http://www.mpae.gwdg.de/˜daly/docs/mperspek.pdf MAX–PLANCK–INSTITUT FÜR AERONOMIE D–37191 Katlenburg-Lindau, Bundesrepublik Deutschland Forschungsperspektiven des Max-Planck-Instituts für Aeronomie KOLLEGIUM DES MPA E September, 1998 Inhaltsverzeichnis 1 Übersicht 2 2 Heliosphärenforschung am MPAe Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Warum Forschung vom Weltraum aus? . . . . . . . . . . . . Schwerpunkte zukünftiger Heliosphärenforschung am MPAe Zukünftige Weltraummissionen . . . . . . . . . . . . . . . . Perspektiven für das MPAe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlußbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Planetenforschung am MPAe Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursprung und Entwicklung des Sonnensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wasser im Sonnensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erforschung von organischem Material im Sonnensystem . . . . . . . . . . . . . . Erforschung der Entstehung und Entwicklung planetarer Atmosphären . . . . . . . Studium der Oberflächen, Atmosphären, Ionosphären und Magnetosphären von Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 . . . . . . . 3 3 4 5 6 7 7 8 . . . . . . 9 9 10 10 11 12 13 . 15 Forschungsperspektiven des MPAe 2 1 Übersicht Gegenwärtige Forschungsthemen: 1. Physik der Heliosphäre, Sonnenwind, Schwerpunkt Sonnenatmosphäre 2. Planeten und Kometen sowie kleine Körper im Sonnensystem, experimentelle Planetenphysik 3. Physik der Stratosphäre, Mesosphäre, Thermosphäre, polare Ionosphäre 4. Magnetosphärenforschung Neben dem traditionellen Arbeitsgebiet des Instituts, der Aeronomie der Erde, steht heute die Erforschung aller von Plasma, Gas und Staub erfüllten Gebiete des Sonnensystems im Mittelpunkt. Erforscht werden insbesondere die Sonnenatmosphäre und das interplanetare Medium, die Oberflächen, Atmosphären, Ionosphären und Magnetosphären der Planeten, deren Ringe und Monde, Kometen und Asteroiden, Strahlung und energiereiche Teilchen von der Sonne und die kosmische Strahlung. In der Atmosphäre der Erde werden gasförmige Spurenstoffe gemessen und ihre Konzentrationen, chemischen Reaktionen und Transportprozesse studiert. Die Dynamik der Hochatmosphäre wird mit Radar- und Lidartechniken untersucht. Bei der auf die Polarlichtzone konzentrierten Erforschung der Ionosphäre werden Radiowellen zur Diagnostik und aktiven Veränderung (Heizung) des Plasmas eingesetzt. Nichtlineare Wellen- und Plasmaprozesse sind hier von großem Interesse. In den Magnetosphären, im Sonnenwind und in der Umgebung von Kometen werden Teilchen und Wellen von Instrumenten auf Satelliten und Raumsonden in situ gemessen. Die Untersuchung der chemischen Zusammensetzung und räumlichen Verteilung der Teilchen und ihrer Verteilungsfunktionen im Geschwindigkeitsraum und das Studium von Transportvorgängen, Beschleunigungsprozessen, Turbulenz und Plasmainstabilitäten stehen dabei im Vordergrund. Gas und Staub bei Kometen und im interplanetaren Medium werden mit Hilfe von in-situ-Detektoren gemessen und von CCD-Kameras auf Raumsonden und an Teleskopen auf der Erde beobachtet. Die Korona der Sonne wird mit optischen Instrumenten im gesamten Spektralbereich vom sichtbaren bis zum weichen Röntgenlicht vom Weltraum aus beobachtet, und ihre Plasmaeigenschaften werden mit spektroskopischen Methoden diagnostiziert. Bei der überwiegend experimentell ausgerichteten Arbeitsweise des Instituts stehen Entwicklung und Bau von Instrumenten und Gewinnung und Auswertung von Meßdaten im Vordergrund. Diese Aktivitäten werden jedoch intensiv von theoretischen Arbeiten und der Bildung von physikalischen Modellen begleitet. In der Zukunft wird sich das Institut auf zwei Forschungsthemen konzentrieren: 1. Heliosphärenforschung 2. Planetenforschung Forschungsperspektiven des MPAe 2 3 Heliosphärenforschung am MPAe Übersicht Die Sonne mit ihrer weit ausgedehnten Atmosphäre, der Heliosphäre stellt uns vor eine Reihe von ungelösten Fragen von grundsätzlichem wissenschaftlichen Interesse: • Wie wird die Korona geheizt? • Welches sind die Quellen des Sonnenwindes? • Was sind die Ursachen für explosive Vorgänge in der Korona? • Wie kommt es zur Beschleunigung von Teilchen auf höchste Energien? • Wie durchdringt das interstellare Gas die Heliosphäre? • Wie groß ist die Heliosphäre? • Wie entstehen und vergehen Staubteilchen im Sonnensystem? Diese Themen erfordern Beobachtungen vom Weltraum aus, d.h. Methoden der extraterrestrischen Forschung. Unsere Arbeitsbereiche im einzelnen: • EUV-Spektroskopie der Sonnenatmosphäre • Beobachtung der Sonnenkorona über dem Sonnenrand • Bestimmung der Komposition des Sonnenwindes und anderer Eigenschaften • Messung energiereicher Teilchen im Sonnensystem • Analyse interstellaren Neutralgases • Studien der Dynamik kleinster Teilchen im Sonnensystem Einige konkret geplante Weltraummissionen: • Triana (NASA), Start 2000, Vorschläge bis 24.8.1998 gefordert • Stereo (NASA), Start ca. 2003, • Space Solar Telescope (China), ca. 2002 • Solar Orbiter (ESA/RSA), ca. 2007 • Solar Probe (NASA), ca. 2007 Extraterrestrische Forschung ist Grundlagenforschung. Sie steht auch mit an vorderster Front der Technologieentwicklung und darf deshalb nicht vernachlässigt werden. Forschungsperspektiven des MPAe 4 Motivation Im Zentrum unseres Planetensystems befindet sich ein Hauptreihenstern der Spektralklasse G2 mit eher durchschnittlichen Eigenschaften: Die Sonne. Was sie unter den Millionen ähnlicher Sterne unserer Galaxie auszeichnet, ist nur dies: mit schier unerschöpflicher Energie beleuchtet und wärmt sie ihre Planeten und macht so Leben auf unserer Erde möglich. Die Menschheit hat die Sonne schon seit jeher mit besonderer Verehrung betrachtet, und zugleich mit wissenschaftlicher Neugier. Diese wurde auch durch die ebenso seltenen wie spektakulären Sonnenfinsternisse angefacht, wenn der Mond die helleuchtende Scheibe der Sonne abdeckt und so den Blick auf ihre weit ausgedehnte Atmosphäre, die Korona, freigibt. Für wenige Augenblicke zeigt sich eine ungeahnte Pracht von Strahlen und Bögen, Formen und Farben, die uns mit ihrer Vielfalt erahnen lassen, welch bedeutende wissenschaftlicher Schätze hier zu heben sind. Inzwischen wissen wir, daß sich alle diese Strukturen noch weit nach außen fortsetzen: denn aus der Millionen Grad heißen Korona entweicht ständig hochionisiertes Gas in den interplanetaren Raum, der Sonnenwind. Er trifft auch die Planeten bzw. deren Atmosphären und wirkt auf sie ein. Sein Einflußgebiet ist es, was wir Heliosphäre nennen. Sie endet vermutlich erst jenseits von 100 AU, wo sie dem Druck des anströmenden interstellaren Gases nicht mehr standhalten kann. Diese Erkenntnisse sind erst in den letzten paar Jahrzehnten durch die moderne Weltraumtechnik möglich geworden. Mit jeder der großen Weltraummissionen wurden bahnbrechende Entdeckungen gerade im Bereich Sonne-Heliosphäre gemacht: Mariner 2, Skylab, Pioneer, Helios, Voyager, Solar Maximum Mission, Ulysses und zuletzt SOHO (Bei vielen waren übrigens auch Wissenschaftler aus dem Max-Planck-Institut für Aeronomie maßgeblich beteiligt). Und doch sind einige der wichtigsten Fragen weiterhin unbeantwortet: 1. Wie wird die Korona geheizt? Wie kann Wärme von der kalten“ Sonnenoberfläche ” (6000 K) in die Korona (1, 5 × 106 K) gelangen? Gibt es evtl. verschiedenartige Mechanismen nebeneinander? Was tun Wellen dabei? Welche Rolle spielen kleinskalige transiente Vorgänge (Mikroflares, Jets, etc.)? 2. Warum ist die Korona so auffällig strukturiert, ganz im Gegensatz zu der gleichförmig leuchtenden Photosphäre? Koronalöcher, polar plumes, X-ray bright points, helmet streamers, Protuberanzen, dazu noch Sonnenflecken und aktive Gebiete — alles wird beherrscht vom solaren Magnetfeld und damit dem Dynamo im Sonneninneren. Aber wie? Warum die dramatischen Veränderungen mit dem Aktivitätszyklus der Sonne? 3. Wie wird der Sonnenwind beschleunigt, und wo sind seine Quellen? Warum gibt es ganz offensichtlich verschiedenartige Typen von Sonnenwind, voneinander scharf getrennt? Wie kann der langsame“ Sonnenwind aus den Gebieten mit geschlossenen Magnetfeld” topologien entweichen? Was macht den schnellen“ Sonnenwind so schnell? ” 4. Was führt zu koronalen Massenauswürfen (CMEs) und Flares? Wie hängen sie zusammen? Was ist die Rolle von magnetischer Rekonnektion dabei? Ursachen und Wirkun- Forschungsperspektiven des MPAe 5 gen? Woran ist schon vorher zu erkennen, wann und wo ein solches Ereignis eintreten wird? 5. Wie entstehen Stoßwellen im Gefolge von CMEs und Flares, und wie breiten sie sich im interplanetaren Raum aus? Läßt sich ihr Eintreffen bei der Erde vorherbestimmen? Wie beeinflußen sie die von außen eindringende galaktische kosmische Strahlung? 6. Wo und wie werden durch Flares und an koronalen bzw. interplanetaren Stoßwellen Teilchen auf manchmal extreme Energien beschleunigt? Wie breiten sie sich aus? Wie lassen sich solche Ereignisse vorhersagen, die für Mensch und Material im Weltraum durchaus gefährlich werden können? 7. Warum sind die Elementhäufigkeiten im Sonnenwind zum Teil so grundverschieden von denen der Sonne und dem übrigen Sonnensystem? 8. Welche Prozesse wirken auf die Verteilungsfunktionen der Teilchengeschwindigkeiten ein? Wie entstehen die extremen Temperaturunterschiede verschiedener Ionensorten in Sonnennähe? 9. Was sind die Eigenschaften des interstellaren Gases? Wie groß ist die Heliosphäre? 10. Wie sind sie Häufigkeitsverteilungen und die Dynamik von Staubpartikeln im Sonnensystem? Bei Annäherung an die Sonne: wo verdampfen sie? Hinter jedem dieser Punkte verbergen sich eine ganze Reihe von Detailfragen. Ihre Beantwortung beschäftigt eine internationale Gemeinde von Wissenschaftlern in Forschungsinstituten rund um den Globus. Angefacht durch viele neuartige Entdeckungen ist dieses ganze Forschungsgebiet in den letzten Jahren regelrecht aufgeblüht — ein lebendiges Beispiel für echte Grundlagenforschung. Deutschland und insbesondere die Max-Planck-Gesellschaft sind dabei durch das MPAe in Lindau an führender Stelle vertreten. Warum Forschung vom Weltraum aus? Anders als in der klassischen Astronomie sind die für diese Forschungsarbeiten erforderlichen Beobachtungen von der Erde aus nur in Ausnahmefällen möglich: 1. Die Atmosphäre absorbiert alle Strahlung im kurzwelligen Teil des Spektrums. Dies ist für alles Leben auf der Erde zwar ein Glücksfall. Aber es zwingt uns auch, die besonders aufschlußreichen Photonen des solaren UV-, Röntgen- und Gammaspektrums vom Weltraum aus zu analysieren. 2. Die Erdatmosphäre erzeugt Streulicht, das die schwachleuchtende Korona (außer bei Finsternissen) bei weitem überdeckt. Deshalb setzt man Koronagraphen auf Erdsatelliten ein, bei denen mit einer Abdeckscheibe als künstlichem Mond eine Finsternis simuliert wird. Forschungsperspektiven des MPAe 6 3. Ständige Luftunruhe der Atmosphäre begrenzt die gewünschte räumliche Auflösung von optischen Teleskopen auf der Erde. 4. Das Magnetfeld der Erde lenkt die geladenen Teilchen des Sonnenwindes und auch der kosmischen Strahlung ab bzw. um ihre Magnetosphäre herum. Nur über den Polen können sie u.U. tiefer eindringen. Die Eigenschaften dieser Teilchen kann man nur von Satelliten oder Raumsonden aus bestimmen. 5. Das unser Sonnensystem durchströmende interstellare Neutralgas läßt sich allenfalls außerhalb der Erdatmosphäre analysieren. 6. Ähnliches gilt für die kleinsten Körper unseres Sonnensystems, die mikroskopisch kleinen Staubteilchen, erzeugt von Kometen oder durch Kollisionen von größeren Partikeln etc., die man gelegentlich als Meteoriten in der Atmosphäre verglühen sieht. Diese Gründe zwingen uns dazu, die nötigen Beobachtungen vom Weltraum aus zu machen, d.h. Methoden der extraterrestrischen Forschung anzuwenden. Schwerpunkte zukünftiger Heliosphärenforschung am MPAe Um die oben aufgeführten Probleme ihrer Lösung näher zu bringen, werden im internationalen Wettstreit große Anstrengungen unternommen. Das gilt vor allem für die Schaffung und Verbesserung von Beobachtungsmöglichkeiten sowie für die Aufarbeitung der Meßdaten anhand theoretischer Modelle und Computersimulationen, aber nicht zuletzt auch für die geschickte Darstellung der Arbeiten für die zunehmend interessierte Öffentlichkeit. Gerade die kürzlich unterbrochene SOHO-Mission hat deutliche Zeichen für die Zukunft gesetzt. Hier nur die wichtigsten Schwerpunkte, die auch für die Beteiligung durch Institute der MPG von Bedeutung werden: 1. Wir erkennen immer besser, daß wesentliche Vorgänge in der Sonnenatmosphäre sich auf allerkleinsten Skalen abspielen. Neue Teleskope sollten Strukturen von deutlich unter 100 km Größe (d.h. 0,1 arcsec) auflösen können. Das erfordert entweder größere Teleskope (wegen der beugungsbegrenzten räumlichen Auflösung), oder Beobachtungen aus sehr viel geringerem Sonnenabstand. Beide Optionen erfordern eine neue Generation von Teleskopen und Raumsonden, mit extremer Stabilität, optischer Qualität, und auch mit erheblich vergrößerten Datenraten. Welcher Weg hier eingeschlagen werden kann, ist noch unklar. 2. Die Bedeutung der dritten Dimension für das Verständnis der Heliosphäre wird immer klarer, sowohl für kleinskalige Strukturen nahe der Sonne als auch für die großräumige Vorgänge im gesamten interplanetaren Raum. Deshalb wird der Ruf nach stereoskopischen Beobachtungen, d.h. von mehreren Raumsonden an verschieden Stellen aus, zunehmend lauter. Hier spielt auch die wachsende Begeisterung für Space Weather, bzw. dessen Vorhersagbarkeit eine entscheidende Rolle. Forschungsperspektiven des MPAe 7 3. Die Helios-Sonnensonden sind bis auf 0,3 AU an die Sonne herangekommen und haben u.a. gezeigt, daß dies noch bei weitem nicht nah genug ist, um manche entscheidenden Phänomene im Sonnenwind aufzuklären. Eine neue echte“ Sonnensonde, die sich bis ” auf 4 Sonnenradien Abstand an die Sonne heranwagt, wird seit vielen Jahren herbeigesehnt, wurde aber bisher immer wieder in die Zukunft verlegt. Neuere Studien zeigen, daß die technischen Möglichkeiten inzwischen ausreichen sollten. NASA plant in der Tat eine solche Mission für 2007. Zukünftige Weltraummissionen Konkret sind in der Planung folgende Projekte, an denen Mitwirkung des MPAe möglich ist: 1. TRIANA, eine Erdbeobachtungsstation der NASA, die auch ein paar Sonneninstrumente aufnehmen soll, als Ausgleich für das verlorengegangene SOHO. Start 2000. 2. STEREO, eine NASA-Mission mit mindestens 2 Raumsonden, die sich langsam von der Erde nach beiden Seiten entfernen und damit eine Stereobasis für die Sonnenbeobachtung bilden. Insbesondere soll die Ausbreitung von CMEs in Richtung Erde verfolgt werden, um präzise Vorhersagen des Weltraumwetters zu ermöglichen. Start 2003. 3. SST, das Space Solar Telescope, von China als bilaterales Projekt mit Deutschland vorgeschlagen. China will einen großen Satelliten um ein 1m Teleskop (Vektormagnetograph) herum bauen und hat uns, d.h. speziell uns am MPAe, angeboten, Instrumente des MPAe mitfliegen zu lassen. Start ursprünglich 2001 geplant. Doch dafür fehlen z.Z. in Deutschland die nötigen Mittel. 4. Solar Orbiter (auch Interhelios“), ein mögliche Mission von ESA und RSA, ist eine ” Raumsonde, die durch mehrere Vorbeiflüge an Erde, Venus und Merkur ins Innere des Sonnensytems bis auf 30 RS (d.h. 0,15 AU) Sonnenabstand gelangt. Start evtl. 2007 als F2-Mission der ESA. 5. Solar Probe, ein von NASA langfristig geplantes Projekt. Die Sonde soll bis auf 4 RS an die Sonne herankommen und dabei in-situ Messungen und optische Beobachtungen machen. Start 2007. Perspektiven für das MPAe Das MPAe nimmt im Bereich der Heliosphärenforschung einen Spitzenplatz ein, in Deutschland und international. Das ist sicher dem Umstand zu verdanken, daß hier neben der eigentlichen wissenschaftlichen Arbeit auch immer Technologieentwicklung auf höchstem Niveau getrieben und eine gesunde Infrastruktur aufgebaut wurde. Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker, Handwerker, Computerspezialisten und andere arbeiten Hand in Hand und zaubern Meßinstrumente hervor, die ganz neue, oft ungeahnte Beobachtungsmöglichkeiten eröffnen. Dabei Forschungsperspektiven des MPAe 8 wurde ein gewaltiger Schatz an Erfahrungen und Fähigkeiten angehäuft, der auch in der Zukunft von Nutzen sein wird. Es läßt sich recht gut absehen, welches die Bereiche sind, in denen wir deshalb besonders gute Erfolgsaussichten haben: 1. UV-Spektrokopie. Das SUMER-Instrument auf SOHO, die bisher aufwendigste Entwicklung des MPAe, hat außerordentlich wertvolle Daten geliefert. Die Möglichkeiten dieses vielseitigen Instruments konnten in der vergleichsweise kurzen Lebenszeit von SOHO bei weitem nicht ausgeschöpft werden. Eine Fortsetzung bietet sich deshalb an. Das noch intakte Protototyp-Modell von SUMER kann mit relativ wenig Aufwand in ein missionstaugliches Instrument umgerüstet und auf einer der nächsten Missionen eingesetzt werden. 2. Koronagraphie. Der am MPAe erfundene und entwickelte LASCO-C1 Koronagraph hat Bilder der Korona von nie gekannter Qualität geliefert. Die wertvollen Ersatzteile davon wurden zu einem Beinahe-Duplikat von C1 zusammengesetzt. Es arbeitet z.Z sehr erfolgreich als Bodenteleskop in den argentinischen Anden, wenn auch mit eingeschränkten Möglichkeiten. Für eine neue Weltraummission wie z.B. den Solar Orbiter muß eine Umentwicklung dieses Instrumenttyps erfolgen Die mit LASCO gewonnenen Erfahrungen verschaffen dem MPAe eine ausgezeichnete Startposition dafür. Bei TRIANA und später STEREO wird es zwar kein C1 geben. Wegen der guten Zusammenarbeit bei LASCO mit der Gruppe in USA hat diese uns aber eingeladen, für ihre Instrumente wieder unsere bewährten Mechanismen beizustellen und an der wissenschaftlichen Auswertung mitzuwirken. Insbesondere die aktive Mitwirkung am Thema Weltraumwetter ist dabei von besonderem Reiz. 3. Sonnenwinddetektoren haben am MPAe eine besonders lange Tradition. Einige der weltbesten Instrumente wurden hier erfunden und erfolgreich eingesetzt, wodurch viele wissenschaftliche Entdeckungen gelangen. Zuletzt hat der CTOF-Sensor des CELIAS-Instruments auf SOHO mit einigen Neuentdeckungen Aufsehen erregt. Seine Möglichkeiten waren noch längst nicht erschöpft. Mit Weiterentwicklungen für die Missionen Stereo und Solar Orbiter wird das MPAe gut im Rennen liegen. Auch zur Messung von energiereichen Teilchen, interstellaren Neutralgas und interplanetaren Staubteilchen gibt es einige vielversprechende Konzepte, die weit über das bisher Erreichte hinausgehen und die aussichtsreiche Kandidaten für die nächsten Missionen sind. Schlußbemerkungen Ehrgeizige Vorhaben setzen stets neue Maßstäbe. Die Planungen für Weltraummissionen und ihre Durchführung dauern oft viele Jahre. Viel Einsicht in die wissenschaftlichen Zielsetzungen und auch der technischen sowie politischen Durchführbarkeit wird dabei gefordert. Denn Weltraumforschung ist teuer und deshalb nur in globaler internationaler Zusammenarbeit und guter Wechselwirkung mit den Weltraumagenturen möglich. Gerade hier ist der Schirm einer so Forschungsperspektiven des MPAe 9 großen hochangesehenen Einrichtung wie der MPG wichtig. Wissenschaftler aus Max-PlanckInstituten und gerade auch aus dem MPAe werden immer wieder in die Beratungsgremien von ESA, NASA und der RSA eingeladen, ein deutliches Zeichen der Wertschätzung und der internationalen Bedeutung, die sich die Fachleute des MPAe erkämpft haben. Es wird oft übersehen, wie langfristig gute Weltraummissionen die Geschicke ganzer Institute aber auch einzelner Wissenschaftler bestimmen. Die berühmten Helios-Sonnensonden zum Beispiel — konzipiert 1966, gestartet 1974 und 1976, in Funktion bis 1986 — lieferten so reichhaltige Daten, daß daran auch heute noch Wissenschaftler erfolgreich arbeiten. Ähnliches wird auch für SOHO gelten, soviel kann man heute schon erkennen. Die Arbeit an schon gewonnenen Daten ist als durchaus wichtige Perspektive für eine erfolgreiche Zukunft in einem Institut wie dem MPAe anzusehen. Das gilt auch für die Entwicklung theoretischer Modelle zur Erklärung der Beobachtungen. Dafür ließen sich eine Reihe von Themen aufführen. In unserem Gebiet konkret würden wir uns gerne auf dem Gebiet der Datenauswertung, Theorie, Modellierung, Simulation und Darstellung verstärken. 3 Planetenforschung am MPAe Motivation Die Erforschung unseres Sonnensystems gilt als Herausforderung für das 21. Jahrhundert. Durch die Erforschung von Planeten, ihrer näheren Umgebung (Atmosphären, Ionosphären, Magnetosphären), ihrer Monde und anderer Körper (z.B. Kometen, Asteroiden, . . . ) können wir die Prozesse untersuchen, die letztlich auch zur Entstehung unserer Erde geführt haben. Das MPAe steht in der Weltraumforschung mit an der Weltspitze. Wichtige Fragen, die in der Planetenforschung am MPAe untersucht werden sind: • Welche Erkenntnisse über die Entstehung unseres Sonnensystems gewinnen wir durch die Untersuchung von Planeten, Monden, Kometen, . . . ? • Wie ist die Zusammensetzung dieser Körper? • Wie haben sie sich über Jahrmillionen entwickelt und verändert? • Wie haben sich Atmosphären, Ionosphären und Magnetosphären von Planeten und anderen Körpern in unserem Sonnensystem entwickelt und verändert? • Wie setzen sich diese zusammen und wie variabel sind sie? • Wie unterscheiden sie sich und warum? • Warum gibt es Wasser und organisches Material auf der Erde? • Wie ist der Zusammenhang zu anderen Körpern in unserem Sonnensystem? Forschungsperspektiven des MPAe 10 • Wie ist das Leben entstanden und warum entstand es nicht auf z.B. Mars? Zielsetzungen 1. Ursprung und Entstehung unseres Sonnensystems 2. Wasser im Sonnensystem 3. Erforschung von organischem Material im Sonnensystem 4. Erforschung der Entstehung und Entwicklung planetarer Atmosphären 5. Studium der Oberflächen, Atmosphären und Magnetosphären von Planeten und anderen Körpern im Sonnensystem Ursprung und Entwicklung des Sonnensystems Die Möglichkeit mit modernen astronomischen Instrumenten die Planetenbildung um andere Sterne direkt zu beobachten hat zu einer Belebung dieses Forschungszweiges geführt und zu einem regen Austausch mit der Planetenforschung in unserem eigenen Sonnensystem. Kometen gelten als Bausteine des frühen Planetensystems und sind die primitivsten (ursprünglichsten) Zeugen der Entstehung unseres Sonnensystems aus einer interstellaren Molekülwolke. Die heute beobachteten Kometen sind in den äußeren Teilen des Planetensystems entstanden. Sie sind weder durch die zentrale Ursonne noch durch den Koagulationsprozess aufgeheizt worden. Daher ähnelt ihre Zusammensetzung derjenigen von Staub- und Eisteilchen des damaligen interstellaren Mediums. Moderne Simulationsrechnungen zeigen, daß die Planeten (vor allem der massenreichste Jupiter) in sehr kurzer Zeit entstanden sind. Die großen Planeten haben dann das Planetensystem leergefegt und zu einem intensiven Bombardement der inneren Planeten mit der großen Anzahl von Kometen geführt. Inwieweit die Atmosphären von Venus, Erde und Mars durch dieses Bombardement beeinflußt wurden, ist heute eine zentrale Frage der Planetenforschung. Die Erforschung der Kometen, ihrer physikalischen Eigenschaften und chemischen Zusammensetzung, werden daher als Schlüssel zur Entwicklungsgeschichte unseres Planetensystems angesehen. Eine am MPAe entwickelte und gebaute Kamera hat 1986 die ersten (und bisher einzigen) Bilder eines Kometenkerns (Komet Halley) aufgenommen und damit das Tor zur europäischen Planetenforschung aufgestoßen. Dieser Erfolg soll mit der Rosetta-Mission zum Kometen Wirtanen im Rahmen der European Space Agency (ESA) fortgesetzt werden. Die Raumsonde soll im Jahre 2003 gestartet werden und die Erforschung des Kometenkerns im Jahre 2013 abschließen. Das MPAe ist maßgeblich an mehreren wichtigen Instrumenten der Raumsonde und eines Landegeräts beteiligt. Die Forschung mittels Instrumenten auf Raummissionen ist eingebettet in Beobachtungsprogramme mit bodengebundenen und Satellitenteleskopen. Diese liefern wichtige Parameter für die Modellierungen der Kometen und ihrer Rolle bei der Entstehung des Planetensystems. Forschungsperspektiven des MPAe 11 Labormessungen und unterstützende theoretische Überlegungen konzentrieren sich auf die Frage, wie die Kometen selbst durch Koagulation der winzigen interstellaren Staubteilchen im Urnebel entstanden sind. Realistische Messungen im schwerelosen Raum (Raketen, Space Shuttle) sollen klären unter welchen Bedingungen und wie schnell die Teilchen anwachsen, wie ihre physikalischen Eigenschaften sind (CODAG). Die großen Planeten Jupiter und Saturn sind selbst von einer Vielzahl von Monden unterschiedlichster physikalischer Natur umgeben, nicht unähnlich dem Planetensystem selbst. Während das Jupitersystem seit vielen Jahren das Ziel intensiver Forschung ist, verschiebt sich das Interesse nach dem Start der Cassini/Huygens Mission zum Saturnsystem. Der Mond Titan zeigt als einziger eine dichte Atmosphäre, deren Ursprung noch weitgehend unklar ist, insbesondere da einige ihrer Isotopenverhältnisse nicht mit denen des Saturn übereinstimmen. Die am MPAe gebauten Wasserstoff/Deuteriumzellen sind speziell für diesen Fragenkomplex konzipiert worden. Die Messungen der Instrumente auf Cassini und die Landung der Huygens-Sonde auf dem Titan (das MPAe ist an der Kamera beteiligt) werden zu den Höhepunkten der Planetenforschung im ersten Jahrzehnt des nächsten Jahrtausend zählen. Die kürzliche Entdeckung einer Vielzahl von relativ großen Körpern jenseits der äußeren Planeten Neptun und Pluto deutet auf ein weiteres Reservoir von Kometen hin. Ist der letzte Planet Pluto ein großes Mitglied dieser Kuiper-Gürtel Objekte und damit ein extremes Exemplar der Größenverteilung von kometaren Körpern? Pluto und auch andere Objekte sind so groß, daß sie im Inneren differenziert sein müssen auf Grund der freigesetzen Gravitationsenergie. Diese brennenden Fragen sollen durch entsprechende Missionen wie z. B. Pluto Express in wenigen Jahren geklärt werden. Wasser im Sonnensystem Unser irdisches Leben ist eng mit den spezifischen Eigenschaften des Wassermoleküls verbunden. Wasser ist eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung und das Fortbestehen von Leben. Wasser in Eisform ist eins der am häufigstens erscheinenden Moleküle im interstellaren Raum. Es ist der wichtigste flüchtige Bestandteil von Kometen, die sich durch Koagulation der interstellaren Teilchen planetaren Urnebel gebildet haben. Im inneren Sonnensystem waren die Temperaturen anfänglich so hoch, daß alles Wasser verdampft ist. Das Wasser der Ozeane muß nach der Abkühlung der Erdoberfläche aus der Erdkruste durch vulkanische Tätigkeit ausgetreten sein. Damit zusammen ist die Erdatmosphäre entstanden. Wir wissen heute, daß es in der Frühgeschichte des Planeten Mars ebenfalls flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche gegeben hat. Wann, warum und wohin ist es verschwunden? Wie unterscheidet sich die Entwicklung des Mars von derjenigen der Erde oder gar der Venus, wo die sehr dichte und heiße Atmosphäre praktisch kein Wasser enthält? Welchen Anteil haben die wasserreichen Kometen durch ihr frühes Bombardement an den Atmosphären der inneren Planeten? Haben sie nicht nur Wasser sondern auch präbiotische (organische) Moleküle als Saat des Lebens gebracht? Auch viele Monde der großen Planeten bestehen überwiegend aus Wassereis. Beobachtungen der Raumsonde Galileo legen nahe, daß Forschungsperspektiven des MPAe 12 es auf dem Jupitermond Europa flüssiges Wasser unter einer Eisschicht gibt. Gezeitenreibung hält es warm genug. Konnte sich hier ähnlich wie in der Tiefsee Leben in primitivster Form bilden? Wasser ist sicherlich eine zentrale Voraussetzung für das Leben, welche weiteren Umstände müssen hinzukommen? Die Häufigkeit von Wasser im Universum legt den Schluß nahe, daß es auch noch an anderen Stelle, in anderen Planetensystemen Leben gibt. Erforschung von organischem Material im Sonnensystem Organische Moleküle stellen die Grundsubstanz des Lebens auf der Erde dar. Aber was war der Ursprung dieses organischen Materials und warum kommt es so häufig auf der Erde vor, aber nicht z.B. auf dem Mars? Ist das organische Material auf der Erde endogenen Ursprungs oder wurde es durch externe (exogene) Prozesse hierher gebracht? Es gibt verschiedene Wege, diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Aus vorangegangenen Studien (wie z.B. dem PICCAExperiment auf Giotto) wissen wir bereits, daß Kometen reich an Kohlenwasserstoffen sind und daß Objekte im äußeren Sonnensystem die charakteristische rote Farbe kohlenstoffreichen Materials haben. Kometen könnten für den Transport organischen Materials in das innere Sonnensystem verantwortlich gewesen sein. Dies kann jedoch nicht die Abwesenheit organischer Substanzen auf dem Mars erklären. Wir wissen weiterhin, daß der größte Satellit Saturns, Titan, eine optisch dicke Atmosphäre hat, die reich an Stickstoff und organischen Molekülen ist. Man nimmt an, daß sie der frühen Erdatmosphäre ähnelt. Aber im Gegensatz zur Erdatmosphäre entwickelte sich die Atmosphäre Titans auf Grund geringerer Sonneneinstrahlung und daraus resultierender niedrigerer Temperaturen nicht weiter. Ist das organische Material der Kometen oder Titans verwandt mit dem Material auf der Erde? Gibt es Implikationen für die vorangegangene und zukünftige Entwicklung der Erdatmosphäre? Mittelfristig ist das MPAe an mehreren Experimenten beteiligt, die organisches Material im Sonnensystem untersuchen. Das Descent Imager/Spectral Radiometer (DISR) auf der HuygensSonde wird auf der Oberfläche von Titan die ersten Beobachtungen im optischen Wellenlängenbereich machen und sichtbare sowie Infrarotspektren der Oberfläche und organischer Aerosole während des Abstiegs durch die Atmosphäre erhalten. Mit Hilfe einer Kamera auf der RosettaRaumsonde sowie auf der RoLand-Sonde soll die Verteilung dunklen, möglicherweise organischen Materials auf einem Kometenkern bestimmt werden; mit einem Gaschromatographen soll eine Analyse der Oberflächenzusammensetzung durchgeführt werden. Die weiterlaufenden Forschungen auf dem Mars mit Mikroskopen und Kameras könnten uns zusätzlich helfen festzustellen, ob organisches Material jemals Teil der Marsoberfläche gewesen ist. Nach Entstehung der Erde führten das Vorkommen flüssigen Wassers sowie organischer Moleküle in Kombination mit dem von einer Atmosphäre und einer Magnetosphäre gebotenen Schutz vor Strahlung zur Entstehung von Leben. Daraus ergeben sich mehrere wichtige Fragen: • Wie häufig treten ähnliche Bedingungen in anderen Sonnensystemen auf? Forschungsperspektiven des MPAe 13 • Wie empfindlich reagieren die Prozesse der Lebensentstehung auf die Bedingungen auf einem erdgleichen Planeten? • Kann Leben auf einem grundsätzlich anderen Weg als auf der Erde entstehen? Forschungen innerhalb unseres eigenen Sonnensystems könnten entscheidende Hinweise auf diese und ähnliche Fragen geben. Insbesondere wird die Suche nach Anhaltspunkten für vergangenes Leben auf dem Mars wichtige Informationen liefern. Die Marsoberfläche ist von Tälern durchzogen, die von fließendem Wasser vor bis zu 3,5 Milliarden Jahren geformt wurden. Auf dem Mars muß es demnach wärmer und feuchter gewesen sein. In der Tat könnten die Verhältnisse denen auf der heutigen Erde geähnelt haben. Hat sich in der Folge auch Leben entwickelt? Fossilisierte Bakterien könnten noch in Schichten unter der Oberfläche und in Sedimenten zu finden sein. Auf der Erde sind fossile Bakterien unterschiedlicher Größe sogar in Basalt zu finden. Auch falls sich kein Leben entwickelt hat, stellt sich die Frage nach dem Warum. Welche Prozesse haben die Entstehung von Leben auf dem Mars verhindert? Im Jahr 2001 wird ein vom MPAe geliefertes Mikroskop auf einer Landemission zum Mars fliegen. Dieses Instrument wird erstmals Bilder mit ausreichend hoher Auflösung zur Entdeckung fossiler Bakterien liefern. Innerhalb der nächsten acht Jahre wird mindestens eine Marsmission ein speziell entwickeltes Experimentpaket zur Suche nach vorhandenem Leben enthalten. Mittelfristig wird es auch Vorbereitungen für eine Mission geben, die Marsproben zurück auf die Erde bringt. Das MPAe beteiligt sich aktiv an der Planung dieser Missionen und wird Instrumente zur Verfügung stellen, die die Auswahl der Proben für eine Analyse und/oder die Rückführung auf die Erde unterstützen. Erforschung der Entstehung und Entwicklung planetarer Atmosphären Die Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten in Chemie, Dynamik und Zirkulation verschiedener Planetenatmosphären bilden eine Grundlage für das Verständnis der Erdatmosphäre. Die globale Zirkulation der Mars- und Erdatmosphäre sind z.B. sehr ähnlich, so daß numerische Methoden und Datenassimilationstechniken, die im Rahmen der Erforschung der Erdatmosphäre entwickelt wurden auch auf den Mars angewendet werden können. Die Unterschiede in beiden Atmosphären ermöglichen einen direkten Test für die auf die Erdatmosphäre angewandten Klimaparametrisierungen. Die Venusatmosphäre unterscheidet sich sowohl in Struktur, Zusammensetzung, solarem Energieeintrag und Rotationsstatus von der Erdatmosphäre. Auch die globale Zirkulation und Dynamik der Venusatmosphäre weisen nur geringe Ähnlichkeiten auf, und ein detailliertes Verständnis steht noch aus. Messungen zeigen, daß die zonalen Massentransporte in den Atmosphären der vier Riesenplaneten bis zu mehreren hundert Metern pro Sekunde betragen. Es gibt weder eine schlüssige Theorie über ihre Entstehung noch über ihre Höhenverteilung, bzw. Verhalten als Funktion der geographischen Breite. Forschungsperspektiven des MPAe 14 Unter den Bedingungen, die in den Atmosphären der Riesenplaneten vorherrschen, kann es unter Freisetzung, bzw. Absorption von latenter Wärme zur Umwandlung von Para-in Orthowasserstoff, bzw. umgekehrt kommen. Die Bestimmung der relativen Häufigkeiten beider Spezies sind die Voraussetzung zum besseren Verständnis des Konversionsprozesses und seiner Auswirkungen auf die Erzeugung von großskaligen Massetransporten und Temperaturfeldern, die in den Atmosphären der Riesenplaneten beobachtet werden. Die Messung von deren Struktur in niedrigeren atmosphärischen Schichten geben Auskunft darüber, wie tief die beobachteten Strukturen in der Atmosphäre verwurzelt sind. Es gibt zwei Modelle, die das Phasendiagramm von Wasserstoff unter hohen Drücken beschreiben, von denen das eine den sogenannten Plasmaphasenübergang, d.h. eine fundamentale Änderung der Wasserstoffstruktur postuliert. Wenn dieser Phasenübergang tatsächlich existiert, müßte er zu einer grundlegenden Modifikation der Häufigkeiten anderer Moleküle in der dichten Wasserstoffatmosphäre kommen. Die Messung der Zusammensetzung der tiefen Atmosphären der Riesenplaneten kann wesentlich zum Verständnis dieses wichtigen physikochemischen Problems beitragen. Die Messung von Wasser in den oberen Atmosphären der vier Riesenplaneten durch ISO/SWS hat zum ersten Mal die Existenz einer äußeren Quelle von Sauerstoff nachgewiesen, jedoch konnte die Quelle von Wasser nicht eindeutig identifiziert werden, da hier sowohl interplanetarer Staub als auch Materie aus den Ring-bzw. Satellitensystemen in Frage kommen. Die Identifikation der Quelle ist der Schlüssel zum Verständnis der planetaren Ringdynamik, des Transportes in die Magnetosphären und des Staubeintrages entfernter Objekte (Kometen, Kuiper Gürtel etc.). Messungen der vertikalen und latitudinalen Wasserdampfverteilung mit Mikrowellenspektrometern können Auskunft über den Ursprung des Wassers geben, da die beiden in Frage kommenden Quellen zu unterschiedlichen Verteilungen führen. Diese Messungen erlauben auch die Detektion anderer wichtiger Spurengase in den Atmosphären der äußeren Planeten, speziell NH3 und PH3 (Jupiter und Saturn) und CH4, deren stratosphärisches Vorkommen zur Zeit kontrovers diskutiert wird. Auch könnte die wichtige Frage nach dem mesosphärischen Vorkommen von HCN in der Titanatmosphäre geklärt werden. Das Deuteriumvorkommen der Jupiter- und Saturnatmosphäre ist von großer kosmologischer und kosmogonischer Bedeutung, da man davon ausgeht, daß das D/H-Verhältnis auf diesen Planeten dem unserer Galaxie gleichkommt, der bei der Entstehung des Sonnensystems von 4.5 Milliarden Jahren vorherrschte und somit eine Referenz zum Verständnis der galaktischen Entwicklung darstellt. Für die Planeten Uranus und Neptun rechnet man aufgrund des Eintrages von mit Deuterium angereicherten Staubes mit einem erhöhten D/H Verhältnis. Die Bestimmung des D/H Verhältnisses der vier Riesenplaneten könnte somit ein wichtiges Hilfsmittel zur Bestimmung des Ursprungs und der Zusammensetzung der Staubwolke im äußeren Sonnensystem darstellen. Mikrowellenmessungen können auch hier tief in die Atmosphären hineinblicken und hochgenau das D/H-Verhältnis bestimmen. Die Eigenschaft von Mikrowellenexperimenten u.a. Wasser und Deuterium mit hoher Genauigkeit und Empfindlichkeit messen können, führt auch in der Kometenforschung zu neuen Möglichkeiten. Kometen bestehen zum großen Teil aus Wasser und dessen Sublimation bestimmt zum großen Teil die Ausgasdynamik, bzw. spielt eine wichtige Rolle im Thermalhaus- Forschungsperspektiven des MPAe 15 halt von Atmosphären aktiver Kometen. Die Fernerkundung des Rotationsgrundzustandes von Wasserdampf mit dem Mikrowellen Instrument auf ROSETTA (MIRO) wird signifikante Fortschritte zum Verständnis kometarer Ausgasprozesse liefern. Eine neue Klasse von Mikrowellenexperimenten basierend auf dem MIME (Microwave Instrument for Mars Express) Design könnten Informationen zu Wasserproduktionraten von Asteroiden bzw. deren Gemeinsamkeiten mit Kometen liefern. Das D/H-Verhältnis im kometaren Wasserdampf liefert wichtige Informationen zum Ursprung und der Entwicklung von Kometen. In den aus der Oort’schen Wolke stammenden Kometen Halley, Hyakutake und Hale-Bopp wurde ein zehnfach höheres D/H Verhältnis bestimmt, als es in der Jupiter und Saturnatmosphäre angenommen wird (s.o.). Damit ist es vergleichbar mit dem D/H Verhältnis in Sternentstehungsgebieten, von denen man annimmt daß sie die Sublimation von interstellaren Eisteilchen wiederspiegeln, bzw. größer als in den Erdozeanen, was Rückschlüsse auf das Budget flüchtiger Substanzen im inneren Sonnensystem zuläßt. Studium der Oberflächen, Atmosphären, Ionosphären und Magnetosphären von Planeten und anderen Körpern im Sonnensystem und ihre Wechselwirkungen Die Erforschung der Oberflächen, Atmosphären, Ionosphären und Magnetosphären von Planeten und anderen Körpern im Sonnensystem ist ein weiterer wichtiger Forschungsschwerpunkt am MPAe. Ist bspw. ein internes Magnetfeld vorhanden, so schützt es den Körper oder seine Atmosphäre vor einfallenden energiereichen Teilchen, wie z.B. bei der Erde. Ihr Magnetfeld entsteht im Innern, Mars hingegen hat heute nur ein sehr schwaches internes Magnetfeld. Hat eine Abschwächung des Magnetfeldes den Verlust von Wasser auf der Marsoberfläche verursacht? Könnte so etwas auch auf der Erde passieren? Die Bestimmung von Parametern zur Charakterisierung von Oberflächen, Atmosphären, Ionosphären und Magnetosphären von Planeten und anderen Körpern im Sonnensystem, wie z.B. Magnetfeld, Zusammensetzung, Dichte, Temperatur, Geschwindigkeiten der Ionen uns Atome usw. kann helfen solche Fragen zu klären. In-situ Messungen auf der Oberfläche des Körpers oder in der Atmosphäre, Ionosphäre, Magnetosphäre, ergänzt durch Beobachtungen von der Erde sind notwendig. Aus Messungen in der näheren Umgebung eines Planeten oder Mondes können beispielsweise die Stärke des Magnetfeldes auf der Oberfläche und seine elektrische Leitfähigkeit bestimmt werden. Andere Parameter können nur auf der Oberfläche selbst bestimmt werden. Die physikalischen Prozesse zwischen Oberfläche, Atmosphäre, Ionosphäre und Magnetosphäre eines Planeten oder anderer Körpern unseres Sonnensystems sind sehr variabel und komplex. Ein detailliertes Studium dieser Prozesse an vielen dieser Körper ist unbedingt notwendig, wenn man sie als Ganzes verstehen will. Als Beispiele solcher Prozesse seien hier nur zwei genannt: 1. Das Einschlagen von energiereichen Teilchen auf die Oberfläche und anschliessendes Forschungsperspektiven des MPAe 16 Herausschlagen von Oberflächenmaterial ( sputtering“). Die Analyse dieser herausge” schlagenen Teilchen liefern also ein Abbild der Oberflächenzusammen-setzung. Fragen wie: Welche Rolle spielt das sputtering“ bei der Bildung von Atmosphären? Wie effi” zient ist dieser Prozeß? Welche Unterschiede gibt es bei verschiedenen Körpern? sollen geklärt werden. 2. Das Erodieren“ von Atmosphären oder Ionosphären durch einfallende geladene oder ” neutrale Teilchen. Eine Bestimmung der sog. Pick-up-Ionen“ und ihrer relativen Häufig” keiten lassen Rückschlüsse auf die Atmosphäre und Ionosphäre des Körpers zu. Große Erfahrung bei der Erforschung der Atmosphäre, Ionosphäre und Magnetosphäre der Erde, die Anwendung entwickelter Methoden auf andere Planeten und Monde unseres Sonnensystems und Erfahrung und Wissen aus erdgebundenen Beobachtungen von Planeten, Monden und Kometen bilden die Basis am MPAe für die zukunftsträchtige Planetenforschung im 21. Jahrhundert. Die direkte Beteiligung des MPAe an der in-situ Erforschung der äußeren Planeten Jupiter und Saturn und ihrer Monde durch die NASA/ESA Projekte Galileo und Cassini sind erst ein Anfang. Beteiligungen an verschiedenen Missionen zum Mars, wie z.B. Mars Pathfinder, Planet-B (Nozomi), Mars Express,. . . und bei der ESA Mission Rosetta, die auf einem Kometen landen wird, qualifizieren das MPAe als ein wichtiges Zentrum der Planetenforschung in Deutschland und Europa. Langfristig ist es sehr wichtig, möglichst viele verschiedene Körper in unserem Sonnensystem zu erforschen und sie untereinander und mit der Erde zu vergleichen. Detaillierte Messungen z.B. bei Merkur, am Jupiter-Mond Europa, an verschiedenen Kometen oder in der Nähe von Pluto werden unser derzeitiges Wissen über unser Sonnensystem entscheidend erweitern.