VON 1973 BIS 1989 Das Ende des Ost-West-Konflikts litischen Teilung, das Ende des Kalten Krieges bedeutet sie aber noch nicht. Immerhin können sich u. a. die Dissidenten des Ostblocks in den kommenden Jahren immer wieder auf die darin festgeschriebene Achtung der Menschenrechte berufen. Noch Jahre pendelt die politische Stimmungslage zwischen Entspannung und neuen Konflikten – die nicht selten auf dem Rücken anderer Völker ausgetragen werden. Erst unter Michail Gorbatschow kommt es ab Mitte des 1980er Jahre zu einschneidenden Veränderungen. Mit der vom Kremlchef initiierten Demokratisierung des Ostblocks endet in Europa die Nachkriegszeit und ihre waffenstarrende Machtarchitektur. Die moderne 20-bändige „Große Weltgeschichte“ präsentiert die Geschichte unserer Welt präzise, leichtverständlich und streng chronologisch. Genaue Einzelinformationen und verständliche Zusammenhangs- und Spezialdarstellungen mit über 8000 Abbildungen machen die Vergangenheit inhaltlich und visuell erfahrbar. Je drei Bände beschreiben die Vor – und Frühgeschichte, die Antike und das Mittelalter. Der Zeitraum von der frühen Neuzeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wird in fünf, das 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart in sechs Bänden behandelt. ISBN 978-3-902016-93-5 9 7 83 902 01 693 5 Titelbild: Michail Gorbatschow; Copyright: corbis Das Ende des Ost-West-Konflikts Die 1975 unterzeichnete KSZE-Schlussakte ist ein wichtiger Schritt zur Überwindung der weltpo- WELTGESCHICHTE VON DEN ANFÄNGEN BIS ZUR GEGENWART W E LT G E S C H I C H T E V O N D E N A N F Ä N G E N B I S Z U R G E G E N W A R T 19 NO- 19 1. Juli 1973 3. Juli 1973 1. Juli 1973 Deutschland wertet Zivildienst auf Das Gesetz zur Gleichstellung von Wehr- und Zivildienst tritt in der Bundesrepublik in Kraft. Es regelt die Rechtsstellung und Versorgung des Zivildienstes. Neben anderem wird der Lohn der Zivildienstleistenden steigerungsfähig. Bisher wurden die Ersatzdienstler konstant mit dem Rekrutensatz von 4,50 DM pro Tag besoldet. Von nun an können sich Zivildienstleistende bis zum Obergefreiten-Tagegeld hochdienen. Auch die Dienstverhältnisse werden an die von Wehrdienstleistenden angelehnt. Ein »Zivi« mit einem Patienten im Krankenhaus Berlin-Spandau; in Deutschland erfüllen Zivildienstleistende wichtige Aufgaben in der Krankenpflege oder auch bei der Betreuung und Rehabilitation Behinderter. tische Außenminister Sir Alexander Douglas-Home bezeichnet die Frage der menschlichen Kontakte sogar als das Schlüsselproblem der Verhandlungen. Neben den Aussprachen im Plenum kommt es während der Konferenz zu zahlreichen bilateralen Kontakten der Außenminister, darunter zum ersten Mal auch zu Gesprächen der Außenminister der Bundesrepublik und der DDR, Walter Scheel und Otto Winzer. Die Initiative zur Einberufung der KSZE ging ursprünglich von der Sowjetunion aus. Aus westlicher Sicht lag jedoch hierbei die Absicht zugrunde, den Zusammenhalt zwischen den USA und Westeuropa zu schwächen und die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die NATO zu verhindern. Erst im Zuge des Entspannungsprozesses wich die westliche Skepsis allmählich einer aufgeschlosseneren Haltung. Gruppenbild der Außenminister beim KSZE-Treffen in Helsinki mit dem deutschen Außenminister Walter Schell (1. Reihe, 3.v.r.) 3. Juli 1973 Europa trifft sich in Helsinki 1.7.1973: US-Präsident Richard M. Nixon löst ein Wahlversprechen ein und hebt die Wehrpflicht in den USA auf. Bisher mussten alle männlichen US-Bürger im Alter zwischen 21 und 35 Jahren Dienst mit der Waffe leisten. Künftig soll sich die Armee aus Freiwilligen zusammensetzen. 26 19_026-039.indd 26-27 Zum ersten Mal sitzen Vertreter aller europäischen Staaten, also auch der neutralen und blockfreien Länder, zusammen an einem Tisch: In der finnischen Hauptstadt Helsinki wird die erste Phase der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) eröffnet. An der Mammuttagung nehmen die Außenminister und 400 Delegierte aus 33 europäischen Ländern sowie aus den USA und Kanada teil. Ziel der Konferenz ist es, eine Annäherung der beiden politischen Blöcke in Europa zu erreichen, Prinzipien für die europäische Sicherheit zu formulieren und Richtlinien für eine intensivere Zusammenarbeit auszuarbeiten. Dabei geht es sowohl um die Kooperation in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Umwelt als auch um die Verbesserung der kulturellen und menschlichen Beziehungen. In der nur vier Tage dauernden ersten Konferenzphase finden jedoch noch keine Verhandlungen statt. Zunächst geht es lediglich um die Zustimmung der Außenminister zu den in den Vorbereitungskonferenzen ausgearbeiteten Empfehlungen über den Ablauf der KSZE sowie um die Planung von weiteren Tagungen. Bei allen Außenministern herrscht vor allem im Hinblick auf eine Erweiterung der humanitären Beziehungen große Übereinstimmung. Der bri27 09.10.2007 17:51:46 Uhr 10. Juli 1973 16. August 1973 10. Juli 1973 28.7.1973: Die X. Welt­ festspiele der Jugend und Studenten locken fünf Millionen Menschen nach Ostberlin. SED-Chef Erich Honecker eröffnet das Großereignis mit 1500 Einzelveranstaltungen. 31.7.1973: Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass der Grundlagenvertrag mit der DDR vom 21.12.1972 nicht gegen das Grundgesetz verstoße. In dem Vertrag gab Bonn seinen Alleinvertretungsanspruch auf. Die DDR erkannte die »nationale Frage« der deutschen Teilung an. 16. August 1973 Bahamas feiern Unabhängigkeit Streit um Libyens Ölreserven In Anwesenheit des britischen Thronfolgers Prinz Charles, des Staatsministers für Äußeres und Commonwealth, Lord Robert A. Balniel, und Vertretern von 52 weiteren Staaten erlangen die Bahamas die volle Unabhängigkeit vom ehemaligen Mutterland Großbritannien. Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie werden sie zur parlamentarischen Monarchie im Commonwealth erklärt. Im Clifford-Park wird unter den Augen von mehr als 50 000 jubelnden Menschen um Die libysche Regierung nationalisiert 51 Prozent des auf ihrem Staatsgebiet liegenden Besitzes der Oasis, einer Gruppe westlicher Ölgesellschaften. Ein entsprechender Vertrag zwischen Libyen und den Muttergesellschaften wird unterzeichnet. des Barrelpreises um 25 Prozent können die Gesellschaften das Öl von der libyschen Regierung zurückkaufen. Seit 1971 hat Libyen nunmehr zum vierten Mal eine ausländische Ölgesellschaft verstaatlicht. Vor zwei Jahren Erdölminister Essedin Mabruk erklärt, dass drei Gesellschaften der Oasis, die Continental, die Almerada und die Marathon durch Zustimmung zu diesem Vertrag einer totalen Enteignung entgangen seien. Lediglich die Shell habe dem Abkommen nicht zugestimmt. Ihr Anteil an der Rohölförderung der Gruppe sei daraufhin umgehend beschlagnahmt worden. Die Verstaatlichung sieht eine Entschädigung nach dem Buchwert vor. Mit einer Erhöhung hatte Staatschef Muammer Al Ghadafi aus Verärgerung über die Briten die BP enteignet. Am 11. Juni 1973 wurde die Bunker-Hunt-Oil-Company verstaatlicht, am 11. August gab die libysche Regierung die Übernahme von 51 Prozent der Occidental Petroleum Company bekannt. Mit diesen Schritten geht Libyen weiter dem erklärten Ziel entgegen, die völlige Kontrolle über seine Erdölvorräte zu übernehmen. Mitternacht der »Union Jack« eingeholt und zum letzten Mal die britische Nationalhymne gespielt. Wenige Minuten später steigt von Scheinwerfern angestrahlt die schwarzblau-goldene Flagge der Bahamainseln am Mast empor. Einen Tag später verliest Prinz Charles als Vertreter von Königin Elisabeth II. eine Grußbotschaft, die die Bahamas offiziell als 33. unabhängiges Mitglied im britischen Commonwealth of Nations willkommen heißt. 17. Juli 1973 Sturz des Königs in Afghanistan Nach einem Staatsstreich wird Afghanistan zur Republik erklärt. In Abwesenheit von König Mohammed Sahir Schah schwingt sich der frühere Ministerpräsident Sardar Mohammed Daud Khan zum neuen Machthaber auf. Er ruft die Republik aus und übernimmt selbst die Ämter des Präsi- Der afghanische Präsident Mohammed Daud Khan (sitzend, 3. v. r. mit Brille) in Moskau (1977) 28 19_026-039.indd 28-29 denten, des Ministerpräsidenten und des Ministers für Äußeres sowie Verteidigung. Daud Khan, der das alte Regime als korrupt bezeichnet, verspricht die Errichtung eines demokratischen Systems sowie grundlegende Reformen. Die gestürzte Regierung habe Afghanistan an den Rand des Ruins gebracht. Der libysche Staatschef Muammer Al Ghadafi (M.) kündigt die Verstaatlichung der Occidental Petroleum Company an. Mit dem Schritt will er die US-amerikanischen Interessen auf arabischen Gebieten unterminieren. 29 09.10.2007 17:51:49 Uhr 28. August 1973 9. September 1973 28. August 1973 China attackiert UdSSR 1.9.1973: Der Bundesstaat New York erlässt ein Gesetz, das scharfe Strafen für den Besitz, den Konsum und Handel mit unerlaubten Drogen vorsieht. Das Gesetz bildet das Kernstück eines umfassenden Maßnahmenkatalogs gegen den wachsenden Drogenmissbrauch. Der Vorsitzende des Zentralkomitees der KPCh, Mao Zedong (l.), mit dem Befehlshaber der kommunistischen Truppen in der Mandschurei, Lin Piao, 1945; Lin Piao, der ehemalige »Kronprinz« in der Parteihierarchie, wird auf dem Parteitag postum aus der Partei ausgeschlossen. 30 19_026-039.indd 30-31 Nach fünftägigen Beratungen geht der X. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zu Ende. Unter Vorsitz von Parteichef Mao Zedong haben sich rund 1300 Delegierte in der Großen Halle des Volkes in Beijing versammelt. Auf der umfangreichen Tagesordnung stehen ein Bericht von Ministerpräsident Zhou Enlai zur politischen Lage, die Revision der Parteistatuten und die Neuwahl des Zentralkomitees. Öffentlich wird der Parteitag als »Kongress der Einheit, des Sieges und der Stärke« be­zeichnet. Im außenpolitischen Teil seiner Rede widmet sich Zhou Enlai in der Hauptsache dem gespannten Verhältnis zur Sowjetunion. Er ruft zum entschlossenen Kampf gegen das sowjetische Hegemoniestreben und den »modernen Revisionismus von Chruschtschow bis Breschnew« auf. China werde seine Vorbereitungen für den Kriegsfall, insbesondere gegen einen »Überraschungsangriff des Sozialimperialismus« fortsetzen, betont Chou. Hiermit ist in der Sprachregelung der KPCh die UdSSR gemeint. Als wichtigstes Beispiel für den imperialistischen Charakter der Moskauer Politik führt Chou den sowjetischen Einmarsch in die Tschechoslowakei im Herbst 1968 an. Die Sowjets rechtfertigten ihr Vorgehen als »sozialistische Bruderhilfe«. In Beijing wuchs jedoch mit der Verkündung der Breschnewdoktrin von der beschränkten Souveränität der sozialistischen Staaten die Angst vor einem ähnlichen Übergriff auf chinesisches Territorium. Als es 1969 im sogenannten Ussurikonflikt an der chinesisch-sowjetischen Grenze zu Gefechten kam, standen beide Staaten am Rande eines Krieges. Ideologischer Hintergrund des Konflikts ist der Streit um die angemessene Auslegung des Marxismus-Leninismus. Innenpolitisch hebt Zhou Enlai die Zerschlagung der parteifeindlichen Clique um den ehemaligen Verteidigungsminister Lin Piao als größten Sieg der letzten Jahre hervor. Er wird postum aus der Partei ausgeschlossen. Lin Piao galt seit 1969 als designierter Nach- Die Präsidiumstribüne auf dem X. Parteitag wird von einem riesigen Porträt von Mao Zedong überragt. folger von Parteichef Mao. Offiziell verunglückte er bei einem Flugzeugabsturz tödlich, als er 1971 nach einem gescheiterten Staatsstreich in die Sowjetunion zu fliehen versuchte. 30. August 1973 Brücke über den Bosporus Die Brücke über den Bosporus, die Europa mit Kleinasien verbindet, wird dem Verkehr übergeben. Mit 1074 m Länge ist sie bis dahin die längste Hängebrücke Europas. Die 32 m breite Fahrbahn mit sechs Autospuren hängt an zwei 60 cm dicken Stahlseilen in 64 m Höhe über dem Wasserspiegel. In insgesamt dreieinhalb Jahren wurde das 90-Mio. DM-Projekt fertiggestellt. 9.9.1973: 100 m Freistil in 57,54 sec – die 15-Jährige Kornelia Ender (DDR) krönt mit einem Weltrekord, ihrem siebten seit dem 13. April, ihre Bilanz bei den ersten Schwimmweltmeis­terschaften in Belgrad: Viermal Gold (zuvor über 100 m Delfin und mit den beiden DDRStaffeln) und einmal Silber (200 m Lagen). Der 18-jährige US-Student Jim Montgomery holt fünf Titel (100 und 200 m Freistil, 3 Staffeln). 31 09.10.2007 17:51:52 Uhr 11. September 1973 23. September 1973 11. September 1973 Blutiger Putsch in Chile Der Demokratie in Chile wird ein blutiges Ende gesetzt. Ein Militärputsch gegen Präsident Salvador Allende beendet den innenpolitischen Reformkurs. Bei dem blutigen Umsturz kommt der Sozialist Allende ums Leben. Die Regierungsgewalt übernimmt eine rechtsgerichtete Junta unter Führung des Oberbefehlshabers des Heeres, General Augusto Pinochet. Die Junta verhängt über das ganze Land den Ausnahmezustand, löst Parlament und Senat auf und setzt Teile der Verfassung außer Kraft. Rund drei Jahre nachdem Allende zum Präsidenten Chiles gewählt wurde, ist der Versuch ökonomischen und politischen Krise entschließt sich die Führung des nun herrschenden Militärs, das im Unterschied zu den meisten anderen Staaten Lateinamerikas in Chile traditionell regierungstreu und eher unpolitisch ist, zum gewaltsamen Eingreifen. Die Junta unter Pinochet sichert in den folgenden Wochen ihre Herrschaft mit brutaler Gewalt. Es kommt zu Folterungen und Erschießungen von zahlreichen Oppositionellen. Vielfach werden verdächtige Personen von Armee oder Polizei verschleppt, ohne dass ihre Angehörigen etwas über ihren Verbleib erfahren. An- 18. September 1973 Zwei deutsche Staaten in der UNO Die beiden deutschen Staaten werden von der Vollversammlung der Vereinten Nationen (UNO) als 133. und 134. Mitglied in die Weltorganisation aufgenommen. Wie in den meisten Fällen erfolgt die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland und der DDR ohne förmliche Abstimmung per Akklamation. Im Sitzungssaal sitzen die beiden deutschen Delegationen nebeneinander, nur durch einen Gang voneinander getrennt. Bundesaußenminister Walter Scheel (FDP) und DDR-Außenminister Otto Winzer gratulieren sich gegenseitig zum UNOBeitritt. Diese freundliche Geste bleibt fürs Ers­te der einzige offizielle Kontakt zwischen beiden Delegationen. Nach Beendigung der Sitzung werden vor dem Hauptquartier der UNO am East River die Flaggen der Bundesrepublik und der DDR aufgezogen. Für die DDR bedeutet der UNO-Beitritt einen entscheidenden Erfolg in dem Bemühen um internationale Anerkennung. Die beiden deutschen Delegationen auf ihren Plätzen im Plenum des UN-Gebäudes in New York: vorn (über ein Papier gebeugt) Außenminister Otto Winzer (DDR), hinter dem Gang Bundesaußenminister Walter Scheel (mit roter Krawatte) 19. September 1973 Carl XVI. Gustav besteigt den Thron Der Präsident Salvador Allende (M.) einen Tag vor seinem Tod; sein »chilenischer Weg zum Sozialismus« scheitert. 32 19_026-039.indd 32-33 einer radikalen gesellschaftlichen Umwälzung unter strikter Wahrung aller politischen Freiheitsrechte gescheitert. Auf dem Höhepunkt einer schweren gesichts des äußerst brutalen Vorgehens distanzieren sich große Teile der Kirche und der Christdemokraten von den neuen Machthabern. Im Alter von 27 Jahren wird Carl XVI. Gustav schwedischer König. Er tritt damit die Nachfolge seines verstorbenen Großvaters Gustav VI. Adolf an. Der alte Monarch war vier Tage zuvor 90-jährig verstorben. Die Trauerfeier und die Krönungszeremonie des jungen Königs finden in Anwesenheit des europäischen Hochadels statt. Gustav VI. Adolf genoss bei der schwedischen Bevölkerung große Popularität. Während seiner Regierungszeit trat der König nur selten politisch in Erscheinung. Er sah seine Hauptaufgabe darin, das Land zu repräsentieren. In Fachkreisen machte sich das schwedische Staatsoberhaupt als Archäologe einen Namen. Mit seiner zweiten Frau, Lady Louise Mountbatten, hatte der König einen Sohn. Als dieser bei einem Flugzeugabsturz starb, stieg Enkel Carl Gustav zum Kronprinzen auf. Wie sein Großvater möchte er nur wenig in die Staatsführung eingreifen. 23.9.1973: Ein Politiker, der in Argentinien schon zu Lebzeiten ein Mythos ist, kehrt auf die politische Bühne zurück: Juan Domingo Péron gewinnt mit über 60 Prozent Zustimmung die Präsidentschaftswahlen. Bereits von 1946 bis 1955 hatte er dieses Amt inne. Zur Vizepräsidentin wird seine Frau Isabel Péron gewählt. 33 09.10.2007 17:51:54 Uhr 1. Oktober 1973 26. Oktober 1973 6. Oktober 1973 Araber überfallen Israel 1.10.1973: Der DalaiLama, das geistliche und weltliche Oberhaupt der Tibeter, wird von Papst Paul VI. in Rom empfangen. Nach dem Gespräch erklärt der Papst, er hoffe, dass die Begegnung zwischen dem obersten religiösen Führer des buddhis­tischen Lamaismus und dem Oberhaupt der katholischen Kirche zur »gegenseitigen Liebe und Achtung unter den Anhängern verschiedener Religionen beitragen« werde. Am Jom Kippur, dem sogenannten Versöhnungstag und höchstem jüdischem Feiertag, greifen Ägypten und Syrien überraschend Israel an. 34 19_026-039.indd 34-35 Am jüdischen Feiertag Jom Kippur (Versöhnungsfest) beginnen ägyptische und syrische Truppen einen Überraschungs­ angriff auf Israel. Sie können rasch große Geländegewinne erzielen und bringen Israel an den Rand einer militärischen Niederlage. Erst nach 48 Stunden setzt die israelische Gegenoffensive, die von Luftangriffen auf Kairo und Damaskus begleitet wird, ein. Während es den Israelis auf den Golanhöhen gelingt, die syrischen Truppen zurückzudrängen, rücken die ägyptischen Einheiten auf der Sinaihalbinsel weiter vor. Erst als israelische Verbände einen Keil zwischen die beiden ägyptischen Armeen treiben und sich in deren Rücken festsetzen, kann der Vor- marsch zum Stehen gebracht werden. Ägypten und Syrien erhalten von der UdSSR Waffen und Munition, auf der anderen Seite liefern die USA über eine Luftbrücke Kriegsgerät nach Israel. Als sich die Lage an den Fronten verfestigt, stimmen Ägypten und Israel einem vom UN-Sicherheitsrat geforderten Waffenstillstand zu, den Israel jedoch wieder bricht. Erst als die UNO die Entsendung einer Friedenstruppe zur Überwachung des Waffenstillstands beschließt, schweigen die Waffen. Die großen Anfangserfolge der arabischen Truppen sind neben der Ausnutzung des Überraschungsmoments auf das moderne sowjetische Kriegsgerät zurückzuführen. 20. Oktober 1973 Einweihung der Sydney Opera In Anwesenheit der britischen Königin Elisabeth II. und internationaler Prominenz wird im australischen Sydney das muschelförmige Opernhaus eingeweiht. Der Bau ist von dem Dänen Jörn Utzorn entworfen worden. Mit seinem Dach aus »Schalen«, die sich wie weiße Segel über der Wasserfläche des Hafens erheben, ist das Opernhaus der herausragende Vertreter des plastischen Stils in der Architektur. Die Bauzeit belief sich auf 14 Jahre, die Kosten auf rd. 350 Mio. DM. Die Oper vor der spektakulären Kulisse Sydneys; das US-Nachrichtenmagazin »Newsweek« bezeichnet die Sydney Opera als »eines der schönsten und dramatischsten Bauwerke der Welt«. 2007 wird das Opernhaus zum Welterbe erklärt. 26. Oktober 1973 Alpha-Jet wird zum Exportschlager Der Prototyp des deutsch-französischen Erdkampf-, Übungsund Schulkampfflugzeugs »Alpha-Jet« startet in der Nähe von Toulouse zu seinem Erstflug. Die Regierungen Frankreichs und der Bundesrepublik hatten 1969 einen Wettbewerb zur Entwicklung eines Mehrzweckflugzeugs ausgeschrieben. Es sollte allwettertauglich sein, über zwei Sitze mit hintereinanderliegenden Schleudersitzen verfügen und sowohl als Erdkampfals auch als Schulflugzeug für Anfänger und Fortgeschrittene einsetzbar sein. Gewinner des Wettbewerbs ist die Firma Dornier/ Dassault-Breguet mit dem Entwurf des »Alpha-Jet TA-501«. Mit der Auslieferung der ers­ten Serienmaschine soll 1977 begonnen werden. Das Mehrzweckflugzeug erweist sich schon bald als Exportschlager. Insgesamt zehn Staaten, unter ihnen Belgien, Ägypten und Nigeria, bestellen den »Alpha-Jet«, der sich nach ersten Testflügen als ungewöhnlich vielseitige Maschine erweist. Der Apha-Jet wird von bundesdeutschen und französischen Unternehmen gebaut. Militärexperten bezeichnen ihn als »Mehrzweckmaschine der Zukunft«. 35 09.10.2007 17:51:58 Uhr 30. Oktober 1973 17. November 1973 30. Oktober 1973 Nixon kurz vor dem Fall 30.10.1973: Als Folge des Erdölboykotts der arabischen Staaten erlässt die niederländische Regierung ein Sonntagsfahrverbot für private Autofahrer. 31.10.1973: Die Sowjetunion startet den Erdsatelliten »Interkosmos 10«. Er soll die elektromechanischen Beziehungen zwischen der Magnetosphäre und der Ionosphäre untersuchen. Im Justizausschuss des Repräsentantenhauses beginnt das Verfahren zur Amtsenthebung von US-Präsident Richard M. Nixon (Impeachment). Es ist seit über 100 Jahren das erste Mal, dass gegen einen Präsidenten der Vereinigten Staaten ein förmliches Verfahren zur Entfernung aus dem Amt wegen schwerer Verfehlungen Gespräche in dessen Amtssitz auf Tonband aufgezeichnet wurden. Diese Tonbänder, deren Herausgabe Nixon zunächst verweigerte, standen seither im Fokus der Untersuchungen. Am 20. Oktober 1973 startete der zunehmend in Bedrängnis geratene Präsident einen Gegenangriff und entließ den Sonderstaatsanwalt für die Wa- glanzvollen Stimmenergebnis für eine zweite Amtszeit gewählt worden war. Die »New York Times« schrieb: »Diese Darbietung eines absolutistischen Herrschaftsstils hat das Land in eine Regierungskrise von beängstigendem Ausmaß gestürzt.« Nach vergeblichem Taktieren gab der Präsident die Aufzeichnungen schließlich frei. Sie belegten, dass Nixon entge- gen seinen Aussagen sehr wohl an den Vertuschungsversuchen nach dem Einbruch im Watergate-Hotel beteiligt war. Einer förmlichen Amtsenthebung, für die sich im Lauf des Impeachmentverfahrens eine klare Mehrheit abzeichnet, kommt Nixon am 9. August 1974 durch seinen Rücktritt zuvor. Nachfolger wird Vizepräsident Gerald R. Ford. 14.11.1973: Evelyn Jahn, Tochter des Besitzers der Restaurantkette »Wienerwald«, wird entführt. Gegen Zahlung eines Lösegelds von drei Millionen DM kommt sie wieder frei. 17.11.1973: Frankreich und Großbritannien unterzeichnen ein Abkommen über den gemeinsamen Bau und Betrieb eines Tunnels unter dem Ärmelkanal. 14. November 1973 Prinzessin Anne heiratet Offizier Empörte Bürger fordern vor dem Weißen Haus in Washington die Amtsenthebung von Richard Nixon. 1.11.1973: Sierra Leone, Gabun und Kenia brechen ihre diplomatischen Beziehungen zu Israel ab. Als einziges bedeutendes afrikanisches Land unterhält jetzt nur noch die Elfenbeinküste offizielle Kontakte zu Israel. 6.11.1973: Nach offiziellen Angaben sind in den Hochwassergebieten von Bangladesch in den letzten beiden Monaten mindestens 4000 Menschen an der Cholera gestorben. 8.11.1973: In Dänemark tritt die sozialdemokratische Minderheitsregierung nach einer Abstimmungsniederlage im Parlament zurück. 36 19_026-039.indd 36-37 eingeleitet wird. Damit erreicht die Watergate-Affäre um den Einbruch in das Hauptquartier der Demokratischen Partei am 17. Juni 1972 einen weiteren Höhepunkt. Die Affäre hatte sich auf die Frage zugespitzt, wann Präsident Nixon von dem Einbruch erfahren hatte und ob er in die bekannt gewordenen Vertuschungsversuche verwickelt war, was er energisch bestritt. Einen Wendepunkt brachte am 16. Juli 1973 die Aussage eines Verwaltungsangestellten des Weißen Hauses vor dem Untersuchungsausschuss, wonach seit Frühjahr 1971 auf Anweisung des Präsidenten alle wichtigen tergate-Affäre, Archibald Cox, der auf einer vollständigen Herausgabe der Tonbänder bestanden hatte. Die von Cox geleitete Justizabteilung wurde aufgelöst. Diese Willkürmaßnahme fügte dem Ansehen des Präsidenten weiteren Schaden zu. Aus Protest erklärte Justizminister Elliot Richardson seinen Rücktritt. »Es schmeckt nach Diktatur«, so der demokratische Senator Edmund A. Muskie. Die Presse des Landes stand nun nahezu geschlossen gegen den Präsidenten. Nach Meinungsumfragen hatten nur noch etwa 22 Prozent der US-Amerikaner Vertrauen zu Nixon, der erst im November 1972 mit einem In der Londoner Westminster Abbey stehen Prinzessin Anne und Hauptmann Mark Phillips vor dem Traualtar. Zum zweiten Mal heiratet ein Bürgerlicher in die britische Königsfamilie ein. Prinzessin Anne verzichtet jedoch auf die Erhebung ihres Ehemannes in den Adelsstand. Diese Entscheidung bringt ihr bei der Bevölkerung viele Sym- pathien ein. Das traditionelle Hochzeitszeremoniell wird von rund 500 Mio. Menschen an den Bildschirmen verfolgt. Weitere 45 000 Schaulustige haben sich in den Londoner Straßen eingefunden, um einen Blick auf den Hochzeitszug zu erhaschen. Das Brautpaar gibt sich in Anwesenheit von 1500 erlesenen Gästen das Jawort. Prinzessin Anne und Mark Phillips im Kreise der englischen Königsfamilie 37 09.10.2007 17:52:00 Uhr 17. November 1973 9. Dezember 1973 17. November 1973 Griechenland unter Kriegsrecht Vor der Technischen Universität in Athen kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Studenten. Nach schweren Zusammenstößen von Militärangehörigen und mehreren Tausend regierungsfeindlichen Studenten verhängt die griechische Regierung das Kriegsrecht. Die Studenten fordern die Rückkehr zur Demokratie. Bei der Erstürmung der Technischen Universität in Athen durch das Militär und Schießereien kommen zwölf Menschen ums Leben. 40 Tage nach Einsetzung der ersten Zivilregierung als Nachfolgerin der rechtsgerichteten Militärjunta herrscht in Griechenland wieder eine offene Diktatur. Wilde Machtkämpfe innerhalb der noch immer tonangebenden Militärs gipfeln wenige Tage nach Niederschlagung des Studentenprotests am 25. November im Putsch des stramm rechtsgerichteten Brigadegenerals Ioannidis gegen einstige Weggefährten. 19. November 1973 17.11.1973: Frankreich und Großbritannien unterzeichnen ein Abkommen über den gemeinsamen Bau und Betrieb eines Ärmelkanaltunnels. 21.11.1973: Aufgrund der Ölpreissteigerungen erlässt der schweizerische Bundesrat ein dreimonatiges Sonntagsfahrverbot. 24.11.1973: Ein Gesellschaftsereignis ersten Ranges ist die Uraufführung von Merce Cunninghams »Ein Tag oder zwei« an der Pariser Oper. Die vom neuen Intendanten Rolf Liebermann in Auftrag gegebene Choreographie ist mit einem Musikstück von John Cage unterlegt. Das Bühenbild schuf der US-amerikanische Maler Jasper Johns. 38 19_026-039.indd 38-39 Araber drehen Ölhahn zu Auf Initiative von Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs (FDP) verfügt die Bundesregierung ein auf vier Wochen befris­ tetes Fahrverbot am Sonntag. Sie reagiert damit auf die durch den Lieferboykott der Erdöl exportierenden Länder entstandene Energiekrise. Die arabischen Staaten hatten am 17. Oktober in Kuwait beschlossen, ihre Erdölausfuhren zu mindern und die Abgabepreise zu erhöhen. Sie wollten damit erreichen, dass sich Israel aus den seit 1967 besetzten arabischen Gebieten zurückzieht und die Rechte der Palästinenser anerkennt. Betroffen von den Maßnahmen sind alle Länder, die als Freunde Israels gelten oder den jüdischen Staat im Jom-Kippur-Krieg unterstützt hatten. Während zunächst nur eine Drosselung der Produktion um monatlich fünf Prozent vorgesehen war, stellten Libyen und die Vereinigten Arabischen Emirate wenige Tage später die Lieferungen an die USA und an die Niederlande völlig ein. Auch die Maßnahmen gegen die übrigen »israelfreundlichen« Staaten, unter ihnen Deutschland, wurden verschärft: Am 5. November senkten die arabischen Staaten ihre Öl­exporte um 25 Prozent. Die Bundesrepublik wird von dem Boykott hart getroffen, da sie 75 Prozent ihres Rohölbedarfs aus den arabischen Staaten importiert. Umgehend wird in Bonn ein Energiesicherungsgesetz verabschiedet, das u. a. Sofortmaßnahmen zur Einsparung von Benzin vorsieht. Neben einem Sonntagsfahrverbot wird u. a. auch eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit beschlossen. Am 25. November tritt in der Bundesrepublik erstmals das Sonntagsfahrverbot in Kraft. Überall im Land sind die Straßen Radfahrern und Fußgängern vorbehalten. Neben der Bundesrepublik haben fünf weitere europäische Länder ein Sonntagsfahrverbot verhängt. Erst Ende des Jahres zeichnet sich eine leichte Entspannung ab. Mehrere arabische Staaten beschließen, die Ölproduktion wieder um zehn Prozent anzuheben. Allerdings werden die Abgabepreise drastisch erhöht. Der Boykott sowie die Preiserhöhungen haben die westlichen Industriestaaten an den Rand einer Wirtschaftskrise gebracht. Sie führen u. a. dazu, dass intensiv nach Möglichkeiten gesucht wird, die Abhängigkeit von den Erdöl exportierenden Ländern zu reduzieren. Die Suche nach Öllagerstätten in der Nordsee wird intensiviert, Sparmöglichkeiten werden erforscht sowie die umstrittene Kernenergie gefördert. 29.11.1973: Als 100. Staat nimmt Madagaskar diplomatische Beziehungen zur DDR auf. 1.12.1973: Die Regierung von Uruguay verbietet acht marxistische Parteien, die kommunistische Zeitung »El Popular« und »Cronica« sowie den Verband der Universitätsstudenten FEUU. Für die Regierung, so die Begründung, sei der Marxismus mit den demokratischen Traditionen des lateinamerikanischen Staates unvereinbar. 4.12.1973: US-Präsident Richard Nixon richtet ein Bundesamt für Energie ein. 5.12.1973: Ohne Gegenkandidaten wird Kenneth Kaunda zum dritten Mal in das Amt des Präsidenten von Sambia gewählt. 6.12.1973: In Frankreich lähmt ein eintägiger Generalstreik große Teile des öffentlichen Lebens. 9.12.1973: Der britische Premierminister Edward Heath und die Vertreter der beiden Teile Irlands, Liam Thomas Cosgrave und Brian Faulkner, einigen sich auf die Bildung eines gesamtirischen Rats. Ein Segen für Fahrradfahrer, ein Graus für Automobilisten: leere Straßen am Fahrverbotssonntag, wie hier am Frauentorgraben in Nürnberg 39 09.10.2007 17:52:03 Uhr