bosnien-herzegowina - Religionsfreiheit weltweit

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BOSNIEN-HERZEGOWINA
BOSNIEN-HERZEGOWINA
Christen
(52,3 %)
-Katholiken (14,2 %)
-Orthodoxe (37,9 %)
-Protestanten (0,2 %)
Einwohner:
Fläche:
Flüchtlinge (int.)*:
2
3.833.900
51.210 km
6.927
* Ausländische Flüchtlinge in diesem Land
Muslime
(45,2 %)
Religionslose
(2,5 %)
Flüchtlinge (ext.)**:
Binnenflüchtlinge:
27.419
103.368
** Ins Ausland geflohene Bürger dieses Landes
Bosnien-Herzegowina liegt in Südosteuropa auf der Balkanhalbinsel und grenzt an
Kroatien, Montenegro und Serbien; die Küstenlinie verläuft 20 km am Adriatischen
Meer entlang. Das Land ist in zwei Entitäten aufgeteilt: die Föderation Bosnien und
Herzegowina (etwa 51 % des Territoriums) und die bosnisch-serbisch geführte Republik
Srpska oder RS (etwa 49 % des Territoriums). Außerdem gibt es einen separaten
Verwaltungsdistrikt für Brčko in Nordostbosnien.
Die Verfassung und andere Gesetze schützen die Religionsfreiheit. Das Gesetz verbietet
jegliche Form der Diskriminierung einer Religionsgemeinschaft. Das Justizministerium
führt ein Gesamtregister aller Religionsgemeinschaften und das Ministerium für
Menschenrechte und Flüchtlinge ist für die Dokumentation von Verstößen gegen die
Religionsfreiheit zuständig. Jede Gruppe, die aus mindestens 300 volljährigen Bürgern
besteht, kann einen schriftlichen Antrag an das Ministerium für Menschenrechte stellen,
um eine neue Kirche oder Religionsgemeinschaft zu bilden. Das Ministerium muss
dann innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des Antrags eine Entscheidung treffen.
Organisationen von religiösen Minderheiten dürfen sich legal registrieren und ohne
Einschränkungen agieren.
Der Religionsunterricht ist in Bosnien-Herzegowina weitgehend dezentralisiert.
Öffentliche Schulen bieten Religionsunterricht nur in der Religion an, die mehrheitlich
in der Gemeinde praktiziert wird. Wenn genügend Schüler einer religiösen Minderheit
eine bestimmte Grund- oder weiterführende Schule besuchen (20 in der serbischen
Republik, 15 in der Föderation), muss die Schule Unterricht für sie organisieren. In
fünf Kantonen mit bosnischer Mehrheit (die Bosnisch-Kroatische Föderation ist in
zehn Kantone unterteilt) bieten Grund- und weiterführende Schulen islamischen
Religionsunterricht als Wahlfach an, das zwei Stunden pro Woche unterrichtet wird.
© KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014
In Kantonen mit kroatischer Mehrheit besuchen die Schüler in Grund- und Mittelschulen
Unterricht in katholischer Religion, der als Wahlfach mit einer Wochenstunde angeboten
wird. In 13 Grund- und weiterführenden Schulen mit kroatischer Mehrheit können
die Schüler zwischen den Wahlfächern Katholische Religion und Ethik wählen. Das
Sarajevo Cantonal Ministry of Education (Bildungsministerium im Kanton Sarajevo)
hat für Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen wollen, ein Alternativfach
eingeführt, das an Grundschulen „Gesellschaft, Kultur und Religion“ und an
weiterführenden Schulen „Religionskultur“ heißt.
Die Zentralregierung erkennt keinen einzigen religiösen Gedenktag als offiziellen
Feiertag an; doch die Behörden der beiden Entitäten und der Kantone halten religiöse
Feiertage ein, die von den Mitgliedern der Mehrheitsreligion der Gegend begangen
werden. Zu den lokal eingehaltenen religiösen Feiertagen gehören das orthodoxe Oster­
fest und Weihnachten in der Republik Srpska; das katholische Osterfest und Weihnachten
in Herzegowina; Ramadan Bajram (Id al-Fitr, Fest des Fastenbrechens) und Kurban
Bajram (Id al-Adha, das islamische Opferfest) in Sarajevo und Zentralbosnien.
Es gibt eine kleine jüdische Gemeinschaft mit etwa 1.000 Mitgliedern, die eine
aktive Rolle im Interreligiösen Rat spielt. Dieser Rat existiert seit 1997 und vermittelt
zwischen den vier Religionsgemeinschaften, die als „traditionell“ (Muslime, Orthodoxe,
Katholiken und Juden) gelten.
Bosnien-Herzegowina ist formal ein säkularer Staat, doch seit dem Krieg spielt die
Religion eine größere Rolle. Den verfügbaren Daten entsprechend wurden während des
Krieges etwa 3.290 religiöse Gebäude zerstört oder beschädigt.1
In Bosnien-Herzegowina gibt es ein einzigartiges Phänomen des Islam: Muslim
ist man dort sowohl durch Religion als auch durch Volkszugehörigkeit. Das Nomen
Muslim bezeichnete diejenigen Slawen im ehemaligen Jugoslawien, die dem Islam
angehörten. 1971 wurde ihnen der Status der jugoslawischen Nation zugewiesen. Bis
dahin hatten sie die Wahl, sich entweder als serbisch, kroatisch oder jugoslawisch
zu erklären – landesspezifisch unbestimmt. 1993 nahmen die Muslime Bosniens den
Namen Bosniaken an, um ihre Nation noch spezifischer zu bezeichnen. Für viele
säkulare Bosniaken hat ihre muslimische Identität mehr mit kulturellen Wurzeln als mit
religiösem Glauben zu tun.
Bosnische Muslime sind Sunniten der hanafitischen Schule. Die Hauptorganisation
der Muslime ist die Islamic Community in Bosnia and Herzegovina (ISBH; Islamische
1
Nadzida Cano, BIRN Justice Report.
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Gemeinschaft Bosnien-Herzegowina). Sie organisiert die wichtigsten muslimischen
Aktivitäten bzw. Bereiche: Moscheen, Gebete, Bildung, Verlagswesen, Wohltätigkeit.
Es gibt acht Muftis (islamische Rechtsgelehrte), die in den Hauptgemeinden wirken:
Sarajevo, Bihać, Travnik, Tuzla, Goražde, Zenica, Mostar und Banja Luka. Die
konservativeren muslimischen Gemeinschaften Bosniens sind in Städten wie Travnik,
Zavidovići, Tešanj, Maglaj, Bugojno und Zenica.
Islamunterricht wird in über 1.400 Maktabs (informelle religiöse Grundschulen) für
60.000 reguläre Schüler angeboten, des Weiteren in 13 islamischen Hochschulen
(madrasa), an zwei islamischen Akademien zur Ausbildung von Religionslehrern, die
an öffentlichen Schulen unterrichten wollen, und an der Fakultät für islamische Studien
in Sarajevo.2
Die islamische Gemeinschaft focht 2012 mit dem Kanton Sarajevo einen erbitterten
Kampf um den Religionsunterricht aus. Der Bildungsminister des Kantons hatte die
Grundschulen in einem Erlass angewiesen, Noten im Fach Religion aus der Berechnung
des offiziellen Notendurchschnitts der Schüler herauszunehmen und den Schülern zu
erlauben, das Fach abzuwählen. Dies stieß auf heftige Kritik seitens der muslimischen
Gemeinschaft.3 Der Minister trat zwei Tage nachdem er einen Brief erhalten hatte, der
eine Gewehrkugel enthielt, zurück. Die Regierung des Kantons schob die Umsetzung
des Erlasses auf. Eine Übereinkunft zwischen der Regierung und der muslimischen
Gemeinschaft ist in der Entwicklungsphase.
Von 1991 bis 1995 und in der Zeit danach traten die ersten Salafisten, lokal als Wahhabiten
bekannt, in Erscheinung. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt, wird jedoch auf mehrere
Tausend geschätzt. Es gibt einige Schiiten und pro-schiitische Vereinigungen, aber keine
schiitischen Moscheen. Muslimische ausländische Kämpfer erhielten den offiziellen
Status, als 1993 die Einheit namens El Mudžahid gegründet wurde. Zwischen 2.000
und 5.000 von ihnen kämpften in Bosnien-Herzegowina gegen Serben und Kroaten.4
Nach dem Krieg gewährte Bosnien fast 1.500 ausländischen muslimischen Kämpfern
die Staatsbürgerschaft als Lohn für ihren Beistand.
Viele konservative Muslime erkennen die Autorität der Islamic Community (Islamische
Gemeinschaft) und der bosnischen Regierung an. Ihnen geht es hauptsächlich um die
Reinheit des islamischen Glaubens und seiner Ausübung. Es gibt jedoch auch mehrere
kleinere salafistische Gruppen, die diese Vorrangstellung der Islamischen Gemeinschaft
Velko Attanassoff, „Islamic Revival in the Balkans“.
Bosnia’s Dangerous Tango: Islam and Nationalism Crisis Group Europe Briefing N°70.
4
Ibid.
2
3
© KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014
und des Staates nicht akzeptieren. Sie treten für die Einführung der Scharia ein und
erkennen die bosnische Regierung nicht an. Oft übernehmen sie extreme Auslegungen
des Islam und betrachten die meisten Bosniaken als Ungläubige. Soweit sie sich mit
Politik befassen, ist es die der Umma (islamische Weltgemeinschaft) mit Themen
wie Palästina und der Krieg in Syrien. Die meisten nicht eingegliederten Islamisten
wiederum leben in abgelegenen Gegenden. In manchen Gemeinschaften verursachen
sie Unruhe, indem sie Bosniaken dazu anstiften, andere Muslime als Ungläubige zu
denunzieren. Die wesentlichen Unterstützer salafistischer Vorstellungen waren die
Hilfsorganisationen: die High Saudi Committee (Hohe Saudische Kommission), die
Al-Haramain Foundation (Al-Haramain-Stiftung) und die Society for the Revival of
Islamic Heritage (Gesellschaft zur Erneuerung des Islamischen Erbes). Dem South East
Europe Security Monitor (SEE Security Monitor) zufolge gibt es in Bosnien über 250
religiöse Hilfsorganisationen aus dem Nahen Osten und Europa.
Muslime in Bosnien mussten immensen Schaden an ihren Gebetsstätten hinnehmen.
Nach ihren Angaben gab es vor dem Krieg insgesamt 1.144 Moscheen, von denen 614
zerstört und 307 beschädigt wurden. Sie geben zudem an, dass 557 Mesdschids (kleine
Moscheen), 954 Maktabs (Koranschulen), 15 Tekkes (Zentrum eines Sufi-Ordens),
90 Türben (islamische Grabbauten) und weitere 1.425 Gebäude zerstört wurden.
Die Mehrheit der Orthodoxen im Lande sind ethnische Serben. Die unabhängige
Geschichte der Orthodoxen Kirche in Bosnien-Herzegowina beginnt 1219, als die
Eparchie Zahumlje und Herzegowina als Teil der Serbisch-Orthodoxen Kirche
vom Heiligen Sava gegründet wurde. Von den ausgehenden 1760er-Jahren bis 1880
unterstand die Orthodoxe Kirche in Bosnien-Herzegowina unmittelbar dem Patriarchat
von Konstantinopel. 1920, nach dem ersten Weltkrieg und der Entstehung des
Königreichs Jugoslawien, kam das Gebiet erneut unter die religiöse Oberherrschaft
der kurz zuvor wiedervereinigten Serbisch-Orthodoxen Kirche. 2008 ratifizierte
der Staat ein Abkommen mit der Serbisch-Orthodoxen Kirche. Nach Angaben der
Serbisch-Orthodoxen Kirche wurden während des Krieges 125 Kirchen und 66 weitere
Gemeindegebäude sowie andere sakrale Gebäude zerstört und 172 Kirchen und 50
weitere Bauten beschädigt.
Ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl, das im Jahr 2007 ratifiziert wurde, gesteht
der Katholischen Kirche in Bosnien-Herzegowina eine Rechtspersönlichkeit zu sowie
das Recht auf die Gründung von Bildungs- und Wohltätigkeitseinrichtungen und auf
Religionserziehung; des Weiteren werden die katholischen Feiertage offiziell anerkannt.
Die Katholische Kirche in Bosnien-Herzegowina besteht aus einer Kirchenprovinz in
Sarajevo, der Erzdiözese von Vrhbosna und drei Suffragandiözesen: dem Bistum Banja
Luka, dem von Mostar-Duvno und dem Bistum Trebinje-Mrkan; des Weiteren gehört
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das Military Ordinariate (Militärordinariat) von Bosnien und Herzegowina dazu. Es
gibt zwei Franziskanerprovinzen im Land: die Franziskanerprovinz Mariä Himmelfahrt
in Mostar und die von Bosna Srebrena in Sarajevo.
Die Katholische Kirche war während des Krieges großen Zerstörungen ausgesetzt. Nach
Angaben der Kirche wurden 269 religiöse Gebäude völlig zerstört und 731 beschädigt.
Zu den zerstörten Bauwerken gehörten Kapellen, Klöster und Friedhöfe. Papst Johannes
Paul II. besuchte Bosnien-Herzegowina zweimal: 1994 Sarajevo und 2003 Banja Luka.
Das Christentum gelangte im ersten Jahrhundert n. Chr. auf das Gebiet von BosnienHerzegowina; und zwar durch die Schüler des heiligen Apostels Paulus oder Paulus
selbst. Im Anschluss an die Mailänder Vereinbarung breitete sich das Christentum rasch
aus und die Christen und Bischöfe auf dem Gebiet des heutigen Bosnien-Herzegowina
sammelten sich um zwei Metropolitensitze: Solin (Salona) und Syrmien (Sirmium).
Mehrere frühe christliche Diözesen entwickelten sich im vierten, fünften und sechsten
Jahrhundert n. Chr.
Bosnier und Herzegowiner lebten voneinander getrennt, bis die Ottomanen 1463
Bosnien und danach, 1482, Herzegowina eroberten. Der Berlin Congress (Berliner
Kongress) unterstellte Bosnien-Herzegowina 1878 der Herrschaft Österreich-Ungarns.
Im Jahr 1918 wurde Bosnien-Herzegowina Teil des vereinten südslawischen Staates,
der als Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen bekannt ist.
Bosnien-Herzegowina liegt im Grenzbereich zwischen der westlichen und östlichen
Kultur. Drei Nationen und drei Religionen begegneten sich auf diesem kleinen
Territorium. Es ist ein komplexes Land, in dem ethnische Spannungen und friedliches
Zusammenleben gleichzeitig gegeben sind. Ursache des Krieges in Bosnien und
Herzegowina war nicht religiöser Hass oder das Bestreben, den Katholizismus, den
Islam oder die Orthodoxie zu verbreiten. Nichtsdestotrotz bestand die reale Gefahr,
dass dieser Krieg zu einem Religionskrieg hätte werden können, insbesondere zu dem
Zeitpunkt, als die bosnische Regierung die Hilfe islamischer Länder annahm, weil sie
von der Politik Westeuropas enttäuscht war. Religion und Religionsgemeinschaften
haben den Krieg weder verursacht noch hätten sie ihn verhindern können, wie häufig
angenommen wird.
Während der vier Jahre des Krieges in Bosnien-Herzegowina kamen 250.000 bis
280.000 Menschen ums Leben oder gelten als vermisst. Etwa 50.000 wurden Opfer
von Folter. Über eine halbe Million Menschen durchliefen etwa 900 Gefängnisse
und improvisierte Konzentrationslager. Bis heute hat man über 160 Massengräber
entdeckt. 1,2 Millionen Einwohner von Bosnien-Herzegowina wurden zu Flüchtlingen
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(Vertriebene innerhalb Bosnien-Herzegowinas); 1,3 Millionen suchten in 35 Ländern
auf der ganzen Welt Zuflucht.
Das Friedensabkommen von Dayton, das den Krieg beilegte, galt damals als Lösung
„des kleinsten Übels“. Die bosnischen Serben stimmten in Dayton zu, weil ein hohes
Maß an Dezentralisierung gegeben war: Ein Staat in einem anderen wurde anerkannt
(die Republik Srpska) und die Föderation von Bosnien und Herzegowina (muslimischkroatisch) war mit zehn Kantonen sehr dezentral organisiert. Dennoch fürchten sich
beide Entitäten auch 17 Jahre danach noch immer voreinander. Dieses Misstrauen zu
überwinden könnte noch ein Jahrzehnt, wenn nicht sogar eine Generation dauern.
Eine gemeinsame Währung, die innere Sicherheit und die Reform des Rechtswesens
wurden nur auf Druck der internationalen Gemeinschaft (EU und NATO) und der
finanziellen Unterstützung internationaler Spender realisiert.
Für Bosnien-Herzegowina war es schmerzvoller als für die anderen ehemaligen
jugoslawischen Republiken, sich vom Krieg zu erholen. Obwohl das Land als souveräner
Staat anerkannt wird, ist seine Identität immer noch umstritten. Vorrangiges Ziel für
Bosnien-Herzegowina ist heute, Mitglied der EU zu werden.
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