69 PLATZ 2: AMINOSÄUREN UND PROTEINE Die physikalisch-chemischen Eigenschaften von Aminosäuren und Proteinen sind eng mit ihrer Fähigkeit verknüpft, Protonen abzugeben und aufzunehmen. Das Ziel dieses Platzes ist, die pH-abhängigen Ladungsverhältnisse von Aminosäuren und Proteinen verständlich zu machen. Zur Illustration der pH-Abhängigkeit von Enzymreaktionen dient Exp. 9.2 und der Reaktionsmechanismus von Chymotrypsin (Exp. 10.1). Theoretische Grundlagen: Aminosäuren und Proteine (S. 10) pH-Messung und Titration (S. 20) Chromatographie (S. 27) Bezug zu anderen Plätzen: Trennung von Aminosäuren und Proteinen aufgrund ihrer elektrischen Ladung (Exp. 4.2), pH-Abhängigkeit enzymatischer Reaktionen (Exp. 9.2 und 10.1) EXPERIMENT 2.1: Herstellung von Pufferlösungen Zur Herstellung von Pufferlösungen stehen 0.1 M Essigsäure, pKa = 4.7, und 0.1 M Natriumacetat zur Verfügung. Vor Versuchsbeginn Bedienungsanleitung des pH-Meters lesen und pH-Meter mit der aufgestellten pH-Eichlösung eichen. a) 5 ml Natriumacetat (0.1 M) zu 15 ml Essigsäure (0.1 M) zugeben und pH-Wert der Lösung bestimmen. Den zu erwartenden pH-Wert nach der Henderson-Hasselbalchschen Gleichung berechnen und mit dem experimentell bestimmten Wert vergleichen. b) Berechnen, wieviele ml Essigsäure (0.1 M) und Natriumacetat (0.1 M) benötigt werden, um 20 ml einer Pufferlösung von pH 5.0 zu erhalten. Nach dem ermittelten Verhältnis die beiden Lösungen mischen und den resultierenden pH-Wert bestimmen. S Welche Bedeutung hat das Acetat/Essigsäure-Puffersystem im Organismus? EXPERIMENT 2.2: Titrationskurven von Aminosäuren Prinzip: Die in 0.1 M HCl gelöste Hydrochloridform einer Aminosäure (Histidin, Glutaminsäure, Glycin oder Lysin) wird mit 0.25 M NaOH bis pH 12 titriert. Die Titrationskurve der Aminosäure wird aus der 70 Differenz des Basenverbrauchs der Lösung und des "Lösungsmittels" (0.1 M HCl in H2O) ermittelt. Aus der Titrationskurve werden pKa-Werte, IEP und Konzentration der Aminosäure bestimmt. Ausführung: Vor Versuchsbeginn Bedienungsanleitung des pH-Meters lesen und pH-Meter mit der aufgestellten pH-Eichlösung eichen. Bürette sorgfältig mit 0.25 M NaOH (bis etwa 3 cm über das Skalenende) füllen. Meniskus bis zum oberen Ende der Skala absinken lassen (Lauge in Plastikbecher fliessen lassen) und genaue Position ablesen. a) Magnetrührstäbchen in mit Wasser gespültes 100 ml Becherglas legen und 40.0 ml der aufgestellten Aminosäurelösung zugeben. Magnetrührer abschalten. Mit Wasser abgespülte Elektrode vorsichtig eintauchen (darf Rührstäbchen nicht berühren) und pH-Wert ablesen. Magnetrührer wieder einschalten. Titration durch Zugabe von kleinen Mengen (0.5 - 1.0 ml) NaOH ausführen. Nach jeder Zugabe Volumen der verbrauchten Lauge und pH notieren. pH-Werte als Funktion des Laugenverbrauchs auf Millimeterpapier auftragen. Abszisse: ml NaOH (1 cm = 2 ml); Ordinate: pH (1 cm = 1 Einheit). b) Titration an 40.0 ml des "Lösungsmittels" (= 0.1 M HCl) wiederholen. Messwerte auf das gleiche Millimeterpapier auftragen. Titrationskurve der Aminosäure aus Differenz des Basenverbrauchs von Titration (a) und (b) (= horizontaler Abstand der erhaltenen Kurven) in Intervallen von 0.5 pH-Einheiten ermitteln und ebenfalls graphisch aufzeichnen. Äquivalenzpunkte und pKa-Werte bestimmen und die molare Konzentration der Aminosäurelösung berechnen. S Welche Aminosäure wurde titriert? EXPERIMENT 2.3: Titration von Hämoglobin Hämoglobin ist nach dem Bicarbonat-Puffersystem der wichtigste Puffer im Blut. Die Titrationskurve der Hämoglobinlösung wird im Bereich von pH 9 - pH 5 aus dem Verbrauch von HCl ermittelt, da der Säureverbrauch des "Lösungsmittels" (H2O) in diesem pH-Bereich gering ist. Aus dem Verlauf der Titrationskurve wird ersichtlich in welchem pH-Bereich Hämoglobin am besten puffert. Die Pufferkapazität gibt die Leistungsfähigkeit eines Puffersystems an. Sie wird angegeben als Menge H+ (bzw. OH) die bei einem Liter Pufferlösung eine pHÄnderung von 1.0 bewirken. Bei bekannter Konzentration der Hämoglobinlösung kann die Pufferkapazität eines Liters einer 1 mM Hämoglobinlösung (bzw. von 1 mmol Hämoglobin) bei pH 7.5 ermittelt werden. Ausführung: Volumen der Hämoglobinlösung im Messzylinder falls nötig mit 0.15 M NaCl auf 25 ml einstellen, mischen und davon 0.1 ml zu einem RG, das 4 ml NaPhosphatpuffer enthält, geben. Inhalt des RG gut mischen und in Messküvette giessen. Am Photometer die Extinktion bei 540 nm gegen PufferBlindwert ablesen. Der millimolare Extinktionskoeffizient bei 540 nm beträgt 59 mM-1cm-1. Daraus die Konzentration der unverdünnten Hämoglobinlösung berechnen. 71 Vor Versuchsbeginn Bedienungsanleitung des pH-Meters lesen und pH-Meter mit der aufgestellten Eichlösung eichen. a) Magnetrührstäbchen in 50 ml Becherglas legen und 25 ml der Hämoglobinlösung zugeben. Magnetrührer abschalten. Mit Wasser abgespülte Elektrode vorsichtig eintauchen (darf Rührstäbchen nicht berühren) und pH-Wert ablesen. Magnetrührer wieder einschalten. Titration durch portionenweise Zugabe von 0.5 ml HCl (0.02 M) durchführen (Socorex Pipette benützen). Nach jeder Zugabe pH notieren. Von pH 6 - pH 5 Portionen von 1 ml HCl zugeben um Zeit zu sparen. Die pH-Werte als Funktion des Säureverbrauchs auf Millimeterpapier auftragen. Abszisse: 1 cm = 1 ml HCl; Ordinate: 4 cm = 1 pH-Einheit. b) Titration wiederholen mit 25 ml des "Lösungsmittels" (= Wasser, 0.15 M NaCl, mit verdünnter NaOH/HCl auf pH 9 einstellen). Portionenweise 0.2 ml HCl (0.02 M) zugeben bis gesamthaft 2 ml. Messwerte auf das gleiche Millimeterpapier auftragen. Die Titrationskurve der Hämoglobinlösung wird aus der Differenz des Säureverbrauchs von Titration (a) und (b) erhalten. Da der Säureverbrauch des "Lösungsmittels" gering ist, entspricht der Säureverbrauch der Titration (a) praktisch der Titrationskurve. Bei pH 7.5 und pH 6.5 die horizontalen Abstände der erhaltenen Kurven (a) und (b) bestimmen (= ml HCl). Aus der Differenz der beiden Werte die Anzahl µmol HCl berechnen, die beim verwendeten Volumen (25 ml) und der gegebenen Konzentration (siehe oben) zu einer pH-Änderung von einer Einheit führten. Daraus die Pufferkapazität eines Liters einer 1 mM Hämoglobinlösung und des Hämoglobins im einem Liter Blut bestimmen (Hämoglobin: Mr 64'000; 140-160 g /Liter Blut). S In welchem Bereich puffert Hämoglobin gut? S Welche Seitenketten sind für die Pufferung im physiologischen pH-Bereich verantwortlich? S Der pKa eines bestimmten Typs von Seitenkette in einem Protein ist keine konstante Grösse. Erklären Sie dies im Zusammenhang mit dem Resultat von Exp. 2.2. EXPERIMENT 2.4: Ionenaustauschchromatographie von Aminosäuren Prinzip: Glycin und Arginin werden an einem Kationenaustauscher voneinander getrennt. Im Eluat werden Glycin und Arginin mit der Ninhydrinreaktion (Exp. 1.1) und Arginin allein mit dem Sakaguchi-Test nachgewiesen. Säule: Gepackt mit Dowex 50 x 8 (S03--Gruppen), äquilibriert mit Elutionspuffer. Lösungen: S Elutionspuffer, 0.45 M Natriumcitrat, pH 6.5 S Aminosäurengemisch: Glycin (0.5 %) und Arginin (1.5 %) in Elutionspuffer 72 S Ninhydrin (2 %) in Aceton S Sakaguchi-Reagenzien: NaOH (10 %), "-Naphthol (0.02 %), alkalische Hypobromit-Lösung (NaBrO), Harnstoff-Lösung (40 %) Auftragen der Probe und Elution: Vierundzwanzig Reagenzröhrchen numerieren und in den Fraktionensammler stellen. Hahn am Puffervorratsgefäss schliessen, Schliffstopfen oben an der Säule abnehmen und die über dem Austauscherharz stehende Pufferlösung mit Pasteurpipette sorgfältig abheben. Mit einer Pipette sorgfältig 0.5 ml Aminosäurengemisch auf die Säule auftragen. Fraktionensammler in Betrieb setzen (eingestellt für eine Sammelzeit von 1 min pro Fraktion). Quetschhahnen am unten an der Säule angebrachten Schlauch öffnen und, sobald Probe bis zur Säulenoberfläche eingelaufen ist, wieder schliessen. Dann mit einigen Tropfen Puffer (ca. 0.2 ml) aus Pasteurpipette die Säulenwand gut nachspülen (Vorsicht: Harz nicht aufschlämmen!) und Puffer gleich wie Probe einlaufen lassen. Die gleiche Spülprozedur nochmals wiederholen und dann Quetschhahnen wieder schliessen. Sofort Säule mit Puffer bis zum Schliff sorgfältig auffüllen, Schliffstopfen aufsetzen und Hahn am Vorratsgefäss und am Schlauch öffnen. Durchflussgeschwindigkeit auf ca. 1 ml pro min durch Heben oder Senken des Puffervorratsgefässes regulieren. Mindestens 24 Fraktionen auffangen. Aminosäurennachweis in den Fraktionen: Tüpfelprobe mit Ninhydrin Auf Chromatographiepapierstreifen (ca. 30 x 8 cm) zwei Reihen von je 12 Punkten mit Bleistift einzeichnen. Punkte fortlaufend numerieren. Einen Tropfen jeder Fraktion mit Pasteurpipette am entsprechenden Punkt auftragen. Zusätzlich als Blindwert einen Tropfen Puffer auftragen (am besten am Anfang, beschriften). Papier mit Fön trocknen, durch Schale mit Ninhydrin ziehen und zur Farbentwicklung bei 60 - 100EC trocknen. Relative Ninhydrinfarbintensität (0 bis ++++) der Flecken abschätzen und auf Millimeterpapier gegen die Röhrchennummer auftragen. Nachweis von Arginin Die Guanidinogruppe von Arginin reagiert mit "-Naphthol und Hypobromit in alkalischer Lösung zu einem unbeständigen roten Farbstoff. Zu 1 ml der beiden Fraktionen, die am stärksten mit Ninhydrin anfärben, je 0.5 ml 10 %ige NaOH und "-Naphthollösung zugeben, mischen und 4 min im Eisbad stehen lassen. Tropfenweise Hypobromitlösung zugeben (höchstens 5 Tropfen) und Farbveränderung beobachten. Darauf 0.2 ml Harnstofflösung (40 %) zufügen und mischen. Die Farbe wird durch den Harnstoff, der mit dem überschüssigen Hypobromit reagiert, stabilisiert. S Weshalb wird Gly vor Arg eluiert? S Abbildung 6 im Theorieteil (S. 30) zeigt die Auftrennung von Aminosäuren mit Kationenaustauscherharz. Wie liesse sich im hier durchgeführten Experiment Arginin in einem schmaleren Gipfel (in wenigen Fraktionen enthalten) von Glycin trennen? 73 EXPERIMENT 2.7: Löslichkeit von Serumalbumin Proteine werden mit Perchlorsäure und Trichloressigsäure quantitativ ausgefällt (einfacher Proteinnachweis; "Deproteinisierung" von Proben in Röhrchen E und F, aber nicht in G!). Die Löslichkeit von Serumalbumin wird unter verschiedenen Bedingungen beobachtet (nativ und hitzedenaturiert bei verschiedenen pH-Werten). Ausmass der Ausfällung abschätzen (0 bis +++) und in nachstehender Tabelle notieren. 7 RG beschriften und wie folgt ansetzen: A B C D E F G 1 - 1 3 Tr. - 1 3 Tr. - 1 0.5 1 - 1 - 1 - 0.33 M Perchlorsäure (ml) 0.2 M Trichloressigsäure (ml) 0.3 M HCl (ml) - - - - 1 - 1 - 1 pH (mit pH-Indikatorpapier abschätzen): ... ... ... ... Ausfällung ... ... ... ... ... ... ... Serumalbuminlösung (ml) 0.1 M NaOH 1 % Essigsäure 100 % Essigsäure (ml) RG A bis D während 5 min ins siedende Wasserbad stellen. Ausfällung S ... ... Erklären Sie die beobachteten Resultate! ... ...