ-Modell vertreten
ist. Bei einem Zwei-Organ-Modell kommt es zu einer Vereinigung von
Geschäftsführung und Überwachung in einem Verwaltungsrat oder Board of
Directors. Der Vorsitzende der Geschäftsführung oder CEO ist in der Regel auch
Chairman of the Board.
Bei einem Drei-Organ-Modell bilden die Aktionäre die Hauptversammlung, der
Aufsichtsrat kontrolliert den Vorstand, bestellt und ruft diesen ab. Der Vorstand ist
gegenüber der Hauptversammlung und dem Aufsichtsrat rechenschafts- und
berichtspflichtig.
Zur Verdeutlichung möglicher Modelle von Führungsorganisation dient die
nachfolgende Übersicht:
Vorsitzender
Gesellschafterversammlung
Geschäftsführung
Board of Directors
Chairman
Gesellschafterversammlung
Outside
Directors
Inside
Directors
Hauptversammlung
(AG, KGaA)
DreiOrganModell
Leitende Angestellte
Vorsitzender
Vorsitzender
Aufsichtsrat
(AG, KGaA)
Geschäftsführung
(AG-Vorstand,
KGaAKomplementär)
Arbeitnehmer
Abb. 3: Modelle der Führungsorganisation (Küpper, 2011, S. 184)
Geschäftsführungsmaßnahmen
ZweiOrganModell
Gesellschafter(-versammlung) OHG
Ein-OrganModell
13 Die weitere Untersuchung beschränkt sich auf Führungskräfte wie Vorstände,
Geschäftsführer,
Direktoren,
Abteilungsleiter
und
ihnen
nachgeordnete
Führungsebenen.
Am 05.04.2011 hat die EU-Kommission das angekündigte Grünbuch „Corporate
Governance: EU-Frame Work“ vorgelegt [KOM (2011) 164/3], dessen leitendes
Motiv sich aus der Einleitung ergibt:
„Die Kommission hat unlängst ihr Engagement für einen starken und
erfolgreichen Binnenmarkt bekräftigt, in dessen Mittelpunkt die Bürger und die
Wiedergewinnung ihres Vertrauens stehen [Hervorhebung durch den
Verfasser]. Wie es in der Mitteilung der Kommission `Auf dem Weg zu einer
Binnenmarktakte´ heißt, ist es von zentraler Bedeutung, dass die europäischen
Unternehmen größtmögliche Verantwortung an den Tag legen, sowohl
gegenüber ihren Beschäftigten als auch gegenüber ihren Anteilseignern und
gegenüber der Gesellschaft insgesamt. Corporate Governance und die soziale
Verantwortung [Hervorhebung durch den Verfasser] von Unternehmen sind
grundlegende Faktoren, wenn es darum geht, das Vertrauen der Bürger in den
Binnenmarkt aufzubauen.“ [(KOM 2011), 164/3, S. 2]
Deutschland hat eine eigene Regierungskommission eingesetzt, die den
Deutschen Corporate Governance Kodex bearbeitet. Die aktuellste Fassung
datiert
vom
26.05.2010
(corporate-governance-code.de,
2010).
Wie
der
Deutschen Corporate Governance Kodex rechtlich einzuordnen ist, wird jedoch
uneinheitlich
beantwortet
(Bachmann,
ZIP,
2010,
S.
1517-1526;
Tödtmann/Schauer, ZIP 2009, S. 995-1000): Teilweise gehen von ihm Wirkungen
wie von einem Gesetz aus, ohne eines wirklich zu sein. Es fehlt an einer
staatlichen Rechtsetzung (Tödtmann, Schauer, 2009, S. 996). Gleichwohl sind
Vorstand und Aufsichtsrat nach § 161 Abs. 1 AktG verpflichtet, zu erklären, ob im
Unternehmen den Empfehlungen des Kodex entsprochen wurde oder nicht.
Andererseits hat der Kodex den Status einer Empfehlung (so die Stellungnahme
der Regierungskommission vom 26.02.2002 (corporate-governance-code.de,
S. 1).
Die Unternehmensverfassung in dem oben beschriebenen Sinn legt die
Verteilung der Rechte und Verantwortlichkeiten unter den verschiedenen
Stakeholdern-Gruppen
ebenso
fest,
wie
die
Verfahren
zu
deren
Entscheidungsfindung. Unter dem Begriff „Stakeholder“ werden hier Gruppen,
Personen
oder
Organisationen
verstanden,
die
von
Handlungen
oder
Unterlassungen des Unternehmens berührt werden, und deren Unterstützung zur
14 Sicherung des Unternehmens benötigt wird, wie bspw. Mitarbeiter, Banken,
Auftragnehmer, Kunden, Konkurrenten, Kooperationspartner oder Behörden.
In den europäischen Ländern werden in den Konzepten der Corporate
Governance unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Die Bandbreite reicht vom
Shareholder-Value-Ansatz (Großbritannien, Schweiz) über Mischungen wie
Shareholder Value/Stakeholder Value (Dänemark, Niederlande) bis zum reinen
Stakeholder-Value-Ansatz (Deutschland, Frankreich) (Wieland, 2005, S. 83).
Die Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensführung (GoF) spalten sich auf
in die Unternehmensleitung selbst, die Überwachungsfunktionen sowie die
Abschlussprüfungen (Audits).
Diese sehen jeweils die Beachtung von allgemeinen und besonderen
Grundsätzen vor, wie die nachfolgende Übersicht veranschaulicht:
Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensführung
GoF
Grundsätze
ordnungsmäßiger
Unternehmensleitung
GoU
Grundsätze
ordnungsmäßiger
Überwachung
GoÜ
Grundsätze
ordnungsmäßiger
Abschlussprüfung
GoA
Allgemeine Grundsätze
• Grundsatz der Zulässigkeit
der Unternehmensleitung
• Grundsatz der
Zweckmäßigkeit der
Unternehmensleitung
• Grundsatz der Zuträglichkeit
der Unternehmensleitung
Allgemeine Grundsätze
• Grundsatz der Zulässigkeit
der Überwachung
• Grundsatz der
Zweckmäßigkeit der
Überwachung
• Grundsatz der Zuträglichkeit
der Überwachung
Allgemeine Grundsätze
• Grundsatz der Zulässigkeit
der Abschlussprüfung
• Grundsatz der
Zweckmäßigkeit der
Abschlussprüfung
• Grundsatz der Zuträglichkeit
der Abschlussprüfung
Besondere Grundsätze
• Handlungsgrundsätze
• Systemgrundsätze
- Aufgabengrundsätze
- Organisationsgrundsätze
- Kooperationsgrundsätze
- Personalgrundsätze
Besondere Grundsätze
• Handlungsgrundsätze
• Systemgrundsätze
- Aufgabengrundsätze
- Organisationsgrundsätze
- Kooperationsgrundsätze
- Personalgrundsätze
Besondere Grundsätze
• Handlungsgrundsätze
• Systemgrundsätze
- Aufgabengrundsätze
- Organisationsgrundsätze
- Kooperationsgrundsätze
- Personalgrundsätze
Abb. 4: Systemstruktur der Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensführung
(Küpper, 2011, S. 188)
15 Zwischenfazit:
Mit „Corporate Governance“ ist also nicht nur der gesetzlich geregelte Teil der
Unternehmensverfassung gemeint, sondern der gesamte rechtliche und faktische
Ordnungsrahmen, der für die Führung des Unternehmens maßgeblich sein soll.
Eines ihrer Elemente ist die ordnungsmäßige Überwachung des gesamten
unternehmerischen Handelns:
2.2.2
Corporate Compliance
Nach Ziffer 4.1.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex:
„hat der Vorstand für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der
unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und auf deren Beachtung durch die
Konzernunternehmen hin, zu sorgen (Compliance).“
Die Umsetzung dieser Vorgabe erfordert die Schaffung und Einbettung einer
eigenen Compliance-Organisation in die Organisationsstruktur des Unternehmens, die, um Teil der Unternehmenskultur werden zu können, von
Mitarbeitern und Führungskräften mit Leben zu erfüllen ist.
Eine erfolgversprechende Compliance-Strategie sollte (Lampert in: Hauschka,
2010, S. 165) folgende Ziele ansteuern:
-
Prävention: Vermeidung
von
Verstößen
nehmensrichtlinien.
gegen
Mittel
Gesetze
hierzu
und
Unter-
wären
etwa:
Mitarbeiterhandbuch, Schulungen, Beratungsangebote.
-
Feststellung von Problemen, bevor sie sich zu Verstößen entwickeln:
Identifikation, Analyse und Modifikation von besonders anfälligen
Strukturen, wie etwa Bonus-Anreiz-Systeme für Mitarbeiter.
-
Frühzeitige
Aufdeckung
Unternehmens
von
bestehenden
vor
einem
Verstößen,
Eingriff
innerhalb
durch
des
Behörden
(Staatsanwaltschaft, Polizei, Zoll) zur Schadensminimierung.
Die
Grundelemente
einer
Compliance-Organisation
bilden
Risikoanalyse,
Kommunikation und Dokumentation sowie das Commitment von Führungskräften
und Mitarbeitern innerhalb der Unternehmensorganisation.
16 Ein ernsthaftes Commitment der Führungskräfte kommt nur dadurch zum
Ausdruck, dass die Steuerung der Compliance stets in der Geschäftsleitung –,
gleich, ob es Geschäftsführer oder Vorstände sind – angesiedelt wird.
Aufsichtsgremien wie Aufsichtsrat, Verwaltungsrat, Stiftungsbeirat etc. sollten die
Geschäftsleitung
insbesondere
in
den
Bereichen
Compliance
und
Rechnungslegung beraten und überwachen, wie es Ziffer 5.3.2 des Deutschen
Corporate Governance Kodex empfiehlt.
Wesentlich ist, dass die Geschäftsleitung öffentlich und intern ein „Bekenntnis zur
Rechtstreue – ein Mission Statement“ abgibt (Lampert in: Hauschka, 2010,
S. 169), um ihrer Vorbildfunktion überzeugend gerecht werden zu können.
Unternehmensintern
ist
ein
Informationssystem
zu
schaffen,
dass
Unternehmensrichtlinien entwickelt und verbessert, den Schulungsbedarf für
Mitarbeiter und Führungskräfte einschätzt, ein Meldesystem für Verstöße
entwickelt und einen Katalog entwirft, wie bei Beschwerden verfahren werden
soll, insbesondere, wenn es um den Kontakt mit Behörden geht. Wenn möglich,
sollte – je nach Größe des Unternehmens – ein internes Kontrollsystem
geschaffen werden, mit einem Compliance-Beauftragten an der Spitze.
Der Corporate Governance Kodex des Unternehmens könnte bei Verstößen
Sanktionen vorsehen, was nicht zwingend erforderlich ist, da es eine Vielzahl von
arbeitsrechtlichen Sanktionen bereits gibt:
- die außerordentliche, fristlose Kündigung gemäß § 626 BGB;
- die ordentliche, fristgemäße Kündigung gemäß § 620 ff. BGB, § 1 Abs. 2
KSchG;
- Änderungskündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB, § 2 KSchG;
- direktionsrechtliche Veränderung der Arbeitsbedingungen;
- Abmahnung;
- Betriebsbußen;
- Vertragsstrafen.
Zusätzlich könnten bei der Verletzung von arbeits-, dienst- und werkvertraglichen
Pflichten
Schadensersatzansprüche
durch
das
Unternehmen
gegenüber
17 Mitarbeitern und Führungskräften geltend gemacht werden (Reichert und Ott,
2009, S. 2173, 2179).
Empfohlen werden die regelmäßige Befragung von Mitarbeitern (Audits), die
Durchführung regelmäßiger Schulungen der Mitarbeiter und die Dokumentation
derartiger Maßnahmen (Lampert in: Hauschka, 2010, S. 175) zu Beweiszwecken.
Da Unternehmen ab einer bestimmten Größe auch international tätig sind,
empfiehlt es sich, die Dokumentation nach der ISO 15489, einer internationalen
Norm, auszurichten. Sie regelt die Schriftgutverwaltung im Bereich Information
und Dokumentation.
Wichtig erscheint insbesondere die Einrichtung einer Hotline (whistle-blowing),
bei der Mitarbeiter (whistle-blower) Verstöße anonym melden können. Nach
Ansicht des Verfassers ist es unerlässlich, dass die Unternehmen eine sie
rechtlich bindende Selbstverpflichtung in ihren Corporate Governance Kodex
aufnehmen, wonach Arbeitnehmer die berechtigterweise Verstöße melden, nicht
mit arbeitsrechtlichen oder sonstigen Sanktionen zu rechnen haben. Es ist
nämlich nicht einzusehen – wie in der Vergangenheit in Deutschland oft
geschehen –, dass solche Mitarbeiter von der Unternehmensführung etwa mittels
einer Kündigung bestraft werden.
Zwischenfazit:
Die Corporate Compliance beschreibt einen laufenden Prozess, der deshalb der
ständigen Anstrengung von Mitarbeitern und Führungskräften bedarf, um
erfolgreich umgesetzt werden zu können. Eine laufende Fort- und Weiterbildung
sowie interne und externe Beratung hierzu sind notwendig (Lampert in:
Hauschka, 2010, S. 172 f. und 175). Über ein bloßes Bekenntnis zur Rechtstreue
hinaus – was eigentlich selbstverständlich ist – wird nun auch die Entwicklung
und Kommunikation von definitiven ethischen Statements von Unternehmen
verlangt (Hurn, 2008, S.354).
2.2.3
Code of Conduct/Code of Ethics
Im angloamerikanischen Raum werden durch Gesetze, wie den Sarbanes-OxleyAct von 2002 für die USA, oder andere externe Regelwerke, wie die NASDAQ 18 Rules für an der New Yorker Börse gelistete Unternehmen, bestimmte konkrete
Anforderungen an unternehmensinterne Kodizes (Codes of Conduct/Codes of
Ethics) gestellt, die implementiert und überwacht werden müssen (Peterson
Kramer und Johnson III, 2010, S. 39, S. 41 f.). In Deutschland sind dies das
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 30.04.1998,
kurz: KonTraG (BGBl. I, S. 786), das Gesetz zur weiteren Reform des Aktienund Bilanzrechts zu Transparenz und Publizität vom 19.07.2002, kurz: TransPuG
(BGBl. I, S. 2681) sowie das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechtes vom
25.05.2009, kurz BilMoG (BGBl. I, S. 1102).
Ethische Kodizes (Codes of Conduct, Codes of Ethics) sind schriftliche
Verlautbarungen des Managements in Bezug auf die Erwartungshaltung
hinsichtlich des Verhaltens von Mitarbeitern, Geschäftspartnern und Kunden. Sie
beinhalten Handlungsgrundsätze (Normen), denen moralische Relevanz und
Unternehmensverbindlichkeit zukommen soll (Talaulicar, 2007, S. 752).
Nach Talaulicar lassen sich unternehmensethische Kodizes anhand ihres
Inhaltes als regelbasiert oder prinzipienbasiert einordnen:
Regelbasierte Kodizes enthalten überwiegend Ge- oder Verbote. Sie sollen den
Vorrang bei konkreten umfangreichen Konflikten regeln. Sie sind entweder zu
befolgen, weil die Regel einschlägig ist oder nicht, wenn das Gegenteil der Fall
ist.
Prinzipienbasierte Kodizes hingegen beschreiben als Ideal einen bestimmten
Zustand. Sie machen nicht eine bestimmte Entscheidung notwendig, sondern sie
geben vielmehr Gründe an, welche auf einen Entscheidungsprozess einwirken
sollen, um die Entscheidung in eine bestimmte Richtung zu lenken. Im Rahmen
eines Entscheidungsprozesses ist also eine Gewichtung vorzunehmen, die die
Prinzipien des Kodex berücksichtigt.
Prinzipienbasierte und regelbasierte Kodizes unterscheiden sich nicht nur
hinsichtlich ihrer Zielsetzung, sondern auch in der Form ihrer Anwendung:
Die Anwendungsform bei Regeln ist die Subsumtion. Unter Subsumtion wird der
Vergleich eines Lebenssachverhaltes mit den Tatbestandsmerkmalen einer Norm
19 oder einer Regel verstanden: Immer wenn der Tatbestand „T“ in einem konkreten
Sachverhalt „S“ verwirklicht ist, gilt für „S“ die Rechtsfolge „R“, man könnte dies
auch den Syllogismus der Rechtsfolgebestimmung nennen (Larenz, 1983,
S. 260 f.).
Ein wichtiges Beispiel für eine derartige Regel, die in vielen Kodizes von
Unternehmen vorkommt, ist das Verbot der Bestechlichkeit, geregelt in § 332,
Abs. 1 StGB:
„Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der
einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich
versprechen lässt oder annimmt, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat
oder künftig vornehmen und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder
verletzten würde, wird … bestraft.“
Die Prinzipien kennzeichnende Form der Anwendung hingegen ist die der
Abwägung (Talaulicar, 2007, S. 757). Die Abwägungsbedürftigkeit führt dazu,
dass die Entscheidungen, die getroffen werden, sich dem Ideal nur annähern,
also die Möglichkeit beinhalten, mehr oder weniger einem Prinzip zu
entsprechen. Es kann nur darum gehen, „Ideale zu approximieren“ (Talaulicar,
2007, S. 757), wie etwa bei der Beantwortung der Frage, ob ein Fall eines
Interessenkonfliktes vorliegt: Hier wird die Abwägung grundsätzlich nicht
abstrakt, sondern nur unter Einbezug der tatsächlichen konkreten Umstände
erfolgen. Ein Beispiel hierfür kann dem EADS Ethik-Kodex (EADS Ethic-Kodex,
2010, S. 13) entnommen werden.
„Was ist ein Interessenkonflikt? Ein Interessenkonflikt besteht, wenn wir durch
persönliche Interessen tatsächlich oder scheinbar in unserer Fähigkeit
beeinträchtigt sind, unsere Aufgaben unvoreingenommen im besten Interesse
der Gruppe zu erfüllen. So kann ein Interessenkonflikt etwa dann auftreten, wenn
wir selbst oder ein Familienangehöriger eine direkte oder indirekte persönliche
Beteiligung an einem Kunden, Zulieferer, Partner oder Mitbewerber von EADS
halten.“
Wegen der Komplexität des Geschäftslebens, der zu beurteilenden und zu
entscheidenden Sachverhalte reichen in einem Unternehmen regelbasierte
Kodizes als Entscheidungshilfe nicht aus; sie sind durch prinzipienbasierte
Kodizes zu ergänzen.
20 Es
ist
sinnvoll,
zur
Ethisierung
des
Unternehmens
Verhaltenskodizes
einzuführen, da sie auf Mitarbeiter positiv einwirken (Knyphausen-Aufseß und
Picot, 2010, S. 11).
Zwischenfazit:
Das Vorhandensein gesetzlicher Normen, eines Corporate Governance Kodex
und Verhaltenskodizes wie Codes of Conduct, Codes of Ethics reichen für eine
wirkliche Ethisierung eines Unternehmens nicht aus. Wie der Skandal um Enron
(2001) zeigte, hinderte deren Code of Ethics (Enron Code of Ethics, 2000,) ihre
Führungskräfte nicht daran, sich unethisch oder gar kriminell zu verhalten.
Entsprechendes gilt für den Umgang der Führungskräfte mit den Audits der
Steuer- und Wirtschaftsprüfer, der schließlich zur Insolvenz von WorldCom
(2002) führte.
Dass in Unternehmen ein Bedürfnis nach Ausbildung und Training erkannt wird,
ergibt sich schon daraus, dass in Ethik-Kodizes Erläuterungen zu bestimmten
Tatbeständen explizit aufgenommen werden: etwa „Was ist Bestechung“ [EADS
Ethic-Kodex, 2010, S. 16]). Häufig handelt es sich um juristische Fragen, die dem
Anwender – meist ein Nichtjurist –, erläutert werden sollten, um jeden Zweifel
auszuräumen.
Die mit den Kodizes verfolgten Ziele können nur dann mit Erfolg angestrebt
werden, wenn es ein Zusammenspiel zwischen der Führung des Unternehmens
und den Mitarbeitern gibt, eine Kontrolle durch interne und externe Prüfer
gewährleistet und eine entsprechende Ausbildung und wiederholtes Training
sichergestellt ist (Peterson Kramer und Johnson III, 2010, S. 40f.).
Das ethische Verhalten der Führungskräfte selbst bleibt aber stets der
entscheidende Faktor.
2.2.4
Corporate Social Responsibility
Inzwischen ist den Führungsspitzen vieler Unternehmen klar, von welcher
ökonomischen Bedeutung der Ruf und die Reputation des Unternehmens ist.
Manche Unternehmen sind so groß, dass allein ihr Name nicht nur Marke,
sondern schon einer Institution gleichkommt, so dass bei Fehlverhalten einzelner
21 oder mehrerer Mitarbeiter und Manager diese Unternehmen nicht nur enorme
Reparationen leisten und Schadensersatz zahlen müssen, sondern ihr Name auf
längere Zeit mit einem Makel behaftet ist, wie der Korruptionsskandal bei
Siemens oder die schweren Versäumnisse der verantwortlichen Führungskräfte
im Zusammenhang mit der Katastrophe der BP Ölförderplattform Deepwater
Horizon unlängst verdeutlicht haben.
Durch
die
Übernahme
von
sozialer
Verantwortung
(Corporate
Social
Responsibility [CSR]) und deren Kommunikation nach außen, versuchen viele
Unternehmen daher ihre Reputation zu verbessern. Was genau unter „CSR“ zu
verstehen ist, ist umstritten. Ein Hinweis findet sich im Grünbuch „Europäische
Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“ der
Kommission der Europäischen Gemeinschaft vom 18.07.2001: Es definiert CSR
als ein „Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis
soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die
Wechselbeziehung mit Stakeholdern zu integrieren“ (KOM 2011, 16/3, S. 7,
Ziffer 21).
Fraglich ist, was an CSR wirklich ethisch ist, um es als Teil einer
Ethisierungsstrategie von Unternehmen ansehen zu dürfen, denn es spricht
einiges dafür, CSR als eine von außen herangetragene Abwälzung von Lasten
auf die Unternehmen zu sehen:
Porter und Kramer (2006, S. 81 ff.) haben vier für Unternehmen vorherrschende
Gründe, sich im Bereich CSR zu engagieren, herausgearbeitet:
- Die Gesellschaft im Allgemeinen und viele Unternehmen im Besonderen sind
der Ansicht, dass Unternehmen eine moralische Verpflichtung hätten, sich bei
Projekten, die dem Gemeinwohl dienen, einzubringen.
- Die Idee der Nachhaltigkeit verlangt von den Unternehmen, Verantwortung für
die Umwelt und die Gemeinschaft zu übernehmen.
- Die Notwendigkeit einer Erlaubnis für das unternehmerische Handeln selbst
– „license to operate“ –, welche Regierung und Gesellschaft stillschweigend
oder ausdrücklich voraussetzen, und schließlich:
22 - Die Reputation eines Unternehmens könnte sich durch gesellschaftlich/sozial
verantwortliches Verhalten vermehren.
Oder mit Porter und Kramer (2006, S. 82) kurzgefasst:
„(…) it will improve a company`s image, strengthen its brand, enliven morale, and
even raise the value of its stock.”
Eine der Herausforderungen für Führungskräfte liegt darin, auf CSR bezogenes
Handeln von anderen Formen des unternehmerischen Handelns abzugrenzen:
So
ist
eine
innovative,
menschenfreundliche
und
leistungsgerechte
Personalpolitik nicht ohne weiteres unter den Begriff „Corporate Social
Responsibility“ zu subsumieren (Hemel in: Beckmann et al., 2011, S. 7).
Möglicherweise könnte aber die Einrichtung eines Betriebskindergartens oder die
Gewährleistung von Unterstützung bei der Pflege kranker Familienmitgliedern
schon als ein „CSR“–Engagement angesehen werden (Hemel, ebenda).
Die Abgrenzungsschwierigkeit weist auf das grundlegende Problem hin, warum
ein Unternehmen überhaupt gesondert eine soziale Verantwortung übernehmen
soll: Früher wurde die eigentliche Anforderung der Gesellschaft an die
Unternehmen dahingehend beantwortet, dass „es Sache der Wirtschaft sei,
Geschäfte zu treiben“ (Hemel, ebenda, zit. Milton Friedman). Da die
Anforderungen an das sozialverträgliche Handeln der Unternehmen von Jahr zu
Jahr in der Öffentlichkeit einen breiteren Raum einnehmen, droht den
Unternehmen, wenn sie den Forderungen verschiedener Stakeholder im Namen
von Moral und Nachhaltigkeit nicht nachkommen, ihre gesellschaftliche
Akzeptanz, ihre „License to operate“ zu verlieren (Lin-Hi in: Beckmann et al.,
2011, S. 21).
Damit Unternehmen ihre eigentliche Aufgabe, Gewinne zu erzielen, noch erfüllen
können, ist scharf abzugrenzen, was Stakeholder berechtigterweise von
Unternehmen verlangen können und wofür sie nicht mehr verantwortlich
zeichnen. Die Grenzen der CSR sind jedenfalls dort zu sehen, wo das
Kerngeschäft des Unternehmens gefährdet wird (Suchanek und Lin-Hi, 2007,
S.559), denn durch die unternehmerische Tätigkeit als solche übernimmt das
Unternehmen bereits soziale Verantwortung, da es Arbeitsplätze bereitstellt,
23 Dienstleistungen und Güter produziert, die der Gesellschaft zugutekommen (LinHi in: Beckmann et al., S. 24; Porter und Kramer, 2006, S.91).
CSR darf also nicht als grundsätzliches Argument gegen die Gewinnerzielung
von Unternehmen ins Feld geführt werden, denn dies würde unternehmerisches
Handeln ad absurdum führen (Lin-Hi in: Beckmann et al., 2011, S. 22 f.).
Zwischenfazit:
Bei allen Aspekten der Ethisierung von Unternehmen und allen bisher
untersuchten
Bausteinen
eines
Ethik-/Wertemanagements,
ist
den
Wertvorstellungen der Führungskräfte ein entscheidender Einfluss zuzumessen.
Folgt man Homann, wonach der „systematische Ort der Handlungsmoral die
kontrollierte Unvollständigkeit der Verträge ist“ [Hervorhebung durch
Verfasser] (Homann und Lütge, 2005, S.88), stellt sich somit die Frage, ob und
gegebenenfalls wie die Wertvorstellungen der Führungskräfte und damit ihr
moralisches Handeln durch Coaching beeinflusst werden können. Zunächst ist zu
untersuchen, ob das Coaching von Führungskräfte an sich Auswirkungen hat,
und falls dies bejaht werden kann, welche konkret ausgemacht werden können.
Erst daran kann sich die weitere Untersuchung anschließen, die sich mit dem
Coaching von Unternehmensethik für Führungskräfte und ihren Auswirkungen
befasst.
2.3
Coaching
Zum weiteren Verständnis ist es notwendig den Begriff „Coaching“ von anderen
Begriffen wie „Psychotherapie“, „Training“ und „Mentoring“ abzugrenzen:
Für diese Untersuchung wird Coaching definiert als
„eine intensive und systematische Förderung von Individuen oder Gruppen durch
den Gebrauch von einer Vielzahl von Verhaltenstechniken und –methoden, diese
zu unterstützen, mit sich selbst vereinbar gehaltene Ziele oder eine bewusste
Änderung ihrer selbst zu erreichen, mit dem Zweck, ihr berufliches
Leistungsvermögen, ihr persönliches Wohlbefinden und als Folge davon, ihre
Effektivität innerhalb einer Organisation zu verbessern (Segers et al., 2011,
S. 204).
24 Coaching
und
Psychotherapie
unterscheiden
sich
in
ihrer
Zielsetzung:
Psychotherapie zieht auch Aspekte mit ins Kalkül, die nicht mit der Berufswelt
des Einzelnen zu tun haben und zielt auf die Behandlung psychischer und
psychosomatischer Krankheiten, Leidenszustände oder Verhaltensstörungen
(Bluckert, 2005, S. 91 und 93 f; Strotzka, 1978, S. 4).
Training ist im Gegensatz zu Coaching ein rigiderer, von außen bestimmter
Prozess (Evers, Brouwers, Tomic, 2006, S. 174).
Ein Mentor ist in Abgrenzung zu einem Coach jemand mit einem größeren
Wissen, der in einem bestimmten Bereich auftritt und andere Personen mit
geringeren Fachkenntnissen anleitet (Evers, Brouwers, Tomic, ebenda).
Angesichts einer Fülle von Einsatzmöglichkeiten des Coaching, ist zwischen
dem, was Gegenstand des Coaching sein soll (2.3.1), wer als Coach auftritt
(2.3.2)
und
welche
Herangehensweise
gewählt
wird
(2.3.3)
weiter
zu
unterscheiden:
2.3.1
Der Gegenstand des Coaching
Ein Ziel des Coaching kann es sein, bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten wie
etwa das „Aktive Zuhören“, das Geben von Feedback, zu erlernen.
Davon ist das Coaching zu unterscheiden, dass den Coachee lehrt, Ziele zu
setzen, Hindernisse zu überwinden sowie die eigene Performance zu analysieren
und
zu
beobachten
(Wasylyshyn,
2003,
S.
100).
Hierzu
gehört
bei
Führungskräften etwa einen eigenen Führungsstil zu entwickeln oder diesen zu
ändern (Wasylyshyn, 2003, S. 100), Gruppen anzuleiten, zu führen und deren
Performance und Effizienz zu verbessern.
Schließlich lässt sich Coaching auch auf die persönliche Entwicklung und
Lebensführung der Führungskraft beziehen. Was hierunter zu verstehen ist,
hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Der Bogen spannt sich von der
Beantwortung von Fragen, die die berufliche Entwicklung und Karriere betreffen,
bis hin zur elementaren Entscheidungen in Bezug auf die eigene Lebensführung
(Segers et al., 2011, S. 205; Wasylyshyn, 2003, S. 101).
25 2.3.2
Die Person des Coachs
Jeder kann sein eigener Coach sein, indem er sich selber weiterbildet und
entwickelt. Die Mittel hierzu sind vielfältig, beginnend mit dem Studium von
Literatur bis hin zu Selbsterfahrungsgruppen mit Feedback oder Beantwortung
von ins Internet gestellten Onlinebefragungen.
Im Unternehmen können entweder direkte Vorgesetzte mit Linienfunktionen die
Aufgabe eines Coachs wahrnehmen oder aber interne Coaches, etwa aus der
Abteilung für Personalentwicklung oder einer sonstigen HR-Abteilung, welche in
der Regel als Stabsabteilungen in der Organisationsstruktur des Unternehmens
eingeordnet sind. Häufig werden aber auch externe Coaches für die Arbeit mit
Gruppen oder Einzelpersonen zur Bewältigung einer bestimmten Aufgabe
herangezogen.
Jede dieser Personen vereinigt in sich Vor- und Nachteile (Wasylyshyn, 2003,
S. 99):
Der direkte Vorgesetzte kennt mögliche Defizite seiner nachgeordneten
Mitarbeiter bezogen auf deren Verhalten und deren Fähigkeiten aus direktem
Erleben.
Mitarbeiter
offenbaren
sich
gegenüber
Vorgesetzten
aus
verschiedensten Gründen nur eingeschränkt, etwa weil sie für sich Nachteile
befürchten.
Der firmeninterne Coach genießt im Vergleich zu einem Vorgesetzten schon
deshalb größeres Vertrauen. Er hat den Vorteil, die Unternehmenspolitik und kultur sowie die Zielvorgaben der Führungskräfte zu kennen, kämpft aber mit
dem Problem der „Betriebsblindheit“.
Das größte Maß an Vertraulichkeit kann zwischen dem Coachee und dem
externen Coach aufgrund dessen Betriebsfremdheit entstehen. Dem externen
Coach sind Feinheiten der betrieblichen Strukturen, der Unternehmenspolitik und
-kultur sowie die Zielvorgaben der Führungskräfte naturgemäß weniger vertraut.
Ihm hilft die Außenperspektive, neue Wege und Entwicklungsmöglichkeiten
aufzuzeigen (Segers et al., 2011, S. 206).
26 Der Coach muss kein Experte auf dem Fachgebiet des Coachees sein,
wesentlich ist es, dass er aufgrund seiner persönlichen und fachlichen
Qualifikation in der Lage ist, die Performance des Coachee zu maximieren
(Evers, Brouwers, Tomic, 2006, S. 174).
2.3.3
Die Herangehensweise beim Coaching
Die Methoden und Techniken, die ein Coach zur Bewältigung seiner Aufgabe
einsetzt, hängen von der Persönlichkeit des Coaches, der „Schule“, der er
angehört, sowie von der Aufgabenstellung ab.
So wurden mehr als 250 verschiedene Herangehensweisen festgestellt (Segers
et al., 2011, S. 207, zit. Wampold [2001]).
Segers et al. greifen unter der Berücksichtigung, dass Coaching und
Psychotherapie auf vergleichbaren theoretischen Konstrukten beruhen, auf das
von L'Abate, Frei und Wagner entwickelte ERAAwC-Modell zurück (Segers et al.,
2011, S. 207), um die beim Coaching angewandten Methoden zu strukturieren:
Das
„Emotionality-Rationality-Activity-Awareness-Context
(ERAAwC)
Model”
unterscheidet die verschiedenen Schulen anhand der von ihnen in den Bereichen
Emotionalität, Rationalität, Aktivität, Bewusstheit und Systemik unterschiedlich
gesetzten Schwerpunkte:
- Der humanistische Ansatz oder die Schule der Emotionalität:
Hier wird die Bedeutung von phänomenologischen Erfahrungen und
persönlichen Gefühlen hervorgehoben, prominente Vertreter sind z.B. C.R.
Rogers, A. H. Maslow.
- Der psychodynamische Ansatz oder die Schule der Rationalität:
Hier wird der Schwerpunkt auf eine realitätsbezogene Herangehensweise, die
Analyse logischer und geistiger Prozesse gesetzt. Bekannte Vertreter sind
Sigmund Freud und C. G. Jung.
- Die Aktivitätsschule oder der behavioristische Ansatz:
Hier werden Belohnungs- und Bestrafungsmuster, die Beobachtung von
Verhaltensänderungen berücksichtigt, wie z.B. bei dem Modell des
Behaviorismus. Bekannte Vertreter sind B. F. Skinner und A. Bandura.
27 - Die Schule der Bewusstheit:
Hierunter zählen östliche Philosophien oder die Gestalttherapie nach Fritz
Perls.
- Die „Kontextschule“ oder der systemische Ansatz:
Hier wird ein besonderes Augenmerk auf den sozialen und familiären Kontext
gerichtet, innerhalb dessen agiert wird. Bekannte Vertreter sind Virginia Satir
und Paul Watzlawick.
Für den Überblick wird auf die Darstellung von Segers et al. Bezug genommen:
Who: coach
Self
Linemanager
Internal
External
Emotionality
H
o
Rationality
w
:
Activity
s
ch
Awareness
oo
l
Context
Skills
Performance Development/
Life
What: agenda
Abb. 5: The Coaching Cube (Segers et al., 2011, S. 217)
2.4
Coaching als ein weiterer Baustein eines Ethik-/Wertemangements
Wie bereits aufgezeigt, können jegliche Rahmenordnungen, seien es Gesetze,
Verordnungen,
Unternehmensverfassungen,
Kodizes
oder
Compliance-
Richtlinien, schon nach der Theorie der unvollständigen Verträge nie
vollständig sein. Es sind daher häufig Entscheidungen im Einzelfall zu treffen, die
in den Rahmenordnungen keine ausdrückliche Berücksichtigung gefunden
haben.
28 Zudem besteht die Notwendigkeit, Kodizes und Richtlinien zu entwickeln und
sodann laufend fortzuschreiben. Damit sie Wirksamkeit entfalten können, ist es
erforderlich, dass Führungskräfte und Mitarbeiter diese „leben“. Dies wiederum
setzt voraus, dass Führungskräfte und Mitarbeiter Wertvorstellungen gelernt
haben und ethisches Verhalten in verschiedenen Situationen üben.
„Persönliches Vorbildverhalten und Engagement auf allen Ebenen der Führung
einer Organisation sind Voraussetzungen für den Erfolg eines Wertemanagementsystems.“ (Wieland, 2004, S. 15)
Führungskräfte sind immer wieder bei ihren Entscheidungen mit Eigeninteressen
wie Karrierechancen oder Loyalitätskonflikten in Bezug auf verschiedene
Stakeholder konfrontiert. Zur Vermeidung von Fehlentscheidungen sind ethische
Analysen aller Entscheidungsparameter geeignet (Kreuzhof und Hacker, 2009,
S. 6). Der Ansatz von Kreuzhof und Hacker besteht in einem integrativen
Konzept zur Entwicklung von moralischer Kompetenz, in dessen Zentrum die
Erweiterung von Handlungsspielräumen durch Ethik-Workshops und Coaching
mit Feedback zur individuellen Unterstützung steht (Kreuzhof und Hacker, 2009,
S. 7). „Spezifische Trainingsmaßnahmen in Hinblick auf die jeweiligen
Arbeitsbereiche und Tätigkeitsfelder der Mitarbeiter sind erforderlich“ (Wieland,
2004, S. 15, Ziffer 4), gleiches gilt erst recht aufgrund ihrer Vorbildfunktion für die
Führungskräfte.
Badura sieht die Notwendigkeit eines „intensiven Coachings“ zur Umsetzung von
Unternehmensethik bei einem prinzipienorientierten Beratungsansatz (Badura,
2002, S. 345). Dies bestätigen Lunau und Streiff in ihrem Koreferat zu Badura
(Lunau und Streiff, 2002, S. 352). Sie vertreten darüber hinaus die Ansicht, dass
ein intensives Coaching auch bei anderen Beratungsansätzen sinnvoll wäre.
Um neue Sichtweisen kennenzulernen, werden beispielsweise philosophische
Beratungsgespräche als empfehlenswert angesehen. Sei es in Form von
Einzelgesprächen, Workshops oder Diskussionsrunden, nach dem Motto „Was
wäre eigentlich, wenn…?“, „Was verstehe ich eigentlich unter…?“ (Schmidt,
2008, S. 433 f.).
Geht man also davon aus, dass Coaching ein möglicher Baustein zur Umsetzung
von Unternehmensethik sein könnte, so wäre zunächst zu untersuchen, ob und
29 wie sich Coaching bei Führungskräften auswirkt. Sollte Coaching signifikante
Folgen haben, wäre zu untersuchen, ob ethisches Verhalten von Führungskräften im Unternehmen von Relevanz ist. Erst für diesen Fall käme der
Beantwortung der Frage, ob Coaching von Führungskräften ein Baustein zur
Umsetzung von Unternehmensethik sein könnte, weitere Bedeutung zu.
3
Auswirkungen des Coaching
Das Coaching von Führungskräften findet in einer komplexen Umgebung statt:
Sie sind in ein Netz von Beziehungen eingebunden, in dem eine Vielzahl von
Personen
unterschiedliche
Führungskräfte
sind
daher
Interessen
vielfältiger
repräsentieren.
Natur.
Die
Aufgaben
Führungskräfte
der
werden
in
mehrfacher Hinsicht aus- und fortgebildet, so dass es schwerfällt, die
Auswirkungen des Coachings von den Einflüssen anderer Maßnahmen der
Personalentwicklung abzugrenzen oder gar zu messen.
Die Messbarkeit von Coaching hängt davon ab, wie der Wert dieser Maßnahme
gemessen wird, und wer die Kosten dafür trägt (Hansen und Mühlemeyer, 2010,
S. 40). Hansen und Mühlemeyer empfehlen zur Erleichterung der Evaluation und
in der Folge der Messung des Erfolgs eine klare Zielvereinbarung, die
Durchführung des Coachings zu gliedern und am Ende des Prozesses zu prüfen,
ob die Ziele erreicht wurden (Hansen und Mühlemeyer, ebenda). So einsichtig
diese Überlegungen auf ersten Blick erscheinen, so wenig werden sie der
Tatsache
gerecht,
dass
Coaching
von
Führungskräften
immer
auch
Auswirkungen auf die Organisation des Unternehmens als solches haben dürfte,
da sie nicht isoliert agieren.
So kann bereits eine einzige Verhaltensveränderung der Führungskraft in einer
Hinsicht einen signifikanten Einfluss auf eine Vielzahl von Mitarbeitern haben.
Aufgrund des Multiplikatoreffektes kann dies zu einer erheblichen Veränderung
der Performance des ganzen Unternehmens führen.
Levenson (2009, S. 103) hat eine Übersicht entwickelt, innerhalb der die
unterschiedlichen wirksamen Faktoren miteinander in Beziehung gesetzt werden.
Dieses Bezugssystem wird in dieser Arbeit vorangestellt, um den Vorgang des
Coaching im Unternehmen, seinen Einfluss und die daraus folgenden
30 Wechselwirkungen im Umfeld des Unternehmens verständlicher zu verorten und
darzustellen zu können:
Manager level factors
! Skills
! Motivation
! Job fit/career fit
HR/Human Capital initiatives
! Team building
! Rewards
! Performance management
! Coaching
Group/unit factors
! Composition
! Collaboration
! Leadership (manager)
Process improvements
! Costs/margins
! Quality/innovation
! Customer satisfaction
! Learning/knowledge
Strategic performance
! Market share/growth
! New products
! Brand awareness
! Customer retention
Financial performance
! Stock price
! Profit/cash flow
! ROA/ROE
! EVA
Abb. 6: Das Bezugssystem nach Levenson (2009, S. 108)
3.1
Weiterentwicklung der Führungskräfte
Eine frühe Literaturübersicht verfassten Kampa-Kokesch und Anderson (2001,
S. 205-228): Sie stellten Auswirkungen des Coachings auf die Performance von
Führungskräften selbst und auf die Performance des Unternehmens fest
(Kampa-Kokesch und Anderson, 2001, S. 205, 209 und 223) ebenso wie auf
Self-Efficacy1 und Selbstwahrnehmung der Manager (Kampa-Kokesch und
Anderson, 2001, S. 216).
3.1.1 Performance/Persönlichkeit
Bowles
et
al.
(2007,
S.
388-408)
untersuchten
in
einer
empirischen
Langzeitstudie (12 Monate), an der 59 Rekrutierungsmanager der US-Armee
teilnahmen, die Auswirkungen eines Coachingsprogramms zur Verbesserung
1
Auf den Begriff „Self-­‐Efficacy“ wird an späterer Stelle noch näher eingegangen. Vergleiche Anhang 1. 2
3
Die Fragen 1 bis 10 werden mit Q1 bis Q10 wiedergegeben, die Überschrift enthält jeweils die 31 ihrer Performance. Ihre Befunde ergaben eine deutliche Erhöhung der erzielten
Rekrutierungszahlen (Bowles et al., 2007, S. 401) im Vergleich zu den Werten
ihrer
nicht
gecoachten
Kollegen
der
Rekrutierungsabteilungen.
Diese
Langzeitstudie ist einer der ganz wenigen empirischen Untersuchungen, die mit
konkreten Zahlen zur Evaluierung arbeiteten.
In einer Voruntersuchung (Bowles und Picano, 2006, S. 232-239) mit 19
Rekrutierungsmanagern über einen Zeitraum von nur sechs Monaten konnte
hingegen nur ein geringer Zusammenhang zwischen Coaching und der
Performance festgestellt werden, was Bowles und Picano unter anderem auf den
kurzen Untersuchungszeitraum und die zu geringe Frequenz des Coaching
zurückführten (2006, S. 238 f.).
Olivero, Bane und Kopelman hatten 1997 in einer beachtenswerten Studie –
insoweit beachtenswert, weil sie ebenfalls Zahlen konkret verglichen – eine
signifikante Steigerung der Performance festgestellt. An ihr nahmen 31 Manager
einer im öffentlichen Bereich tätigen Agentur teil. Sie erhielten ein achtwöchiges,
in Form der Dyade geführtes Coaching (Olivero et al., 1997, S. 461-469). Olivero
et al. verwendeten als Messgrößen die Anzahl von vollständig und erfolgreich
erledigten Aufgaben binnen einer vorgegebenen Zeit. Sie konnten einen deutlich
höheren Steigerungseffekt für den Fall eruieren, dass Coaching mit einem
laufenden Training zur Verbesserung der Performance verbunden worden war.
(Olivero et al., 1997, S. 466).
Olivero et al. setzten in ihrem Coachingprogramm folgende Schwerpunkte:
• Sich Ziele setzen
• Lösen von Problemen, die bei Zusammenarbeit entstehen
• Übungen
• Feedback lernen
• Einbindung der Vorgesetzten der Führungskräfte
• Evaluation der Resultate
• öffentliche Präsentation des Erreichten
(Olivero et al., 1997, S. 466)
Teilweise wird von den Autoren diverser Studien der Begriff „Persönlichkeit“
verwandt, wenn es darum geht, Einflüsse des Coaching zu untersuchen:
32 Robie, Komar und Brown (2010, S. 446 f.) meinen mit „personality“ das Konzept
der „Big Five“. Es beschreibt fünf Komponenten der Persönlichkeit: Extroversion,
Verträglichkeit, Pflichtbewusstsein, Neurotizismus und Offenheit (Robie et al.,
2010, S. 454).
Robie et al. konnten einen deutlichen Effekt auf diese Komponenten bei den
Führungskräften
selbst
und
einen
erheblichen
Effekt
gegenüber
den
Standardabweichungen nicht gecoachter Personen ermitteln, was sie darauf
zurückführten, dass die Coachinginterventionen standardisiert und tiefgehender
geführt worden waren und die Coachees die Gelegenheit zum Üben und für
Feedback (Robie et al., 2010, S. 459) hatten.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob, und gegebenenfalls in
welchem Maß, die unterschiedliche Persönlichkeit von Führungskräften unter
Berücksichtigung der „Big Five“ Auswirkungen auf den Erfolg des Coachings
haben könnte:
Stewart, Palmer, Wilkin und Kerrin (2008, S. 32 ff.) ließen 110 Teilnehmer,
darunter 85 Führungskräfte – vom Juniormanager bis zum CEO,
an einem
Coachingprogramm mit unterschiedlicher Dauer (mindestens drei Monate,
durchschnittlich acht Monate, maximal 18 Monate) teilnehmen. Sie stellten
lediglich eine positive Korrelation zwischen Coaching und Pflichtbewusstsein,
Offenheit, emotionaler Stabilität und Self-Efficacy fest, meinten aber, dass die
Magnitude der Korrelation zu gering sei (Stewart et al., 2008, S. 39), um
Personen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen im Sinne des „Big Five“,
vom Coachingprozess auszuschließen.
Bei Entscheidungen im Unternehmen, wer gecoacht werden soll und wer nicht,
sollte
daher
die
Persönlichkeit
im
Sinne
der
„Big
Five“
keine
Entscheidungsrelevanz haben (Stewart et al., 2008, S. 40).
Eine andere Herangehensweise bei der Untersuchung, wie sich die
Persönlichkeit von Führungskräften auswirken könnte, wählten Smither, London
und Richmond (2005b, S. 181-210) bei ihrer Langzeitstudie:
33 Sie befassten sich mit der Beziehung zwischen der Persönlichkeit der
Führungskräfte und ihren Reaktionen gegenüber dem „Multisource Feedback“,
einem anderen Instrument der Personalentwicklung.
Unter einem „Multisource (360°) Feedback“ wird hier die Evaluation von
Aussagen und Beurteilungen verstanden, die über eine Person von anderen
Personen getätigt werden, wobei diese zu der im Fokus stehenden Person in
einer bestimmten Beziehung stehen. Hierzu zählen etwa Vorgesetzte, Kollegen,
nachgeordnete Mitarbeiter, interne Kunden, externe Kunden, Verkäufer und
Lieferanten. Auch die Selbstbeurteilung der zu evaluierenden Person wird zur
Auswertung hinzugezogen (Smither et al., 2005b, S. 181). Die so erhobenen
Daten können sehr umfangreich sein, so arbeiteten Smither et al. (2005b, S. 189)
in der bereits erwähnten Studie mit 180 unterschiedlichen Evalutionsitems.
Vertreter des Human Resource Management sehen das Multisource Feedback
als eigenes Instrument der Personalentwicklung (Nowack, 2009, S. 280-297;
Hooijberg und Lane, 2009, S. 483-493; Smither, London und Reilly, 2005a,
S. 33-66) an, welches vom Coaching zu unterscheiden ist. Es ist aber für die
hiesige Untersuchung gleichwohl von Bedeutung:
Zum einen spielt im Coachingprozess das Feedback eine entscheidende Rolle,
dies beginnt schon häufig mit der Datensammlung über den Klienten vor Beginn
des eigentlichen Coachingprozesses, um Ziele festlegen zu können (Thach,
2002, S. 206). Dies setzt sich fort mit dem laufenden Feedback des Coaches
gegenüber seinem Klienten und findet seinen Abschluss bei der Erfolgskontrolle
nach Ende des Coaching (Thach, 2002, S. 209).
Hinzu kommt, dass in der Praxis häufig Coaching und Multisource Feedback
gemeinsam eingesetzt werden (Thach, 2002, S. 205).
Smither, London und Richmond (2005a, S. 181-210) fanden unter anderem
heraus, dass Führungskräfte, die offen für neue Erfahrungen sind, Feedback
positiv gegenüberstehen. Diejenigen unter ihnen, die emotional stabiler sind als
ihre Kollegen, konnten leichter motiviert werden, die so gefundenen Ergebnisse
zu nutzen. Die Führungskräfte, die sich verantwortlich fühlten und offen für neue
Erfahrungen waren, nahmen die Notwendigkeit, sich an einem Feedback zu
34 orientieren, eher wahr als ihre Kollegen, die andere Persönlichkeitsmerkmale
aufwiesen (Smither et al., 2005b, S. 202 f.).
3.1.2 Effektivität/Zielerreichung
Zwar ist häufig das primäre Ziel des Coachings bei Führungskräften,
Verhaltensänderungen und Lernerfolge hervorzurufen, gleichwohl erwarten
Unternehmen, dass Coaching die Effektivität des Handelns der Führungskräfte
verbessert:
Levenson (2009, S. 103-121) verfasste eine Literaturübersicht, in der er sich mit
früheren Studien befasste: So konnten Peterson (1993) und Young und Dixon
(1996) Verbesserungen der Effektivität der Führungskräfte durch Coaching
feststellen (Levenson, 2009, S. 105). Die Ergebnisse der Studien basieren auf
den Bewertungen von Teilnehmern des Coaching, deren Managern sowie der
Coaches selbst.
Die Befunde der Langzeitstudie von Thach (2002, S. 205-214) ergaben eine
signifikante Steigerung der Effektivität bei Führungskräften von bis zu 60 %
(Thach, 2002, S. 210). Sie wies darauf hin, dass die Wirkungen des Coaching
von denen eines gleichzeitig eingesetzten Multisource Feedbacks nicht
voneinander getrennt werden könnten (Thach, 2002, S. 212). Sie konnte
belegen, dass jedenfalls die Kombination beider Instrumente definitiv erfolgreich
war, die Effektivität zu verbessern (Thach, ebenda).
Smither, London, Flantt, Vargas und Kucine (2003, S. 23-44) stellten sich im
Wesentlichen folgende Fragen:
• Kann Coaching Führungskräfte eher in die Lage versetzen, sich konkrete
Ziele
zu
setzen
und
Vorgesetzte
zu
bitten,
ihnen
Vorschläge
für
Verbesserungen zu nennen?
• Verbessern sich durch das Coaching die Beurteilungen im Rahmen eines
Multisource Feedbacks?
35 Ihre Methode bestand in einer quasi-experimentellen Untersuchung, an der 1.361
Senior Manager teilnahmen. Diese erhielten ein Multisource Feedback, danach
arbeiteten 404 von ihnen mit einem Coach, die übrigen bildeten die
Kontrollgruppe. Sechs Monate später wurde eine Umfrage gestartet, um zu
untersuchen, ob Führungskräfte die Ziele erreicht hatten, die sich nach dem
ersten Multisource Feedback gesetzt hatten. Schließlich wurde nach weiteren
sechs Monaten ein weiteres Multisource Feedback eingeholt (Smither et al.,
2003, S. 29). Dieses hatte zum Ergebnis, dass es zwischen dem Coaching und
dem Setzen von Zielen einen, wenn auch kleinen, positiven Effekt gab.
Zwischen der Effektivität des Coaching, dem Feedback und dem Einfordern von
Verbesserungsvorschlägen der Führungskräfte gegenüber ihren Vorgesetzten
wurde eine positive Relation gefunden. So zeigte sich, dass die gecoachten
Führungskräfte im Multisource-Feedback-Verfahren besser beurteilt wurden als
die der Kontrollgruppe (Smither et al., 2003, S. 35 und 38 f.).
Lernen die Führungskräfte – wie in der Studie festgestellt – sich besser Ziele zu
setzen, so verbessert sich deren Performance, denn die klare Definition eines
Zieles ist die erste Voraussetzung dafür, es auch zu erreichen. Auch wenn der
Effekt nur klein war, kann man nicht annehmen, Coaching würde sich nicht für
das Unternehmen auszahlen. Schließlich können kleine Veränderungen bei
Führungskräften auch größere Auswirkungen bei der Performance des ganzen
Unternehmens zur Folge haben, wie Waldman (2003, S. 146 ff.) zur Studie von
Smither et al. (2003) anmerkte.
Wasylyshyn (2003, S. 94-106) befragte von ihr gecoachte Führungskräfte zu den
Indikationen, die für ein erfolgreiches Coaching sprechen würden. 45 % ihrer
Klienten gaben daraufhin an, durch Coaching effektiver führen zu können [mehr
Vertrauen; gewonnene motivationale Fähigkeiten; bessere Ergebnisse; mehr
Zuversicht in die Zukunft], (Wasylyshyn, 2003, S. 102).
Schließlich zeigte Wasylyshyn (2005, S. 57) anhand eines Einzelfalles (die
Führungskraft sollte den vorhandenen CEO ersetzen, der zudem Inhaber des
Unternehmens war) auf, wie Coaching konkret die Effektivität des Handelns einer
Führungskraft verbessern konnte.
36 Eine neuere Untersuchung von Moen und Skaalvik (2009, S. 31-49) bestätigte
die bisherigen Befunde in Bezug auf die erreichte Verbesserung bei der
Zielsetzung durch den Einsatz externer Coaches (Moen und Skaalvik, 2009,
S. 39 und 42) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe.
3.1.3 Führungsstil/-verhalten
Orenstein (2006, S. 106-116) belegt anhand einer Fallstudie, dass sich die
Auswirkungen des Coaching mittels eines speziellen Fragebogens („Emphatic
Organic Questionnaire“) messen lassen, im konkreten Fall eine positive
Veränderung des Führungsverhaltens (Orenstein, 2006, S. 112). Diesen Befund
bestätigten Evers, Brouwers und Tomic (2006, S. 174-182) mit ihren Ergebnissen
einer größeren Fallstudie (41 Manager) unter Verwendung einer Kontrollgruppe
(Evers et al., 2006, S. 176 und 179).
Levenson
(2009,
S.
107)
befasste
sich
mit
Studien,
deren
Unter-
suchungsgegenstände dem Prozess des Coachings zwar nicht gleichzustellen
sind, aber eine Nähe hierzu aufweisen oder Elemente eines Coachings
enthalten. Deshalb werden ergänzend einige Studien herangezogen, die
Levenson in seinem Review erwähnt:
• Walker und Smither (1999) stellen fest, dass von nachgeordneten Mitarbeitern
gegenüber Führungskräften abgegebenes Feedback Verhaltensänderungen
bei diesen Führungskräften hervorrief (Levenson, 2009, S. 107).
• Seifert, Yukl und McDonald (2003) verglichen die Effektivität eines Multisource
Feedback durch nachgeordnete Mitarbeiter, Kollegen und Vorgesetzten
gegenüber einem reinen Workshop, den Führungskräfte besucht haben. Sie
gelangten zu dem Ergebnis, dass das Feedback von den Führungskräften,
Kollegen und Mitarbeiter als nützlicher angesehen wurde, als die aufgrund
eines Workshops erworbenen Erkenntnisse (Levenson, 2009, S. 107).
• Der Befund von Barling, Weber und Kelloway (1996) ergab, dass Training für
transformationelles Führungsverhalten Auswirkungen auf die Einstellung und
Haltung
der
Führungskräfte
sowie
auf
finanzielle
Ergebnisse
des
37 Unternehmens haben kann: Sie konnten eine Verbesserung von zwei
branchenspezifischen Leistungsmerkmalen in finanzieller Hinsicht feststellen
(Levenson, 2009, S. 107).
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass dem Training eine viermonatige
Phase folgte, in der Feedback bezogen auf die Verhaltensänderung der Manager
von direkt untergebenen und nachgeordneten Mitarbeitern eingeholt wurde. Dies
ist für die hiesige Untersuchung insofern von Belang, als Feedbackgeben und nehmen als ein typisches Element sowohl eines Coaching selbst, als auch einer
Coachingkultur im Unternehmen anzusehen ist.
Die Wichtigkeit des Führungsverhalten in Bezug auf die Entwicklung von Stress
haben Rowold und Heinitz (2008, S. 129-140) untersucht und einen positiven,
d.h. stressreduzierten Zusammenhang auf längere Sicht bei transformationalem
Führungsstil gefunden. Nicht zuletzt gibt es einen positiven Zusammenhang
zwischen
transformationalen
Führungsstil
und
objektiven
Kriterien
(Verkaufszahlen), worauf Felfe hinweist (Felfe, 2006, S. 168).
Beamish (2005, S. 138-144) befasste sich damit, wie Führungskräfte an der
Spitze („chief executives“) lernen und welches Verhalten sie von anderen
Mitgliedern der Bevölkerung unterscheidet. Teilnehmer waren ausschließlich
Mitglieder eines Forums für Spitzenmanager im öffentlichen Sektor in Nordirland
(Chief Executive Forum [CEF] und dem „Institute of Directors“ [IoD]). Er
verwandte für seine Untersuchung das „DISC-Profil“, welches sich mit dem
Verhalten und Gefühlen von Personen befasst. Dieses Profil wurde bereits bei
fünfzig Millionen Menschen angewandt und ist daher sehr verlässlich (Beamish,
2005, S. 139). Das DISC-Profil befasst sich mit vier Faktoren:
• Dominance („D“):
„Direkt und entscheidungsfreudig“:
Derartige Personen sind willensstark, schätzen
Herausforderungen, sind aktiv und erhalten
sofortige Ergebnisse.
• Influence („I“):
„Optimistisch und kontaktfreudig“:
Solche Menschen sind teamfähig, teilen Ideen und
unterhalten andere.
38 • Steadiness („S“):
„Sympathisch und kooperativ“:
Hier handelt es sich um Personen, welche im
Hintergrund arbeiten. Sie verhalten sich auf
konsistente und vorhersehbare Weise und sind gute
Zuhörer.
• Conscientiousness („C“): „Ernsthaft und korrekt“:
Derartige Menschen stehen für Qualität, planen
gerne im Voraus, gehen systematisch an eine
Sache heran.
Die Befunde ergaben im Vergleich zur Gesamtbevölkerung bemerkenswerte
Unterschiede:
Extroversion v. introversion
Group
General population
Sample
Chief Executive Forum (CEF)
CEF male
CEF female
Institute of Directors (IoD)
IoD male
All female
Extroversion (%)
46
66
64
58
83
67
69
77
Introversion (%)
54
34
36
42
17
33
31
23
Abb. 7: (Beamish, 2005, S. 140).
Population comparisons of the four main behavioural types
Behavioural type
D (%)
I (%)
General population
18
28
Combined study
30
36
Chief Executive Forum
30
34
CEF male
33
25
CEF female
24
59
Institute of Directors
29
40
IoD male
29
40
All female
22
52
S (%)
40
20
26
29
17
13
13
17
C (%)
14
14
10
13
0
18
18
9
Abb. 8: (Beamish, 2005, S. 142)
Die an der Studie teilnehmenden Führungskräfte schienen mehr daran
interessiert zu sein, „was“ zu tun, als „wie“ etwas getan werden könnte (Beamish,
2005, S. 140).
Die vorgenannten Charakteristika wurden mit Daten von CEO`s nachgeordneten
Managern verglichen, wobei die gefundenen Unterschiede zu diesen Managern
sich größtenteils mit der Häufigkeit der Befunde in der Gesamtbevölkerung
39 spiegelten. Da es aber nicht möglich war, die Größe der vergleichbaren
Population für Manager zu bestimmen, konnte keine echte Signifikanz festgestellt
werden (Beamish, 2005, S. 143).
Abgesehen von der fehlenden Signifikanz, kommt den Befunden zumindest eine
Indizwirkung zu, die beim Coaching von Führungskräften Beachtung finden
sollte: Nimmt man an, dass die untersuchten Merkmale gelernt werden, ergeben
sich
Ansatzpunkte
für
das
Coaching
von
bestimmten
Verhalten
bei
Führungskräften. Vertritt man hingegen die Auffassung, diese Merkmale seien
Teil der Persönlichkeit, so lassen sie sich identifizieren und im Unternehmen in
Coachingprozessen zumindest berücksichtigen (Beamish, 2005, S. 144).
3.1.4 Self-Efficacy /Selbstwahrnehmung
Für die weitere Untersuchung wird der Begriff „Self-Efficacy“ beibehalten, weil die
deutsche Übersetzung „Selbstwirksamkeitserwartung“ zum besseren Verständnis
wenig beiträgt. Mit„Self-Efficacy“ ist die Erwartung gemeint, aufgrund eigener
Kompetenz gewünschte Handlungen erfolgreich ausführen zu können (Moen und
Skaalvik, 2009, S. 31).
Die Auswirkungen des Coachings von Führungskräften auf deren „perceived
Self-Efficacy“ sind in mehreren Studien untersucht und bestätigt worden [KampaKokesch und Anderson, 2001, S. 216 mit Hinweis auf die Studie von Gegner,
(1997)].
Moen und Skaalvik (2009, S. 31-49) arbeiteten mit einem Pretest-, PosttestControl-Groupdesign über einen Zeitraum von fast einem Jahr mit 144 Managern
(Moen und Skaalvik, 2009, S. 37 f.) zusammen:
Zwanzig der Führungskräfte nahmen an einem externen Coachingprogramm teil,
124 an einem auf Coaching basierten Führungs-programm. Ihr Befund ergab
einen signifikanten Effekt des Coachings auf die Variable „Self-Efficacy“ (Moen
und Skaalvik, 2009, S. 42). Moen veröffentlichte diese Studie zusammen mit
Allgood noch anderweitig (Moen und Allgood, 2009, S. 69-81).
40 Levenson äußerte sich zu dieser Frage in seinem Review (Levenson, 2009,
S. 103-121) über die Erhebungsmethoden diverser Studien im Zeitraum bis 2009
kritisch. Er vermisste den Einsatz von Kontrollgruppen (Levenson, 2009, S. 106)
und erhob deshalb die Arbeit von Smither et al. (2003, S. 23-44) positiv hervor.
Im Gegensatz zur Annahme von Levenson (Levenson, 2009, S. 106) haben aber
auch Evers, Brouwers und Tomic (2006, S. 176) mit einer Kontrollgruppe
gearbeitet.
Sie
stellten
fest,
dass
die
Annahmen
der
Coachees
zur
Selbstwirksamkeit bei der Setzung von Zielen höher war als in der Kontrollgruppe
(Evers, Brouwers, Tomic, 2006, S. 180). Ob Levenson bei Fertigung seines
Reviews die Arbeit von Moen und Skaalvik respektive Allgood bekannt war, kann
diesseits nicht geprüft werden.
Schließlich sei zum Faktor „Selbstwahrnehmung“ nochmals die bereits erwähnte
Befragung von Wasylyshyn (2003, S. 94-100) genannt: 48 % der von ihr
befragten, früher von ihr gecoachten Klienten erwähnten ein erhöhtes
Verständnis ihrer selbst [Wahrnehmung der eigenen Motivation; genauere
Selbstwahrnehmung; Verständnis, dass es zur Erreichung der Karriereziele
notwendig ist, Eigeninitiative zu ergreifen] (Wasylyshyn, 2003, S. 103).
Wie wichtig ein möglichst hohes Maß an Selbstwahrnehmung (self-awareness)
für
Führungskräfte
sein
kann,
soll
stellvertretend
für
viele
andere
Wirkungszusammenhänge an folgendem Beispiel veranschaulicht werden:
In einer globalisierten Welt wird erfolgreiche unternehmerische Tätigkeit durch
interkulturelles Verständnis der maßgebliche Führungskräfte begünstigt (Handin
und Steinwedel, 2006, S. 18-28). Eine Voraussetzung hierfür ist eine
entsprechende Selbstwahrnehmung oder Selbsterkenntnis der Manager, damit
Wissbegierde auf andere Kulturen entsteht, also „ethnorelatives Verhalten“
möglich wird (Handin und Steinwedel, S. 23).
Handin und Steinwedel haben die aus ihrer Sicht relevanten Verhaltensweisen in
überzeugender Weise zusammengestellt:
41 Ethnorelative
Behaviors
Curiosity
Cultivation
Collaboration
Competencies
Inquiry skills
Listening skills
Self-awareness
Self-development
Discernment
Understanding
others (needs,
customs, values)
• Patience
• Optimism
•
•
•
•
•
•
• Relationship
building
• Agility
(flexibility,
adaptability,
facilitation)
• Motivation others
• Personal disclosure
Knowledge
• One’s own culture
• Other cultures
Underlying Values
• Learning
• Knowledge
• The other (what
you want to grow
and what “it”
requires for growth)
• How to request
and invite rather
than tell or sell
• Personal strengths
• The other’s skills,
knowledge,
capability, etc.
• Integration as
opposed to
conversion
• Love
• Pleasure
• Self-worth
Qualities
• Respect
• Appreciation
• Humility
• Achievement
• Learning
• Developing
relationships
• Other’s
ideas/perspectives
Abb. 9: The Basis of Cross-Cultural Competencies (Handin und Steinwedel,
2006, S. 23)
3.1.5 Lernerfolg/Fertigkeiten
Wasylyshyn (2003, S. 94-106) untersuchte bei ehemaligen, von ihr gecoachte
Führungskräfte
die
Nachhaltigkeit
der
Lernfähigkeit
und
der
erreichten
Verhaltensänderungen: Auf einer Nachhaltigkeitsscala von 1 bis 10 gaben mehr
als die Hälfte der Befragten ein erreichtes Niveau von 6 bis 8, über ein Drittel ein
Niveau von 9 bis 10 an. Dieses Ergebnis veranlasste Wasylyshyn zu erneuten
Analyse der Daten. Sie kam zu der Annahme, dass die befragte Gruppe sich aus
Personen zusammensetzt, die gut qualifiziert und hoch motiviert waren
(Wasylyshyn, 2003, S. 104).
Die Befunde von Wasylyshyn, Gronsky und Haas (2006, S. 65-81) zeigen sowohl
nachhaltige
Lernerfolge
als
auch
nachhaltige
Verhaltensänderung
von
Führungskräften durch Coaching:
Gegenstand des von ihnen als „VISTA“ benannten und ihrer Ansicht nach
anerkannten Coachingprogrammes waren drei Hauptthemen:
(1) Verbesserung der emotionalen Kompetenz (Wasylyshyn et al. ziehen den
Begriff „emotionale Kompetenz“ dem der „emotionalen Intelligenz“ vor [2006,
S. 65], (2) ein besseres Verständnis davon, welchen Einfluss sie – die
42 Führungskräfte
–
auf
andere
haben,
sowie
(3)
ein
effektiveres
Karrieremanagement (Wasylyshyn et al., 2006, S. 73).
Die untersuchte Personengruppe bestand aus Managern, die das „VISTA“Coachingprogramm absolviert hatten. Über 52 % der Teilnehmer beschrieben
eine hohe Nachhaltigkeit des erreichten Lernerfolges und der erzielten
Verhaltensänderungen (Wasylyshyn et al., 2006, S. 74).
Auffallend ist, dass sich die Teilnehmer – gefragt nach Verbesserungsvorschlägen
für
ein
zukünftiges
Coaching
–
ein
größeres
Maß
an
Selbstwahrnehmung und einen tieferen Einblick darin, wie ihr Verhalten auf
andere Menschen wirkt, wünschten (Wasylyshyn et al., 2006, S. 74).
Festzuhalten ist, dass Wasylyshyn et al. hier nicht mit einer Kontrollgruppe
gearbeitet haben.
Robie, Komar und Brown (2010, S. 446-467) konnten belegen, dass ihre
Annahme, Coaching würde eine der „Big Five“ Faktoren, nämlich die „general
cognitive ability“, (Robie et al., 2010, S. 454) im Vergleich zur Kontrollgruppe
verbessern, durch die aufgefundenen Daten unterstützt wird (Robie et al., 2010,
S. 459).
Styhre und Josephson (2007, S. 1295-1304) ermittelten einen positiven
Zusammenhang zwischen Coaching, der Verbesserung der Kommunikation und
dem Erlernen von Kenntnissen zur Bewältigung der Führungsaufgaben der
Coachees (Styhre und Josephson, 2007, S. 1301 ff.).
Jones, Rafferty und Griffin (Jones et al., 2006, S. 584-596) untersuchten, ob
Coaching die Flexibilität des Handelns von Führungskräften erhöhen kann.
Flexibilität ist eine wichtige Fertigkeit für Manager, sich an Veränderungen
möglichst rasch und effektiv anpassen zu können (Jones et al., 2006, S. 585).
Sie verwendeten zur Ermittlung ein 360° Multisource Feedback (Jones et al.,
2006, S. 586) und teilten die 67 Manager, welche sich an der Studie beteiligten,
in drei Gruppen auf: Gruppe 1 begann mit dem Coachingprogramm unmittelbar
nach dem Feedback, Gruppe 2 startete vier Monate später, Gruppe 3 stellte die
Kontrollgruppe dar.
43 Jones et al. fanden ihre Hypothese bestätigt, es stellte sich ein signifikanter,
linearer Trend heraus, wonach die Flexibilität des Handelns zunahm (Jones et
al., 2006, S. 592). Wie Thach (2002) erkannten sie, dass die Wirkung des
Coaching von denen des 360° Multisource Feedback schwer zu trennen waren
(Jones et al., 2006, S. 593 f.).
Abschließend sei noch die Studie von Perkins erwähnt (Perkins, 2009, S. 298318), welche die bisherigen Befunde der positiven Auswirkungen des Coaching
auf den Lernerfolg und auf Verhaltensänderungen von Führungskräften – hier
Verbesserung der Effizienz von Besprechungen – bestätigte (Perkins, 2009,
S. 311 ff.).
3.1.6 Work-Life-Balance
Die Ausgewogenheit von Arbeit und Erholung ist essentiell für die Gesundheit
und damit die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern und Führungskräften. Hughes
verweist für Großbritannien auf Untersuchungen, die zum Ergebnis hatten, dass
der britischen Volkswirtschaft jährlich Kosten von etwa 12 Milliarden Pfund durch
Krankheiten von Arbeitnehmern entstehen, die direkt mit ihrer Arbeit und den
damit verbundenen Umständen zu tun haben (Hughes, 2007, S. 281).
Die Zahl derartiger Erkrankungen nimmt in Deutschland inzwischen sogar stark
zu, wie unlängst die Mitteilungen der Bundesagentur für Arbeit in 2012 zeigten.
Die
richtige
Ausgewogenheit
zwischen
Arbeit
und
Erholung
ist
für
Führungskräfte, die in der Regel einer hohen Arbeitsbelastung unterworfen sind,
besonders wichtig:
Wasylyshyn (2003, S. 94-106) befragte von ihr gecoachte Klienten unter
anderem zu den Indikatoren, die für ein erfolgreiches Coaching sprechen
würden. Zu dem Bereich „Work-Life-Balance“ gaben 63 % der Befragten an,
dauerhafte Verhaltensänderungen (Verlagerung des Schwerpunktes auf die
Herstellung von Beziehungen; bessere Integration von Beruf und Familie) bei
sich festgestellt zu haben (Wasylyshyn, 2003, S: 103).
Bowles et al. (2007, S. 388-408) konnten in der bereits erwähnten Studie zur
Steigerung der Performance von 59 Rekrutierungsmanagern der US-Army
44 belegen, dass diese durch Coaching in einem hohen Maße die von ihnen
gesteckten Ziele (Bowles et al., 2007, S: 396), nämlich
• Verbesserung von physischem, mentalem Wohlbefinden
• mehr Zeit für Kinder und Ehepartner
erreichen konnten (Bowles et al., 2007, S. 397 f. und 402). Einen ähnlichen
positiven
Zusammenhang
zwischen
Coaching
und
dem
Maß
an
Lebenszufriedenheit konnten Bowles und Picano (Bowles und Picano, 2006,
S. 236) in der bereits erwähnten Vorstudie mit 19 Rekrutierungsmanagern
feststellen.
Styhre und Josephson (2007, S. 1295-1304) verfassten eine Langzeitstudie von
einem Jahr, an der Führungskräfte aus der Industrie mitwirkten (Styhre und
Josephson, 2007, S. 1297). Sie übermittelten ihre Ergebnisse, die während der
Studie gewonnen wurden, an eine Referenzgruppe von Managern eines
vergleichbaren
Industrieunternehmens.
Diese
erhielten
die
Gelegenheit,
Vorschläge zu unterbreiten, wie Coaching effektiv eingesetzt werden könnte
(Styhre und Josephson, 2007, S: 1299). Die gecoachten Manager gaben an,
dass ihre Fähigkeiten, über ihre gesamte Arbeits-/Lebenssituation besser
reflektieren zu können, gewachsen seien (Styhre und Josephson, 2007,
S. 1301).
Intensiv haben sich Lyness und Judiesch (2008, S. 789-805) mit der Frage
auseinandergesetzt, ob es Führungskräften möglich wäre, eine Karriere zu
verfolgen und daneben noch Zeit für Partnerschaft und Familie zu haben. In ihrer
Untersuchung berücksichtigten sie die Ergebnisse von Selbstbeurteilungen und
Multisource Feedbacks von Kollegen der Manager und deren Vorgesetzten
(Lyness und Judiesch, 2008, S. 789). Ihrer Studie lagen Angaben von 9.627
Managern aus 33 Ländern zugrunde (Lyness und Judiesch, 2008, S. 792 f.): Es
stellte sich heraus, dass zwischen der Ausgewogenheit von Arbeit und Erholung
und der positiven Entwicklung der angestrebten Karriere eine Relation
angenommen werden kann.
45 3.2
Auswirkungen auf das Unternehmen
Gibt es, wie in Ziffer 3.1 beschrieben, bislang eine überschaubare Anzahl von
empirischen Studien zu den Auswirkungen des Coaching auf die Entwicklung der
Führungskräfte, so sind es noch weniger Untersuchungen, die sich mit den
Auswirkungen des Coaching von Führungskräften auf das Unternehmen als
Ganzes befassen.
Empirische Datenerhebungen finden sich kaum und besonders schwierig wird es,
Erhebungen
zu
finden,
die
sich
mit
dem
ROI
des
Coaching
unter
Berücksichtigung von unternehmerischen Kennzahlen befassen. Wie noch zu
zeigen sein wird, werden zum ROI von Coachingleistungen bloße Behauptungen
aufgestellt, ohne diese durch Vorlage von konkreten Daten zu untermauern.
Jedenfalls scheinen die Unternehmen, die Coachingleistungen in Auftrag geben,
ihre diesbezüglichen Zahlen zum ROI zurückzuhalten, wobei damit unterstellt
wird, sie hätten eigene Erhebungen, was diesseits nicht geprüft werden konnte.
3.2.1 Unternehmenserfolg/-Ziele/ROI
Levenson (2009, S. 111) konzipierte seine eigene Untersuchung als eine
Sammlung von einzelnen Fallstudien: Er interviewte zwölf als Direktoren oder
höher einzustufende Führungskräfte von Großunternehmen aus den Bereichen
produzierendes Gewerbe, Finanzdienstleistungen und Gesundheitswesen sowie
deren jeweilige Coaches.
Sein Befund ergab, dass in keiner der Fälle Coaching einen von anderen
Interventionen
klar
abzugrenzenden,
direkten
Einfluss
auf
konkrete
Geschäftsergebnisse hatte. In den meisten Fällen waren seiner Meinung nach
die durch das Coaching angestrebten Verhaltensziele zu weit von den
Hindernissen entfernt, die einem messbaren Geschäftserfolg entgegenstanden
(Levenson, 2009, S. 115). In diesen Fällen spielte Coaching neben weiteren
Maßnahmen, die getroffen wurden, eine wichtige Rolle (Levenson, 2009, S. 116).
Levenson fand weiter heraus, dass in einer kleineren Anzahl der von ihm
ausgewerteten Fälle, Coaching allein einen positiven, wenn auch schwierig zu
46 quantifizierbaren Effekt auf den Geschäftserfolg des Unternehmens ausübte
(Levenson, S. 116).
Wheeler (2011, S. 1-15) befasste sich mit der Fragestellung, ob die Übernahme
von Coaching-Techniken durch Manager mit Linienfunktion einen Beitrag zur
Erreichung von Unternehmenszielen leisten kann. Sie setzte Fragebögen bei den
nachgeordneten Mitarbeitern ein und führte mit den Managern nicht strukturierte
Interviews (Wheeler, 2011, S. 5). Vier Niederlassungen mit vergleichbar großen
Teams,
aber
unterschiedlich
guter
Performance
im
Verkauf,
traten
gegeneinander an. Aufgrund der erhaltenen Resultate konnte Wheeler belegen,
dass die Manager Coaching-Verhalten annahmen (Wheeler, 2011, S. 6). Sie
setzten folgende Techniken ein:
Sie versorgten ihre Mitarbeiter mit Informationen, leiteten Mitarbeiter an,
Verantwortung zu übernehmen, agierten als Vorbild und verwendeten Elemente
einer vorteilhaften Kommunikation wie „Aktives Zuhören“ und ermunterten
Mitarbeiter, sich Feedback zu holen (Wheeler, 2011, S. 6-10). Manche Manager
stellten bestimmte Fragen, um die Mitarbeiter zu Perspektivenwechsel zu
veranlassen (Wheeler, 2011, S. 9).
Wheeler gelangte unter anderem zu der Erkenntnis, dass die Verwendung von
Coaching-Techniken durch Linienmanager dazu beiträgt, Unternehmensziele zu
erreichen und Coaching ebenfalls dazu beitragen kann, das Verhaltensrepertoire
von Mitarbeitern gegenüber den Kunden zu verbessern (Wheeler, 2011, S. 14).
Wheeler verglich die Erfolgsquoten der beteiligten Niederlassungen vor und nach
dem Programm (Wheeler, 2011, S. 10): Bei drei von vier Niederlassungen
steigerten sich die Erfolgsquoten, bei einer Niederlassung blieben sie gleich,
worin sie weiteren Forschungsbedarf erkannte (Wheeler, 2011, S. 11).
Xanthopoulou et al. (2009, S. 183-200) fanden nur einen indirekten Beleg dafür,
dass Coaching geeignet sein könnte, die Einnahmen eines Unternehmens zu
erhöhen: Es ist jedoch hervorzuheben, dass hier nicht Führungskräfte gecoacht
wurden, sondern die Führungskräfte selbst ihre Mitarbeiter täglich coachten
(Xanthopoulou et al., 2009, S. 187).
47 Selbst da gelang es nicht, einen direkten Nachweis zu führen, denn Self-Efficacy,
OSBE
(Organizational-based
self-esteem)
und
Optimismus
spielten
als
Prozessvariablen im Verhältnis von Autonomie der Mitarbeiter, Coaching und
Arbeitsklima im Team auf der einen Seite und Arbeitsmoral auf der anderen Seite
(Xanthopoulou et al., 2009, S. 196) eine Rolle.
Sie fanden jedoch einen gewissen Zusammenhang zwischen Arbeitsmoral, den
„job resources“ und den Einnahmen des Unternehmens (Xanthopoulou 2009,
S. 196). Jedenfalls hoben sie die Bedeutung des täglichen Coaching und seine
Auswirkungen auf die Arbeitsmoral hervor, stellten also somit einen indirekten
Zusammenhang zwischen Coaching und den Einnahmen her (Xanthopoulou,
2009, S. 197).
Wie eingangs unter 3.2 erwähnt, sind aussagekräftige Studien zum Thema
Coaching
und
return
on
investment
nicht
auffindbar.
Coaches
oder
Coachingfirmen machen Werbung, anstatt prüffähige Daten zu liefern: Anderson
(2005, S. 10): „the ROI of Coaching is often about 700 percent“, ohne dies zu
erklären und zu belegen.
Oder: Anderson (2010): Eine amerikanische Coachingfirma (Metrixglobal/Cylient)
befragte – im Auftrag eines Großunternehmens, das nach Angabe nicht genannt
werden
wollte
–
telefonisch
nach
vorheriger
E-Mail-Kontaktaufnahme,
43 Führungskräfte aus den verschiedensten Bereichen der Wirtschaft (Anderson,
2010, S. 3): „Coaching produced a 529 % return on investment and significant
intangible benefits to the business.“ Zwar wurden anschließend von Anderson
weitere Angaben gemacht, wie etwa: Die Mitarbeiterzufriedenheit habe um 43 %,
die Kundenzufriedenheit um 53 %, der „work output“ um 30 % zugenommen,
diese Angaben sind so jedoch nicht prüffähig. Wie sich der Betrag von 529 %
zusammensetzen soll, war nicht festzustellen. Es wurden keine weiteren
Angaben gemacht, eine derartige Aussage ist ebenfalls nicht prüffähig.
Parker-Wilkins (2006, S. 122-127) bezog sich auf 26 Führungskräfte, die von
Metrixglobal/Cylient befragt wurden. Danach sei insgesamt ein „ROI of USD
3.268.325 (689 percent)“ ermittelt worden. Auch hier fehlen nähere Angaben,
Aussage ebenfalls nicht prüffähig.
48 Whitley (2009, S. 28-32) erwähnt eine Fallstudie (Fragebogenaktion und
Geschäftsergebnisse wurden zugrunde gelegt), danach soll Coaching dazu
geführt haben, dass 18 % weniger Fehlzeiten bei den Mitarbeitern zu
verzeichnen wären, die Mitarbeiterbindung sich um 26 % erhöht haben soll und
die Profite um 4 % bis 11 % gestiegen sein sollen (Whiteley, 2009, S. 32). Auch
hier fehlen genauere Angaben. Ebenso wenig liefert die Fallstudie über British
Telecommunications auswertbare Daten (Brumwell und Reynolds, 2006,
S. 20 ff.): So sollen Kapazität und Produktivität um 12 % gestiegen sein, was
einer jährlichen Kostenersparnis von 20 Millionen britischen Pfund entspräche
(Brumwell und Reynolds, 2006, S. 23).
Hier ist ein großes Forschungsdefizit festzustellen. Es sollte versucht werden,
von Unternehmen oder Unternehmensverbänden Daten zum Thema Coaching
und direktem ROI zu erhalten und diese auszuwerten, wobei die Unternehmen
selbst anonymisiert werden könnten.
3.2.2 Unternehmenskultur/-organisation
Mc Dermott, Levenson und Newton (2007, S: 30-37) befragten 55 Unternehmen.
Ansprechpartner waren regelmäßig Direktoren, Vizepräsidenten von HRAbteilungen oder von Abteilungen für Unternehmensentwicklung. 80 % der
befragten Unternehmen waren international tätig, generierten (2003) jährlich in
Mittel 18,5 Milliarden USD und verfügten über durchschnittlich 34.000 Mitarbeiter.
Die Unternehmen hatten ihren Hauptgeschäftssitz in Europa, überwiegend
jedoch in den USA (McDermott et al., 2007, S. 31). Es wurden folgende Fragen
an die Führungskräfte gestellt:
(1) Bis zu welchem Ausmaß beeinflusst Coaching die Ressourcen eines
Unternehmens,
einschließlich
Teamarbeit
und
Durchführung,
Kommunikation, Motivation der Mitarbeiter, die Unternehmenskultur und die
Unternehmenswerte?
(2) Erzielen Unternehmen, die Coaching verstärkt einsetzen, eine größere
Effektivität?
49 (3) Sind interne Coaches im Gegensatz zu externen Coaches eher geeignet,
bestimmte Ergebnisse zu erzielen?
(4) In welchem Maß steuern die Unternehmen den Coachingprozess und
messen die Auswirkungen?
(McDermott, 2007, S. 31).
Es zeigte sich, dass die Beauftragung von externen Coaches von der Position
der Führungskraft im Unternehmen abhängig ist, das heißt: Je höher die Position,
desto eher wird ein externer Coach beauftragt (McDermott, 2007, S. 32).
Die Befunde zu den positiven Auswirkungen des Coaching sind aufschlussreich,
sie werden deshalb nachfolgend detailliert dargestellt:
Perceived Impact of Coaching
„How effective overall is the coaching that takes place in your organization?” Mean = 3.4
Scale: 1 = Not At All Effective; 2 = Slightly Effective; 3 = Moderately Effective; 4 = Effective;
5 = Highly Effective
“Please indicate the extent to which coaching has a positive
Mean
% Indicating
impact on each of the following in your organization:
“Large” or
Scale: 1 = Not at all; 2 = Slight; 3 = Moderate; 4 = Large; 5 =
“Extremely Large”
Extremely Large”
1. My organization`s ability to execute its business strategy
3.1
33,3%
2.
Alignment and teamwork among our senior leadership
team
Teamwork at levels below the senior leadership team
3.2
37,0%
3.2
30,2%
3.0
27,8%
5.
The effectiveness of my
management processes
Development of future leaders
3.8
53,7%
6.
The effectiveness of or change management efforts
3.0
29,6%
7.
Our senior manager´s use of appropriate leadership
behaviors
The motivation or engagement level of our
employees/team
The improvement of individual employee`s performance
3.6
51,9%
3.0
25,9%
3.
4.
8.
9.
organization`s
talent
3.5
48,2 %
10. Organizational culture and values
3.1
27,8%
11. The perception that management is responsive to
workplace issues
12. The notion that development is important in this
organization
13. Communication of important but sensitive messages
2.6
11,3%
3.7
55,6%
2.8
33,3%
Abb. 10: Perceived Impact of Coaching (McDermott et al., 2007, S: 33)
Auffallend ist, dass nur ein Drittel der internen und externen Coachings von den
Unternehmen hinsichtlich ihrer Effektivität evaluiert wurden (McDermott et al.,
2007, S. 36). Weniger als 40 % von diesem Drittel haben die Auswirkungen des
50 Coachings durch ein 360° Multisource Feedback prüfen lassen (McDermott
ebenda).
Besonders bemerkenswert, wenn auch – wegen des in der Psychologie
allgemein bekannten Phänomens des Widerstandes – wenig verwunderlich, ist
die folgende Erkenntnis dieser Studie:
„Too often, coaching is judged solely by whether the coachees felt good about
the process rather than whether they were challenged by it.” (McDermott, 2007,
S. 36)
Die Studie gelangt für die Zukunft zu dem Ergebnis, dass Coaching für die
Effektivität des Unternehmens von Bedeutung ist, falls es auf systematische und
strategische Art und Weise angewandt wird. Erforderlich sind dafür: eine klare
Führung an der Spitze des Unternehmens, die Disziplin, klare Verhaltensziele zu
setzen und den Erfolg zu messen, Coaching und andere zur Entwicklung von
Führungsqualitäten
durchgeführte
Programme
zu
integrieren
sowie
das
Management von internen und externen Coaches zu zentralisieren (McDermott,
2007, S. 36).
3.2.3 Einfluss auf Mitarbeiter
Agarwal, Angst und Magni (2009, S. 2110-2134) untersuchten den Effekt von
Coaching über mehrere Hierarchieebenen hinweg: In die Studie waren
32 Führungskräfte, 114 Manager, die diesen Führungskräften nachgeordnet
waren, sowie 328 Verkäufer, welche den Managern direkt unterstellt waren,
involviert.
Agarwal et al. konnten zwar bestätigen, dass durch Coaching der mittleren
Manager die Arbeitszufriedenheit der Verkäufer positiv beeinflusst wurde, das
Coaching der Führungskräfte sich auf die Zufriedenheit der Verkäufer hingegen
kaum auswirkte (Agarwal et al., 2009, S. 2125). Interessanterweise war auch der
Effekt des Coachings der mittleren Manager auf die Verkäufer deutlich stärker,
als der Einfluss des Coachings der Führungskräfte auf die Manager der mittleren
Ebene (Agarwal et al., 2009, S. 2126 f.). Die Anwendung von CoachingTechniken durch die Führungskräfte hat also die Intensität des Coachings
insgesamt nicht erhöht (Agarwal et al., 2009, S. 2125). Es war kein Transfer von
51 Coachingeffekten durch die Hierarchieebenen hindurch, erkennbar (Agarwal et
al., 2009, S. 2128).
Dieses Ergebnis führt zu der Erkenntnis, dass es mehr Sinn macht, nicht ein
Coachingmodell für alle Hierarchieebenen anzuwenden, sondern jeweils eines
für jede Hierarchieebene „maßzuschneidern“ (Agarwal et al., 2009, S. 2128).
McGuffin und Obonyo (2010, S. 141-149) ermittelten in einer Fallstudie innerhalb
eines multinationalen amerikanischen Unternehmens, ob und auf welche Weise
Coaching aus der Sicht von Mitarbeitern nützlich und wirkungsvoll sein kann. Sie
versandten Fragebogen an die Angestellten des Unternehmens, von denen 52
schließlich für die Auswertung zur Verfügung standen. 24 Personen hatten an
keinem Coachingprogramm teilgenommen, 32 Mitarbeiter nahmen in einem
Zeitraum von 2000 – 2006 an einem solchen teil. Unter den Angestellten, die an
keinem
Programm
teilgenommen
hatten,
waren
Projektmanager,
Projektingenieure, Betriebschefs usw.
In
der
Vergleichsgruppe
Führungspositionen
inne,
hatten
waren
66
%
CEOs,
der
gecoachten
Direktoren,
Mitarbeiter
stellvertretende
Abteilungsleiter usw. (McGuffin und Obonyo, 2010, S. 145). Es zeigten sich
signifikante positive Auswirkungen des Coachings bei den Mitarbeitern in den
Bereichen:
• Lebensfreude
• Privatleben
• Freundschaft
• geschäftliche Beziehungen
• Bewältigung täglicher Aufgaben
• Entscheidungsfindung
(McGuffin und Obonyo, 2010, S. 146).
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass Coaching Einfluss auf das
Wachstum im persönlichen und beruflichen Bereich nehmen konnte (McGuffin
und Obonyo, 2010, S. 147).
Wenson (2010, S. 607-616) interviewte im Rahmen einer Fallstudie zwanzig
Mitarbeiter von vier Führungskräften, die zuvor ein Coaching erhalten hatten
(Wenson, 2010, S. 608).
52 Zunächst wird eine Übersicht der Ergebnisse präsentiert und diese anschließend
erläutert:
Coaching
Validation
Information
Participation
Time
Counseling
Feedback
Personal
Relationships
Theme 2:
Effects of Management
Creating Safety
Theme 1:
Theme 3:
Management Tools Resulting
in a Motivated Environment
Dept of Communication
Innovation
Creativity
Teamwork
Theme 4:
Phenomenon
Presents itself
Abb. 11: The realized phenomenon (Wenson, 2010, S. 610)
Zum Thema 1 „Motivation“: Wichtig war den Mitarbeitern, von den Managern
wahrgenommen, informiert und ermutigt zu werden, was zu einer Steigerung
ihres Selbstwertgefühls führte (Wenson, 2010, S. 611). 95 % der Teilnehmer
erklärten, wenn ihre Manager ihre Arbeit bewerteten (Wenson, 2010, S. 614),
seien sie mehr motiviert.
Zum Thema 2 „Sicherheit“: Coaching half den Managern, ein Teamgefühl
entstehen zu lassen. Wichtig war den Mitarbeitern, dass sie das Gefühl hatten,
darüber informiert worden zu sein, ob sie sich bei ihren Projekten auf dem
richtigen oder falschen Weg befanden (Wenson, 2010, S. 612).
Zum Thema 3 „Kommunikation“: Die Anzahl der Gespräche mit den
Führungskräften häufte sich, sie erkundigten sich bei Mitarbeitern nach deren
persönlichen Befinden und sind auf Schwierigkeiten der Mitarbeiter bei der
53 Bewältigung von Arbeitsaufgaben unterstützend eingegangen (Wenson, 2010,
S. 613).
Und schließlich als zentrales Thema 4 „Selbstreflexion“: Mitarbeiter nahmen
wahr, dass sich die Führungskräfte über Veränderungen im Umgang mit ihnen
ernsthafte Gedanken machten (Wenson, 2010, S. 613 f.).
Eine
Vielzahl
von
Führungskräften
bejahen
die
Notwendigkeit
in
den
Unternehmen, eine Coachingkultur zu implementieren, wobei sie selbst als
Coaches ihrer Mitarbeiter fungieren wollen (Anderson, Frankovelgia und HernezBroome, 2009, S. 20 ff.).
Aus diesem Grund ist die Studie von Liu und Batt (2010, S. 265-298) hier von
Belang: Liu und Batt untersuchten, wie Führungskräfte durch Coaching die
Performance ihrer Mitarbeiter und damit ihres Unternehmens verbessern können.
Die Studie ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Mitarbeiter eine sehr
homogene Gruppe darstellten, da sie gleiche Funktionen (Telefonservices)
ausübten (Liu und Batt, 2010, S. 275). Es nahmen 2.327 Mitarbeiter teil.
Liu und Batt konnten eine starke und signifikante Auswirkung des Coaching auf
die persönliche Performance der Mitarbeiter festmachen, ebenso, dass die Art
und Weise, wie die Manager ihre Abteilungen führten, Einfluss auf die
individuelle Performance hatte (Liu und Batt, 2010, S. 286 ff.).
Zwischenfazit: Von den bisher gefundenen Ergebnissen seien die Bedeutung des Coaching für
die
Erhöhung
der
Ausgewogenheit
Selbstwahrnehmung
von
Arbeit
und
(self-awareness)
Erholung
und
für
(Work-Life-Balance)
die
der
Führungskräfte hervorgehoben. Ebenso ist von Belang, dass Coaching so die
Effektivität des Unternehmens erhöht, wenn es auf systematische Art und Weise
angewandt wird.
Ein klares Defizit weist der bisherige Forschungsstand bei der Untersuchung des
Verhältnisses
zwischen
dem
Einsatz
von
Coachingprogrammen
für
Führungskräfte und einen mittels unternehmerischer Kennzahlen konkret
ermittelbaren return on investment.
54 3.3
Coaching von Ethik
Unternehmenserfolg
und
Auswirkungen
auf
3.3.1
Ethisch-orientierter Führungsstil und Unternehmenserfolg
den
Peus, Kerschreiter, Frey und Traut-Mattausch (2010a, S. 198-212) untersuchten
den Zusammenhang zwischen einem ethisch-orientiertem Führungsstil und
objektiv messbarem Unternehmenserfolg. Sie erstellten einen Review über
insgesamt elf Studien und werteten deren Ergebnisse aus.
Hinsichtlich der Auswertung im Detail wird auf die Darstellung von Peus (2010,
S. 203 f.) verwiesen2.
Ihrer Auffassung nach ist der ethisch-orientierte Führungsstil geprägt durch:
-
das Bestreben der Führungskräfte in Übereinstimmung mit ethischen
Grundsätzen zu handeln,
diese ethischen Grundsätze ihren Mitarbeitern zu kommunizieren
dass den Führungskräften andere Menschen ein Anliegen sind (Peus et al.,
2010, S. 198 f).
Es sind in den letzten Jahren diverse Führungsstile konzipiert worden, die eine
ethische Perspektive aufweisen, auf die Unterscheidung von Peus et al. (2010a,
S. 201) wird für diese Untersuchung Bezug genommen:
_______________________________________________________________________________________
Key similarities with ethical leadership
Key differences from ethical leadership
_____________________________________________________________________________________________________
Transformational leadership
- Concern for others
- Ethical decision making
- Integrity
- Role modeling
- Ethical leaders emphasize ethical standards,
and moral management (more transational)
- Transformational leaders emphasize vision,
values, and intellectual stimulation
Authentic leadership
- Concern for others
- Ethical decision making
- Integrity
- Role modeling
- Ethical leaders emphasize moral management
(more transactional) and “other” awareness
- Authentic leaders emphasize authenticity and
self-awareness
Spiritual leadership
- Concern for others
- Ethical leaders emphasize moral management
- Integrity
- Spiritual leaders emphasize visioning, hope/
- Role modeling
faith; work as a calling
_____________________________________________________________________________________________________
Abb. 12 Comparison between ethical leadership and transformational, authentic,
and spiritual leadership [(adapted from Brown & Treviño, 2006), Peus et al.,
2010a, S. 201].
2
Vergleiche Anhang 1. 55 Diese Führungsstile sind in den elf ausgewerteten Studien enthalten und werden
inhaltlich unterschieden, jedoch nicht in Bezug auf die von ihnen verursachten,
gemessenen ökonomischen Effekte.
Von
den
elf
ausgewerteten
transformationalem/transaktionalem
Studien
befassen
Führungsstil,
je
sich
eine
mit
sieben
mit
ethischem,
authentischem und spirituellem Führungsstil. In der beschränkten Anzahl der
gefundenen Studien ergibt sich einerseits die so beschränkte Aussagekraft,
andererseits der weitere Forschungsbedarf.
Insgesamt lässt sich die Annahme rechtfertigen, dass ethisch-orientierter
Führungsstil folgende ökonomische Effekte erzielt (Peus et al., 2010a, S. 209):
•
MacKenzie et al., (2001): für einen signifikanten positiven Zusammenhang in
Bezug auf persönliche Verkaufszahlen
•
Barling et al. (1996); Clapp-Smith et al., (2009); Fry Matherly, (2006): dafür,
dass Ziele der Organisation/des Unternehmens erreicht wurden
•
Howell & Avolio, (1993); Peterson et al., (2009): dafür, dass ein bestimmter
Prozentsatz von Zielen erreicht wurde
•
Geyer & Steyrer, (1998): fanden eine Verbesserung in verschiedensten
Produktkategorien im Verhältnis zu den Kunden und dem Marktpotential
•
Rowold & Heinitz, (2007): in Bezug auf den Profit der Branche
•
Keller, (2006): eine Erhöhung der Profitabilität von Produkten, die von
Forschungs- und Entwicklungsteams entwickelt wurden
•
De Hoog et al., (2004): eine Erhöhung der Profitabilität ganzer Unternehmen.
Peus et al. (2010a) wagten es nicht, eine Kausalität zwischen den Resultaten der
Studien und einem ethisch-orientierten Führungsstil aufgrund der kleinen Anzahl
der Studien herzuleiten. Gleichwohl fanden sie die Annahme gerechtfertigt, dass
eher ein Einfluss des ethisch-orientierten Führungsstil auf die Messergebnisse
anzunehmen ist, als umgekehrt.
Forschungsbedarf sehen sie für Untersuchungen im Bereich des ethischen,
authentischen und spirituellen Führungsstils bei der Untersuchung weiterer
Variablen, die eine Beziehung zwischen ethisch-orientierten Führungsstil und
56 Geschäftsergebnissen beschreiben könnten, den Einfluss nationaler Kulturen auf
diesen Führungsstil sowie in einem systematischen Vergleich von verschiedenen
Industrien unter der Anwendung dieses Führungsstils (Peus et al., 2010a,
S. 211 f.).
Eine aufschlussreiche Studie legte Schönborn vor (2010, S. 234-242): An einer
Online-Befragung nahmen 2.273 Personen aus 46 deutschen Unternehmen teil.
Die Resultate belegen, dass das Profil der Variablen der Unternehmenskultur von
erfolgreichen Unternehmen von dem Profil von Unternehmen abweicht, die
weniger erfolgreich sind. Zu den Variablen zählt der Fokus auf Kompetenz,
Engagement und Jobzufriedenheit bei den Mitarbeitern im Vergleich zu weniger
erfolgreichen Firmen. Mitarbeiter scheinen zufriedener und motivierter zu sein,
auf ihre Gesundheit wird mehr geachtet.
Im Gegensatz dazu tendieren die weniger erfolgreichen Firmen, mehr Wert auf
eine höhere Formalisierung von Prozessen und Diversität im Unternehmen zu
legen (Schönborn, 2010, S. 240). Hieraus schließt Schönborn auf einen
Zusammenhang zwischen der Kultur des Unternehmens und dem Erfolg des
Unternehmens (ebenda).
Schließt man sich Schönborns Befunden an, so könnte mit der gebotenen
Vorsicht
folgender
Schluss
gezogen
werden:
Wenn
Coaching
von
Führungskräften Auswirkungen auf die Unternehmenskultur hat (siehe Ziffer
3.2.2
der
Thesis)
und
eine
bestimmte
Unternehmenskultur
–
etwa
mitarbeiterorientiert – Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg, so kann ein
Zusammenhang von Coaching der Führungskräfte auf den Unternehmenserfolg
bejaht werden:
Werden
also
bestimmte
Werte
einer
Unternehmenskultur
erfolgreicher
Unternehmen im Sinne der von Schönborn festgestellten Variablen gecoacht,
ändern die Führungskräfte dadurch die Firmenkultur entsprechend, und so kann
sich der Unternehmenserfolg verbessern.
Wie sehr sich unterschiedliche Wertvorstellungen von Führungskräften auf ihren
Führungsstil und sich auf ihre Bereitschaft auswirken, im Bereich CSR tätig zu
57 werden, zeigt eine aufschlussreiche Studie von Groves und La Rocca (2011,
S. 511 und 520). Sie konnten einen Zusammenhang nachweisen, wonach
Führungskräfte, für die Altruismus, die universalen Menschenrechte und
Kant`sche Prinzipien maßgeblich sind, einen transformationalen Führungsstil
pflegen, eher bereit sind, sich für CSR-Initiativen einzusetzen. Im Gegensatz
dazu stehen die Führungskräfte, die sich an dem Konzept des Utilitarismus
orientieren. Diese bevorzugen einen transaktionalen Führungsstil und stehen
CSR – die Vertreter des Handlungsutilitarismus mehr, die Vertreter des
Regelutilitarismus weniger – eher ablehnend gegenüber (Groves und La Rocca,
2011, S. 520 ff.).
3.3.2
Ethisches Verhalten von Führungskräften
Auswirkungen auf das Mitarbeiterverhalten
und
ihre
Tanner, Brügger, van Schie und Lebherz (2010, S. 225-233) entwickelten zur
Untersuchung des ethischen Verhaltens von Führungskräften einen „Ethical
Leadership Behavior Scale“ (ELBS) (Tanner et al., 2010, S. 229).
Mittels des ELBS ließen sie in einem ersten Schritt das ethische Verhalten von
Führungskräften durch 592 Angestellte in 110 Arbeitsgruppen beschreiben und in
einem zweiten Schritt die Haltung der Angestellten und deren Arbeitsergebnisse
ermitteln (Tanner et al., 2010, S. 228). Wie angenommen, konnten durch ELBS
positive Vorhersagen zur Arbeitszufriedenheit, Bekenntnis zur Arbeit (affective
commitments) und Arbeitseinsatz getroffen werden.
Hingegen gab es keinen direkten Zusammenhang zwischen ethischem
Führungsverhalten und Gesundheitsproblemen und emotionaler Erschöpfung der
Mitarbeiter, aber indirekte Auswirkungen über verschiedene Variablen zum
Thema „Einstellung zur Arbeit“ (Tanner et al., 2010, S. 231 f.).
Das ethische Verhalten der Führungskräfte hatte in jedem Fall einen direkten
Einfluss auf die Häufigkeit von Absenz von Mitarbeitern (Tanner et al., 2010,
S. 232).
Das von Tanner et al. entwickelte ELBS kann sowohl als diagnostisches
Instrument zur Messung des ethischen Verhalten von Vorgesetzten als auch zum
58 Training von ethischem Verhalten eingesetzt werden (Tanner et al., 2010,
S. 232).
3.3.3
Ethische Führung und ihr Einfluss auf die Attraktivität des
Unternehmens als Arbeitgeber
Strobel, Tumasjan und Welpe (2010, S. 213-224) befassen sich mit der Frage, ob
und auf welche Weise sich ethischer Führungsstil auf die Attraktivität eines
Unternehmens aus der Sicht der Mitarbeiter auswirken könnte.
Hierbei setzten sie das von Tanner et al. entwickelte ELBS (Strobel et al., 2010,
S. 216) in zwei Studien ein. In der ersten Studie, an der 85 Studenten zweier
deutscher Universitäten einen Fragebogen auszufüllen hatten, wurden für fünf
Faktoren signifikante Auswirkungen ermittelt (Strobel et al., 2010, S. 216):
•
•
•
•
•
Generelle Attraktivität des Unternehmens
Ansehen des Unternehmens
Interesse an der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses
Fähigkeit der Führungskraft, eine Vision aufzuzeigen und diese zu
formulieren
Innovationsfreudigkeit der Unternehmen
In der zweiten Studie, einer Online-Befragung von 617 Studenten einer großen
deutschen Universität, wurde wiederum das ELBS eingesetzt. Die Teilnehmer
hatten das ethische Verhalten anhand eines hypothetischen Szenarios zu
bewerten. Die Ergebnisse bestätigten den Befund der ersten Studie, ergänzt um
den Faktor „persönlicher Stress“, bei dem ebenfalls ein positiver Zusammenhang
mit der ethischen Führung von Führungskräften festgestellt werden konnte
(Strobel et al., 2010, S. 218).
Zwischenfazit:
Auffallend ist, dass die Untersuchung von Peus et al. (2010a, S. 198-212) – wie
viele andere auch – sich zwar mit dem ethischen Verhalten von Führungskräften
und seinen Auswirkungen befasst, aber nicht damit, wie dieses Verhalten gelernt,
gefördert, trainiert und ausgebildet werden kann. Soweit ersichtlich, gibt es keine
empirische Studie zu den möglichen Effekten des Coaching von Ethik bei
Führungskräften auf sie selbst und das Unternehmen. Hier tut sich ein weiteres
Feld für die zukünftige Forschung auf.
59 3.4
Die Bedeutung des Coaching von Führungskräften für
mittlere und kleinere Unternehmen
Die bislang untersuchten Studien bezogen sich – soweit dies anhand des
untersuchten Materials feststellbar war – auf große Unternehmen und
Organisationen. Zu untersuchen, ob die gefundenen Untersuchungsergebnisse
in jeder Hinsicht auf mittlere und kleine Unternehmen zutreffen, würde für diese
Arbeit zu weit führen. Wegen der Bedeutung der Frage sollen zumindest zwei
Untersuchungen nicht unerwähnt bleiben:
Peel (2008, S. 1-18) weist zurecht daraufhin, dass es nach Angaben der
Europäischen Kommission in Europa ca. 20,5 Millionen Unternehmen gibt, die
122 Millionen Menschen beschäftigen [Stand 2003]. 99,8 % von diesen Firmen
sind mittlere und kleine Unternehmen (Peel, 2008, S. 1 f.).
Die
Europäische
Kommission
versteht
unter
kleineren
und
mittleren
Unternehmen solche, die weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen und einen
Umsatz von weniger als 50 Millionen englische Pfund erzielen (Peel, 2008, S. 2).
Die Besonderheit derartiger Firmen liegt unter anderen darin, dass sie nicht etwa
große Firmen im Kleinen abbilden, sondern jeweils einzigartig sind (Peel, 2008,
S. 3). Peel verweist auf Voruntersuchungen, die keinen Zusammenhang
zwischen Training und einer Performanceverbesserung bezogen auf Überleben
am Markt, Anstieg der Verkaufszahlen und Profitabilität finden konnten (Peel
ebenda).
Dies wird zum einen auf die fehlende Forschung, zum anderen auf die schiere
Anzahl der Variablen zurückgeführt, die Untersuchungen hierzu erschweren oder
gar unmöglich machen. Hinzu kommt die Besonderheit, dass das Management in
kleinen Firmen nicht von der Motivation und Handlungen der Eigner getrennt
werden kann, zudem sei der Führungsstil häufig „autocratic, egocentric,
impulsive and often unpredictable“ (Peel, 2008, S. 4).
Peel untersuchte zehn Unternehmen (Peel, 2008, S. 10): Soweit in diesen
Firmen Vorbehalte gegen Coaching gefunden wurden, wurden sie mit den
beschränkten finanziellen Möglichkeiten und mit Zweifeln daran, dass Coaching
zu einem ROI führen kann, begründet (Peel, 2008, S. 9/10). Hier bedarf es
60 offensichtlich noch erheblicher Aufklärung über die Vorteile von Coaching und
Training zur Steigerung der Produktivität in den Unternehmen: Würde es durch
Coaching und Training zu einer Steigerung von nur 1 % der Produktivität
kommen, so wäre angesichts der großen Zahl dieser Unternehmen die
Auswirkungen auf die Volkswirtschaft enorm, was Peel`s Rechenexemplar für
Großbritannien veranschaulicht (Peel, 2008, S. 11).
Bei der zweiten, hier vorgestellten Studie handelt es sich um die von Ling,
Simsek, Lubatkin und Vega. Sie untersuchte den Einfluss von CEO´s mit
transformationalem Führungsstil auf die Performance von kleineren und mittleren
Unternehmen (Ling et al., 2008, S. 923-934) bei 121 Unternehmen. Sie konnten
einen signifikanten positiven Effekt auf die Performance des Unternehmens
objektiv feststellen (Ling et al., 2008, S. 928 ff.).
3.5
Zur Evaluation von Coaching
Wie unterschiedlich die Ansätze zur Evaluation von Coaching in der Forschung
bislang waren, belegen die in Kapitel 3 vorgestellten Studien. Zusätzlich sind
wegen
der
feststellbaren
Schwierigkeiten
bei
der
Evaluation
folgende
ergänzende Anmerkungen angebracht:
Levenson (2009, S. 106 f.) nimmt die Untersuchungen von Olivero et al. (1997,
S. 461-469) und Bowles et al. (2007, S. 388-408) zum Anlass, festzustellen, dass
der Erfolg von Coaching auch anhand von harten Messgrößen direkt ermittelbar
ist und nicht nur indirekt, wie die meisten Studien zeigten.
Nach Levenson (2009, S. 105) leiden fast alle Studien an dem Mangel, dass
ihnen keine echten Feldversuche unter randomisierten Bedingungen zugrunde
gelegt waren, so dass nicht entschieden werden könne, ob die festgestellten
Änderungen auf das Coaching selbst oder aber auf andere Einflüsse wie
Trainings, Performance Management, Teambuilding-Prozesse und ähnliche
Maßnahmen der Personalentwicklung zurückzuführen sind.
Levenson weist in seiner Studie (2009, S. 103-121) ausdrücklich darauf hin, dass
bisherige Untersuchungen zu den Auswirkungen des „Coaching“ – im Gegensatz
zu den Untersuchungen für die Bereiche „Job und Team-Design“ – die
61 Rollenkomplexität und Interdependenz zu wenig berücksichtigt hätten, was aber
– wie seine Untersuchungen zeigten – erforderlich gewesen wäre:
„What is important for coaching impact measurement is that the context within
which the executive operates dictates their behaviors necessary for the executive
to positively impact business results. Including information on the business
context and the associated actions and behaviors as part of the measurement
approach is recommended for future evaluation efforts.” (Levenson, 2009,
S. 117).
Unter dem Vorbehalt, die durch die geringe Fallzahl eingeschränkte Aussagekraft
seiner Studie, gelangt er zu folgenden Ergebnissen (Levenson, 2009, S. 118):
- Ein direkter Einfluss des Coaching auf den Geschäftserfolg kann in den Fällen
angenommen
werden,
in
denen
Führungskräfte
unmittelbar
auf
Gruppenprozesse einwirken, um so vorgegebene Geschäftsziele zu erreichen.
- In den Fällen, in denen kein direkter Zusammenhang zwischen Coaching und
möglichen Auswirkungen auf den Geschäftserfolg gefunden werden konnten,
diente Coaching mehr dem Zweck der persönlichen Entwicklung der
Führungskraft, als dem Ziel, bestimmte Geschäftsergebnisse zu erreichen.
- Die Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten der Führungskraft könnte sich
positiv auf den Erfolg auswirken, wenn es darum geht, zukünftig neue Rollen
zu besetzen und auszufüllen. In diesen Fällen könnte eine indirekte
Auswirkung des Coaching auf Geschäftsergebnisse bejaht werden (Levenson,
ebenda).
- Es sei zu berücksichtigen, dass die von ihm herangezogenen Daten auf
Selbstbeobachtungen der interviewten Personen beruhten, so dass die Gefahr
von Wahrnehmungsverzerrungen (biases) der Interviewpartner bestünden.
- Analysen,
die
nur
„harte
Fakten“
heranzögen,
hätten
hingegen
Schwierigkeiten, einen validen statischen Zusammenhang zwischen Coaching
und Geschäftsergebnissen herzustellen.
62 - Es sei deshalb sinnvoller, sowohl „harte Fakten/harte Zahlen“ als auch
Berichte in Form von Selbstbeobachtungen bei der Evaluation und Validierung
von Coaching heranzuziehen (Levenson ebenda).
Noch vertiefender befassen sich anderen Autoren mit der Problematik:
Ely et al. (2010, S. 585-599) nahmen die aktuelle Diskussion über die geeigneten
Methoden zur Evaluation zum Anlass und erstellten einen Review hierüber. Sie
untersuchten insgesamt 49 empirische Studien (Ely et al., 2010, S. 593), die bis
auf drei zum Untersuchungszeitpunkt veröffentlicht waren. Die veröffentlichten
Studien wurden über die Datenbanken PsycInfo und ProQuest aufgefunden (Ely
et al., ebenda). Da im Rahmen dieser Thesis sämtliche Studien über die
Datenbanken
Business
Source
Complete,
PsycINFO,
PsycARTICLES,
PsycBOOKS, PSYNDEX und Business Source Premier eruiert worden sind, wird
daraus geschlossen, dass diese Studien von dem Review von Ely et al. erfasst
wurden. Ely et al. haben die von ihnen begutachteten Studien nicht in einer
namentlichen Liste erfasst (Ely et al., ebenda).
Unter ihnen fanden sich zwanzig Studien, die peer-reviewed waren, sechs
Studien, die nicht peer-reviewed waren sowie zweiundzwanzig Dissertationen
und eine Konferenzpräsentation (Ely et al., 2010, S. 594).
Deren Methoden zu Evaluation, die Datenquellen, die Art der Datenerfassung
und das Design werden in der folgenden Übersicht deutlich:
Table 4
Evaluation methodologies, datasources, data analysis approach and experimental
designed used in leadership coaching studies
__________________________________________________________________
Frequency
Percentage
Evaluation methodology
Case study
7
14%
Interview
24
49%
Survey
33
67%
Data source
Self-report
Subordinates
Peers
Superiors
Coach
48
10
8
12
6
98%
20%
16% 24%
12%
63 __________________________________________________________________
Frequency
Percentage
Data analysis approach
Interpretational anaylsis
23
47%
Descriptive statistics
34
69%
Inferential statistics
16
33%
Experimental design
Pre/post comparison
14
29% Control group
7
14%
__________________________________________________________________
Note. Percentages are based on total number of studies (N=49)
Abb. 13: Evaluation methodologies (Ely et al., 2010, S. 595)
Es zeigt sich, dass die Umfragen mit 67 %, die Selbstbeurteilungen mit 98 %
herausragen. Der Vorhalt Levensons (2009, S. 103-121) wird bestätigt: In nur
14 % der Studien wurde mit Kontrollgruppen gearbeitet.
Die Arbeit von Ely et al. (2010, S. 595) belegte den in der Thesis in Ziffer 3.2.1
erwähnten Mangel an Studien zum „Return on Investment“ von Coaching: Hinsichtlich der einzelnen Auswertung der in der Thesis vorgestellten Studien
wird auf die tabellarische Übersicht in Anhang 3 verwiesen.
Table 5
Evaluation criteria assessed in leadership coaching studies
__________________________________________________________________
Frequency
Percentage
Trainee reactions
Satisfaction with coaching
13
27%
Perceived coaching effectiveness
24
49%
Cognitive learning
Self-awareness
Cognitive flexibility
11
3
22%
7%
Affective learning
Self-efficacy
Job satisfaction
11
5
22%
10%
Behavior
Assessment of goal progress
Self-report
Other-report
Engagement in key behaviors
Self-report
Other-report
20
20
5
42
40
14
41%
41%
10%
86%
82%
29%
Results
Retention
2
4%
ROI
5
10%
________________________________________________________________
Note. Percentages are based on total number of studies (N=49)
Abb. 14: Evaluation criteria (Ely et al., 2010, S. 595)
64 Ely et al. (2010, S. 596 f.) geben folgende Empfehlungen ab, denen sich
angeschlossen wird:
• Die Bemühungen um Evaluation sollen die Daten von mehreren Quellen
berücksichtigen.
Insbesondere
sollten
bei
der
Beurteilung
von
Verhaltensänderungen Multisource Daten von Mitarbeitern, Kollegen und
Vorgesetzten verwendet werden (was hier als 360° Multisource Feedback
verstanden wird), um die Auswirkungen auf den Geschäftserfolg besser
beurteilen zu können.
• Führung wird als sozialer Einfluss verstanden, der die Berücksichtigung der
Mehrperspektivität
der
Coachingeffekte
erfordert,
was
unter
anderem
Veränderungen der Einstellung und der Performance der Beteiligten zum
Inhalt hat.
• Die Evaluation sollte berücksichtigen, dass sich manche Coachingeffekte erst
nach Monaten oder gar nach Jahren zeigen (Ely et al., 2010, S. 596 f.).
Schreyögg (2011, S. 89-96) schließt sich der Kritik von Ely et al. an und vertritt
die Ansicht, dass „letztlich nur solche Effekte in Organisationen solide erfasst
werden, die umfassend standardisierbar sind, bei den Ausgangs- und
Endzustand sowie die Transformationsschritte technologisiert und damit genau
zu bestimmen sind“ (Schreyögg, 2011, S. 94).
Abgesehen davon, dass Schreyögg nicht genau ausführt, was sie mit Anfangsund Endzustand genau meint, stellt sich allerdings die Frage, ob die
„Technologisierung“ unbedingt erforderlich ist: Schließlich belegen die im
3. Kapitel der Thesis besprochenen Studien zumindest indirekt regelmäßig
positive Effekte, was nach der hier vertretenen Ansicht auch für die ethischen
Maßnahmen im Unternehmen gilt.
Priddat (2009, S: 341-357) meint dazu zu Recht, dass der „net profit“ ethischer
Konzepte nicht wirklich darstellbar sei, und es doch nicht allein darum gehen
kann, die Kosten vor dem Controlling zu rechtfertigen (Priddat, 2009, S. 344). 65 Was die Evaluation von Coaching noch zusätzlich erschwert, ist folgender
Umstand:
Viele
der
Studien,
die
sich
mit
Multisource
Feedback
als
Personalentwicklungsinstrument befassen oder Multisource Feedback zur
Evaluation zur Ermittlung von Coachingeffekten einsetzen, sehen Multisource
Feedback zu unkritisch: Etwa Smither et al., (2005a, S. 58), Hooijberg und Lane
(2009, S. 486/488, 491) oder Jones, Rafferty und Griffin (2006, S. 586): „The use
of 360-degree feedback is one of the best methods to promote increased selfawareness of skill strengths and deficiencies“.
Dies wird von Koonce (2010, S. 21 ff.), Schreyögg (2011, S. 91) und
insbesondere Nowack (2009, S. 280-297) kritisch gesehen, denn es können zum
Coaching Umstände eintreten, die beinflussende Faktoren sind, wie der Eintritt
neuer
Mitarbeiter
oder
parallel
durchgeführte
Maßnahmen
der
Personalentwicklung, wie Training und spezielle Fortbildungen.
Zwischenfazit:
Die Schwierigkeiten der Evaluation sind kein starkes Argument gegen den
Einsatz von Coaching, sondern eine Herausforderung, hier weiter zu forschen,
wobei im Zweifel der Ansicht von Priddat der Vorzug gegeben werden sollte:
Denn nicht alles was Wirkung zeigt, kann gemessen werden.
Es ist Levenson (2009, S. 119) zuzustimmen, vorab die Gründe zu analysieren,
die auf die Performance der Führungskraft und deren Abteilung einwirken, um
entscheiden zu können, ob
- Coaching zur Behebung des Problems ungeeignet ist,
- Coaching
mit
anderen
Interventionen
der
Personal-
und/oder
Organisationentwicklung eingesetzt werden sollte oder aber, ob
- Coaching als das Mittel der Wahl gilt, weil in ihm das größte Potential
innewohnt, die Lösung des anstehenden Problems anzugehen.
Da es nicht der Alltagserfahrung entspricht, dass Führungskräfte ausschließlich
gut qualifiziert und hoch motiviert sind, nennt Wasylyshyn (2003, S. 104) die aus
66 ihrer Sicht maßgeblichen Kategorien für die Entscheidung von Unternehmen, wer
gecoacht werden sollte:
•
Erfolgreiche Führungskräfte und andere Mitarbeiter mit hohem Potential.
Diese Personen haben in der Regel keine Performanceprobleme, sie sind
generell an ihrer eigenen Entwicklung und der Fortentwicklung als
Führungskraft
interessiert.
Sie
schätzen
den
Wert
einer
offenen
Kommunikation mit dem Coach und wüschen kontinuierliches Feedback.
Hier
empfiehlt
Wasylyshyn
ein
kundenorientiertes
1:1
Führungs-
kräftecoaching.
•
Führungskräfte, die „möglicherweise aus dem Ruder laufen“.
Hier gibt es im Bereich der Performance Schwierigkeiten, die jedoch nicht so
schwerwiegend sind, dass Vorgesetzte und das Personalmanagement der
Ansicht sind, dass man sich über den Erhalt der Führungskraft im
Unternehmen Gedanken machen sollte. Hier würde es sich eventuell
anbieten, als Instrument besser ein Performancemanagement einzusetzen.
•
Führungskräfte, die „bereits aus dem Ruder gelaufen sind“.
Wegen der in diesen Fällen häufig anzutreffenden, vom Coach nicht zu
lösenden
negativen
Schwierigkeiten
im
Grundeinstellung
Auftritt,
bietet
der
es
Führungskraft
sich
eher
an,
und
über
deren
eine
Ausscheidensvereinbarung zu verhandeln und sich von dieser Führungskraft
zu trennen (Wasylyshyn, 2003, S. 105).
3.6
Diskussion der Ergebnisse
Das von Levenson (2009, S. 108) entwickelte und zu Anfang des Kapitel 3
vorgestellte Bezugssystem (vgl. Abb. 6) kann nicht nur zur Darstellung der
Wechselwirkungen des Coaching in der komplexen Struktur eines Unternehmens
verwandt werden, sondern zudem, um gezielt innerhalb dieser Struktur
auftretende Defizite zu ermitteln und damit Coaching gezielt zu deren Behebung
einzusetzen (Levenson, 2009, S: 109). 67 Zusammenfassend lässt sich statuieren, dass Coaching von Führungskräften auf
sie selbst, auf Mitarbeiter und Unternehmen positive Auswirkungen hat (vgl. Ziffer
3.1 und 3.2). Ebenso ist belegbar, dass ethisches Verhalten von Führungskräften
im Unternehmen von Relevanz ist (vgl. Ziffer 3.3) und Schwierigkeiten bei der
Evaluation des Coaching (vgl. Ziffer 3.5) kein starkes Argument sind, die gegen
den Einsatz von Coaching sprechen. Vorbehalte von Inhabern und Chefs kleiner
und
mittlerer
Unternehmen
könnten
durch
Information
und
Aufklärung
überwunden werden (vgl. Ziffer 3.4).
Es
bleibt
noch
zu
untersuchen,
ob
die
verschiedenen
Stakeholder
unterschiedliche Erwartungen und Anforderungen an das Coaching haben:
4
Erwartungen und Anforderungen an das Coaching
So unterschiedlich die Aufgaben sind, welche mit Hilfe des Coaching besser
bewältigt werden sollen, so unterschiedlich sind auch die Anforderungen, die an
das Coaching von Führungskräften gestellt werden. Mit dem Wechsel der
Perspektive ändert sich in der Regel auch die entsprechende Erwartungshaltung
der Beteiligten und damit auch die Anforderungen, die an das Coaching gestellt
werden:
Nachfolgend werden die Erwartungen aus der Sicht der Führungskräfte (4.1), aus
der Perspektive der nachgeordneten Mitarbeiter (4.2), in der Wahrnehmung
Dritter (4.3) sowie aus dem Blickwinkel der Unternehmenseigner (4.4) untersucht
und die Ergebnisse festgehalten (4.5):
4.1
Zur
Aus der Sicht der Führungskräfte
Beurteilung
kräften
wird
herangezogen,
zunächst
die
eine
das
Befragung
Center
for
von
3.400
Creative
FührungsLeadership
(ccl.org/leadership/research/history/index.aspx), eine Nonprofit-Einrichtung in den
USA, und Cylint, eine
amerikanische Coachingfirma, durchführen ließen:
Anderson, Frankovelgia und Hernez-Broome (2009, S. 20 ff.) werteten diese
Untersuchung aus und ermittelten fünf Schwerpunkte in folgender Rangfolge:
68 (1) Einsatz von Führungskräften als Vorbilder zur Implementierung einer
Coachingkultur im Unternehmen:
69 % der Befragten empfehlen, Führungskräfte und Manager in Coaching
selbst auszubilden. 72 % empfehlen den Einsatz dieser so ausgebildeten
Kräfte, um im Unternehmen einen Kaskadeneffekt auszulösen, da derartige
Führungskräfte als Vorbilder im Unternehmen fungieren könnten. 35 % der
Befragten wünschen sich, dass Führungskräfte individuell gecoacht werden.
(2) 51 % der Befragten befürworten, dass die Coachingkultur im Unternehmen
mit dessen strategischen und taktischen Zielen abgestimmt werden sollte.
(3) 46 % der Befragten empfehlen, ihre Führungsmannschaften zur Frage der
Umsetzung in der Unternehmenskultur selbst zu coachen.
(4) Für 43 % war es wichtig, dass gelerntes Coaching-Verhalten im
Unternehmen explizit wahrgenommen und belohnt werden sollte, um so die
Nachhaltigkeit einer implementierten Coachingkultur zu gewährleisten.
(5) Coaching sollte nach Ansicht von 43 % mit anderen Lern-, Entwicklungs- und
Managementprozessen integriert werden.
Die befragten Führungskräfte versprachen sich von einem derartigen Einsatz
folgenden intangiblen Nutzen:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Höheres Engagement der Mitarbeiter
Höhere Zufriedenheit mit der Arbeit als solche und mehr Moral
Verbesserte Zusammenarbeit
Verbessere Teamarbeit
Besserung der Arbeitsverhältnisse im Allgemeinen
Mehr Gemeinschaftsgeist
Verbesserte Fähigkeit, Strategien umzusetzen
Stärkere Mitarbeiterbindung an das Unternehmen
Erhöhung der Anpassungsfähigkeit bei Change-Prozessen
(Anderson, Frankovelgia und Hernez-Broome, 2009, S. 22).
69 Einen anderen Ansatz hat Stevens gewählt (2005, S. 274 und 276), der sieben
Topmanager (CEO`s) ausführlich interviewte. Das Ergebnis seiner Befragung
wird nachfolgend auszugsweise wiedergegeben.3
„Q1: Definition/purpose of EC
To help the CEO and/or president…
• Gain a deeper, broader, clearer understanding of the issues they contend
with in their role;
• Shape and set the tone or ethos of the organization [Hervorhebung
durch den Verfasser]; and
• Say and do necessary but difficult things in the right way.
Q2: Why engage in EC
• To have a sounding board that challenges and sharpens one`s thinking;
• For self-improvement; to strengthen one´s ability to meet the
responsibilities of the position; and
Q3: “Ingredients” of an effective EC engagement
Coach-centered:
• Authentic, genuine, and ethical in personal character [Hervorhebung
durch den Verfasser]; respectful in demeanor; possessing a smart,
insightful perspective; and
• Capable of listening to what is said and to what is meant.
Executive-centered:
• Willingness to consider issues from a different point of view;
• Openness to influence; willingness to be helped;
• Capable of trusting another person and engaging in honest, open
dialogue; and
• Psychologically mature and healthy.
Context-centered:
Q10: Training and preparation of the coach
• Needs a theoretically sound foundation in human psychology and social
systems;
• Needs a familiarity and comfort with the business environment and
context;
• Needs a ability to see and work with organization design/structure
problems; and
• Needs to have a real-world understanding.
Dies zeigt, dass es um die Frage des ethischen Handelns in Unternehmen geht
(vgl. Frage Q1) und darum, einen Gesprächspartner zu finden, der intellektuell
ebenbürtig (vgl. Frage Q2) sowie authentisch und unverfälscht ist. Er sollte über
einen ethischen Habitus verfügen sowie in der Lage sein, die Dinge aus
verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Schließlich sollte der Coach über
3
Die Fragen 1 bis 10 werden mit Q1 bis Q10 wiedergegeben, die Überschrift enthält jeweils die Definition und den Zweck des Executive Coaching (EC), der komplette Frageboten ist im Anhang 2 wiedergegeben. 70 fundierte Kenntnisse (vgl. Frage Q10) der menschlichen Psychologie und über
eine realistische Weltsicht verfügen.
Spitzenmanager von 55 Unternehmen – überwiegend aus den USA und teilweise
aus Europa – beantworteten die Fragen von McDermott et al. (2007, S. 236)
nach den von ihnen gewünschten Eigenschaften eines Coaches:
Sie messen auf einer Skala von 1 – 7 [1 weniger wichtig – 7 sehr wichtig] die
größte Bedeutung einer eigenen früheren Führungserfahrung seitens des
Coaches (6.2) zu.
Fast den gleichen Stellenwert hatte die allgemeine Erfahrung im Wirtschaftsleben
(6.1), gefolgt von früheren Coachingerfahrungen im eigenen Unternehmen (5.8).
Weniger Wert wurde auf einen Universitätsabschluss in Psychologie seitens des
Coaches gelegt (4.8) (McDermott et al., 2007, S. 36).
Wasylyshyn (2003, S. 94-106) sieht das etwas anders, sie hält eine Promotion in
Psychologie für indiziert (2003, S. 105). Hier stellt sich die Frage, ob dies nicht
damit zusammenhängt, dass Wasylyshyn Doktor der Psychologie ist. Ein Bias?
Wohl ja: Diese Überlegungen werden gestützt durch die Ermittlungen von
Feldman und Lankau (2005, S. 832 f.) unter Hinweis auf den Review von
Garman, Whiston und Zlatoper [2000], (Feldman und Lankau, 2005, S. 833)
sowie von den Befunden von Bono et al., (2009, S. 361-404).
Die Auswertungen von Stevens (2005, S. 274 ff.) und McDermott et al. (2007, S.
36) zeigen, welche Prioritäten Manager bei den Anforderungen an einen Coach
setzen:
•
Erfahrung
•
„Critical thinking“
•
Authentizität
•
Fähigkeit zum Perspektivenwechsel
•
kompetenter Gesprächspartner zu sein
•
ethischer Charakter
71 Dabei ist die Dauer und Qualität der Beziehung, die zwischen Coach und
Führungskraft im Coachingprozess entsteht, eine moderierende Variable: Je
besser die Arbeitsbeziehung ist, desto höher ist die Self-Efficacy der
Führungskraft, wie Baron und Morin (2009, S. 85-106) anlässlich einer
empirischen
Untersuchung
anhand
von
31
dyadischen
Coach-Coachee
Paarungen feststellen konnten.
Überraschenderweise sind für den Erfolg eines Coaching eher die von den
Führungskräften verlangten Eigenschaften und Fähigkeiten eines Coaches und
die Qualität der Arbeitsbeziehung maßgeblich, als die vom Coach gewählte
Herangehensweise oder Technik (Kilburg, 2004, S. 203-213). Kilburg zieht hier
das Verhältnis von Therapeut und Klienten betreffend, einen Vergleich zu den
empirischen Erkenntnissen aus dem Bereich der Psychotherapie:
„I find it somewhat ironic, intellectually puzzling, and paradoxically reassuring that
after a century of trying to specify the effectiveness of psychotherapy, the field
now finds itself dealing with the major empirical conclusion that the differences
between approaches would appear to be nil but nevertheless positive for patients
across problem conditions.” (Kilburg, 2004, S. 207)
Es gibt keine Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass dies im Verhältnis
zwischen Coach und Coachee anders sein sollte (Kilburg, 2004, S. 210).
Aus der Sicht des Verfassers – der über 20 Jahre Erfahrung in der Beratung von
Mandanten verfügt – ist es erstaunlich, dass in den beiden Studien von Stevens
(2005, S. 274 ff.) und McDermott et al. (2007, S. 36) der Begriff „Vertrauen“ nicht
auftaucht. Zwar ist von Vertraulichkeit (vgl. Frage Q6, S. 275 bei Stevens) die
Rede, was an sich schon selbstverständlich ist, nicht jedoch von „Vertrauen“, was
als Basis für einen gelingenden Coachingprozesses dient. Möglicherweise ist
dies für die Führungskräfte eine so offensichtliche Voraussetzung, dass es keiner
ausdrücklichen Erwähnung von ihnen bedarf.
Was die unterschiedliche Methodik des Coaching betrifft, so wird zunächst auf
die Ausführungen in Ziffer 2.3.3 der Thesis und den Artikel von Segers et al.
(2011, S. 216 f.) verwiesen. Feldman und Lankau (2005, S. 839) wählen
demgegenüber einen etwas anderen Ansatz, was der Vollständigkeit wegen
erwähnt wird:
72 Summary of Coaching Approaches
___________________________________________________________________________________________________
Approach
to Coaching
Focus
Elements of Intervention
Criteria for Evaluation
___________________________________________________________________________________________________
Psychodynamic
Client`s unconscious
Psychoanalysis-uncovering gap
Increased self-awareness
approach
thoughts and interbetween ideal „ego“ and reality;
of thoughts, feelings,
nal psychological
defense mechanisms; transferand reactions
states
ence; counterfransference; family dynamics
Behaviorist
Client`s observable
Behavioral principles-intrinsic
Increased understanding
approach
behaviors
and extrinsic reinforcement; priof antecedents and
mary and secondary reinforceconsequences of
ment; positive and negative reinbehavior; behavior
forcement; punishment
change
Person-centered
Client`s self-underCreating a trusting and empathic
Personal growth and
approach
standing without
therapeutic relationship
change
direct intervention
by coach
Cognitive therapy
Client`s conscious
Cognitive therapy-identification
New thinking that leads
approach
thinking
of distorted thinking and irratioto positive feelings and
nal thoughts
effective behavior
Systems-oriented
Individual, group
Data gathering and analysis of cliImproved job, group, and
approach
and organizational
ent`s interactions with other inorganizational effecinfluences on clidividuals; requirements of role,
tiveness
ent`s behavior
group, and intergroup relations;
direct intervention within the organization
___________________________________________________________________________________________________
Abb. 15: Coaching Approaches (Feldman und Lankau, 2005, S. 839)
Die feineren Unterschiede zwischen dem Modell von Segers et al. und
Feldman/Lankau herauszuarbeiten, würde hier zu weit führen.
4.2
Aus der Perspektive der nach geordneten Mitarbeiter
Karnes (2009, S. 189, 194) zeigt unter Bezugnahme auf frühere Untersuchungen
auf, dass Mitarbeiter sich echte Beziehungen, echte Netzwerke und wirkliche
Führungskräfte
wünschen.
Aus
ihrer
Sicht
sollten
Führungskräfte
über
emotionale und soziale Intelligenz verfügen, wodurch ein Arbeitsklima geschaffen
wird, in dem Informationen geteilt, Vertrauen entsteht, ein gesundes Maß an
Risikofreude herrscht und Lernen möglich ist (Karnes, ebenda). Dies würde dazu
führen, dass Unternehmen nicht nur über bloß zufriedene, sondern über hoch
motivierte Mitarbeiter verfügen könnten (Karnes, ebenda).
Karnes verweist an dieser Stelle auf eine Untersuchung von Sirota et al.
(2005 b), welche zu der Empfehlung gelangt, den Mitarbeitern „das zu geben,
was sie wollen“ (zit. Sirota et al. 2005 b), „weil es häufig mit dem übereinstimmt,
was Unternehmen wollen“ (Karnes, 2009, S. 194).
73 Die von Karnes erwähnte Studie von Sirota et al. (2005 b) gelangte zu der
Erkenntnis, dass es vier Gründe für Mitarbeiter gäbe, auf ihr Unternehmen stolz
zu sein:
•
•
•
•
auf den finanziellen Erfolg des Unternehmens
auf die Effizienz, mit der im Unternehmen gearbeitet wird
auf die Produkte des Unternehmens, deren Nützlichkeit, Besonderheit und
Qualität
auf die Beschaffenheit der Moral im Unternehmen (Karnes, ebenda).
Mitarbeiter wünschen sich darüber hinaus, dass
•
•
•
sie gleich und damit gerecht behandelt werden, was die grundsätzlichen
Arbeitsbedingungen angeht (Bezahlung, Vergünstigungen, Sicherheit des
Arbeitsplatzes, respektvolle Behandlung),
von ihnen erreichte Leistungen im Unternehmen erkannt und anerkannt
werden,
zwischen ihnen untereinander warmherzige, wechselseitig interessierte und
von Kooperation geprägte Beziehungen herrschen (Karnes, 2009, S. 195;
Groves und LaRocca, 2011, S. 513).
Cacioppe, Forster und Fox (2008) zeigen auf, dass die Überzeugungen von
Führungskräften bezogen auf die Ethik des Unternehmens einen direkten
Einfluss auf Mitarbeiter und deren ethische Einstellungen ausüben. Dies betrifft
etwa Ehrlichkeit, Respekt und Vertrauen.
Das geht schließlich so weit, dass das ethische Verhalten und die Haltung der
oberen
Führungskräfte
maßgeblich
das
ethische
Klima
des
ganzen
Unternehmens und seiner Mitarbeiter beeinflussen (Cacioppe, Forster, Fox,
2008, S. 684 f.).
Dieser Befund wurde von Groves und LaRocca bestätigt. Führungskräfte, die
einen transformationalen Führungsstil pflegen, beeinflussen die Wertvorstellung
ihrer Mitarbeiter und steuern einen Wechsel im Unternehmen, wenn sie Werte
wie Ehrlichkeit, Loyalität und Fairness fördern und damit hervorheben, dass
Gerechtigkeit, Gleichheit und die Wahrung der Menschenrechte letztendlich
maßgeblich sind (Groves und LaRocca, 2011, S. 514).
74 4.3
In der Wahrnehmung Dritter
Eine unmittelbare Erwartung Dritter, wie Kunden oder Investoren, an das
Coaching von Führungskräften, ist schwerlich feststellbar. Es entstehen aber
zunehmende Erwartungen von Kunden an das ethische Verhalten von
Unternehmen selbst. Führt man sich die soeben aufgezeigten Auswirkungen des
ethischen Verhaltens und der ethischen Einstellung der Führungskräfte auf die
Mitarbeiter und damit auf das Unternehmen erneut vor Augen, so wird der
Zusammenhang deutlicher.
Cacioppe et al. (2008, S. 685, zit. Roddick) identifizieren einen neuen Typ von
Kunden:„Someone who is acting more like an ethical watchdog than a hungry
consumer.“
Eine vergleichbare Entwicklung stellen Cacioppe et.al. unter Hinweis auf Paine
[Paine, 2003, S. 112] fest, wonach Investoren nicht nur auf die Rendite des von
ihnen eingesetzten Kapitals (ROI) Wert legen, sondern zunehmend auch auf
folgende Faktoren:
-
4.4
Transparenz
rechtzeitige Information
faire Behandlung
verlässliche Vorhersagen (Cacioppe et. al., 2008, S. 686).
Aus dem Blickwinkel der Unternehmenseigner
Coaching verursacht dem Unternehmen Kosten, gleich ob interne oder externe
Coaches eingesetzt werden. Das Coaching von Führungskräften macht aus Sicht
des Unternehmens Sinn, wenn diese dadurch eher in die Lage versetzt werden,
die vorgegebenen unternehmerischen Ziele umzusetzen.
Die unternehmerischen Ziele können vielfältig sein; drei dieser Ziele wurden
bereits unter Ziffer 4.2 bei den Erwartungen der Mitarbeiter an das Unternehmen
selbst festgestellt:
•
•
finanzieller Erfolg des Unternehmens,
die Effizienz mit der im Unternehmen selbst gearbeitet wird,
75 •
die Herstellung von nützlichen Produkten, die sich durch ihre Besonderheit
und Qualität auszeichnen (Karnes, 2009, S. 194).
Hinzu kommen weitere Ziele des Unternehmens, wie sie bereits bei dem Einsatz
von CSR ausgemacht wurden, also mit denen identisch sind:
•
•
•
•
•
größerer Zugang zum Kapital,
Verbesserung des Image der Marke,
Verbesserung der Reputation des Unternehmens,
Attraktivität des Unternehmens für qualifizierte Arbeitskräfte und deren
Bindung an das Unternehmen, sowie
Entwicklung und Fortbildung der Führungskräfte (Cacioppe, Forster und Fox,
2008, S. 688 f.).
Ergänzend lassen sich die Verbesserung der Stellung des Unternehmens im
Markt und die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit anführen, wobei der Katalog
der Ziele der Unternehmen aufgrund ihrer Vielgestaltigkeit naturgemäß nicht
vollständig sein kann.
Die Anforderungen der Führungskräfte, die Erwartungen der Mitarbeiter und
schließlich
die
Vorstellung
der
Kunden
und
Investoren
haben
einen
entscheidenden Einfluss auf das Unternehmen. Ohne deren angemessene
Berücksichtigung lassen sich demzufolge die Ziele des Unternehmens nicht
realisieren. Hieraus resultiert, dass der Umsetzung und Implementierung der
Unternehmensethik eine entscheidende ökonomische Bedeutung zukommt.
So zeigt die Untersuchung von Cacioppe et al. (2008, S. 696), dass zukünftige
Führungskräfte Vorbehalte haben, Aktien von Unternehmen zu erwerben, die
unethisch oder sozial unverantwortlich handeln. Banken und Versicherungen
machen ethisches Verhalten von Unternehmen, gelebte CSR und die
Übernahme der Verantwortung der Umwelt gegenüber mehr und mehr zur
Grundlage ihrer Anlageentscheidungen (Cacioppe et al., ebenda).
Wenn es aber wie bereits angemerkt so entscheidend auf das ethische Verhalten
von Führungskräften ankommt, dann stellt sich die Frage, welche Variablen für
die ethische Einstellung ausgeschlossen werden könnten:
76 Joseph, Berry und Despande (2009, S. 539-546) untersuchten Einflüsse auf das
ethische Verhalten von 293 Studenten aus vier amerikanischen Universitäten
und gelangten zu dem Ergebnis, dass weder Alter, „Rassenzugehörigkeit“,
Geschlecht oder ein bestimmter Notendurchschnitt (GPA) der Studenten relevant
sind, sondern ausschließlich die emotionale Intelligenz. Es sind keine
Anhaltspunkte ersichtlich, die einer Übertragung dieser Ergebnisse auf
Führungskräfte entgegenstünden, zumal eine Vielzahl von Führungskräften
ebenfalls über eine universitäre Ausbildung verfügen.
4.5
Zusammenfassung
Die Erwartungen und Anforderungen an das Coaching zeigen die Tendenz, dass
Coaching von Ethik aus der Sicht der Manager relevant ist -„Shape and set the
tone or ethos of the organization“-, der Coach über einen ethischen
Habitus/Charakter verfügen soll, Mitarbeiter auf faire Behandlung durch ihre
Führungskräfte Wert legen (Karnes [2009], Groves und LaRocca [2011]) und
Dritte gesteigerte Anforderungen an das ethische Verhalten von Unternehmen
stellen. Letzteres trifft in zunehmenden Maße auch für Investoren und damit die
zukünftigen Eigner von Unternehmen zu. Schließlich lässt sich erkennen:
Unternehmensethik und Unternehmenserfolg schließen einander nicht aus,
sondern stehen in positiver Relation.
Das Coaching von Führungskräften ist effektvoll und positiv für die Manager und
den Unternehmenserfolg. Also stellt sich die Frage, wie Führungskräfte durch Coaching in ihrem ethischen
Handeln unterstützt werden können:
Es gibt in der Wissenschaft vermehrt Ansätze, die eine Ethikausbildung an den
Universitäten für zukünftige Führungskräfte verlangen oder zumindest erörtern
(etwa: Aßländer [2009, S. 203-217]; Knyphausen-Aufseß und Picot [2010,
S. 391-421]). Einen aktuellen Review zu den Ethikausbildungen gibt Lau (2010,
S. 565-584).
77 Was aber ist mit der Ethikausbildung der bereits als Führungskräfte tätigen
Menschen? Hier wäre folgender grundlegender Gedanke hilfreich:
Es ist ein sozialer Diskurs über die Moral zu führen, an dem sich Wirtschaft,
Gesellschaft und Recht beteiligen sollen:
„Moral leistet die Achtsamkeit, dass Menschen nicht vergessen, sich als
Menschen zu begegnen. Aber sie leistet deswegen allein keine bessere
Gesellschaft oder Wirtschaft. Das muss übersetzt, als Gesellschaft oder
Wirtschaft
konfiguriert
werden.
Wirtschaftsethik
kann
deshalb
als
humanisierender Impuls gelten, als eine konstruktive Störung der Systeme ad
hominem. Nicht aber selber als System.“ (Priddat, 2009, S. 354). Das Coaching von Unternehmensethik – als Teil der Wirtschaftsethik – kann
demzufolge als Teil des zu führenden sozialen Diskurses gesehen werden.
Führungskräfte können mit dem Coach diesen Diskurs in einer vertrauensvollen,
offenen Form führen, der eine realistische Weltsicht zugrunde liegt und in der
Offenheit für Neues und „critical thinking“ wirkliche Optionen sind.
Es wird deshalb ein eigenes Konzept zur Führung dieses Diskurses vorgestellt:
5.
Eigenes
Coachingkonzept
Unternehmensethik
zur
Umsetzung
von
Grundlage der Überlegungen ist die „Theorie der unvollständigen Verträge“
(Homann und Lütge, 2005, S. 86). Mit Homann wird angenommen, dass der
„systematische Ort der Handlungsmoral die kontrollierte Unvollständigkeit
der Verträge ist“ (Homann und Lütge, 2005, S. 88) [Hervorhebung durch den
Verfasser].
Wie in Kapitel 2.2 dargelegt, gibt es zur Umsetzung von Unternehmensethik
diverse
Bausteine
eines
Ethik-/Wertemanagement,
wie
etwa
Corporate
Governance, Corporate Compliance und die Implementierung von Regelwerken,
wie Codes of Conduct/Codes of Ethics. Da keine dieser Rahmenordnungen
vollständig sein können, ist es entscheidend, wie die Führungskräfte diese
Elemente des Wertemanagement mit Leben erfüllen. Das heißt, welche Werte für
sie selbst maßgeblich sind, und wie sie diese nach außen kommunizieren und
repräsentieren.
78 Damit eröffnet sich der Raum für die Handlungsethik, wie sie in Kapitel 2.1.2 der
Thesis skizziert wurde.
Jede Führungskraft wird von den äußeren Umständen gezwungen, ihre
Entscheidungen auch ethisch abzuwägen. Hier wird die Ansicht vertreten, dass
jede Handlung, jede Entscheidung stets auch eine ethische Abwägung in sich
trägt, unabhängig davon, ob sich die Führungskraft dessen immer bewusst ist.
Schließlich findet das Handeln der Führungskräfte nicht isoliert, sondern in der
Regel interaktiv, also in Bezug auf andere Menschen statt, gleich welche
Interessen sie repräsentieren. Somit wird die Handlungsmoral der Führungskraft
zum mitentscheidenden Faktor, wenn es um die tatsächliche Umsetzung von
Unternehmensethik geht.
Wegen der dargelegten Bedeutung der Wertvorstellungen der Führungskräfte
und der Außenwirkung ihres moralischen Handelns, ist Unternehmensethik qua
Handlungsethik im Sinne eines Top-Down-Prozesses zu gestalten. Das konkrete
moralische Handeln der Führungskraft kommt in seinem Führungsstil zum
Ausdruck:
5.1
Ethical and mindful Leadership
Auch wenn man die Ansicht vertreten kann, es gäbe so viele verschiedene
Führungsstile, wie es unterschiedliche Führungskräfte gibt, so haben sich in der
Wissenschaft doch einige Führungsstile herauskristallisiert: Einen Überblick zu
den verschiedenen Theorien zum Führungsverhalten haben Kilburg und
Donohue (2011, S. 6-25) erstellt.4
Hier wird der Ansatz eines ethischen und achtsamen Führungsstils vertreten, weil
wie noch nachgewiesen werden wird, dieser besonders geeignet ist, moralisches
Handeln der Führungskraft glaubhaft nach außen treten zu lassen. Was einen ethischen Führungsstil charakterisiert, ist Gegenstand aktueller
Diskussion (Kilburg und Donohue, 2011, S. 11; Tanner et al., 2010, S. 225-233).
4
Dieser Überblick ist im Anhang 3 wiedergegeben. 79 So wird ethisches Führungsverhalten wie folgt beschrieben:
„(a)
ethical awareness and adherence to morally upright values,
(b)
the ability to act in accordance with those values over varying settings, and
doing so
(c)
despite the risk of unpleasant consequences.”
(Tanner et al., 2010, S. 226), vergleichbar äußern sich hierzu (Den Hartog und
De Hoogh, 2009, S. 201 ff.).
Kilburg und Donohue (2011, S. 11) betonen unter anderem folgende Kriterien: „Ethical leaders are expected to transcend their own self-interests in the
performance of their assigned duties and responsibilities….Traditionally, ethical
leaders respect and serve others, demonstrate justice, behave honestly, and
create community within organization“. Was die Auswirkungen der Wertvorstellungen der Führungskräfte und ihr großer
Einfluss auf das Unternehmen angeht, so wird ihre Bedeutung mehr und mehr
wahrgenommen:
„Ethical systems and levels of moral reasoning can have dramatic effects on how
leadership is enacted by individual and groups and in turn can create significant
impacts on performance of an enterprise“ (Kilburg und Donohue, 2011, S. 13).
Übereinstimmung besteht wohl darin, dass die Führungskraft auch nach außen
demonstriert, welche Werte für sie maßgeblich sind:
Tanner et al., 2010, S. 226): „The question is not so much about what a leader
values, but what a leader actually does to demonstrate his or her values“. Ähnlich
argumentieren Den Hartog und De Hoogh (2009, S. 201-203).
Welche Handlungsethik im Einzelfall für einen ethischen Führungsstil gewählt
wird, ist nicht so entscheidend: Knights und O’Leary (2006, S. 131 ff.)
beschreiben verschiedene Ansätze hierzu. Mehrere Handlungsethiken wurden in
Kapitel 2.1.2 erwähnt, wie etwa die Sollensethik von Immanuel Kant und die
Tugendethik des Aristoteles.
80 Ein ganz wichtiger Aspekt des ethischen Führungsverhaltens ist die Authentizität
der Führungskraft. Sie ist die Voraussetzung dafür, die Führungskraft dauerhaft
glaubwürdig erscheinen zu lassen. Aus der Erfordernis der Authentizität einen
eigenen Führungsstil („Authentic leadership“) herzuleiten, erscheint jedoch zu
weitgehend (so aber Khan, 2010, S. 167-172). Fehlende Authentizität führt
nämlich – gleich welcher Führungsstil praktiziert wird – zur Inkongruenz von
Einstellung und tatsächlichem Verhalten, was auf Dauer von den Stakeholdern
zunächst als irritierend empfunden und schließlich aufgedeckt wird. Um den Anforderungen eines ethisch geprägten Führungsverhalten gerecht
werden zu können, bedarf es nach der hier vertretenen Ansicht zusätzlich der
Achtsamkeit - daher der Begriff „Mindful Leadership“.
Die Studie von Joseph, Berry und Despande (2009, S. 539-546) zeigte die
Bedeutung von emotionaler Intelligenz für ethisches Verhalten. Emotionale
Intelligenz
wiederum
hat
„Self-Awareness“
und
„Other
Awareness“
zur
Voraussetzung. Auf die Bedeutung von „Self-Awareness“ für Führungskräfte
haben viele Studien hingewiesen, exemplarisch sei die von Segers et al. (2011,
S. 204) genannt.
Das von Luckcock verwendete „Four-quadrat Model“ stellt die Bedeutung von
„Awareness“ für die emotionale Intelligenz überzeugend dar:
Self
Other
Self-Awareness
• Emotional Self-awareness
• Accurate Self-awareness
• Self-confidence
Other-Awareness
• Empathy
• Organizational Awareness
• Service Orientation
Self-Management
• Emotional Self-control
• Transparency
• Adaptability
• Achievement Orientation
• Initiative
• Optimism
Relationship Management
• Developing others
• Inspirational Leadership
• Influence
• Change Catalyst
• Conflict Management
• Teamwork & Collaboration
Abb. 16: Four-quadrat Model of Emotional Intelligence (Luckock, 2008, S. 380,
[derived from Goleman et al, 2002]) 81 Die Bewusstheit, “awareness“, der Führungskraft ist essentiell für das ethische
Entscheidungsverhalten und als Gegenstand des Coaching von Ethik von
Führungskräften Teil von erstrebten Lernzielen:
know
thyself
moral
courage
responsibility
moral
awareness
Critical attitude
motivation
towards the
curriculum
moral
moral
sharing
judgement
Abb. 17: Sieben interdependente didaktische Lernziele (Brinkmann und
Steenbuck, 2002, S. 62 [zit. Brinkmann und Sims 2001]) 5.2
Achtsamkeit
Zentrales Element des eigenen Coachingkonzeptes ist die Schulung von
Achtsamkeit zur Entwicklung von Bewusstsein von Führungskräften, um sie so
zu ermutigen und zu unterstützen, einen ethischen und achtsamen Führungsstil
zu pflegen. Zunächst wird „Achtsamkeit“ und der Grund für seine Schulung
erläutert (5.2.1), sodann die aktuelle Forschung und die Anwendung in der Praxis
hierzu skizziert (5.2.2):
5.2.1
Achtsamkeit als heilsamer Geistesfaktor
In Kapitel 2.3.3 wurden verschiedene Herangehensweisen des Coaching unter
Hinweis
auf
Segers
et
al.
(2011,
S.
217)
beschrieben.
Der
eigene
Coachingansatz gehört zur Schule der Bewusstheit („Awareness“), vgl. Abb. 5,
S. 26 der Thesis.
82 Der Ursprung der Schule der Bewusstheit und damit der Übung von Achtsamkeit
ist die buddhistische Philosophie. Um Achtsamkeit zu verstehen, wie sie hier
gemeint ist, bedarf es einiger grundsätzlicher Erläuterungen: Der Buddhismus kennt verschiedene Geistesfaktoren. Es seien die fünf
„allgegenwärtigen“ Faktoren, genannt, die jeden Bewusstseinszustand begleiten.
Diese sind:
1. „Empfindung: das Erleben von Glück, Leid oder Indifferenz
Hier ist die Empfindung nicht das Objekt, das empfunden wird, sondern das
Bewusstsein, das empfindet;
2. Unterscheidung: die Unterscheidung von Objekten
[durch das Erfassen ihrer besonderen Merkmale], so dass man erkennt
„Dieses ist das und das, jenes ist das und das“; 3. Wille: der Faktor, der den Geist auf das Objekt hin bewegt;
4. Aufmerksamkeit: der Faktor, der das Objekt in das Bewusstsein bringt;
5. Berührung:
der
Faktor,
der
das
Objekt
als
etwas
Angenehmes,
Unangenehmes oder Neutrales ins Bewusstsein aufnimmt“
(Dalai Lama, 1993, S. 94).
Es werden elf heilsame Geistesfaktoren benannt: Vertrauen, Schamgefühl,
Gewissensscheu,
Begierdelosigkeit,
Haßlosigkeit,
Verblendungslosigkeit,
Tatkraft, Beweglichkeit, Achtsamkeit, Gleichmut und Gewaltlosigkeit (Dalai
Lama, 1993, S. 96).
Die Achtsamkeit wird auch als Selbstprüfung bezeichnet (ebenda) und sollte Teil
der täglichen Praxis sein.
„Achtsamkeit besteht darin, die gesamte Aufmerksamkeit voll und ganz auf die
Gegenwart, das Hier und das Jetzt, zu richten“ (Mangalo in: Berchholz und
Chödzin, 1996, S. 163).
Taucht ein Objekt durch unsere fünf Sinne oder in unserer Vorstellung auf, so
wird es angenommen, wie es ist, ohne Beurteilung. Es wird weder abgelehnt,
noch willkommen geheißen: Gedanken, Gefühle, Körperwahrnehmungen und
Sinneseindrücke kommen und gehen. Die wahre Bedeutung des „mittleren
83 Weges“ im Buddhismus ist daher folgende: Wir erkennen jedes auftauchende
Objekt mit einem Geist, der „wach, voll bewusst und achtsam ist, an nichts haftet
und nichts ablehnt“ (Mangalo in: Berchholz und Chödzin, 1996, S. 164).
Achtsamkeit wird durch analytische und konzentrative Meditationen geübt, sie zu
erwerben stellt einen dauernden Prozess dar. Bei der analytischen Meditation
wird die Aufmerksamkeit auf ein für den Geist heilsames Objekt gerichtet - etwa
die entfaltete Empathie, das Mitgefühl bei der Wahrnehmung des Zustandes
eines anderen Menschen. Entsprechendes gilt für die geistige Tätigkeit
(Reflexion) über Themen wie Liebe, Mitgefühl, Güte und die Vermeidung von
Hass, Gier etc. einschließlich der Schulung innerer und äußerer Aufmerksamkeit
hierüber.
Konzentrativ wird die Meditation dann genannt, wenn der gewöhnliche Geist
seine Aufmerksamkeit auf einen Punkt fokussiert, etwa auf das bloße Ein- und
Ausströmen des Atemstromes am Eingang der Nase oder durch Visualisierung
eines Objektes (Rabten, 2004, S. 34). Dies findet in der Regel im Rahmen einer
Sitzmeditation statt.
Es besteht aber auch die folgende Möglichkeit Achtsamkeit zu üben:
Etwa täglich alle zwei Stunden für 2-3 Minuten innehalten und sich beobachten
ohne zu bewerten: Welche Gedanken erscheinen, welche Gefühle tauchen auf,
welche Körperempfindungen werden wahrgenommen?
5.2.2
Achtsamkeit in Forschung und Praxis
Hier beschränken sich die Anmerkungen auf den westlichen Kulturkreis:
Zwischenzeitlich wird die Bedeutung der Achtsamkeit als universale menschliche
Eigenschaft wesentlich besser verstanden. Kabat-Zinn (2009, S. 12) hat seit
1991
bei
schwerkranken
Patienten
Meditation
mit
Erfolg
z.B.
zur
Schmerzreduzierung eingesetzt.
In der Psychotherapie hat man erkannt, dass die durch Meditation geübte
Achtsamkeit dazu führt, dass Depressionen (Michalak et al., 2012, S. 13-21)
besser behandelt werden können, und Meditation wesentlicher Bestandteil eines
84 „Mind-Based-Stress-Reduction-Programs“ (MBSR) sein kann (Sauer et al., 2011,
S. 7).
Es wird empfohlen, „Awareness-Programme“ als dauerende Einrichtung in
Unternehmen zu übernehmen (Hurn, 2008, S. 353), „Awareness“ wird als
fundamentales Prinzip des Coaching erkannt (Bresser, 2011, S. 45) und „SelfAwareness“ als grundlegenden Faktor eines spirituellen Führungsstil (Luckock,
2008, S. 387). In Coachingprozessen werden Berichte von Klienten, die mit
Achtsamkeits-/Aufmerksamkeitsübungen
gearbeitet
haben,
verwendet.
So
berichtet eine Führungskraft (De Haan et al., 2010, S. 612): „Through an awareness exercise looking at plusses and minuses of my current
role I became aware of critical factors that I had faken for granted about my role.
Once I became aware of them and discusses their importance I realised that the
decision I was just about to take was the wrong one.”
Good, Yeganeh und Yeganeh (2010, S. 18-23) schlagen in ihrem Ansatz eines
„Cognitive Behavioral Executive Coaching“ vor: „The coach and client work collaboratively to assess current belief systems, again
awareness of the connections between situations, feeling states, and automatic
thoughts and behaviors. Automatic thoughts represent the discours of
unintentional self-talk we all have in response to ongoing life events. Automatic
behaviors represent the unintentional corresponding actions” (Good, Yeganeh
und Yeganeh, 2010, S. 20).
Genau das wird mit der Übung von Achtsamkeit bezweckt: Dem Klienten
zusätzliche
Informationen
zu
beschaffen,
um
seine
Handlungs-
und
Entscheidungsspielräume zu erweitern, Perspektivenwechsel einzuleiten und
sein Verhalten anderen Stakeholdern gegenüber zu analysieren, verifizieren und
gegebenenfalls zu modifizieren und zu variieren.
Boyatzis, Smith und Blaize (2006, S. 8-24) schlagen unter Bezugnahme auf
neuere Erkenntnisse in den Neurowissenschaften vor, Führungskräften Mitgefühl
(„Compassion“) zu lehren, weil es ihren Stresslevel senkt und es zu nachhaltigen
Verbesserungen in ihrer Performance führt (Boyatzis, Smith und Blaize, 2006,
S. 18), was befürwortet wird:
85 Anderen
Menschen
mit
Mitgefühl
zu
begegnen,
ist
zentrales
Thema
buddhistischer Philosophie. Coachen Führungskräfte ihre Mitarbeiter mit
Mitgefühl, so wirkt sich dies auf die ganze Unternehmenskultur aus. Eine weitere
Untersuchung von Simsek, Heavey und Veiga (2010, S. 110-119) befasst sich
mit der inneren Selbstbewertung und Analyse von Führungskräften: Je stärker
Führungskräfte durch Introspektion in der Lage sind, eine Selbstevaluation
vorzunehmen, desto stärker ist der positive Effekt auf die Ausrichtung des
Unternehmens (Simsek, Heavey und Veiga, 2010, S. 116 f.).
Steigt das Maß an Achtsamkeit der Führungskraft an, erhöht sich im gleichen
Maß die Fähigkeit zur Selbstevaluation und damit der Einfluss auf die
Ausrichtung des Unternehmens.
Fehlende Achtsamkeit und als ihre Folge zu geringe Selbstwahrnehmung kann
bei Führungskräften zu einer Fehlgewichtung von Arbeit und Leben – „Work –
Life – Balance“ – und damit zu einer Selbstausbeutung führen.
Schließlich sei noch eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern der LudwigMaximilians-Universität
Verfassers
nicht
nur
München
stützt,
erwähnt,
sondern
die
auch
den
Coachingansatz
belegt,
dass
des
achtsamere
Führungskräfte auch leistungsfähigere Führungskräfte sind:
Sauer et al. (2011, S: 339-349) bestätigen, dass das Training von Achtsamkeit
den Stress von Führungskräften senkt (2011, S. 339 f.). Die Effekte von
Achtsamkeit lassen sich auch auf neuronaler Ebene im limbischen System
nachweisen
(Sauer
Achtsamkeitstraining
et
die
al.,
2011,
S.
341).
Informationsverarbeitung
Sie
bei
erwähnen,
dass
Führungskräften
verbessert (Sauer et al., 2011, S. 342). Die Fähigkeit „aktiv zuzuhören“ nimmt zu,
die Interaktion mit Mitarbeiter wird vertieft und differenzierter und es kommt zum
Abbau narzisstischer Tendenzen bei den Führungskräften, was sich auf die
Qualität der Führung von Mitarbeitern auswirkt (Sauer et al., 2011, S. 343).
Ziel des eigenen Coachingkonzeptes ist es unter anderem, bei den Klienten die
Wahrnehmung und das Verstehen der Persönlichkeit ihres Gegenübers,
insbesondere von Mitarbeitern, zu verbessern. Wichtig ist, dass Führungskräfte
ihnen anvertrauten Mitarbeitern gegenüber Wertschätzung und Anerkennung
86 zum Ausdruck bringen. Ein wichtiger weiterer Aspekt des eigenen Konzeptes ist
es, Führungskräften – soweit noch nicht vorhanden – zu der Einsicht zu
verhelfen, dass Menschen grundsätzlich gleichwertig sind, trotz unterschiedlicher
Rollen
und
Aufgaben
in
hierarchisch
strukturierten
Unternehmen
und
Organisationen.
Ein vorzüglich geeignetes Instrument hierfür ist der Gebrauch von „Gewaltfreier
Kommunikation“ nach Rosenberg (2004), die zu den wesentlichen Bestandteilen
des eigenen Coachingmodells gehört. Hier wird mit dem Klienten auf sprachlicher
Ebene Achtsamkeit geübt.
Im Diskurs mit dem Klienten werden ethische Konflikte aufgedeckt, reflektiert und
Handlungsperspektiven aufgezeigt.
Sauer et al. (2011, S. 344) vertreten die Ansicht, dass Achtsamkeit „harten
Entscheidungen“ entgegenstehen kann. Diese Auffassung wird nicht geteilt. Die
Annahme von Sauer et al. ist möglicherweise wohl auf ein unzureichendes
Verständnis von Achtsamkeit zurückzuführen:
Je stärker Achtsamkeit ausgeprägt ist, desto klarer wird nämlich auch der
Verstand, da er sich nicht mit Gedankenreisen in die Vergangenheit und Zukunft
befasst, sondern präsent ist, um in der Gegenwart seine Aufgabe zu erfüllen.
Achtsamkeit führt zu größerer Präsenz und innerer Klarheit. Stehen konkrete
Entscheidungen an, und ist die Führungskraft achtsam und klar, kann sie
abwägen, welche Entscheidung die richtige für das Unternehmen ist. Dies kann
etwa eine Kündigung des Mitarbeiters sein. Welche Folgen die Kündigung für
einen Mitarbeiter hat, ob diese tatsächlich nur negativ sind oder den Mitarbeiter
etwa veranlassen, eine Tätigkeit auszuüben, die den eigenen Neigungen mehr
entspricht, ist eine Frage, die sich erst ex post beantworten lässt.
Zwischenfazit:
Die Übung von Achtsamkeit führt zu einer größeren inneren Distanz des
Übenden zu seinen Gedanken, Gefühlen und Körperwahrnehmungen. Er
identifiziert sich immer weniger damit und erkennt, was das äußere Geschehen in
ihm auslöst. Durch die gesteigerte Wahrnehmung und Bewusstheit versteht er
seinen Mitmenschen besser. Damit nimmt das Maß an „Other Awareness“ zu
87 (vgl. Abb. 16). Es verstärkt sich seine geistige und emotionale Intelligenz, die für
den ethischen, achtsamen Führungsstil so entscheidend ist.
5.3
Implementierung des Coaching
Das Coaching von Führungskräften wird dyadisch geführt, um ein hohes Maß an
Vertraulichkeit zu gewährleisten. Der Führungskraft soll so Raum für einen
möglichst offenen, authentischen Diskurs gegeben werden. Der Einsatz von
Achtsamkeit ist nicht nur ein sehr wirksames Mittel, sondern auch ein sehr
intensives Instrument, das Führungskräfte wirklich fordert: Neue Sichtweisen
führen zu vorübergehenden Unsicherheiten, bis sich neue Verhaltensweisen
etabliert haben. Durch den Coachingprozess kommt es zum Aufgeben von
eingefahrenen Gewohnheiten und Verhalten, was ebenfalls zu Veränderungen in
der Person des Coachee und damit in seinem Umfeld führt.
Um dem Stellenwert der Ausbildung von Führungskräften für die Umsetzung von
Unternehmensethik ausreichend Rechnung zu tragen, wären vom Unternehmen
entsprechende
Gelder
Coachingprogramme
zur
im
Verfügung
Unternehmen
zu
zu
stellen.
integrieren
Sinnvoll
und
mit
wäre
es,
anderen
Werkzeugen der Personalentwicklung – wie etwa Training – abzustimmen.
Um die Kosten für das Coaching von Ethik zu rechtfertigen, bedarf es eines
klaren,
eindeutig
systematischen
positiven
und
Statements
strategischen
der
Unternehmensführung,
Einsatzes
der
eines
Coachingprogramme,
angepasst auf die jeweilige Führungsebene. Verhaltensziele wären zu definieren
und der Erfolg des Coaching – soweit wie möglich – zu evaluieren. Bei der
Evaluation ist zu berücksichtigen, dass sich die Folgen von Coaching häufig erst
über einen längeren Zeitraum zeigen, empfehlenswert wären Intervalle von 6 –
18 Monaten.
Neben der Möglichkeit, dass die Führungskraft einen ethischen und achtsamen
Führungsstil pflegt, könnten im Unternehmen Ethikworkshops für Mitarbeiter
eingerichtet und Ethik-Audits durchgeführt werden. Im Unternehmen könnten so
auch Seminare für Mitarbeiter angeboten werden, in denen diese die
Bewältigung von Ethikkonflikten durch Ethik-Simulationen üben (Srnka, 2002, S.
378-405).
88 Schließlich wird vorgeschlagen, eine Struktur, wie Wieland sie entwickelt hat, im
Unternehmen zu implementieren, um ein ethisches Wertemanagement nicht nur
organisatorisch, sondern auch nachhaltig umzusetzen:
Abb. 18: Prozessstufen des EthikManagementSystem nach Wieland (2007,
S. 99)
5.4
Booklet des Verfassers
Der Verfasser entwickelte ein Booklet5 zur Präsentation seines eigenen
Coachingkonzeptes. Das Booklet spielt mit offenen Fragen, wie etwa: Wofür?
Wo? Wie? Wohin?
Das Format, das Layout, die Leporellofaltung und das „Logo“ stammen von Herrn Axel Bürgler, Jägerweg 30, 82110 Germering. Die Texte, die Idee und das Coachingkonzept sind eine Entwicklung des Verfassers. 5
89 Diese Fragen sollen den Interessenten anregen, sich seinerseits solche Fragen
zu diversen Situationen zu stellen, wobei eine wichtige Frage bewusst
vorangestellt ist: Wofür? Die Fragen werden im Coachingprozess in unterschiedlichen Fragekategorien
eingesetzt, beispielsweise: •
•
•
•
•
•
•
Sachverhaltsorientiert
Problemorientiert
Wahrheitsorientiert
Zyklisch
Systemisch
Zielorientiert
Interessenorientiert
Das angeschnittene W auf den Bookletseiten symbolisiert den Charakter der
offenen Fragen; die offenen Fragen werden in den Überschriften des Booklets
nochmals wiederholt. Es folgt die Vorstellung der eigenen Person und der
Qualifikation,
unter
Hinweis
auf
den
interdisziplinären
Ansatz
des
Coachingkonzeptes, bis hin zur Motivation des Verfassers.
Die Fragestrukturen dienen dazu, bisherige Annahmen, Verhaltensweisen,
bislang für richtig erachtete Ziele des Klienten einer Prüfung zu hinterziehen, also
die eigene Wahrnehmung zu erweitern. Ergänzend zu Achtsamkeitsübungen
wird der Coachingprozess in Schritten beschrieben, beginnend mit der
Istanalyse.
Der Istanalyse kommt eine große, häufig unterschätzte Bedeutung zu: Die
Erfahrung des Verfassers aus vielen Jahren Beratungspraxis zeigt, dass
Menschen dazu neigen, eine bestimmte Menge und Qualität an Informationen
ihren Entscheidungen zugrunde zu legen – in der unzutreffenden Annahme,
diese Informationen seien vollständig, zutreffend, relevant und ausreichend
(„fixed pie“). Immer wieder entstehen so bei Klienten Gefühle von Hilf- und
Ausweglosigkeit, bei Führungskräften der Eindruck, ihre Entscheidungen seien
„alternativlos“.
90 Diese Annahme wird im Coachingprozess daher regelmäßig hinterfragt:
Ist dies tatsächlich so? Wissen Sie das genau ...?
Ziel des Coaching ist es, dass der Klient durch vermehrte Achtsamkeit einen
intensiven, authentischen inneren Kontakt erhält, seine Entscheidungsspielräume
erweitert.
Schließlich wird der Klient darauf aufmerksam gemacht, dass Veränderungen
Konsequenzen nach sich ziehen können und dass es wesentlich ist, zu
beobachten, ohne sogleich zu bewerten.
Das Booklet spricht bewusst keine bestimmten Probleme oder mögliche Fragen
an,
da
die
der
Klienten
individuell
sind.
Dies
soll
auch
die
Unvoreingenommenheit des Verfassers widerspiegeln.
6.
Fazit und Ausblick
Es gibt ausreichend Belege, die die Annahme rechtfertigen, dass Coaching von
Führungskräften als solches positive Effekte auslöst. Stellvertretend für die vielen
untersuchten Wirkungen seien die Verbesserung der eigenen Performance und
der „Self-Efficacy“ genannt. Coaching von Führungskräften führt bei Mitarbeitern
zu erhöhter Arbeitszufriedenheit und geringeren Ausfallzeiten.
Nicht verhehlt werden soll, dass Studien fehlen, welche die Auswirkung des
Coaching von Führungskräften als solches anhand von Unternehmenskennzahlen untersuchen. Hier wäre viel Raum für Forschungen. Die Frage, ob
den Kosten für das Coaching von Führungskräften ein entsprechender return on
investment gegenüber steht, konnte daher nur indirekt beantwortet werden.
Empirische Studien, die sich explizit mit dem Coaching von Ethik für
Führungskräfte und den daraus resultierenden konkreten Effekten befassen,
wurden – soweit zugänglich – nicht aufgefunden. Auch hier ergäbe sich weiterer
Forschungsspielraum. Ebenso bietet es sich im Bereich des ethischen und
achtsamen Führungsstils unter Berücksichtigung diverser Variablen an, seine
Auswirkungen auf konkrete Geschäftsergebnisse zu untersuchen.
91 Es zeigte sich, dass Coaching von Führungskräften ein Baustein zur Umsetzung
von Unternehmensethik sein könnte, wenn diese offen sind, ihre bisherigen
Einsichten und gezeigten Verhalten wahrzunehmen, ohne sie zugleich zu
bewerten. Die übrigen Bausteine einer Unternehmensethik, wie etwa Corporate
Governance und Corporate Compliance, genügen, allein für sich gesehen, für
eine ausreichende Ethisierung von Unternehmen nicht. Unter Berücksichtigung
der
Tatsache,
dass
dem
Markt
gesetzte
Rahmenbedingungen
und
Unternehmensverfassungen aufgrund der „Theorie der unvollständigen Verträge“
nie vollständig sein können, bedarf es zwingend eines moralischen Handelns von
Führungskräften, wenn Unternehmensethik nicht zu einer leeren Worthülse
verkommen soll.
Auch aus ökonomischer Sicht ist ethisches Verhalten von Führungskräften
sinnvoll, da es sich positiv auf deren eigene Performance, auf die der Mitarbeiter
und deren Arbeitszufriedenheit auswirkt. Die Bindung von qualifizierten und hoch
motivierten Mitarbeitern an das Unternehmen ist eine der zentralen Aufgaben
von Führungskräften. Schließlich trägt dies zu einem nachhaltig wirtschaftlichen
Erfolg des betreffenden Unternehmens bei. Die erfolgreiche Ethisierung eines
Unternehmens stellt sich zunehmend als Wettbewerbsvorteil dar.
Die
in
den
letzten
Jahren
sich
offenbarenden
Fehlleistungen
von
Führungskräften haben dramatische ökonomische Folgen für die ihnen
anvertrauten Unternehmenswerte und Mitarbeiter gehabt – teilweise auch
extreme Umweltschäden verursacht, ja ganze Volkswirtschaften gefährdet. Die
von Beamish (2005, S. 138-144) beschriebene kompetitive Ausrichtung des
Verhaltens von Führungskräften mit Fokussierung auf die eigene Karriere reicht
nicht mehr aus, um den Anforderungen von verschiedenen Stakeholdern gerecht
zu werden.
Führungskräfte, die sich nicht dem sozialen Diskurs in der Gesellschaft und im
Unternehmen stellen, werden feststellen, dass nicht die Mitarbeiter und die
Gesellschaft von ihnen anhängig sind, sondern sie von ihnen.
Führungskräfte, die kein ausreichendes ethisches Führungsverhalten vorleben
und keine Vision einer Unternehmenskultur haben, die auf Nachhaltigkeit
unternehmerischen Handelns gerichtet ist, werden von der sich weiter
92 entwickelnden Zivilgesellschaft auf Dauer nicht mehr hingenommen werden. Sie
wären auch ungeeignet, Unternehmen auf lange Sicht ökonomisch erfolgreich zu
führen.
Um mit John Whitmore (2004, S. 5) zu schließen:
„Something Really Has to Change:
‘Change Management’ as an Imperative rather than a Topic.”
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100 ANHANG
Anhang 1:
Auswertung Fragebogen (Stevens, 2005, S. 274 und 276)
Anhang 2:
Übersicht Peus et al. (2010, S. 203 f.)
Anhang 3:
Führungsstile Kilburg und Donohue (2011, S. 8 ff.)
Anhang 4:
Auswertung der empirischen Studien [in DIN A 4]
Anhang 5:
Booklet des Verfassers (in Seitentasche hinterer Buchumschlag)
101 EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG
Ich erkläre hiermit ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig
angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen
Gedanken sind als solche kenntlich gemacht.
Hiervon ausgenommen sind Teile des Booklets (Anhang 5), wie in Kapitel 5.4
näher bezeichnet.
Die Arbeit wurde bisher keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch
noch nicht veröffentlicht.
München, 25.05.2012
102 Anhang 1
Antwort auf Fragebogen (N=7) von Stevens (2005, S. 274, 276).6
„Q1: Definition/purpose of EC
To help the CEO and/or president…
• Gain a deeper, broader, clearer understanding of the issues they contend
with in their role;
• Comprehend and cope with increasing degrees of complexity and
ambiguity;
• Shape and set the tone or ethos of the organization (Hervorhebung
durch den Verfasser); and
• Say and do necessary but difficult things in the right way.
Q2: Why engage in EC
• To have a sounding board that challenges and sharpens one`s thinking;
• For self-improvement; to strengthen one´s ability to meet the
responsibilities of the position; and
• To ameliorate or address potential shortcomings in how one carriers out
the role of CEO or president.
Q3: “Ingredients” of an effective EC engagement
Coach-centered:
• Interested in the success of the executive and his or her organization;
invested in the work;
• Comfortable with and grounded in the executive`s contextual framework ;
highly credible;
• Authentic, genuine, and ethical in personal character; respectful in
demeanor; possessing a smart, insightful perspective; and
• Capable of listening to what is said and to what is meant.
Executive-centered:
• Willingness to consider issues from a different point of view;
• Openness to influence; willingness to be helped;
• Capable of trusting another person and engaging in honest, open
dialogue; and
• Psychologically mature and healthy.
Context-centered:
• A mutual interest in the relationship and in the value of the work;
• A prevailing climate of trust in the organization; and
• A goal-orientation; clarity around why, what, and how.
Q4: Benefit from EC
• Judgments and actions more measured and considered;
• Better choices and decisions giving rise to more of the right actions;
• Better self-restraint in handling power, status, and adulation;
• More clarity and focus on role responsibility as the anchor for conduct and
action; and
• More personal satisfaction from the role of leader.
Q5: “Pitfalls” to keep in mind
• Seeing the executive coach as an “answer person”.
6
Die Fragen 1 bis 10 werden mit Q1 bis Q10 wiedergegeben, die Überschrift enthält jeweils die Definition und den Zweck des Executive Coaching (EC). 103 • Thinking that its all about “you” rather than you in relation to the
organization`s agenda; and
• Engaging with a coach who is ill-prepared for this work or of questionable
character.
Q6: Confidentiality
• It is paramount to the relationship and to the success of the endeavor;
and
• Having and adhering to clear, professionally crafted guidelines is
necessary and important.
Q7: Feedback to the organization
• Appropriate and respectful feedback is necessary and legitimate;
• Parameters should be clarified and agreed to up-front;
• The executive coach should not ferry information or messages to or from
people; and
• It requires the highest level of skill and sophistication to effectively
balance the demand for both confidentiality and feedback.
Q8: All team members in EC
• Executives need to engage willingly and for their own reasons;
• Demanding for forcing them to engage in EC diminishes the potential
value of it; and
• Coaching an individual divorced from his or her context delimits EC`s
effectiveness.
Q9: Considerations regarding team members in EC
• CEO president sets the tone or conditions that influences willingness to
participate;
• No standardized approach; one size will not fit all; and
• Make the parameters and process clear up-front.
Q10: Training and preparation of the coach
• Needs a theoretically sound foundation in human psychology and social
systems;
• Needs a familiarity and comfort with the business environment and
context;
• Needs a ability to see and work with organization design/structure
problems; and
• Needs to have a real-world understanding.
Q11: Outside or inside coach
• An outside coach has numerous potential advantages and represents a
greater potential value to the executive and/or organization; and
• A coach form the inside may be OK only if the organization is very large.”
104 Anhang 2
105 Anhang 3: Führungsstile Kilburg und Donohue (2011, S. 8-­‐11) 106 107 108 109 Anhang
4
110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 
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