Forschungsmethoden der Psychologie Tutorium 7 Übersicht 1. Definitionen klären: Tautologien und Zirkularität 2. Kapitel 3.7: Strukturelle und empirische Theorieanteile: Gesetz des Effektes; Frustration und Aggression. Tautologien Tautologien sind Sätze, die unabhängig a) von der Bedeutung ihrer Teilsätze b) von den Wahrheitswerten ihrer Teilsätze immer wahr sind – diese Aussagen bezeichnet man auch als (formal-/aussagen)logisch wahr – Die Tautologien sind unbrauchbar, denn sie nicht empirisch überprüfbar sind. (nach Kempf) Bsp.: Autonome Prozesse sind die Prozesse, die autonom sind (?). Zirkularität Bsp: Ein Stierkämpfer sollte ein Mann sein. Deshalb sollten Frauen nicht am Stierkampf teilnehmen. Problem: Das Argument ist gültig, aber nicht gut. Was genau stimmt nicht mit dem Argument? Ein Argument heißt zirkulär, wenn unter seinen Prämissen mindestens eine ist, die man nur dann für glaubhaft halten kann, wenn man (auch ohne Zurkenntnisnahme des Argumentes) schon von der Schlussfolgerung überzeugt ist. Zirkuläre Argumente liegen vor, wenn eine der Prämissen die Schlussfolgerung schon voraussetzt (oder enthält). Zirkularität Noch ein Beispiel: Es ist erwiesen, dass Asbest eine karzinogene Substanz ist. Alle karzinogenen Substanzen verursachen Krebs. Also: Es ist erwiesen, dass Asbest Krebs verursacht. Das ist ein etwas uneindeutiger Fall. Im Grunde ist das Argument zirkulär, aber wenn jemand nicht weiß, was „karzinogen“ bedeutet, kann das Argument überzeugen. Gesetz des Effekts • • • • Wer? Wann? Was? Wie? • Edward Lee Thorndike (1874 -1949) • 1913 • Für alle Verknüpfungen gilt, dass sie verstärkt werden, falls sie von einem befriedigenden Gasamtzustand gefolgt werden, bzw. dass ihre Stärke abnimmt, falls sie von einem unbefriedigenden Gasamtzustand gefolgt sind. • Wir schauen den Film an! Gesetz des Effekts Ausgangspunkt: Organismen reagieren solange mit instinktiven oder bereits früher erlernten Verhaltensweisen, bis eine Reaktion zufällig zum Erfolg führt Gesetz des Effekts Thorndike (1913) Annahmen: Verknüpfungen von Situationen/Reaktionen, die von einem befriedigenden Gesamtzustand (SSA) gefolgt werden, werden verstärkt. Verknüpfungen von Situationen/Reaktionen, die von einem unbefriedigenden Gesamtzustand (ASA) gefolgt werden, werden schwächer. Gesetz des Effekts DN-Modell: Gesetz des Effekts = Gesetzesaussage A (N) Randbedingung x A(x) B(x) Gesetzesaussage B(N) Explanandum Für alle Verknüpfungen gilt, dass sie verstärkt werden (B(N)), falls sie von einem befriedigenden Gesamtzustand (A(N)) gefolgt werden, bzw. dass ihre Stärke abnimmt, falls sie von einem unbefriedigendem Gesamtzustand gefolgt werden. Gesetz des Effekts DN-Modell: Adäquatheitsbedingungen A (N) Randbedingung Antecedens (UV) x A(x) B(x) Gesetzesaussage B(N) Explanandum Succedens (AV) • Im Antecedens und Succendens ausschließlich empirische Aussagen • Aussagen, welche zu erklärenden Sachverhalt darstellen dürfen nicht bereits aus Aussagen herleitbar sein Gesetz des Effekts Postman (1947): Termini „befriedigender“ bzw. „unbefriedigender“ Gesamtzustand nicht unabhängig von positiver bzw. negativer Verstärkung der Verknüpfung von Situation und Reaktion definiert. Thorndike: Satisfying state of affairs = Bedingungen, bei denen das Tier nichts unternimmt, um sie zu vermeiden, aber oft bestrebt ist, sie zu erreichen. -Intentionale Termini -nicht zulässig im Behaviorismus Gesetz des Effekts Überprüfung des Zirkularitätsverdachts: 1. Ist zirkelfreie Formulierung des Gesetzes innerhalb des Behaviorismus möglich? (HULL, SKINNER, MEEHL) Gesetz des Effekts Hull (1943) Formulierung: statt „satisfying state of affairs“ „Triebreduktion“ zu verwenden. scheitert, da Triebreduktion nicht beobachtungssprachlich definierbar, weil die Triebreduktion müsste durch physiologische Messnormen operationalisierbar sein. Gesetz des Effekts Skinner: Hinzufügen pos. Stimulus Wegnahme neg. Stimulus Formulierung: statt „satisfying state of affairs“ =„Belohnung“, statt „annoying state of affairs“ =„Bestrafung“ verwenden (Skinner). Wegnahme pos. Stimulus Hinzufügen neg. Gesetz des Effekts wird Stimulus zum Gesetz des operanten Konditionierens (neues Verhalten wird aufgrund positiver Konsequenz erworben) Gesetz des Effekts Verknüpfungen von Situationen/Reaktionen, die von einer Belohnung gefolgt werden, werden verstärkt. Verknüpfungen von Situationen/Reaktionen, die von einer Bestrafung gefolgt werden, werden verringert. Gesetz des Effekts Belohnung = pos. Stimulus, dessen Hinzufügen die Auftrittswahrscheinlichkeit einer RK erhöht neg. Stimulus, dessen Wegnahme die Auftrittswahrscheinlichkeit einer RK erhöht Bestrafung = pos. Stimulus, dessen Wegnahme die Auftrittswahrscheinlichkeit einer RK verringert neg. Stimulus, dessen Hinzufügen die Auftrittswahrscheinlichkeit einer RK verringert Gesetz des Effekts Daraus folgt Gesetzesaussage: Auftrittswahrscheinlichkeit einer RK erhöht/verringert sich, wenn ihr eine S-Veränderung (Hinzufügen/Wegnahme) folgt, welche die Auftrittswahrscheinlichkeit einer RK erhöht/verringert Zirkulär!!! Gesetz des Effekts Meehl (1950): Gesetz des Effekts abschwächen im Succedens und Antecedens verschiedene Reaktionen einsetzen Auftrittswahrscheinlichkeit einer RK erhöht sich, wenn ihr eine S-Veränderung folgt, welche die Auftrittswahrscheinlichkeit irgendeiner anderen RK erhöht Gesetz des Effekts Auftrittswahrscheinlichkeit einer RK erhöht sich, wenn ihr eine S-Veränderung folgt, welche die Auftrittswahrscheinlichkeit irgendeiner anderen RK erhöht vollgefressene Ratte mit Elektroschock würde häufig Hebel mit Futterpillen bewegen, statt Elektroschock auszuweichen schwaches Gesetz des Effekts scheitert!!! Gesetz des Effekts Überprüfung des Zirkularitätsverdachts: 1. Ist zirkelfreie Formulierung des Gesetzes innerhalb des Behaviorismus möglich? NEIN 2. Ist zirkelfreie Formulierung des Gesetzes jenseits des Behaviorismus möglich? JA Gesetz des Effekts Lösung: Semantik der Stimuli und Verhaltensweisen muss beachtet werden (strukturelle Reduktion) Verknüpfungen, die von einer funktionalen Situationsveränderung gefolgt sind, werden verstärkt SSA = funktionale Situationsveränderung ASA = dysfunktionale Situationsveränderung Gesetz des Effekts Lösung: Semantik der Stimuli und Verhaltensweisen muss beachtet werden funktional sind all jene Situationsveränderungen, durch welche der Organismus Zugang zu fitnessbegrenzenden Ressourcen erhält fitnessbegrenzende Ressourcen werden durch biologisches Gesetzes-Wissen spezifiziert Praktische Anwendung Hilfe für ADHS-Kinder: Belohnung statt Ritalin? Wissenschaftler der University of Nottingham untersuchten 28 ADHS (Aufmerksamkeits-DefizitHyperaktivitäts-Syndrom) -Kinder im Alter zwischen neun und 15 Jahren sowie eine gleich große Gruppe von gesunden Kindern. Alle Kinder absolvierten ein speziell konzipiertes Computerspiel, wobei gleichzeitig ein EEG (Messung der Hirnströme) abgeleitet wurde. Bei dem Computerspiel sollten die Kinder möglichst viele grüne Aliens fangen, durften aber nicht auf die gelegentlich auftauchenden schwarzen Aliens klicken. Das Spiel wurde entwickelt, um die Fähigkeit der Kinder zu testen, dem Impuls zu widerstehen, Aliens mit der falschen Farbe zu fangen. Es gab für jedes richtig gefangene grüne Alien einen Punkt und für jedes fälschlich gefangene schwarze Alien einen Minuspunkt. Kinder mit AHDS waren in dem Test häufig unkonzentriert und impulsiv und machten viele Flüchtigkeitsfehler. Nach der Therapie mit Ritalin (Methylphenidat) verbesserte sich ihre Leistung. Der gleiche Effekt wurde (wenn auch in schwächerer Form) erzielt, wenn die Kinder eine Extra-Belohnung erhielten. Diese bestand darin, dass sie fünf statt einen Punkt erhielten, wenn sie beim grünen Alien geklickt hatten (attraktivere Belohnung). Möglich waren auch fünf statt einem Minuspunkt beim versehentlichen Anklicken eines schwarzen Aliens (deutlichere Bestrafung). Die Forscher schlussfolgern aus der Studie, dass konsequentes Handeln in der Erziehung von ADHS-Kindern besonders wichtig ist: Positives Verhalten sollte sofort belohnt (gelobt!) und negatives Verhalten sofort sanktioniert werden. Durch diese Art der Verhaltenstherapie könnte man bei leichten Erkrankungsfällen ganz auf Medikamente verzichten und in schwereren Fällen zumindest die Medikamentendosis reduzieren. Das Wissenschaftler-Team merkte allerdings an, dass es oft schwer sein kann, immer eine sofortige Belohnung zu gewährleisten. Schließlich braucht ein kleiner Zappelphilipp bereits dann eine positive Rückmeldung, dass er etwas gut macht, wenn sein Verhalten ein Schritt in die richtige Richtung ist, selbst wenn das Ergebnis – gemessen am Verhalten eines gesunden Kindes – noch alles andere als perfekt ist! http://newsletter.elternwissen.com/public/read_message.jsp;jsessionid=0;apw18?sigreq=-1334199269 Frustrations-Aggressions-Hypothese Theorie und Empirie – ein Beispiel Im Sinne von Dollard et. al (1939) besteht zwischen Frustration und Aggression kein struktureller Zusammenhang UV: Frustration = Störung einer zielgerichteten Aktivität AV: Aggression = Verhalten, das auf Verletzung eines Organismus abzielt Im Sinne von Smedslund (1976) bestehe die Relation zwischen Frustration und Aggression a priori. Also sie sei strukturell und habe keinerlei empirischen Gehalt Frustrations-Aggressions-Hypothese Ist Existenz eines strukturellen Theoriekerns ein Nachteil für den empirischen Gehalt der Theorie? Strukturelles und empirisches Wissen können einander nicht ersetzen, und die Identifikation struktureller Theorieanteile kann empirische Forschung nicht obsolet machen, sondern im Gegenteil: Sie ist ein wichtiges Instrument zur Vermeidung von Pseudoempirie und zur Steigerung der Effiziens und Präzision der empirischen Forschung. Frustrations-Aggressions-Hypothese Die Aufgabe ist: • Klärung der Terminologie • Herausarbeiten der strukturellen Gesetzmäßigkeiten • Formulieren von empirischen Hypothesen, die über den strukturellen Kern hinausgehen Frustrations-Aggressions-Hypothese D 1 Konflikt: Aufeinandertreffen von unvereinbaren Handlungstendenzen - Kooperationssituation (win-win) - Konkurrenzsituation (win-lose) D 2 Frustration: Ereignis, das Ausführung oder Erfolg einer eigenen Handlung vereitelt D 3 D 4 Aggression: Durchsetzungsverhalten gegen den (vermeintlichen oder tatsächlichen) Willen eines anderen Gewalt: Verletzung der körperlichen oder seelischen Unversehrtheit eines anderen G1 Def.: Konflikt D 2 Def.: Frustration G2 D 3 Def.: Aggression D 4 Def.: Gewalt G3 G4 Wenn ich im Konflikt an meinen Zielen festhalte, dann ist jede Handlung zur Durchsetzung per definitionem eine Aggression. subjektseitige Prämissen D 1 Wenn ich Frustration als vom anderen intendiert wahrnehme, dann meine ich, mit dem anderen in Konflikt zu stehen. Katharsis: Wenn ich mich im Konflikt erfolgreich durchsetze, dann diesbezüglich keine weiteren Handlungen mehr (=das Ziel der Aggression entfällt). Aggression-Aggression: Durchsetzung nur dann Aggression, wenn man meint, dass sie gegen den Willen eines andern erfolgt. Aggression wird dann zur Verteidigung gegen die (wahrgenommene) Aggression des Konfliktgegners. D 1 G1 G5 Def.: Konflikt D 2 Def.: Frustration G2 G6 D 3 Def.: Aggression D 4 Def.: Gewalt Attribution und Aggression: Wenn ich andere für meine Misserfolge (Frustrationen) verantwortlich mache, und ihnen böse Absicht unterstelle, dann werde ich aggressiv reagieren. G3 G7 G4 Bedrohung und Aggression: Aggression nicht nur aufgrund tatsächlich eingetretenen Frustrationen, sondern auch hinsichtlich drohender, antizipierter Frustrationen („Präventivschlag“) Verschiebung der Aggression: Aggression nicht nur gegen den ursprünglichen Verursacher der Frustration, sonder gegen einen anderen, wodurch ich meine Ziele auch erreichen kann Frustrations-Aggressions-Hypothese Struktureller Zusammenhang Analyse der inneren Logik von Konflikten – bisher ohne irgendwelche Beobachtung, sondern allein aufgrund unseres strukturellen Wissens! aristotelische Wissensanteile: – Bestimmungsmerkmale (Begriffsklärung) – strukturelle Gesetzmäßigkeiten – enthält aber auch schon empirische Implikationen: subjektseitige Prämissen Frustrations-Aggressions-Hypothese Subjektseitige Prämissen Subjektseitige Prämissen = empirische Voraussetzungen für strukturelle Gesetze: • Frustration führt zu Aggression (G1, G2), (= der Kern der ursprünglichen F-A-Hypothese!) – wenn Frustration als intendiert gedeutet wird und – wenn an den Handlungszielen festgehalten wird • Aggression als Verteidigung gegen Aggression eines anderen (G4, G5), – wenn der andere für Frustration verantwortlich gemacht wird, – und wenn ihm dabei böse Absicht unterstellt wird • Bedrohung wird mit Aggression beantwortet (G6), – wenn Akteur eine Situation als Konkurrenzsituation empfindet Frustrations-Aggressions-Hypothese Empirische Fragestellungen Empirische Fragestellungen Fragen nach Bedingungen: • • • • • Wann werden Frustrationen als intendiert gedeutet? Wann neigen Personen dazu, trotz Frustrationen an Zielen festzuhalten? Wann werden Konflikte als Konkurrenzsituationen gedeutet? Wann eskaliert Aggression zu Gewalt? Wann glauben Personen, dass ihnen nur gewaltförmige Mittel zu Verfügung stehen? • Welche Bedingungen sind für Beurteilung von Erfolgschancen maßgeblich? Fragen