Das Ende des Ost-West-Konflikts

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VON 1973 BIS 1989
Das Ende des
Ost-West-Konflikts
litischen Teilung, das Ende des Kalten Krieges bedeutet sie aber noch nicht. Immerhin können
sich u. a. die Dissidenten des Ostblocks in den kommenden Jahren immer wieder auf die darin
festgeschriebene Achtung der Menschenrechte berufen. Noch Jahre pendelt die politische Stimmungslage zwischen Entspannung und neuen Konflikten – die nicht selten auf dem Rücken anderer Völker ausgetragen werden. Erst unter Michail Gorbatschow kommt es ab Mitte des 1980er
Jahre zu einschneidenden Veränderungen. Mit der vom Kremlchef initiierten Demokratisierung
des Ostblocks endet in Europa die Nachkriegszeit und ihre waffenstarrende Machtarchitektur.
Die moderne 20-bändige „Große Weltgeschichte“ präsentiert die Geschichte unserer Welt
präzise, leichtverständlich und streng chronologisch. Genaue Einzelinformationen
und verständliche Zusammenhangs- und Spezialdarstellungen mit über 8000
Abbildungen machen die Vergangenheit inhaltlich und visuell erfahrbar. Je drei Bände
beschreiben die Vor – und Frühgeschichte, die Antike und das Mittelalter. Der Zeitraum von
der frühen Neuzeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wird in fünf, das 20. Jahrhundert
bis zur Gegenwart in sechs Bänden behandelt.
ISBN 978-3-902016-93-5
9 7 83 902 01 693 5
Titelbild: Michail Gorbatschow; Copyright: corbis
Das Ende des Ost-West-Konflikts
Die 1975 unterzeichnete KSZE-Schlussakte ist ein wichtiger Schritt zur Überwindung der weltpo-
WELTGESCHICHTE VON DEN ANFÄNGEN BIS ZUR GEGENWART
W E LT G E S C H I C H T E V O N D E N A N F Ä N G E N B I S Z U R G E G E N W A R T
19
NO- 19
1. Juli 1973
3. Juli 1973
1. Juli 1973
Deutschland wertet Zivildienst auf
Das Gesetz zur Gleichstellung
von Wehr- und Zivildienst tritt
in der Bundesrepublik in Kraft.
Es regelt die Rechtsstellung und
Versorgung des Zivildienstes.
Neben anderem wird der Lohn
der Zivildienstleistenden steigerungsfähig. Bisher wurden die
Ersatzdienstler konstant mit
dem Rekrutensatz von 4,50 DM
pro Tag besoldet. Von nun an
können sich Zivildienstleistende bis zum Obergefreiten-Tagegeld hochdienen. Auch die
Dienstverhältnisse werden an
die von Wehrdienstleistenden
angelehnt.
Ein »Zivi« mit einem Patienten
im Krankenhaus Berlin-Spandau; in Deutschland erfüllen
Zivildienstleistende wichtige
Aufgaben in der Krankenpflege oder auch bei der
Betreuung und Rehabilitation
Behinderter.
tische Außenminister Sir Alexander Douglas-Home bezeichnet die Frage der menschlichen
Kontakte sogar als das Schlüsselproblem der Verhandlungen.
Neben den Aussprachen im
Plenum kommt es während der
Konferenz zu zahlreichen bilateralen Kontakten der Außenminister, darunter zum ersten
Mal auch zu Gesprächen der
Außenminister der Bundesrepublik und der DDR, Walter
Scheel und Otto Winzer.
Die Initiative zur Einberufung
der KSZE ging ursprünglich
von der Sowjetunion aus. Aus
westlicher Sicht lag jedoch hierbei die Absicht zugrunde, den
Zusammenhalt zwischen den
USA und Westeuropa zu schwächen und die Eingliederung der
Bundesrepublik Deutschland in
die NATO zu verhindern. Erst
im Zuge des Entspannungsprozesses wich die westliche Skepsis
allmählich einer aufgeschlosseneren Haltung.
Gruppenbild der Außenminister beim KSZE-Treffen in
Helsinki mit dem deutschen
Außenminister Walter Schell
(1. Reihe, 3.v.r.)
3. Juli 1973
Europa trifft sich in Helsinki
1.7.1973: US-Präsident
Richard M. Nixon löst
ein Wahlversprechen ein
und hebt die Wehrpflicht
in den USA auf. Bisher
mussten alle männlichen
US-Bürger im Alter
zwischen 21 und 35 Jahren
Dienst mit der Waffe
leisten. Künftig soll sich
die Armee aus Freiwilligen
zusammensetzen.
26
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Zum ersten Mal sitzen Vertreter
aller europäischen Staaten, also
auch der neutralen und blockfreien Länder, zusammen an
einem Tisch: In der finnischen
Hauptstadt Helsinki wird die
erste Phase der Konferenz über
Sicherheit und Zusammenarbeit
in Europa (KSZE) eröffnet. An
der Mammuttagung nehmen
die Außenminister und 400
Delegierte aus 33 europäischen
Ländern sowie aus den USA
und Kanada teil.
Ziel der Konferenz ist es, eine
Annäherung der beiden politischen Blöcke in Europa zu
erreichen, Prinzipien für die
europäische Sicherheit zu formulieren und Richtlinien für
eine intensivere Zusammenarbeit auszuarbeiten. Dabei geht
es sowohl um die Kooperation
in den Bereichen Wirtschaft,
Wissenschaft, Technik und
Umwelt als auch um die Verbesserung der kulturellen und
menschlichen Beziehungen. In
der nur vier Tage dauernden
ersten Konferenzphase finden
jedoch noch keine Verhandlungen statt. Zunächst geht es
lediglich um die Zustimmung
der Außenminister zu den in
den Vorbereitungskonferenzen
ausgearbeiteten Empfehlungen
über den Ablauf der KSZE sowie um die Planung von weiteren Tagungen.
Bei allen Außenministern
herrscht vor allem im Hinblick
auf eine Erweiterung der humanitären Beziehungen große
Übereinstimmung. Der bri27
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10. Juli 1973
16. August 1973
10. Juli 1973
28.7.1973: Die X. Welt­
festspiele der Jugend und
Studenten locken fünf
Millionen Menschen nach
Ostberlin. SED-Chef Erich
Honecker eröffnet das
Großereignis mit 1500
Einzelveranstaltungen.
31.7.1973: Das Bundesverfassungsgericht stellt
fest, dass der Grundlagenvertrag mit der DDR
vom 21.12.1972 nicht
gegen das Grundgesetz verstoße. In dem
Vertrag gab Bonn seinen
Alleinvertretungsanspruch
auf. Die DDR erkannte
die »nationale Frage« der
deutschen Teilung an.
16. August 1973
Bahamas feiern Unabhängigkeit
Streit um Libyens Ölreserven
In Anwesenheit des britischen
Thronfolgers Prinz Charles, des
Staatsministers für Äußeres und
Commonwealth, Lord Robert
A. Balniel, und Vertretern von
52 weiteren Staaten erlangen die
Bahamas die volle Unabhängigkeit vom ehemaligen Mutterland
Großbritannien. Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie werden sie zur parlamentarischen
Monarchie im Commonwealth
erklärt. Im Clifford-Park wird
unter den Augen von mehr als
50 000 jubelnden Menschen um
Die libysche Regierung nationalisiert 51 Prozent des auf ihrem
Staatsgebiet liegenden Besitzes
der Oasis, einer Gruppe westlicher Ölgesellschaften. Ein entsprechender Vertrag zwischen
Libyen und den Muttergesellschaften wird unterzeichnet.
des Barrelpreises um 25 Prozent
können die Gesellschaften das
Öl von der libyschen Regierung
zurückkaufen.
Seit 1971 hat Libyen nunmehr zum vierten Mal eine
ausländische Ölgesellschaft
verstaatlicht. Vor zwei Jahren
Erdölminister Essedin Mabruk
erklärt, dass drei Gesellschaften
der Oasis, die Continental, die
Almerada und die Marathon
durch Zustimmung zu diesem
Vertrag einer totalen Enteignung entgangen seien. Lediglich
die Shell habe dem Abkommen
nicht zugestimmt. Ihr Anteil an
der Rohölförderung der Gruppe sei daraufhin umgehend beschlagnahmt worden.
Die Verstaatlichung sieht eine
Entschädigung nach dem Buchwert vor. Mit einer Erhöhung
hatte Staatschef Muammer Al
Ghadafi aus Verärgerung über
die Briten die BP enteignet.
Am 11. Juni 1973 wurde die
Bunker-Hunt-Oil-Company
verstaatlicht, am 11. August
gab die libysche Regierung die
Übernahme von 51 Prozent der
Occidental Petroleum Company bekannt.
Mit diesen Schritten geht Libyen weiter dem erklärten Ziel
entgegen, die völlige Kontrolle über seine Erdölvorräte zu
übernehmen.
Mitternacht der »Union Jack«
eingeholt und zum letzten Mal
die britische Nationalhymne gespielt. Wenige Minuten später
steigt von Scheinwerfern angestrahlt die schwarzblau-goldene
Flagge der Bahamainseln am
Mast empor. Einen Tag später
verliest Prinz Charles als Vertreter von Königin Elisabeth
II. eine Grußbotschaft, die die
Bahamas offiziell als 33. unabhängiges Mitglied im britischen
Commonwealth of Nations willkommen heißt.
17. Juli 1973
Sturz des Königs in Afghanistan
Nach einem Staatsstreich wird
Afghanistan zur Republik erklärt. In Abwesenheit von König Mohammed Sahir Schah
schwingt sich der frühere Ministerpräsident Sardar Mohammed Daud Khan zum neuen
Machthaber auf. Er ruft die
Republik aus und übernimmt
selbst die Ämter des Präsi-
Der afghanische Präsident
Mohammed Daud Khan
(sitzend, 3. v. r. mit Brille) in
Moskau (1977)
28
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denten, des Ministerpräsidenten
und des Ministers für Äußeres
sowie Verteidigung. Daud
Khan, der das alte Regime als
korrupt bezeichnet, verspricht
die Errichtung eines demokratischen Systems sowie grundlegende Reformen. Die gestürzte
Regierung habe Afghanistan an
den Rand des Ruins gebracht.
Der libysche Staatschef
Muammer Al Ghadafi (M.)
kündigt die Verstaatlichung
der Occidental Petroleum
Company an. Mit dem Schritt
will er die US-amerikanischen
Interessen auf arabischen
Gebieten unterminieren.
29
09.10.2007 17:51:49 Uhr
28. August 1973
9. September 1973
28. August 1973
China attackiert UdSSR
1.9.1973: Der Bundesstaat New York erlässt
ein Gesetz, das scharfe
Strafen für den Besitz,
den Konsum und Handel
mit unerlaubten Drogen
vorsieht. Das Gesetz
bildet das Kernstück eines
umfassenden Maßnahmenkatalogs gegen den
wachsenden Drogenmissbrauch.
Der Vorsitzende des Zentralkomitees der KPCh, Mao
Zedong (l.), mit dem Befehlshaber der kommunistischen
Truppen in der Mandschurei,
Lin Piao, 1945; Lin Piao, der
ehemalige »Kronprinz« in
der Parteihierarchie, wird auf
dem Parteitag postum aus der
Partei ausgeschlossen.
30
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Nach fünftägigen Beratungen
geht der X. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas
(KPCh) zu Ende. Unter Vorsitz
von Parteichef Mao Zedong haben sich rund 1300 Delegierte
in der Großen Halle des Volkes
in Beijing versammelt. Auf der
umfangreichen Tagesordnung
stehen ein Bericht von Ministerpräsident Zhou Enlai zur politischen Lage, die Revision der
Parteistatuten und die Neuwahl
des Zentralkomitees. Öffentlich
wird der Parteitag als »Kongress
der Einheit, des Sieges und der
Stärke« be­zeichnet.
Im außenpolitischen Teil seiner Rede widmet sich Zhou
Enlai in der Hauptsache dem
gespannten Verhältnis zur Sowjetunion. Er ruft zum entschlossenen Kampf gegen das
sowjetische Hegemoniestreben
und den »modernen Revisionismus von Chruschtschow bis
Breschnew« auf.
China werde seine Vorbereitungen für den Kriegsfall,
insbesondere gegen einen
»Überraschungsangriff des Sozialimperialismus« fortsetzen,
betont Chou. Hiermit ist in
der Sprachregelung der KPCh
die UdSSR gemeint. Als wichtigstes Beispiel für den imperialistischen Charakter der Moskauer Politik führt Chou den
sowjetischen Einmarsch in die
Tschechoslowakei im Herbst
1968 an. Die Sowjets rechtfertigten ihr Vorgehen als »sozialistische Bruderhilfe«. In Beijing
wuchs jedoch mit der Verkündung der Breschnewdoktrin von
der beschränkten Souveränität
der sozialistischen Staaten die
Angst vor einem ähnlichen
Übergriff auf chinesisches Territorium. Als es 1969 im sogenannten Ussurikonflikt an der
chinesisch-sowjetischen Grenze zu Gefechten kam, standen
beide Staaten am Rande eines
Krieges. Ideologischer Hintergrund des Konflikts ist der Streit
um die angemessene Auslegung
des Marxismus-Leninismus.
Innenpolitisch hebt Zhou
Enlai die Zerschlagung der
parteifeindlichen Clique um
den ehemaligen Verteidigungsminister Lin Piao als größten
Sieg der letzten Jahre hervor.
Er wird postum aus der Partei
ausgeschlossen. Lin Piao galt
seit 1969 als designierter Nach-
Die Präsidiumstribüne auf
dem X. Parteitag wird von
einem riesigen Porträt von
Mao Zedong überragt.
folger von Parteichef Mao. Offiziell verunglückte er bei einem
Flugzeugabsturz tödlich, als er
1971 nach einem gescheiterten
Staatsstreich in die Sowjetunion
zu fliehen versuchte.
30. August 1973
Brücke über den Bosporus
Die Brücke über den Bosporus, die Europa mit Kleinasien
verbindet, wird dem Verkehr
übergeben.
Mit 1074 m Länge ist sie bis
dahin die längste Hängebrücke Europas. Die 32 m breite
Fahrbahn mit sechs Autospuren
hängt an zwei 60 cm dicken
Stahlseilen in 64 m Höhe über
dem Wasserspiegel. In insgesamt dreieinhalb Jahren wurde
das 90-Mio. DM-Projekt fertiggestellt.
9.9.1973: 100 m Freistil in
57,54 sec – die 15-Jährige
Kornelia Ender (DDR)
krönt mit einem Weltrekord, ihrem siebten seit
dem 13. April, ihre Bilanz
bei den ersten Schwimmweltmeis­terschaften in
Belgrad: Viermal Gold
(zuvor über 100 m Delfin
und mit den beiden DDRStaffeln) und einmal
Silber (200 m Lagen). Der
18-jährige US-Student Jim
Montgomery holt fünf Titel
(100 und 200 m Freistil,
3 Staffeln).
31
09.10.2007 17:51:52 Uhr
11. September 1973
23. September 1973
11. September 1973
Blutiger Putsch in Chile
Der Demokratie in Chile wird
ein blutiges Ende gesetzt. Ein
Militärputsch gegen Präsident
Salvador Allende beendet den
innenpolitischen Reformkurs.
Bei dem blutigen Umsturz
kommt der Sozialist Allende
ums Leben. Die Regierungsgewalt übernimmt eine rechtsgerichtete Junta unter Führung des
Oberbefehlshabers des Heeres,
General Augusto Pinochet.
Die Junta verhängt über das
ganze Land den Ausnahmezustand, löst Parlament und
Senat auf und setzt Teile der
Verfassung außer Kraft. Rund
drei Jahre nachdem Allende
zum Präsidenten Chiles gewählt wurde, ist der Versuch
ökonomischen und politischen
Krise entschließt sich die Führung des nun herrschenden
Militärs, das im Unterschied
zu den meisten anderen Staaten Lateinamerikas in Chile
traditionell regierungstreu und
eher unpolitisch ist, zum gewaltsamen Eingreifen.
Die Junta unter Pinochet sichert in den folgenden Wochen
ihre Herrschaft mit brutaler
Gewalt. Es kommt zu Folterungen und Erschießungen von
zahlreichen Oppositionellen.
Vielfach werden verdächtige
Personen von Armee oder Polizei verschleppt, ohne dass
ihre Angehörigen etwas über
ihren Verbleib erfahren. An-
18. September 1973
Zwei deutsche Staaten in der UNO
Die beiden deutschen Staaten
werden von der Vollversammlung der Vereinten Nationen
(UNO) als 133. und 134. Mitglied in die Weltorganisation
aufgenommen. Wie in den
meisten Fällen erfolgt die Aufnahme der Bundesrepublik
Deutschland und der DDR ohne förmliche Abstimmung per
Akklamation.
Im Sitzungssaal sitzen die beiden deutschen Delegationen nebeneinander, nur durch einen
Gang voneinander getrennt.
Bundesaußenminister Walter
Scheel (FDP) und DDR-Außenminister Otto Winzer gratulieren sich gegenseitig zum UNOBeitritt. Diese freundliche Geste
bleibt fürs Ers­te der einzige offizielle Kontakt zwischen beiden
Delegationen. Nach Beendigung der Sitzung werden vor
dem Hauptquartier der UNO
am East River die Flaggen der
Bundesrepublik und der DDR
aufgezogen. Für die DDR bedeutet der UNO-Beitritt einen
entscheidenden Erfolg in dem
Bemühen um internationale
Anerkennung.
Die beiden deutschen Delegationen auf ihren Plätzen
im Plenum des UN-Gebäudes
in New York: vorn (über ein
Papier gebeugt) Außenminister Otto Winzer (DDR), hinter
dem Gang Bundesaußenminister Walter Scheel (mit roter
Krawatte)
19. September 1973
Carl XVI. Gustav besteigt den Thron
Der Präsident Salvador
Allende (M.) einen Tag vor seinem Tod; sein »chilenischer
Weg zum Sozialismus«
scheitert.
32
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einer radikalen gesellschaftlichen Umwälzung unter strikter Wahrung aller politischen
Freiheitsrechte gescheitert. Auf
dem Höhepunkt einer schweren
gesichts des äußerst brutalen
Vorgehens distanzieren sich
große Teile der Kirche und der
Christdemokraten von den neuen Machthabern.
Im Alter von 27 Jahren wird
Carl XVI. Gustav schwedischer König. Er tritt damit die
Nachfolge seines verstorbenen
Großvaters Gustav VI. Adolf
an. Der alte Monarch war vier
Tage zuvor 90-jährig verstorben. Die Trauerfeier und die
Krönungszeremonie des jungen
Königs finden in Anwesenheit
des europäischen Hochadels
statt. Gustav VI. Adolf genoss
bei der schwedischen Bevölkerung große Popularität. Während seiner Regierungszeit trat
der König nur selten politisch
in Erscheinung. Er sah seine
Hauptaufgabe darin, das Land
zu repräsentieren. In Fachkreisen machte sich das schwedische
Staatsoberhaupt als Archäologe
einen Namen. Mit seiner zweiten Frau, Lady Louise Mountbatten, hatte der König einen
Sohn. Als dieser bei einem Flugzeugabsturz starb, stieg Enkel
Carl Gustav zum Kronprinzen
auf. Wie sein Großvater möchte
er nur wenig in die Staatsführung eingreifen.
23.9.1973: Ein Politiker, der in Argentinien
schon zu Lebzeiten ein
Mythos ist, kehrt auf die
politische Bühne zurück:
Juan Domingo Péron
gewinnt mit über 60
Prozent Zustimmung die
Präsidentschaftswahlen.
Bereits von 1946 bis 1955
hatte er dieses Amt inne.
Zur Vizepräsidentin wird
seine Frau Isabel Péron
gewählt.
33
09.10.2007 17:51:54 Uhr
1. Oktober 1973
26. Oktober 1973
6. Oktober 1973
Araber überfallen Israel
1.10.1973: Der DalaiLama, das geistliche und
weltliche Oberhaupt der
Tibeter, wird von Papst
Paul VI. in Rom empfangen. Nach dem Gespräch
erklärt der Papst, er hoffe,
dass die Begegnung
zwischen dem obersten
religiösen Führer des
buddhis­tischen Lamaismus und dem Oberhaupt
der katholischen Kirche
zur »gegenseitigen Liebe
und Achtung unter den
Anhängern verschiedener
Religionen beitragen«
werde.
Am Jom Kippur, dem sogenannten Versöhnungstag und
höchstem jüdischem Feiertag,
greifen Ägypten und Syrien
überraschend Israel an.
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Am jüdischen Feiertag Jom
Kippur (Versöhnungsfest) beginnen ägyptische und syrische
Truppen einen Überraschungs­
angriff auf Israel. Sie können
rasch große Geländegewinne
erzielen und bringen Israel an
den Rand einer militärischen
Niederlage.
Erst nach 48 Stunden setzt
die israelische Gegenoffensive,
die von Luftangriffen auf Kairo
und Damaskus begleitet wird,
ein. Während es den Israelis auf
den Golanhöhen gelingt, die syrischen Truppen zurückzudrängen, rücken die ägyptischen
Einheiten auf der Sinaihalbinsel weiter vor. Erst als israelische
Verbände einen Keil zwischen
die beiden ägyptischen Armeen
treiben und sich in deren Rücken festsetzen, kann der Vor-
marsch zum Stehen gebracht
werden. Ägypten und Syrien
erhalten von der UdSSR Waffen und Munition, auf der anderen Seite liefern die USA
über eine Luftbrücke Kriegsgerät nach Israel. Als sich die
Lage an den Fronten verfestigt,
stimmen Ägypten und Israel
einem vom UN-Sicherheitsrat
geforderten Waffenstillstand zu,
den Israel jedoch wieder bricht.
Erst als die UNO die Entsendung einer Friedenstruppe zur
Überwachung des Waffenstillstands beschließt, schweigen die
Waffen.
Die großen Anfangserfolge der
arabischen Truppen sind neben
der Ausnutzung des Überraschungsmoments auf das moderne sowjetische Kriegsgerät
zurückzuführen.
20. Oktober 1973
Einweihung der Sydney Opera
In Anwesenheit der britischen
Königin Elisabeth II. und internationaler Prominenz wird
im australischen Sydney das
muschelförmige Opernhaus
eingeweiht.
Der Bau ist von dem Dänen
Jörn Utzorn entworfen worden.
Mit seinem Dach aus »Schalen«, die sich wie weiße Segel
über der Wasserfläche des Hafens erheben, ist das Opernhaus
der herausragende Vertreter des
plastischen Stils in der Architektur. Die Bauzeit belief sich auf
14 Jahre, die Kosten auf rd. 350
Mio. DM.
Die Oper vor der spektakulären Kulisse Sydneys; das
US-Nachrichtenmagazin
»Newsweek« bezeichnet die
Sydney Opera als »eines der
schönsten und dramatischsten Bauwerke der Welt«.
2007 wird das Opernhaus
zum Welterbe erklärt.
26. Oktober 1973
Alpha-Jet wird zum Exportschlager
Der Prototyp des deutsch-französischen Erdkampf-, Übungsund Schulkampfflugzeugs »Alpha-Jet« startet in der Nähe von
Toulouse zu seinem Erstflug.
Die Regierungen Frankreichs
und der Bundesrepublik hatten
1969 einen Wettbewerb zur Entwicklung eines Mehrzweckflugzeugs ausgeschrieben. Es sollte
allwettertauglich sein, über zwei
Sitze mit hintereinanderliegenden Schleudersitzen verfügen und sowohl als Erdkampfals auch als Schulflugzeug für
Anfänger und Fortgeschrittene einsetzbar sein. Gewinner
des Wettbewerbs ist die Firma
Dornier/ Dassault-Breguet mit
dem Entwurf des »Alpha-Jet
TA-501«. Mit der Auslieferung
der ers­ten Serienmaschine soll
1977 begonnen werden. Das
Mehrzweckflugzeug erweist sich
schon bald als Exportschlager.
Insgesamt zehn Staaten, unter
ihnen Belgien, Ägypten und Nigeria, bestellen den »Alpha-Jet«,
der sich nach ersten Testflügen
als ungewöhnlich vielseitige
Maschine erweist.
Der Apha-Jet wird von
bundesdeutschen und französischen Unternehmen gebaut.
Militärexperten bezeichnen
ihn als »Mehrzweckmaschine
der Zukunft«.
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09.10.2007 17:51:58 Uhr
30. Oktober 1973
17. November 1973
30. Oktober 1973
Nixon kurz vor dem Fall
30.10.1973: Als Folge
des Erdölboykotts der
arabischen Staaten erlässt die niederländische
Regierung ein Sonntagsfahrverbot für private
Autofahrer.
31.10.1973: Die Sowjetunion startet den Erdsatelliten »Interkosmos 10«.
Er soll die elektromechanischen Beziehungen zwischen der Magnetosphäre
und der Ionosphäre
untersuchen.
Im Justizausschuss des Repräsentantenhauses beginnt das
Verfahren zur Amtsenthebung
von US-Präsident Richard M.
Nixon (Impeachment). Es ist
seit über 100 Jahren das erste
Mal, dass gegen einen Präsidenten der Vereinigten Staaten ein förmliches Verfahren
zur Entfernung aus dem Amt
wegen schwerer Verfehlungen
Gespräche in dessen Amtssitz
auf Tonband aufgezeichnet
wurden. Diese Tonbänder, deren Herausgabe Nixon zunächst
verweigerte, standen seither im
Fokus der Untersuchungen.
Am 20. Oktober 1973 startete
der zunehmend in Bedrängnis geratene Präsident einen
Gegenangriff und entließ den
Sonderstaatsanwalt für die Wa-
glanzvollen Stimmenergebnis
für eine zweite Amtszeit gewählt worden war. Die »New
York Times« schrieb: »Diese
Darbietung eines absolutistischen Herrschaftsstils hat das
Land in eine Regierungskrise
von beängstigendem Ausmaß
gestürzt.« Nach vergeblichem
Taktieren gab der Präsident die
Aufzeichnungen schließlich frei.
Sie belegten, dass Nixon entge-
gen seinen Aussagen sehr wohl
an den Vertuschungsversuchen
nach dem Einbruch im Watergate-Hotel beteiligt war.
Einer förmlichen Amtsenthebung, für die sich im Lauf des
Impeachmentverfahrens eine
klare Mehrheit abzeichnet,
kommt Nixon am 9. August
1974 durch seinen Rücktritt
zuvor. Nachfolger wird Vizepräsident Gerald R. Ford.
14.11.1973: Evelyn Jahn,
Tochter des Besitzers
der Restaurantkette
»Wienerwald«, wird
entführt. Gegen Zahlung
eines Lösegelds von drei
Millionen DM kommt sie
wieder frei.
17.11.1973: Frankreich und
Großbritannien unterzeichnen ein Abkommen
über den gemeinsamen
Bau und Betrieb eines
Tunnels unter dem Ärmelkanal.
14. November 1973
Prinzessin Anne heiratet Offizier
Empörte Bürger fordern
vor dem Weißen Haus in
Washington die Amtsenthebung von Richard Nixon.
1.11.1973: Sierra Leone,
Gabun und Kenia brechen
ihre diplomatischen
Beziehungen zu Israel ab.
Als einziges bedeutendes
afrikanisches Land unterhält jetzt nur noch die
Elfenbeinküste offizielle
Kontakte zu Israel.
6.11.1973: Nach offiziellen
Angaben sind in den
Hochwassergebieten
von Bangladesch in den
letzten beiden Monaten mindestens 4000
Menschen an der Cholera
gestorben.
8.11.1973: In Dänemark
tritt die sozialdemokratische Minderheitsregierung nach einer
Abstimmungsniederlage
im Parlament zurück.
36
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eingeleitet wird. Damit erreicht
die Watergate-Affäre um den
Einbruch in das Hauptquartier
der Demokratischen Partei am
17. Juni 1972 einen weiteren Höhepunkt.
Die Affäre hatte sich auf die
Frage zugespitzt, wann Präsident Nixon von dem Einbruch
erfahren hatte und ob er in
die bekannt gewordenen Vertuschungsversuche verwickelt
war, was er energisch bestritt.
Einen Wendepunkt brachte am
16. Juli 1973 die Aussage eines
Verwaltungsangestellten des
Weißen Hauses vor dem Untersuchungsausschuss, wonach seit
Frühjahr 1971 auf Anweisung
des Präsidenten alle wichtigen
tergate-Affäre, Archibald Cox,
der auf einer vollständigen Herausgabe der Tonbänder bestanden hatte. Die von Cox geleitete
Justizabteilung wurde aufgelöst.
Diese Willkürmaßnahme fügte
dem Ansehen des Präsidenten
weiteren Schaden zu. Aus
Protest erklärte Justizminister
Elliot Richardson seinen Rücktritt. »Es schmeckt nach Diktatur«, so der demokratische Senator Edmund A. Muskie. Die
Presse des Landes stand nun
nahezu geschlossen gegen den
Präsidenten. Nach Meinungsumfragen hatten nur noch etwa
22 Prozent der US-Amerikaner
Vertrauen zu Nixon, der erst
im November 1972 mit einem
In der Londoner Westminster
Abbey stehen Prinzessin Anne
und Hauptmann Mark Phillips
vor dem Traualtar. Zum zweiten
Mal heiratet ein Bürgerlicher
in die britische Königsfamilie
ein. Prinzessin Anne verzichtet
jedoch auf die Erhebung ihres
Ehemannes in den Adelsstand.
Diese Entscheidung bringt ihr
bei der Bevölkerung viele Sym-
pathien ein. Das traditionelle
Hochzeitszeremoniell wird von
rund 500 Mio. Menschen an
den Bildschirmen verfolgt. Weitere 45 000 Schaulustige haben
sich in den Londoner Straßen
eingefunden, um einen Blick auf
den Hochzeitszug zu erhaschen.
Das Brautpaar gibt sich in Anwesenheit von 1500 erlesenen
Gästen das Jawort.
Prinzessin Anne und Mark
Phillips im Kreise der englischen Königsfamilie
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09.10.2007 17:52:00 Uhr
17. November 1973
9. Dezember 1973
17. November 1973
Griechenland unter Kriegsrecht
Vor der Technischen Universität in Athen kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen
Polizei und Studenten.
Nach schweren Zusammenstößen von Militärangehörigen
und mehreren Tausend regierungsfeindlichen Studenten verhängt die griechische Regierung
das Kriegsrecht. Die Studenten
fordern die Rückkehr zur Demokratie. Bei der Erstürmung
der Technischen Universität in
Athen durch das Militär und
Schießereien kommen zwölf
Menschen ums Leben.
40 Tage nach Einsetzung der
ersten Zivilregierung als Nachfolgerin der rechtsgerichteten
Militärjunta herrscht in Griechenland wieder eine offene
Diktatur. Wilde Machtkämpfe
innerhalb der noch immer tonangebenden Militärs gipfeln
wenige Tage nach Niederschlagung des Studentenprotests am
25. November im Putsch des
stramm rechtsgerichteten Brigadegenerals Ioannidis gegen
einstige Weggefährten.
19. November 1973
17.11.1973: Frankreich und
Großbritannien unterzeichnen ein Abkommen
über den gemeinsamen
Bau und Betrieb eines
Ärmelkanaltunnels.
21.11.1973: Aufgrund
der Ölpreissteigerungen
erlässt der schweizerische
Bundesrat ein dreimonatiges Sonntagsfahrverbot.
24.11.1973: Ein
Gesellschaftsereignis
ersten Ranges ist die
Uraufführung von Merce
Cunninghams »Ein
Tag oder zwei« an der
Pariser Oper. Die vom
neuen Intendanten Rolf
Liebermann in Auftrag
gegebene Choreographie
ist mit einem Musikstück
von John Cage unterlegt.
Das Bühenbild schuf der
US-amerikanische Maler
Jasper Johns.
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Araber drehen Ölhahn zu
Auf Initiative von Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs
(FDP) verfügt die Bundesregierung ein auf vier Wochen befris­
tetes Fahrverbot am Sonntag.
Sie reagiert damit auf die durch
den Lieferboykott der Erdöl exportierenden Länder entstandene Energiekrise.
Die arabischen Staaten hatten
am 17. Oktober in Kuwait beschlossen, ihre Erdölausfuhren
zu mindern und die Abgabepreise zu erhöhen. Sie wollten
damit erreichen, dass sich Israel
aus den seit 1967 besetzten arabischen Gebieten zurückzieht
und die Rechte der Palästinenser anerkennt. Betroffen von den
Maßnahmen sind alle Länder,
die als Freunde Israels gelten
oder den jüdischen Staat im
Jom-Kippur-Krieg unterstützt
hatten. Während zunächst nur
eine Drosselung der Produktion um monatlich fünf Prozent
vorgesehen war, stellten Libyen
und die Vereinigten Arabischen
Emirate wenige Tage später die
Lieferungen an die USA und an
die Niederlande völlig ein.
Auch die Maßnahmen gegen
die übrigen »israelfreundlichen«
Staaten, unter ihnen Deutschland, wurden verschärft: Am
5. November senkten die arabischen Staaten ihre Öl­exporte
um 25 Prozent.
Die Bundesrepublik wird von
dem Boykott hart getroffen, da
sie 75 Prozent ihres Rohölbedarfs aus den arabischen Staaten importiert. Umgehend wird
in Bonn ein Energiesicherungsgesetz verabschiedet, das u. a.
Sofortmaßnahmen zur Einsparung von Benzin vorsieht. Neben einem Sonntagsfahrverbot
wird u. a. auch eine Begrenzung
der Höchstgeschwindigkeit beschlossen. Am 25. November
tritt in der Bundesrepublik erstmals das Sonntagsfahrverbot in
Kraft. Überall im Land sind die
Straßen Radfahrern und Fußgängern vorbehalten. Neben
der Bundesrepublik haben fünf
weitere europäische Länder ein
Sonntagsfahrverbot verhängt.
Erst Ende des Jahres zeichnet
sich eine leichte Entspannung
ab. Mehrere arabische Staaten
beschließen, die Ölproduktion
wieder um zehn Prozent anzuheben. Allerdings werden die
Abgabepreise drastisch erhöht.
Der Boykott sowie die Preiserhöhungen haben die westlichen
Industriestaaten an den Rand
einer Wirtschaftskrise gebracht.
Sie führen u. a. dazu, dass intensiv nach Möglichkeiten gesucht
wird, die Abhängigkeit von den
Erdöl exportierenden Ländern
zu reduzieren. Die Suche nach
Öllagerstätten in der Nordsee
wird intensiviert, Sparmöglichkeiten werden erforscht sowie
die umstrittene Kernenergie
gefördert.
29.11.1973: Als 100. Staat
nimmt Madagaskar diplomatische Beziehungen zur
DDR auf.
1.12.1973: Die Regierung
von Uruguay verbietet acht marxistische
Parteien, die kommunistische Zeitung »El Popular« und »Cronica« sowie
den Verband der Universitätsstudenten FEUU.
Für die Regierung, so
die Begründung, sei der
Marxismus mit den demokratischen Traditionen
des lateinamerikanischen
Staates unvereinbar.
4.12.1973: US-Präsident
Richard Nixon richtet ein
Bundesamt für Energie
ein.
5.12.1973: Ohne Gegenkandidaten wird Kenneth
Kaunda zum dritten Mal in
das Amt des Präsidenten
von Sambia gewählt.
6.12.1973: In Frankreich
lähmt ein eintägiger Generalstreik große Teile des
öffentlichen Lebens.
9.12.1973: Der britische
Premierminister Edward
Heath und die Vertreter
der beiden Teile Irlands,
Liam Thomas Cosgrave
und Brian Faulkner, einigen sich auf die Bildung
eines gesamtirischen
Rats.
Ein Segen für Fahrradfahrer,
ein Graus für Automobilisten:
leere Straßen am Fahrverbotssonntag, wie hier am Frauentorgraben in Nürnberg
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09.10.2007 17:52:03 Uhr
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