1806: Zweierlei Untergang Frühe Kriegsberichterstattung Deutsche

Werbung
Heft 3/2006
ISSN 0940-4163
C 21234
Militärgeschichte im Bild: Generalleutnant Ulrich de Maizière (1912–2006)
1806: Zweierlei Untergang
Frühe Kriegsberichterstattung
Deutsche Interessen im Kongo
»Kriegsmaler« Richard Hohly
Impressum
Editorial
Militärgeschichte
Zeitschrift für historische Bildung
Herausgegeben
vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt
durch Oberst Dr. Hans Ehlert und
Oberst i.G. Dr. Hans-Hubertus Mack (V.i.S.d.P.)
Produktionsredakteur
der aktuellen Ausgabe:
Oberstleutnant Dr. Harald Potempa
Redaktion:
Oberleutnant Julian-André Finke M.A. (jf)
Oberleutnant Matthias Nicklaus M.A. (mn)
Oberstleutnant Dr. Harald Potempa (hp)
Mag. phil. Michael Thomae (mt)
Bildredaktion:
Dipl.-Phil. Marina Sandig
Redaktionsassistenz:
Stefan Stahlberg, Cand. Phil. (StS)
Lektorat:
Dr. Aleksandar-S. Vuletić
Layout/Grafik:
Maurice Woynoski / Medienwerkstatt D. Lang
Anschrift der Redaktion:
Redaktion »Militärgeschichte«
Militärgeschichtliches Forschungsamt
Postfach 60 11 22, 14411 Potsdam
E-Mail: MGFARedaktionMilGeschichte@
bundeswehr.org
Telefax: (03 31) 97 14 -507
Homepage: www.mgfa.de
Manuskripte für die Militärgeschichte werden
an diese Anschrift erbeten. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird nicht gehaftet.
Durch Annahme eines Manuskriptes erwirkt
der Herausgeber auch das Recht zur Veröffentlichung, Übersetzung usw. Honorarabrechnung
erfolgt jeweils nach Veröffentlichung. Die
Redaktion behält sich Kürzungen eingereichter
Beiträge vor. Nachdrucke, auch auszugsweise,
fotomechanische Wiedergabe und Übersetzung
sind nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung durch die Redaktion und mit Quellenangaben erlaubt. Dies gilt auch für die Aufnahme
in elektronische Datenbanken und Vervielfältigungen auf CD-ROM. Die Redaktion hat keinerlei Einfluss auf die Gestaltung und die Inhalte derjenigen Seiten, auf die in dieser Zeitschrift
durch Angabe eines Link verwiesen wird. Deshalb übernimmt die Redaktion keine Verantwortung für die Inhalte aller durch Angabe
einer Linkadresse in dieser Zeitschrift genannten Seiten und deren Unterseiten. Dieses gilt
für alle ausgewählten und angebotenen Links
und für alle Seiteninhalte, zu denen Links oder
Banner führen.
© 2006 für alle Beiträge beim
Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA)
Sollten nicht in allen Fällen die Rechteinhaber
ermittelt worden sein, bitten wir ggf. um
Mitteilung.
Druck:
SKN Druck und Verlag GmbH & Co., Norden
ISSN 0940-4163
Am 14. Oktober vor 200 Jahren erlitt die preußisch-sächsische Armee bei Jena
und Auerstedt eine vernichtende Niederlage gegen die napoleonischen Truppen. Staat und Heer in Preußen wurden daraufhin weitreichenden Reformen
unterzogen, die mit den Namen Gneisenau, Scharnhorst und Clausewitz eng
verbunden sind. Die »Preußischen Reformen« bilden seit Bestehen der Bundeswehr eine der drei Traditionslinien
unserer Streitkräfte.
Das Jahr 1806 bedeutete aber auch das
Ende des seit 962 bestehenden Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, die Entstehung der Königreiche
Bayern, Württemberg und Sachsen sowie die Gründung des Rheinbundes
(1806–1813). Diese Entwicklungen
haben uns unter anderem bis zum
heutigen Tage ein wichtiges Element
hinterlassen: den Föderalismus in
der Bundesrepublik Deutschland. Bis
1918 besaß auch die Militärverfassung
des Deutschen Reiches föderative Elemente. Es blieben die Erinnerungen an ein kompliziertes Staatsgebilde und an
ein einigendes Band zwischen den verschiedenen »deutschen Staaten«. Der
erste Großbeitrag der vorliegenden Ausgabe der Zeitschrift Militärgeschichte
informiert nicht nur grundsätzlich über das »Alte Reich«, sondern trägt auch
insgesamt den Ereignissen des Jahres 1806 Rechnung.
Bilder und Berichte über tagesaktuelle kriegerische Konflikte sind im Zeitalter der elektronischen Massenmedien allgegenwärtig. Wie entstehen solche
Bilder und Berichte? Welche Bilder sollen oder, vor allem, dürfen gezeigt werden, welche nicht? Der Artikel »No dead bodies« von Klaus-Jürgen Bremm
nimmt diese aktuelle Frage auf, indem er über die Anfänge der Kriegsberichterstattung im 19. Jahrhundert informiert. Einen aktuellen Bezug zum weltpolitischen Geschehen hat auch der Artikel »Deutsche Interessen im Kongo«
von Wolfgang Petter, der sich ebenfalls auf das 19. Jahrhundert bezieht. Nicht
zuletzt der derzeitige Einsatz deutscher Soldatinnen und Soldaten zur Absicherung der Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo hat die ehemalige belgische Kolonie und deren Geschichte auch hierzulande ins öffentliche
Blickfeld gerückt.
Mit der Überschrift »Russland zu sympathisch gesehen, propagandistisch
nicht verwertbar«, wurden die Skizzen und Bilder des »Kriegsmalers« Richard
Hohly von der Wehrmacht versehen. Dem Leben und Wirken dieses ungewöhnlichen Künstlers widmet sich der Großbeitrag von Eberhard Birk.
Ein Wort in eigener Sache: Der uniformierte Teil der Redaktion Militärgeschichte ist durch das Ausscheiden von Heiner Bröckermann inzwischen
eine reine »Air-Force-Crew« geworden. Sie bemüht sich allerdings, nicht abzuheben.
Ich wünsche Ihnen viel Genuss bei der Lektüre des dritten Heftes 2006.
Dr. phil. Harald Potempa
Oberstleutnant
Inhalt
Zweierlei Untergang:
Der Zusammenbruch des Alten
Reichs (962–1806) und des alten
Preußen im Jahre 1806
4
Das historische Stichwort:
Ungarn 1956
22
Dr. Martin Rink, geboren 1966 in Kaufbeuren/
Allgäu, Historiker; Dr. Harald Potempa, geboren
1963 in Dorfen, Landkreis Erding/Oberbayern,
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am MGFA
No dead bodies! Der moderne
Krieg und die Anfänge der
Kriegsberichterstattung
Service
10
Medien online/digital
24
Lesetipp
26
Ausstellungen
28
Geschichte kompakt
30
Militärgeschichte
im Bild
General Ulrich de Maizière
(1912–2006)
31
Dr. Klaus-Jürgen Bremm, geboren 1958 in Duisburg,
Oberstleutnant d.R., Lehrbeauftragter für
Neuere Geschichte an der Universität Osnabrück
Deutsche Interessen
im Kongo
14
Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Ulrich de Maizière (links),
im Gespräch mit Bundesminister der
Verteidigung Kai-Uwe von Hassel
und Bundeskanzler Ludwig Erhard
anlässlich des Besuches der Heeresunteroffizierschule, ca. 1965.
Dr. Wolfgang Petter, geboren 1942 in Erlangen,
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am MGFA, Potsdam
Foto: Bundesregierung/Egon Steiner
»Russland zu sympathisch
gesehen, propagandistisch nicht
verwertbar«. Der »Kriegsmaler«
Richard Hohly
Dr. Eberhard Birk, geboren 1967 in Heilbronn, Dozent
an der Offizierschule der Luftwaffe Fürstenfeldbruck
18
Weitere Mitarbeiter dieser Ausgabe:
Major Heiner Bröckermann M.A., MGFA;
Studienreferendar Christian Bunnenberg,
Münster;
Wiss. Oberrat Dr. Bernhard Chiari, MGFA;
Oberstleutnant Dr. Helmut R. Hammerich,
MGFA;
Oberstleutnant Dr. Dieter H. Kollmer,
MGFA;
Hauptmann Marcus von Salisch, MGFA;
Leiter Abteilung Forschung (komm.)
MGFA Dr. Bruno Thoß
Zweierlei Untergang
Der Zusammenbruch des
Alten Reichs
(962–1806)
und des alten
Preußen im
Jahre 1806
agk-images
 Franz II. (1768–1835), der letzte Kaiser des Heiligen Römischen Reiches
Deutscher Nation.
Gemälde, vor 1806, von Joseph Kreutzinger (1757–1825).
1806–2006:
Aspekte eines Jubiläums
agk-images/Erich Lessing
 Napoleon Bonaparte (1769–1821)
stand am Anfang der Neuordnung
Deutschlands. Seine Siege zertrümmerten die hergebrachte Ordnung.
Ölstudie, 1799, von Jacques-Louis
David (1748–1825).
4
2006 jährt sich zum 200. Mal die Schlacht
bei Jena und Auerstedt. Am 14. Oktober
1806 erlitten die preußischen Truppen
eine vernichtende Niederlage gegen
die Truppen Napoleons I. Im selben
Jahr fand aber auch das »Heilige Römische Reich deutscher Nation« , auch
»Altes Reich« genannt, ein eher unrühmliches Ende. Am 6. August 1806
legte Kaiser Franz II. die deutsche Kaiserkrone nieder.
So endete ein Staatsgebilde, das bereits im 17. Jahrhundert als »Monstrum« bezeichnet worden war. Weder
war es Bundesstaat noch Staatenbund,
weder Monarchie noch Aristokratie
noch Demokratie – vielmehr war es
von allem ein wenig. »Das Reich« umfasste im Revolutionsjahr 1789 nicht
weniger als 299 mehr oder weniger
faktisch souveräne Reichsstände, be-
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
ginnend mit den Kurfürstentümern
bis hin zu Reichsstädten und Reichsdörfern, besonders in Schwaben und
Franken. Hinzu kamen 1475 Reichsritterschaften. Sie alle waren nur dem
Kaiser untertan, sie alle hatten ihren
Beitrag zur Reichsarmee zu leisten, die
nur im Kriegsfall aufgestellt wurde. Ein
»Deutsches« Reich war dies nicht wirklich: Bis 1806 gehörten auch Tschechen,
Slowenen, Wallonen und Flamen dazu.
Über Jahrhunderte gab es italienische,
schweizerische, burgundische, lothringische und niederländische Teile des
Reiches. Der Verweis auf das »Heilige«
und »Römische« deutete darauf hin,
dass der Kaiser mit universalem Anspruch auftrat.
Das nationale französische Kaisertum des 19. Jahrhunderts widersprach
dieser Reichsidee grundlegend. Napoleon Bonaparte nutzte ab 1799 die
Chance der inneren Erneuerung Frankreichs. Seine Krönung zum »Kaiser der
agk-images
 Die Goldene Bulle Kaiser Karl IV.
von 1356 bildete ein wichtiges
Grundgesetz des Reiches für die
nächsten 450 Jahre.
Franzosen« 1804 bedeutete einen »modernen« Legitimitätsanspruch: Er war
der »Retter« der Nation, die ihm zum
Kaiser erhob. Auf dem Höhepunkt seiner Macht, nach den Siegen von Ulm,
Austerlitz und Jena 1805/06, verkörperte der Korse nicht nur gleichsam den
»Kriegsgott selbst« (Clausewitz), sondern ordnete auch Deutschland neu.
Demgegenüber wirkte das Alte Reich
überlebt. Seine großen Territorialmächte, allen voran Österreich und Preußen,
hatten sich längst verselbständigt.
»Deutsche Stämme«
als untaugliche Kategorie:
Goldene Bulle 1356
für das Amt des Kaisers aufzustellen
und zu wählen. Die im Jahr 1356 erlassene Goldene Bulle Kaiser Karls IV.
gab die Antwort für die nächsten 450
Jahre. Sieben Kurfürsten wurden per
Reichsgesetz definiert, die zur Wahl
des Kaisers berechtigt waren. Statt
der Stammesherzöge waren dies nun
drei geistliche Würdenträger: die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier.
– sowie vier weltliche Herrscher: der
König von Böhmen (der einzige dieses
Ranges), der Pfalzgraf bei Rhein (Kurfürst von der Pfalz), die Kurfürsten von
Brandenburg und Sachsen. 300 Jahre später kamen Bayern (1623/28) und
Hannover (1692) als Kurfürstentümer
dazu. Die alten Stammesherzogtümer
waren verkleinert und verändert worden. Der Aufbau von Landesherrschaft
und künftiger Großmächte geschah in
den Markgrafschaften, so etwa in der
Mark Brandenburg (Preußen) und der
»ostwärtigen Mark« (Österreich).
Der deutsche König wurde auf Lebenszeit gewählt, der Titel war nicht erblich. Erst die Weihe durch den Papst
verlieh dem deutschen König die Kaiserwürde. Den Kurfürsten mussten jeweils Wahlversprechen in Form von
Rechten, Ländereien oder schlicht Geld
gemacht werden. Seit Maximilian I.
nannte sich er neugewählte König
auch »Erwählter Römischer Kaiser«,
die Krönung durch den Papst entfiel
fortan – von einer Ausnahme (Karl. V)
abgesehen. Tatsächlich war die Kaiserwürde von 1438 bis 1806 fast durchgängig fest in den Händen der habsburgischen (Erz-)Herzöge von Österreich,
die ab 1526 gleichzeitig Könige von
Böhmen waren. Als Erben des größten Territorialbesitzes verfügten die
Habsburger über eine Hausmacht, die
sie mit den Mitteln versah, die Königswahl der Kurfürsten in ihrem Sinne zu
beeinflussen. Allerdings war es einigen
von ihnen gelungen, eine Standeserhöhung zu erlangen, was zunächst nur
außerhalb des Reichsgebietes möglich
war: So trugen zeitweise der sächsische
Kurfürst die polnische, der hannoversche ab dem 18. Jahrhundert die englische Königskrone; seit 1701 kam der
brandenburgische Kurfürst als »König in Preußen« dazu. Auch benachbarte Groß- oder Regionalmächte wie
Frankreich, Schweden und Dänemark
spielten ihre Rolle im Reich, da sie in
Personalunion ihrer Herrscher über
Reichsterritorien verfügten und deshalb in den Reichsgremien unmittelbar ihre Interessen vertreten konnten
– natürlich auch bei der Kaiserwahl.
 Die Sieben Kurfürsten vor dem Kaiserthron. Links die drei geistlichen, rechts die
vier weltlichen Kurfürsten. Kolorierter Holzschnitt aus H. Schedel, Liber chronicarum, Nürnberg 1493; Sign. Inc. 119, fol. 183 v, 184 r, Herzogin Anna Amalia
Bibliothek, Weimar, Stiftung Weimarer Klassik.
agk-images
An der Spitze des Heiligen Römischen
Reiches Deutscher Nation stand der
Kaiser. Mit der Krönung Ottos I. 962
war bewusst an den Frankenkönig Karl
den Großen und dessen Anspruch als
Erneuerer des (west-)römischen Kaiserreiches angeknüpft worden. Karl
hatte sich 800 von Papst Leo III. zum
Römischen Kaiser krönen lassen.
Neben dem burgundischen und dem
italienischen Teil bestand das Reich
aus den Stammesherzogtümern Bayern, Franken, Sachsen, Schwaben und
Thüringen. Im 13. und 14. Jahrhundert
setzten die Schwächung der Zentralgewalt und die Stärkung der Regionalgewalten ein. Die königslose Zeit, aber
auch das Auftreten von König und Gegenkönig warfen die Frage auf, wer
denn berechtigt sei, einen Kandidaten
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
5
Zweierlei Untergang
»Abgeordnete«, Geld und
Militär
Entscheidungen wurden auf den
Reichstagen getroffen. Sie bildeten
eine (un-)regelmäßige Versammlung
aller Reichsstände in Anwesenheit des
Kaisers, deren Beschlüsse man in den
»Reichsabschieden« schriftlich niederlegte. Im Gegensatz zu modernen Parlamenten waren die Teilnehmer der
Reichstage ebenso wenig vom Volk
gewählt wie die Ständevertretungen
(Kirche, Adel, Bürger) in den einzelnen
Reichsständen. Dies war kein deutsches Phänomen, sondern galt in ganz
Europa. Dennoch hat der moderne Parlamentarismus seine Vorläufer in den
Ständevertretungen. Die Reichstage
wurden bei Bedarf abgehalten, u.a. in
den (Reichs-)Städten Augsburg, Nürnberg, Frankfurt a.M., Regensburg,
Speyer und Worms. Der Reichstag zu
Worms 1495 schuf die organisatorische
Zwischenebene der »Reichskreise«. Es
gab ihrer zehn, sie waren regional organisiert und hatten in ihrem Bereich
Beschlüsse des Reichstages durchzusetzen, u.a. das Steueraufkommen zu
organisieren. Sie waren aber auch für
die Aufstellung der Kontingente der
Reichsarmee im Kriegsfall zuständig.
Die Reichsstände hatten die aufgebo-
tene Armee zu bezahlen, denn ein Stehendes Reichsheer existierte nicht.
Der Landfrieden wurde durch die
Reichskreise garantiert. Der Wormser Reichstag von 1521 präzisierte den
Umfang und die Leistungen an die
Reichsarmee. Diese bestand aus 20 000
Mann Infanterie und 4000 Mann Kavallerie. Die Reichsstände hatten gemäß
einer festen Quote entweder Soldaten
und Pferde oder aber das Geld für deren Anwerbung und Unterhalt aufzubringen. Der Augsburger Reichstag
von 1555, abgehalten unter dem Eindruck der Reformation und des Bauernkrieges in Deutschland, präzisierte
die Kreiseinteilung und legte die militärischen Rechte und Pflichten der Mitglieder bezüglich Zahlung und Oberbefehl fest. Auch verstärkte er die Rolle
der Reichskreise bei »Reichsexekutionen«, also militärischen Unternehmen
einzelner Reichsstände in kaiserlichem
Auftrag gegen sich widersetzende
Reichsstände.
1681:
Reichsheer und Stehende Heere
Die
»Reichsdefensionalordnung«
(Reichsverteidigungsordnung) von
1681 fußte auf zwei Reichsgutachten
zur »öffentlichen Sicherheit« und bilde-
 Der Reichstag als die Versammlung der Reichsstände unter Vorsitz des Kaisers,
hier ein Reichstag zu Regensburg unter Ferdinand I. Radierung von Jost Amman
(1539–1591).
agk-images
6
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
te bis 1806 die Reichskriegsverfassung.
Maßgebend waren dabei der Osnabrücker Friedensvertrag von 1648 (also der
eine Teil des Westfälischen Friedens)
und der sogenannte Jüngste Reichsabschied von 1654. Mit dem Jahr 1681 erfuhr die Organisation der Reichstage
eine grundlegende Veränderung. Nun
erfolgte in Regensburg die Einrichtung
eines dauernden Gesandtenkongresses
der Reichsstände, der als »Immerwährender Reichstag« bezeichnet wurde.
Das Heeresaufkommen im Kriegsfall wurde von 20 000 Mann auf 40 000
Mann (28 000 Mann Infanterie und
12 000 Mann Kavallerie) erhöht. Diese
Truppenstärke bildete das »Simplum«,
das bei Bedarf verdoppelt, verdreifacht
oder gar vervierfacht werden konnte.
Verantwortlich für die Kreiskasse waren die jeweiligen Kreisobristen der
Reichskreise.
Die Landesherren hatten von nun
an die Möglichkeit, Stehende Heere
zu unterhalten, d.h. Armeen, die auch
im Frieden bestanden. Dazu wurden
von den Ständen des Landes Steuern
erhoben. Bislang waren Armeen nach
Kriegsende aufgelöst oder abgemustert worden. Größere Reichsstände
machten von dieser Möglichkeit ohne
Zögern Gebrauch. So entwickelten
sich Stehende Heere etwa in Brandenburg (ab 1644), in Bayern (ab 1682) und
Sachsen (ab 1682). Die Reichsarmee
blieb dagegen ein Kontingentheer. Sie
wurde nur im Kriegsfall aktiviert, war
also kein Stehendes Heer. Im Verlauf
des 17. Jahrhunderts erwarben sich die
Herrscher der größeren Reichsterritorien mit ihren Stehenden Heeren das
Instrument, welches ihnen letztlich die
Durchsetzungsfähigkeit innerhalb des
Reiches (teils mit Ausstrahlung darüber hinaus) sowie die zunehmende tatsächliche Souveränität innerhalb ihrer
Territorien ermöglichte. Zudem erforderte die Aufrechterhaltung stehender
Truppen, ihrer Ausrüstung, Personalergänzung, Unterbringung, Verpflegung
und regelmäßigen Entlohnung den
Aufbau eines zunehmend umfassender werdenden Staats- und Beamtenapparates. Die größeren Reichsfürsten
gaben hier das Tempo vor. Der strafferen Staatsorganisation der frühneuzeitlichen Groß- und Regionalmächte
entsprach die straffer werdende Disziplin ihrer Heere. Bei Ausbildung und
Gefecht kam nun zu dem bekannten
Soll-Zusammensetzung der Reichsarmee gemäß Reichsdefensionalordnung
Österreichischer Kreis
Burgundischer Kreis
Kurrheinischer Kreis
Fränkischer Kreis
Bayrischer Kreis
Schwäbischer Kreis
Oberrheinischer Kreis
Niederrheinisch-Westfälischer Kreis
Obersächsischer Kreis
Niedersächsischer Kreis
Summe
Exerzieren geschlossener Formationen die Aufgabe hinzu, Marsch, Bewegung, Ladetätigkeiten und Schussfolge
zu koordinieren. Das allgegenwärtige
Rezept lautete: Drill. Zum buchstäblichen Paradebeispiel hierzu avancierte
der ehemalige Außenseiter Preußen im
späten 17. und im 18. Jahrhundert.
Reichskriegsherr war der Kaiser, die
Armee unterstand dem Reichsgeneralfeldmarschall. Ihm waren ein Reichsgeneralfeldmarschallleutnant, ein Reichsgeneralfeldzeugmeister (Artillerie und
Pioniere), ein Reichsgeneral der Kavallerie und ein Reichsgeneralwachtmeister unterstellt. Aufgrund des im
Westfälischen Frieden fixierten Religionskompromisses mussten diese
Funktionen paritätisch mit evangelischen und katholischen Amtsinhabern
besetzt werden. Nur ein einziges Mal,
1707, konnte man sich ohne Komplikationen auf einen Oberbefehlshaber einigen: den überall geachteten Prinzen
Eugen von Savoyen als Reichsgeneralfeldmarschall.
Kavallerie
2 522
1 321
600
980
800
1 321
491
1 321
1 322
1 322
12 000
Infanterie
5 507
2 708
2 707
1 902
1 494
2 707
2 853
2 708
2 707
2 707
28 000
Bewährung oder Scheitern in
der Praxis? 1682–1805
Die Reichsarmee wurde bei Reichskriegen und Reichsexekutionen eingesetzt,
so 1674 im Französisch-Niederländischen Krieg, in den Türkenkriegen ab
1683, im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689,
ab 1702 im Spanischen Erbfolgekrieg,
1734 im Polnischen Erbfolgekrieg, im
Österreichischen Erbfolgekrieg (1740–
1748), im Siebenjährigen Krieg (1756–
1763) gegen Preußen und in den Revolutionskriegen gegen Frankreich ab
1793. Soll- und Ist-Stärke der Truppe
wichen dabei immer voneinander ab.
Die Ist-Stärke betrug:
1658
10 000 Mann
1686
40 000 Mann
1691
19 000 Mann
1700
14 000 Mann
1702
44 000 Mann
1795
42 400 Mann
Diese Schwankungen sind ein deutlicher Beleg dafür, dass es mit der Souveränität des Reiches nicht zum Besten bestellt war. Zum Mentekel für die
Reichsarmee geriet die Schlacht bei
Roßbach am 5. November 1757, wo
sie ruhmlos durch den preußischen
»Reichsfeind« Friedrich II. zerschlagen
wurde; offenkundig führte der Versuch
dieser Reichsexekution zur weiteren
moralischen Unterminierung des Rei-
 Prinz Eugen von Savoyen
(1663–1736) im Feld.
Er war u.a. Reichsgeneralfeldmarschall und damit Oberbefehlshaber der Reichsarmee. Gemälde
von Pietro Longhi (1702–1785).
agk-images/cameraphoto
ches. Dennoch – trotz aller Schwierigkeiten bei der Zusammenstellung, der
Anwerbung, dem Oberbefehl, der Koalitionskriegführung und vieler anderer
Dinge – bildete die Reichsarmee noch
immer einen Ordnungsfaktor und zugleich militärisches Potential.
Preußen: Aufstieg im Reich –
Ausstieg aus dem Reich?
Preußen konnte sich im späten 17. Jahrhundert zur Regionalmacht, im 18. Jahrhundert zur Militärmacht und schließlich mit dem geglückten Risikospiel
Friedrichs II. zur europäischen Großmacht aufschwingen. Der Schlüssel
zum Erfolg lag nicht im Prinzip »Abstimmung und Koordination« mit europäischen Mächten, mit dem Reich und
inmitten der eigenen Gebiete. Den Erfolg erzielten die Hohenzollernkurfürsten und -könige durch eine maximale Steigerung der innerstaatlichen
Effizienz. Erst durch Vereinheitlichung
von Verwaltung, Steuerwesen und Armee wurde aus ihren Herrschaftsgebieten ein preußischer Staat – im Singular.
Freilich war das auch in Preußen ein
langer Prozess, der erst mit den preußischen Reformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts seinen Abschluss fand.
Das auf vielfältigen Ebenen auf dem
Prinzip einer ausgewogenen Abstimmung zwischen den politischen Akteuren basierende Reich wurde letztlich
durch die rigorose Kräftebündelung
innerhalb der größeren Territorialstaaten unterminiert. Preußen schritt hier
voran. In den Kriegen zwischen 1740
und 1763 forderte es die drei bisherigen Ordnungsfaktoren Kaiser, Reich
und europäische Garantiemächte erfolgreich heraus. In der Schlacht bei
Roßbach am 5. November 1757 wurde
die militärische Ohnmacht des Reiches
demonstrativ zur Schau gestellt und
die mit der französischen Armee verbündete Reichsarmee regelrecht niedergeritten. Unter den 10 500 Verlusten der Schlacht befanden sich nur 500
Preußen. Was von deren Gegnern noch
übrig war, zerstob in wilder Flucht.
Das Bild der Reichsarmee als »Reißaus-Armee« wirkte sehr nachdrücklich
und verband sich mit einem preußischen Mythos, der vor allem in Norddeutschland und in der Tradition der
preußisch-deutschen Armee wirksam
blieb.
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
7
Zweierlei Untergang
agk-images
 Am 5. November 1757 siegte König Friedrich II (1712 + 1786) bei Roßbach über
die Reichsarmee und die französische Armee. Kupferstich, 1801, von Johann
Friedrich Bolt (1769–1836).
Unabhängig vom Reich und zum Teil
eben gegen das Reich war spätestens
nach dem Siebenjährigen Krieg (1756–
1763) Preußens Aufstieg zur europäischen Großmacht geglückt – wenn
auch auf Abruf. Friedrich II. verkörperte geradezu den aufgeklärten Absolutismus: Als »erster Diener seines
Staates« entsprach er dem neuen Ideal
des durch Leistung legitimierten Monarchen. Nicht prunkvolle Schlösser
und Hofzeremoniell bildeten den Kristallisationspunkt seiner Herrschaft,
sondern die Bürokratie und vor allem
das stehende, gedrillte und meist siegreiche Heer. Neben persönlichen Fähigkeiten, rücksichtslosen Ambitionen und purem Glück lag der Grund
für Friedrichs Erfolg in einem höheren Grad der inneren Kohäsion seines
Territoriums. Der absolutistische Staat
setzte sich gegen das ältere Modell des
Ständestaats durch.
In allen größeren Reichsterritorien
vollzogen sich eine Fülle von Reformen in der Binnenorganisation: in Verwaltung, Heer und Bildungswesen.
Damit wurden althergebrachte ständische Rechte nach und nach zurückgedrängt.
Ende und Anfang: 1806 und die
»Deutsche Frage«
Mit der Französischen Revolution 1789
vollzog sich ein grundlegender Wandel.
Viele Projekte der Reformabsolutisten
wurden von der französischen Regierung und ab 1799 von Napoleon umge-
8
setzt. Zugleich aber wurde die Nation
als Trägerin des Staates begriffen und
die Bevölkerung für die Armee mobilisiert, um die revolutionären Errungenschaften zu sichern. Dem zunehmend
ausgehöhlten und von starken Einzelterritorien durchsetzten Reich war nun
ein Nachbar entstanden, dessen administrative und militärische Effizienz an
der Spitze der Möglichkeiten der Zeit
stand; dies alles gepaart mit einem
Machtwillen, dem nichts Gleichwertiges gegenüberstand. Das Deutschland
links des Rheins fiel mit dem Frieden
von Lunéville 1801 an Frankreich. Zusammen mit dem »Reichsdeputationshauptschluss« von 1803 bedeutete dies
das Ende vieler weltlicher und aller
geistlichen Reichsstände. Die weltlichen Fürsten links des Rheins wurden
territorial entschädigt oder entschädigten sich selbst auf Kosten der geistlichen Reichsstände. Im Inneren dieser
Staaten begann mit der Säkularisierung
der Sturm auf die Besitzungen der Kirchen und Klöster; im Reich wurden
Reichsklöster und Hochstifte »verstaatlicht«. Während der folgenden Jahre erfolgte die »Mediatisierung« der meisten Reichsstädte, Reichsritterschaften
und Reichsdörfer, also deren Einverleibung durch die Flächenstaaten. Der
vielzitierte »Fleckenteppich« des Reiches war durch den verlorenen Krieg
des Reiches gegen Frankreich »bereinigt« worden. Mit der Auflösung der
Reichsstände war ein wichtiger Teil der
traditionellen Hausmacht des Kaisers
vernichtet worden. Langfristig profi-
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
tierten davon sowohl Frankreich als
auch die »modernen« deutschen Staaten.
Auf dem Höhepunkt napoleonischer Macht zerbrach jedoch nicht nur
das Alte Reich, sondern auch das alte
Preußen. Es hatte sich am rücksichtslosesten auf Kosten des Reichs profiliert. Nun steuerte es sich in einen militärischen Konflikt hinein, den es nur
zertrümmert überlebte. Aus dem ersten Koalitionskrieg (1792–1797) war
Preußen 1795 mit dem Frieden von Basel vorzeitig ausgeschert. Mit der Zusicherung der Rheingrenze an Frankreich konnte sich Preußen sogar nun
der Aufteilung Polens widmen und damit sein Territorium erheblich erweitern. Mit dem Ausgreifen Frankreichs
über den Rhein, besonders der Besetzung Kur-Hannovers und der preußischen Gebiete Ansbach-Bayreuth einerseits, dem preußischen Schwanken
zwischen Frankreich und der Koalition
andererseits verspielte es jedoch bald
jede Glaubwürdigkeit. Nachdem sich
der russische Zar im Herbst 1805 lange persönlich, aber vergeblich um ein
preußisch-russisches Bündnis bemüht
hatte, zog er an der Seite Österreichs in
den Krieg, der am 2. Dezember 1805 mit
der Niederlage von Austerlitz endete.
Der Friede von Preßburg läutete 1805
die letzte Runde des Alten Reiches ein.
Am 1. Januar 1806 wurden Bayern und
Württemberg durch Napoleons Gnaden zu Königreichen erhoben. Sie und
14 andere Reichsstände erklärten die
Zugehörigkeit zum Reich für beendet
und gründeten am 12. Juli 1806 den an
Frankreich angelehnten »Rheinbund«.
Ihm schlossen sich bis 1808 insgesamt
20 weitere deutsche Staaten an.
Wie im Alten Reich existierte auch im
Rheinbund eine Kontingentsarmee. Sie
umfasste nun 63 000 Mann, die sich aus
den einzelnen Armeen speisten, und
sie hatte für die napoleonischen Feldzüge Truppen zu stellen. Ausbildung,
Einsatz, Kriegsverfassung und Anfänge einer allgemeinen Wehrpflicht orientierten sich am französischen Vorbild. Nur Österreich, Preußen, Hessen
und Braunschweig traten dem Rheinbund nicht bei, waren aber zeitweilig
Verbündete Frankreichs. Auf ein Ultimatum Napoleons hin legte der letzte
»deutsche« Kaiser am 6. August 1806
die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation nie-
der, die Geschichte des Reiches war beendet.
Das Jahr 1805 brachte Preußen Vorteile: Im Frieden von Schönbrunn sicherte
es sich die Inbesitznahme Hannovers
im Tausch gegen die fränkischen Gebiete. Nie zuvor hatte Preußens Territorium eine solche Ausdehnung erreicht.
Umso tiefer war dann der Fall: Preußen musste sich entscheiden. Es führte
einerseits Geheimverhandlungen mit
dem russischen Zarenhof, andererseits
gab es französische Gebietsübertretungen nach Westfalen. Das Misstrauen zwischen Frankreich und Preußen
eskalierte in einen von beiden letztlich
nicht gewollten Krieg. Am 14. Oktober
1806 wurde die preußische Armee in
zwei Schlachten bei Jena und Auerstedt
vernichtend geschlagen. Im Frieden
von Tilsit 1807 wurde Preußens Beute
aus den polnischen Teilungen als Großherzogtum Warschau, das gesamte Gebiet westlich der Elbe zusammen mit
Braunschweig und Kurhessen als »Königreich Westfalen« abgetrennt. Dazu
kam eine riesige Summe an Entschädigungen, die Armee wurde um 80 Prozent reduziert. Die bittere Niederlage
wurde erst sechs Jahre später und nur
mit russischer Hilfe in den »Befreiungskriegen« überwunden. Sie blieb eine
schwärende Wunde im preußischen
kollektiven Bewusstsein. Sie war Anstoß für die grundlegende Reform von
Militär- und Staatswesen 1807–1813,
bildete aber auch den Anknüpfungspunkt für einen preußisch-deutschen
Revanchismus, der bis ins 20. Jahrhundert hineinwirkte.
Ende und Anfang:
bleibende Wirkungen
Mit dem Untergang des Alten Reiches
ging für Gesamtdeutschland in staatsrechtlicher Hinsicht das »einigende«
Band verloren. Die »deutschen« Staaten waren nunmehr vollständig souverän geworden, was im Wiener Kongress
1814/15 auch bestätigt wurde. Der von
1815 bis 1866 existierende Deutsche
Bund bildete einen Staatenbund unter letztlich österreichischer Führung,
auch er kannte Kontingentstreitkräfte.
In der Revolution 1848/49 wurde der
(erfolglose) Versuch einer demokratischen Einigung »von unten« gewagt.
Während der Einigungskriege 1864,
1866 und 1870/71 wurde die deutsche
Frage mit der militärischen Lösung
»von oben« beantwortet; Österreich
war staatsrechtlich ausgeschlossen.
Reste der deutschen Pluralität blieben
im Militärwesen des Kaiserreichs ab
1871 erhalten: Bis 1918 existierte eine
Kontingentarmee aus preußischen,
bayerischen, württembergischen und
sächsischen Truppen.
Das Alte Reich erlag also letztlich
den »modernen« Territorialstaaten
wie dem aufkommenden Nationalgefühl. Dennoch erwies es sich trotz großer Schwächen als äußerst langlebig.
Es war fast 850 Jahre Bezugspunkt der
Politik in Europa, in Deutschland und
in den deutschen Einzelterritorien gewesen. Der Föderalismus der Bundesrepublik Deutschland ist ohne einen
Blick auf dieses Reich schwer verständlich. Gleichwohl hat auch die Zerschlagung des Reiches Spuren hinterlassen.
Die Grenzen der heutigen Bundesländer, der Regierungsbezirke und andere Verwaltungsgrenzen sind oft solche,
die im Zuge der Säkularisierung und
Mediatisierung entstanden sind.
Das oft komplex wirkende Aushandeln von Interessen durch die betroffenen Gebietskörperschaften, Verbände und berufliche Standesvertretungen
in der Bundesrepublik Deutschland
heute erinnert an Mechanismen, die
eher dem Verfahrensweisen im Alten
Reich ähneln als dem Ideal des bürokratisch-absolutistischen Staates des
19. Jahrhunderts. Gleiches gilt für die
Verfahrensweisen im militärischen
Aufgabenspektrum des angebrochenen
21. Jahrhunderts: Oft ist hier ein hochkomplexes Gefüge zwischen verbündeten Kontingenten, Teilstreitkräften,
zivilen Regierungsstellen und Nichtregierungsorganisationen zu berücksichtigen. Das Alte Reich ist tot, doch
Spuren seiner Geschichte sind nach wie
vor lebendig.
 Martin Rink und Harald Potempa
Literaturtipps:
agk-images
 In der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt (hier: Jena) wurde die sächsischpreußische Armee am 14. Oktober 1806 von Napoleon vernichtend geschlagen.
Zeitgen. Lithographie.
Axel Gotthard, Das Alte Reich 1495–1806, Darmstadt 2003
Peter Claus Hartmann, Das Heilige Römische Reich
deutscher Nation in der Neuzeit 1486–1806, Stuttgart 2005
Barbara Stollberg-Rilinger, Das Heilige Römische Reich
Deutscher Nation. Vom Ende des Mittelalters bis 1806,
München 2006
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
9
No dead bodies!
Der moderne
Krieg und
die Anfänge
der Kriegsberichterstattung
No dead
bodies!
1855 im Krimkrieg: eine Gruppe
britischer Soldaten des
47. (Lancashire) Infanterieregiments in Winterausrüstung,
fotografiert von Roger Fenton.
D
er Krimkrieg von 1853 bis 1856
gilt als erster militärischer Konflikt des Industriezeitalters.
Dampfbetriebene Kriegsschiffe, weitreichende Gewehre und Geschütze
mit Sprengmunition bestimmten seinen Verlauf. Modern an der Auseinandersetzung zwischen dem zaristischen
Russland und den mit dem Osmanischen Reich verbündeten Westmächten Frankreich und Großbritannien
war allerdings auch, dass die Öffentlichkeit in London und Paris erstmals
zeitnah Nachrichten von der Front erhielt. Telegrafie und Fotografie bedienten im Zeitalter der Massenheere und
des aufkommenden Nationalismus
ein stetig wachsendes Interesse der Öffentlichkeit an der Kriegführung. Zu
Hause wollte man nun wissen, wie es
um die Söhne und Ehemänner im Felde stand.
Kriegsberichterstatter
auf der Krim
Noch zu Beginn des Jahrhunderts hatte Arthur Wellesley, der Herzog von
Wellington (1769–1852), befürchtet,
der Feind könne aus der Presse Informationen über Stärke und Position seiner Armee gewinnen. Die Anwesenheit von Kriegsberichterstattern auf
der Krim hätte jedoch auch der »Eiserne Herzog« kaum verhindern können.
Der Bekannteste von ihnen war der Ire
10
akg-images/Roger Fenton
William Howard Russell (1821–1907),
der im Auftrag der Londoner Tageszeitung The Times schrieb. Seine Berichte von den untragbaren Zuständen
auf der umkämpften Halbinsel Krim
im Winter 1854/55 sorgten in London
für ein ungeahntes Aufsehen. Militärische Inkompetenz hatte zu schlechter
Verpflegung, haarsträubenden hygienischen Verhältnissen und extrem hohen Krankenständen geführt. Auf den
harten Winter vor der belagerten Festung Sewastopol war die britische Armee kaum vorbereitet. Als die Details
in London bekannt wurden, richtete
das Unterhaus nach heftigen Debatten einen Untersuchungsausschuss ein
und Ende Januar 1855 wurde schließlich eine neue Regierung ernannt. Dank
der Berichte Russells und anderer Korrespondenten war der Krieg nicht mehr
länger eine Angelegenheit ausschließlich der Armee, des Kriegsministeriums
und des Kabinetts, sondern Sache der
ganzen Nation geworden.
Dass Russell seine Berichte noch auf
dem Seeweg nach London schickte, wo
sie erst zwei oder drei Wochen später
eintrafen, minderte kaum ihre Wirkung. Auch als die Telegrafenverbindung von der Krim nach Großbritannien im Frühjahr 1855 endlich zustande
kam, verließ sich Russel weiter auf den
traditionellen Postweg, der es ihm erlaubte, ausführlichere Berichte zu schicken.
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
Eine Steigerung des Realismus in der
jungen Kriegsberichterstattung versprach eine weitere technische Neuentwicklung: die Fotografie. Alexander
Gardner (1821–1882), der bekannte Fotograf des Amerikanischen Bürgerkrieges, glaubte sogar, dass im Vergleich
zu den sprachlichen Beschreibungen
des Kriegsgeschehens die fotografischen Wiedergaben von der Nachwelt
mit »zweifelsfreiem Vertrauen« aufgenommen würden.
Vorerst erforderte die Technik jedoch
noch eine minutenlange Belichtung,
so dass bewegte Szenen und besonders Kampfaufnahmen sich nach wie
vor der fotografischen Abbildung entzogen. Unter den ersten 15 Kriegsfotografen auf der Krim machte besonders
der Brite Roger Fenton (1819–1869) von
sich reden. Seine 360 Fotografien vom
Geschehen vor Sewastopol fanden in
Großbritannien die weiteste Verbreitung und prägten nachdrücklicher als
jede Berichterstattung die Vorstellungen seiner Landsleute vom Krimkrieg.
Doch die auf Glasplatten festgehaltenen Aufnahmen des ehemaligen Malers hatten wenig mit den Realitäten
im Kampfgebiet zu tun. Unklar ist, ob
Fenton tatsächlich vom britischen Königshaus mit der Auflage: »No dead
bodies« auf die Krim geschickt wurde,
um eine durch Russels Berichte irritierte Öffentlichkeit zu beruhigen. Vor allem die britische Oberschicht schätzte
Ein Bild aus dem
Amerikanischen
Bürgerkrieg:
Alexander Gardner
fotografierte nach
der Schlacht bei Gettysburg im Juli 1863
einen Gefallenen.
akg-images/Alexander Gardner
Fentons Aufnahmen in der bildästhetischen Tradition der früheren Genremalerei. Auf ihnen erschien der Krieg
als ein gesellig-gemütliches Unternehmen, wobei geschickt hinzu arrangierte Krankenschwestern oder Soldatenfrauen beim Betrachter den Eindruck
der völligen Harmlosigkeit der Szenerie hervorriefen. Daher galt der Krimkrieg in Großbritannien schon bald nur
noch als »Picknick War«. Couragiertere Fotografen erreichten mit ihren Aufnahmen der zerschossenen Sewastopoler Befestigungen längst nicht Fentons
Wirkung.
Im Amerikanischen Bürgerkrieg
Während Fenton seinem Publikum allenfalls Bilder der Gräber gefallener Offiziere zugemutet hatte, wagte der Amerikaner Mathew B. Brady (1823–1896)
im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861–
1865) erstmals die Leichen der Gefallenen unmittelbar auf dem Schlachtfeld
aufzunehmen. Die Toten der Schlachten von Antietam (17. September 1862)
und Gettysburg (1. bis 3. Juli 1863) waren ein Meilenstein der realistischen
Kriegsfotografie. Das gewiss härter gesottene amerikanische Publikum interessierte sich jedoch kaum für Bradys
schockierende Aufnahmen von aufgetriebenen und ausgeraubten Toten im
Regen. Freilich gelangten seine Kriegsfotografien vorerst auch nicht auf dem
direkten Wege zu den Lesern der neuen Illustrierten Zeitungen wie Harper’s
Weekly oder The Illustrated London News.
Zur drucktechnischen Vervielfältigung
mussten die Fotografien anfangs noch
aufwendig zu Holzstichen umgearbeitet werden. Dieser Umweg entfiel erst
1881 mit der Erfindung des Verfahrens
der Autotypie (Netzätzung).
Trotz dieser Beschränkungen kann
der Amerikanische Bürgerkrieg als erster Medienkrieg angesehen werden. Damals standen sich Truppen der Nordstaaten (Union) und der abgespaltenen
Südstaaten (Konföderierte) gegenüber.
Mehr als 500 Kriegsreporter waren
zeitweise im Einsatz und belieferten
die Zeitungen mit oft übertriebenen
oder sogar erfundenen Berichten. Im
Sommer 1864 meldete eine Zeitung die
Einnahme von Atlanta durch Unionstruppen schon fünf Tage vor dem tatsächlichen Beginn des Kampfes um
die Stadt. Im Kriegsgebiet oft ganz auf
sich allein gestellt, schlossen sich viele
Korrespondenten schließlich zu einem
eigenen Verband zusammen, den sie
ironisch die »Bohemian Brigade« nannten. Während es vom Krimkrieg vielleicht einige tausend Aufnahmen gab,
wuchs nun die Zahl der Kriegsfotografien auf über eine Million. Mit Zensurbestimmungen versuchte der Kriegsminister der Union Edwin M. Stanton
(1814–1869) eine allzu realistische Darstellung des Kriegsgeschehens und vor
allem die Veröffentlichung auch für
den Feind wichtiger Details zu verhindern. Von ständig schlechten Nachrichten geplagt, schreckte er sogar vor
Verhaftungen unbequemer Korrespondenten nicht zurück und sorgte vereinzelt auch höchstpersönlich für eine beschönigende Darstellung der Verluste
bei den Unionstruppen.
Der mit seinen Reportagen von der
Krim berühmt gewordene Russell war
1861 ebenfalls von der Londoner Times
auf den Kriegsschauplatz geschickt
worden, fiel aber durch seine nüchterne und schonungslose Analyse der
Niederlage der Union bei Bull Run
(21. Juli 1861) im Norden schnell in Ungnade. Da sich zudem sein Londoner
Chefredakteur John Thadeus Delane
(1817–1879) offen für die Konföderation erklärt hatte, musste der Ire die Vereinigten Staaten vorzeitig verlassen.
Europäische Schlachtfelder
Anders als vom Amerikanischen Bürgerkrieg gingen von den Deutschen Einigungskriegen der Jahre 1864 bis 1871
kaum neue Impulse für die Kriegsfotografie aus. Fotografen und Kriegsberichterstatter auf preußisch-deutscher
Seite standen unter strenger Kontrolle
des Militärs. Die wenigen am Krieg von
1864 beteiligten Fotografen handelten
im Auftrag der Armee. Hohe Investitionen für eine fototechnische Ausstat-
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
11
No dead bodies!
tung und die geringen Möglichkeiten,
die Aufnahmen zu verbreiten, engten
den Kreis der Kriegsfotografen ohnehin stark ein.
Auf eigene Rechnung begleitete der
Flensburger Fotograf Friedrich Brandt
(1823–1891) als einer von vier »Lichtbildnern« das preußisch-österreichische Expeditionskorps auf die Schlachtfelder nach Schleswig. Ganz in Fentons
Stil lieferte er Aufnahmen der Düppeler Schanzen nach ihrer Erstürmung
oder Fotos der von den Dänen geräumten Festung Fredericia, dazu inszenierte Gruppenaufnahmen siegreicher
Kämpfer. Doch nirgendwo finden sich
auf den Aufnahmen Hinweise auf die
7500 Toten des Deutsch-Dänischen
Krieges von 1864.
Dagegen war der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 für die Entwicklung der Kriegsberichterstattung von
großer Bedeutung. Otto von Bismarck
versorgte über eine eigene Pressestelle
die regierungsfreundlichen Zeitungen
in Norddeutschland regelmäßig mit
Kriegsnachrichten. Auf besondere Einladung Preußens begleitete wiederum
Russell die deutschen Armeen auf ihrem Vormarsch nach Paris. Frankreich
hatte den Einsatz von ausländischen
Kriegskorrespondenten anfangs abgelehnt, während Bismarck die Anwesenheit von britischen Kriegsberichterstattern im eigenen Lager sehr begrüßte.
Mit Blick auf die öffentliche Meinung
in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten konnte es nach Ansicht
des damaligen Kanzlers des Norddeutschen Bundes für Preußen nur von Vorteil sein, wenn ihre beiden einflussreichsten Zeitungen über die Erfolge
seiner Armeen berichteten. Genau dies
befürchtete aber die britische Regierung. Zu strikter Neutralität entschlossen, wollte sie nach der französischen
Weigerung zunächst überhaupt keine
Korrespondenten ausreisen lassen. Erst
die Intervention Delanes, des einflussreichen Chefredakteurs der Times, beseitigte dieses Hindernis.
Doch nicht Russell avancierte diesmal zum Medienstar, sondern sein
Konkurrent Archibald Forbes (1838 bis
1900) von den Daily News. Der ehemalige Offizier der Royal Dragoons nutzte
konsequent die technischen Möglichkeiten und konnte daher seine Berichte
schneller als sein journalistisches Vorbild Russell in London präsentieren.
12
akg-images/ George N. Barnard
Der Amerikanische Bürgerkrieg traf die Zivilbevölkerung des Südens besonders
hart; hier eine Aufnahme vom Capitol Hill auf die zerstörte Stadt Columbia in
South Carolina im Jahr 1865, fotografiert von George N. Barnard.
Während der Belagerung von Paris hatte Forbes mit der preußischen Armeeführung vereinbart, dass er seine Nachrichten an jeder beliebigen preußischen
Poststation in der Umgebung der Stadt
aufgeben könne, so dass sie ein Postzug
noch am selben Tage nach Saarbrücken
bringen konnte, wo ein sorgfältig instruierter Telegrafist für die sofortige
Weiterleitung von Forbes´ Nachrichten
nach London sorgte. So hatte der findige Brite sichergestellt, dass seine Nachrichten innerhalb von nur 24 Stunden
in London eintrafen.
Der bereits kriegserfahrene Amerikaner George W. Smalley (1833–1916)
von der New York Tribune organisierte
während des Krieges sogar die erste internationale Presseagentur. Die angeschlossenen Korrespondenten durften
auch die Informationen anderer Kollegen benutzen, sofern sie selbst ihre Berichte dem Nachrichtenpool zur Verfügung stellten. Sämtliche Nachrichten
wurden zunächst auf schnellstem
Wege nach London telegrafiert, wo
ein Redaktionsteam die verschiedenen
Quellen zu vollständigen Beiträgen
zusammensetzte. So erreichte die Meldung von der Schlacht von Gravelotte
(18. August 1870) bereits zwei Tage
später New York. Das Telegramm via
Überseekabel hatte immerhin 5000 USDollar gekostet. Die Berichterstattung
verlor jedoch an literarischer Qualität,
wurde direkter und beschränkte sich
zusehends auf das noch heute aktuel-
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
le Grundmuster des Wer – Wie – Wo
– Wann – Warum.
Auch die Zeitungen in Deutschland hatten Korrespondenten nach
Frankreich entsandt. Für die Berliner
National-Zeitung waren bis zu zehn
Berichterstatter tätig und für die Kölnische Zeitung arbeitete der Schriftsteller Hans Wachenhusen (1827–1898),
der sich schon 1854 als Kriegskorrespondent im Gefolge der osmanischen
Armee an der Donau befunden hatte.
Wie Russell hatte Wachenhusen seither
über alle militärischen Konflikte in Europa berichtet und 1860 sogar den italienischen Freiheitshelden Giuseppe Garibaldi (1807–1882) in Sizilien begleitet.
Vier Jahre später, am 18. April 1864,
beobachtete er mit einem Fernglas von
einem Sicherungsturm aus den preußischen Sturm auf die Düppeler Schanzen. Auch der Publizist und Schriftsteller Gustav Freytag (1816–1895) reiste
für seinen Grenzboten 1870 nach Frankreich und durfte sich dem Hauptquartier des preußischen Kronprinzen anschließen. Typisch für die damalige
Berichterstattung war das freie und
daher auch gefährliche Herumstreifen
von Reportern im Kriegsgebiet. Korrespondenten wurden von der Gegenseite oft als Agenten angesehen und gefangen genommen. Das prominenteste
Opfer war wohl der Schriftsteller Theodor Fontane (1819–1898), der als Kriegsberichterstatter am 5. Oktober 1870 bei
Domrémy in französische Hände fiel.
Literaturtipps:
Ute Daniel (Hrsg.), Augenzeugen.
Kriegsberichterstattung vom 18. zum 21. Jahrhundert,
Göttingen 2006
Gerhard Paul, Bilder des Krieges – Krieg der Bilder.
Die Visualisierung des modernen Krieges,
Paderborn 2004
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
Geschic
hte
Die Titelseite der Abendausgabe der
Vossischen Zeitung vom 31. August 1914
mit Meldungen vom Kriegsgeschehen
unst &
Die Niederschlagung der revolutionären Pariser Kommune vom 21. bis
28. Mai 1871 eröffnete ein neues Kapitel
der Kriegsfotografie. Aufnahmen von
Tod und Zerstörung in den umkämpften Straßen wirkten zwar realistischer,
doch ließen sie sich mehr noch als die
geschönten Aufnahmen zur Propaganda missbrauchen. Kommunarden und
übergelaufene Nationalgardisten ließen sich bereitwillig gemeinsam vor
der umgestürzten Napoleon-Säule
auf der Place Vendôme ablichten. Geschäftstüchtige Fotografen wie Bruno
Braquehais (1823–1875) stellten sogar
noch während der Kämpfe ihre Aufnahmen in den Schaufenstern der Pariser Schreibwarenhändler aus. Mit
einem Gespür für die neuen Möglichkeiten der Selbstdarstellung posierten
selbst Frauen mit ihren Kindern vor
den Barrikaden, ohne allerdings zu ahnen, dass die Pariser Polizei später ihre
 Klaus-Jürgen Bremm
iv für K
Die Pariser Kommune
und die Kriegsfotografie
Nach ihren ersten erfolgreichen Ansätzen im Krimkrieg und im Amerikanischen Bürgerkrieg nahm die Kriegsberichterstattung bis zum Ersten Weltkrieg
mehr und mehr propagandistische
Züge an. Bei Ausbruch des Krieges erließen alle Kriegsparteien sofort strikte Zensurbestimmungen für ihre Korrespondenten. So verschaffte sich die
britische Regierung im Ursprungsland
der Pressefreiheit durch den berüchtigten »Realm Act« vom 8. August 1914
die Kontrolle über sämtliche ein- und
ausgehenden Pressemeldungen vom
Kontinent. Wer gegen den Act verstieß, konnte ohne Gerichtsverfahren
inhaftiert werden. Das War Office
Bureau sorgte dafür, dass Tatsachen propagandistisch entstellt
oder verschwiegen wurden. Sogar völlig frei erfundene Berichte wurden veröffentlicht, wie
etwa die über abgehackte Kinderhände im besetzten Belgien oder über eine deutsche
Leichenverwertungsanstalt.
Selbst weltbekannte Autoren
wie H.G. Wells (1866–1946)
zögerten damals nicht, das
unglaubliche Gemetzel an
der Westfront zu beschönigen. Er wisse, so beteuerte
der Autor des Sience-Fiction-Romans »Krieg der
Welten«, dass sein Risiko, von einer Kugel getroffen zu werden, unendlich geringer sei als
die Gefährdung der
Kampfmoral durch
g Arch
Schlimmer noch erging es einem Berichterstatter der Londoner Times, der
am 1. September 1870 bei Douay von
einer französischen Kugel tödlich getroffen wurde.
Kein Krieg ohne Presse
mmlun
Theodor Fontane, Schriftsteller und
Kriegsberichterstatter im DeutschFranzösischen Krieg 1870/71.
Die Porträtaufnahme entstand um
1874. In dieser Zeit erschien auch
Fontanes zweibändiges Werk
„Der Krieg gegen Frankreich 1870/71“.
ages/Sa
akg-images
allzu grausame Bilder und übertriebene Ansichten. Mit der Realität des blutigen Grabenkrieges an der Westfront,
dem Millionen von Soldaten zum Opfer fielen, hatte das jedoch nichts
mehr zu tun. Wenn die Leute tatsächlich die Wahrheit wüssten, wäre der
Krieg morgen schon beendet, bemerkte im Dezember 1917 der britische Premier David Lloyd George gegenüber
einem befreundeten Zeitungsverleger. Immerhin bewirkte 1915 ein junger australischer Korrespondent mit
seiner Berichterstattung den Abbruch
des britischen Landungsunternehmens
auf der osmanischen Halbinsel Gallipoli und sogar die Ablösung des verantwortlichen britischen Generals. Sein
Name lautete Keith Murdoch; er war
der Vater des »Medienzaren« Rupert
Murdoch.
akg-im
Aufnahmen zu Ermittlungszwecken
nutzen würde. Auch Bildmanipulationen zur politischen Propaganda kamen
vor. Der Fotograf Ernest Eugène Appert (1830–1891), ein erklärter Gegner
der »Commune«, stellte für seine elfteilige Bilderserie »Crimes de la Commune« einzelne Szenen des Aufstandes
mit Hilfe von Schauspielern und Statisten nach. Seine Fotomontagen von Hinrichtungen durch die Kommunarden,
die nie stattgefunden hatten, gelten sogar als bekannteste frühe Bildfälschungen. Schließlich verbot die Regierung
1872 die Verbreitung von Aufnahmen
der Ereignisse und Beteiligten des Aufstandes.
13
Deutsche Interessen im Kongo
Deutsche
Interessen im Kongo
pa/akg
Offizier und Afrikaforscher Hermann von Wissmann verhandelt nach Anlegung eines Stützpunktes (Station Mkwadji) mit
den um die »Schauri« (Palaverhütte) versammelten Eingeborenen.
D
as neu errichtete Deutsche
Reich meldete ab 1871 bei der
Aufteilung Afrikas in Kolonialgebiete zunehmend seine »Rechte« an.
Deutsche Missionare, Wissenschaftler
und Reisende waren schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts an der Erschließung des »schwarzen Kontinents«
beteiligt. Der Kaiser und die Reichsregierung suchten deren Aktivitäten zu
kontrollieren. Als klare wirtschaftliche
Interessen erkennbar wurden, griffen
beide lenkend ein, insbesondere im
Kongobecken. Obwohl für das Deutsche Reich die Bedeutung kolonialer
Erwerbungen bis zum Ersten Weltkrieg
im Vergleich zu anderen Mächten gering blieb, beschäftigten die Vorgänge
in Afrika die deutsche Öffentlichkeit in
starkem Maße.
Die Deutsche Afrikanische
Gesellschaft
Erst zwischen 1874 und 1877 wurde das
Kongobecken von dem britisch-amerikanischen Journalisten Henry M. Stanley (1841–1904) erforscht und von 1878
bis 1884 teilweise erschlossen. Auf die-
14
ses Gebiet richteten sich große Erwartungen auf reiche Rohstoffvorkommen
und tropische Produkte. Von 1874 an
erkundete der deutsche Geograph Paul
Pogge (1838–1884) gleichzeitig den
Südwestteil des Landes. 1876 gründete
König Leopold II. von Belgien eine Internationale Afrikanische Gesellschaft
(Association Internationale Africaine),
die das Kongobecken »im internationalen Interesse« und »nach europäischen Zivilisationsstandards« nutzbar
machen sollte. Als deutsche Sektion
bildete sich die Deutsche Afrikanische
Gesellschaft (DAG). Sie war besonders
aktiv und stellte mit Professor Eduard
Pechuel-Loesche (1840–1913) in dieser
Zeit der Erschließung Stanleys Stellvertreter. Mit den zahlreichen Reisenden
der DAG begann 1878 eine regelrechte »deutsche Erforschungsphase« des
noch unerschlossenen zentralafrikanischen Gebiets. Reichskanzler Otto von
Bismarck unterstützte die DAG und
ihre Expeditionen mittels seines »Afrikafonds«, um dem Deutschen Reich gebührenden Einfluss in Zentralafrika zu
verschaffen. Zusammen mit dem französischen Regierungschef Jules Ferry
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
förderte Bismarck König Leopolds
Projekt, das sich schließlich 1884 zum
»Kongo-Freistaat« (État Indépendant
du Congo) entwickelte.
Die Berliner »Kongokonferenz«
1884/85
Der deutsche Reichskanzler verband
mit der Einflussnahme in Afrika weitere Interessen: Eine gemeinsame Politik
mit Frankreich im Fall des Kongo kam
seiner Politik der Zähmung des westlichen Nachbarn entgegen, der »Revanche« für den verlorenen DeutschFranzösischen Krieg von 1870/71
forderte. Als Portugal mit britischer
Unterstützung die Mündung des Kongo unter Berufung auf die Entdeckung
Ende des 15. Jahrhunderts als Besitz
reklamierte, anberaumte Bismarck in
Absprache mit Ferry eine »Kongokonferenz« der europäischen Mächte, des
Osmanischen Reichs und der Vereinigten Staaten in Berlin (15. November
1884 bis 26. Februar 1885). Großbritannien, das dank bilateraler Verträge mit
Portugal als einzige Wirtschaftsmacht
von der Abschottung des Kongobe-
ckens profitierte, gab angesichts der
deutsch-französischen Koalition nach
und gestand die Internationalisierung
von Kongomündung und Kongostrom
zu, ebenso wie die Übertragung der
Landeshoheit und -verwaltung an den
»internationalen« Kongo-Freistaat.
Die Konferenz von Berlin gab ganz
Afrika zur Kolonialisierung durch europäische Mächte frei und legte dafür die
Regeln fest. Europäische Konflikte sollten möglichst nicht in Afrika fortgeführt
werden (Art. 10 der »Kongoakte«). Darüber hinaus wurde ganz Zentralafrika,
wenn die Interessen mehrerer Staaten
aufeinander trafen, unbeschadet sei-
ner politischen Aufteilung wirtschaftlich als »Kongo-Freihandelszone« für
alle Teilnehmer des Kongresses geöffnet. Deutschland hatte zu diesem Zeitpunkt bereits in West-, Südwest- und
Ostafrika Fuß gefasst und ließ sich
dort Schutzgebiete international garantieren. Es machte seine Interessen
allerdings nur mäßig geltend, da Bismarck – zu Recht, wie sich zeigen sollte – den Verwaltungs- und Sicherungsaufwand als unverhältnismäßig hoch
einschätzte. Mit dem freien Zugang in
ein Gebiet, in dem überwiegend andere Mächte die Kosten für Erschließung
und Landfrieden trugen, war er dagegen überzeugt, »etwas Bedeutendes
und Haltbares gemacht zu haben«.
Deutsche Kongoforscher
pa/dpa
Hermann von Wissmann
Hermann von Wissmann wurde am 4. September 1853 in Frankfurt/Oder geboren.
Sein Vater war preußischer Regierungsrat.
Wissmann besuchte die Berliner Kriegsschule und gehörte dem dortigen Kadettenkorps
an. Ab 1874 studierte er an der Universität
Rostock Naturwissenschaften, Geographie
und Ethnologie. 1881/82 durchquerte er
Äquatorialafrika von West nach Ost und erforschte von 1883 bis 1885 im Auftrag von
König Leopold II. die spätere belgische Kolonie Kongo. Nach einer erneuten Reise durch
Afrika 1886/87 baute Wissmann als Reichskommissar für Deutsch-Ostafrika zwischen
1889 und 1891 eine Schutztruppe auf, mit der
er die Küstenaraber und Sklavenhändler im
Krieg um die Herrschaft im Lande besiegte.
Für seine Verdienste wurde Wissmann vom
deutschen Kaiser geadelt und zum Major befördert. 1895/96 schickte er als Gouverneur
Oberst Lothar von Trotha, der 1904 durch die
Massakrierung der Herero in Deutsch-Südwestafrika bekannt werden sollte, auf Expedition ins Landesinnere und befriedete
Deutsch-Ostafrika während einer neuen Krise
durch Autorität und Diplomatie. 1896 kehrte Hermann von Wissmann aus gesundheitlichen Gründen nach Deutschland zurück. Er
starb 1905 bei einem Jagdunfall.
Bernhard Chiari
Die deutsche Mitbestimmung am Kongo ließ Bismarck durch Expeditionen
der DAG demonstrieren, die er kontrollierte und bei Eigenmächtigkeiten
fallen ließ. Von 1884 bis 1886 erforschten die Leutnante Richard Kund und
Hans Tappenbeck sowie der Botaniker Richard Büttner den Kongo flussaufwärts. Die wichtigsten Unternehmungen verbinden sich aber mit dem
Namen Hermann von Wissmann, der,
nach ersten Expeditionen 1881/82, in
den Jahren 1884/85 für den Kongo-Freistaat den Bereich des Kasai erforschte, wo er die Stadt Luluabourg (heu-
te Kananga) gründete. Die besondere
Bedeutung dieser mit dem deutschen
Kronprinzen und Bismarck abgesprochenen Mission lag darin, dass sie trotz
Beauftragung durch König Leopold
unter der deutschen statt der kongolesischen Flagge erfolgte, um die Internationalität der Kongo-Unternehmungen
zu demonstrieren. Als letzter bedeutender deutscher Kongoforscher führte nach Wissmanns Erkrankung der
Stabsarzt Ludwig Wolf den Auftrag zu
Ende. 1886/87 durchquerte Wissmann
das Kongobecken ein weiteres Mal,
diesmal, um Erkundigungen über die
arabischen Sklavenhändler einzuholen. Sie waren die eigentlichen Machthaber Innerafrikas. Der belgische Major Francis de Dhanis beseitigte später
deren Herrschaft, wobei Wissmann im
deutschen Tanganjika/Njassa-Seengebiet die Operationen des Belgiers flankierte (1893).
Machtverlust des
Deutschen Reiches im Kongo
Bereits zwei Wochen nach Abschluss
der Kongokonferenz setzte sich in
Frankreich die populäre »Revanchepartei« wieder durch. Sie wollte sich durch
eine Politik unter dem Motto »vom
Rhein zum Kongo« nicht ablenken lassen. Die »Boulanger-Krise« – der neu
ernannte französische Kriegsminister
Georges Boulanger trat als Befürworter
������������������
���������������
���������������
�������
��� �� ����� ��
� ����
�� �� �����
� ����
�����
���������������
���������������
����������������
��������������
������������������
���������
���������������
���������������������
���������������������
�
���
����
����
�������
��������������������
�����������������������������������������������������������������
������������������������������������������������������������������������
����
��������
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
15
Deutsche Interessen im Kongo
eines Revanche-Kriegs gegen Deutschland auf –, mit der französische Nationalisten die Phase der Kongoharmonie
beendeten, konnte dank der hastigen
Ausrüstung der deutschen Armee mit
einem (allerdings noch unausgereiften) Mehrlader, dem Gewehr 88, eingedämmt werden. Ohne den französischen Kooperationspartner war aber
Bismarck nicht in der Lage zu verhindern, dass König Leopold den KongoFreistaat systematisch von den internationalen Bezügen abtrennte und in
sein eigenes, privates Ausbeutungsobjekt umwandelte. Deutschlands afrikanischer Einfluss beschränkte sich bald
auf die eigenen vier Schutzgebiete Kamerun, Togo, Deutsch-Südwestafrika
und Deutsch-Ostafrika, deren geringe
Bedeutung Bismarck nach dem Wiederaufleben militärischer Spannungen in
Europa einem eifrigen Kolonialpublizisten gegenüber wie folgt umschrieb:
»Ihre Karte von Afrika ist ja sehr schön
[...] Aber hier liegt Russland und hier
liegt Frankreich, und wir sind in der
Mitte – das ist meine Karte von Afrika!« Aus dem Protest gegen die nicht
ausreichend gewürdigte Mäßigung in
Ostafrika und am Kongo entwickelte
sich der chauvinistische »Alldeutsche
Verband«, dessen Agitation die deutsche Politik in der Folge schwer belasten und schließlich mit in den Ersten
Weltkrieg treiben sollte.
Von der Kolonie Belgisch-Kongo
bis in die Gegenwart
Leopold II. schottete den Kongo-Freistaat derart gegen die Welt ab, dass die
dort an der lokalen Bevölkerung begangenen Gräuel, die bis 1908 vermutlich bis zu zehn Millionen Einheimische das Leben kosteten, erst ab 1904
in das öffentliche Bewusstsein traten.
Akg
Askarikompanie in Deutsch-Ostafrika. Farbdruck nach Aquarell, aus: Deutschland in Waffen, Stuttgart u.a.: DVA [1913].
Askaris: einheimische Soldaten Afrikas im Dienste der Kolonialmächte
Askari ist ein an Arabisch und Persisch angelehntes bzw. dem Swahili entliehenes Wort und bedeutet »Soldat«. Es wurde für einheimische Soldaten verwendet, die in Ostafrika und im Mittleren
Osten freiwillig den europäischen Kolonialmächten dienten. Der Begriff umfasste aber auch Polizisten und Wachleute im Allgemeinen.
Ein herausragendes Beispiel für die Askaris waren jene 11 000 Soldaten, die im Ersten Weltkrieg in
Deutsch-Ostafrika unter dem Kommando des Offiziers Paul Erich von Lettow-Vorbeck trotz erheblicher numerischer Unterlegenheit vier Jahre lang ungeschlagen den Kolonialtruppen des Vereinigten Königreiches widerstanden.
Während des Apartheidregimes in Südafrika wurden Rebellen, die durch die südafrikanische Armee zum Wechsel der Seiten bewegt werden konnten, Askaris genannt. Der gleiche Ausdruck war
im Zweiten Weltkrieg für russische Überläufer gebräuchlich, die sich freiwillig der SS anschlossen.
Dieter H. Kollmer
16
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
Der drohenden Re-Internationalisierung, die insbesondere in Großbritannien und Amerika gefordert wurde,
kam Leopold durch Übertragung des
Landes aus seinem Privatbesitz an das
Königreich Belgien zuvor. Der diskreditierte Kongo-Freistaat wurde 1908
in die Kolonie Belgisch-Kongo umgewandelt. In der Phase der Unsicherheit über das endgültige Schicksal des
Kongo zeigte Deutschland ein gesteigertes Interesse an der Übernahme
des Landes. Im Marokko-Kongo-Vertrag gelang es Deutschland 1911, eine
Territorialverbindung von Kamerun
zum Kongo zu schaffen. Die Rückführung des Kongo in die Internationalität misslang jedoch, zumal deutsch-britische Gespräche über die Aufteilung
der portugiesischen Kolonien im Fall
eines Staatsbankrotts die Vision des
Projekts »Deutsch-Mittelafrika« erkennbar werden ließen, das die Alldeutschen propagierten. Die deutsche
Wirtschaft äußerte sich in diesem Zusammenhang zurückhaltender. In der
deutschen Kriegszieldebatte während
des Ersten Weltkrieges galt die Übernahme des Kongo dann aber als selbstverständlich.
Die Kriegszieldebatte wirkte sich allerdings kontraproduktiv aus, weil
Belgien im Gegenzug Deutsch-Ostafrika angriff, um ein Faustpfand zu gewinnen. Die belgische Kongo-Armee
(Force Publique) unterstützte die britischen und südafrikanischen Truppen
bei den schweren Schlachten um das
Deutsche Schutzgebiet. Der Militärkommandeur des Schutzgebietes, Paul
Erich von Lettow-Vorbeck (1870–1964),
wich mit seinen einheimischen Soldaten, den Askaris, aus. 1917/18 wurde
der Kampf schließlich auf portugiesischem und britischem Kolonialboden
fortgesetzt.
Der Versailler Vertrag sprach Belgien
1919 die deutsch-ostafrikanischen, Residenturen genannten Verwaltungseinheiten Ruanda und Urundi als
Mandatsgebiete zu. Umgekehrt sah
die nationalsozialistische Kolonialplanung von 1940 bis 1943 konkret den
Anschluss des Kongo an »Deutsch-Mittelafrika« vor. Gegen die USA, die sich
ab 1942 in Belgisch-Kongo militärisch
festsetzten, wäre die Annexion aber
kaum durchsetzbar gewesen. Das kongolesische Uran war die Voraussetzung
für den Bau der Atombombe, den die
Amerikaner bereits betrieben und unter keinen Umständen Hitler ermöglichen wollten.
In das Bewusstsein der deutschen
Öffentlichkeit rückte der Kongo nach
1945 verstärkt in den 1960er Jahren, als
der Deutsche Siegfried Müller, Söldner
im kongolesischen Bürgerkrieg, von
sich reden machte. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich aus dem Kongo der Nachkolonialzeit und seinen
Wirren weitgehend herausgehalten.
Deutsche Beteiligungen an Nichtregierungsorganisationen, insbesondere
an kirchlich-missionarischen (Franziskaner), bestanden schon in belgischer
Zeit; es gab und gibt sie weiterhin im
Bildungs- und Gesundheitswesen. Erst
in letzter Zeit engagiert sich auch die
Bundesregierung in der Demokratischen Republik Kongo. Im Jahr 2003
hat sie 13 Millionen Euro für zivile
Projekte, 25 Millionen zur Demobilisierung und Reintegration von Kom-
»Kongo-Müller«:
Eine deutsche Söldnerkarriere
pa/dpa
Siegfried Müller (rechts) bei der
Ausbildung einer multinationalen,
weißen Söldnertruppe im September
1964 im Militärlager Kamina in
Katanga.
Im Herbst 1964 berichteten westdeutsche Zeitungen wiederholt über den Einsatz weißer
Söldner im kongolesischen Bürgerkrieg. Der
SPIEGEL meldete am 23. September, dass sich
der Deutsche »Siegfried Müller […] Träger des
Eisernen Kreuzes I. Klasse […] als einer der ersten
für die weiße Söldnertruppe im Kongo« gemeldet habe. Schnell bekam der deutsche Söldneroffizier von der Presse einen Kriegsnamen verliehen: »Kongo-Müller«.
Angeworben als »military technical assistance
volunteers«, sich selbst als »Kongo-Freiwillige«
bezeichnend, kämpften unter den vornehmlich
aus Belgien, Großbritannien, Rhodesien und
Südafrika rekrutierten modernen Landsknechten auch etwa drei Dutzend Deutsche auf Seiten der Zentralregierung gegen die »Simbas«
(Löwen). Deren Anführer hatten 1964 im damaligen Stanleyville (Kisangani) die »Volksrepublik Kongo« ausgerufen und innerhalb weniger
Wochen weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Von der ehemaligen Kolonialmacht Belgien und den Vereinigten Staaten unterstützt, koordinierten Ministerpräsident Moïse
Tshombé und General Joseph Désiré Mobutu
den Einsatz der weißen Söldner und der kongolesischen Nationalarmee. Der Auftrag: 300 Söldner sollten, eingeteilt in sechs »Kommandos«,
Stanleyville zurückgewinnen.
Am 9. September 1964 begann für die meisten
Deutschen der Einsatz im »Kommando 52« – geführt von Hauptmann Müller. Referenz für die
Übernahme des Kommandos war Müllers Lebenslauf: 1920 im damals brandenburgischen
Crossen an der Oder (heute Krosno Odrzańskie),
trat er nach Hitlerjugend, Abitur und Reichsarbeitsdienst 1939 in die Wehrmacht ein, kämpfte
in Polen, Frankreich und zuletzt als Panzerjäger
an der Ostfront. Als Oberfähnrich geriet er gegen Kriegsende schwer verwundet in amerikanische Gefangenschaft. 1948, ein Jahr nach seiner Entlassung, wurde Müller wieder Soldat
battanten sowie fünf Millionen für die
Krisenprävention bereitgestellt.
 Wolfgang Petter
Literaturtipps:
Bernhard Chiari und Dieter H. Kollmer,
Wegweiser zur Geschichte: Demokratische Republik Kongo,
Paderborn [u.a.] 2006
Christian Bunnenberg, Der »Kongo-Müller«: Eine deutsche
Söldnerkarriere Münster 2006 (= Europa – Übersee, Bd 19)
– nun unter amerikanischem Kommando in einer aus Deutschen bestehenden »Labour Service Unit«, zuletzt eingesetzt als Zugführer einer
Objektschutzeinheit im Dienstgrad Oberleutnant. Als 1956 eine Übernahme in die Bundeswehr scheiterte, räumte Müller gutbezahlt für
eine britische Erdölfirma in der Sahara Minen
des Afrikakorps. Inzwischen verheiratet und
Vater einer Tochter, wanderte er 1962 nach Südafrika aus. Mit den ersten 38 Söldnern flog Müller
1964 in den Kongo und wurde im Anschluss an
einen ersten Einsatz zur Befreiung Albertvilles
zum Hauptmann befördert.
Aus der Provinzhauptstadt Coquilhatville (Mbandaka) sollte das »Kommando 52« über Ingende
auf Boende vorstoßen und dadurch die Provinz
Équatorial befreien. Müller urteilte später: »Die
ist fast so groß wie die Bundesrepublik. Die habe
ich mit meinen 40 Mann und vielleicht weiteren
hundertfünfzig Mann Schwarzen erledigt. Die
habe ich geschafft. Zehn Wochen.« Dieses »Erledigen« bedeutete, schnelle und tödliche Angriffe mit Jeeps, leichten Radpanzern, Mörsern, Maschinen- und Sturmgewehren durchzuführen.
Rasch erwarben sich die Söldner durch ihr schonungsloses Vorgehen bei der Bevölkerung die
Bezeichnung »Les Affreux« (Die Schrecklichen).
Im November 1964 wurde Müller Major und
übernahm bis Mai 1965 die Söldnerbasis in Kamina. Müller beschrieb seinen Einsatz als Kampf
gegen den Kommunismus und »für die Idee des
Westens«. Die meisten Söldner lockte allerdings
das Geld – 1500 Mark plus Gefahrenzulage.
Kurzzeitig zurück in Deutschland, wurde Müller
zu einem Politikum, nicht zuletzt durch zahlreiche Presseberichte und seine »Schnapsbeichte«, in der er unwissend und stark angetrunken
einem Fernsehteam aus der DDR ein Interview
gab. Filme und Bücher über »Kongo-Müller« und
das auf Schallplatte gepresste Interview unterstützten in der Folge eine breit angelegte Propagandaaktion gegen die Bundesrepublik, die
»als Handlanger des US-Imperialismus« bezeichnet wurde.
Christian Bunnenberg
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
17
»Kriegsmaler« Hohly
»Russland zu sympathisch gesehen,
propagandistisch
nicht verwertbar.«
Der »Kriegsmaler«
Richard Hohly
Todesmarsch von Stalingrad, 1942/48
Die Kriegsmalerei in der
Wehrmacht
K
unst war in der Geschichte selten frei; die Abhängigkeit des
Künstlers von Auftraggebern
und vom zeitlichen Kontext zog Grenzen des künstlerischen Gestaltungsanspruches. Diktaturen erkennen in
der »freien« Kunst Kritik am politischen Herrschaftssystem und akzeptieren Kunst nur unter Kontrolle von
enggesetzten weltanschaulichen Normen. Für autoritäre und totalitäre Staaten, und dies galt insbesondere für das
NS-Regime, geht es deshalb nicht um
Sinn und Eigenständigkeit von Kunst,
sondern primär um deren Zweckgebundenheit; Kunst unterliegt der Ideologisierung, wird manipuliert und als
Werkzeug machtpolitischer Ideologien
sowie als Mittel der Herrschaftsstabilisierung betrachtet.
Dementsprechend wurde im Dritten
Reich regimetreue Kunst staatlich gefördert und ihr die »entartete Kunst«
gegenübergestellt. Staatliche Reglementierungs- und Repressionsmaßnahmen auf der Basis »völkischer«
Kunst- und Kulturauffassung gingen
Hand in Hand mit einer geistig-kulturellen »Selbstgleichschaltung« der
Künstler.
18
Der totale Staat des Dritten Reiches
wollte auch kulturpolitisch nichts dem
Zufall überlassen. Sein weltanschaulicher Machtanspruch erstreckte sich
– maßgeblich gesteuert über die sogenannte Reichskulturkammer unter
dem Vorsitz des Propagandaministers
Joseph Goebbels – neben vielen anderen Bereichen auch auf die bildende
Kunst, die ihren Beitrag zur »geistigen
Mobilmachung« zu leisten hatte. Hierfür stand mit dem Mitteilungsblatt der
RKdbK (Reichskammer der bildenden
Künste) ein eigenes Publikationsorgan
zur Verfügung.
Für diese »geistige Mobilmachung«
der Soldaten wurde im Frühjahr 1939
unter der Leitung von Oberst Hasso von
Wedel die Abteilung Wehrmachtpropaganda im Wehrmachtführungsstab
des Oberkommandos der Wehrmacht
(OKW/WPr) eingerichtet. Im Sommer
1940 folgte die Schaffung einer zentralen Ausbildungsstätte in Form einer
Propaganda-Ersatz-Abteilung in Potsdam. Dadurch sollte das im Rahmen
der Vorbereitungen für das »Unternehmen Barbarossa« zusätzlich gewonnene Personal »geschult« werden. Während des Krieges wurde der Einsatz der
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
Maler zentral aus Potsdam gelenkt; sie
wurden einzeln oder in Gruppen für
mehrere Monate in die Operationsgebiete der Wehrmacht kommandiert. Sie
zogen mit Panzern oder Infanterie ins
Gefecht, flogen Einsätze der Luftwaffe
mit oder fuhren zur See. Ihre während
des Kriegseinsatzes angefertigten Skizzen hatten sie in einem anschließenden
Arbeitsurlaub zu vervollständigen und
zu heroisierenden Schlachtengemälden
auszugestalten. Die verfolgte Zielrichtung dieser Werke wurde 1940 treffend
in der Zeitschrift Die Kunst im Dritten
Reich formuliert:
»Die Kunst, die das Kriegserlebnis
unserer Generation würdig und gültig
gestalten will [...] soll den Widerschein
der Seele auf die Feuerbrände der
Schlacht in sich tragen [...] mit der Bejahung des soldatischen Einsatzes und
seiner letzten Steigerung im Opfer ein
Sinnbild unserer Zeit schaffen [...] Das
Auge des gestaltenden Künstlers sei
berufen [...] die Macht des deutschen
Soldatentums, die Entbehrungsbereitschaft der kämpfenden deutschen Nation in Waffen darzustellen, die tausend Zeugnisse der Tapferkeit und der
Todesbereitschaft festzuhalten.«
Am 10. Juni 1940, gegen Ende des
Frankreichfeldzuges, ordnete Goebbels
an, »dass wohl die Härte, die Größe
und das Opfervolle des Krieges gezeigt
werden soll, dass aber eine übertrieben realistische Darstellung, die statt
dessen nur das Grauen vor dem Kriege fördern könne, auf jeden Fall zu unterbleiben habe«. Angesichts der relativ geringen Verluste in diesem Krieg
scheint seine Wunschvorstellung bereits auf die folgenden Kriege, Feldzüge und Schlachten im Osten Europas
zu verweisen.
Grundsätzlich war es aber ebenso
erwünscht, dass in ruhigeren Zeiten
durchaus auch Landschaftsbilder und
Porträts gezeichnet werden sollten,
wie im Februar 1940 die Propagandakompanien von der Wehrmachtpropagandaabteilung angewiesen wurden.
Die Zielrichtung war eine doppelte:
Einerseits sollte – wie 1942 formuliert
wurde – damit erreicht werden, dass
die Kriegsmalerei »der Mitwelt den
Kriegsraum vor Augen führt, den heute die deutschen Waffen beherrschen«,
andererseits erhoffte man sich eine
ideologisierte Motivation der Soldaten,
insbesondere der Soldaten der WaffenSS, die damit ein »Sinnbild« ihres gemeinsamen Erlebens, der Treue und
Kameradschaft vermittelt bekommen
sollten. Diese erste Zielsetzung wurde
jedoch aufgrund des sich zu weit vom
militärischen Raum entfernenden Sujets (Landschaftsbilder) allmählich zugunsten der rein an der ursprünglichen Absicht ausgerichteten genuinen
Kriegsdarstellung in nationalsozialistischem Sinne zurückgedrängt. Demnach galt es für die Kriegsmalerei, »die
großen und entscheidenden Aufgaben
der Soldaten« – d.h. das Gefecht – propagandistisch zu unterstützen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden gemäß dem Potsdamer
Abkommen 1947 über 8000 der angefertigten Werke in die USA verschifft.
1985 wurde ein Teil von ihnen – etliche
der NS-Bilder hingen jahrzehntelang
in den Büros des Pentagon – als »German-War-Art-Collection«, d.h. Kriegsund Nazikunst aus Deutschland, an die
Bundesrepublik Deutschland zurückgegeben.
Wenngleich beim Gesamtkomplex
Wehrmacht, Zweiter Weltkrieg und
Kriegsmalerei generell der Aussage
zuzustimmen ist, dass »die während
Richard Hohly, 1930
des Zweiten Weltkrieges geschaffenen
Stücke Bestandteil einer nach innen gerichteten geistigen Kriegführung« waren, »die mit dem Herausstellen der
Leistungen deutscher Soldaten die
Kampfmoral stützen sollten«, so gilt es
andererseits darauf zu verweisen, dass
es Beispiele von »Kriegsmalern« gab,
die mit ihren geschaffen Werken genau
diese Zielsetzung unterliefen.
Der Maler Richard Hohly
Einer dieser »Kriegsmaler« war der
1902 in der kleinen württembergischen Bergstadt Löwenstein geborene
Richard Hohly, dessen Vorfahren sich
bis auf einen General Hohly zurück-
führen lassen, der sich im 15. Jahrhundert im Umfeld des böhmischen Reformators Jan Hus bewegte. Die alte, 1287
von Rudolf von Habsburg zur Stadt erhobene Ortschaft Löwenstein, die bewaldeten Höhenzüge, die verfallene
Burgruine, das nahe gelegene Zisterzienser-Nonnenkloster Lichtenstern
und das alte Schloss auf dem schmalen Vorsprung der Löwensteiner Berge erzeugten in dem jungen Künstler
eine sein künstlerisches Schaffen prägende Erfahrungs(um)welt: eine Mischung aus »Burgromantik, altbürgerlichen Kleinstadtverhältnissen und
einer überaus wild-schönen, unzerstörten, gesunden Landschaft«, die eine lebenslange mentale Verbundenheit mit
seiner Heimat schuf.
Im Zuge seiner Lehr- und Wanderjahre kam Hohly 1930 in Kontakt mit Edvard Munch sowie den Farbenlehren
von Johann Wolfgang von Goethes und
Rudolf Steiners. Die Werke des Kunstlehrers und Malers Richard Hohly
standen bereits seit 1936 auf der Liste
der »entarteten Kunst«, dennoch wurde Hohly am 12. November 1941 nach
bereits erfolgter Einziehung zum Zoll
in Ludwigsburg durch ein Telegramm
nach Potsdam beordert. Ohne sein Wissen hatte seine Ehefrau über verwandtschaftliche Beziehungen zu Oberst von
Wedel dafür gesorgt. Unter dessen
Schutz sollte Hohly in einem Lehrgang
zum sogenannten Wehrmachtspropagandisten ausgebildet werden.
Löwenstein, 1978
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
19
»Kriegsmaler« Hohly
Nachkriegszeit den Verdienstorden des
Landes Baden-Württemberg. Er starb
am 11. April 1995 und wurde in seiner
Heimatstadt Löwenstein auf dem Bergfriedhof beigesetzt.
Das Werk des
»Kriegsmalers« Hohly
Stellungen vor Stalingrad, 1942
Anfang Juli 1942 erhielt Hohly als
»Kriegsmaler Sonderführer« (im Rang
eines Leutnants) seinen Einsatzbefehl
nach Charkow (Ukraine), wo er den
Auftrag erhielt, im eroberten Gebiet
Land und Leute zu studieren sowie Soldaten und Eroberungszüge in Skizzen
festzuhalten. Diese sollten die Grundlage für künstlerisch verarbeitete, idealisierte Schlachtengemälde bilden.
Für die Soldaten und Offiziere waren
die Kriegsmaler aber nur unmilitärische Anhängsel, die unnötigerweise in
den ohnehin nicht ausreichenden Fahrzeugen Platz wegnahmen und störten.
Darüber hinaus wurde Hohly von den
Soldaten beinahe durchweg als »Verrückter« eingestuft, wenn er sich mit
seinem Malzeug auf den Schlachtfeldern bewegte.
Versunken in seine Wahrnehmung
der Landschaften, wurde Hohly von
seiner Einheit sogar einmal vergessen.
Ein Offizier einer anderen Einheit nahm
ihn mit; er brachte ihn zu General Bruno Ritter von Hauenschild, dem Kommandeur der 24. Panzerdivision. Dieser war sichtlich darüber erfreut, nun
einen »eigenen Kriegsberichterstatter«
zu haben. Er stellte Hohly ein Fahrzeug
mit Chauffeur zur Verfügung, verlangte aber auch, dass der Maler bei den
Angriffen seiner Division mitfuhr: »Sie
schließen sich dem Nachrichten-Offizier an; das ist derjenige, der bei einem
Angriff hinter dem Panzer des Kommandeurs fährt«, was zweimal geschah
20
und Hohly wider Willen beinahe das
Eiserne Kreuz einbrachte.
Nachdem Hohly von seiner Einheit
wieder ausfindig gemacht worden war,
wurde ihm am 29. Oktober 1942 mitgeteilt, dass er »um eine Ordnungsstrafe verpasst zu bekommen [...] wegen
völlig unmilitärischen Verhaltens sofort zurückzuverfügen« sei, entweder
zum Sitz des Armeeoberkommandos
oder zur Kompaniestelle nach Charkow. Über die Zwischenstation Charkow wurde Hohly gleich weiterkommandiert – zurück nach Potsdam. Dort
gab er seine ca. 50 Studien ab, die negativ beurteilt und bis zur vorgesehenen
Vernichtung in den Keller verbannt
wurden. Im Zuge eines angeordneten Arbeitsurlaubes sollte Hohly seine Kriegseindrücke komplett neu- und
nach den vorgegebenen Gesichtspunkten überarbeiten, was allerdings nie geschah. Im März 1943 wurde Hohly nach
Paris kommandiert. Vor seiner Abreise konnte er die abgegebenen Skizzen
und Malstudien wieder in seinen Besitz bringen, so dass sie den Krieg unbeschadet überstanden.
Das Kriegsende erlebte Hohly nach
den »Irrungen und Wirrungen« des
sich auflösenden Deutschen Reiches in
Bietigheim, wo er sich ein letztes Mal
in Uniform beim französischen Stadtkommandanten meldete. Der bis zu Beginn der 1980er Jahre weiter malende
Künstler erhielt 1978 für sein umfangreiches künstlerisches Lebenswerk der
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
Der Grund für die vernichtende Kritik übergeordneter Stellen war evident: Weder die von Hohly skizzierte
Bevölkerung noch die deutschen Soldaten und die dargestellten Kampfhandlungen entsprachen den von der
Wehrmachtführung auf der Grundlage »arischer Überlegenheit« gegenüber den als »slawischen Untermenschen« eingestuften Völkern im Osten
Europas geforderten ideologischen
NS-Kunstdarstellungen. Sie konnten
daher in keiner Hinsicht propagandistisch verwertet werden. Seine 1942 angefertigten Bilder zeigen, wie zahlreiche andere angefertigte Studien, seine
besondere Wahrnehmung der Bevölkerung in den eroberten Gebieten: Mit
den vorrückenden deutschen Truppen
nahm Hohly immer mehr neue Eindrücke von dem eroberten Land auf, die
er in seiner Autobiographie beschrieb
und in seinen Bildern festhielt: fruchtbare Landschaften mit blühenden Wiesen und riesigen Sonnenblumenfeldern, Dörfer mit blau angestrichenen
Kirchen, friedliche und vertrauensselige Menschen mit stolzer Zurückhaltung.
Ukrainischer Bürgermeister, 1942
Alte Russin mit Kind, 1942
Insbesondere die in fast allen Bauernhäusern gefundenen Ikonen und die
Beobachtung, dass russische Flüchtlinge in ihrem Unterschlupf zuerst das orthodoxe Kreuz aufstellten, zeigten ihm,
dass das Christentum durch die stalinistische Herrschaft noch nicht vollständig ausgerottet worden war.
Hohly konnte in diesen Menschen
nicht den »slawischen Untermenschen« erkennen. Für ihn waren sie
einfache, christlich-orthodox geprägte
Bauern; deshalb zeichnete und malte
er sie als das, wofür er sie ansah – als
Menschen.
Besonders beeindruckend wirkten
auf Hohly auch die unvergessenen
Sonnenuntergänge in der Steppe und
die Nächte unter einem tiefblauen, mit
Sternen übersäten Himmel in der unermesslichen Weite des Kosmos.
Seine Bilder zeigten den Tod in fremder Erde als ausdruckslos und sinnlos im Gegensatz zu der verklärenden
Darstellung toter Wehrmachtssoldaten durch die offizielle Kriegsmalerei,
die den Gefallenen meist als schlafenden Jüngling oder heroisch im Kampf
sterbenden Frontkämpfer stilisierte.
Auch das in den Grundzügen 1942/43
entstandene und 1948 vollendete, eindrucksvolle Gemälde »Todesmarsch
von Stalingrad« begreift den Zug zehntausender deutscher Soldaten der 6. Armee nach der Schlacht um Stalingrad in
die sowjetische Gefangenschaft als einen kalten kontur- und hoffnungslosen, stets anklagenden Todesmarsch.
Dieses wichtige Werk deutscher Kriegsmalerei befindet sich heute im Wehrgeschichtlichen Museum in Rastatt.
Im März 1943 wurde Hohly nach
Paris kommandiert, wo er nicht mehr
als offizieller Kriegsmaler, sondern im
Nachrichtendienst eingesetzt war. Hier
stand er auch in Kontakt mit Ernst Jünger, der als Hauptmann im Schutze von
General der Infanterie Carl-Heinrich
von Stülpnagel im Hotel Majestic in Paris stationiert war. Auch hier in Frankreich, wo er bis Ende 1944 blieb, malte Hohly weiter. So riss er, als ihn der
»Drang nach malerischer Gestaltung«
überkam und da er keine Leinwand
besaß, ohne »Gewissensbisse« die auf
dem Dach des Hotels Majestic wehende Hakenkreuzfahne ab und benutzte sie als Malfläche für sein Bild »Heimatlos«. Darin skizzierte Hohly einen
schemenhaft erkennbaren Flüchtlingszug zum fernen, unbekannten Ort.
Die durchschimmernde rote Farbe der
Fahne ist noch immer deutlich auf dem
Bild erkennbar.
Resümee
Ein Resümee über das Werk Hohlys
im Kriege könnte daher zu folgendem
Ergebnis kommen: Im Gegensatz zum
offiziellen Auftrag der Darstellung aktionsgetragener Heroisierung, einer
Apotheose des Kampfes, einer neuen,
auf den Grundlagen nationalsozialistischer Weltanschauung aufbauenden
sogenannten germanischen Kunstvorstellung, zeichnete Hohly – fundamental von diesem Auftrag abweichend –
defensiv, einfühlsam und emphatisch.
Dabei legte er den Blick frei auf die
tiefere Wahrheit des von ihm als weiterhin dem christlichen Glauben verbunden eingestuften und wahrgenommenen russischen und ukrainischen
Volkes sowie der im Vernichtungskrieg geschundenen Kreatur Mensch
im 20. Jahrhundert.
Hohly ist somit einer der ganz wenigen bekannten Beispiele für eine
die offizielle »Leitkultur»« negierende Haltung. Sein bisher zu wenig beachtetes Oeuvre der Kriegszeit zeigt
ihn als kritischen Geist in einer Zeit,
in der nur unkritische Blicke ausgezeichnet wurden. Das gültige Urteil
über seine Werke dieser Schaffensperiode erfuhr Hohly bereits aus dem Kreise seiner Kameraden, der »einfachen«
Soldaten: »So ist es, genauso, wie Sie es
malen. Und nicht so, wie es die Illustrierten publizieren.« Und damit wurde auch Hohlys Kunstverständnis verifiziert: danach gilt es – so schrieb er
1972 – »das Lebensgefühl oder die Lebensauffassung seiner Zeitgenossen
auf die künstlerische Form [zu] bringen, dass sie nicht nur Gleichschaltung
gestaltet, sondern zukunftsweisend ist.
Darin liegt das Unverstandensein des
Schaffenden und das Vorbeileben seiner Zeitgenossen.«
 Eberhard Birk
Heimatlos, 1943/46
Literaturtipps:
Dorothea Rapp, Richard Hohly. Leben und Werk, Stuttgart 1980
Wolfgang Schmidt, »Maler an der Front«. Zur Rolle der
Kriegsmalerei und Pressezeichner der Wehrmacht im Zweiten
Weltkrieg. In: Rolf-Dieter Müller und Hans-Erich Volkmann
(Hrsg.), Die Wehrmacht. Mythos und Realität, München
1999, S. 635-684
Bilder von Richard Hohly sind zu sehen in:
»Felsengalerie«, Wobachstraße 49, 74321 Bietigheim
Tel. Voranmeldung unter (07142) 5 16 69
Abbildungen aus: Richard Hohly. Leben und Werk, Stuttgart 1980
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
21
Service
Das historische Stichwort
Am 23. Oktober 1956
beginnt in Budapest der
Volksaufstand. Demonstranten zerstören das
Stalin-Denkmal als sichtbares Zeichen des alten
Regimes.
Volksaufstand
in Ungarn 1956
»Ungarisches Volk! Die Nationalregierung, erfüllt von tiefem Verantwortungsgefühl gegenüber dem ungarischen Volk
und der Geschichte, erklärt die Neutralität
der Ungarischen Volksrepublik ...«
M
it diesen Worten verkündete der
ungarische Ministerpräsident
Imre Nagy (1896–1958) am 1. November
1956 im Rundfunk den Austritt seines
Landes aus der Warschauer Vertragsorganisation. Nur zwei Tage später
kam es aufgrund sowjetischer Intervention zur Bildung einer Gegenregierung
unter János Kádár (1912–1989), der bis
dahin ordentliches Regierungsmitglied
und Staatsminister gewesen war. Am
4. November 1956 rückten fünf sowjetische Divisionen in Budapest ein, weitere Einheiten überschritten die ungarische Staatsgrenze noch am selben
Tag. Hilferufe Nagys an die Westmächte und die Vereinten Nationen blieben
ohne Erfolg. Am 12. November verkündete die staatliche Presse die Absetzung Imre Nagys, die Zusammensetzung der neuen Regierung unter Kádár
wurde bestätigt. Nagy selbst wurde am
22. November trotz gegenteiliger Zusicherung der Sowjets verhaftet, zunächst
nach Rumänien deportiert und schließlich 1958 in Budapest hingerichtet. Die
Unruhen in Ungarn hielten jedoch bis
in das Jahr 1957 an. Sie wurden schließ-
22
lich von ungarischen Sicherheits- und
sowjetischen Streitkräften blutig unterdrückt. Der Versuch, in Ungarn einen
»Sozialismus mit menschlichem Antlitz« zu errichten, war gescheitert.
Die Ungarn-Krise kam nicht aus heiterem Himmel. Nach dem Tod Josef Stalins (geb. 1878) am 5. März 1953 hatte
sich die sowjetische Staatsführung von
dessen Personenkult abgewandt und
ein System der »kollektiven Führung«
eingeführt. Diese politische Neuorientierung der Sowjetunion wurde auf andere Länder des sozialistischen Lagers
übertragen. In Ungarn hatte bis dahin
Mátyás Rákosi (1892–1971) das Amt
des Präsidenten des Ministerrates sowie des Generalsekretärs der Ungarischen Partei der Werktätigen (MDP) in
seiner Person vereint. Aufgrund staatlicher Repressionen war Rákosi in der
ungarischen Bevölkerung unbeliebt.
Die Korrektur der politischen Richtlinien in der Sowjetunion machte auch im
stalinistisch geprägten Ungarn eine Revision nötig. Im Juni 1953 wurde daher
eine ungarische Delegation im Kreml
empfangen. Sie erhielt detaillierte Anweisungen für einen politischen »Neuen Kurs«, der auf Repressionen und
überspannte Wirtschaftspläne verzichten sollte. Zwar blieb Rákosi Generalsekretär der MDP, zum Ministerpräsidenten wurde jedoch Imre Nagy ernannt.
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
Der Verzicht auf eine grundlegende
personelle Neubesetzung der politischen Ämter hatte zur Folge, dass die
Politik Imre Nagys von den Vertretern
des alten Regimes untergraben wurde.
Zwar beinhaltete der »Neue Kurs« wesentliche Reformen, wie beispielsweise
die Abschaffung des Zwanges zur Kollektivierung in der Landwirtschaft sowie den Aufbau einer gewissen Rechtssicherheit, trotzdem häuften sich im
Laufe des Jahres 1954 die Auseinandersetzungen mit dem von Rákosi dominierten Politischen Ausschuss. Imre
Nagy sprach sich für eine »Machtteilung« im Staat aus, die einseitige Wechselwirkung zwischen kommunistischer
Partei und Gesellschaft sollte überwunden werden. Aus diesem Grund wurde am 24. Oktober 1954 die Patriotische
Volksfront neu gegründet, eine Massenorganisation von Parteilosen.
Vor allem der daraufhin gegen den
Ministerpräsidenten erhobene Vorwurf, nationalistische Politik zu betreiben, erweiterte sich zu der Grundsatzdiskussion, ob politisch lediglich die
radikale Rechte oder aber auch die radikale Linke zu bekämpfen sei. Rákosi
überzeugte die sowjetischen Parteiführer davon, dass die Politik Nagys eine
Gefahr für alle sozialistischen Staaten
darstelle. Am 18. April 1955 wurde
Nagy vom Amt des Ministerpräsiden-
ten entbunden, im Dezember 1955 sogar aus der Partei ausgeschlossen.
Rákosi war in der Folge weder willens
noch fähig, ernsthafte politische Reformen durchzuführen. Die zunächst noch
parteiinterne Opposition zur von Rákosi
forcierten stalinistischen Restauration
erfasste im Frühjahr 1956 auch Angehörige der Intelligenz und gesellschaftlicher Organisationen. Hauptforum war
seit März 1956 der sogenannte PetöfiKreis, ein lockerer Zusammenschluss
von Studenten und Schriftstellern. Den
kommunistischen Führern in der Sowjetunion blieb die breite gesellschaftliche Front gegen den ungarischen
Regierungschef nicht verborgen. Das
Präsidium der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) beschloss
daher in Folge der Entstalinisierungspolitik am 12. Juli 1956, dass Rákosi
von allen politischen Ämtern zu entheben sei. Nachfolger wurde Ernö Gerö
(1898–1980). Zwar rehabilitierte Gerö
zahlreiche Opfer des Stalinismus, die
innenpolitischen Probleme vermochte
er jedoch nicht zu lösen.
Vor dem Hintergrund der politischen
Umwälzungen in Polen im Laufe des
Oktobers 1956 kam es in Ungarn zu
Sympathiekundgebungen, die anfangs
noch solidarischen Charakter hatten,
aber rasch eine Eigendynamik gewannen. Am 22. Oktober verabschiedeten
Studenten der Budapester Technischen
Universität eine 14-Punkte-Resolution,
in der u.a. der Abzug der sowjetischen
Truppen, Neuwahlen sowie eine neue
Regierung unter Imre Nagy gefordert
Die Niederschlagung des Volksaufstandes in Ungarn rief international tiefe
Bestürzung hervor, ein militärisches
Eingreifen wurde allerdings nicht gewagt.
Zur Niederschlagung des Aufstandes werden sowjetische Truppen eingesetzt, die
am 24. Oktober 1956 in Budapest einrücken
wurden. Am 23. Oktober fand in Budapest eine Großdemonstration statt,
die nach dem gewaltsamen Eingreifen von ungarischen Sicherheitskräften eskalierte. Das monumentale Stalin-Denkmal in Budapest wurde von
den Demonstranten zerstört, es kam
zu bewaffneten Zusammenstößen mit
der Staatssicherheit. Imre Nagy, seit
dem 13. Oktober wieder Mitglied der
MDP, hatte zuvor versprochen, sich innerhalb der Partei für die Forderungen
der Bevölkerung einzusetzen. Am gleichen Abend wurde er vom Zentralkomitee erneut zum Ministerpräsidenten
berufen, gleichzeitig wurde aber eine
bewaffnete Niederschlagung des als
»Konterrevolution« gewerteten Aufstands der Bevölkerung mit Hilfe der
in Ungarn stationierten sowjetischen
Streitkräfte beschlossen.
Bereits am 24. Oktober rückten erste sowjetische Einheiten in Budapest
ein, stießen jedoch auf erbitterten Widerstand der Demonstranten. Überall
in Ungarn kam es zu Widerstands- und
Protestaktionen, die auch nach Beschwichtigungsversuchen Imre Nagys
nicht eingestellt wurden. Die Auseinandersetzung zwischen Bevölkerung
und Regierung gewann zunehmend
den Charakter eines nationalen Kampfes des ungarischen Volkes gegen die
sowjetischen Besatzer. Eine sowjetische
Delegation, die die ungarische Regierung bei den Unruhen unterstützen
sollte, sprach sich zunächst für eine
friedliche Lösung des Konflikts durch
die politische Gewinnung der Massen
aus. Nagy setzte daraufhin am 30. Oktober die Wiedereinführung des Mehrparteiensystems durch, die MDP wurde aufgelöst und am 31. Oktober unter
dem Namen MSZMP (Magyar Szocialista Munkáspárt) neugegründet. Spätestens die einen Tag später deklarierte Neutralität Ungarns wurde von der
sowjetischen Parteiführung nicht mehr
toleriert, es kam zur militärischen Intervention und zur Bildung einer sowjetisch gestützten Gegenregierung unter
János Kádár, der vorher noch Mitglied
der Regierung Nagy gewesen war. Die
letzten größeren Kämpfe zwischen sowjetischen Truppen und Aufständischen endeten am 11. November 1956
in Budapest. Insgesamt kostete die Ungarn-Krise mehr als 20 000 ungarischen
Staatsangehörigen das Leben, mehr als
200 000 Bürger verließen das Land aufgrund der im November 1956 einsetzenden politischen Verfolgungen und
Säuberungen gen Westen.
In den Vereinten Nationen boykottierte die Sowjetunion alle westlichen
Initiativen in der Ungarn-Krise, so dass
seitens der Westmächte lediglich humanitäre Hilfe geleistet wurde. Die internationale Entrüstung war groß, ein
militärisches Eingreifen der Westmächte kam jedoch aufgrund der militärischen Lage in Europa nicht in Frage.
Das Verhalten der USA in der UngarnKrise bedeutete faktisch die Abkehr der
westlichen Supermacht von der aktiven Politik des »roll back« und die Anerkennung der sowjetischen Einflusssphäre in Osteuropa. Ungarn behielt
im Ostblock dennoch eine gewisse Sonderstellung: Durch wirtschaftliche Reformen und dem daraus resultierenden
»Gulaschkommunismus« konnte ein
vergleichsweise hoher Lebensstandard
der Bevölkerung garantiert werden.
Julian-André Finke
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
23
Service
Medien online/digital
world wide web
http://www.lebensgeschichten.net/
Einzelschicksale
Neben Museen und Sonderausstellungen sind es vor allen Dingen Gedenkstätten und Mahnmale, die den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust in der
öffentlichen Erinnerung in unserer Gesellschaft wach halten. Einen digitalen
Einstieg in das Gedenken und Erinnern
versucht ein Projekt des Arbeitskreises
NS-Gedenkstätten NRW e.V. mit der
Webseite »Das Lebensgeschichtliche
Netz«. Die von Martin Rüther redaktionell bearbeitete Seite »ermöglicht aufschlussreiche Einblicke in die Geschichte der Jahre 1933 bis 1945« anhand von
Einzelbiographien. Das »Netz« baut
die Schicksale der vorgestellten Personen, die exemplarisch ausgewählt wurden, in die Geschichte des Nationalsozialismus ein, verknüpft die relevanten
Themenbereiche und bietet dazu unterschiedliche Zugänge an.
Momentan sind die Biographien
von 28 Tätern und Opfern des Zweiten Weltkrieges auf der Seite zu finden.
Die Lebensläufe einzelner Personen erleichtern den Zugang zur Zeit des Nationalsozialismus. Durch die Darstellung der Geschichte der Jüdin Käthe
Stern, der einzigen Holocaust-Überlebenden von sieben Geschwistern, der
1939 die Auswanderung gelungen war,
oder des SS-Gruppenführers und Generalleutnants der Polizei Otto Schumann, des »Schreibtischtäters«, gelingt
es, dem Betrachter ein vielseitiges Bild
der Regimezeit zu vermitteln, wodurch
diese für ihn »anschaulicher, nachvollziehbarer und verständlicher« wird.
Über die vier Hauptmenüpunkte »Einstieg«, »Nachschlagen«, »Dialog« und
»Die Idee«, welche die Unterkapitel
enthalten, kann man durch die Seite
navigieren. Durch einen Klick auf »Lebensgeschichten« öffnet sich eine Seite zur Vorauswahl. Hier lassen sich die
gewünschten Personen nach alphabetischer Sortierung, nach den Geburtsjahrgängen und nach Orten aufrufen.
Ist die gesuchte Person durch den entsprechenden Link ausgewählt, findet
man im mittleren Fenster eine Kurzbiographie und unter dem Porträt im rech-
24
ten Fenster kann man auf die jeweilige
Lebensgeschichte zugreifen.
In den einzelnen Biographien besteht
nun die Möglichkeit, beliebig zwischen
den Hauptinformationen, lexikalischen
Begriffsdefinitionen, den zum chronologischen Zeitpunkt passenden Hintergrundinformationen und der Regionalgeschichte zu springen.
Egal in welchem Kapitel man sich gerade auf der Seite befindet, man gelangt
von überall durch einen Link in der oberen linken Ecke in die gewünschte Ebene und zurück auf die Hauptseite. Von
»Geschichte« oder »Regionalgeschichte« aus bekommt man auch Zugriff auf
chronologisch sortierte Informationen
zur Welt- und Lokalgeschichte der Jahre 1914 bis 1990. Besonderer Wert wird
natürlich auf die NS-Zeit 1933 bis 1945
gelegt. Jedoch hört die Geschichte der
Opfer und Täter nicht immer und überall mit dem Kriegsende auf. Vielmehr
zeigt auch hier das »Netz« in verknüpfender Art und Weise, wie politische
oder wirtschaftliche Geschehnisse sich
in den Einzelschicksalen niederschlagen.
Besonders interessant sind die digitalisierten Originaldokumente, aus
denen die biographischen Informationen zum Teil stammen. In diesen spiegelt sich dann nicht nur Authentizität
der Aussagen wider, sondern dem Leser erscheinen die Personen realer und
fassbarer. So ist die Notdienstverpflichtung, durch die der damals 15-jährige
Henry Beissel im September 1944 zum
Arbeitseinsatz am »Westwall« herangezogen wurde, in digitaler Form ein-
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
sehbar; sie macht den Kriegsalltag anschaulicher.
»Das Lebensgeschichtliche Netz« ist
allerdings noch längst nicht fertig geknüpft. Interessenten sind aufgerufen,
sich an dem Weiterbau und der Fortführung des Projektes zu beteiligen. Neben dem moderierten Forum, auf dem
zur Kritik aufgerufen und um Beiträge gebeten wird, soll das Projekt eben
auch um mehr Biographien erweitert
und dadurch stärker vernetzt werden.
Hierzu kann man sich direkt an die Redaktion wenden oder eine der beteiligten Einrichtungen kontaktieren.
Vietnam
Frühjahr 1968: Das militärische Engagement der USA dauerte bereits sieben
Jahre an, 15 058 amerikanische Soldaten waren gefallen, weitere 109 527 verwundet worden. In den USA wurden
die Stimmen derjenigen immer lauter,
die die Beendigung des Krieges forderten.
Am 25. April 1968 verließ der junge
Gary Canant seine Frau Maxie, mit der
er erst 18 Tage verheiratet war. Er wurde benötigt, um Kondolenzbriefe an
die Angehörigen gefallener Soldaten
zu schreiben. Mit seiner Frau hielt er
die ganze Zeit bis zu seiner Rückkehr
schriftlichen Kontakt. Der erste Brief an
Maxie aus Vietnam stammt vom 7. Mai
1968. Auf den Tag genau 38 Jahre später
veröffentlichte Canant nun die Briefe
an seine Frau im Internet. Jeden Tag einen, insgesamt über 200 Briefe.
digital
http://www.dearmaxie.com
Fast hautnah bekommt man den Krieg
in den Briefen zu spüren. Als Canant
am 15. Mai, genau zwei Monate verheiratet, seiner Frau schrieb, musste er
während des Schreibens aufgrund eines Alarms in einen Unterstand wechseln und bei Kerzenlicht weiterschreiben, während eine halbe Meile entfernt
Geschosse einschlugen. Gleichzeitig
»beschwerte« er sich darüber – Krieg
macht sarkastisch –, dass die Nordvietnamesen nicht jüdisch seien und keinen Respekt vor dem Sabbath hätten.
Von Müdigkeit bis hin zu Aggression
liest man aus den Briefen die Erfahrungen und Emotionen des Soldatenlebens
heraus. Obwohl Canant nicht einmal direkt in der kämpfenden Truppe an der
Front den Kriegsalltag erfährt, wünscht
er sich doch nichts sehnlicher, als gesund und heil nach Hause zu kommen.
Das Aufsetzen der Kondolenzbriefe
macht auch für ihn den Tod alltäglich.
Eine simple Menüsteuerung der Seite
vereinfacht den Überblick. Direkt nach
einer kurzen Vorstellung und Einleitung folgen die beiden wichtigsten Seiten. In »Today‘s Mail« werden jeden Tag
die eingescannten und – der Leserlichkeit halber – noch einmal abgetippten
Briefe veröffentlicht. Die »Shoe Box«
ermöglicht es, vorangegangene Briefe nachzuschlagen. Unter »Maxi« ist
ein längerer Kommentar von Canant‘s
Frau nachzulesen und unter »Kevin«
findet man die ersten Briefe und Bilder
von seinem Sohn Kevin aus dem Irak
von 2003.
In den nächsten Menüpunkten kann
sich der Leser neben Gedanken von
Deutsche Geschichten
Canant über seinen Kameraden Lieutenant Joyner, das Vietnam Memorial in
Washington DC und einen ausgewählten Gästebucheintrag eines australischen Vietnam-Veteranen auch die
ersten und letzten Einträge des veröffentlichten Buches anschauen. Dieses
kann als PDF-Dokument auf CD bestellt werden und enthält neben einer
umfangreichen Fotogalerie auf 123 Seiten zahlreiche ausgewählte Briefausschnitte mit Kommentaren.
Vietnam wurde bereits in zahlreichen
Veröffentlichungen und Filmen thematisiert. Doch die persönlichen und authentischen Zeugnisse dieser Seite lassen die allgegenwärtigen menschlichen
Emotionen im Krieg wie Angst, Sehnsucht und Wut anschaulich werden.
Ein weiteres Online-Projekt, das sich als
»Work in Progress« präsentiert, wurde
von der Bundeszentrale für politische
Bildung und dem Cine Plus Media
Service ins Internet gestellt. Diese auf
Mitarbeit der Nutzer ausgelegte Seite versucht neben der Darstellung der
historischen Fakten auch über Zeitzeugeninterviews und zeitnahe Aufnahmen über 100 Jahre deutscher
Geschichte informativ und anschaulich zugänglich zu machen.
Die Jahre 1890 bis 2005 werden in sechs Zeiträumen präsentiert. Darin lassen sich jeweils Informationen zu den
wichtigsten und bekanntesten
Themengebieten abrufen.
Über den Link »Mediathek« erreicht
man die im chronologischen Rahmen gewählten, abrufbaren Audio- und Videodateien, die leider bisher nur mit dem
Realplayer abgespielt werden können.
Gerade dieser zentrale Zugriff auf Tonund Filmdokumente macht eine schnelle
und bequeme Information für die politische und historische Bildung möglich.
Eine Stichwort-Suchfunktion erleichtert das Auffinden spezieller Themen
und lässt auch eine Eingrenzung gewünschter Dateiformate zu. Neben
mehreren Veranstaltungshinweisen
findet man auf der Hauptseite Links
zur Journalseite, die monatlich mit einer Biographie, einem Schlaglicht und
Literatur bestückt wird.
StS
http://www.deutschegeschichten.de
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
25
Service
Lesetipp
Ungarn 1956
A
m 22. Oktober fordern ungarische Studenten in einer 14-Punkte-Resolution Ungeheuerliches, darunter auch den Abzug der sowjetischen
Truppen – auf jeden Fall allemal genug,
um lange Zeit in kommunistischen Kerkern zu schmachten.
Der ungarische Schriftsteller György
Dalos führt vor Augen, wie er als Dreizehnjähriger diese Forderungen aufnahm und die Tage des Aufstands
1956 selbst erlebte. Neben einer detailreichen Schilderung der Ereignisse
werden anschaulich deren Vor- und
Wirkungsgeschichte dargestellt. Den
Gang der Dinge erfährt der Leser aus
unterschiedlichsten Blickwinkeln: der
obersten Führung im Kreml, der sowjetischen Botschaft in Ungarn und natürlich der ungarischen Beteiligten. Auch
wie der Mann und die Frau von der
Straße die Zeit erlebten, wird eindringlich geschildert. Dalos zitiert zahlreiche
Schriftstellerkollegen.
Vor allem hier wird immer wieder deutlich, welche Bedeutung der Aufstand
im kollektiven Bewusstsein der Ungarn
gewonnen hat, das, zumindest bis 1989,
»die Zeit automatisch in ›davor‹ und
›danach‹ aufteilte«. Öffentlich über den
Aufstand zu sprechen war verboten,
weshalb er eine »Privatangelegenheit
der Nation« wurde, so der Autor.
György Dalos, 1956. Der Aufstand in
Ungarn, München 2006. ISBN 3-40654973-X; 247 S., 19,40 Euro
26
Dalos legt ein Buch vor, das abgerundet
durch ein kommentiertes Personenregister, eine Zeittafel und 17 Fotos von
Erich Lessing zweierlei ist: das Buch eines Historikers mit seiner ganzen traurigen Bilanz sowie eines über das Erinnern – das eigene und das einer ganzen
Nation.
mt
50 Jahre Luftwaffe
K
ein bloßer Jubelband präsentiert
sich anlässlich 50 Jahre Luftwaffe der Bundeswehr. Der Herausgeber
Hans-Werner Jarosch konnte bei der
Vorbereitung des Buches auf die Fachkenntnisse und das Engagement von
30 Autoren sowie vieler Berater vertrauen. Gelungen ist das umfangreiche Werk durch die Breite der Darstellung von der Gründung der Luftwaffe
bis zur Luftwaffe im Einsatz, aber auch
durch das Bemühen, die unterschiedlichen Facetten des »Teams Luftwaffe«
mit seinen Menschen und der Technik
darzustellen.
Dass Flugzeuge und Fliegendes Personal im Mittelpunkt des Buches stehen,
verwundert sicher nicht. Menschen, die
die Luftwaffe prägten, werden in kleinen Porträts beschrieben, so etwa Johannes Steinhoff, Ludger Hölker (siehe
Militärgeschichte, Heft 1+2/2005),
Eberhard Eimler und Bernhard Mende. Unteroffiziere und Mannschaften
der Luftwaffe werden als Gruppe vorgestellt.
Hans-Werner Jarosch (Hrsg.), Immer im
Einsatz. 50 Jahre Luftwaffe, Hamburg, Berlin und Bonn 2005. ISBN 3-8132-0837-0;
256 S., 29,90 Euro
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
Darüber hinaus finden sich interessante
Beiträge, die über die eher »unbekannten« Verbände und Dienste informieren, sowie Texte zur Flugabwehrraketentruppe, den Führungsdiensten,
Logistikverbänden und der Objektschutztruppe. Gerade dort lag die »militärische Heimat« der meisten Soldaten
und Reservisten der Luftwaffe. Ein wenig Exotik bieten der Beitrag des deutschen Astronauten Thomas Reiter zur
bemannten Raumfahrt und der Aufsatz von Hanspeter Broekelschen zu
Luftwaffensoldaten »in der Diaspora«.
Trotz aller Historie, der »Spirit« dieses
Buches weist auf die Zukunft hin.
Heiner Bröckermann
Generale und Admirale
der Bundeswehr
W
er sich über die Militärelite der
DDR informieren will, findet
schnell Hilfe. Wer sich hingegen mit den
ranghöchsten Soldaten der Bundeswehr
beschäftigen möchte, hat es schwerer.
Die wenigen Veröffentlichungen zum
Thema gehen oft nicht über eine Zusammenstellung der Lebensdaten hinaus. Bände wie die von Gerd F. Heuer oder von Clemens Range über die
höchsten militärischen Führer der Bundeswehr bis 1990 sind die Ausnahme.
Dieter E. Kilian, Elite im Halbschatten.
Generale und Admirale der Bundeswehr,
Bielefeld und Bonn 2005. ISBN 39806268-3-0; 556 S., 28,00 Euro
Diese Lücke wurde nun zu einem erheblichen Teil von Oberst a.D. Dieter
E. Kilian geschlossen. In seinem Band
»Elite im Halbschatten« stellt er nicht
nur die Spitzenmilitärs der Bundeswehr, sondern auch die (west-)deutschen Verteidigungsminister vor. Darüber hinaus bietet Kilian im Abschnitt
»Licht und Schatten« eine Auswahl
von Offizieren, die in die Geschichte
der deutschen Streitkräfte eingegangen sind. Die Kurzbiographien basieren allerdings oft nur auf bereits vorliegenden Publikationen. Für den ersten
Überblick reicht dies zwar aus, für
die Forschung bleibt jedoch ein wissenschaftlicher Sammelband über die
Gründergeneration wünschenswert.
Vorangestellt ist den über 60 biographischen Skizzen eine ausführliche Einleitung, die das Problem der Bundeswehr als »geduldete Armee« (Clemens
Range) thematisiert. Ein nützlicher
Anhang mit Tabellen und Übersichten rundet den insgesamt gelungenen
Band ab.
Helmut R. Hammerich
Kriegsverbrechen
I
n den Jahren 1935/36 griff Mussolinis faschistisch geführtes Italien den
letzten unabhängigen afrikanischen
Staat an, um sich ebenfalls einen »Platz
an der Sonne« zu erobern.
Der Schweizer Historiker Aram Mattioli widerlegt die Bilder eines zivilisatorisch geprägten Kolonialismus und
eines »sauberen« Krieges in Äthiopien.
Er stellt in eindrucksvoller Weise die
Leiden des äthiopischen Volkes während des Krieges und der bis 1941 dauernden Besatzungszeit dar, das nicht
nur unter völkerrechtswidrigen Exzessen der italienischen Invasoren litt, sondern darüber hinaus vom Völkerbund
im Stich gelassen wurde. Der Einsatz
moderner Waffen, Panzer, Flugzeuge
und von Giftgas, kombiniert mit Kollektivstrafen und Exekutionen, vermittelt eine neue Art von Kriegführung.
Hier tritt ein rassenideologischer Vernichtungswille zutage, der weniger zur
Geschichte des Kolonialismus passt als
vielmehr zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges. Die These vom »Experimentierfeld der Gewalt« wird gründlich nachgewiesen und historisch
eingeordnet.
Eine überaus lesenswerte Darstellung,
die einen tiefen Eindruck hinterlässt,
dem Leser Denkanstöße vermittelt und
den Blick zum Teil auch auf aktuelle
Krisen lenkt.
StS
Aram Mattioli, Experimentierfeld der
Gewalt. Der Abessinienkrieg und seine
internationale Bedeutung 1935–1941.
Mit einem Vorwort von Angelo Del Boca
(= Kultur – Philosophie – Geschichte.
Reihe des Kulturwissenschaftlichen
Instituts Luzern, Bd 3), Zürich 2005. ISBN
3-280-06062-1; 239 S., 38,80 Euro
Rolf Uesseler untersucht daher in
seiner Publikation »Krieg als Dienstleistung« das heutige Söldnerwesen.
Schon der Untertitel »Private Militärfirmen zerstören die Demokratie« deutet
an, welche Gefahren durch die »Privatisierung der Gewalt in den westlichen
Ländern« drohen.
Der Band bietet aber weitaus mehr:
Im Rahmen der Globalisierung wird
die »Kernkompetenz« moderner Söldner als militärische Dienstleister aufgezeigt. Private Militärfirmen und deren
Auftraggeber werden analysiert. Einem
geschichtlichen Abriss der »privaten
Kriegswirtschaft« sowie der heutigen
Rahmenbedingungen folgen Ausführungen über Konsequenzen dieser Entwicklung und ein Ausblick, wie Konflikte ohne den Einsatz von Söldnern
gemeistert werden könnten. Die im
Anhang befindlichen Literaturhinweise sowie eine Auflistung von Websites
privater Militärfirmen bieten auch über
die Publikation hinaus für jeden Interessierten die Möglichkeit, tiefer in die
Materie einzudringen.
jf
Krieg als Dienstleistung
D
ie internationale Gemeinschaft
sieht sich seit Ende des Ost-WestKonflikts, spätestens aber seit dem
11. September 2001, mit einer neuen Form von Konflikten konfrontiert.
Die westlichen Staaten haben auf diese »asymmetrische Bedrohung«, die
Kriegführung zwischen einem regulären Staat und irregulären Kräften, bislang eher hilflos reagiert. Aus diesem
Grund wird derzeit wissenschaftlich
untersucht, ob es derartige Konflikte schon früher gab, und ob Parallelen
zur heutigen Situation gezogen werden
können. Ein Forschungsschwerpunkt
liegt auf dem vor allem durch den IrakKonflikt in den Medien präsenten Söldnerwesen. Ein Vergleich von Vergangenheit und Gegenwart kann aber nur
dann gelingen, wenn für beides fundierte Analysen vorliegen.
Rolf Uesseler, Krieg als Dienstleistung.
Private Militärfirmen zerstören die
Demokratie, Berlin 2006. ISBN 3-86153385-5; 240 S., 14,90 Euro
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
27
 Berlin
Boris Ignatowitsch. Fotografien von 1927 bis 1946
Deutsch-Russisches
Museum Berlin-Karlshorst
Zwieseler Straße 4
(Ecke Rheinsteinstraße)
D-10318 Berlin
Telefon: 030 / 50 15 08-10
Telefax: 030 / 50 15 08 40
e-Mail: [email protected]
Internet:
www.museum-karlshorst.de
Dienstag bis Sonntag
10.00 bis 18.00 Uhr
Eintritt frei
17. November 2006 bis
11. Februar 2007
Eröffnung Donnerstag,
16. November 2006,
18.00 Uhr
Verkehrsanbindungen:
S-Bahn: bis S-Bahnhof Karlshorst: Ausgang Treskowallee,
dann zu Fuß Rheinsteinstraße
(ca. 15 min. Fußweg),
bis S-Bahnhof
Karlshorst (S3), dann Bus 396
oder mit der U-Bahn bis
U-Bahnhof Tierpark (U5),
dann Bus 396
Heiliges Römisches Reich
Deutscher Nation
962–1806. Altes Reich und
neuer Staat 1495–1806
Deutsches Historisches
Museum – PEI Bau
Hinter dem Gießhaus 3
10117 Berlin
Telefon: (030) 20 30 40
Telefax: (030) 20 30 45 43
website: www.dhm.de
täglich 10.00 bis 18.00 Uhr
28. August bis
10. Dezember 2006
Verkehrsanbindungen:
S-Bahn: Stationen
»Hackescher Markt« und
»Friedrichstraße«; U-Bahn:
Stationen »Französische
Straße«, »Hausvogteiplatz«
und »Friedrichstraße«;
Linienbus: 100, 157, 200 und
348, Haltestellen: »Staatsoper« oder »Lustgarten«
28
Ausstellungen
������������������ ���� ���������� ���� ���������
Service
��� �����
 Karlsruhe
���� ���������� ����� �� ����
Von der Reformation zu
den Erbfolgekriegen –
16. und 17. Jh.
Badisches Landesmuseum
Karlsruhe
Schloss
D-76131 Karlsruhe
Telefon: 0721 / 92 66 514
Telefax: 0721 / 92 66 537
e-Mail:
[email protected]
Internet:
www.landesmuseum.de
Dienstag bis Sonntag
10.00 bis 18.00 Uhr
Donnerstag
10.00 bis 21.00 Uhr
Eintritt: 4,00 €
ermäßigt: 3,00 €
Schüler 0,50 €
11. November 2006 bis
11. März 2007
Verkehrsanbindungen:
Straßenbahn: Vom Hauptbahnhof (Blickrichtung rechts,
Hbf im Rücken) mit den
Linien 2, S1, S4, S11 bis
Haltestelle »Marktplatz«
���������
��������� ����
�������� ���� �������� ������������������ ���������� �����
��������� ��������������������� � �������������� �������������
�������������������������� ����� �������������
���� ������� ���� ��������� ���� ��������� ���� �������� ����� ����
�������� �������� ������ ����� ����������� ����������� ����������
����������
������
���� ����������
��������� ����� ����� ������ ������������
50 Jahre Luftwaffe der
Bundeswehr. 1956–2006
Luftwaffenmuseum der
Bundeswehr
Kladower Damm 182
D-14089 Berlin-Gatow
Telefon: 030 / 36 87 26 01
Telefax: 030 / 36 87 26 10
e-Mail: LwMuseumBw
[email protected]
Internet:
www.Luftwaffenmuseum.com
Dienstag bis Sonntag
9.00 bis 17.00 Uhr
Eintritt frei
(letzter Einlass 16.30 Uhr)
15. September 2006 bis
31. August 2007
Verkehrsanbindungen:
Eintritt zum Museum: Ritterfelddamm/Am Flugfeld Gatow
 Ingolstadt
Garnison Ingolstadt
Bayerisches Armeemuseum
– Reduit Tilly (Klenzepark)
Paradestraße 4
85049 Ingolstadt
Telefon: (08 41) 9 37 70
Telefax: (08 41) 9 37 72 00
e-Mail: sekretariat@
bayerisches-armeemuseum
website: www.bayerischesarmeemuseum.de
Dienstag bis Sonntag
8.45 bis 16.30 Uhr
30. Mai 2006 bis
6. Januar 2007
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
http://www.bwb.org/
01DB022000000001/
CurrentBaseLink/
W26EJCH3034INFODE;
Bahn/Bus: Ab Bahnhof Koblenz (Busbahnhof gegenüber)
Linien 5 oder 15 bis »Langemarckplatz«
 Ludwigsburg
Vor 50 Jahren Jahren –
Die Bundeswehr kommt
nach Ludwigsburg
Garnisonmuseum
Ludwigsburg
im Asperger Torhaus
Asperger Straße 52
D-71634 Ludwigsburg
Telefon: 07141 / 91 02 412
Telefax: 07141 / 91 02 342
 Koblenz
Die Maschinenpistole.
Entwicklung und
Geschichte einer Waffe
unter besonderer Berücksichtigung der MP2-UZI
Wehrtechnische Studiensammlung
Mayener Straße 85–87
D-56070 Koblenz
Telefon: 0261 / 40 01 42 3
Telefax: 0261 / 40 01 42 4
e-Mail: [email protected]
Internet: www.bwb.org/wts
täglich von 9.30 bis
16.30 Uhr
Eintritt: 1,50 €
(für Soldaten und
Bw-Verwaltung frei)
24. August 2006 bis
9. September 2007
(Rosenmontag und vom
24. Dezember 2006 bis
1. Januar 2007 geschlossen)
Verkehrsanbindungen:
PKW: Eine Anfahrtsskizze
gibt es unter
Internet: www.garnison
museum-ludwigsburg.de
e-Mail: stadtarchiv@
stadt.ludwigsburg.de
Mittwoch 15.00 bis
18.00 Uhr
Sonnabend 13.00 bis
17.00 Uhr und nach
Vereinbarung
Eintritt: 2,00 €
ermäßigt: 1,00 €
23. September bis
28. April 2007
Verkehrsanbindungen:
S-Bahn: Linien S4 und S5
(von Stuttgart bzw. Bietigheim) bis zur Station
»Ludwigsburg«
 Munster
 Niederstetten
50 Jahre Bundeswehr in
Munster
Deutsches Panzermuseum
Munster
Hans-Krüger-Straße 33
D-29633 Munster
Telefon: 0519 / 22 55 2
Telefax: 0519 / 21 30 215
e-Mail:
[email protected]
Internet:
www.munster.de/pzm
Dienstag bis Sonntag
10.00 bis 18.00 Uhr
Eintritt: 5,00 €
Ermäßigt: 2,50 €
März bis November 2006
montags geschlossen
(letzter Einlass 17.00 Uhr)
An den Feiertagen auch
montags geöffnet
Verkehrsanbindungen:
PKW: Eine Anfahrtsskizze
gibt es unter
www.munster.de/pzm/content/
kontakt/anfahrt.htm
Von der Bahn: vom Bahnhof
MUNSTER entweder mit Taxi
oder zu Fuß über Bahnhofsstraße, Wagnerstraße und
Söhlstraße zur Hans-KrügerStraße (ca. 15 Minuten Fußweg)
Bundeswehr im Einsatz –
Von der Bündnisverteidigung zum Einsatz
im Bündnis
Hermann-Köhl-Kaserne
97996 Niederstetten
Telefon: (0 79 32) 971 - 4154
e-Mail: Westmann/Heer/
BMVg/DE@BUNDESWEHR
25. Oktober bis
8. November 2006
Entschieden für Frieden –
50 Jahre Bundeswehr
Soldatenheim Munster
»Zum Örtzetal«
Danziger Str. 74-76
29633 Munster
Telefon: (0 51 92) 12 23 70
11. bis 24. Oktober 2006
Ausstellung an drei
Standorten
Museum in der Kaiserpfalz
Erzbischöfliches
Diözesanmuseum
Städtische Galerie
Am Abdinghof
Telefon: (0 52 51) 88 29 80
Telefax: (0 52 51) 88 29 90
e-mail:
[email protected]
website: www.canossa2006.de
Dienstag bis Sonntag
10.00 bis 20.00 Uhr
 Nordholz
Lili Marleen. Ein Schlager
macht Geschichte
Aeronauticum
Deutsches Luftschiff- und
Marinefliegermuseum
Peter-Strasser-Platz 3
D-27637 Nordholz
Telefon: 04741 / 18 19 0
Telefax: 04741 / 18 19 15
e-Mail: [email protected]
Internet:
www.aeronauticum.de
 Wilhelmshaven
Eintritt: 9,00 Euro
ermäßigt: 6,00 Euro
21. Juli bis
5. November 2006
Verkehrsanbindungen:
Alle drei Objekte sind direkt
im Stadtzentrum und zu Fuß
sehr gut zu erreichen
 Sonthofen
täglich 10.00 bis 18.00 Uhr
(Von November bis Februar
letzter Einlass 16.30 Uhr)
Eintritt:
6,50 € (Erwachsene)
1,50 € (Kinder)
4. Oktober 2006 bis
6. Januar 2007
Verkehrsanbindung:
PKW: Eine Anfahrtsskizze
gibt es unter
www.aeronauticum.de/
deutsch/service/
anfahrtskarte.html
 Paderborn
Canossa – Erschütterung
der Welt. Geschichte,
Kunst und Kultur am
Anfang der Romanik
e-Mail: [email protected]
Internet: www.koenigreichwuerttemberg.de
täglich (außer Montag)
10.00 bis 20.00 Uhr,
(während des Weihnachtsmarktes 2006
täglich von 10.00 bis
20.30 Uhr)
Eintritt: 10,00 €
Ermäßigt: 7,00 €
22. September 2006 bis
4. Februar 2007
Kinder (14–18 Jahre): 2,00 €
Kinder bis 14 Jahre frei
Entschieden für Frieden –
50 Jahre Bundeswehr
Schule für Feldjäger und
Stabsdienst
Generaloberst-BeckKaserne
Hofener Straße 16
87527 Sonthofen
Telefon: (0 83 21) 278-54 80
oder 54 82
6. bis 24. November 2006
 Stuttgart
Das Königreich
Württemberg 1806–1918.
Monarchie und Moderne
Württembergisches
Landesmuseum Stuttgart
Altes Schloss
Schillerplatz 6
D-70173 Stuttgart
Telefon: 0711 / 27 93 498
Telefax: 0711 / 27 93 492
Blaue Jungs im Bündnis.
50 Jahre Marine der Bundesrepublik Deutschland
Deutsches Marinemuseum
Südstrand 125
D-26382 Wilhelmshaven
Telefon: 04421 / 41 06 1,
Kasse -45 58 65
Telefax: 04421 / 41 06 3
e-Mail:
[email protected]
Internet:
www.marinemuseum.de
täglich 10.00 bis 18.00 Uhr
Eintritt: 8,50 €
Ermäßigt: ab 4,00 €
24. Mai 2006 bis
30. November 2006
Verkehrsanbindungen:
PKW: Über die A29 Richtung
Wilhelmshaven bis Ausfahrt
Stadtmitte.
Über die B210 aus Richtung
Jever nach Wilhelmshaven.
Innerorts den blauen Hinweisschildern »Maritime Meile«
folgen, bis »Deutsches Marinemuseum« ausgeschildert ist.
Alternativ der Beschilderung
»Südstrand« oder »Helgolandkai« folgen.
Stadtpläne befinden sich auf
den Infosäulen an den Ortseingängen.
Bahn/Bus:
Von Mitte Mai bis Mitte September kann man vom ZOB
aus mit der Buslinie 8 direkt zum Deutschen Marinemuseum fahren
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
29
Am 4. Juli 1776 erklärten 13 britische Kolonien Amerikas ihre Unabhängigkeit. Ihnen waren hohe Abgaben auferlegt, jegliche Mitspracherechte aber verweigert worden. Der »Kontinentalarmee« unter George
Washington standen reguläre Truppen aus Großbritannien, Hessen-Kassel und Ansbach-Bayreuth gegenüber, verstärkt durch Englandtreue Siedler und Indianer. Die Briten waren in Organisation und Ausrüstung
über-, an Zahl aber unterlegen. Sie hatten logistische
Probleme, zersplitterten ihre Kräfte in der Weite des Raumes und führten keine Entscheidung herbei. Ab 1778 unterstützten Frankreich, Spanien und die
Niederlande die Aufständischen militärisch.
Im Juli 1781 schuf sich der britische General Charles Cornwallis mit 7500 Mann
in der Hafenstadt Yorktown, Virginia, eine feste Operationsbasis. Eine französischen Flotte brachte den Aufständischen Verstärkung, da es der Royal Navy
nicht gelang, sie abzudrängen. Yorktown war zudem von See abgeschnitten.
Washington belagerte ab 14. September mit ca. 20 000 Mann Yorktown. In der
Stadt mangelte es rasch an Nahrung, Krankheiten breiteten sich aus. Es folgten mehrfache vernichtende Kanonaden und vergebliche Ausfallversuche. Am
14. Oktober drangen französische und amerikanische Sturmtruppen mit dem
Bajonett in die äußeren Verteidigungswerke ein. Cornwallis kapitulierte am
19. Oktober 1781. Es wurden auf beiden Seiten viele Soldaten aus Deutschland
eingesetzt, daher wird Yorktown auch als »deutsche Schlacht« bezeichnet.
Der Krieg endete erst 1783, aber die Entscheidung über die Unabhängigkeit
der USA war in Yorktown gefallen.
Marcus von Salisch
1906–2006
AP
Sturm auf Yorktown, Virginia
Zeitschrift für historische Bildung
 Vorschau
Seit November 1966 trägt die Bundeswehrkaserne in Hardheim im fränkischen Odenwald
den Namen von Carl Schurz. Wer genau war
dieser Mann, der vor 100 Jahren im Mai 1906
in New York starb und der vom gescheiterten Revolutionär 1848/49 zum Unionsgeneral
und Innenminister der USA aufstieg? Diese
Frage wird uns in der nächsten Ausgabe der
»Militärgeschichte« Wolfgang Hochbruck
beantworten und zugleich aufzeigen, welche
Bedeutung Carl Schurz noch heute als demokratisches Vorbild hat.
Dabei ist Carl Schurz nicht der einzige
emigrierte deutsche Demokrat, der geprägt
durch die Revolution von 1848/49 im amerikanischen Bürgerkrieg auf der Seite der
Nordstaaten wieder zu den Waffen griff. Die
Geschichte der »Fortyeighter«und ihre Rolle im Amerikanischen Bürgerkrieg 1861-1865
wird Jürgen Dick in einem eigenen Beitrag
eingehender beleuchten.
General a.D. Johann Adolf
Graf von Kielmansegg
Graf Kielmansegg trat 1926 in das Reiterregiment 16
(Erfurt) der Reichswehr ein, seine Generalstabsausbildung erfolgte bei der Wehrmacht. Er diente ab 1939
in verschiedenen Truppen- und Stabsverwendungen
in Polen, Frankreich und Russland. Als Mitwisser des
20. Juli 1944 inhaftiert, wurde er als Regimentskommandeur zur »Bewährung« an die Westfront versetzt.
Von 1946 bis 1950 arbeitete Graf Kielmansegg als Verlagskaufmann und freier Journalist. Danach war er im
»Amt Blank« tätig, dem Vorläufer des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Himmeroder Denkschrift
wurde von Graf Kielmansegg zu Papier gebracht, wobei ihm der Abschnitt über die Innere Führung ein besonderes Anliegen war. 1955 ging der neu ernannte
Berufssoldat zum ersten Mal zur NATO. Ab 1958 folgten Verwendungen als
Stellv. Divisionskommandeur in Koblenz und als Kommandeur der 10. Panzerdivision in Sigmaringen. Sein Konzept der Inneren Führung bewährte sich
in der Praxis. Als Oberbefehlshaber der Alliierten Landstreitkräfte bzw. der
Streitkräfte in Europa-Mitte (LANDCENT/CINCENT)) konnte Graf Kielmansegg von 1963 bis 1968 die deutsche Stellung im Bündnis stärken. Nach seiner
Pensionierung nahm er als gefragter Experte Einfluss auf die Weiterentwicklung der Streitkräfte.
Graf Kielmansegg hat sowohl die innere Verfasstheit und die organisatorische Struktur der Bundeswehr als auch die Operationsplanungen der NATO in
den 1960er Jahren maßgeblich beeinflusst. General a.D. de Maizière bezeichnete ihn nicht umsonst als den einflussreichsten Reformer, ja sogar als den wichtigsten »Gründervater« der Bundeswehr.
Helmut R. Hammerich
30
Militärgeschichte
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
ullstein bild
agk-images
14. Oktober 1781
Militärgeschichte kompakt
Heft 4/2006
Service
Carl Schurz während des amerikanischen
Bürgerkrieges in der Uniform eines
Unionsgenerals.
Im selben Jahr, in dem die Hardheimer Kaserne ihren neuen Namen erhielt, wurde Generalleutnant Johannes Steinhoff Inspekteur
der Luftwaffe. Heute ist er selbst Namenspatron einer Bundeswehrkaserne in BerlinGatow sowie eines Jagdgeschwaders der
Luftwaffe. Heiner Möllers wird uns in seinem
Beitrag die Person Johannes Steinhoff näher
bringen.
Der bereits für das Heft 3 angekündigte Artikel von Friedrich Furrer über »Antike Kriegskosten« wird ebenfalls im kommenden Heft
erscheinen.
mn
Militärgeschichte im Bild
Ulrich de Maizière (1912–2006)
Herausforderungen
und Antworten eines
Soldaten im Übergang
U
lrich de Maizière war Soldat in
drei deutschen Armeen. Ausgebildet wurde er noch in der Reichswehr
(1930–1933), weitere Prägung erfuhr
er als Generalstabsoffizier der Wehrmacht (1933–1945), um schließlich bei
Planung und Aufbau der Bundeswehr
(1951–1972) führend mitzuwirken. Damit verbunden waren einschneidende
Übergänge: von der Diktatur zur Demokratie, von der Nationalarmee zur
Bündnisstreitmacht, vom Angehörigen
eines herausgehobenen Kriegerstandes
zum »Staatsbürger in Uniform«.
Die »Gründergeneration« neuer und
zunächst westdeutscher, seit 1990 gesamtdeutscher Streitkräfte stand somit
vor ganz neuen Herausforderungen:
Sicherheit würde es nach dem Untergang des Reiches künftig nicht mehr
national, sondern nur noch im Bündnisrahmen geben. Die neuen Streitkräfte waren fest in die Ordnung des
Grundgesetzes zu integrieren. Die
Bundeswehr als Wehrpflichtarmee
musste sich aber auch in ihrem inneren Zuschnitt an die gesellschaftlichen
Veränderungen anpassen und zu einer kritischen Öffentlichkeit hin öffnen. In der Himmeroder Denkschrift
von 1950 hatten die künftigen militärischen Planer zwar ein wichtiges Signal für Reformen gegeben, dass »ohne
Anlehnung an die Formen der alten
Wehrmacht heute grundlegend Neues
zu schaffen ist«. Schaffen musste man
dieses Neue aber mit dem Führerkorps
aus den Streitkräften vor 1945, denn die
Bündnispartner forderten mit Vorrang
rasche und effiziente Verstärkungen ihrer Verbände gegen einen zahlenmäßig
weit überlegenen Gegner.
Dieser Spannungsbogen aus militärischen Forderungen von außen und
inneren Vorgaben für eine Integration der Streitkräfte in Staat und Gesellschaft lässt sich an der Laufbahn
von Ulrich de Maizière nachzeichnen. Einsatz aus Überzeugung verteidigen
Schon der militärische Sachverständige zu wollen. Innere Führung war so gesein den Verhandlungen um einen west- hen kein taktisches Entgegenkommen
deutschen Allianzbeitritt orientierte an einen gewandelten Zeitgeist, sonsich an einer Ausgewichtung des trans- dern ein notwendiges Führungsinstruatlantischen und des westeuropäischen ment zur Heranbildung und Führung
Pfeilers im Bündnis. Nur so ließ sich des modernen Soldaten unter verändem eigentlichen Dilemma deutscher derten militärischen HerausforderunVerteidigung begegnen: der Abhängig- gen.
keit von atomarer Abschreckung zur
In den Augen mancher Kritiker der
Kriegsverhinderung, aber verbunden Gründergeneration der Bundeswehr
mit der Forderung nach einer wirksa- (Heusinger, Graf Kielmansegg, Graf
men Verteidigung im Falle eines Krie- Baudissin und de Maizière) stellten solges, um das eigene Territorium vor un- che komplexen Antworten ein zu groannehmbaren Schäden zu bewahren. ßes Entgegenkommen an Politik und
Dabei blieb der Rückgriff auf Atom- Öffentlichkeit dar. Sie übersahen, dass
waffen aus Sicht der NATO auch dann der Systemkonflikt zwischen Ost und
noch notwendig, wenn deutsche Streit- West mit seinen politischen, ökonomikräfte die größten Lücken im mitteleu- schen, gesellschaftlichen und militäriropäischen Verteidigungsschild ge- schen Bedrohungsmustern zu komplex
schlossen haben würden. Daraus zog war, um einfache, vermeintlich soldatischon de Maizière als Leiter der Unter- schere Antworten zuzulassen.
abteilung Führung im BundesministeBruno Thoß
rium für Verteidigung
(1955–1958) zwei weitere Folgerungen, denen er seiner ganzen Laufbahn bis hin
zum Generalinspekteur (1966–1972) treu
blieb: Militärische
Verteidigung musste
mit dem Zivilschutz
schon im Frieden so
engmaschig verzahnt
werden, dass daraus
ein wirksames System der zivil-militärischen Gesamtverteidigung entstand.
Und der neue Soldat
musste die Werte des
Grundgesetzes alltägDie Erprobung der Brigadegliederung während der
lich erfahren können, Lehr- und Versuchsübung (LV 58) im Herbst 1958.
um sie als »Staatsbür- Brigadegeneral Ulrich de Maizière, Kommandeur der
ger in Uniform« im Kampfgruppe A 1 in Hannover, als Kommandeur einer
Kalten Krieg wie im Übungsbrigade
Bundesregierung/Egon Steiner
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2006
31
NEUE PUBLIKATIONEN DES MGFA
Johannes Berthold Sander-Nagashima, Die Bundesmarine 1950 bis 1972. Konzeption
und Aufbau. Mit Beiträgen von Rudolf Arendt, Sigurd Hess, Hans-Joachim Mann, KlausJürgen Steindorff, München: Oldenbourg , X, 606 S. (= Sicherheitspolitik und Streitkräfte
der Bundesrepublik Deutschland, 4), 39,80 Euro,
ISBN 10: 3-486-57972-X, ISBN 13: 978-3-486-57972-7
Rudolf J. Schlaffer
Der
Wehrbeauftragte
1951 bis 1985
Rudolf J. Schlaffer, Der Wehrbeauftragte 1951 bis 1985. Aus Sorge um den Soldaten,
München: Oldenbourg 2006, XIV, 386 (= Sicherheitspolitik und Streitkräfte der
Bundesrepublik Deutschland, 5), 26,80 Euro,
ISBN 10: 3-486-58025-6, ISBN 13: 978-3-486-58025-9
Aus Sorge um den Soldaten
OLDENBOURG
������������������������
�������������
���������
�����
Wegweiser zur Geschichte: Kongo. Im Auftrag des MgFA hrsg. von Bernhard Chiari
und Dieter Kollmer, 2., durchges. Aufl., Paderborn: Ferdinand Schöningh 2006, 216 S.
(= Wegweiser zur Geschichte), 12,90 Euro,
ISBN 10: 3-506-75745-8, ISBN 13: 978-3-506-75745-6
����
Wegweiser zur Geschichte: Kosovo. Im Auftrag des MGFA hrsg. von Bernhard Chiari
und Agilolf Keßelring, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2006, 240 S. (= Wegweiser zur
Geschichte), 13,90 Euro, ISBN 10: 3-506-75665-6, ISBN 978-3-506-75665-3
��������������
�������������������
�����������������������
������������������������
Daniel Niemetz, Das feldgraue Erbe. Die Wehrmachteinflüsse im Militär der SBZ/DDR,
Berlin: Ch. Links 2006, X, 345 S. (= Militärgeschichte der DDR, 13), 29,90 Euro,
ISBN -10: 3-86153-421-5, ISBN-13: 978-86153-421-1
Herunterladen