Verleihung des Hegel-Preises 2006 Beschlussvorlage

Werbung
Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Kultur/Bildung und Sport
Gz: KBS
GRDrs 849/2006
Stuttgart, 08.11.2006
Verleihung des Hegel-Preises 2006
Beschlussvorlage
Vorlage an
zur
Sitzungsart
Sitzungstermin
Ausschuss für Kultur und Medien
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
28.11.2006
06.12.2006
07.12.2006
Dieser Beschluss wird nicht in das Gemeinderatsauftragssystem aufgenommen.
Beschlussantrag
1. Die Landeshauptstadt Stuttgart verleiht den mit 12.000 Euro dotierten
Hegel-Preis 2006 dem Soziologen Professor Dr. Richard Sennett.
2. Der Aufwand für den Preis sowie die Vorbereitungs- und Verleihungskosten werden
gedeckt aus Mitteln des Verwaltungshaushalts 2006 bei Fipo. 1.3100.6200.000 Wissenschaft und Forschung; Eigene Veranstaltungen -.
Kurzfassung der Begründung
Die Hegelpreis-Jury schlägt als Preisträger 2006 den Soziologen Professor Dr. Richard
Sennett vor. Mit Sennett würde die Landeshauptstadt Stuttgart einen Wissenschaftler
ehren, der über die Gruppe seiner Kolleginnen und Kollegen hinaus ausstrahlt.
Finanzielle Auswirkungen
Die Mittel stehen haushaltsrechtlich bei Fipo. 1.3100.6200.000 - Wissenschaft und
Forschung; Eigene Veranstaltungen - zur Verfügung.
Seite 1
Mitzeichnung der beteiligten Stellen:
keine
Vorliegende Anfragen/Anträge:
keine
Erledigte Anfragen/Anträge:
keine
Dr. Susanne Eisenmann
Anlagen
Anlage 1: Ausführliche Begründung
Seite 2
Anlage 1 zu GRDrs 849/2006
Ausführliche Begründung:
1. Zum Hegelpreis der Landeshauptstadt Stuttgart und Vergabe 2006
Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart hat am 8. Juni 1967 in Würdigung
der Bedeutung ihres großen Sohnes Georg Wilhelm Friedrich Hegel den mit
15.000 DM dotierten Hegel-Preis gestiftet. Um der Bedeutung der Preises auch im
Vergleich zu anderen Preisen gerecht zu werden, wurde die Dotierung ab 1982 auf
20.000 DM (heute 12.000 Euro) angehoben.
Der „Hegel-Preis der Landeshauptstadt Stuttgart” wird alle drei Jahre an Persönlichkeiten verliehen, die sich um die Entwicklung der Geisteswissenschaften im weiten
Sinne verdient machen oder gemacht haben. Der Hegel-Preis gilt international als
eine der wichtigsten philosophischen Auszeichnungen. Er wurde erstmals 1970 anlässlich Hegels 200. Geburtstag an den Altphilologen Prof. Dr. Bruno Snell vergeben.
Die weiteren bisherigen Preisträger waren:
1973
1976
1979
1982
1985
1988
1991
1994
1997
2000
2003
Prof. Dr. phil. Jürgen Habermas
Prof. Dr. Sir Ernst Gombrich
Prof. Dr. Hans-Georg Gadamer
Prof. Dr. Roman Jacobson
Prof. Dr. Paul Ricoeur
Prof. Dr. sc. Niklas Luhmann
Prof. Donald Davidson
Prof. Dr. Jaques Le Goff
Prof. Dr. Charles Taylor
Prof. Dr. Norberto Bobbio
Prof. Dr. Dieter Henrich
Zur Vorbereitung der Entscheidung über die Preisverleihung fand am 13. Oktober 2006 unter dem Vorsitz von Bürgermeisterin Dr. Eisenmann eine Jurysitzung mit
Vertretern der Fraktionen des Gemeinderats und der Verwaltung statt. Der Präsident
der Internationalen Hegel-Vereinigung, Herr Professor Dr. Rüdiger Bubner, konnte
krankheitshalber an der Sitzung nicht teilnehmen. Die Jury hat sich anhand der von
der Internationalen Hegelvereinigung eingereichten Vorschläge und der vorliegenden
Literatur nach eingehender Diskussion einstimmig für Richard Sennett ausgesprochen.
2. Zur Vita des Preisträgers 2006
Geboren 1943 in Chicago
1964 Promotion an der Harvard University
Akademische Stationen in Harvard, Yale, Rom und Washington
Sennett lehrt Soziologie und Geschichte an der London School of Economics und
am College of Art and Sciences an der New York Universitiy – seine Hauptarbeitsgebiete sind Städte, Arbeit und Kultursoziologie
Seite 3
Auszeichnungen
Helen and Robert life-time achievement award in sociology
American Sociological Association, 2004
Fellow der European Academy of Arts and Sciences
Fellow der American Academy of Arts and Sciences
Fellow der Royal Society of Literature
3. Die Bedeutung Hegels für Sennett und Sennetts Bedeutung für Hegel
Hegel hat die Philosophie darauf verpflichtet, ihre Zeit in Gedanken zu erfassen. Die
Gegenwart in diesem Sinne auf vernünftige Begriffe zu bringen ist eine seltene wissenschaftliche Tugend. Der New Yorker Soziologe Richard Sennett besitzt sie. Seine
Grundthemen – die Vereinzelung, Orientierungslosigkeit und Ohnmacht moderner
Individuen, die Instabilität menschlicher Beziehungen und die Ausübung von Herrschaft – behandelt er in Werken, die auf glückliche Weise den Zeitbezug mit der
theoretischen Reflexion verbinden.
In einer Reihe berühmter Bücher, die weit über den akademischen Bereich hinaus
wirken, hat er seine Untersuchungen verfolgt. Insbesondere sein Werk über „Verfall
und Ende des öffentlichen Lebens“ hat ihn bekannt gemacht. Dort untersuchte er,
wie die Grenzen zwischen der Privatheit und der Öffentlichkeit verschwinden und
hiermit das öffentliche Leben selbst beschädigt wird.
Zuletzt waren es vornehmlich seine Arbeiten über den „flexiblen Menschen“, mit denen er die Zeit auf ihren Begriff zu bringen suchte. Sennett beschreibt, wie die Flexibilisierung der Arbeitswelt, die durch die Beschleunigung der Arbeitsorganisation und
die Unsicherheit der Arbeitsverhältnisse erfordert wird, überlieferte Wertvorstellungen
und Tugenden wie Treue, Verantwortungsgefühl und Arbeitsethos zerreibt. Auch
geht die Fähigkeit, auf die sofortige Befriedigung von Wünschen zu verzichten und
Ziele langfristig zu verfolgen, in ihrer Folge mehr und mehr verloren. Dieser Prozess
ist nicht das Ergebnis bösen Willens, sondern unterliegt den Bedingungen der globalen Wirtschaft. Doch er trägt zu einer Atmosphäre von Angst, Hilflosigkeit, Instabilität und Verunsicherung in weiten Teilen der Gesellschaft bei. Die Schere zwischen
Arm und Reich wird größer. Die Mittelschichten werden ausgedünnt, und eine Polarisierung zwischen einer kleineren Gruppe von Profiteuren und einer großen Anzahl
von Verlierern des neuen Systems ist zu beobachten. Der Begriff „flexibler Mensch“
will diese Vorgänge vernünftig erfassen. Er ist, wie auch die vorangegangen Bücher
Sennetts, ein Zeugnis dafür, dass Hegels eingangs zitierte Forderung auch gegenwärtig fruchtbringend ist.
Als Träger des Hegelpreises würde Richard Sennett die Möglichkeit einer vernünftigen Diagnose der Zeit im Hegelschen Sinne bezeugen. Er würde zudem die internationale Bedeutung des Hegelpreises bekräftigen. Und nicht zuletzt würde die Landeshauptstadt Stuttgart in Sennett einen Wissenschaftler ehren, der über die Gruppe
seiner Kolleginnen und Kollegen hinaus ausstrahlt.
Seite 4
4. Auswahlbibliografie
•
•
•
•
•
•
•
The Corrosion of Character. The Personal Consequences of Work in the New
Capitalism (1998) – (dt.: der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus
(1998))
Authority (1980) – (dt.: Autorität (1990))
The Fall of Public Man (1977)-(dt.: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens
(1983))
The Hidden Injuries of Class (1972)
Flesh and Stone (1994)- (dt.: Fleisch und Stein (1994))
Respect in a World of Unequality (2002) – (dt.: Respekt im Zeitalter der Ungleichheit(2002))
The Culture of New Capitalism - (dt.: Die Kultur des neuen Kapitalismus (2005))
Seite 5
Zugehörige Unterlagen
Herunterladen