Grundlehrgang Landwirtschaftliche Wildhaltung Teil Naturschutz Referentin Frau Petra Schache Untere Naturschutzbehörde Landratsamt Gotha Tel. 03621 214 147 e-mail: [email protected] Gliederung 1. Naturschutz heute 2. Zoo- und Tiergehegegenehmigungen im Naturschutzrecht 3. Anforderungen an ein Tiergehege nach der - guten fachlichen Praxis der Landwirtschaft - anderen Naturschutzbelangen - sonstigen Belangen 4. Schlussfolgerungen für umweltgerechte Haltung landwirtschaftlicher Wildwiederkäuer 1. Naturschutz heute Thesen: Weg vom Reservatsgedanken – Naturschutz auf der ganzen Fläche - Biotopverbund Erhalt der Artenvielfalt und Lebensraumschutz Erhalt des Landschaftsbildes in seiner Eigenart, Vielfalt und Schönheit Freies Betreten der Landschaft zur Erholung Vertragsnaturschutz 2.1. Zoo- und Tiergehegegenehmigung im Naturschutzrecht EU-Recht Haltung von Wildtieren regelt die EU-Richtlinie 1999/22/EG „Zoo-Richtlinie“ Bundesrecht § 42 Bundesnaturschutzgesetz (2009) definiert „Zoos“ § 43 Bundesnaturschutzgesetz (2009) definiert „Tiergehege“ § 42 Bundesnaturschutzgesetz (Zoos): Zoos = dauerhafte Einrichtung, in denen wild lebende Tiere … zwecks Zurschaustellung während eines Zeitraums von mindestens 7 Tagen im Jahr gehalten werden. Nicht als Zoo gelten Gehege zur Haltung von nicht mehr als fünf Arten von Schalenwild, das im Bundesjagdgesetz aufgeführt ist oder Einrichtungen, in denen nicht mehr als 20 Tiere anderer wild lebender Arten gehalten werden Wisent, Elch, Rotwild, Damwild, Sikawild, Rehwild, Steinwild, Muffelwild, Schwarzwild, Gamswild (Schalenwild laut BundesjagdG) Zirkusse Tierhandlungen § 43 Bundesnaturschutzgesetz (Tiergehege) Tiergehege sind dauerhafte Einrichtungen, in denen Tiere wild lebender Arten außerhalb von Wohn- und Geschäftsräumen während eines Zeitraums von mindestens 7 Tagen im Jahr gehalten werden und die kein Zoo i. S. des § 42 Abs. 1 sind Tiergehege sind so zu errichten und zu betreiben, dass die Haltung den biologischen Bedürfnissen der Art Rechnung trägt (Größe, Lage, Gestaltung des Geheges) die notwendige tiermedizinische Betreuung und Ernährung gewährleistet ist dem Eindringen von Schadorganismen und dem Entweichen der Tiere vorgebeugt wird die Vorschriften des Tier- und Artenschutzes beachtet werden weder der Naturhaushalt noch das Landschaftsbild beeinträchtigt werden das Betreten von Wald und Flur sowie der Zugang zu Gewässern nicht in unangemessener Weise eingeschränkt wird Anzeigepflicht Die Errichtung, Erweiterung, wesentliche Änderung und der Betrieb eines Tiergeheges sind der zuständigen Behörde mindestens einen Monat im Voraus anzuzeigen Die Behörde kann die erforderlichen Anordnungen treffen, um die Einhaltung der o.g. Anforderungen sicherzustellen Länder können bestimmte davon abweichende Regelungen treffen Landesnaturschutzrecht(e) Länder bestimmen in Konkretisierung des BNatSchG Zuständigkeiten Vollzug in der Regel bei den unteren Naturschutzbehörden und Erleichterungen (vgl. § 43 Abs. 4 BNatSchG) Ländergesetzgebung ist im Anpassungsprozess an Bundesrecht, aktueller Stand unter http://www.bfn.de/0320_landesgesetze.html abrufbar Thüringen - § 19 Thüringer Naturschutzgesetz - Entwurf § 43 BNatSchG gilt nicht für Tiergehege, in denen nicht besonders geschützte Tiere gehalten werden (d.h. Wildgehege für landwirtschaftliche Wiederkäuer wären von Anzeigepflicht ausgenommen – außer Wisent-, Steinwild- und Gamswildgehege) Sachsen Gesetzentwurf zur Anpassung an Bundesrecht (regelt vorgreiflich Wasserbaumaßnahmen) Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. Dezember 2010 § 27 Tiergehege (zu § 43 Abs. 4 des Bundesnaturschutzgesetzes ) Die Anzeigepflicht nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes gilt nicht für Tiergehege, die eine Grundfläche von insgesamt 50 Quadratmetern nicht überschreiten und in denen a) keine Tiere besonders geschützter Arten, b) Tiere der in Anlage 5 der Bundesartenschutzverordnung vom 16. Februar 2005 (BGBl. I S. 258, 896), zuletzt geändert durch Artikel 22 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542, 2576), genannten Arten oder c) Tiere der in Anhang X der Verordnung (EG) Nr. 865/2006 der Kommission vom 4. Mai 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates über den Schutz von Exemplaren wild lebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (ABl. L 166 vom 19. 6. 2006, S. 1), geändert durch Verordnung (EG) Nr. 100/2008 der Kommission vom 4. Februar 2008 (ABl. L 31 vom 5. 2. 2008, S. 3), aufgeführten Arten gehalten werden, Auswilderungsgehege für dem Jagdrecht unterliegende Tierarten, in denen die Tiere jeweils nicht länger als einen Monat verbleiben, Tiergehege, in denen nicht mehr als fünf Tiere der dem Bundesjagdgesetz unterliegenden Arten Rothirsch, Damhirsch, Reh, Mufflon oder Wildschwein gehalten werden. Bayerisches Naturschutzgesetz vom 23.02.2011 Art. 25 Tiergehege (1) Anträge auf Erteilung der jagdrechtlichen Genehmigung oder der Zoogenehmigung gelten als Anzeige im Sinn von § 43 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG; dies gilt auch für die tierschutzrechtliche Anzeige. (2) Ist bereits nach anderen Vorschriften eine Gestattung für die Errichtung, die Erweiterung, wesentliche Änderung oder den Betrieb eines Tiergeheges erforderlich, trifft die für die anderweitige Gestattung zuständige Behörde die Entscheidungen nach § 43 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 BNatSchG im Benehmen mit der unteren Naturschutzbehörde. (3) Eine Anzeigepflicht nach § 43 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG besteht nicht für Gehege, die unter staatlicher Aufsicht stehen, die nur für kurze Zeit aufgestellt werden oder eine geringe Fläche beanspruchen oder in denen nur eine geringe Anzahl von Tieren oder Tiere mit geringen Anforderungen an ihre Haltung gehalten werden. ??? 2.2. Weitere Genehmigungen nach anderen Rechtsgebieten § 11 Tierschutzgesetz des Bundes Genehmigung zur Haltung von Wirbeltieren außer landwirtschaftlichen Nutztieren Wer Wirbeltiere - zu Versuchszwecken züchten und halten - in einem Tierheim halten - in einem Zoo oder anderen Einrichtung zur Schau stellen will - gewerbsmäßig züchten, halten und mit Wirbeltieren handeln will (ausgenommen landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild) bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Abs. 6: Wer gewerbsmäßig Gehegewild halten will, hat dies 4 Wochen vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde (Veterinäramt) anzuzeigen (mit Angaben zu Art, Zahl, Geschlecht der Tiere, Größe des Geheges und verantwortliche Personen sowie deren Sachkunde) Folgende Fachbereiche können je nach Lage der Fläche außerdem betroffen sein: Wasserwirtschaft Baurecht Denkmalschutzrecht Immissionsschutzrecht Waldgesetz Ordnungsrecht (Waffenrecht) Gespräch mit der Gemeinde und Landratsamt empfohlen 3.1. Anforderungen an ein Tiergehege nach der der guten fachlichen Praxis der Landwirtschaft Verordnung (EG) Nr.1782/2003 Agrarumweltschutz Einhaltung von Vorschriften in den Bereichen Umwelt, Futtermittel- und Lebensmittelsicherheit, sowie Tiergesundheit und Tierschutz (Cross Compliance) für Empfänger von Direktzahlungen Bundesnaturschutzgesetz § 5 Definition der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft § 5 BNatSchG formuliert Grundsätze der guten fachlichen Praxis für eine natur- und landschaftsverträgliche Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft Bundesnaturschutzgesetz § 5 Definition der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft Anforderungen an die Landwirtschaft (§ 5 BNatSchG) - Bewirtschaftung muss standortangepasst erfolgen und die nachhaltige Bodenfruchtbarkeit und Nutzbarkeit der Flächen gewährleisten - vermeidbare Beeinträchtigungen von vorhandenen Biotopen sind zu unterlassen - Landschaftselemente, die der Biotopvernetzung dienen, sind zu erhalten und nach Möglichkeit zu vermehren - die Tierhaltung hat in einem ausgewogenen Verhältnis zum Pflanzenbau zu stehen und schädliche Umweltauswirkungen sind zu vermeiden - auf erosionsgefährdeten Hängen, in Überschwemmungsgebieten, auf Standorten mit hohem Grundwasserstand sowie auf Moorstandorten ist ein Grünlandumbruch zu unterlassen - die natürliche Ausstattung einer Nutzfläche (Boden, Wasser, Flora, Fauna) darf nicht über das zur Erzielung eines nachhaltigen Ertrages erforderliche Maß hinaus beeinträchtigt werden - schlagspezifische Dokumentation über den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln ist nach Maßgabe des landwirtschaftlichen Fachrechts zu führen 3.2. Anforderungen an ein Tiergehege nach anderen Naturschutzbelangen a) Schutzgebiete Großschutzgebiete Nationalpark, Biosphärenreservat, Naturpark, Landschaftsschutzgebiet Natura 2000 – Gebiete FFH-Gebiete, europäische Vogelschutzgebiete Naturschutzgebiete Flächennaturdenkmale, Geschützte Landschaftsbestandteile, Naturdenkmale b) Gesetzlich geschützte Biotope nach § 30 BNatSchG und Landesnaturschutzgesetzen Quellbereiche, Natürliche oder naturnahe Bereiche, fließender oder stehender Binnengewässer einschließlich ihrer Ufervegetation Altarme und regelmäßig überschwemmte Bereiche Verlandungsbereiche, Moore, Röhrichte seggen-, binsen- und hochstaudenreiche Nasswiese, nicht intensiv genutzte Feuchtwiesen Bergwiesen Moor-, Bruch-, Sumpf-, Aue-, Schlucht-, Felsschutt- und Blockwälder Trocken-, Halbtrocken-, Borstgrasrasen Zwergstrauch-, Ginster- und WacholderHeiden Trockenwälder und -gebüsche Staudenfluren trockenwarmer Standorte Streuobstwiesen Schwermetallrasen Binnensalzstellen Alte Lesesteinwälle, Hohlwege, ausgebeutete Kiesgruben u.a. c) Betroffenheit des Artenschutzes unmittelbar z.B. durch direkten Verbiss geschützter Pflanzenarten mittelbar durch Verlust des Lebensraumes z.B. Umwandlung von Acker in Grünland bedeutet für Feldhamster den Verlust des Lebensraumes Beseitigung/Beschädigung von Hecken führt zum Verlust des Lebensraumes für heckenbrütende Vogelarten Entwässerung von Nasswiesen führt zum Verlust geschützter Pflanzen- und Tierarten § 39 BNatSchG „allgemeiner Artenschutzparagraph“ ist grundsätzlich zu beachten (z.B. erlaubte Zeiträume für Gehölzschnitte) d) Betroffenheit des Landschaftsbildes Landschaftsbild kann durch Gebäude, Zäune, technische Anlagen u.a. gestört werden insbesondere in einem sensiblen Landschaftsraum (z.B. DreiGleichen-Gebiet) e) Betroffenheit der Erholungseignung Grundsatz des Naturschutzes: Zugang zur freien Landschaft soll gewährleistet bzw. geöffnet werden § 59 BNatSchG sichert Betretungsrechte der Flur für jedermann Absperrvorrichtungen bedürfen deshalb im Normalfall der Genehmigung, ausgenommen sind die in der Land- und Forstwirtschaft üblichen offenen Einfriedungen sowie Wildschutzzäune entlang von Verkehrswegen f) sonstige Einschränkungen Nutzungseinschränkungen durch bestehende Flächenförderungen mit anderweitigen Vorgaben, z.B. KULAP, NALAP. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen 3.3. Waldweide Das Thüringer Waldgesetz untersagt grundsätzlich die Waldweide, § 15 ThürWaldG - Sachsen § 18 Sachsen/Anhalt § 12 LandesWaldG - in Bayern kein direktes Verbot im WaldG 3.4. Tierhaltung/Beweidung in Trinkwasserschutzgebieten abhängig von jeweiliger Schutzgebietsverordnung bei vielen Alt-Schutzgebieten gilt die TGL 43850 - allgemein (TGL 43850/01) gilt: keine Trittschäden kein Zugang zu offenen Gewässern - im Festgesteingrundwasserleiter (TGL 43850/03) gilt: Weidenutzung in der TWSZ I und II verboten, in der TWSZ III beschränkt zugelassen - in Schutzzonen für Oberflächengewässer (TGL 43850/06) gilt: Weidenutzung in TWSZ I verboten, in der TWSZ II beschränkt zulässig, in der TWSZ III zugelassen 4. Schlussfolgerungen für die gute fachliche Praxis in der landwirtschaftlichen Wildhaltung (Leitfaden zur guten fachlichen Praxis der TLL) Auswahl des geeigneten Standortes (außerhalb von Schutzgebieten, Wald, ungeeigneten Böden) keine Bodenverdichtungen und -verwundungen, keine Trittschäden, z.B. durch geschickte Wahl der Futter- und Wasserstellen, Einhaltung der angepassten Besatzdichte Erhalt der Strukturvielfalt der Landschaftselemente und bestehender Biotope (Gehölze, Gräben, Standgewässer, Senken im Bodenrelief, Ruderalsäume) durch Auskoppeln oder Einzelschutz an die örtlichen Gegebenheiten angepasstes Weidemanagement (z.B. mehrere Koppeln, Wechsel von Mahd und Weide, Auswahl einer strukturreichen Fläche als Setzkoppel und Winterkoppel, richtige Mahdzeitpunkte, Feuchtflächen nur mähen) fördert artenreiche Pflanzen- und Tiergesellschaften Pflege des Grünlandes, wenn erforderlich (Nachmahd, Schleppen) Einfriedung landschaftsfreundlich aus offenen Knotengittergeflecht Anpflanzungen, auch als Sicht- und Wetterschutz für die Tiere an die Landschaft angepasste Bauweise der baulichen und technischen Anlagen keine Zerschneidung von Hauptwanderwegen Anlage: Checkliste für Anzeige Tiergehege (Naturschutzbelange) Angaben zur derzeitigen Nutzung (Wiese, Weide, Acker, Ödland, Wald, Naherholungsnutzung) Angaben zu vorhandenen Biotopstrukturen (Gehölze, Gewässer ... ) Angaben zum geplanten Weidemanagement Angaben zu den für die Haltung vorgesehenen Tierarten Angaben zur Größe des Geheges und zur Zweckbestimmung Angaben zur Besatzdichte Darstellung der geplanten Gliederung des Areals, Zuwegungen, Durchgänge, bauliche und technische Einrichtungen Beschreibung der vorgesehenen Minimierungs- und Ausgleichsmaßnahmen z.B. Ausgrenzung von Gewässern, Gehölzen, sonstigen Biotopstrukturen, Neuanpflanzungen, landschaftstypische Bauweise, Eingrünung/Sichtschutz für technische Anlagen, Anpflanzungen, Maßnahmen zum Ausgleich verlorengegangener Funktionen der Erholungseignung (Rastplätze, Schaugehege) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und viel Erfolg bei der Prüfung ! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !